Die strafrechtliche Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten [1 ed.] 9783428552610, 9783428152612

Die staatliche Abschöpfung von Erträgen aus Straftaten hat Hochkonjunktur. »Straftaten dürfen sich nicht lohnen« – aber

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Die strafrechtliche Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten [1 ed.]
 9783428552610, 9783428152612

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 277

Die strafrechtliche Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten Von

Lennart Fleckenstein

Duncker & Humblot · Berlin

LENNART FLECKENSTEIN

Die strafrechtliche Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 277

Die strafrechtliche Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten

Von

Lennart Fleckenstein

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Karsten Altenhain, Düsseldorf Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-15261-2 (Print) ISBN 978-3-428-55261-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85261-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016 / 17 von der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Disserta­ tionsschrift angenommen. Für die Druckfassung konnten noch Rechtsprechung und Literatur bis April 2017 berücksichtigt werden. Die Arbeit befindet sich bereits auf dem Stand des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. I, S. 872), das am 01.07. 2017 in Kraft tritt. Die weitreichenden Neuregelungen werden insbesondere in Kapitel 3 eingehend behandelt. Mein herzlicher Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Karsten Altenhain, für die in jeglicher Hinsicht wertvolle Förderung seit meinen Anfängen als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl. Nicht nur bei der Begleitung der vorliegenden Arbeit hat er mir stets in vorbildlicher Weise (wissenschaftliche) Freiräume gelassen und mich zugleich durch seine kritischen Anmerkungen immer wieder dem Kern der Sache entscheidend näher gebracht. Bedanken möchte ich mich zudem bei Herrn Prof. Dr. Helmut Frister für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für stets fruchtvolle Gespräche bei der Entstehung der Arbeit bin ich Frau Stephanie Claßmann, LL.M. (University of Sydney), zu Dank verpflichtet. Dem Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e. V. danke ich für die Zuerkennung eines Förderpreises. Für die Aufnahme in die Veröffentlichungsreihe habe ich den Herren Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder und Prof. Dr. Andreas Hoyer zu danken. Düsseldorf, im Mai 2017

Lennart Fleckenstein

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Überblick über die einschlägigen Regelungen und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen „Verfall“ und „Einziehung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Wesentliche Entwicklung des Rechts der Abschöpfung von Taterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Abschöpfung von rechtswidrig erzielten Vermögensvorteilen in anderen Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Problematik der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten  . . . . . 22 I. Praktische Bedeutung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Rechtliche Problemkreise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Kapitel

Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen im Allgemeinen und bei Drittbegünstigten

26

A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Überblick über die Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Entwicklung des eigenen Standpunkts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Fiskalische Interessen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. (Sichernde) Spezialprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Fälle des bisherigen § 73 I 2 StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 c) Verbleibende Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Belohnungs-, Verzichts- und Verjährungsfälle . . . . . . . . . . . 37 bb) Delikte gegen überindividuelle Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . 38 (1) Umweltdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (2) Verbleibende Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (3) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 d) Hinauslaufen auf die Funktion der Wiederherstellung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 e) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

8

Inhaltsverzeichnis 4. Anforderung der Gerechtigkeit bzw. Wiederherstellung des Rechts . 45 5. Generalprävention  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Zur negativen Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Zur positiven Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Zusammenführung von positiver und negativer Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 d) Die ergänzende, generalpräventive Wirkungsweise der Abschöpfung von Taterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Legitimität der Verschiebung des Erlangten zum Staat  . . . . . . 53 III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Überblick über die Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Rechtsnatur nach dem Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Rechtsnatur nach dem Bruttoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Entwicklung des eigenen Standpunkts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Grundlegung: Begriff der staatlichen „Strafe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den Verfassungsmaßgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Unzulässigkeit von Kriterien, die der Bestimmung des Gesetzgebers unterliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Das „sozialethische Unwerturteil“ bei BGH und BVerfG  . 61 bb) Möglichkeit einer anderen Bestimmung dieses Kriteriums? . 63 c) Schlussfolgerung: Formulierung einer „Grunddefinition“ . . . . . 65 2. Rechtsnatur nach dem Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) „Strafähnliche“ Maßnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Maßnahme eigener Art? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Rechtsnatur nach dem Bruttoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Mehr als „Entreicherung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Das traditionelle Bereicherungsverständnis . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Das moderne Bereicherungsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . 71 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 dd) Folgerungen für die Abschöpfung von Taterträgen . . . . . . . 72 b) Mehr als Wiederherstellung des „status quo ante“? . . . . . . . . . . 73 c) Zusammenführung der beiden Begründungslinien . . . . . . . . . . . 76 d) Konkretisierung der Einschränkung der fehlenden Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Grad und Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Maßgebliche Person und Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . 78 (1) Die Maßstäbe bei § 819 I BGB bzw. § 817 S. 2 BGB 79 (2) Folgerungen für die Abschöpfung von Taterträgen . . . 80 (3) Vergleich mit den Ergebnissen der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 e) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82



Inhaltsverzeichnis9 III. Exkurs: Bruttoprinzip und Strafbegriff des Art. 7 I EMRK . . . . . . . . . 83 IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG . . . . . . . . . 85 I. Eröffnung des Schutzbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Grundsätzliches zur Bestimmung des Schutzbereiches des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Einschränkung bei unerlaubtem oder sozialschädlichem Verhalten bzw. Missbrauch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Zur allgemeinen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Zur Diskussion von Verfall und Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Ausschluss von zivilrechtlich unwirksam erworbenen Vermögenspositionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4. Abschöpfung des Wertersatzes und Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Bestimmung des Eingriffstyps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Verfolgung eines legitimen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Tatbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Drittbegünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Einwirkung auf Allgemeinheit als (potenzielle) Drittbegünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Einwirkung auf Allgemeinheit als (potenzielle).Tatbeteiligte  102 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Tatbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Drittbegünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten . . . . . . . . 107 (1) Die ratio des zivilrechtlichen Entreicherungseinwandes  107 (2) Konstellationen der Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Der Entreicherungseinwand und der Vertrauensschutz des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (4) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Abschöpfungsbedürfnis bei mittelbarem Erwerb des Drittbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (1) Begründung von Wertersatzhaftung und Haftung des Drittbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (2) Bestimmung des Haftungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . 114 (3) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

10

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel



Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten

118

A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Reichsstrafgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Regelungsstand im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Die PreistreibereiVO als erster Vorläufer des § 73 III StGB a. F. . . 120 3. Rezeption dieser Regelung in den Entwürfen für ein Deutsches Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Die Entwicklungslinie von der PreistreibereiVO zum WiStG . . . . . 124 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Beratungen der Großen Strafrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Entgelt- und Gewinnabschöpfung in den Diskussionen über Grundsatzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Beratungen zum Thema „Verfall und Einziehung“ . . . . . . . . . . . . . 127 a) Vorbereitende Regelungsvorschläge und Diskussion in der 34. Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Vorschläge der Unterkommission und Diskussion in der 37.  Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Beratungen zum Thema „Behandlung der juristischen Personen“  . 131 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuchs von 1962 (E 1962) . . . . . . 132 IV. Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil (AE 1966) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 V. Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform . . . . . . . 135 1. Wandlung des Verständnisses der Rechtsnatur des Verfalls? . . . . . . 136 2. Ausweitung des Verfalls bei Drittbegünstigten?  . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Zum Merkmal „für einen anderen gehandelt“ . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Darstellung der Erörterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Positiver Inhalt dieses Merkmals? . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (2) Der Formulierungsfehler des Gesetzgebers . . . . . . . . . . 139 b) Zum Merkmal „dadurch … erlangt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Darstellung der Erörterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Parallele zur „Unmittelbarkeit“ bei § 73 I StGB a. F.  . 142 (2) Fehlen einer Begründung für das Festhalten an der Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 VI. Einführung des § 73 III StGB a. F. durch das 2. StrRG . . . . . . . . . . . 144 VII. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145



Inhaltsverzeichnis11

B. Methodische Möglichkeiten des Umgangs mit den identifizierten Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Der Formulierungsfehler bei „für einen anderen gehandelt“ . . . . . . . . 145 1. Methodische Bedeutung der Überschreitung des möglichen Wortsinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Anwendbarkeit von Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Die fehlende Regelung von Fällen mittelbaren Erwerbs . . . . . . . . . . . 148 C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Zwischenzeitlicher Stand von Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . 149 1. Auslegung von „für einen anderen gehandelt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Auslegung von „dadurch … erlangt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Darstellung und Einordnung der Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . 154 1. Aufbereitung des Auslegungsmaterials durch den BGH . . . . . . . . . 154 2. Fallgruppenbildung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Vertretungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Verschiebungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Erfüllungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Methodische Analyse der Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Die Fallgruppenbildung als „Ersetzung“ des Gesetzes?  . . . . . . . . . 161 2. Die Fallgruppenbildung als „Konkretisierung“ des Gesetzes? . . . . . 163 a) Darstellung der Vertretungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Darstellung der Verschiebungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Darstellung der Erfüllungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Inhalt des Kriteriums des „Bereicherungszusammenhangs“ beim BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Verhältnis zum Merkmal „für einen anderen gehandelt“ . . . . . . 167 b) Verhältnis von Verschiebungs- und Erfüllungsfällen . . . . . . . . . 167 c) Behandlung von Abgrenzungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Behandlung durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Behandlung durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Ergebnis: (Erweiterte) Definitionen der beiden Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 D. Anwendung des § 73 III StGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Merkmal „für einen anderen gehandelt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Diskussion des Meinungsstandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Handeln „im Einflussbereich“ des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Handeln „im Geschäftskreis“ des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

12

Inhaltsverzeichnis c) Handeln „im Interesse“ des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 aa) Konkretisierung des Verständnisses der Rechtsprechung . . . 179 bb) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Möglichkeit einer (richterlichen) Gesetzeskorrektur  . . . . . . . . . . . . 182 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Merkmal „dadurch … erlangt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. „Dadurch … erlangt“ als Unmittelbarkeitszusammenhang . . . . . . . 186 2. „Dadurch … erlangt“ als Bereicherungszusammenhang . . . . . . . . . 187 a) Auswirkung von „erlangt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) „Erlangen“ als faktisch-wirtschaftlicher Erwerb? . . . . . . . . . 189 bb) Konsequenzen dieser Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) „Erlangen“ als rechtlicher oder faktisch-wirtschaftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Auswirkung von „für einen anderen gehandelt“ . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Zum bisherigen Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Auswirkung der gebotenen Gesetzeskorrektur . . . . . . . . . . . 194 cc) Konsequenzen für die Auslegung von „dadurch … erlangt“  194 3. Entscheidung der Auslegungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Kapitel

Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten

198

A. Vorgaben der EU-Vermögensabschöpfungs-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Einschlägiger Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Vergleich mit den bisherigen Grundsätzen des BGH . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Erfordernis einer Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht . . . . . 200 2. Maßgeblichkeit der Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten bezüglich der Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Haftungsverhältnis zwischen Tatbeteiligtem und Drittbegünstigtem . 201 4. Erfassung der „Verschiebung“ von Wertersatz und vermischtem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. Regelungen der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Die einschlägigen Neuregelungen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die Einziehung von Taterträgen bei Drittbegünstigten (§ 73b StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Weitere, einschlägige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204



Inhaltsverzeichnis13 II.

Der „Vertretungsfall“ (§ 73b I 1 Nr. 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Merkmal „für ihn gehandelt hat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Verhältnis zu den Grundsätzen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Fortsetzung des Fehlers des historischen Gesetzgebers . . . . . . . 207 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Merkmal „durch die Tat … erlangt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) „Rückkehr“ zum Unmittelbarkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . 209 b) Abkehr von den Grundsätzen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 III. Der „Verschiebungsfall“ (§ 73b I 1 Nr. 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Begründung der beiden Unterfallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Vergleich mit § 822 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Fehlerhaftigkeit dieses Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Vergleich mit §§ 818 III, IV, 819 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Verzicht auf eine Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht . . . . . 218 a) Bewusste Abweichung von BGH und Richtlinie? . . . . . . . . . . . 218 b) Begründbarkeit des Absichtserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Vergleich mit § 822 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Erklärung und Funktion des Erfordernisses in Rechtsprechung, Literatur und Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Das Erfordernis bei generalpräventiver Begründung der Abschöpfung von Taterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Gleichsetzung von Unentgeltlichkeit und Rechtsgrundlosigkeit in lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4. Erfordernis der Bösgläubigkeit des Empfängers in lit. b) . . . . . . . . 225 a) Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Auslegung von „hätte erkennen müssen“ . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Legitimität der Hinzunahme von Leichtfertigkeit neben positiver Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5. Fehlen einer Regelung des Haftungsverhältnisses zwischen Tatbeteiligten und anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6. Behandlung von „Scheinverschiebungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7. Erfassung von Verschiebungen durch einen Dritten  . . . . . . . . . . . . 232 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Der „Erbfall“ (§ 73b I 1 Nr. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Bisheriger Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Begründung der Erfassung des „Erbfalls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

14

Inhaltsverzeichnis 3. (Zeitliche) Reichweite des „Erbfalls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 V. Ausschluss bei gutgläubigem, entgeltlichem Zwischenerwerb (§ 73b I 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Begründung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Die Parallele zu § 261 VI StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 VI. Übertragung bzw. Übergang von Wertersatz, Nutzungen und Surrogaten (§ 73b II, III StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Behandlung der Problematik in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Die Problematik auf Grundlage herkömmlicher Dogmatik . . . . . . . 241 a) Die entsprechenden Diskussionen bei der Geldwäsche (§ 261 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) „Verdünnung“ der rechtswidrigen Vermögensbestandteile . . 241 bb) Identifizierung von ersparten Aufwendungen im Vermögen . 242 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Das Verständnis von „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Wertmäßiges Entsprechen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Erforderlichkeit der sicheren Feststellung eines kontaminierten Anteils? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Dogmatische Neukonstruktion: Absicherung der Wertersatzeinziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Folgen einer solchen Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Grenzen einer solchen Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 VII. Ausschluss bei nachträglicher Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten (§ 73e II StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Auslegung von „soweit der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Das Verständnis des Bundestags-Sonderausschusses (zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Das Verständnis des BGH (zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.) . . . . 254 c) Das Verständnis des aktuellen (Reform-)Gesetzgebers . . . . . . . . 256 d) Folgerung: Trennung der beiden Entreicherungs-Varianten . . . . 257 e) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Erfassung aller Varianten des § 73b StGB durch § 73e II StGB?  . 259 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260



Inhaltsverzeichnis15 VIII. Neuregelung des Bruttoprinzips (§ 73d I StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Abzug von Aufwendungen des Drittbegünstigten (§ 73d I 1 StGB)  260 2. Zurechnung von Aufwendungen des Tatbeteiligten (§ 73d I 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 IX. Erweiterte und selbständige Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 73b i. V. m. § 73a, § 76a IV StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Erweiterte Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 73b i. V. m. § 73a StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Die anderen, rechtswidrigen Taten sind demselben Tatbeteiligten zuzuordnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Die anderen, rechtswidrigen Taten sind einem anderen zuzuordnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Selbständige Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 76a IV StGB) . . 267 a) „Aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand“ . . . . . 267 b) Subsidiarität des § 76a IV StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Beschränkung auf Straftatenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 d) Berücksichtigung der gutgläubigen Entreicherung eines Drittbegünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 e) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 X. Gesamtbewertung und Übersicht der vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Behandlung der beiden Grundprobleme des § 73 III StGB a. F. . . . 276 2. Die überzeugende Grundkonzeption des § 73b I StGB . . . . . . . . . . 277 3. Konzeptioneller Bruch hinsichtlich der Berücksichtigung der gutgläubigen Entreicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 4. Fehlende bzw. völlig unzureichende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 279 5. Handwerkliche Fehler bzw. Ungenauigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Einleitung Das Rechtsfolgensystem des deutschen Strafrechts unterscheidet traditionell zwischen zwei Grundtypen möglicher Anordnungen, den Strafen (§§ 38 ff. StGB) und den Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB). Aus dieser „Zweispurigkeit“ ist faktisch längst eine „Dreispurigkeit“ geworden. Neben den klassischen, strafrechtlichen Rechtsfolgen hat sich nämlich insbesondere die Maßnahme der staatlichen Abschöpfung des Tatertrages (§§ 73–73e StGB, bislang als „Verfall“ bezeichnet) praktisch verselbständigt. Hinsichtlich der theoretischen Grundlagen dieser Rechtsfolge besteht jedoch noch immer große Unklarheit. Jedenfalls aus Sicht des Gesetzgebers können auf dieser „Spur“ die zentralen Bindungen der beiden traditionellen strafrechtlichen Rechtsfolgentypen abgeworfen werden: Weder auf individuelle Schuld, noch Gefährlichkeit soll es ankommen, das Faktum der „Bemakelung“ eines Vermögensgegenstandes durch eine rechtswidrige Straftat scheint zur Begründung des staatlichen Zugriffs auszureichen. Nicht zuletzt daraus bezieht die Maßnahme ihre praktische Attraktivität. Die darin zugleich liegende Entgrenzungstendenz äußert sich unter anderem darin, dass der Kreis möglicher Adressaten nicht mehr auf die klassischen Protagonisten des Strafverfahrens (Täter und Teilnehmer) beschränkt sein muss. Vielmehr scheint zumindest der Boden bereitet für einen Zustand, in dem jeder plötzlich dem Verdacht ausgesetzt werden kann, ein bestimmtes Besitztum sei auf eine Straftat (mit der er nichts zu tun haben muss!) zurückführbar, was allein bereits die Zugriffsmöglichkeit des Staates eröffne. In den 1950er- und 1960er-Jahren, in denen die Beratungen des erst mit Wirkung zum Jahre 1975 eingeführten Instituts des „Verfalls“ stattfanden, war die vorherrschende rechtspolitische Geisteshaltung insofern noch sehr zurückhaltend. Davon ist mittlerweile kaum noch etwas zu spüren. Unter Berufung auf (praktische) Defizite und die kriminalpolitischen Bedürfnisse der jeweiligen Zeit wurde das staatliche Abschöpfungsrecht immer wieder verschärft und ausgeweitet; ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht die Entwicklung durch die am 1. Juli 2017 in Kraft getretene, grundlegende „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“.1 Die praktische Bedeutung tat­ ertragsabschöpfender Maßnahmen hat dadurch immer mehr zugenommen und das wird sie auch in Folge der aktuellen Reform weiter tun. 1  Gesetz

vom 13.04.2017 (BGBl. I, S. 872).

18 Einleitung

Diese Entwicklung birgt einen Verdacht, der den Anlass der vorliegenden Untersuchung bildet: Die Berücksichtigung schützenswerter Interessen unbeteiligter Drittbegünstigter als Adressaten der Abschöpfungsmaßnahmen könnte in all dem kriminalpolitischen Eifer zu kurz gekommen sein. Neben dem Gesetzgeber ist insofern auch die Rechtsprechung kritisch in den Blick zu nehmen, die sich  – wie zu sehen sein wird  – in diesem Bereich teilweise an die Spitze der rechtspolitischen Entwicklung gestellt hat.

A. Überblick über die einschlägigen Regelungen und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes I. Die herkömmliche Unterscheidung zwischen „Verfall“ und „Einziehung“ Das Gesetz unterscheidet im siebten Titel des Allgemeinen Teils des StGB zwischen zwei Typen von Maßnahmen: Die traditionell als „Verfall“ bezeichnete Maßnahme (§§ 73–73e StGB a. F.; nun „Einziehung von Taterträgen“, §§ 73–73e StGB) richtet sich auf das für eine rechtswidrige Tat oder aus einer solchen (künftig durch eine solche) Erlangte. Für eine Tat erlangt wird insbesondere eine Belohnung; aus einer bzw. durch eine Tat erlangt wird insbesondere die Beute im weitesten Sinne. Zusammenfassend wird von Taterträgen oder den scelere quaesita gesprochen. Auf diesen Maßnahmentyp beschränkt sich die vorliegende Untersuchung. Davon zu unterscheiden ist die „Einziehung“ (§§ 74–75 StGB a. F.; nun „Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten“, §§ 74–74f StGB) von Gegenständen. Tatprodukte (producta sceleris) werden „durch“ eine Tat hervorgebracht (vgl. § 74 I Alt.  1 StGB), z. B. bei der Geldfälschung das Falschgeld. Tatmittel (instrumenta sceleris) sind Gegenstände, die „zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen“ sind (vgl. § 74 I Alt.  2 StGB), z. B. bei der Geldfälschung die Druckmaschinen. Die Einziehung von Tatobjekten (bisher als Beziehungsgegenstände bezeichnet) richtet sich auf Gegenstände, „auf die sich eine Straftat bezieht“ (vgl. § 74 II StGB), d. h. die notwendiger Gegenstand der Tat sind. Sie muss speziell angeordnet werden, praktisch wichtigstes Beispiel dürfte die Einziehung von Betäubungsmitteln (§ 33 BtMG) sein. Als Sonderfall kommt noch die Einziehung gefährlicher Schriften und die Unbrauchbarmachung ihrer Herstellungsmittel hinzu (§ 74d StGB).



A. Überblick über die einschlägigen Regelungen und Eingrenzung19

II. Wesentliche Entwicklung des Rechts der Abschöpfung von Taterträgen Das Institut des Verfalls wurde durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts mit Wirkung zum 1.  Januar 1975 geschaffen.2 Eine zentrale Problematik, ja gar der „Totengräber des Verfalls“,3 ist in der Regelung des § 73 I 2 StGB a. F. gesehen worden, wonach der Verfall ausgeschlossen war, soweit dem Verletzten ein Anspruch gegen den Tatbeteiligten auf das Erlangte zustand. Dadurch schied die Anordnung des Verfalls insbesondere im Bereich der Vermögens- und Eigentumsdelikte von vornherein nahezu völlig aus. Dieses materielle Defizit wurde allerdings immerhin prozessual gewissermaßen wieder zurückgenommen: Nach § 111b V StPO a. F. galten die Vorschriften zur Sicherstellung dem Verfall unterliegender Gegenstände entsprechend, soweit der Verfall nur wegen § 73 I 2 StGB a. F. nicht angeordnet werden konnte. Das dadurch ermöglichte Verfahren der strafprozessualen Sicherstellung zugunsten des Verletzten („Zurückgewinnungshilfe“) stellte sich jedoch durch die komplizierten Regelungen und das schwierige Verhältnis zum Zivil(prozess)recht als schwer handhabbar dar. Das am 1.  Januar 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten,4 welches dem Prozessrecht insbesondere die Möglichkeit eines staatlichen „Auffangrechtserwerbs“ hinzufügte und insoweit eigentlich wieder materielles Recht enthielt, verkomplizierte die Rechtslage nur eher noch mehr (s. insbesondere § 111i II–VIII StPO a. F.). Ein weiteres Defizit der ursprünglichen Regelung ist darin gesehen worden, dass es sich auf den erlangten „Vermögensvorteil“ richtete. Daraus wurde geschlossen, dass das Erlangte nur nach dem „Nettoprinzip“, d. h. unter Abzug von den Gewinn schmälernden Aufwendungen (z. B. Reise-, Erwerbskosten), abgeschöpft werden konnte. Durch am 6.  März 1992 in Kraft getretenes Gesetz5 wurde dann das Tatbestandsmerkmal des „Vermögensvorteils“ durch „etwas“ ersetzt, wodurch nach dem Willen des Gesetzgebers auf das „Bruttoprinzip“ übergegangen werden sollte.6 Nur wenig 2  Gesetz vom 04.07.1969 (BGBl. I, S. 717); Verschiebung des Zeitpunkts des Inkrafttretens durch Gesetz vom 02.03.1973 (BGBl. I, S. 909). 3  Dieses mittlerweile geflügelte Wort geht auf Eberbach, NStZ 1987, 486 (491) zurück. 4  Gesetz vom 24.10.2006 (BGBl. I, S. 2350). 5  Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28.02.1992 (BGBl. I, S. 372). 6  So die Regierungsbegründung, BT-Drucks. 12 / 1134, S. 12. Vereinzelt wurden Zweifel geäußert, dass die Änderung tatsächlich einen Übergang zum Bruttoprinzip

20 Einleitung

später, durch am 22.  September 1992 in Kraft getretenes Gesetz,7 wurde zudem das Institut des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) eingeführt. Dadurch konnten unter bestimmten Voraussetzungen auch Gegenstände, die nicht den abgeurteilten Taten zugeordnet werden können, vom Verfall erfasst werden. Durch die zum 1.  Juli 2017 in Kraft getretene „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ ist das Recht der Abschöpfung von Taterträgen grundlegend neu gefasst worden. Kernstück der Reform ist die ersatzlose Streichung von § 73 I 2 StGB a. F. und die Schaffung eines völlig neuen, vollstreckungsrechtlichen Verteilungsverfahrens. Aber auch das Bruttoprinzip ist neu ausgestaltet worden und die Möglichkeiten der Abschöpfung von Gegenständen, die nicht aus abgeurteilten Taten stammen, wurden ausgeweitet. Die neuerliche Aktivität des Gesetzgebers beruht zumindest teilweise auf der EU-Richtlinie 2014 / 42 / EU vom 03.04.2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (im Folgenden: Vermögensabschöpfungs-Richtlinie),8 die bis zum 04.10.2016 umzusetzen war. Auf sie geht etwa auch die Änderung der Begrifflichkeiten zurück, wonach nun nicht mehr von „Verfall und Einziehung“, sondern einheitlich von „Einziehung“ die Rede sein wird. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass die vorliegende Arbeit ausschließlich materiellrechtlich ausgerichtet ist, die prozessualen Fragen insbesondere der „Zurückgewinnungshilfe“ nach bisherigem Recht und des neuen, vollstreckungsrechtlichen Verteilungsverfahrens bleiben also ausgeklammert. Die materiellrechtlichen Reformen aus dem Jahre 1992 – Einführung des Bruttoprinzips und des erweiterten Verfalls  – haben kontroverse Diskussionen in Literatur und Rechtsprechung ausgelöst, denen die aktuelle Reform nun jeweils noch neue Kapitel hinzufügt. Die dadurch entstandenen Streitfragen sind teilweise so komplex geworden, dass sie hier nicht sinnvoll gleichsam am Rande mitbehandelt werden können. Sie werden daher nur insoweit aufgegriffen, wie es für das Thema dieser Arbeit essenziell erscheint.9 bewirkt hat, Göhler, wistra 1992, 133 (135 f.); Wolters, Neufassung (1995), S. 65 ff.; ausführliche Entgegnung bei Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 20 ff. 7  Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.07.1992 (BGBl. I, S. 1302). 8  ABl. EU 2014 Nr. L 127 S. 39, L 138 S. 114 (Korrektur der Umsetzungsfrist). 9  Das ist etwa für die grundsätzliche Legitimität der Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip (auch und gerade gegenüber Drittbegünstigten) zu bejahen; insbesondere nicht behandelt werden dagegen die zwischen den BGH-Strafsenaten entstandene Kontroverse zur konkreten Reichweite des Bruttoprinzips (s. zum Überblick dazu



A. Überblick über die einschlägigen Regelungen und Eingrenzung21

III. Abschöpfung von rechtswidrig erzielten Vermögensvorteilen in anderen Gesetzen Die Untersuchung wird sich in ihren einfachgesetzlichen Bezügen auf die Abschöpfung von Erträgen aus Straftaten nach den §§ 73–73e StGB bzw. StGB a. F. beschränken. Der Abschöpfung von Erträgen aus rechtswidrigem Verhalten dienen jedoch auch einige Regelungen in anderen Gesetzen, die hier zum Überblick zumindest kurz vorgestellt werden sollen. Zu nennen ist zunächst das Ordnungswidrigkeitsrecht, das in § 29a OWiG seit 198610 eine § 73 StGB weitgehend entsprechende Verfallsregelung enthält. Allerdings ist dort die Abschöpfung des Vorteils nach § 17 IV OWiG auch über die Bemessung der Geldbuße möglich. Als Vorläufer der strafrechtlichen Regelung kann das im Wirtschaftsstrafgesetz 1949 eingeführte und heute in §§ 8 ff. WiStG geregelte Institut der Abführung des Mehrerlöses gelten.11 Die praktische Bedeutung dieses Instituts ist aufgrund der etwas aus der Zeit gefallenen Tatbestände dieses auf (Nach-)Kriegszustände zurückgehenden Gesetzes freilich gering. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kennt mit § 34 GWB in seiner Grundform seit 198012 eine eigene Regelung zur Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde. Die praktische Bedeutung dieses Instituts ist allerdings gering,13 was damit zusammenhängen dürfte, dass eine Abschöpfung des Vorteils nach § 81 V GWB i. V. m. § 17 IV OWiG auch über die Bemessung des Kartellbußgelds möglich ist. Schließlich kennt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb seit 2004 mit § 10 UWG eine neuartige Regelung der Vorteilsabschöpfung,14 die seit 2005 auch in § 34a GWB nachgebildet ist.15 Danach können Verbände, die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigt sind, den nur Rönnau, Vermögenabschöpfung, Rn. 37 ff.) und die Reichweite und Legitimität der mit dem erweiterten Verfall bzw. der erweiterten Einziehung verbundenen Beweiserleichterung. 10  Einführung durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15.05.1986 (BGBl. I S. 721). 11  Einführung durch das Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts vom 26.07.1949 (WiGBl. 1949, S. 193 bzw. Verordnungsblatt für die Britische Zone 1949, S. 313); dazu auch noch 2.  Kap. A. I. 4. 12  Einführung ursprünglich als § 37b durch die GWB-Novelle vom 24.09.1980 (BGBl. I S. 1761). 13  Nach IM / Emmerich, GWB, § 34 Rn. 4 ist bislang (Stand: 2014) noch kein einziger Fall (!) der Anwendung der Vorschrift bekannt geworden. 14  Einführung durch die UWG-Novelle vom 03.07.2004 (BGBl. I S. 1414). 15  Einführung durch die GWB-Novelle vom 13.07.2005 (BGBl. I S. 2114).

22 Einleitung

Anspruchsgegner auch auf Herausgabe des erzielten Vorteils an den Bundeshaushalt in Anspruch nehmen. Es verwundert allerdings nicht, dass die Verbände bislang nicht in nennenswerter Anzahl dazu bereit sind, ein Prozessrisiko zu Gunsten des Bundeshaushalts auf sich zu nehmen.16

B. Problematik der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten I. Praktische Bedeutung In der Praxis ist es alles andere als ungewöhnlich, dass Taterträge nicht bei einem Tatbeteiligten, sondern bei einem Drittbegünstigten aufgefunden werden. Eine besonders hohe, praktische Bedeutung hat die Abschöpfung von Taterträgen bei anderen als den Tatbeteiligten im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, denn hier ist es geradezu typisch, dass Handelnder und Begünstigter von vornherein auseinanderfallen. Insbesondere als juristische Personen organisierte Unternehmen kommen daher als Abschöpfungsadressat in Betracht. Die Bedeutung von abschöpfenden Maßnahmen ihnen gegenüber verstärkt sich noch dadurch, dass gegen die Einführung eines (echten) Unternehmensstrafrechts in Deutschland nach wie vor große Vorbehalte bestehen. Die „bloße“ Abschöpfung der Taterträge schließt zum Teil  die daraus folgenden, praktischen Lücken. Die Dominanz wirtschaftsstrafrechtlicher Fälle für die Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten sollte allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass letztlich – wie eingangs bereits angedeutet  – auch jede Privatperson ohne weiteres in das Blickfeld einer solchen Maßnahme geraten kann. Bereits an dieser Stelle sollte man sich die grobe Unterscheidung zwischen zwei Wegen vor Augen führen, wie Taterträge in die Hände von Dritten gelangen können. Diese können zwar praktisch auch sehr nahe beieinander liegen, wie sich aber zeigen wird, kommt dieser Differenzierung in der Entwicklung der gesetzlichen Regelung der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten und ihrer Auslegung eine entscheidende Rolle zu. Bereits angesprochen wurden die Fälle „arbeitsteiligen“ Handelns, wo der Vermögensvorteil unmittelbar bei einem anderen als dem Tatbeteiligten auftritt. Zu denken ist hier nicht zuletzt an Delikte, die „altruistisches“ Handeln in Absicht der Drittbereicherung bzw. -zueignung vorsehen (z. B. §§ 242, 246, 249, 253, 259, 263 StGB). Davon grundsätzlich abgrenzen 16  HH / Goldmann, UWG, § 10 Rn. 5: „totes Recht“. Nach IM / Emmerich, GWB, § 34a Rn. 3 ist (auch) für § 34a GWB bislang (Stand: 2014) noch kein einziger Anwendungsfall (!) bekannt geworden.



B. Problematik der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten23

lassen sich Fälle, in denen der andere den Tatertrag nur mittelbar erwirbt. Hier tritt der Vermögensvorteil also zunächst beim Tatbeteiligten selbst auf und dieser verschiebt ihn dann  – wofür unterschiedliche Gründe denkbar sind  – zu einem späteren Zeitpunkt auf den Dritten.

II. Rechtliche Problemkreise In rechtlicher Hinsicht lassen sich zwei Ebenen unterscheiden: Auf einer grundlegenden Ebene wirft gerade die Erstreckung von Abschöpfungsmaßnahmen auf (per definitionem nicht „schuldige“ oder „gefährliche“) Drittbegünstigte die theoretischen Fragen über Grund, Natur und verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Instruments im Allgemeinen auf; namentlich, wie es sich zu den „klassischen“, strafrechtlichen Rechtsfolgen, Strafe und Maßregeln der Besserung und Sicherung, verhält. Insbesondere seit der Einführung des Bruttoprinzips im Jahre 1992 wird der Verfall in der Literatur verbreitet in die Nähe der Strafe gerückt. Die Folgen für die Legitimierbarkeit der Erstreckung der Maßnahme auf Dritte lägen auf der Hand. Diese grundlegenden Fragen der Einordnung der Maßnahme des Verfalls bzw. der Einziehung von Taterträgen, über die nach wie vor große Unklarheit herrscht, erweisen sich also als zentral für die vorliegende Untersuchung. Auf der Ebene des einfachen Rechts gehörte der nach bisherigem Recht in § 73 III StGB a. F.17 geregelte Verfall bei Drittbegünstigten „zu den umstrittensten und undurchsichtigsten Rechtsproblemen beim Verfall.“18 Wie es dazu kommen konnte, obwohl § 73 III StGB a. F. „eindeutige und einfach zu erfassende Voraussetzungen zu normieren [scheint]“,19 ist ein bis zuletzt ungelöstes Rätsel geblieben. Für die opake Diskussion von zentraler Bedeutung ist eine Leitentscheidung des 5. Strafsenats des BGH aus dem Jahre 1999,20 die „weder im methodischen Vorgehen noch in der Argumentationsabfolge leicht nachvollziehbar“21 eine fallgruppenorientierte Anwendung der Regelung entwickelt hat. Die Einschätzung, diese Entscheidung habe es „nur ansatzweise vermocht, der kontroversen Diskussion Struktur und Richtung zu verleihen“,22 wird sich  – so viel sei vorweggenommen  – jedenfalls 17  § 73 III StGB a. F. lautete: „Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.“ 18  Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 106. 19  Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927. 20  BGH Urteil v. 19.10.1999  – 5 StR 336 / 99 = BGHSt 45, 235. 21  Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (931). 22  Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 110.

24 Einleitung

als Euphemismus erweisen. Zur Klärung wird es erforderlich sein, die Schwierigkeiten von der Entstehung der Regelung ausgehend zu erfassen. Die aktuelle Reform macht das Aufrollen des verwirrenden, auf den angesprochenen BGH-Grundsätzen beruhenden Meinungsstandes zum bisherigen Recht leider nicht obsolet. Zwar wurde § 73 III StGB a. F. durch eine deutlich umfangreichere Regelung (§ 73b StGB) ersetzt. Diese lehnt sich jedoch eng an die Grundsätze des BGH an, nach der Begründung „spiegelt [die Neuregelung] die Fallgruppen wider, die der Bundesgerichtshof […] entwickelt hat“.23 Deshalb kann das neue Recht nicht ohne vorangegangene Analyse des bisherigen Rechts und insbesondere seiner Anwendung durch die Rechtsprechung verständig erörtert werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Teil  der Diskussionen zur Anwendung des bisherigen Rechts (in teilweise anderem Gewand) auch auf Grundlage der neuen Gesetzesfassung ihre Bedeutung beibehalten werden.

C. Gang der Untersuchung Aus dem soeben zu den verschiedenen, rechtlichen Problemkreisen Ausgeführten ergibt sich für den Gang der Untersuchung ein dreiteiliger Aufbau: Im ersten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen behandelt. Erörtert werden die Begründung, die Rechtsnatur und die grundrechtliche Legitimation des Verfalls bzw. der Einziehung von Taterträgen im Allgemeinen und speziell bezüglich der Erstreckung auf Drittbegünstigte. Es geht also darum, die Voraussetzungen der Abschöpfung von Taterträgen (bei anderen) zunächst theoretisch abzustecken und damit einen Maßstab zu entwickeln, der im Folgenden an das einfache Recht angelegt werden kann. Im zweiten Kapitel wird dann zunächst noch einmal eigen- und vollständig die Anwendung des bisherigen § 73 III StGB a. F. erörtert. Das erscheint als Voraussetzung zum Verständnis des neuen Rechts dringend angezeigt; die klar zwischen bisherigem und neuem Recht abschichtende Darstellung dient dabei der Übersichtlichkeit. Um den mit dem bisherigen Gesetz verbundenen Schwierigkeiten auf den Grund zu gehen, wird zunächst die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in den Blick genommen und ausgehend davon die Fallgruppenbildung des BGH analysiert. Schließlich wird der Versuch unternommen, eine methodengerechte Auslegung des bisherigen § 73 III StGB a. F. zu entwickeln. 23  Regierungsbegründung,

BT-Drucks. 18 / 9525, S. 66.



C. Gang der Untersuchung25

Im dritten Kapitel wird dann das neue Recht in den Blick genommen. Nach einer Vorstellung der einschlägigen Vorgaben der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie werden die entsprechenden Regelungen der aktuellen Reform unter Rückgriff auf die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel kritisch gewürdigt. Dabei wird sich zeigen, ob das neue Recht eine solidere Grundlage für die Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten bietet.

1. Kapitel

Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen im Allgemeinen und bei Drittbegünstigten Ziel dieses Kapitels ist es, ein theoretisches Grundgerüst zur Rechtfertigung der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten zu entwickeln, an dem dann die bisherigen und die neuen gesetzlichen Vorschriften gemessen werden können. Dazu ist zunächst einmal ein klares Verständnis des Rechtscharakters des Verfalls bzw. der Einziehung von Taterträgen im Allgemeinen erforderlich. Wie diese Maßnahme zu verstehen und legitimieren ist, hat zwar Rechtsprechung und Literatur seit jeher intensiv beschäftigt, ist aber im Einzelnen nach wie vor wenig geklärt. Eine Erklärung und Legitimierung der Erstreckung der Maßnahme auf Drittbegünstigte findet sich bislang sowohl in Rechtsprechung als auch Literatur eher am Rande. Die Problematik kann in mehrere Aspekte abgeschichtet werden: Zum einen stellt sich die Frage, ob der Verfall bzw. die Einziehung von Taterträgen – der systematischen Einordnung des Gesetzgebers zum Trotz – als „Strafe“ bzw. „strafähnliche“ Sanktion anzusehen ist. Entsprechendes wird insbesondere seit der Umstellung auf das Bruttoprinzip verbreitet angenommen. Dabei geht es insbesondere darum, ob das verfassungsrechtliche Schuldprinzip anwendbar ist, was sich namentlich auf die Möglichkeit der Anordnung gegen (tatunbeteiligte) Dritte auswirken müsste. Zum anderen ist zu prüfen, wie sich die Abschöpfung von Taterträgen zur grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 14 GG verhält. Wenn – angesichts der kriminellen Herkunft der betroffenen Gegenstände  – überhaupt der Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 14 GG eröffnet ist, stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung des Eingriffs, namentlich ob und inwieweit auch der Zugriff auf Drittbegünstigte zu rechtfertigen ist. Für diese beiden Fragen ist wiederum die Zwecksetzung der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen grundlegend. Neben seiner Bedeutung für die teleologische Auslegung des einfachen Rechts ist der verfolgte Zweck maßgebend für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines staatlichen Eingriffs und könnte auch Vorentscheidungen zur Beantwortung der Frage nach dem



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen

27

Strafcharakter liefern. Wie zu sehen sein wird, kursieren zur Zwecksetzung der Maßnahme diverse Begründungsansätze, deren Verhältnis zueinander nicht klar ist. Mit der Bestimmung des Zwecks des Verfalls bzw. der Einziehung von Taterträgen muss daher begonnen werden, begrifflich soll insofern vom Rechtsgrund die Rede sein (dazu A.). Es schließt sich die Diskussion des Wesens (Strafe bzw. strafähnliche Sanktion oder sonstiges?) an, wofür der Begriff Rechtsnatur verwendet wird (dazu B.). Schließlich wird auf die Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG eingegangen (dazu C.).

A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen Die klare Bestimmung seines Rechtsgrunds ist also für die weitere Einordnung des Instituts unumgänglich. Im Ergebnis ist man sich zwar einig, dass ein Recht des Staates zur (eigenständigen) Abschöpfung von Taterträgen besteht  – aber die genaue Begründung dieses Rechts ist entscheidend zur zuverlässigen Bestimmung seiner Grenzen. In der bisherigen Diskussion um den Rechtscharakter1 des Verfalls ist allerdings zu beobachten, dass die Frage nach seinem Rechtsgrund durch die nach seiner Rechtsnatur stark in den Hintergrund gedrängt wird bzw. die beiden Fragen häufig miteinander vermengt werden. Als besonders problematisch stellt sich die verbreitete  – im Wesentlichen auf Eser2 zurückgehende  – Bezeichnung des Verfalls als „quasi-kondiktionelle Ausgleichs­ maßnahme“3 dar. Unklar ist, ob damit nur die zumindest äußerlich offen1  Dieser Begriff soll hier weiterhin als Oberbegriff für Rechtsgrund und -natur verwendet werden. 2  Eser, Sanktionen (1969), S. 84 f., 120 f., 284 f. (dort auch zu den Wurzeln dieses Verständnisses, dazu auch Schmitt, Maßnahmen [1957], S. 220). 3  s.  Baumann / Weber / Mitsch, AT, § 35 Rn. 14; Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 179; Best, JR 2003, 335 (341); Böttger / Brockhaus, WiStrR, Kap. 16 Rn. 8; SSW / Burghart, § 73 Rn. 3 f.; ders., wistra 2011, 241 (244); Cramer, wistra 1996, 248 (250); Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 28; Dessecker, Gewinn­ abschöpfung (1992), S. 362; Eberbach, NStZ 1987, 486 (490); Fischer, § 73 Rn. 2a f.; Franzheim, in: FS Gaul (1992), S. 135 (142); Drathjer, Abschöpfung (1996), S. 35; BeckOK / Heuchemer, § 73 Rn. 1; HKGS / Hölscher, § 73 Rn. 1; Hohn, wistra 2003, 321 (322); Jescheck / Weigend, AT, § 76 I 5; MK / Joecks, § 73 Rn. 4; Kaiser, wistra 2000, 121 (123); Kilchling, wistra 2000, 241 (244); Kracht, wistra 2000, 326 (328 f.); Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 360; Meier, Sanktionen, S. 441; Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (98); Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 34, 53; AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 3; NK / Saliger, Vor § 73 Rn. 5; Sotiriadis, Entwicklung (2008), S. 157 f., 161; Streng, Sanktionen, Rn. 369; Tiedemann, WiStrR AT, Rn. 436; Weßlau, StV 1991, 226 (227); SK / Wolters, § 73 Rn. 4.

28 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

sichtliche Anlehnung der Regelungen an das zivilrechtliche Bereicherungsrecht umschrieben ist oder ob – in Rechtsgrund, -natur oder beidem? – auch ein innerer Zusammenhang behauptet wird. Der klaren Bestimmung des Zusammenhangs mit dem Bereicherungsrecht kommt zum richtigen Verständnis der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen jedenfalls eine Schlüsselrolle zu. Innerhalb des folgenden Abschnitts wird daher zentral sein, ob der Rechtsgrund dieser Maßnahme in Anlehnung an das Kondiktionsrecht bestimmt werden kann. Zunächst wird ein Überblick über die bisherige Diskussion gegeben (dazu I.) und anschließend der eigene Standpunkt entwickelt (dazu II.).

I. Überblick über die Diskussion In den Überlegungen des (historischen) Gesetzgebers hat die Frage nach dem Rechtsgrund des Verfalls als solche keine besondere Rolle gespielt.4 Im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform  – auf den die Schaffung des Verfalls als eigenständiges Rechtsinstitut zurückgeht  – ging man schlicht davon aus, dass „das, was jemand auf Grund einer rechtswidrigen Tat gewonnen [hat], ihm wieder abgenommen werden sollte“.5 Eine nähere Begründung des „allgemeinen Grundsatz[es], daß dem Täter unrechtes Gut nicht belassen werden dürfe“,6 findet sich allerdings nicht.7 In Literatur, Rechtsprechung und neueren gesetzgeberischen Äußerungen finden sich diverse Begründungsansätze zur Konkretisierung des Rechtsgrunds der Maßnahme. Am engsten den Äußerungen des (historischen) Gesetzgebers entsprechen Äußerungen in der Literatur, die den Verfall als schlichte Anforderung der Gerechtigkeit erklären.8 Etwas konkreter ist die Erklärung des 4  Durchaus wechselvoll war dagegen die Vorstellung von der Rechtsnatur der Maßnahme, näher zur Gesetzgebungsgeschichte 2.  Kap. A. 5  Dreher, Protokolle Sonderausschuss V, S. 1005, s. auch Protokolle Sonderausschuss V, S. 1028: Beim Verfall gehe es „nur um das Abnehmen des unrechtmäßigen Gutes.“ 6  Güde, Protokolle Sonderausschuss V, S. 545. 7  Göhler, Protokolle Sonderausschuss V, S. 542 verweist aber immerhin darauf, dass das Belassen der Vorteile aus einer Straftat geradezu als „Anreiz“ zur Begehung weiterer Straftaten wirken könne und deutet damit umgekehrt (zumindest auch) eine präventive Zwecksetzung der Maßnahme an. 8  So bereits Münchener Juristische Studiengesellschaft 1922, S. 64: Gewinnabschöpfung als „Forderung der elementaren Gerechtigkeit“. Best, JR 2003, 335 (341: „im Rechtsstaatsprinzip angelegte[r] Gerechtigkeitsgedanke[…]“); Claus, Gewinnabschöpfung (2010), S. 29: „allgemeines Postulat der Gerechtigkeit“; Meyer, ZRP 1990, 85 betont die „rechtsethische Überzeugungskraft“ des Gerechtigkeitspostulats



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen29

Verfalls als „Maßnahme zur Wiederherstellung des verletzten Rechts“:9 Die Maßnahme wird hiernach mit einem Recht des Staates, das in Unordnung gebrachte Recht wieder „in Ordnung“ zu bringen, erklärt.10 Wohl noch etwas weiter geht die Annahme einer „Ausgleichsfunktion“:11 Danach soll der Grund der Maßnahme darin liegen, dass der Staat als Repräsentant der Allgemeinheit einen Ausgleich der Schäden herbeiführt, die dieser zugefügt wurden. Hinzu kommen generalpräventive Begründungen des Verfalls:12 Diskutiert wird insofern  – entsprechend der üblichen Unterscheidung  – sowohl über eine negativ-generalpräventive, also abschreckende,13 als auch über eine positiv-generalpräventive, also wert- und normbekräftigende Zweckset„Verbrechen dürfen sich nicht lohnen“; Arzt, GS Zipf (1999), 165 (169) erklärt speziell den Drittverfall mit dem „simpel scheinenden Appell an das Rechtsgefühl, dass es doch ungerecht wäre, wenn einem aus der Straftat bereicherten Dritten die Bereicherung zu belassen wäre.“ 9  Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 27; Geiger, Rechtsnatur (2004), S.  229 f.; Hellmann, GA 1997, 503 (521); Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 1; Keller, JR 1976, 122 (123); LPK / Kindhäuser, Vor § 73 Rn. 2; KKOWiG / Mitsch, § 29a Rn. 7, 11; Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 22; Satzger, wistra 2003, 401 (402); LK / Schmidt, § 73 Rn. 8; Streng, Sanktionen, Rn. 366; GJW / Wiedner, § 73 Rn. 8; SK / Wolters, § 73 Rn. 3, 6. 10  Eberbach, NStZ 1987, 486 (490) spricht insofern von der „Ordnungs- und Rechtsbewährungsfunktion“ des Staates. In diesem Sinne kann auch SSW / Burghart, § 73 Rn. 3 f.; ders., wistra 2011, 241 (244: „Beseitigung eines […] Makels, eines vermögensbezogenen Ungleichgewichts“, „Staat als Sachwalter gerechter Ordnung“) verstanden werden. In der Regierungsbegründung des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) heißt es, der Verfall verfolge das „Ziel, eine strafrechtswidrig zustande gekommene Vermögenszuordnung zu korrigieren“, BT-Drucks. 11 / 6623, S. 8. Daran anknüpfend die Entscheidung des BVerfG zum erweiterten Verfall BVerfGE 110, 1 (17): „Korrekturbedürftige Störung der Rechtsordnung“, „Ordnender Zugriff“, „Maßnahme der Störungsbeseitigung“. 11  Dazu grundlegend Eser, Sanktionen (1969), S. 84 f., 120 f., 284 f., der insofern die viel aufgegriffene Bezeichnung des Verfalls als „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ geprägt hat. Zudem Wolters, Neufassung (1995), S. 73 ff. 12  Insbes. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 347 f., 356; Bottke, Assoziationsprävention (1995), S. 293 ff. Der BGH hat jedenfalls das Bruttoprinzip, also die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten, in BGHSt 47, 369 (373 f.) mit der präventiven Reduzierung des Tatanreizes begründet. Mit der Einführung des Bruttoprinzips wird daher teilweise eine „Akzentverschiebung“ von einem Ausgleichsverständnis zu einer generalpräventiven Deutung des Verfalls verbunden, so vor allem Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 116 f., 124, 132 ff., 477; s. auch Arnold, Verfall (2015), S. 307; Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 29; Hoyer, GA 1993, 406 (421); Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 341. 13  Hier ist allerdings verbreitet eine gewisse Skepsis festzustellen, etwa legt BVerfGE 110, 1 (19) Wert auf die Feststellung, dass eine „Abschreckungswirkung im Sinne der negativen Generalprävention“ durch den Verfall nicht beabsichtigt sei.

30 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

zung.14 In aller Regel wird eine generalpräventive Wirkung aber nur als „auch“ oder „zugleich“ verwirklicht genannt.15 Zumindest auch eine (sichernde) spezialpräventive Zielsetzung dadurch, dass „mit dem Zugriff auf die Tatgewinne […] zugleich das Investitionskapital für die Begehung weiterer Straftaten entzogen [wird]“, soll jedenfalls der erweiterte Verfall (§ 73d StGB) verfolgen.16 Kaum diskutiert wird – trotz der mit der Abschöpfung notwendig verbundenen Einnahmen für die öffentlichen Haushalte  – eine fiskalische Zwecksetzung der Maßnahme.17 Insgesamt muss darauf hingewiesen werden, dass sich zwischen den diversen Begründungsansätzen keine klaren Grenzen ziehen lassen bzw. dass sie von den jeweiligen Urhebern auch nicht unbedingt gleich verstanden werden; zudem ist eine deutliche Tendenz zur Kombination und Kumulation der einzelnen Ansätze zu beobachten.18 14  Insbes. Hoyer, GA 1993, 406, demzufolge es beim Verfall darum gehen soll, ob „in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, Unrecht Gut gedeihe (nicht oder) eben doch“; zust. Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 31; Husberg, Verfall (1999), S. 60 f.; ähnlich Claus, Gewinnabschöpfung (2010), S. 29. Auch BVerfGE 110, 1 (20, 27, 29) nimmt mehrfach explizit auf die positive Generalprävention Bezug; zust. SK / Wolters, § 73 Rn. 7. 15  So bereits Göhler, Protokolle Sonderausschuss V, S. 542 (dazu soeben); sowie Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 178 f.; Best, JR 2003, 335 (339); SSW / Burghart, § 73 Rn. 3; ders., wistra 2011, 241 (244); Eberbach, NStZ 1987, 486 (489 f.); Eser, Sanktionen (1969), S. 86; Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 17; HKGS / Hölscher, § 73 Rn. 1; Kempf / Schilling, Vermögensabschöpfung, Rn. 18; Kracht, wistra 2000, 326 (329); Meier, Sanktionen, S. 441; Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 21; AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 3; Satzger, wistra 2003, 401 (401 f.); LK / Schmidt, § 73 Rn. 8; Seiler, Maßnahmen (1967), S. 252 f.; Streng, Sanktionen, Rn. 366; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 29; GJW / Wiedner, § 73 Rn. 8; SK / Wolters, § 73 Rn. 3, 6. 16  Regierungsbegründung zu einem Entwurf des erweiterten Verfalls, BT-Drucks. 11 / 6623, S. 1, sowie quasi gleichlautend Gesetzentwurf des Bundesrates zum OrgKG, BT-Drucks. 12 / 989, S. 1. 17  NK / Saliger, Vor § 73 Rn. 3 meint aber, dass (mittlerweile) „auch“ fiskalische Motive eine Rolle spielen würden; s. zu dem Aspekt auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 261 f.; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 7; Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 120 f. 18  So bietet etwa die Regierungsbegründung der aktuellen Reform eine Mischung aus positiv und negativ generalpräventiven, sowie spezialpräventiven Erwägungen an, BT-Drucks. 18 / 9525, S. 45: „Dürften Straftäter deliktisch erlangte Vermögenswerte dauerhaft behalten, würde nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung nachhaltig Schaden nehmen. Eine Duldung strafrechtswidriger Vermögenslagen durch den Staat würde zudem einen Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Straftaten setzen und zugleich die Reinvestition von Verbrechensgewinnen in kriminelle Unternehmungen beför-



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen31

II. Entwicklung des eigenen Standpunkts Um angesichts des verwirrenden Diskussionsstandes eine klare Beschreibung des Rechtsgrunds der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen zu entwickeln, werden die dargestellten Begründungsansätze im Folgenden jeweils gesondert und in einer von den anderen Ansätzen abgrenzbaren Deutung erörtert. So wird sich zeigen, welche von vornherein auszuscheiden sind, welche sich in anderen auflösen lassen und welche Begründung letztlich übrig bleibt. 1. Fiskalische Interessen Aufgrund der Intensivierung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in den letzten Jahrzehnten auf der einen Seite und der Lage der öffentlichen Haushalte auf der anderen Seite liegt der „Verdacht“, dass der Staat vermögensabschöpfende Maßnahmen (zumindest auch) als Einnahmequelle für sich entdeckt hat, nicht fern. Dieser Effekt muss aber – genau wie etwa bei der Einnahmeerzielung durch Geldstrafen und -bußen  – zumindest solange als bloßer Reflex bewertet werden, wie es keine konkreten Hinweise auf Gegenteiliges gibt.19 Solche Hinweise gibt es aber vom (deutschen) Gesetzgeber bislang nicht. Für die EU lässt sich das allerdings möglicherweise nicht mehr sagen. Teilweise wird behauptet, die VermögensabschöpfungsRichtlinie20 füge der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung den Zweck der Finanzierung des zunehmenden Bedarfs an staatlichen Leistungen hinzu.21 Tatsächlich hieß es noch in der Begründung des Richtlinienvorschlags der Kommission:22 „Der Vorschlag ist auch eine Reaktion auf die gegenwärtige Wirtschaftslage. Finanzkrise und rückläufiges Wirtschaftswachstum […] stellen den Staat vor neue Herausforderungen, um den zunehmenden Bedarf an Sozialdienstleistungen und Unterstützung zu finanzieren.“

In der verabschiedeten Richtlinie (einschließlich der Erwägungsgründe) findet sich dieser Gedanke aber nicht wieder. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 10 III der Richtlinie und Erwägungsgrund  35.23 Danach sollen die dern.“ Mehrfach ist zudem vom „quasi-kondiktionellen Charakter“ der Maßnahme die Rede, BT-Drucks. 18 / 9525, S. 47, 48, 55, 67. 19  So auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 345. 20  Richtlinie 2014 / 42 / EU vom 03.04.2014, umzusetzen bis zum 04.10.2016, ABl. EU 2014 Nr. L 127 S. 39. 21  So SSW / Burghart, § 73 Rn. 8; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 7 Fn. 34. 22  Vorschlag der Kommission vom 12.03.2012 (COM [2012] 85 final), s. BRDrucks. 135 / 12, S. 2. 23  So aber Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 7 Fn. 34.

32 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Mitgliedsstaaten in Erwägung ziehen, eingezogene Vermögensgegenstände für Zwecke des öffentlichen Interesses oder soziale Zwecke zu verwenden (insbesondere im Bereich der Strafverfolgung und Verbrechensverhütung, sog. Social Re-use).24 Damit wäre aber erstens der Zwecksetzung zur Finanzierung allgemeiner, staatlicher (Sozial-)Dienstleistungen gerade eine Absage erteilt; zweitens ist jedenfalls nicht gesagt, dass diese Art der (späteren) Verwendung auch Teil  der (ursprünglichen) Zwecksetzung der Maßnahme sein soll; und drittens könnte sich Deutschland dieser Forderung (nach Durchführung einer rechtlichen Prüfung) verweigern. Eine fiskalische Zwecksetzung kann der Abschöpfung von Taterträgen damit  – auch unter dem Einfluss der EU-Richtliniensetzung  – nicht unterstellt werden. 2. (Sichernde) Spezialprävention Spezialprävention meint die Einwirkung auf den Tatbeteiligten, wobei man nach v. Liszt zwischen Abschreckung, Besserung und Sicherung unterscheidet.25 Für die Abschöpfung von Taterträgen kommt allenfalls eine sichernde Wirkung in Betracht.26 In diese Richtung argumentierte der Gesetzgeber bei der Schaffung des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB):27 „Mit dem Zugriff auf die Tatgewinne soll den Straftätern […] zugleich das Investitionskapital für die Begehung weiterer Straftaten entzogen werden.“ Auch die Begründung der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ erwähnt diese Zwecksetzung.28 Eine tragfähige Begründung der Abschöpfung von Taterträgen im Allgemeinen kann darin jedoch nicht gesehen werden. Jedenfalls außerhalb der organisierten Kriminalität gibt es keine Tendenz, dass rechtswidrig erlangte Vermögensgegenstände zur Begehung weiterer Straftaten eingesetzt werden. In diesem Sinne heißt es in der Literatur nahezu einhellig, dass es den Erträgen aus Straftaten an der „typischen Gefährlichkeit“ hinsichtlich der Begriff und zur Genese dieser Forderung näher Meyer, ZRP 2015, 244 ff. Liszt, ZStW 3 (1883), 1 (33 f.; letztgenannter Aspekt heißt bei ihm „Unschädlichmachung“). 26  Die individuelle Abschreckung hat gegenüber der (negativen) Generalprävention, die unter 5. erörtert wird, jedenfalls keine eigenständige Bedeutung, so auch Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 676. 27  Regierungsbegründung zu einem Entwurf des erweiterten Verfalls, BT-Drucks. 11 / 6623, S. 1, sowie quasi identisch Gesetzentwurf des Bundesrates zum OrgKG, BT-Drucks. 12 / 989, S. 1. Eingehend zu einer solchen Zwecksetzung der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 123 f., 136 ff. 28  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 45. 24  Zum 25  v.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen33

Begehung weiterer Straftaten fehle.29 Die Abschöpfung von Taterträgen dürfte also allenfalls gelegentlich einmal dazu führen, dass der Vermögenswert nicht in eine neue Straftat reinvestiert wird.30 Wenn man in dieser ­situativen Wirkung nicht sogar nur einen bloßen Reflex der Maßnahme sieht,31 handelt es sich jedenfalls um einen ganz untergeordneten Zweck, der nicht geeignet ist, die Abschöpfung von Taterträgen eigenständig zu tragen. 3. Ausgleichsfunktion Die einfachgesetzliche Regelung der Abschöpfung der Taterträge ist erkennbar an das zivilrechtliche Bereicherungsrecht angelehnt worden.32 Aus Struktur- folgt aber nicht zwingend Funktionsgleichheit:33 Die rein äußerliche Anlehnung durch den Gesetzgeber kann jedenfalls nicht genügen, der Abschöpfungsmaßnahme auch eine entsprechende Funktion zuzuweisen.34 Ob mit dem Begriff der „quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“ der 29  Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 26; Drathjer, Abschöpfung (1996), S. 37; Eser, Sanktionen (1969), S. 84; SS / ders., § 73 Rn. 18 f.; Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 17; Keusch, Verfall (2005), S. 48; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 4b; LK / Schmidt, § 73 Rn. 8; Sotiriadis, Entwicklung (2008), S. 163; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 20; SK / Wolters, § 73 Rn. 3. 30  In diesem Sinne GJW / Wiedner, § 73 Rn. 8: Sichernde Wirkung „nur niederschwellig“. 31  So etwa Wolters, Neufassung (1995), S. 59. 32  Mit der Ersetzung des Wortes „Vermögensvorteil“ durch „etwas“ und die damit verbundene Einführung des Bruttoprinzips entspricht der Sprachgebrauch insoweit sogar genau dem des § 812 I 1 BGB. § 818 I BGB findet seine Entsprechung in § 73 II, III StGB (§ 73 II StGB a. F.), wobei Wolters, Neufassung (1995), S. 71 auf zwei Unterschiede hinweist: Zum einen ist die Einbeziehung des Surrogats nach § 73 III StGB (§ 73 II 2 StGB a. F.) in das Ermessen das Gerichts gestellt. Zum anderen erfasst diese Regelung ausdrücklich auch den Veräußerungserlös als Surrogat, bei § 818 I BGB wird das von der h. M. abgelehnt, vgl. zum Meinungsstand nur MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 41 f. § 818 II BGB findet seine Entsprechung in § 73c StGB (§ 73a StGB a. F.). Die Wertung des § 818 III BGB wird (offenbar) zumindest in § 73e II StGB (vgl. § 73c I 2 StGB a. F.) berücksichtigt. 33  Pauschale Behauptung von „Struktur- und Funktionsgleichheit“ von Verfallsund Bereicherungsrecht aber etwa bei Eberbach, NStZ 1987, 486 (490); Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 28; Geiger, Rechtsnatur (2006), S. 305 Fn. 1004. Symptomatisch auch Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 33: „Die Ausgleichsfunktion des Verfalls könnte sich aus den Übereinstimmungen mit dem zivilrechtlichen Kondiktionsrecht ergeben.“ 34  Mit Recht kritisch etwa Julius, ZStW 109 (1997), 58 (91: „Dies legt zwar eine Orientierung an den Grundsätzen des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts nahe, klärt andererseits aber nicht, worin das bereicherungsrechtlich relevante Interesse der Allgemeinheit gegenüber dem Straftäter bestehen kann.“).

34 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Rechtsgrund der Maßnahme überzeugend umschrieben ist, ist daher im Folgenden eingehend zu prüfen. a) Grundlegungen Zunächst gilt es sich klar zu machen, dass die staatliche Abschöpfung der Taterträge nicht als bloß „dienendes“ Recht, als staatliche Unterstützung der Durchsetzung des zivilrechtlichen Ausgleichs zwischen Begünstigtem und Geschädigtem, verstanden werden kann. Dies muss erwähnt werden, weil namentlich die aktuelle „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ teilweise diesen Eindruck erweckt.35 Wenn dem allerdings so wäre, so hätte bislang im Angesicht des § 73 I 2 StGB a. F. der prozessuale Annex der „Zurückgewinnungshilfe“ den Zweck der materiellen Maßnahme bestimmt und es hätte den Verfall als solchen eigentlich gar nicht geben dürfen. Nach altem wie neuem Recht richtet sich die Abschöpfung von Taterträgen dagegen zunächst einmal auf alles, was aus bzw. für Straftaten erlangt wurde und ordnet dessen Übergang auf den Staat an (§ 75 I StGB bzw. § 73e I 1 StGB a. F.). Ob mit dem Erlangten zivilrechtliche Ansprüche konkret Geschädigter korrespondieren, ist demgegenüber zunächst einmal völlig unerheblich, die Maßnahme geht weiter als das. Soweit solche Ansprüche bestehen, stellt sich das staatliche Abschöpfungsrecht im Ausgangspunkt konkurrierend neben diese. Die daraus folgende, teilweise Überschneidung wurde bislang durch § 73 I 2 StGB a. F. und wird nun durch ein vollstreckungsrechtliches Verteilungsverfahren aufgelöst. Deutlich wird hier, dass das Bestehen eines von zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen konkret Geschädigter gerade unabhängigen,  eigenständigen Zugriffsrechts des Staates auf alle Taterträge einer Begründung bedarf. Die bisherigen Bemühungen einer „quasi-kondiktionellen“ Begründung des Verfallsrechts gehen daher auch dahin, dieses staatliche Recht wiederum selbst bereicherungsrechtlich zu begründen. Versucht man dies, dann könnte die Maßnahme am ehesten mit der Nichtleistungskondiktion (§ 812 I 1 Alt. 2 BGB) vergleichbar sein.36 Diese setzt voraus, dass der Bereicherungsschuldner „etwas“ erlangt hat, und zwar (in sonstiger Weise) „auf Kosten“ des Bereicherungsgläubigers. Auch der von der staatlichen Abschöpfung 35  s. etwa die Regelung des § 73e I StGB, wonach die Einziehung des Tatertrages ausgeschlossen ist, „soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist.“ Das erweckt den Eindruck, ein solcher Anspruch bestehe zunächst immer und der Zweck der staatlichen Einziehung der Taterträge bestehe einzig darin, die Durchsetzung dieses Anspruchs zu unterstützen. 36  So auch Best, JR 2003, 335 (340); Bottke, Assoziationsprävention (1994), S.  295 f.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen35

Betroffene hat „etwas“ erlangt. Erforderlich wäre nun aber weiter erstens, dass dieser Vermögensvorteil stets auch mit einem auszugleichenden „Minus“ eines anderen korrespondiert und zweitens, dass dieser Nachteil auch „auf Kosten“ des Staates erlangt worden ist. Um der Erfüllung dieser Voraussetzungen nachzugehen, bietet sich eine Differenzierung anhand des bisherigen § 73 I 2 StGB a. F., d. h. zwischen Fällen, in denen tatsächlich zivilrechtliche Ansprüche konkret Geschädigter auf das Erlangte bestehen und solchen, in denen das nicht der Fall ist, an. b) Fälle des bisherigen § 73 I 2 StGB a. F. Obwohl § 73 I 2 StGB a. F. bislang dem Verfall im Ergebnis all diejenigen Fälle entzog, in denen ein konkretes Opfer ein auszugleichendes Vermögens-„Minus“ zu verzeichnen hat, musste die Maßnahme nach der gesetzlichen Systematik doch in ihrer grundsätzlichen Weite (also gerade ohne Berücksichtigung der Ausnahme des § 73 I 2 StGB a. F.) erklärt werden können: Im Grundsatz sollte sie eben alles erfassen, was aus bzw. für Straftaten erlangt wurde; § 73 I 2 StGB a. F. schränkte dies nur ausnahmsweise im Interesse konkret Geschädigter (kein Entzug der Ersatzmöglichkeiten) und des Tatbeteiligten (keine Doppelinanspruchnahme) ein.37 Durch die nun erfolgte Streichung von § 73 I 2 StGB a. F. wird diese Systematik nur noch deutlicher. In den Fällen, in denen bislang § 73 I 2 StGB a. F. und nun ein vollstreckungsrechtliches Verteilungsverfahren greift, hat ein konkretes Opfer ein auszugleichendes Vermögens-„Minus“ zu verzeichnen. Da der Tatertrag damit gerade nicht „auf Kosten“ des Staates erzielt wurde, kann der staatliche Zugriff hier mit kondiktionellem „Ausgleich“ nichts mehr zu tun haben: Seit der Kondiktionslehre v. Savignys zählt zu den unverrückbaren Grundpfeilern des Bereicherungsrechts, dass „Dasjenige, welches dem Anderen zur Bereicherung diente, vorher schon wirklich einmal zum Vermögen dessen gehört“ haben muss, „welcher darauf eine Condiction gründen“ wolle.38 Auf den ersten Blick scheint es aber zumindest in dieser Fallgruppe möglich zu bleiben, die staatliche Abschöpfung der Taterträge als bloße Unterstützung des zivilrechtlichen Ausgleichs zwischen Begünstigtem und Geschädigtem zu erklären. Offen bliebe dann allerdings, wieso der Staat, wenn sich der Geschädigte etwa nicht meldet, den abgeschöpften Vermö37  Vgl. dazu die Diskussionen im Sonderausschuss, Protokolle V, S. 544 ff. und S. 992 ff.; zur Doppelinanspruchnahme des Täters etwa Göhler, S. 994, 996; zur Beeinträchtigung des Geschädigten etwa Güde, S. 998 und Schwarzhaupt, S. 998. 38  v. Savigny, System V (1841), S. 527; näher dazu Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 11 ff. und S. 17 ff. (zur Rezeption bei der Entstehung des BGB).

36 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

genswert behalten dürfen soll. Dafür sorgte bislang der „Auffangrechtserwerb“ des Staates (§ 111 V StPO a. F.), nun ist es der materiellrechtliche Regelfall. c) Verbleibende Fälle Möglicherweise gelingt eine bereicherungsrechtliche Erklärung des staatlichen Abschöpfungsrechts aber zumindest in den Fällen, in denen keine Ansprüche konkret Geschädigter bestehen. Ausgehend von der Auslegung des bisherigen Ausschlussgrundes des § 73 I 2 StGB a. F. lassen sich die danach verbleibenden Konstellationen wie folgt zusammenfassen: – Entgelt für die Begehung von Straftaten. Hier griff § 73 I 2 StGB a. F. schon dem Wortlaut nach nicht.39 Dahinter stand der Gedanke, dass bei Belohnung der Tat regelmäßig allenfalls Ausgleichsansprüche des Belohnenden in Betracht kämen, denen aber jedenfalls § 817 S. 2 BGB entgegenstünde. – Verzicht oder Verjährung bei ursprünglich bestehenden Ansprüchen eines konkret Geschädigten.40 – Gewinne aus Delikten gegen überindividuelle Rechtsgüter.41 Hier bestehen regelmäßig keine Ansprüche konkret Geschädigter.42 Auch nach dem neuen Recht sind dies die wesentlichen Fälle, in denen von vornherein nur zum Vorteil des Staates eingezogen wird und in denen 39  Anders als § 73 I 1 StGB a. F. („für die Tat oder aus ihr […] erlangt“) differenzierte § 73 I 2 StGB a. F. nicht zwischen Entgelt („für“) und Gewinn („aus“), sondern erfasst nur Ansprüche auf das „aus der Tat“ Erlangte; s. dazu auch BGH NStZ 2011, 229; NJW 2012, 2051; MR / Altenhain, § 73 Rn. 11; SS / Eser, § 73 Rn. 24; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 6; NK / Saliger, § 73 Rn. 21a; LK / Schmidt, § 73 Rn. 40. 40  BGH NStZ-RR 2004, 54 (55); wistra 2006, 380 (381); wistra 2007, 343; NStZ 2011, 83 (86 f.); SS / Eser, § 73 Rn. 26; Fischer, § 73 Rn. 19; MK / Joecks, § 73 Rn. 49; NK / Saliger, § 73 Rn. 22. 41  Im Grundsatz herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass zwischen individuellen und überindividuellen Rechtsgütern zu unterscheiden ist und diese Differenzierung etwa bei der Zulässigkeit der Notwehr und der Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung bedeutsam ist. Siehe nur Wolters, Neufassung (1995), S. 78. Zur Problematik dieses Rechtsgutstyps noch sogleich unter bb). 42  Wolters, Neufassung (1995), S. 87 weist noch darauf hin, dass aus demselben Grund auch bei (abstrakten oder konkreten) Gefährdungsdelikten generell der Verfall in Betracht komme. Da einerseits die Gewinnziehung aus einem konkret individualschützenden Gefährdungsdelikt kaum vorstellbar ist und andererseits gerade die Delikte gegen überindividuelle Rechtsgüter regelmäßig als Gefährdungsdelikte einzustufen sein könnten [dazu noch sogleich unter bb)], dürfte diese Fallgruppe aber keine eigenständige Bedeutung haben.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen

37

sich daher in aller Schärfe die Frage stellt, woher der Staat das Recht dazu nimmt. aa) Belohnungs-, Verzichts- und Verjährungsfälle In den Fällen der Belohnung von Straftaten findet sich ein dem „Plus“ des von der Abschöpfung Betroffenen entsprechendes „Minus“ ausschließlich im Vermögen des Hingebers des Entgelts.43 In den Fällen, in denen der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs ein Verzicht oder die Verjährung entgegensteht, besteht ein entsprechendes „Minus“ im Vermögen des Geschädigten. Eine bereicherungsrechtliche Erklärung der staatlichen Abschöpfung scheitert also auch hier daran, dass der Vermögensvorteil zwar mit einem entsprechenden Nachteil korrespondiert, dieser aber gerade nicht „auf Kosten“ des Staates erlangt wurde. In diesem Sinne hatte auch bereits Eser – als Wortschöpfer der „quasikondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“  – den Verfall von Tatentgelten von diesem Begriff ausdrücklich ausgenommen44 und bei Tatgewinnen, bezüglich derer individuelle, aber nicht durchgesetzte Ansprüche bestehen, zumindest der Sache nach aufgegeben.45 Dagegen hat Wolters es unternommen, auch in diesen Fällen einen bereicherungsrechtlichen Zusammenhang zu begründen. Er spricht hier von der „Geltendmachung eines fremden Rechts in eigenem (staatlichen) Namen“ und vergleicht das Phänomen mit der Prozessstandschaft.46 Dann müsste sich die Rolle des Staates aber auch in prozessualer Tätigkeit erschöpfen und das geltend gemachte Recht seinem „wahren“ Berechtigten zugutekom43  So auch Eser, Sanktionen (1969), S. 82 ff., 284. Eine Ausnahme könnten die Korruptionsdelikte im Amt (§§ 331 ff. StGB) darstellen, wenn man hier etwa die „Lauterkeit des öffentlichen Dienstes“ oder ein ähnliches überindividuelles Rechtsgut durch das Bestechungsgeschenk „beeinträchtigt“ sieht. Insofern gelten die Ausführungen unter bb). 44  Nach Eser, Sanktionen (1969), S. 84, 113, 284 ließe sich die Strafnatur des Entgeltverfalls nicht leugnen, s. auch S. 127 f., dazu auch noch unter d). Bemerkenswert ist allerdings, dass diese Differenzierung von denjenigen, die den Begriff der „quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“ aufgegriffen haben, weitestgehend nicht berücksichtigt wird. 45  Nach Eser, Sanktionen (1969), S. 295 soll das „öffentliche Ausgleichsinteresse“ hier in der „Bewahrung und Gewährleistung der Rechtsgüter, um derentwillen die mißachtete Norm erlassen wurde“ bestehen. Das scheint in der Sache in die richtige Richtung zu weisen, hat aber mit „Ausgleich“ im (quasi-)kondiktionellen Sinne nichts mehr zu tun und zeigt damit die Unklarheit des Gesamtansatzes, dazu auch noch unter d). 46  Wolters, Neufassung (1995), S. 83; s. auch SK / Wolters, § 73 Rn. 3 (noch scheinbar im hiesigen Sinne), Rn. 4 (wieder in jenem Sinne).

38 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

men. Das geschieht aber gerade nicht, der Staat überführt das geltend gemachte Recht vielmehr endgültig in sein Vermögen.47 Ein solcher Vorgang ist dem Institut der Prozessstandschaft fremd. Auch in den Belohnungs- sowie in den Verzichts- und Verjährungsfällen ist die Abschöpfung also bereicherungsrechtlich nicht zu erklären. bb) Delikte gegen überindividuelle Rechtsgüter Eine bereicherungsrechtliche Erklärung des staatlichen Abschöpfungsrechts könnte damit allenfalls noch bei Delikten gegen überindividuelle Rechtsgüter gelingen. Diese Prüfung wird dadurch erschwert, dass der Charakter der überindividuellen Rechtsgüter, insbesondere ihr Verhältnis zu den Individualrechtsgütern, hoch umstritten ist.48 Diese generelle Diskussion beeinflusst die zahlreichen Einzeldiskussionen bei den diversen, durchaus heterogenen Delikten, die ein überindividuelles Rechtsgut schützen sollen. In engem Zusammenhang damit steht auch die Frage, ob es sich bei den entsprechenden Delikten um Verletzungsdelikte oder um (konkrete oder abstrakte) Gefährdungsdelikte handelt. Das kann und muss hier nicht insgesamt aufgearbeitet werden. Stattdessen sollen unmittelbar einige konkrete Delikte, die sich gegen überindividuelle Rechtsgüter richten sollen und die den BGH in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Verfall beschäftigt haben, in den Blick genommen und die bereicherungsrechtliche Erklärung der Abschöpfung in diesen Fällen überprüft werden:49 – Umweltdelikte (§§ 324 ff. StGB).50 Es ist umstritten, ob die Delikte die Umwelt um ihrer selbst willen (sog. ökologische Sichtweise) oder letztlich allein menschliches Leben bzw. Gesundheit (sog. anthropozentrische Sichtweise) schützen, überwiegend wird eine vermittelnde Sichtweise vertreten (sog. ökologisch-anthropozentrischer Rechtsgutsbegriff).51 Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 355 Fn. 341. geht es insbesondere darum, ob individuelle und überindividuelle Rechtsgüter unverbunden nebeneinander stehen (sog. dualistisches Verständnis) oder ob ein Ableitungsverhältnis besteht, wobei man dann entweder die Individualrechtsgüter als (nur) rechtlich zugeteilte Allgemeininteressen verstehen kann (sog. monistisch-etatistisches Verständnis) oder verlangt, dass überindividuelle stets auf individuelle Rechtsgüter zurückgeführt werden können müssen (sog. monistisch-personales Verständnis); vgl. dazu den Überblick bei NK / Hassemer / Neumann, Vor § 1 Rn. 128. 49  Vgl. auch die Zusammenstellung bei Rönnau, Vermögenabschöpfung, Rn. 13. Rechtsgut und Deliktsnatur sind bei allen folgenden Delikten (teilweise hoch) umstritten und werden daher nur sehr verkürzt dargestellt. Es geht hier nur darum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Schutzwirkung dieser Delikte aufzuzeigen. 50  Dazu BGHSt 58, 152; 59, 45 [insoweit aber nicht abgedruckt, s. dazu NStZ 2014, 89 (93 f.)]. 47  Vgl.

48  Dabei



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen39

– Korruptionsdelikte (§§ 331 ff. StGB).52 Es soll sich um abstrakte Gefährdungsdelikte zum Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung bzw. des Vertrauens der Allgemeinheit in die Sachlichkeit und Unabhängigkeit der Verwaltung handeln.53 – Verstöße gegen das BtMG.54 Dabei soll es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte zum Schutz der „Volksgesundheit“ handeln.55 – Verstöße gegen Waffenembargos (heute § 17 AWG).56 Geschützt sein sollen die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, das friedliche Zusammenleben der Völker und die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, ohne dass zu prüfen sei, ob die Handlung im Einzelfall geeignet war, diese Interessen zu gefährden.57 – Strafbare Werbung (§ 16 I UWG).58 Der Tatbestand soll dem Verbraucherschutz, nachrangig auch dem Schutz der Mitbewerber und möglicherweise auch dem Schutz des Interesses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb dienen.59 Jedenfalls soll es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handeln.60 – Insiderhandel und Marktmanipulation (§ 38 I, II WpHG).61 Die Delikte sollen die Funktionsfähigkeit des organisierten Kapitalmarkts schützen, wobei hier insbesondere das Verhältnis zum Schutz der individuellen 51  s. den Überblick bei MK / Schmitz, Vor § 324 ff. Rn. 17 ff. und Wolters, Neufassung (1995), S. 91 ff. Hier zeigt sich auch der Zusammenhang mit der Einordnung der Delikte in die Kategorien „Verletzungs- oder Gefährdungsdelikte“: Bei anthropozentrischer Sichtweise etwa stellen sich alle Umweltdelikte als abstrakte Gefährdungsdelikte dar, so dann auch Wolters, Neufassung (1995), S. 92, 95. 52  Dazu BGHSt 50, 299; BGH NStZ-RR 2004, 242; wistra 2010, 439; wistra 2011, 298; NStZ-RR 2015, 44. 53  s.  den Überblick bei MK / Korte, § 331 Rn. 2 ff. 54  Dies ist die in der BGH-Rechtsprechung zum Verfall die mit Abstand am häufigsten auftauchende Deliktsgruppe, s. aus den letzten Jahren nur BGH NStZ-RR 2012, 312; NStZ-RR 2012, 313; NStZ-RR 2013, 352; NStZ-RR 2014, 16; StV 2014, 617; NStZ-RR 2015, 248; NStZ-RR 2015, 281. 55  s.  den Überblick bei MK / Rahlf, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 1 ff. 56  Dazu BGHSt 47, 369; 57, 79; BGH wistra 2004, 465. 57  Regierungsbegründung des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl. I 2013, S. 1482), BT-Drucks. 17 / 11127, S. 25; s. auch MK / Wagner, § 17 AWG Rn. 9. 58  Dazu BGHSt 52, 227. 59  Dies entspräche jedenfalls der sog. Schutzzwecktrias in § 1 UWG; s. dazu den Überblick bei MK / Janssen / Maluga, § 16 UWG Rn. 13 ff. 60  MK / Janssen / Maluga, § 16 UWG Rn. 18 m. w. N. 61  Dazu BGH NJW 2010, 882; NStZ 2010, 326 (Insiderhandel); BGHSt 59, 80 (Marktmanipulation).

40 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Marktteilnehmer umstritten ist.62 Jedenfalls soll es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte handeln.63 Eine bereicherungsrechtliche Erklärung der staatlichen Ertragsabschöpfung in diesen Fällen müsste nun zu drei Punkten Stellung nehmen: (a) Verursacht der Täter ein (ausgleichbares) „Minus“ am Rechtsgut? (b) Korrespondiert dieses „Minus“ mit einem „Plus“ des Täters? (c) Ist der Staat dann berechtigt, einen „Ausgleich“ zu seinen Gunsten herbeizuführen? Zu Punkt (a) müsste man argumentieren: Wenn aus einem Delikt gegen ein überindividuelles Rechtsgut ein Vermögensvorteil gezogen wird, tritt an diesem ein korrespondierendes „Minus“ ein. In diesem Sinne meint Eser, dass ungesetzliche Gewinne immer auf Kosten anderer erlangt seien, im Zweifel eben auf Kosten der Allgemeinheit.64 Punkt (b) soll dann offenbar auch erfüllt sein. Zu Punkt (c) meint Eser, dass der Staat als „Repräsentant der Allgemeinheit für eine Wiedergutmachung der ihr zugefügten Schäden und damit für eine Wiederherstellung der gestörten Gesamtordnung zu sorgen“ habe.65 Dieser Gedanke findet sich wiederum ähnlich bei Wolters: Es sei hier Aufgabe des Gerichts „als Repräsentant aller Individuen innerhalb des staatlichen Organisationsverbandes das erlangte Etwas abzuschöpfen.“66 Er vergleicht das Phänomen mit der zivilrechtlichen Gesamthand: Träger der Rechte und Pflichten seien zwar die Einzelnen und nicht die Gesellschaft als solche. Aufgrund der Komplexität der Willensbildung seien zur Führung der „Geschäfte der Gesellschaft“ staatliche Organe eingeschaltet. Die Tragfähigkeit dieser Argumentation ist zu überprüfen. (1) Umweltdelikte Herausgegriffen werden sollen zunächst die Umweltdelikte. Denn, um es vorwegzunehmen: Hier lässt sich die staatliche Abschöpfung des Ertrags den Überblick bei MK / Pananis, § 38 WpHG Rn. 4 ff. § 38 WpHG Rn. 9 f. m. w. N. 64  Eser, Sanktionen (1969), S. 121, z. B. werde durch verbotene Monopolbildung oder unlauteren Wettbewerb das marktwirtschaftliche Gleichgewicht gestört, durch unzulässige Preisgestaltung das allgemeine Bewirtschaftungssystem in Unordnung gebracht und durch Missachtung lebensmittelrechtlicher Vorschriften „praktisch“ auf Kosten der Gesundheit der Kundschaft Gewinne gemacht. 65  Eser, Sanktionen (1969), S. 121; zust. Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 343 f. In diesem Sinne wohl auch SSW / Burghart, § 73 Rn. 3 f.; ders., wistra 2011, 241 (244). Die Bezeichnung des Staates als „Repräsentant der Allgemeinheit“ findet sich in diesem Zusammenhang bereits bei Schäfer, Niederschriften Band  3, S. 209 sowie Umdruck R 59, S. 388 (397). 66  Wolters, Neufassung (1995), S. 82; s. auch SK / Wolters, § 73 Rn. 4. 62  s.  dazu

63  MK / Pananis,



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen41

zumindest mit einer gewissen Plausibilität tatsächlich bereicherungsrechtlich erklären.67 Punkt (a) könnte man bejahen, sofern man bereit ist, jede die tatbestandliche Unerheblichkeitsschwelle überschreitende Beeinträchtigung der Umwelt als „Schaden“ an dieser zu verstehen. Diese Ansicht wäre unabhängig von der Diskussion um Rechtsgut und Deliktsstruktur der Umweltdelikte vertretbar, auch eine anthropozentrische Sichtweise (die durchweg von abstrakten Gefährdungsdelikten ausgeht) könnte das in einem ersten Schritt so sehen. Punkt (b) würde dann wohl auch keine Hürde mehr darstellen: Der Vermögensvorteil besteht hier regelmäßig in ersparten Aufwendungen (für die „umweltgerechte“ Vorgehensweise). Man kann dann durchaus sagen, dass der Betroffene seinen Vorteil von der Umwelt „abgezogen“ hat. Bereicherungsrechtlich gesprochen hat er ihn durch unrechtmäßige Nutzung („Usurpation“) eines fremden Rechtsguts gezogen, das entspricht der zivilrechtlichen Eingriffskondiktion.68 Schließlich ergeben sich auch in Punkt (c) keine durchgreifenden Bedenken:69 Wolters’ Vergleich mit der zivilrechtlichen Gesamthand ist hier durchaus passend. Die Umwelt steht gewissermaßen uns allen „zur gesamten Hand“ zu. Bereichert sich jemand „auf Kosten“ der Umwelt, dann tut er dies „auf Kosten“ der Allgemeinheit und wen kann diese schon einsetzen, um einen Ausgleich herbeizuführen, wenn nicht den Staat? (2) Verbleibende Fälle Versucht man nun aber, diese Erwägungen auch auf die anderen, oben aufgeführten Delikte zum Schutz überindividueller Rechtsgüter zu übertragen, so zeigt sich, dass den Umweltdelikten hier wohl eine Ausnahmestellung zukommt. Das grundlegende Problem liegt bereits in Punkt (a). So lässt sich insbesondere in den BtMG- und AWG-Fällen schwerlich wegargumentieren, dass es hier von vornherein nur um abstrakte Gefährdungen geht. Das Bereicherungsrecht ist aber auf Rechtsgutsverletzungen ausgerichtet, ein „Ausgleich“ bloßer Rechtsgutsgefährdung ist ihm (naturgemäß) fremd.70 Im Unterschied 67  Insoweit zumindest im Ergebnis überzeugend die auf die Umweltdelikte zugeschnittene Untersuchung von Wolters, Neufassung (1995), S. 95 ff. Zu seiner allerdings abweichenden Begründung gesondert unter d). 68  Insoweit überzeugend Wolters, Neufassung (1995), S. 96 f. 69  Kritisch aber Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 355. 70  Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 23; so auch grundsätzlich Wolters, Neufassung (1995), S. 96.

42 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

zur Umwelt fällt es hier auch deutlich schwerer, sich ein „Zwischenrechtsgut“ als jedenfalls beeinträchtigte, gesamthänderische Vermögensmasse vorzustellen. Der „Usurpationsgedanke“ der Eingriffskondiktion ist daher hier nicht mehr wirklich zu erkennen.71 Darüber könnte insbesondere in den Korruptions- und WpHG-Fällen hinwegzukommen sein, wenn man als geschütztes Rechtsgut auf das „Vertrauen“ der Allgemeinheit in die unmanipulierte Funktionsfähigkeit des jeweiligen Systems abstellt, wodurch sich jedes einzelne Delikt nicht nur als bloße Gefährdung des überindividuellen Rechtsguts, sondern als Verletzung des Vertrauens in das System darstellte. Unabhängig davon, was von einer solchen Betrachtung generell zu halten ist, ließe sich jedenfalls ein gravierender Unterschied zu den Umweltdelikten auch so nicht ausräumen: Dort ist gewissermaßen etwas „aus dem System herausgeflossen“, was nun (zumindest in Gestalt von Wertersatz) wieder „zurückfließen“ muss. Hier wäre das Vertrauen in das System allenfalls insofern beeinträchtigt, als dass es durch die Abschöpfung des Vorteils wieder „repariert“ werden müsste. Entscheidend ist aber: Diese „Reparation“ tritt bereits durch die Abschöpfung ein; wohin das Abgeschöpfte dann fließt, spielt keine Rolle mehr. Entsprechendes dürfte regelmäßig auch für Wettbewerbsdelikte gelten: Der Wettbewerbsvorteil wird durch seine Abschöpfung negiert. Diese Art von Reparation hat aber nichts mehr mit bereicherungsrechtlichem Ausgleich zu tun, für den es charakteristisch ist, dass sich sein eigentlicher Zweck erst mit der Rückführung des Vorteils an den wahren Berechtigten erfüllt. Bei Punkt (b) setzen die Probleme sich fort. Eine Korrespondenz des Vorteils des Betroffenen mit dem herbeigeführten „Nachteil“ ist, wenn es nicht – wie regelmäßig bei den Umweltdelikten – um ersparte Aufwendungen geht, kaum auszumachen. So ist etwa nicht ersichtlich, welche Korrespondenz der Erlös aus einem Betäubungsmittelgeschäft oder einem gegen ein Waffenembargo verstoßenden Geschäft mit dem Ausmaß der dadurch verursachten (abstrakten!) Rechtsgutsgefährdung aufweist.72 Bei einem bereicherungsrechtlichen Verständnis müssten sich Vor- und Nachteil aber entsprechen, das bedeutet hier: Es dürfte nur so viel abgeschöpft werden, wie „spiegelbildlich“ der Rechtsgutsgefährdung entspricht. Darauf ist das Gesetz mit seiner Anknüpfung an grundsätzlich alles aus bzw. für Straftaten Erlangte aber ersichtlich nicht ausgerichtet; es greift also deutlich weiter, als es eine bereiche71  Anders Wolters, Neufassung (1995), S. 96 ff., 107 ff., zu seiner Argumentation gesondert unter d). 72  Überspitzt gesagt: Teure Drogen bzw. Waffen, die zu entsprechend hohen Erlösen führen, sind nicht unbedingt gefährlicher als billige. Der Aspekt gilt mit Abstrichen auch für die Umweltdelikte: Es ist zumindest nicht zwingend, dass die Höhe der Kosten für eine „umweltgerechte“ Vorgehensweise stets mit dem Ausmaß der andererseits ausgelösten Umweltschädigung korrespondiert.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen43

rungsrechtliche Erklärung zulassen würde.73 Nicht übersehen wird, dass in der jüngeren Rechtsprechung des BGH zum bislang geltenden Recht Ansätze zu erkennen sind, diese „Spiegelbildlichkeit“ des Verfallsbetrages mit dem Unrecht des jeweils verwirklichten Delikts herzustellen. Wenn der dem Verfall unterliegende Vorteil danach bestimmt werden soll, „was letztlich strafbewehrt ist“,74 wird diese Einschränkung aber weder bereicherungsrechtlich begründet, noch konsequent in diesem Sinne umgesetzt.75 (3) Ergebnis Die Vorstellung, dass der Vorteil des Betroffenen vom durch die Straftat verletzten überindividuellen Rechtsgut „abgezogen“ wurde und daher an den Staat als Repräsentant der Allgemeinheit „zurückgeführt“ werden muss, könnte allenfalls bei den Umweltdelikten funktionieren. In den anderen praxisrelevanten Fällen kommt man aber nicht darüber hinweg, dass schon nichts „abgezogen“, sondern allenfalls „gefährdet“ wurde bzw. dass jedenfalls die Umkehr einer so verstandenen „Beeinträchtigung“ bereits durch Abschöpfung und nicht erst durch Rückführung des Vorteils erfolgt. Hinzu kommt, dass der abgeschöpfte Betrag eigentlich stets mit dem Umfang der Rechtsgutsbeeinträchtigung korrespondieren müsste. cc) Ergebnis Damit ist das staatliche Abschöpfungsrecht auch in den Konstellationen, in denen von vornherein keine individuellen Ansprüche konkret Geschädigter in Betracht kommen, (mit Ausnahme der Umweltdelikte) nicht bereicherungsrechtlich zu erklären. 73  Vgl. Kracht, wistra 2000, 326 (328); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S.  23 f. 74  So erstmals der 5. Strafsenat des BGH NJW 2010, 882 (884) in Fortführung der Grundsätze aus seiner Entscheidung BGHSt 50, 299 (309 ff.); dann auch der 3. Strafsenat BGHSt 57, 79 (81 ff.); 59, 80 (92 ff.). Zur damit zusammenhängenden Kontroverse mit dem 1. Strafsenat, insbesondere dessen Entscheidungen BGHSt 47, 369 (372 ff.); 52, 227 (247 ff.) und NStZ 2011, 83 (85), siehe Heine, NStZ 2015, 127; Korte, in: FS Samson (2010), S. 65 (69 ff.); Lindemann / Ordner, Jura 2014, 18 (22 ff.); Rönnau, Vermögenabschöpfung, Rn. 37 ff. Wie die aktuelle Reform diese Problematik aufgegriffen hat, s. 3.  Kap. B. VIII. 75  Letztlich soll (darüber sind sich die Strafsenate zumindest im Grundsatz einig) zu unterscheiden sein, ob das Geschäft an sich oder nur die Art und Weise, in der das Geschäft durchgeführt werde, verboten ist. Auf Grundlage dieser (zweifelhaften) Unterscheidung sollen namentlich die Rauschgiftgeschäfte und gegen Embargos verstoßende Geschäfte an sich verboten sein, sodass dort der gesamte Erlös dem Verfall unterliege.

44 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

d) Hinauslaufen auf die Funktion der Wiederherstellung des Rechts Als bereicherungsrechtliches Ausgleichsverhältnis lässt sich die staatliche Abschöpfung von Taterträgen also insgesamt nicht erklären. Stattdessen lässt sich bei beiden Hauptvertretern einer „Ausgleichsfunktion“ des Verfalls (Eser und Wolters) zeigen, dass diese letztlich auf die Funktion der „Wiederherstellung des Rechts“ hinausläuft, die anschließend zu erörtern ist. Wolters’ Begründungsweg ist durchaus bemerkenswert:76 Er baut auf der Auffassung auf, dass sich konkrete und abstrakte Gefährdungsdelikte von Verletzungsdelikten nicht qualitativ, sondern nur quantitativ in der Schwere des Angriffs auf den Geltungsanspruch eines vom Angriffsobjekt abstrahierten Rechtsguts voneinander unterschieden.77 Diese Auffassung überträgt er dann auf die Eingriffskondiktion und kommt so zu dem Ergebnis, dass auch bei nur (abstrakter oder konkreter) Gefährdung des betroffenen Rechtsguts stets eine Usurpation des Rechtsguts vorliege, die einen Ausgleichsanspruch auslösen könne.78 Wolters erblickt deshalb das (auszugleichende) „Minus“ der Tat in einer „Missachtung des Geltungsanspruchs des Rechtsguts“.79 Abgesehen davon, was von dieser Sichtweise an sich zu halten ist, zeigt sich auch hier noch einmal, dass sich der Zweck der Maßnahme auf das Wegnehmen beschränkt: Dass der „Geltungsschaden“ am Rechtsgut bzw. der dieses schützenden Norm (möglicherweise) durch Abschöpfung des daraus gezogenen Vorteils korrigiert werden muss, hat mit (quasi-)bereicherungsrechtlichem Ausgleich nichts mehr zu tun, sondern verweist letztlich auf die Begründung der Abschöpfung als Maßnahme zur „Wiederherstellung des Rechts“. Ähnliches zeigt sich im Ergebnis bei Eser bei der Behandlung der Fälle, in denen individuelle Ansprüche von Opfern auf das aus einer Straftat Erlangte bestehen, aber von ihnen nicht durchgesetzt werden. Hier muss er darauf ausweichen, dass es beim Verfall um „Bewahrung und Gewährleistung der Rechtsgüter“ gehe.80 Damit ist offen gelegt, dass es insgesamt um etwas anderes als bereicherungsähnlichen Ausgleich geht. e) Ergebnis Die staatliche Abschöpfung von Taterträgen hat also keine Ausgleichsfunktion: Während ein „Ausgleich“ sich durch „Nehmen“ und „Geben“ auch die Kritik von Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 23 f. Neufassung (1995), S. 86 f., 89 f., 96 f., 101 ff. 78  Wolters, Neufassung (1995), S. 96 ff., 107 ff. 79  Wolters, Neufassung (1995), S. 107. 80  Eser, Sanktionen (1969), S. 295; s. bereits unter c) aa). 76  Vgl.

77  Wolters,



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen45

konstituiert, ist der Zweck dieser Maßnahme auf das „Nehmen“ beschränkt.81 Es führt nur zur Verwirrung, trotz Erkennens dieses Umstands von (Quasi-) Kondiktion bzw. Ausgleich zu sprechen.82 Die vermeintliche Ausgleichsfunktion löst sich stattdessen in das Verständnis als „Maßnahme zur Wiederherstellung des Rechts“ auf. 4. Anforderung der Gerechtigkeit bzw. Wiederherstellung des Rechts Bei der Abschöpfung von Taterträgen steht also das „Nehmen“ im Vordergrund, es geht ausschließlich um die Beseitigung eines auf einer Straftat beruhenden Vermögensvorteils. Das Recht des Staates zu einer solchen Maßnahme wird nun teilweise mit einer bloßen Anforderung der Gerechtigkeit, teilweise in einem Recht zur Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung begründet.83 Dies führt jedenfalls in die richtige Richtung, aber ob dies per se taugliche Zwecke staatlichen (Eingriffs-)Handelns sein können, erscheint zweifelhaft. Dazu muss auf grundlegende, staatstheoretische Erkenntnisse zurückgegriffen werden: Dem Grundgesetz liegt, in Aufnahme des Gedankenguts der Aufklärung einerseits und bewusster Abgrenzung zum Nationalsozialismus andererseits, ein liberales, anthropozentrisches Staatsverständnis zugrunde.84 Seinen vielleicht besten Ausdruck findet dieses in der Formulierung des Art. 1 I des Herrenchiemseer Entwurfs („Der Staat ist um des Menschen Willen da, nicht der Mensch um des Staates Willen.“).85 Daraus ist abzuleiten, dass es keinen von den Individuen unabhängigen Zweck staatlichen (Eingriffs-)Handelns gibt oder umgekehrt formuliert: Der Staat muss sein Handeln immer auf den Schutz individueller Freiheit zurückführen können.86 Danach darf der Staat eine in individuelle Rechte eingreifende „Ord81  Lenz, Verfall (1986), S. 207; so auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S.  355 f. und Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 24. 82  So aber etwa SSW / Burghart, § 73 Rn. 3; ders., wistra 2011, 241 (244); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 24, 28 ff.; Weßlau, StV 1991, 226 (227), die im Ansatz richtig erkennen, dass sich der Verfall auf das „Wegnehmen beim Begünstigten“ beschränkt, diesen Unterschied aber nicht für ausreichend halten, um der Maßnahme ihren „quasi-kondiktionellen“ Charakter zu nehmen. 83  s. die Nachweise oben unter I. 84  Vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 291 f.; Marx, Rechtsgut (1971), S.  25 ff.; Stächelin, Strafgesetzgebung (1998), S. 83 ff.; Wolters, Neufassung (1995), S. 80 f. 85  Auf die Formulierung wurde letztlich wohl nur verzichtet, weil sie „nur Selbstverständliches“ sage, Marx, Rechtsgut (1971), S. 33 f. 86  Vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 292, 305.

46 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

nung“ nicht um ihrer selbst willen schaffen. Er darf Freiheit (der einen) nur beschränken, um Freiheit (der anderen) zu gewährleisten. Dann muss auch der die Ordnung durchsetzende staatliche Eingriff (zumindest gedanklich) stets auf den damit verfolgten, freiheitsfördernden Zweck zurückgeführt werden und darf nicht bloß selbstzweckhaft damit begründet werden, dass die Störung der Ordnung beseitigt bzw. das Recht wiederhergestellt werden müsse. Dieser Rückbezug auf den „Letztzweck“ staatlichen (Eingriffs-) Handelns ist erforderlich, da bei einer Verabsolutierung der „Systemstabilisierung“ als Zweck letztlich auch der Schutz der „Ordnung“ eines totalitären Unrechtsregimes legitimiert werden könnte.87 Genau so wenig darf der Staat des Grundgesetzes die Rechte seiner Bürger beeinträchtigen, nur um (scheinbar) selbst-evidente „Gerechtigkeitspostulate“ durchzusetzen.88 Die Sicherstellung, dass auch nur tatsächlich „gerechte“ Gerechtigkeitsvorstellungen mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden, kann wieder nur durch einen Rückbezug auf den damit letztlich verfolgten Schutz der Freiheit der Individuen erfolgen. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns im Hinblick auf die Zwecke „Verwirklichung der Gerechtigkeit“ bzw. „Wiederherstellung des Rechts“ kann keine kritische Wirkung entfalten, solange der Inhalt von „Gerechtigkeit“ bzw. des „Rechts“ und das Ausmaß, in dem sie verwirklicht bzw. es wiederhergestellt werden „muss“, durch den Staat willkürlich bestimmt werden können. Die Gedanken der Verwirklichung der Gerechtigkeit bzw. der Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung müssen also noch dahingehend weitergedacht werden, inwiefern damit letztlich individuelle Freiheit geschützt wird. Das führt zum Gedanken der Generalprävention. 5. Generalprävention Die bisherige Untersuchung hat erbracht, dass die Abschöpfung des Tatertrages individualschützend sein muss und sich diese Schutzwirkung reparativ (i. S. e. bereicherungsrechtlichen Ausgleichs) nicht begründen lässt. Damit bleibt eigentlich nur noch, die Maßnahme (general-)präventiv zu verstehen: Sie müsste letztlich einzig und allein der Vermeidung von Verletzungen der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter dienen.89 Fraglich 87  Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 195 mit Fn. 16; in diesem Sinne auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 274. 88  s. nur Roxin, AT I, § 3 Rn. 8: „Die metaphysische Idee der Gerechtigkeit zu verwirklichen, ist der Staat als eine menschliche Einrichtung weder fähig noch berechtigt. Der Wille der Bürger verpflichtet ihn zur Sicherung menschlichen Zusammenlebens in Frieden und Freiheit; auf diese Schutzaufgabe ist er beschränkt.“ 89  Vgl. dazu grundlegend Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 347 f., 356.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen

47

scheint dann zu sein, ob es auf negative oder positive Generalprävention ankommt. a) Zur negativen Generalprävention Der negative Aspekt der Generalprävention wird häufig mit dem Begriff der Abschreckung der Allgemeinheit vor der Begehung (ähnlicher) Straftaten umschrieben.90 Einer solchen Zwecksetzung der Abschöpfung von Taterträgen stehen das BVerfG91 und Teile der Literatur skeptisch gegenüber. Ein Grund dafür klingt beim BVerfG nur an und wird in der Literatur teilweise deutlicher geäußert: Die Verfolgung eines Abschreckungszwecks soll „strafverdächtig“ sein.92 Das greift  – insoweit kann der Untersuchung der Rechtsnatur vorgegriffen werden  – zu kurz: Die Verfolgung (negativ) generalpräventiver Zwecke ist keineswegs „straf(rechts)exklusiv“, sondern liegt z. B. auch weiten Teilen des Zivilrechts zugrunde.93 Charakteristisch für den besonderen staatlichen Eingriffstyp „Strafe“ müssen daher andere Umstände sein.94 Weitere Einwände gegen eine (negativ) generalpräventive Begründung der Abschöpfung von Taterträgen speisen sich letztlich aus genereller Kritik an der Theorie der (negativen) Generalprävention. So wird behauptet, die Theorie unterstelle, dass Kriminalität auf der Vornahme einer Kosten-Nutnur Roxin, AT I, § 3 Rn. 25. 110, 1 (19), dazu bereits unter I. 92  Dannecker, NStZ 2006, 683 (684: „Damit geht es […] um die Abschreckung der Allgemeinheit […]. Dieses Ziel zeichnet aber eine Strafe aus“); Husberg, Verfall (1999), S. 60: „Der Begriff der ‚Abschreckung‘ vermag im Zusammenhang mit einer schuldunabhängig anzuordnenden Maßnahme freilich zu befremden, da mit diesem Begriff vor allem Strafübel […] assoziiert wird“; s. auch Eser, Sanktionen (1969), S. 86; Hofmann, wistra 2008, 401 (406); Hoyer, GA 1993, 406 (421); Kempf / Schilling, Vermögensabschöpfung, Rn. 85; Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (107); Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 46; Weßlau, StV 1991, 226 (231); Wolters, Neufassung (1995), S. 59. 93  Zu denken ist hier insbesondere an das Recht der unerlaubten Handlung, aber etwa auch an die Eingriffskondiktion, deren abschöpfende Komponente (!) abschreckend wirkt, vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 17; Seiler, Maßnahmen (1967), S. 252 f. Zum Ganzen auch Appel, Verfassung (1998), S. 459, 480 und Greco, Strafprozesstheorie (2015), S. 661 („Hohe Zigarettensteuern sollen von dem Rauchen abschrecken, sind aber keine Strafen gegen Raucher“), S. 687. 94  So auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 349; Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 178 f.; Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 25; Geiger, Rechtsnatur (2006), S. 230 Fn. 719, 720; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 345; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 31; näher dazu unter B. II. 1. 90  s.

91  BVerfGE

48 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

zen-Analyse vor der Tat beruht; damit erfasse sie die Vielschichtigkeit der Umstände, die zu Begehung von Straftaten führen (etwa plötzliche Impulse) und von ihr abhalten (etwa die bloße Angst, gefasst zu werden) allenfalls ausschnittsweise.95 Damit in engem Zusammenhang steht die verbreitete Bemängelung der fehlenden empirischen Absicherung des Konzepts der Abschreckung durch Gewinnabschöpfung.96 Dies spricht allerdings nur gegen eine (reine) kriminalökonomische Theorie, wie sie vor allem von Becker begründet worden ist.97 Die Theorie der (negativen) Generalprävention kann und muss aber in einem umfassenderen, abstrakteren Sinne verstanden werden.98 b) Zur positiven Generalprävention Unter positiver Generalprävention wird allgemein die „Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung“ verstanden, was sich nach Roxin in Lerneffekt (Rechtstreue wird eingeübt), Vertrauenseffekt (der Bürger sieht, dass das Recht sich durchsetzt) und Befriedungseffekt (das allgemeine Rechtsbewusstsein beruhigt sich) unterteilen lässt.99 Auf diese Lehre nimmt das BVerfG Bezug, wenn es heißt, der Verfall solle „die Unverbrüchlichkeit und die Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.“100 Hieran knüpft auch die Begründung der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ an.101 Ebenfalls im Sinne der positiven Generalprä95  s. in diesem Zusammenhang Husberg, Verfall (1999), S. 57 ff.; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 30 f. 96  Eingehend Dessecker, Gewinnabschöpfung (1992), S. 95 ff.; Kaiser, in: FS Tröndle (1989), S. 685 (687 ff.); Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 140 ff.; s. auch Claus, Gewinnabschöpfung (2010), S. 30; Faure, in: FS Eser (2005), S. 1311 (1321); Perron, JZ 1993, 918 (920); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 31. 97  Grundlegend Becker, Journal of Political Economy 1968, 169 ff.; dazu näher Dessecker, Gewinnabschöpfung (1992), S. 82 ff.; Faure, in: FS Eser (2005), S. 1311 (1315); Kaiser, in: FS Tröndle (1989), S. 685 (689 f.; 700 f.); Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 128 f.; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 30 f. 98  Dazu näher unter c) in Verbindung mit der positiven Generalprävention. Das führt zugleich dazu, dass die Theorie der Generalprävention (nicht nur diesem Zusammenhang) einem empirischen Nachweis weitgehend entzogen wird, s. dazu generell Roxin, AT I, § 3 Rn. 30 mit Fn. 41; ders., GA 2015, 185 (190 f.); sowie Meier, Sanktionen, S. 27 ff. und Streng, Sanktionen, Rn. 58 ff. Das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als dass sie auf ihre normative Überzeugungskraft angewiesen ist; vgl. Meier, Sanktionen, S. 30. 99  Roxin, AT I, § 3 Rn. 27. 100  BVerfGE 110, 1 (20). 101  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 45, 65.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen49

vention hält Hoyer es für entscheidend, ob „in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, Unrecht Gut gedeihe (nicht oder) eben doch.“102 Diese Sichtweisen sind nicht unproblematisch. Wo nach einer solchen Begründung die Grenzen der Maßnahme verlaufen müssten, bliebe (weiterhin) völlig im Dunklen. Es besteht die Gefahr, über die selbstzweckhafte Durchsetzung des Gerechtigkeitspostulats, dass Straftaten sich nicht auszahlen sollen, nicht nennenswert hinaus zu kommen. So heißt es etwa beim BVerfG ganz offen, dass sich die positiv generalpräventive Zwecksetzung des Verfalls decke mit einem „alle Rechtsgebiete übergreifenden Grundsatz, wonach eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist.“103 Wenn aber schon die (unmittelbare) Durchsetzung der „Ordnung“ bzw. „Gerechtigkeit“ per se den Eingriff nicht rechtfertigen kann, kann nichts anderes gelten, wenn es sogar nur (mittelbar) darum gehen soll, dem Bürger die Geltung der „Ordnung“ bzw. „Gerechtigkeit“ zu verdeutlichen. Hier zeigt sich exemplarisch eine generelle Gefahr der Lehre von der positiven Generalprävention: Greift man auf ihre Grundsätze unbedacht zu, lässt sich eine selbstzweckhafte (also „absolute“) Begründung staatlicher Eingriffe quasi-präventiv verbrämen.104 Insbesondere die Heranziehung des Vertrauens- und des Befriedungseffekts kann zu einer solchen Betrachtung verleiten, wenn man (jedenfalls scheinbar) dabei stehen bleibt, dass es um eine bloße Bestätigung der „ohnehin rechtstreuen“105 Bürger geht  – inwiefern trägt das noch zur Prävention von Straftaten bei?106 Dieser Beobach102  Hoyer, GA 1993, 406; zust. Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 31; Husberg, Verfall (1999), S. 61; ähnlich Claus, Gewinnabschöpfung (2010), S. 29. 103  BVerfGE 110, 1 (20). Damit ist wohl auf das zivilrechtliche Bereicherungsrecht und den (ungeschriebenen) öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verwiesen, was nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung noch (unabhängig zu dem im Text Folgenden) zu der Bemerkung veranlasst: Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage beseitigt werden muss, auch wenn es gerade nicht zu einem Ausgleich mit dem Beeinträchtigten kommt, ist nicht ersichtlich. Damit ist vielmehr gerade die Eigenheit der rein abschöpfenden, strafrechtlichen Maßnahme umschrieben. 104  Eine entsprechende Absicht wird hier niemandem unterstellt, es geht nur um die potenzielle Missverständlichkeit einer formelhaften Bezugnahme auf die Lehre der positiven Generalprävention. 105  So etwa im vorliegenden Zusammenhang Claus, Gewinnabschöpfung (2010), S. 29: „Das Vertrauen des rechtstreuen Bürgers in die Bewährung des Rechts und die effektive Bekämpfung von Straftaten seitens des Staates wäre empfindlich gestört, wenn sich das Verbrechen für den Täter am Ende lohnen würde.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 106  Es kann dann eigentlich nur noch um das Vergeltungsbedürfnis gehen, vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 326.

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tung entspricht, was man auch innerhalb der generellen Strafzweckdiskus­ sion zur Lehre der positiven Generalprävention bereits festgestellt hat: Sie weist eine gewisse Tendenz dazu auf, sich von einem am (präventiven) Rechtsgüterschutz orientierten Strafrecht hin zu einer absoluten Straftheorie zu entwickeln.107 c) Zusammenführung von positiver und negativer Generalprävention Wohlverstanden geht es der positiven Generalprävention um die Verhinderung von Straftaten dadurch, dass die innere Anerkennung der verletzten Verhaltensnorm durch die Allgemeinheit erhalten wird. Die Durchsetzung der Strafnorm dient also nicht der (sinnlosen) bloßen Bestärkung und Befriedigung der „ohnehin rechtstreuen“ Bürger. Sie richtet sich vielmehr an die Bürger explizit als potenzielle Straftäter108 und bewahrt ihre Rechts­ treue.109 So verstanden lässt sie sich kaum mehr von der negativen Generalprävention unterscheiden: Beide Sichtweisen gehen letztlich von der gemeinsamen Annahme aus, dass das Aufwachsen und Leben in einem Staat mit strafbewehrten Verhaltensnormen zu einer Internalisierung der einschlägigen Verhaltensnormen und der Nachteiligkeit ihrer Übertretung führt, die wirksam wird, wenn der Einzelne im Begriff ist, eine Handlung vorzunehmen, die mit diesen Normen nicht in Einklang steht.110 Dieser Prozess lässt sich sowohl (eher negativ) als Abschreckung als auch (eher positiv) als Bildung und Festigung eines Rechtsbewusstseins beschreiben, am überzeugendsten dürfte sicherlich die Kombination beider Ansätze sein. Damit wäre zugleich 107  Ausführlich Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 316 ff.; auch Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 651 und Roxin, AT I, § 3 Rn. 31 weisen darauf hin, dass sich das Verständnis der positiven Generalprävention namentlich bei Jakobs als einem ihrer Hauptvertreter der absoluten Straftheorie Hegels angenähert hat. 108  s. zu dieser Unterscheidung Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 648 f. 109  Diese Wirkung lässt sich an der Bestrafung von NS-Gewaltverbrechern exemplifizieren, die heute sozial eingeordnet leben und keine Gefahr mehr darstellen. Roxin, AT I, § 3 Rn. 44 weist zu Recht daraufhin, dass hier eine Bestrafung keineswegs nur durch eine Vergeltungstheorie gerechtfertigt sein könne, sondern dass ein generalpräventives Strafbedürfnis besteht: Die fehlende Ahndung müsste die Geltung des Tötungsverbotes relativieren und damit seine präventive Wirksamkeit beeinträchtigen. 110  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 329. s. auch Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 402: Die Angst vor dem Übel „Strafe“ und die Vorstellung, sich „richtig“ verhalten zu wollen, lassen sich nicht klar auseinanderdividieren; S. 643: „Es geht bei der generalpräventiven Eignung des Strafrechts nicht nur um situationsbezogene Kosten-Nutzen-Entscheidungen, sondern auch um den langfristigen Lerneffekt, dass sich Straftaten auf die Dauer nicht lohnen.“; S. 649.



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen51

der Kritik an einer (zu eng verstandenen) Theorie der (negativen) Generalprävention begegnet, wonach sie die Vielschichtigkeit der Kriminalitätsursachen nicht erfasse. Die Theorie richtet sich dann gewissermaßen sowohl an den „homo sociologicus“, dessen Handeln von internalisierten Werten und Normen der Gesellschaft geleitet wird, als auch an den „homo oeconomicus“, der stets eine Optimierung seiner Bedürfnisbefriedigung anstrebt.111 Eine Erfassung aller denkbaren Motive wäre jedenfalls ein sinnloses, weil unmögliches Unterfangen.112 Auf der anderen Seite ist der drohenden „Verabsolutierung“ der Lehre der positiven Generalprävention Einhalt geboten. In diesem Sinne kann auch der gesetzliche Begriff „Verteidigung der Rechtsordnung“ (§§ 47 I, 56 III, 59 I Nr. 3 StGB) verstanden werden: Die Signalisierung der Geltung der Strafbewehrung bestärkt die abschreckende bzw. wertbildende Funktion der Norm.113 Die Gedanken der negativen und der positiven Generalprävention lassen sich also unter Ausschaltung ihrer jeweiligen (potenziellen) Schwächen zu einer einheitlichen Theorie der Generalprävention zusammenführen.114 d) Die ergänzende, generalpräventive Wirkungsweise der Abschöpfung von Taterträgen Indem in Aussicht gestellt wird, dass sich die Tat in keiner Hinsicht „auszahlen“ wird, dient die Abschöpfung der Taterträge generalpräventiv der Vermeidung von Straftaten und damit dem Schutz der durch die Straftatbestände geschützten Rechtsgüter. Einwenden lässt sich auch nicht, dass die Durchführung der Abschöpfung (ex post) gegenüber ihrer Androhung (ex ante) keine präventive Wirkung mehr haben könne:115 Die Anordnung ist schlicht erforderlich, um zu zeigen, dass die Drohung ernstgemeint war.116 In dieser Weise ergänzt die Abschöpfung der Taterträge also die Strafandrohung und -anordnung. Grundsätzlich kann der Staat – neben der Androhung und Anordnung von Strafe  – auf das Zivilrecht (insbesondere mit dem Recht der unerlaubten zu den Begriffen Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 126. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 331: „Wer diesen Anspruch an eine Präventionslehre stellt, kann das Strafrecht gleich ganz aufgeben.“ 113  Vgl. Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 636 f., 652. 114  Im Folgenden wird daher nur noch der Begriff „Generalprävention“ im Sinne dieses „kombinierten“ Verständnisses verwendet. 115  So aber Faure, in: FS Eser (2005), S. 1311 (1316 f.); Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 133. 116  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 328 (zur parallelen Frage bei der Begründung der staatlichen Strafe). 111  Vgl. 112  s.

52 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Handlung und der Eingriffskondiktion) und das öffentliche Recht (insbesondere mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch) vertrauen, um sicherzustellen, dass sich niemand durch die Erwartung eines „unentziehbaren“ Vermögensvorteils zur Verletzung von Strafgesetzen motivieren lässt. Diesen Regelungsbereichen wohnt damit zumindest auch eine gewisse Präventionsfunktion inne.117 Eigenheiten namentlich des Zivilrechts führen aber zu aus strafrechtlicher Sicht unerwünschten „Präventionslücken“:118 Das ist einerseits der Fall, wenn Anspruchsinhaber ihre Ansprüche gar nicht erst erkennen oder aus bestimmten Gründen auf sie verzichten oder sie verjähren lassen. Andererseits entstehen Lücken dadurch, dass es gar keinen Anspruchsinhaber gibt: Das ist zum einen der Fall bei Tatentgelten, da ein Anspruch des Hingebers nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist, und zum anderen, wenn jemand sich „auf Kosten“ eines überindividuellen Rechtsguts bereichert. Insbesondere in diesen Fällen scheint der Täter also (das strafrechtliche Abschöpfungsrecht hinweggedacht), die Vorteile aus seiner Tat behalten zu dürfen. Dass diese Lücken durch das Recht der Abschöpfung von Taterträgen zu schließen sind, liegt nun nicht  – jedenfalls nicht per se  – an einem „Ordnungsinteresse“, einer „Forderung der elementaren Gerechtigkeit“ oder dem Beweis der „Unverbrüchlichkeit und Gerechtigkeit der Rechtsordnung“, sondern letztlich an der Vervollständigung des angestrebten Rechtsschutzes. Es würde den Schutz der Rechtsgüter der betroffenen Delikte konterkarieren, wenn keine Regelung bestünde, den aus ihnen gezogenen Vorteil abzuschöpfen.119 Die Strafandrohung allein hätte ansonsten keinen ausreichenden, abschreckenden bzw. wertbildenden Effekt mehr.120 In das Leere geht schließlich der Vorwurf gegen eine generalpräventive Begründung der Abschöpfung von Taterträgen, die Androhung der (Netto-)Abschöpfung, im Vermögen des Täters wieder den status quo ante herzustellen, dürfte für sich alleine betrachtet kaum einen Täter von der Tat abhalten.121 Man darf die Maßnahme gerade nicht isoliert, sondern muss sie als Ergänzung der Straf117  s.

bereits unter a). Folgenden bereits Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 12 f. 119  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 356. In diesem Sinne auch Bottke, Assoziationsprävention (1995), S. 293 ff., der die (obligatorische) Entziehung der Tatvorteile als für das Ziel der Prävention unverzichtbares „Minimalgebot zureichender Lästigkeit“ der staatlichen Reaktion auf Straftaten beschreibt, s. auch ders., wistra 1997, 241 (249 f.). Auch KKOWiG / Mitsch, § 29a Rn. 7 spricht sich für eine „rein präventionsgerichtete Zweckbestimmung des Verfalls“ aus. 120  Vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 12. 121  So aber Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 27 im Anschluss an Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 17 (der deswegen die abschreckende Wirkung aber nur „nicht überbewerten“ will); s. auch Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 29. 118  Zum



A. Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen53

androhung betrachten.122 Richtig ist allerdings, dass die Abschreckungswirkung durch die Einführung des Bruttoprinzips noch verstärkt wurde:123 Solange nur die Abschöpfung des Nettogewinns befürchtet werden musste, war die Tat unter finanziellen Gesichtspunkten tatsächlich weitgehend risikolos. e) Legitimität der Verschiebung des Erlangten zum Staat Selbstverständlich bedarf es bei einer derart begründeten Maßnahme zur Entziehung von Vermögensgegenständen auch Regelungen, die ihre Zuweisung betreffen. Wie diese auszusehen haben, insbesondere ob der Staat sich die Gegenstände selbst zuweisen darf, ist auf Grundlage dieser Begründung aber kein spezifisches Problem dieser Maßnahme mehr.124 Sie stellt sich nicht anders dar, als die Frage, was mit den aus Geldstrafe oder -buße gewonnenen Mitteln zu geschehen hat.125 Anders als bei einem Verständnis der Abschöpfung von Taterträgen als Kondiktionsmaßnahme muss das hiesige Verständnis also nicht gesondert begründen, warum der Staat berechtigt sein soll, das Abgeschöpfte in sein Vermögen zu überführen.

III. Ergebnis Zu Recht besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die staatliche Abschöpfung von Taterträgen weder fiskalisch, noch spezialpräventiv sichernd begründet werden kann. Der Annahme einer Ausgleichsfunktion der Maßnahme liegt ein Schluss von der Ausgestaltung auf die Funktion zugrunde, der sich in dieser Form als unhaltbar erwiesen hat. Die angebliche Ausgleichsfunktion löst sich vielmehr auf in die Funktion der „Wiederherstellung der Rechtsordnung“, die wiederum (zusammen mit der Erklärung als „elementare Gerechtigkeitsforderung“) in den Gedanken der Generalprävention aufgeht. Die Verbindung von positiver und negativer Komponente führt zu einer Lehre der Generalprävention, die sich als einzig schlüssiger Rechtsgrund der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen herausgestellt hat: Es geht darum, durch Ergänzung der Strafandrohung generalpräventiv die Begehung von Straftaten zu vermeiden und damit die strafrechtlichen 122  So auch Husberg, Verfall (1999), S. 62; Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 135; vgl. auch Faure, in: FS Eser (2005), S. 1311 (1318): Gewinnabschöpfung als „wichtiges zusätzliches Instrument im Kanon einer effizienten Abschreckungspolitik“. 123  BGHSt 47, 369 (373 f.); Best, JR 2003, 337 (342); Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 29; GJW / Wiedner, § 73 Rn. 9. 124  So auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 356. 125  Vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 359.

54 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Rechtsgüter zu schützen. Eine generalpräventive Wirkung ist damit nicht etwa bloß „auch“ oder „zugleich“ mit einer anderen, vordergründigen Zwecksetzung verwirklicht.126 Auch hat nicht (erst) der Übergang vom Netto- auf das Bruttoprinzip zu einer „Akzentverschiebung“ von einem Ausgleichs- zu einem generalpräventiven Verständnis geführt.127 Weitere Früchte dieser Konkretisierung des Rechtsgrunds der Maßnahme werden sich im weiteren Verlauf der Untersuchung zeigen.

B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen Die Rechtsnatur der strafrechtlichen Eigentumssanktionen ist seit jeher hochgradig umstritten. Auf die Diskussion vor Einführung des Verfalls im Jahre 1975 muss hier nicht näher eingegangen werden.128 Es bietet sich allerdings an, zwischen der ursprünglichen Fassung und der im Jahre 1992 durch die Einführung des Bruttoprinzips reformierten Fassung des Verfalls zu unterscheiden, da die Diskussion um die Rechtsnatur der Maßnahme hierdurch eine deutliche Zäsur erlebt hat. Dementsprechend untergliedert wird wiederum zunächst ein Überblick über die bisherige Diskussion gegeben (dazu I.) und anschließend der eigene Standpunkt entwickelt (dazu II.). Dabei werden auch die Auswirkungen auf Drittbegünstigte berücksichtigt.

I. Überblick über die Diskussion 1. Rechtsnatur nach dem Nettoprinzip Nach Auffassung des (historischen) Gesetzgebers sollte der neu eingeführte Verfall keinen Strafcharakter aufweisen, wie sich formell aus der Systematik (nach § 11 I Nr. 8 StGB ist er eine „Maßnahme“) und materiell u. a. daraus ergibt, dass an eine (nur) rechtswidrige Tat angeknüpft wird.129 126  Nachweise

zu dieser verbreiteten Sicht unter I. zu dieser verbreiteten Sicht unter I. 128  Der heutige Wert dieser Diskussionen ist vor allem deshalb begrenzt, weil noch nicht zwischen „Einziehung“ und „Verfall“ (künftig Einziehung von „Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten“ und von „Taterträgen“) unterschieden wurde, obwohl diese beiden Kategorien aus heutiger Sicht unzweifelhaft getrennt gehören. Ältere Ansichten werden daher nur insoweit erwähnt, wie sich die Auffassungen zur Rechtsnatur des Verfalls in der Fassung von 1975 auf die ältere Diskussion zurückführen lassen. Einen generellen Überblick über die ältere Diskussion liefert Eser, Sanktionen (1969), S. 61 ff.; speziell zur Diskussion über solche Vorschriften, die Konstellationen des heutigen Verfalls bzw. der Einziehung von Taterträgen erfassten, Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 113 ff. 129  Näher zur vorangegangenen, durchaus wechselvollen Entwicklung s. 2. Kap. A. 127  Nachweise



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen55

Verbreitet wurde und wird aus diesen gesetzgeberischen Entscheidungen der Schluss gezogen, dass der Charakterisierung des Verfalls als Strafmaßnahme „vollends der Boden entzogen“ sei und er vielmehr als Maßnahme (eigener Art) anzusehen sei.130 Eine Literaturauffassung hielt dagegen die Rechtsnatur des Verfalls für ambivalent: Wenn der Täter schuldhaft gehandelt habe, trage der Verfall überwiegend Strafcharakter.131 Dieser entfalle jedoch, wenn der Täter nicht schuldhaft gehandelt habe bzw. in den Fällen des § 73 III StGB a. F. Diese Sichtweise lässt sich auf eine Auffassung aus der älteren Diskussion über die noch umfassend verstandene „Einziehung“ zurückführen, wonach der Rechtscharakter der Einziehung davon abhängen sollte, ob ein Tatbeteiligter (dann Strafcharakter) oder ein Dritter (dann Sicherungscharakter) betroffen sei.132 Dieser Auffassung nahe steht die Sichtweise von Eser, der zwischen Entgelt- und Gewinnverfall unterscheidet. Die Strafnatur des Entgeltverfalls ließe sich nicht leugnen, denn die Hauptstrafe müsste ihre Wirkung weitgehend verfehlen, wenn dem Verurteilten die aus seiner Tat gezogenen Vorteile verblieben.133 Das Hauptziel der Entziehung liege darin, die Wirksamkeit der Strafe zu erhöhen, ja den Täter vielleicht erst für die Strafe empfänglich zu machen. Ganz im Sinne der Vertreter der ambivalenten Lösung hält Eser es aber auch für möglich, den Entgeltverfall als „öffentlich-rechtliche Abschöpfungsmaßnahme“ zu sehen, wenn er nicht auf schuldhaft begangene Taten beschränkt werde.134 Bei der Gewinnabschöpfung hingegen sei grundsätzlich von einer „quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“ auszugehen.135 Auch hier hält er es aber für möglich, 130  So LK / Schäfer, 10. Auflage (1985), § 73 Rn. 4; Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 16; Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 21; in der Sache gleichermaßen Dreher, 35. Auflage (1975), § 73 Anm. 1); Lackner, 9. Auflage (1975), § 73 Anm. 1; SK / Schreiber, 1. Auflage (1975), § 73 Rn. 1 f. Auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2007), S. 315 ff., vor allem S. 347 f., 355 f. geht im Ergebnis so vor; ähnlich auch SSW / Burghart, § 73 Rn. 2: „Der Verfall ist nicht Strafe, denn er setzt Schuld nicht voraus“; Weßlau, StV 1991, 226 (231: Verfall setzt Schuldfeststellung nicht voraus, daher strafähnlicher Charakter zu verneinen); trotz Zweifeln letztlich ähnlich Lenz, Verfall (1986), S. 194, 197 f. (Verzicht auf Verschulden „starkes Indiz“ für fehlenden Strafcharakter). 131  Maurach / Gössel / Zipf, AT II, 7. Auflage, § 61 Rn. 15; s. auch Zipf, JuS 1974, 273 (279); in diese Richtung auch Arzt, GS Zipf (1999), 165 (169); Köhler / Beck, JZ 1991, 797 (798). 132  s. dazu Eser, Sanktionen (1969), S. 70 f. (von ihm als „konkret-dualistische“ Konstruktion bezeichnet). 133  Eser, Sanktionen (1969), S. 84, 113, 284; zust. Lenz, Verfall (1986), S. 200 f. 134  Eser, Sanktionen (1969), S. 84 Fn. 104. 135  Eser, Sanktionen (1969), S. 84 f., 120 f., 284 f.

56 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

bei schuldhaft begangener Tat zusätzlich auf „Strafzwecke“ zurückzugreifen.136 Ebenfalls auf die ältere Diskussion zurückführen lässt sich die nur vereinzelt geäußerte Erwägung, den Verfall den Maßregeln der Besserung und Sicherung zuzuordnen.137 2. Rechtsnatur nach dem Bruttoprinzip Mit der Ersetzung des Tatbestandsmerkmals des „Vermögensvorteils“ durch das Tatbestandsmerkmal „etwas“ zum 28.02.1992 wurde auf das sog. Bruttoprinzip übergegangen.138 Nach überwiegender Auffassung in der Literatur ist mit der Einführung des Bruttoprinzips ein „grundlegende[r] Wandel im Rechtscharakter des Verfalls“ eingetreten.139 Wenn sich der Verfall ohne Rücksicht auf gewinnschmälernde Kosten des Betroffenen auf alles aus der Tat Erlangte erstrecke, lasse sich die Sanktion nicht mehr als „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ oder „Maßnahme zur Wiederherstellung des Rechts“ erklären, vielmehr werde dem Betroffenen ein über die Vorteilsabschöpfung hinausgehendes Strafübel auferlegt.140 Gegen einen schuldlos handelnden Täter 136  Eser, Sanktionen (1969), S. 86; s. auch S. 121 („… nicht einmal nur [scil.: aber eben auch!] im Interesse einer Strafergänzung oder -verschärfung“) und S. 284 („… regelmäßig schon aus Strafgründen geboten“); zust. Lenz, Verfall (1986), S. 201. 137  Krey / Dierlamm, JR 1992, 353 (358). Zur Auffassung aus der älteren Diskussion, wonach die (umfassend verstandene) Einziehung ausschließlich als Sicherungsmaßregel zu verstehen sein sollte s. Eser, Sanktionen (1969), S. 65. 138  Näher dazu unter Einleitung A. II. 139  So Eser, in: FS Stree-Wessels (1993), S. 833 (843). 140  Arzt, GS Zipf (1999), S. 165 (169); Bach, wistra 2006, 46 (49); Cramer, wistra 1996, 248 (250); Dannecker, NStZ 2006, 683 (683 f.); Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 28 ff.; Dessecker, Gewinnabschöpfung (1992), S. 362; Drathjer, Abschöpfung (1996), S. 36 ff.; SS / Eser, Vor § 73 Rn. 19; Franzheim, in: FS Gaul (1992), S. 135 (143); Gebauer, ZRP 2016, 101 (103); Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 304 ff.; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 4b; Hellmann, GA 1997, 503 (521 f.); ders. / Beckemper, WiStrR, Rn. 994; Hofmann, wistra 2008, 401 (406); Hoyer, GA 1993, 406 (413 ff.); Jescheck / Weigend, AT, §76 I 5; Kaiser, wistra 2000, 121 (123); Kempf / Schilling, Vermögensabschöpfung, Rn. 85; Keusch, Verfall (2005), S. 51 ff.; Kilchling, wistra 2000, 241 (244); LPK / Kindhäuser, Vor § 73 Rn. 4; LR / Lindemann, Vor § 73 Rn. 4; Meyer, ZRP 1990, 85 (89, Fn. 60); Michalke, money, money, money… (2004), S. 91 (98, 107 f.); KKOWiG / Mitsch, § 29a Rn. 12; Perron, JZ 1993, 918 (919); Pelz, in: FS I. Roxin (2012), 181 (182 f.); Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 53 f.; ders. / Begemeier, GA 2017, 1 (7); NK / Saliger, Vor § 73 Rn. 5, § 73 Rn.  12 ff.; Satzger, wistra 2003, 401 (402); Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 161 ff.; Streng, Sanktionen, Rn. 369; Rotsch / Theile, Compliance, § 38 Rn. 26; Weßlau, StV



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

57

bzw. einen Dritten könne der Verfall auf Grund des Schuldprinzips daher nur in Höhe des Nettobetrages angeordnet werden. Dieses Ergebnis soll entweder durch eine verfassungskonforme, restriktive Auslegung des Verfallstatbestandes oder (bislang) durch eine Anwendung der Härtevorschrift des § 73c I StGB a. F. erreicht werden. Man käme also zu einer „gespaltenen“141 Auslegung des Verfalls. Nach Auffassung des BGH142, des BVerfG143 sowie einem Teil  der Literatur144 hat sich demgegenüber durch die Einführung des Bruttoprinzips keine Änderung der Rechtsnatur des Verfalls ergeben. Auf die sich teilweise deutlich voneinander unterscheidenden Begründungen wird sogleich näher eingegangen.

II. Entwicklung des eigenen Standpunkts Die Diskussion verläuft in zweifelhaften Bahnen. Ein Strafcharakter des Verfalls nach dem Nettoprinzip wird jedenfalls heute nicht mehr ernsthaft angenommen.145 Dafür wurde und wird aber im Wesentlichen nur sehr positivistisch argumentiert. Der vielfach angenommene „Wandel“ in der Rechtsnatur durch Übergang auf das Bruttoprinzip beruht dann auf der Annahme, dass dadurch von einem Verständnis als „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ oder „Maßnahme zur Wiederherstellung des Rechts“ auf ein generalpräventives Verständnis übergegangen worden sei.146 Richtigerweise dient die Abschöpfung der Taterträge aber insgesamt und seit jeher einzig der Ergänzung der „eigentlichen“ Strafe und damit dem gleichen Zweck (Rechts1991, 226 (231); Wittig, WiStrR, § 9 Rn. 3; keine eindeutigen Entscheidungen bei ARR / Achenbach, WiStrR, I 2 Rn. 38 f.; Berg, Beweiserleichterungen (2000), S. 181; Böttger / Brockhaus, WiStrR, Kap. 16 Rn. 9. 141  Vgl. nur Hellmann / Beckemper, WiStrR, Rn. 994; Keusch, Verfall (2005), S. 60. 142  Vor allem BGHSt 47, 369 (370 ff.); siehe aber auch bereits BGHSt 47, 260 (265) und BGH NStZ 1995, 491; NStZ 2001, 312. 143  BVerfGE 110, 1 (13 ff., zur Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls, § 73d StGB a. F.). 144  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 350 ff.; MR / ders., § 73 Rn. 1; Best, JR 2003, 335 (340 f.); SSW / Burghart, § 73 Rn. 4; ders., wistra 2011, 241 (244 ff.); BeckOK / Heuchemer, § 73 Rn. 1.1; Husberg, Verfall (1999), S. 51 ff.; MK / Joecks, Vor § 73 Rn. 28 f., § 73 Rn. 8 ff.; Kracht, wistra 2000, 327 (328 ff.); Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2007), S. 359; LK / Schmidt, § 73 Rn. 12; Tiedemann, WiStrR AT, Rn. 436; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 19 ff.; GJW / Wiedner, § 73 Rn. 9; trotz Zweifeln wohl Meier, Sanktionen, S. 441 f. 145  Mit (partieller) Ausnahme von Eser für den Verfall von Tatentgelten, s. soeben unter I. 1. 146  Nachweise dazu bereits unter A. I.

58 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

güterschutz durch Generalprävention). Die naheliegende Frage, ob die Maßnahme dann nicht selbst Strafcharakter trägt bzw. warum dies gerade nicht der Fall sein soll, müsste also konsequenterweise bereits für die Abschöpfung nach dem Nettoprinzip gestellt werden. Im Vordergrund steht also die generelle Frage, ob und ggf. wie eine qualitative Grenze zwischen Abschöpfung von Taterträgen und Strafe gezogen werden kann. 1. Grundlegung: Begriff der staatlichen „Strafe“ Dazu muss man sich Klarheit darüber verschaffen, wie der besondere Eingriff „Strafe“ überhaupt von anderen, staatlichen Maßnahmen abzugrenzen ist. Konkret geht es darum, ob und ggf. wie Maßnahmen als „Strafe“ einzuordnen sind, die der Staat selbst nicht als solche charakterisiert hat. Man spricht insofern üblicherweise von „strafähnlichen“ Maßnahmen.147 Die Notwendigkeit einer solchen Kategorie von Maßnahmen ergibt sich unmittelbar aus dem Verfassungsrecht: Die Geltungsreichweite bestimmter, für „Strafen“ geltender, verfassungsrechtlicher Maßgaben148 kann nicht der Bestimmung des Gesetzgebers unterliegen.149 Daher muss bereits an dieser Stelle die positivistische Auffassung, durch die gesetzgeberische Ausgestaltung des Verfalls sei einer Charakterisierung des Instituts als Strafe „vollends der Boden entzogen“,150 klar zurückgewiesen werden.151 Die Bestimmung maßgeblicher Kriterien für das Vorliegen einer „strafähnlichen“ Maßnahme bereitet dann allerdings große Schwierigkeiten. Das lässt sich im Wesentlichen auf zwei häufig verkannte Grundlagenprobleme zurückführen. 147  BVerfGE 110, 1 (15); BGHSt 47, 369 (373); s. etwa auch SS / Eser, Vor § 73 Rn. 19; MK / Joecks, Vor § 73 Rn. 28; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 4b; AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 4; GJW / Wiedner, § 73 Rn. 9. Entgegen Wolters, Neufassung (1995), S. 55 f.; zust. Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 26, ist der Begriff der „strafähnlichen“ Maßnahme in diesem Sinne nicht „verharmlosend“. 148  Zu denken ist insbesondere an: Das Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 II GG); das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 III GG); das Schuldprinzip (soll aus der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen [Art. 1 I, 2 I GG] und dem Rechtsstaatsprinzip [Art. 20 III GG] folgen, s. nur BVerfGE 110, 1 [13]); die Unschuldsvermutung (Art. 6 II EMRK, soll zudem aus dem Rechtsstaatsprinzip [Art. 20 III GG] folgen, s. nur BVerfGE 74, 358 [371]) und den Richtervorbehalt nach Art. 92 GG (soll für die „Kriminalstrafe“ gelten, s. BVerfGE 8, 197 [207]; 22, 49 [77 ff.]). Hinzu kommt der Begriff des „Strafrechts“ i. S. d. Kompetenztitels in Art. 74 I Nr. 1 GG. 149  So auch Best, JR 2003, 337 (339); Wolters, Neufassung (1995), S. 54 f.; SK / Wolters, § 73 Rn. 3. 150  Nachweise unter I. 1. 151  Diese formale Sichtweise antwortet jedenfalls nicht auf die hier aufgeworfene Frage; so auch Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 145.



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen59

a) Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den Verfassungsmaßgaben Das erste Problem ist, dass der Begriff der „Strafe“ für die genannten, verfassungsrechtlichen Maßgaben richtigerweise differenziert diskutiert und ggf. auch entschieden werden muss.152 Wie eng bzw. weit der Anknüpfungsbegriff jeweils verstanden werden muss, hängt nämlich entscheidend davon ab, welchen Zweck man der untersuchten Maßgabe beimisst. So erfordert etwa ein Verständnis des Richtervorbehalts (Art. 92 GG), wonach die Verhängung von „Kriminalstrafe“ dem Richter vorbehalten ist,153 einen engen Anknüpfungsbegriff und eine materielle Abgrenzung von „Kriminalstrafe“ und „Verwaltungsunrecht“, derer es für die anderen verfassungsrechtlichen Maßgaben jedenfalls nicht zwingend bedarf.154 Auf der anderen Seite kann man etwa die Unschuldsvermutung dahingehend verstehen, dass sie auch „strafähnliche Diskriminierungen“ (z. B. vorweggenommene Schuldfeststellungen, Verdachtsäußerungen im freisprechenden Urteil) erfasst und sich um einen entsprechend weiten Anknüpfungsbegriff bemühen.155 Dass sich dieser Begriff aber nicht zu einem Verständnis von „Strafe“ schlechthin verallgemeinern ließe, zeigt allein das „Absehen von Strafe“ nach § 60 StGB: Sicherlich spricht einiges dafür, dass ein isolierter Schuldspruch ohne gesetzlichen Nachweis der Schuld die Unschuldsvermutung verletzen würde. Daraus aber abzuleiten, schon in der (angeblichen) Missbilligung durch den Schuldspruch liege im generellen Sinne eine Strafe,156 verstößt bereits ersichtlich gegen den Wortlaut des § 60 152  Dazu eingehend Appel, Verfassung (1998), S. 160 ff., 210 ff.; Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 141 ff. und Greco, Strafprozesstheorie (2015), S. 640 f., der treffend von einer „Vielzahl sektorieller […] Diskussionen“ spricht, deren Verhältnis zueinander wenig geklärt sei; s. auch Best, JR 2003, 337 (339). 153  So grundlegend BVerfGE 22, 49 (77 ff.). 154  Vgl. Appel, Verfassung (1998), S. 162. 155  So grundlegend Kühl, Unschuldsvermutung (1983), S. 14 ff.; zu den vielgestaltigen, unter dem Begriff der Unschuldsvermutung diskutierten Aspekten Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 107 ff., zum hier angesprochenen Aspekt S. 125 ff.; Frister, Schuldprinzip (1988), S. 69 ff., 84 ff., zum hier angesprochenen Aspekt S. 89 ff. 156  So aber Kühl, Unschuldsvermutung (1983), S. 18, anknüpfend u. a. an Maiwald, ZStW 83 (1971), 663 (669), der den isolierten Schuldspruch als „besonders milde[…] ‚Strafe‘ [,] die nur im gerichtlichen Ausspruch der Mißbilligung besteht“ bezeichnet hatte; Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 153 f. Besonders deutlich und generell (aber auch gestützt auf § 60 StGB) Lagodny, Schranken (1996), S. 98 ff., der den „Vorwurf“ als das „allgemeine Sanktionsmittel“ (S. 111) charakterisiert, zu dem die Zufügung eines materiellen Übels nur hinzutreten könne; zust. Stächelin, Strafgesetzgebung (1998), S. 112 ff. Zur Tragfähigkeit des damit angesprochenen

60 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

StGB, der ein „Absehen von Strafe“ regelt, wenn die „Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre“.157 Das ist auch nicht erforderlich, denn Rechtsschutz gegen einen isolierten (als unberechtigt empfundenen) Schuldspruch vermittelt die Unschuldsvermutung selbst.158 Verkannt wird hier, dass die Unschuldsvermutung richtigerweise schon im Vorfeld der Strafe (nämlich bei einer ihrer Voraussetzungen, der Schuldfeststellung) ansetzt.159 Aufgrund dieses Stufenverhältnisses zwischen Schuldfeststellung und Strafe kann es nur zu Widersprüchen führen, wenn man versucht, aus Erkenntnissen zur Reichweite der Unschuldsvermutung auf die Reichweite des „Strafbegriffs“ im Sinne der anderen Verfassungsmaßgaben zu schließen.160 Festzuhalten ist damit jedenfalls, dass die Suche nach einem Begriff der „Strafe“ bzw. „strafähnlichen“ Maßnahme schon im Ansatz verfehlt ist. b) Unzulässigkeit von Kriterien, die der Bestimmung des Gesetzgebers unterliegen Das zweite Grundproblem liegt in der verbreiteten Missachtung eines eigentlich auf der Hand liegenden Gedankens: Wenn das Ziel der Opera­ tion  – Identifizierung von Maßnahmen als „Strafe“ bzw. „strafähnlich“, die der Gesetzgeber selbst gerade nicht als solche charakterisiert hat – nicht von Kriteriums des „sozialethischen Unwerturteils“ noch sogleich unter b). Appel, Verfassung (1998), S. 221 f., 240 ff., 425 f., 482 ff. kritisiert zwar scharf die Anlegung des Maßstabs der „Sozialethik“, hält aber im Kern ebenso (und gleichermaßen unter Bezug auf § 60 StGB, S. 471, 502 f.) den „Vorhalt einer defizitären Einstellung zur Norm“ für die „Primärsanktion“ (S. 466 ff., 492 f., 496) und die Verhängung von Freiheits- oder Geldstrafe nur für die „Sekundärsanktion“. 157  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 312 f. 158  Eine Verletzung der Unschuldsvermutung kann nach BVerfGE 74, 358 (Tenor) unter Berufung auf Art. 2 I GG i. V. m. Art. 20 III GG mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden. Das wird übersehen, wenn versucht wird, den „Vorwurf“ bzw. „Vorhalt“ als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) zu charakterisieren (so Appel, Verfassung [1998], S. 492 f., 574 ff.; Lagodny, Schranken [1996], S. 115 ff.; Stächelin, Strafgesetzgebung [1998], S. 112 ff.), zumal dann der „strafspezifische“ Charakter dieses Eingriffs unklar bleibt (vgl. Frister, Schuldprinzip [1988], S. 26 f., 75 f., 91). 159  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 312 f. 160  Das zeigt sich etwa bei Appel, Verfassung (1998), S. 499 f., 538 f., der dieses Stufenverhältnis grundsätzlich erkennt und deshalb nach seiner Konzeption gezwungen ist, Schuldspruch und Ausspruch der „Primärsanktion“ („Vorhalt der defizitären Einstellung zur Norm“) voneinander zu trennen. Wie sich aber der Vorhalt einer defizitären Einstellung von der Schuldfeststellung unterscheiden soll bleibt ebenso offen wie die Frage, wo sich die „Primärsanktion“ im Tenor (aus dem sich die Verknüpfung von Primär- und Sekundärsanktion entnehmen lassen soll, S. 501) findet; vgl. dazu Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 312 Fn. 143.



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen61

vornherein unerreichbar sein soll, darf dabei nicht an Kriterien angeknüpft werden, die letztlich doch wieder der Bestimmung des Gesetzgebers unterliegen. aa) Das „sozialethische Unwerturteil“ bei BGH und BVerfG Insbesondere die grundlegenden Entscheidungen von BGH161 und BVerfG162 zur Rechtsnatur des Verfalls nehmen hierauf nicht genügend Rücksicht. Beide Gerichte messen der konkreten Ausgestaltung des Verfalls durch den Gesetzgeber und den damit verfolgten Vorstellungen hohes Gewicht bei. So hält der BGH den Verzicht auf eine schuldhafte Tat, die Erstreckung auf Dritte durch § 73 III StGB a. F. und die systematische Stellung in einem eigenen Titel für bedeutsam hinsichtlich der dogmatischen Einordnung.163 Auch das BVerfG verweist auf die gesetzgeberische Systematik und resümiert, dass diese „gegen einen strafenden oder strafähnlichen Charakter“ (des § 73d StGB a. F.) spräche.164 Insoweit bewegen sich die Gerichte in der Nähe der Literatureinschätzungen, die aus der Gesetzgebungsgeschichte den Schluss gezogen hatten, der Charakterisierung des Verfalls als Strafmaßnahme sei „vollends der Boden entzogen“.165 Die Gerichte bleiben bei dieser formalen Betrachtung jedoch (zumindest scheinbar) nicht stehen. Als Kern ihrer jeweiligen Argumentation gegen einen Strafcharakter des Verfalls erweist sich das bei BGH und BVerfG ähnliche Verständnis davon, was den Begriff der staatlichen Strafe ausmachen soll. Der BGH formuliert allgemein:166 „Eine Strafe, für die das Schuldprinzip gilt, ist im Gegensatz zu einer reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, daß sie – wenn nicht ausschließlich, so doch auch – auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein rechtswidriges sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen; das setzt die Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit voraus.“

Zum Verfall heißt es:167 „Um Repression oder Vergeltung geht es dabei nicht. Weil der Verfall keine schuldbezogene individuelle Vorwerfbarkeit voraussetzt, kann und soll er nicht dem (individuellen) Schuldausgleich dienen.“ 161  BGHSt

47, 369 (zum Verfall nach dem Bruttoprinzip). 110, 1 (zum erweiterten Verfall [§ 73d StGB a. F.]). 163  BGHSt 47, 369 (373). 164  BVerfGE 110, 1 (15). 165  Nachweise unter I. 1. 166  BGHSt 47, 369 (375 f.). 167  BGHSt 47, 369 (375). 162  BVerfGE

62 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Das BVerfG formuliert allgemein:168 „Strafe ist die Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat. Sie ist  – neben ihrer Aufgabe abzuschrecken und zu resozialisieren – eine angemessene Antwort auf strafrechtlich verbotenes Verhalten […]. Mit der Strafe wird ein rechtswidriges sozial-ethisches Fehlverhalten vergolten. Das dem Täter auferlegte Strafübel soll den schuldhaften Normverstoß ausgleichen; es ist Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit […].“

Bei der Beurteilung des pönalen Charakters „strafähnlicher“ Maßnahmen seien neben einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen weitere, wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der „Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck“.169 Auch hier ist die Formulierung des Ergebnisses zum Verfall erhellend:170 „[Die…] Auslegung ergibt, dass die […] Entziehung deliktisch erlangter Vermögensvorteile nicht bezweckt, dem Betroffenen die Begehung der Herkunftstat als Fehlverhalten vorzuwerfen und ihm deswegen vergeltend ein Übel zuzufügen.“

Die Problematik dieser Vorgehensweisen liegt darin, dass das Aussprechen eines „sozialethischen Unwerturteils“ durch den Gesetzgeber zur Voraussetzung des Vorliegens einer Strafe bzw. strafähnlichen Maßnahme gemacht wird. Wenn man den Begriff der Strafe so bestimmt, wird dem Gesetzgeber aber (immer noch) weitestgehend die Definitionsmacht darüber eingeräumt, ob eine Maßnahme „Strafe“ ist oder nicht.171 Denn der Gesetzgeber kann hiernach  – durch die Bezeichnung, systematische Stellung und den Verzicht auf straftypische Erfordernisse wie Schuld  – zum Ausdruck bringen, dass diese Maßnahme dem Betroffenen gerade keine Vergeltung für ein Fehlverhalten zufügen, also kein „sozialethisches Unwerturteil“ enthalten soll.172 Die Argumentation verweist also letztlich nur auf die gesetzgeberische Ausgestaltung zurück.173 168  BVerfGE

110, 1 (13, nur um Nachweise gekürzt). 110, 1 (14). 170  BVerfGE 110, 1 (14). 171  So insbesondere Wolters, Neufassung (1995), S. 60 f.; in diesem Sinne auch Hofmann, wistra 2008, 401 (406); Hoyer, GA 1993, 406 (416 f.); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 32 f. Anders Best, JR 2003, 335 (339 f.). 172  Umgekehrt ließe sich sagen: Wenn er ein „sozialethisches Unwerturteil“ aussprechen wolle, würde er (selbstverständlich!) Schuld voraussetzen, die Maßnahme als Strafe bezeichnen und entsprechend systematisch einordnen. 173  Am deutlichsten wird das im zweiten Satz des obigen BGH-Zitats („Weil der Verfall keine schuldbezogene […] Vorwerfbarkeit voraussetzt, kann und soll er nicht dem […] Schuldausgleich dienen.“), BGHSt 47, 369 (375). Sehr deutlich wird der Gleichlauf der Kriterien „einfachgesetzliche Ausgestaltung“ und „sozialethisches Unwerturteil“ auch bei Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 347 ff.: „Strafe“ sei der Verfall nicht, weil der Gesetzgeber ihn nicht als Strafe ausgestaltet habe (S. 347 f.). „Strafähnliche“ Maßnahme sei der Verfall nicht, weil die gesetzgeberi169  BVerfGE



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen63

Daher ist den vielfachen Äußerungen in der Literatur zuzustimmen, die die Argumentation von BGH und BVerfG scharf als zirkelschlüssig zurückweisen:174 Sie verfahre nach dem Motto, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf“.175 Auf den Punkt gebracht lautet der zutreffende Vorwurf gegen die beiden Gerichte, dass Begriff und Legitimationsvoraussetzungen der Strafe miteinander vermengt werden.176 Es ist schlicht widersprüchlich, wenn Strafe gleichzeitig bereits begrifflich die „Auferlegung eines Rechtsnachteils wegen einer schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat“ sein soll, dann aber das Schuldprinzip die „strafende oder strafähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des Täters [ausschließen]“ soll:177 Wenn man Strafe in diesem Sinne als schuldvergeltende Sanktion versteht, wird es bereits begrifflich unmöglich, von der Bestrafung eines Unschuldigen zu sprechen.178 bb) Möglichkeit einer anderen Bestimmung dieses Kriteriums? Das Verständnis, wonach die staatliche Strafe durch das Kriterium des (sozialethischen) Unwerturteils, der Missbilligung bzw. der diskriminierensche Zielsetzung keine sozialethische Missbilligung erkennen lasse (S. 355 f.). In diese Richtung auch Weßlau, StV 1991, 226 (231). 174  Berg, Beweiserleichterungen (2000), S. 147 ff.; Best, JR 2003, 335 (339); Drathjer, Abschöpfung (1996), S. 39; SS / Eser, § 73 Rn. 19; Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 307; Hofmann, wistra 2008, 401 (405); Hohn, wistra 2003, 321 (325); Hoyer, GA 1993, 406 (413); Keusch, Verfall (2005), S. 45 f.; Kempf / Schilling, Vermögensabschöpfung, Rn. 85; Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (107); Ordner, Informalisierung (2017), S. 98; Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 168; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 27; Wolters, Neufassung (1995), S. 54 f., 56 f. 175  So bereits Eser, Sanktionen (1969), S. 231. 176  Näher dazu Greco, Strafprozesstheorie (2015), S. 643 f., dem auch darin zuzustimmen ist, dass das Abstellen auf eine generalpräventive, insbesondere abschreckende Zwecksetzung einer Maßnahme zur Bestimmung ihres Strafcharakters [s.  dazu bereits A. II. 5. a)] auf dem gleichen Fehler beruht; jeweils zust. auch Ordner, Informalisierung (2017), S. 98. Die häufige Vermengung von Begriff und Zweck der Strafe wird auch bemängelt von Best, JR 2003, 337 (339) und Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 138 ff. Wie hier auch zunächst entschieden Appel, Verfassung (1998), S. 31 ff., 225 ff., 499, dessen eigene Konzeption aber letztlich, indem er nur das sozialethische Unwerturteil durch den „Vorhalt der defizitären Einstellung zur Norm“ ersetzt (s. insbes. S. 503), auf denselben Zirkelschluss hinauslaufen dürfte. Zirkelschlüssig i. E. auch SK / Wolters, § 73 Rn. 5: Beim Verfall handele es sich schon deswegen nicht um Strafe oder strafähnliche Maßnahme, weil „dem Schuldgrundsatz […] eine Bestrafung von Kollektiven fremd ist.“ 177  So aber in aufeinanderfolgenden Absätzen BVerfGE 110, 1 (13, Hervorhebungen durch den Verfasser). Auch in der Charakterisierung der Strafe als „angemessene“ Reaktion auf strafrechtlich verbotenes Verhalten, ebenfalls BVerfGE 110, 1 (13, bereits oben zitiert), zeigt sich deutlich dieser methodische Fehler. 178  Greco, Strafprozesstheorie (2015), S. 644.

64 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

den Wirkung zu charakterisieren sei, ist auch in der Literatur weit verbreitet.179 Als ein prominenter Vertreter dieser Lehre hat Kühl das soeben erörterte Problem dieses Kriteriums durchaus erkannt.180 Zur Lösung möchte er auf die faktische, (sozialethisch) diskriminierende Wirkung einer Maßnahme abstellen.181 Dadurch verschwimmen aber die Grenzen der staatlichen „Strafe“ in beide Richtungen: Wie verhält es sich einerseits mit Sanktionen wie den Maßregeln der Besserung und Sicherung, die faktisch teilweise als sozialethisch diskriminierend (fehl)verstanden werden?182 Und wie mit tatsächlich sozialethisch diskriminierend gemeinten, anderen staatlichen Maßnahmen (z. B. behördliche Warnung vor Sekten,183 verwaltungsrechtliche Feststellung der Unzuverlässigkeit184)? Andererseits: Was gilt bei „Straftaten“, bei denen selbst die Kriminalstrafe keine messbare soziale Deklassierung herbeiführt (etwa Kavaliersdelikte)?185 Bereits das zeigt:186 Mit dem Kriterium des sozialethischen Unwerturteils bzw. der sozialethisch diskriminierenden Wirkung wird eine (nur) typische, mittelbare Wirkung der Strafe in der Außenwelt zu ihrer Voraussetzung, ja häufig sogar zu ihrem wesentlichen Charakteristikum, gemacht. Das stellt die Dinge auf den Kopf,187 erweist sich als zur Abgrenzung untauglich und verschleiert damit letztlich nur, worauf es wirklich ankommt.

179  Zahlreiche Nachweise etwa bei Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 311 Fn. 140; Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 157 Fn. 723; Kühl, Unschuldsvermutung (1983), S. 14 f.; Wolters, Neufassung (1995), S. 61. Zur Auffassung, in der Missbilligung liege sogar die primäre Sanktion, s. bereits unter a). 180  Kühl, Unschuldsvermutung (1983), S. 15: „Läge es freilich in der Hand des Gesetzgebers, diese Zweckrichtung [scil.: sozialethische Missbilligung] seinen Reaktionen beliebig zuzuschreiben, so hätte er es auch in der Hand, den Geltungsbereich der Unschuldsvermutung auf die Maßnahmen zu begrenzen, die er  – technisch  – ‚Strafe‘ nennt.“ 181  Kühl, Unschuldsvermutung (1983), S. 15 f. 182  Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 157 f. 183  Greco, GA 2015, 503 (510). 184  Appel, Verfassung (1998), S. 483 f. 185  Hoyer, GA 1993, 406 (416); daran anschließend Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 157; Wolters, Neufassung (1995), S. 61 f.; anders Frister, Schuldprinzip (1988), S. 26. 186  Vgl. die weiterreichende Kritik von Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S.  312 ff. 187  Das zeigt sich besonders anschaulich daran, was diese Vorstellung aus § 60 StGB macht, s. unter a).



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen65

c) Schlussfolgerung: Formulierung einer „Grunddefinition“ Angesichts der verbleibenden und hier nicht auflösbaren Unklarheiten wird die Untersuchung im Folgenden von einer „Grunddefinition“ ausgehen, die den grundlegenden Begriff der „Strafe“ bzw. „strafähnlichen“ Maßnahme im Sinne der einschlägigen Verfassungsbestimmungen (unter Ausnahme der vorgeschaltet zu verstehenden Unschuldsvermutung) konkretisiert. Offen bleiben kann für die Zwecke dieser Untersuchung, ob und ggf. wie diese Definition für einen Teil  dieser Bestimmungen weiter verengt (insbesondere auf einen wie auch immer zu bestimmenden Bereich des „Kriminalstrafrechts“) werden muss und kann. Hiervon ausgehend lässt sich formulieren: „Strafe“ bzw. eine „strafähnliche Maßnahme“ liegt vor, wenn der Staat einen materiellen Nachteil (= „Übel“) als Reaktion auf ein (angenommenes) Fehlverhalten verhängt.188 2. Rechtsnatur nach dem Nettoprinzip Auf dieser Grundlage kann nun die Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen nach dem Nettoprinzip, also des Verfalls in seiner ursprünglichen Fassung, bestimmt werden. a) „Strafähnliche“ Maßnahme? Unter Zugrundelegung der soeben entwickelten „Grunddefinition“ ist zu untersuchen, ob die Abschöpfung des Tatertrags nach dem Nettoprinzip eine staatliche Übelszufügung als Reaktion auf ein Fehlverhalten darstellt. Nach den Ausführungen zu ihrem Rechtsgrund ist die Abschöpfung der Taterträge Teil der staatlichen Reaktion auf Fehlverhalten. Außerdem scheint sie auch ein „Übel“ für den Betroffenen zu bereiten. Unterstellt man an dieser Stelle, das die Abschöpfung stets einen Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 14 I GG darstellt189 und legt man eine grundrechtsakzessorische Betrachtung zugrunde, wonach ein „Übel“ in jedem staat­ 188  Vgl. Frister, Schuldprinzip (1988), S. 16, 24. In diesem Sinne grundsätzlich auch Greco, Strafprozesstheorie (2015), S. 642 ff.; ders., GA 2015, 503 (509 ff.). Näher zum Begriff des Nachteils bzw. Übels sogleich unter 2. a). Der reaktive Charakter der Maßnahme grenzt die „Strafe“ insbesondere ab von der Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO, sie dient der Sicherstellung, dass die Reaktion verhängt werden kann) und der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB, für sie ist das vergangene Fehlverhalten nur Anlass). 189  Näher dazu C. I.

66 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

lichen Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts des Betroffenen zu sehen ist,190 wäre das Vorliegen eines Übels zu bejahen. Dann wäre also bereits der Verfall nach dem Nettoprinzip eine Strafe bzw. ein Teil  der Strafe. Diesem Verständnis entspricht immerhin, dass bis zur Einführung des Verfalls als allgemeines Rechtsinstitut im Jahre 1975 die Abschöpfung der Taterträge über die Bemessung der Geldstrafe vorgenommen worden war: Der 1923 eingeführte § 27c II RStGB sah vor, dass die Geldstrafe „das Entgelt, das der Täter für die Tat empfangen, und den Gewinn, den er daraus gezogen hat, übersteigen [solle]“ und dazu das gesetzliche Höchstmaß überschritten werden könne.191 Auch im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des Verfalls war zunächst noch die Auffassung verbreitet, dass die Maßnahme Strafcharakter aufweise.192 Dazu passen auch die Überlegungen von Eser, der in dem Gedanken, der Verfall mache den Täter für die Strafe erst empfänglich,193 der auch aus hiesiger Sicht in der Sache durchaus zutrifft,194 einen (gewissen) Strafcharakter des (Entgelt-, aber potenziell auch des Gewinn-)Verfalls erkannt haben wollte. Der Grund dafür, dass dennoch heute im Ergebnis weitestgehend ein Strafcharakter des Verfalls nach dem Nettoprinzip nicht mehr angenommen wird, liegt wie gesagt in dem verbreiteten Verständnis des (Netto-)Verfalls als (bloße) „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ oder „Maßnahme zur Wiederherstellung des Rechts“. Die hiesige Zurückweisung dieser Sichtweisen bei der Diskussion des Rechtsgrunds bedeutet aber nicht, dass in ihnen nicht ein wahrer Gedanke steckt, der richtig justiert an dieser Stelle zu verwerten ist: Während zwar eine Argumentation mit einem parallelen Zweck der Institute („Solange der Verfall seine Ausgleichsfunktion wahrt, kann er keine Strafe sein“)195 richtigerweise nicht trägt, könnte die Parallele in der Wirkung, nämlich, dass der Betroffene nur im zivilrechtlichen Sinne „entreichert“ wird, herangezogen werden.196 Im Sinne der „Wiederherstellung des Rechts“ formuliert: Wenn dem Betroffenen nur genommen 190  In diese Richtung etwa Frister, Schuldprinzip (1988), S. 16; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 353 f.; Wolters, Neufassung (1995), S. 58. 191  Dazu noch 2.  Kap. A. I. 3. 192  Näher dazu 2.  Kap. A. II. 193  Eser, Sanktionen (1969), S. 84 ff., 113, 284. 194  Denn darin kann eine Umschreibung der generalpräventiv erforderlichen Ergänzung der Strafandrohung durch die Abschöpfung der Taterträge gesehen werden, vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 12. 195  In diesem Sinne aber Kracht, wistra 2000, 326 (329); Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 157 f.; Wolters, Neufassung (1995), S. 58 f., 63, 122, 162; ähnlich BeckOK / Heuchemer, § 73 Rn. 1.1; wohl auch Berg, Beweiserleichterungen (2001), S. 179. 196  So besonders deutlich Hoyer, GA 1993, 406 (414).



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

67

wird, was er aufgrund einer Straftat erlangt hat, dann wird (nur) der „status quo ante“ wiederhergestellt.197 Die als Reaktion auf ein Fehlverhalten zugefügten Nachteile würden also abgeschichtet: Ein (Straf-)„Übel“ stellte für den Betroffenen erst jeder weitere Nachteil dar, der über die Abschöpfung des aus der Tat Erlangten hinausgeht.198 Gegen eine solche Einschränkung des „Übels“-Kriteriums ist nichts grundlegend zu erinnern.199 Diese Sichtweise ist auch überzeugender als die hier als Ausgangspunkt gewählte, grundrechtsakzessorische Betrachtung: Dass, was hier unterstellt wurde, der Gedanke einer geringen Schutzwürdigkeit deliktisch erlangten Vermögens grundrechtsdogmatisch erst auf Schrankenebene als Korrektiv zu einem weit zu verstehenden Schutzbereich Bedeutung erlangt, lässt keine Schlussfolgerungen dahingehend zu, welche Bedeutung diesem Umstand bei der vorliegenden Fragestellung zukommen sollte. Die Lage stellt sich damit wie folgt dar: Der Gesetzgeber kann, wie er es etwa bis 1975 getan hat, durchaus schlüssig die Abschöpfung der Taterträge durch die Bemessung der Strafe betreiben.200 Er kann aber auch, wie er es mit der Einführung des Verfalls getan hat, die (bloße) Abschöpfung der Taterträge aus der Strafe „herauslösen“, also eine Qualitätsgrenze zwischen Rückversetzung in den Zustand vor der Tat und Zufügung zusätzlicher Nachteile vorsehen. Tut er dies, dann stellt nur noch die Zufügung der zusätzlichen Nachteile zwingend Strafe dar. In diesem Sinne ist die Abschöpfung der Taterträge jedenfalls nach dem Nettoprinzip also mangels „Übels“ keine „Strafe“ bzw. „strafähnliche“ Maßnahme. 197  Wiederum insbesondere Hoyer, GA 1993, 406 (414); s. auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 349; Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 26; Eberbach, NStZ 1987, 486 (490); Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 229 f.; Güntert, Gewinn­ abschöpfung (1983), S. 16; Keusch, Verfall (2005), S. 42; Weßlau, StV 1991, 226 (231 f.). 198  So bereits Koffka, Niederschriften Band  3, S. 280: „Durch den Vollzug der Strafe muß der Täter schlechter als vor der Tat stehen, nur dann ist das Übel eine Strafe.“ Deutlich auch Bottke, wistra 1997, 241 (249 f., s. das Schaubild in Fn. 77); ders., Assoziationsprävention (1995), S. 11 ff., 90 ff., 293 ff., der die staatlichen Reaktionen auf Straftaten in vorteilskondiktive (Verfall) und kostenproduktive (Strafen, Maßregeln der Besserung und Sicherung und Maßnahmen der Restitution, vgl. etwa § 46a StGB) Maßnahmen einteilt. Im Anschluss an ihn Best, JR 2003, 337 (340); Husberg, Verfall (1999), S. 49 ff. In diesem Sinne spricht auch Geiger, Rechtsnatur (2006), S. 230 von einem Unterschied zwischen „Gleichstellung“ und „Schlechterstellung“. 199  Man muss nur bereit sein, sie auch konsequent zu verfolgen. Wozu das beim Bruttoprinzip führt, dazu sogleich unter 3. 200  Wie bereits gesehen, verfolgt er im Ordnungswidrigkeitsrecht diesen Ansatz sogar immer noch: In § 17 IV OWiG findet sich der Regelungsgehalt des früheren § 27c II RStGB exakt wieder.

68 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

b) Maßnahme eigener Art? Die Abschöpfung der Taterträge nach dem Nettoprinzip entzieht sich also den herkömmlichen, strafrechtlichen Kategorien. Mangels spezialpräventiver Zwecksetzung kann sie nämlich auch nicht den Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) zugeordnet werden.201 Daher muss sie als „Maßnahme eigener Art“ eingeordnet werden. 3. Rechtsnatur nach dem Bruttoprinzip Nun kann untersucht werden, ob die Einführung des Bruttoprinzips tatsächlich zu dem verbreitet behaupteten „grundlegenden Wandel im Rechtscharakter des Verfalls“202 geführt hat. Jedenfalls ist festzuhalten, dass an das Kriterium des „sozialethischen Unwerturteils“ insofern nicht angeknüpft werden sollte.203 Von vornherein verfehlt ist auch, aus den teilweise als krass empfundenen Ergebnissen des Bruttoprinzips seinen Strafcharakter herzuleiten.204 Anhand der Schwere des Übels kann man die Abgrenzung nicht vornehmen,205 es handelt sich vielmehr um Fragen der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall, die hier falsch verortet sind. Stattdessen ist zu prüfen, ob bzw. inwieweit nach den soeben für die ursprüngliche Fassung des Verfalls angelegten Maßstäben auch für die Abschöpfung der Taterträge nach dem Bruttoprinzip noch gilt, dass sie kein „Übel“ zufügt. Das heißt: Kann die Maßnahme noch mit einer bloßen „Entreicherung“ bzw. einer bloßen Wiederherstellung des „status quo ante“ er201  s.

zur Spezialprävention bereits A. II. 2. in: FS Stree-Wessels (1993), S. 833 (843). 203  Das (angebliche) Fehlen eines solchen Unwerturteils halten aber neben BGH und BVerfG für entscheidend MK / Joecks, Vor § 73 Rn. 28 f., § 73 Rn. 15; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 347 ff.; Weßlau, StV 1991, 226 (231). Im Gegensatz dazu halten Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 30 und Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 167 die Änderung der Risikozuweisung durch das Bruttoprinzip gerade nur mit einem sozialethischen Vorwurf für erklärbar. 204  So aber Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 47 („Allein [eine Einschränkung des Bruttoprinzips] verhindert aber revisionsrechtlich schwer zu kontrollierende Härten und letztlich, dass der Verfall Strafcharakter annimmt.“), Rn. 381 ([nach Erörterung eines Beispiels]: „Der Strafcharakter der Maßnahme ist hier offensichtlich“). Vgl. auch Böttger / Brockhaus, WiStrR, Kap. 16 Rn. 9; Kempf / Schilling, Vermögensabschöpfung, Rn. 87; Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (107); NK / Saliger, Vor § 73 Rn. 5, § 73 Rn. 13. 205  Vgl. Greco, Strafprozesstheorie (2015), S. 688 [zust. Ordner, Informalisierung (2017), S. 99]: „Wer dies [so] sieht, muss auch hohe Geldbußen zu Strafen erklären.“ 202  Eser,



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klärt werden? Auf den ersten Blick scheint das nicht der Fall zu sein, da dem Betroffenen nun mehr abgenommen werden kann, als er „unter dem Strich“ durch die Tat gewonnen hat. Man muss allerdings genauer hinsehen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden im Folgenden die beiden angesprochenen Begründungslinien nacheinander untersucht. a) Mehr als „Entreicherung“? Der Grundsatz, dass der Bereicherungsschuldner im Ergebnis nicht mehr herausgeben muss, als er „unter dem Strich“ erlangt hat, ergibt sich aus § 818 III BGB. Danach ist die Verpflichtung zur Herausgabe ausgeschlossen, soweit der Empfänger „nicht mehr bereichert“ ist.206 Die §§ 818 IV, 819 BGB sehen für den verklagten bzw. bösgläubigen Bereicherungsschuldner aber eine Haftungsverschärfung vor. Das BVerfG führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass das Gesetz mit § 818 III BGB allein den gutgläubigen Bereicherungsschuldner vor Vermögenseinbußen schütze, während es durch die §§ 818 IV, 819 BGB dem Bösgläubigen wirtschaftliche Verlustrisiken zuweise.207 Entspricht das Bruttoprinzip also im Ergebnis doch kondiktionsrechtlicher Haftung, nur nach den für Bösgläubige geltenden Maßstäben? Einige derjenigen Vertreter, die dem Verfall nach dem Bruttoprinzip Strafcharakter beimessen, halten dem entgegen, dass die weitergehende Haftung des Bösgläubigen nach den „allgemeinen Vorschriften“ gerade keine kondiktionsrechtliche Haftung mehr sei.208 Diese Einschätzung beruht auf dem traditionellen Verständnis des Bereicherungsrechts, das mittlerweile von einem modernen Verständnis abgelöst wurde.209

206  Aus der Formulierung „nicht mehr bereichert“ wird i.Ü. allgemein nicht gefolgert, dass § 818 III nur den nachträglichen Wegfall der Bereicherung regelt. Die Bereicherung kann vielmehr auch von Anfang an fehlen. Siehe nur Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 I 2; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 135 ff.; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 12 Rn. 16. 207  BVerfGE 110, 1 (21), zust. insoweit Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 4b. 208  Hoyer, GA 1993, 406 (414 f.); ihm folgend Arnold, Verfall (2015), S. 312; Gebauer, ZRP 2016, 101 (102); Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 305 Fn. 1003; Keusch, Verfall (2005), S. 54. 209  Darauf haben in diesem Zusammenhang vor allem Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 351 ff.; Best, JR 2003, 335 (341) und Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 34 ff. hingewiesen, jeweils ausführlich zum Folgenden. Vgl. auch Kracht, wistra 2000, 326 (329). Ohne Erörterung der Entwicklung wird das moderne Verständnis angewendet von SSW / Burghart, § 73 Rn. 4, 39; ders., wistra 2011, 241 (244 ff.); GJW / Wiedner, § 73 Rn. 9 und Wolters, Neufassung (1995), S. 68 f., 84 f.

70 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

aa) Das traditionelle Bereicherungsverständnis Das traditionelle Bereicherungsverständnis ging von einer vermögensorientierten Betrachtung aus.210 Für sie war die „Bereicherung“ der Zentralbegriff.211 Diese wurde von vornherein als bloßer Überschuss aus dem Bereicherungsvorgang, also als Saldo verstanden.212 Das bedeutete, dass zwischen der Ermittlung des herauszugebenden Gegenstands im Rahmen des § 812 BGB und der Bereicherung gemäß § 818 III BGB kein Unterschied bestand. Auf Grundlage dieses Verständnisses konnte es als „oberster Grundsatz des Bereicherungsrechts“ bezeichnet werden, dass die Herausgabepflicht keinesfalls zu einer Minderung des Vermögens über den Betrag der „wirklichen“ Bereicherung hinaus führen dürfe.213 Die Privilegierung des Bereicherungsschuldners beruhte auf der Auffassung, dass dem Bereicherungsgläubiger die Rückforderung ohnehin nur aus Gründen der Billigkeit gewährt werde.214 Die Haftungsverschärfung nach den §§ 818 IV, 819 BGB führte nach diesem Verständnis tatsächlich „nur“ zu einer Haftung nach anderen Normen des BGB, insbesondere den §§ 291, 292 BGB.

210  s. Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 71 III 2; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 10 Rn. 8; zur Genese dieses Verständnisses Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 1 und Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 17 f., 517 f. 211  s. MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 113. 212  s. Rengier, AcP 177 (1977), 418 (419 f.); MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 111. In diesem Sinne heißt es im vorliegenden Zusammenhang bei Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 305 Fn. 1003: „Nur die Bereicherung wird kondiziert“; Keusch, Verfall (2005), S. 52: „ ‚Etwas erlangt‘ im Bereicherungsrecht meint aber einen ‚Vermögensvorteil‘. Der Bereicherungsanspruch besteht in der Regel in dem Überschuss des Erlangten über die gemachten Aufwendungen.“; Meier, Sanktionen, S. 441: Der „zivilrechtliche Bereicherungsanspruch [richtet sich] nur auf die Herausgabe des erlangten Vermögensvorteils […] (d. h. diejenigen Aufwendungen, die dem Bereicherten anlässlich des Bereicherungsvorgangs entstanden sind, werden nach der herrschenden ‚Saldotheorie‘ abgezogen)“. Bei Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 166 f. heißt es, eine „Gesamtbetrachtung der zivilrechtlichen Bereicherungsvorschriften“ ergebe, dass bei diesen stets ein „ ‚Vermögensvorteil‘ im engeren Sinne, also ein reiner Nettogewinn, geschuldet wird.“ 213  So etwa RGZ 118, 185 (187); BGHZ 1, 75 (81); das wird im vorliegenden Zusammenhang von Hoyer, GA 1993, 406 (414) und im Anschluss an ihn von Arnold, Verfall (2015), S. 312; Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 305 Fn. 1003; Keusch, Verfall (2005), S. 53 besonders hervorgehoben. 214  s. Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 1; Rengier, AcP 177 (1977), 418 (420 f.); Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 518; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 112; auch das betont im vorliegenden Zusammenhang Keusch, Verfall (2005), S. 53.



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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bb) Das moderne Bereicherungsverständnis Das moderne Bereicherungsverständnis geht demgegenüber von einer gegenstandsorientierten Betrachtungsweise aus.215 Für sie ist das „Erlangte“ der Zentralbegriff.216 Ursprünglicher Inhalt des Bereicherungsanspruchs ist danach die Herausgabe exakt des zugeflossenen Vorteils. § 818 III BGB verkörpert danach eine erst in einem zweiten Schritt zu berücksichtigende Einwendung des Bereicherungsschuldners. Die Beschränkung auf die tatsächlich noch vorhandene Bereicherung bildet damit keinesfalls mehr den „obersten Grundsatz des Bereicherungsrechts“, sondern vielmehr einen begründungsbedürftigen Ausnahmefall.217 Diesem Betrachtungswandel liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die §§ 812 ff. BGB keinesfalls eine bloße Billigkeitshaftung normieren, sondern die Leistungskondiktionen als Annex des Vertragsrechts dem Güterbewegungsrecht und die Eingriffskondiktionen als Annex des fortwirkenden Eigentumsrechts dem Güterschutzrecht zuzuordnen sind.218 Die ratio des § 818 III BGB ist hiernach, dass der Bereicherungsschuldner grundsätzlich auf den Bestand des Erwerbs vertrauen darf und daher so zu stellen ist, wie er bei rechtzeitiger Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs stünde.219 Der verklagte bzw. bösgläubige Bereicherungsschuldner (§§ 818 IV, 819 BGB) hat insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen.220 Daraus folgert die ganz h. L., dass  – auch wenn der Wortlaut der §§ 818 IV, 819 BGB mit dem Verweis auf die „allgemeinen Vorschriften“ das nicht explizit hergibt  – ab dem Eintritt der verschärften Haftung die Berufung auf § 818 III BGB ausgeschlossen ist.221 Der Bereicherungs215  Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 71 III 2; Rengier, AcP 177 (1977), 418 (431); Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 10 Rn. 8. 216  Grundlegend v. Caemmerer, in: FS Rabel I (1954), S. 333 (368); s. auch Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 1; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 113; jeweils auch zum Folgenden. 217  Sehr kritisch zu dem so verstandenen Regel-Ausnahme-Verhältnis aber Flume, GS Knobbe-Keuk (1997), S. 111 (112 f.). 218  Grundlegend Wilburg, Bereicherung (1934), S. 49 ff. (zum Gegensatz), S. 27 ff. (zu Eingriffskondiktionen), S. 113 (zur Leistungskondiktion) und v. Caemmerer, in: FS Rabel I (1954), S. 333 (342 ff. zur Leistungskondiktion, 352 ff. zu Eingriffskondiktionen); s. auch Rengier, AcP 177 (1977), 418 (421); Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 27. Das moderne Verständnis beruht damit maßgeblich auf der „Entdeckung“ der Trennung von Leistungs- und Eingriffskondiktion („Trennungslehre“), wohingegen das traditionelle Verständnis auf einer „Einheitslehre“ beruhte, s. dazu Reuter /  Martinek, Bereicherung, S. 22 ff. 219  Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 71 II 1, § 73 I 1, 2 a); Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 582, 589 ff.; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 124, 134. 220  Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 71 II 2, § 73 II. 221  Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 50; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 II; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 52; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 631 f.;

72 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

schuldner haftet dann also aus Bereicherungsrecht vollständig auf das Erlangte. cc) Bewertung Das moderne Bereicherungsverständnis hat sich in der zivilrechtlichen Literatur durchgesetzt.222 Die Wandlung von einem Verständnis des Bereicherungsrechts als bloßem Billigkeitsrecht hin zu einem Instrument der Korrektur irregulärer Vermögenszuordnungen ist auch überzeugend. Dieses Verständnis wird dem Wortlaut (§ 812 I 1 BGB: „etwas erlangt“) und der Systematik des Gesetzes besser gerecht, indem es zwischen Tatbestand (§§ 812 ff. BGB) und Rechtsfolge (§§ 818 ff. BGB) klar unterscheidet.223 § 818 III BGB betrifft nur den Fall, in dem der Schuldner nicht (mehr) bereichert ist; die Norm kann über die logisch vorrangige Frage, worauf sich die Bereicherungshaftung dem Grunde nach richtet, nichts aussagen.224 dd) Folgerungen für die Abschöpfung von Taterträgen Das bedeutet, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips tatsächlich schlicht dazu übergegangen ist, den Betroffenen wie einen verschärft haftenden Bereicherungsschuldner (§§ 818 IV, 819 BGB) zu behandeln.225 Damit bleibt es aber grundsätzlich dabei, dass auch durch die Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip nicht mehr als eine „Entreicherung“ des Betroffenen herbeigeführt wird. Ein wichtiger Unterschied liegt aber in den Voraussetzungen: Hier wird generell „verschärft“ gehaftet, ohne dass es auf MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 282; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 12 Rn. 53. 222  So MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 112; nach Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 2 hat es sich „weitgehend durchgesetzt“; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 71 I 1 bezeichnen es als „heute ganz h. L.“; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 10 Rn. 8 spricht von einem „dogmatischen Wandel“. Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 535 ff., 614 ff. vertreten abweichend von der h. L. zumindest für die Eingriffskondiktion eine eigene „Mischtheorie“. Entschieden weiterhin für eine vermögensorientierte Betrachtung namentlich Flume, in: FS Niedermeyer (1953), S. 103 (148 ff.); ders., GS Knobbe-Keuk (1997), S. 111 (112 f.). 223  So auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 352 f.; SSW / Burghart, § 73 Rn. 4, 39; ders., wistra 2011, 241 (244 ff.); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S.  34 f. 224  Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 71 I 1. 225  So auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 351 ff.; Best, JR 2003, 335 (340 f.); SSW / Burghart, § 73 Rn. 4, 39; ders., wistra 2011, 241 (244 ff.); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 34 ff.; GJW / Wiedner, § 73 Rn. 9; tendenziell Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 47.



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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Bösgläubigkeit im Zeitpunkt der Vornahme der Aufwendungen ankommen soll.226 Dies hat sich auch durch die aktuelle Reform nicht entscheidend geändert.227 Umgekehrt bedeutet das, dass die Abschöpfung der Taterträge nach dem Bruttoprinzip hiernach dann nicht zu rechtfertigen ist, wenn der Betroffene bei Vornahme der Aufwendungen nicht bösgläubig i. S. d. § 819 I BGB gewesen ist, d. h. keine Kenntnis ihrer Rechtswidrigkeit hatte. Fälle fehlender Bösgläubigkeit dürften allerdings kaum relevant werden, wenn der Betroffene selbst tatbeteiligt ist.228 Hauptanwendungsfall dieser Ausnahme dürfte daher die Abschöpfung bei Drittbegünstigten (§ 73b StGB bzw. § 73 III StGB a. F.) sein. Nun wird teilweise aber behauptet, der Drittbegünstigte einer rechtswidrigen Tat könne nie als gleichermaßen schutzwürdig gelten wie ein zivilrechtlich privilegierter Bereicherungsschuldner.229 Diese apodiktische Behauptung ist nur vom offenbar gewünschten Ergebnis (Verteidigung des geltenden Gesetzes) her verständlich. Bei fehlender Bösgläubigkeit in Bezug auf den deliktischen Zweck der Aufwendungen aus seinem Vermögen befindet sich der Drittbegünstigte einer Straftat subjektiv in derselben Situation wie ein privilegierter Bereicherungsschuldner. Sein Vertrauen ist daher genauso schutzwürdig und es gibt keinen Grund, ihm die Berufung auf seine Entreicherung in Höhe der Aufwendungen zu versagen. Nur mit dieser wichtigen, noch zu konkretisierenden,230 Einschränkung bei fehlender Bösgläubigkeit des Betroffenen kann auch unter der Geltung des Bruttoprinzips noch davon gesprochen werden, dass die Abschöpfung nur zu einer „Entreicherung“ des Betroffenen führt. b) Mehr als Wiederherstellung des „status quo ante“? Einige Vertreter der Auffassung, die dem Verfall nach dem Bruttoprinzip Strafcharakter beimisst, argumentieren, durch das Bruttoprinzip werde der 226  Dazu auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 356 f.; Kracht, wistra 2000, 326 (329 f.); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 35; Wolters, Neufassung (1995), S. 84 f. Alle Vorgenannten weisen zudem auf den weiteren Unterschied in der Wirkung hin, dass der bösgläubige Bereicherungsschuldner immerhin Ersatz für seine notwendigen Verwendungen verlangen kann (§§ 818 IV, 819 I, 292, 994 II BGB). Ihnen ist aber darin zuzustimmen, dass dieser Fall in diesem Zusammenhang kaum einmal praktisch werden dürfte. 227  Dazu im Einzelnen 3.  Kap. B. VIII. 2. 228  Man darf das Erfordernis der Bösgläubigkeit auch nicht mit dem Schulderfordernis verwechseln, Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 356 f. 229  So Kracht, wistra 2000, 326 (329 f.); zust. Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 35; ähnlich Best, JR 2003, 337 (341); Burghart, wistra 2011, 241 (249). 230  Dazu im Anschluss an die Erörterung des parallelen Begründungsstrangs unter d).

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Betroffene im Vergleich zum Zustand vor der Tat wirtschaftlich schlechter gestellt,231 letztlich müsse er seine Ausgaben „doppelt“ zahlen.232 Dadurch stelle sich der Zugriff auf die Differenz zwischen Netto- und Bruttobetrag als „originäre[…] Vermögensverschiebung“233 vom Betroffenen auf den Staat bzw. als Eingriff in dessen „tatmakelfreie Vermögenssubstanz“234 dar. Nimmt man als Zustand vor der Tat einen solchen an, in dem der Betroffene etwaige Aufwendungen für die Tat noch nicht getroffen hat, dann wird er durch das Bruttoprinzip im Ergebnis tatsächlich schlechter gestellt als vor der Tat. Dann ist es auch zutreffend, dass er seine Ausgaben letztlich „doppelt“ zahlen muss. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die erste Ausgabe (regelmäßig) eine bewusste und freiwillige Vermögensaufwendung des Täters zu deliktischen Zwecken darstellt.235 Der Staat greift also mit der Abschöpfung der Taterträge nach dem Bruttoprinzip nicht etwa auf das Legalvermögen des Betroffenen zu, sondern er schöpft nur alles aus bzw. für die Tat Erlangte ab.236 Sein Vermögen hat der Betroffene vorher gewissermaßen schon selbst dadurch geschädigt, dass er Ausgaben zu deliktischen Zwecken getätigt hat.237 Diesen Rechtsgedanken, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll, kann man auch in dem bereicherungsrechtlichen Ausschlussgrund des § 817 S. 2 BGB verankert sehen. Durchaus legitim hat der Gesetzgeber die Einführung des Bruttoprinzips daher damit begründet, dass der Rechtsgedanke dieser Vorschrift nun auch beim Verfall gelten solle.238 231  Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 28 f.; Franzheim, in: FS Gaul (1992), S. 135 (143); Geiger, Rechtsnatur (2006), S. 307; Rönnau / Begemeier, GA 2017, 1 (7); NK / Saliger, § 73 Rn. 12; Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 161 f. 232  Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (98 f.). 233  SK / Wolters, § 73 Rn. 5; zust. Drathjer, Abschöpfung (1997), S. 36 f. 234  KKOWiG / Mitsch, § 29a Rn. 12; so auch Dannecker, NStZ 2006, 683 (684); Hofmann, wistra 2008, 401 (406); Perron, JZ 1993, 918 (919); Sedemund, DB 2003, 323 (328). 235  Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 28; s. auch MK / Joecks, § 73 Rn. 14. 236  So auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 359 und Best, JR 2003, 337 (340), der auch zum Folgenden. 237  Zur Veranschaulichung: Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 56 erklärt es für „sehr ungerecht“ und „eher einer Vermögensstrafe [gleichend]“, wenn etwa nach einem Insiderverstoß der gesamte Erlös aus Aktienverkäufen (z. B. 24 Mio. €) für verfallen erklärt werde, obwohl der Täter zum Kauf der Aktien erhebliche Eigenmittel (z. B. 18 Mio. €) eingesetzt habe. Betont wird dabei, dass es sich bei den Eigenmitteln um rechtmäßig erworbenes Vermögen gehandelt habe. Entscheidend ist aber nicht die Herkunft, sondern der Einsatz der Mittel: Dem Täter ist hier zu entgegnen, dass er selbst dafür verantwortlich ist, wenn er sein Vermögen zur Begehung von Straftaten einsetzt  – warum das „sehr ungerecht“ sein soll, ist nicht ersichtlich.



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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Seitens der Befürworter eines Strafcharakters des Bruttoprinzips wird die Berufung des Gesetzgebers auf den Rechtsgedanken des § 817 S. 2 BGB allerdings scharf zurückgewiesen: Der Gesetzgeber habe „Regelungszusammenhang, Inhalt und Normzweck des § 817 BGB verkannt.“239 Während der Staat bei § 817 S. 2 BGB (nur) seine Hilfe bei der Rückabwicklung verbotener bzw. sittenwidriger Geschäfte versage, greife er bei der Abschöpfung von Taterträgen aktiv zu seinen eigenen Gunsten ein, wofür § 817 S. 2 BGB keine Legitimation liefere.240 Diese Argumentation verfängt aus zwei Gründen nicht. Zum einen fixiert sie sich zu sehr auf die Wirkung der Verweigerung staatlichen Rechtsschutzes. Im zivilrechtlichen Schrifttum zu § 817 S. 2 BGB findet sich dagegen zunehmend eine grundsätzlichere Deutung der Vorschrift aus dem Gedanken der Generalprävention.241 Auch der BGH argumentiert bei Fragen der Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB regelmäßig mit generalpräventiven Erwägungen.242 Die Botschaft der Norm laute danach: Wer sich an gesetzes- oder sittenwidrigen Transaktionen beteilige, müsse wissen, dass seine Leistung unwiederbringlich und ersatzlos verloren ist, wenn im Rahmen einer solchen Transaktion Störungen auftreten.243 Nur um die Übertragung dieses Rechtsgedankens aus § 817 S. 2 BGB geht es und dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Zum anderen und entscheidend beruht die Argumentation implizit auf der Prämisse, dass die Abschöpfung von Taterträgen in ihrem Rechtsgrund eine 238  BT-Drucks. 12 / 1134, S. 12. Auch die Regierungsbegründung der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ verweist für die Neuregelung des Bruttoprinzips erneut entscheidend auf diesen Rechtsgedanken, BT-Drucks. 18 / 9525, S. 55 f., 67 f.; s. dazu näher 3.  Kap. B. VIII. 2. 239  So besonders deutlich NK / Saliger, § 73 Rn. 13. 240  Arnold, Verfall (2015), S. 311 f.; SSW / Burghart, § 73 Rn. 39; ders., wistra 2011, 241 (245); Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 28; Gebauer, ZRP 2016, 101 (102); Geiger, Rechtsnatur (2004), S. 306 f.; Hohn, wistra 2003, 321 (325 f.); Keusch, Verfall (2005), S. 55; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 4b; NK / Saliger, § 73 Rn. 13; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 47; Sotiriadis, Entwicklung (2010), S. 167; SK / Wolters, § 73 Rn. 15; ähnlich Dannecker, NStZ 2006, 683 (684). 241  Grundlegend Canaris, in: FS Steindorff (1990), S. 519 (523 ff.); Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 68 III 3 a; zudem Armgardt, NJW 2006, 2070 (2073); ders., JR 2009, 177 (179); Staudinger / Lorenz, § 817 Rn. 5; MKBGB / Schwab, § 817 Rn. 9; kritisch Erman / Buck-Heeb, § 817 Rn. 4. 242  BGHZ 118, 182 (193, „Kontaktanzeigen“); 201, 1 (7 ff., „Schwarzarbeit“, 9: „Der Ausschluss auch eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung […] ist ein geeignetes Mittel, die […] Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern […].“); BGH NJW 2006, 45 (46, „Schenkkreis I“); NJW 2008, 1942 („Schenkkreis II“). 243  So MKBGB / Schwab, § 817 Rn. 9.

76 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

„quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ sei. Es handelt sich um eine der dogmatischen Irrungen, zu denen diese schillernde Bezeichnung der Maßnahme geführt hat. Nur auf dieser Grundlage kann man bemängeln, dass § 817 S. 2 BGB dem Staat in dieser Situation keine Grundlage biete, sich das Abgeschöpfte selbst einzuverleiben. Damit bemerken die genannten Autoren an dieser Stelle gewissermaßen punktuell, was tatsächlich generell gilt: Nicht zuletzt weil generell nicht erklärt werden kann, dass der Staat sich selbst als „Kondiktionsgläubiger“ einsetzt, hat die Abschöpfung von Taterträgen keine (quasi-kondiktionelle) Ausgleichsfunktion.244 Nach seiner generalpräventiven Begründung bedarf es generell keiner Begründung dafür, dass das Abgeschöpfte grundsätzlich in das Vermögen des Staates übergeht.245 § 817 S. 2 BGB ist in diesem Zusammenhang also zwar keineswegs (entsprechend) anwendbar, aber es spricht vieles dafür, den dieser Regelung zugrunde liegenden Rechtsgedanken heranzuziehen. Freilich setzt auch die Annahme einer „Selbstschädigung“ des Betroffenen im dargestellten Sinne eine Form der Bösgläubigkeit bei Vornahme der Aufwendungen voraus. Für die Rechtsfolge des § 817 S. 2 BGB muss (richtigerweise) bewusst und willentlich in sitten- bzw. rechtswidrige Zwecke investiert worden sein,246 dafür lässt man leichtfertiges Sich-Verschließen der Sitten- bzw. Rechtswidrigkeit ausreichen.247 Im Ergebnis kann also auch nach dieser Begründungslinie nur unter Einschränkung bei fehlender Bösgläubigkeit des Betroffenen auch für das Bruttoprinzip noch davon gesprochen werden, dass die Abschöpfung den Betroffenen nur in seine Lage vor der Tat zurückversetzt. c) Zusammenführung der beiden Begründungslinien Im „Normalfall“, in dem sich die Abschöpfung der Taterträge gegen einen Tatbeteiligten richtet, der sich bewusst zur deliktischen Investition seines Vermögens entschieden hatte, gilt also auch unter Geltung des Bruttoprin244  Eingehend

dazu unter A. II. 3. A. II. 5. e). 246  Die aktuelle „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ rezipiert diese Voraussetzung beim Bruttoprinzip zumindest ansatzweise, dazu 3.  Kap. B. VIII. 2. 247  Ausführlich MKBGB / Schwab, § 817 Rn. 68 ff. (zahlreiche Rechtsprechungsnachweise in Fn. 273, 278); so auch Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 68 III 3 b. Gänzlich gegen subjektive Voraussetzungen aber Erman / Buck-Heeb, § 817 Rn. 13; Staudinger / Lorenz, § 817 Rn. 21; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 211 ff.; zur Entkräftung ihres Hauptarguments (Prämierung des „rechts- und sittenblinden“ Verkehrsteilnehmers) siehe erneut MKBGB / Schwab, § 817 Rn. 68 ff. 245  s.



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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zips, dass ihm kein „Übel“ auferlegt wird, das geeignet wäre, einen Strafcharakter der Maßnahme zu begründen. Insofern kann nämlich nach wie vor von bloßer „Entreicherung“ bzw. Wiederherstellung des „status quo ante“ gesprochen werden, mehr noch: Die Entreicherung bzw. Wiederherstellung wird durch das Bruttoprinzip überhaupt erst vollständig verwirklicht. Es war eigentlich von vornherein inkonsequent und zu milde, ihm (nach dem Nettoprinzip) seine deliktischen Aufwendungen zugute zu halten. Anders stellt es sich allerdings dar, sofern der Betroffene (insbesondere ein Dritter) nicht bösgläubig hinsichtlich des deliktischen Hintergrundes der Vermögensaufwendungen war. Diesem Betroffenen ist seine „Entreicherung“ in Höhe der Aufwendungen aufgrund seines schutzwürdigen Vertrauens zugute zu halten (vgl. § 818 III BGB) und ihm kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe sich zuvor durch die deliktische Aufwendung bereits selbst geschädigt (Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB). Er wird daher durch die Anwendung des Bruttoprinzips nicht nur „entreichert“ bzw. in seinen „status quo ante“ zurückversetzt, sondern darüber hinaus geschädigt. Ihm wird damit insoweit tatsächlich ein „Strafübel“ auferlegt. Die Notwendigkeit dieser Differenzierung hat der Gesetzgeber bei der daher nur teilweise konsequenten Einführung des Bruttoprinzips nicht bedacht.248 In der Literatur wurde dagegen im Ansatz zu Recht die Einführung des Bruttoprinzips als Grenzüberschreitung erkannt, die eine bestimmte Form subjektiver Rechtfertigung gegenüber dem Betroffenen voraussetzt. Unschlüssig ist jedoch die insofern zumeist gegebene Antwort, wonach diese Rechtfertigung in dem Kriterium der Schuld zu suchen und deshalb der Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip als solcher Strafcharakter zuzuschreiben sei. Richtigerweise ist nicht die Schuld des Tatbeteiligten bzw. stets fehlende Schuld des Dritten entscheidend, sondern jeweils das Kriterium der Bösgläubigkeit in Bezug auf den deliktischen Zweck der Ausgaben.249 Die Rechtsfolge bei fehlender Bösgläubigkeit des Betroffenen mag kurios anmuten: Die Maßnahme wird (in Höhe des Brutto-Netto-Saldos) zur Strafe, die dann quasi automatisch gegen das Schuldprinzip verstößt, weil es beim nicht bösgläubigen Betroffenen regelmäßig auch an strafrechtlicher Schuld fehlen wird. Es handelt sich aber schlicht um das dogmatisch konsequente Fortdenken der Grenze, die man beim Begriff des „Übels“ einzie248  Gleiches gilt auch für die Neuregelung des Bruttoprinzips im Rahmen der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“, dazu 3.  Kap. B. VIII. 2. 249  Die Frage, ob die Voraussetzungen der (Brutto-)Abschöpfung um dieses Kriterium erweitert werden müssten, hat jedenfalls mit dieser Begründung bislang nur Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 357 aufgeworfen.

78 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

hen musste, wollte man nicht bereits die Nettoabschöpfung als Strafbestandteil ansehen.250 Es zeigt sich eben, dass „Entreicherung“ bzw. Wiederherstellung des „status quo ante“ keine objektiven Grenzen sind, sondern dass sie sich bei der Frage nach der Berücksichtigung von Aufwendungen nach dem subjektiven Umstand der Bösgläubigkeit des Betroffenen verschieben. d) Konkretisierung der Einschränkung der fehlenden Bösgläubigkeit Das Bruttoprinzip kann also im Ergebnis nur gegenüber  – bezüglich der deliktischen Verwendung der in Rede stehenden Ausgaben  – Bösgläubigen angewendet werden, was letztlich auf die Wertung der verschärften Bereicherungshaftung (§§ 818 IV, 819 BGB) bzw. auf den Vorhalt der bewussten Selbstschädigung mit der Ausgabe zu deliktischen Zwecken (Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB) zurückzuführen ist. Dies bedarf noch näherer Konkretisierung. aa) Grad und Zeitpunkt Der erforderliche Grad der „Bösgläubigkeit“ unterscheidet sich innerhalb des Bereicherungsrechts leicht: § 819 I BGB erfordert für die Bösgläubigkeit Kenntnis, bei § 817 S. 2 BGB soll leichtfertiges Sich-Verschließen ausreichen.251 Für die (generalpräventiven) Zwecke des Rechts der Abschöpfung von Taterträgen ist nicht ersichtlich, warum Fälle leichtfertigen Verkennens der Umstände der positiven Kenntnis nicht gleichgestellt werden sollten. Daher wird im Folgenden unter Bösgläubigkeit Kenntnis und leichtfertige Unkenntnis verstanden. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Bösgläubigkeit ist die Vornahme der Aufwendungen. bb) Maßgebliche Person und Wissenszurechnung Von entscheidender Bedeutung für die Reichweite der gebotenen Einschränkung des Bruttoprinzips bei fehlender Bösgläubigkeit ist, welche Person für die Bösgläubigkeit maßgeblich ist bzw. unter welchen Vorausset250  Wem diese Ableitung zirkulär vorkommt (sie ist es nicht, weil Bösgläubigkeit und Schuld nicht gleichzusetzen sind, vgl. Altenhain, Anschlussdelikt [2002], S. 356 f.), kann sie letztlich nur vermeiden, indem er bereits diese Qualitätsgrenze beim „Übel“, in der die Ableitung wurzelt, ablehnt. Dann wäre aber nicht mehr schlüssig zu erklären, warum die Abschöpfung nach dem Nettoprinzip, die ebenfalls ein Minus im Vermögen des Betroffenen verursacht, keine Strafe sein soll. 251  Nachweise bereits unter b).



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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zungen sich der Dritte die (regelmäßig gegebene) Bösgläubigkeit des Tatbeteiligten zurechnen lassen muss. (1) Die Maßstäbe bei § 819 I BGB bzw. § 817 S. 2 BGB In der Konsequenz der bisherigen Argumentation muss es darauf ankommen, wie diese Fragen für die Bösgläubigkeit bei § 819 I BGB bzw. § 817 S. 2 BGB beantwortet werden. Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass bei § 819 I BGB die Vorschrift des § 166 I BGB analog anwendbar ist.252 Das bedeutet, dass der Bereicherungsschuldner sich die Bösgläubigkeit seines handelnden Vertreters zurechnen lassen muss. Bei § 817 S. 2 BGB gilt nichts anderes.253 § 166 I BGB wiederum wird allgemein über Vertretungsverhältnisse hinaus entsprechend auch auf sog. Wissensvertreter angewandt, nur die insofern anzulegenden Maßstäbe werden nicht immer einheitlich bestimmt.254 Jedenfalls geht es um den Gedanken, dass eine arbeitsteilige Organisation (unabhängig vom Vorliegen von Vertretungsverhältnissen) nicht zur Besserstellung des Geschäftsherrn führen kann.255 In der Formulierung des BGH muss sich „derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen“.256 Dabei kann der Geschäftsherr nicht einwenden, die Begehung (vorsätzlicher) Straftaten zähle nicht mehr zur Erledigung seiner Angelegenheiten, sofern ein innerer Zusammenhang zwischen Straftat und Aufgabenerledigung besteht.257

252  BGHZ 83, 293 (295 f.); zuletzt BGH NJW 2014, 1294; Erman / Buck-Heeb, § 819 Rn. 3; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 II 2 b); Staudinger / Lorenz, § 819 Rn. 9; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 645 f.; MKBGB / Schwab, § 819 Rn. 7. 253  BGHZ 36, 395 (399); 106, 169 (174); Erman / Buck-Heeb, § 817 Rn. 18. 254  Eingehend dazu MKBGB / Schubert, § 166 Rn. 43 ff.; s. auch Erman / MaierReimer, § 166 Rn. 24 f.; Staudinger / Schilken, Vor §§ 164 ff. Rn. 87, § 166 Rn. 4. 255  Vgl. MKBGB / Schubert, § 166 Rn. 44. 256  BGHZ 83, 293 (295 f.); zuletzt BGH NJW 2014, 1294. 257  Dieser Rechtsgedanke ist jedenfalls allgemein anerkannt bei § 31 BGB (BGH NJW 1977, 2259 [2260 f.]; 1980, 115; MKBGB / Arnold, § 31 Rn. 33 f.; Staudinger / Weick, § 31 Rn. 16; Erman / Westermann, § 31 Rn. 5); bei § 278 BGB (BGH NJW 1991, 3208 [3209 f.]; 1994, 3344 [3345]; 1997, 1360 [1361]; MKBGB / Grundmann, § 278 Rn. 48; Staudinger / Löwisch / Caspers, § 278 Rn. 51 ff.; Erman / Westermann, § 278 Rn. 39 ff.) und bei § 831 BGB (BGHZ 49, 19 [23]; BGH NJW-RR 1998, 250 [252]; OLG Hamm NJW-RR 2010, 454; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 79 III 2 d); Erman / Schiemann, § 831 Rn. 11; MKBGB / Wagner, § 831 Rn. 25; einschränkend Staudinger / Belling, § 831 Rn. 127 ff.). Umstritten ist lediglich, ob

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(2) Folgerungen für die Abschöpfung von Taterträgen Daraus ist für den vorliegenden Zusammenhang zu folgern: Ist der von der Abschöpfung Betroffene selbst nicht bösgläubig, hat er den Tatbeteiligten aber mit der eigenverantwortlichen Erledigung seiner Angelegenheiten betraut und ist die Straftat in Ausführung dieser Tätigkeit begangen worden, dann muss er sich dessen Bösgläubigkeit zurechnen lassen. Das gilt unabhängig davon, ob der Betroffene eine natürliche oder eine juristische Person ist; erfasst sind namentlich Angestellte in Unternehmen, die bestimmte Aufgaben nach außen mit einer gewissen Eigenverantwortlichkeit wahrnehmen. Diese Voraussetzungen werden in Fällen, in denen es um die Anwendbarkeit des Bruttoprinzips geht, häufig gegeben sein; denn diese Fälle setzen ja voraus, dass der Tatbeteiligte aus dem Vermögen des Betroffenen heraus Ausgaben für die Tatbegehung treffen konnte. Die Voraussetzungen sind aber nicht gegeben, wenn sich der Tatbeteiligte eigenmächtig oder zumindest unter Überschreitung der Grenzen seines Aufgabenbereiches des Vermögens des Dritten bemächtigt und es für Straftaten einsetzt. Beispiel 1: M hat eine Bankvollmacht für das Konto seiner Ehefrau F. Er nutzt diese, um das Guthaben seiner Ehefrau (100.000 €) zur Begehung von Straftaten einzusetzen, was zur Vermehrung des Guthabens auf 150.000 € führt. Var. 1: F kannte oder verkannte leichtfertig das rechtswidrige Handeln ihres Ehemannes. Die Abschöpfung der vollen 150.000 € ist gerechtfertigt, weil sie hinsichtlich der Verfügung über ihr ursprüngliches Guthaben nicht schutzwürdig ist. Var. 2: F kann keine Kenntnis oder leichtfertige Unkenntnis des Handelns ihres Ehemannes nachgewiesen werden, aber sie hatte ihn (zusätzlich zur Bankvollmacht) damit betraut, ihr Vermögen zu investieren. Hier muss sie sich auch den rechtswidrigen Missbrauch ihres Auftrags zurechnen lassen, sodass die Abschöpfung der vollen 150.000 € gerechtfertigt ist. Var. 3: F kann keine Kenntnis oder leichtfertige Unkenntnis des Handelns ihres Ehemannes nachgewiesen werden und sie hatte ihn damit betraut, ihr Vermögen zu investieren, allerdings nur in sicheres Tages- oder Festgeld. Hier überschreitet M die Grenzen seines Aufgabenbereiches, sodass sein Handeln der F nicht mehr zugerechnet werden kann. Gerechtfertigt ist daher nur die Abschöpfung bis zu ihrem „status quo ante“ von 100.000 €. Var. 4: F hatte weder Kenntnis noch leichtfertige Unkenntnis, noch hatte sie ihren Ehemann damit beauftragt, ihr Vermögen zu investieren.258 Hier bemächtigt sich bzw. inwieweit eine Ausnahme für Straftaten zu machen ist, die nur „bei Gelegenheit“ begangen werden, s. dazu die genannte Literatur. 258  In einer vergleichbaren, bereicherungsrechtlichen Situation ist der BGH zu weit gegangen: In BGHZ 83, 293 (295 ff.) wurde im Rahmen des § 819 I BGB einem Vertretenen die Kenntnis seines Vertreters zugerechnet, der ein Geschäft vorgenommen hat, was von der Reichweite seiner Vollmacht nicht erfasst war (konkret: Aufnahme eines Darlehens für ihren Ehemann durch eine Ehefrau, die nur über eine



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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M eigenmächtig des Vermögens der F, ohne dass ihr das zugerechnet werden könnte. Auch hier ist nur die Abschöpfung bis zum ursprünglichen Guthaben von 100.000 € gerechtfertigt. Beispiel 2: A ist Angestellter der X-GmbH und hat eine Verfügungsbefugnis für das Unternehmenskonto. Auch er nutzt diese, um Guthaben des Unternehmens für Straftaten einzusetzen, was zu einer Mehrung des Guthabens führt. Var. 1 entspricht es hier, wenn ein vertretungsberechtigtes Organ oder dieser gleichzustellende Leitungsperson (vgl. § 30 I Nr. 4, 5 OWiG, § 74e 1 Nr. 4, 5 StGB) das Handeln des A kennt oder leichtfertig verkennt. Var. 2 entspricht es, wenn dies zwar nicht der Fall ist, aber A im Rahmen seines Aufgabenbereiches handelt (z. B. Vornahme eines verbotenen Insidergeschäfts als Trader einer Investmentbank). In diesen beiden Konstellationen ist die Anwendung des Bruttoprinzips gegen die GmbH berechtigt. Var. 3 und 4 entspricht es, wenn A seinen ausdrücklich vorgesehenen Aufgabenbereich überschreitet (z. B. Vornahme eines verbotenen Insidergeschäfts als Trader, obwohl er nur zum Handel einer bestimmten, anderen Sorte von Wertpapieren autorisiert ist; Vornahme eines solchen Geschäfts als jemand, dessen Verfügungsbefugnis überhaupt nicht zur Investition in Wertpapiere eingeräumt ist). Hier kann sein Handeln der juristischen Person nicht zugerechnet werden und die Anwendung des Nettoprinzips ist geboten.

Die Beispiele verdeutlichen, dass das Bruttoprinzip auch gegenüber Drittbegünstigten in den praktisch häufigsten Fällen zu rechtfertigen sein wird. Die jeweiligen Var. 3 und 4, in denen nur eine Abschöpfung nach dem Nettoprinzip gerechtfertigt werden kann, erweisen sich praktisch nämlich auch deshalb als eng, weil hier stets („augenzwinkernde“) Kenntnis bzw. leichtfertige Unkenntnis des Dritten bzw. seiner Organe im Raum steht: Wenn dem Tatbeteiligten Beschränkungen auferlegt waren oder er zur Vornahme solcher Geschäfte überhaupt nicht befugt war, wieso konnte er sie dann  – ohne dass es aufgefallen und verhindert worden wäre  – dennoch erfolgreich vornehmen? Die Schwelle der Leichtfertigkeit liegt allerdings hoch und führt zu einer einzelfallspezifischen Begründungslast, welche konkreten Maßnahmen der Drittbegünstigte nicht ergriffen hat, obwohl sie sich ihm geradezu aufdrängen mussten. Ein pauschaler Vorhalt („Da hätte halt besser kontrolliert werden müssen“) genügt jedenfalls nicht. Auf der anderen Seite wird hierdurch kein Anreiz geschaffen, bloß formal enge Beschränkungen der Autorisierung des (späteren) Tatbeteiligten zu statuieren, sich aber dann nicht besonders um deren Einhaltung zu kümmern. Denn solche Beschränkungen sind nicht anzuerkennen, wenn nachzuweisen einfache Bankvollmacht verfügte). Diese im zivilrechtlichen Schrifttum nahezu einhellig zu Recht abgelehnte Entscheidung übersieht, dass der Vertreter in einem solchen Fall nicht mehr im Rahmen der ihm übertragenen Angelegenheiten gehandelt hat (Erman / Buck-Heeb, § 819 Rn. 3; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 II 2 b); Staudinger / Lorenz, § 819 Rn. 9; MKBGB / Schwab, § 819 Rn. 10; zust. aber Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 645 ff.).

82 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

ist, dass sie in der Unternehmenspraxis verbreitet nicht beachtet werden und die Unternehmensleitung dies bewusst hinnimmt. (3) Vergleich mit den Ergebnissen der Rechtsprechung und Literatur Abschließend seien die hier entwickelten Ergebnisse noch den konkreten, abweichenden Ergebnissen der bisherigen Rechtsprechung und Literatur gegenübergestellt. Die Rechtsprechung verwies bislang darauf, dass bei Gutgläubigkeit des Dritten bzw. der Organe einer juristischen Person „regelmäßig zu prüfen“ sei, ob eine unbillige Härte (§ 73c I StGB a. F.) vorliege.259 Das ist  – in Bezug auf das Bruttoprinzip – für Var. 2 der obigen Beispiele zu großzügig, da der Dritte hier nicht schutzwürdig ist und für die Var. 3 und 4 zu restriktiv, da der Dritte hier – ohne das es noch einer weiteren Prüfung bedürfte  – so schutzwürdig ist, dass das Bruttoprinzip ausscheiden muss. Die Literaturauffassung, die dem Bruttoprinzip Strafcharakter beimisst, hält die Anwendung des Bruttoprinzips jedenfalls in allen Varianten des obigen Beispiels 1 für unzulässig. Das überzeugt in den Var. 1 und 2 nicht, da der Dritte hier nicht schutzwürdig ist. Hier zeigt sich noch einmal, dass der unmittelbare Griff zum Schuldprinzip dieser Auffassung „schief“ ist und die hiesige Sichtweise zu differenzierteren Ergebnissen führt. Bei juristischen Personen als Dritten (Beispiel 2) wird das Bruttoprinzip nur teilweise insgesamt für unzulässig gehalten.260 Das überzeugt wiederum in den Var. 1 und 2 nicht. Teilweise wird auch eine „Verschuldenszurechnung“ nach dem Vorbild von § 30 I OWiG, § 74e StGB (bislang § 75 StGB a. F.) für Leitungspersonen der juristischen Person für zulässig gehalten.261 Das ist im Ergebnis zwar schon überzeugender, weil es Var. 1 erfasst, aber immer noch zu restriktiv, weil es Var. 2 nicht erfasst. e) Ergebnis Die Abschöpfung von Taterträgen legt dem Betroffenen insoweit ein „Strafübel“ auf, wie er schlechter gestellt wird, als er vor der Tat stand („status quo ante“) bzw. er mehr als nur im zivilrechtlichen Sinne „entreichert“ wird. Ob die Nicht-Berücksichtigung von Aufwendungen zur Durch259  BGHSt

47, 369 (376); BGH wistra 2004, 465 (466). wistra 2008, 401 (406, 408); Keusch, Verfall (2005), S. 114; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 129; Sedemund, DB 2003, 323 (327). 261  ARR / Achenbach, WiStrR, I 2 Rn. 39; SS / Eser, § 73 Rn. 37; Hellmann / Beckemper, WiStrR, Rn. 994; Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (104). 260  Hofmann,



B. Rechtsnatur der Abschöpfung von Taterträgen

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führung der Tat (also das Bruttoprinzip) hierzu führt, hängt davon ab, ob der Betroffene bösgläubig hinsichtlich des Zweckes der Aufwendungen war. Wenn das der Fall ist, hat er seinen schlechteren Stand selbst verschuldet bzw. ist ihm seine „Entreicherung“ nach den Wertungen der §§ 818 IV, 819 BGB nicht zugutezuhalten. Wenn das nicht der Fall ist, wird ihm in Höhe des Brutto-Netto-Saldos ein „Strafübel“ zugefügt. Dieser Fall der fehlenden Bösgläubigkeit kommt insbesondere bei einem Drittbegünstigten in Betracht, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass dieser sich die Bösgläubigkeit des Tatbeteiligten zurechnen lassen muss, sofern er den Tatbeteiligten mit der eigenverantwortlichen Erledigung seiner Angelegenheiten betraut hat und die Straftat in Ausführung dieser Tätigkeit begangen worden ist. Das Legitimationsproblem des Bruttoprinzips bei fehlender Bösgläubigkeit des Betroffenen ist also zumindest praktisch (auch bei Drittbegünstigten) auf Ausnahmefälle begrenzt.

III. Exkurs: Bruttoprinzip und Strafbegriff des Art. 7 I EMRK Gelegentlich wird darauf hingewiesen, dass die Abschöpfung von Taterträgen nach dem Bruttoprinzip eine Strafe i. S. d. Art. 7 I EMRK in der Auslegung durch den EGMR darstellen könnte.262 Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass der EGMR von der Einschätzung des deutschen Gesetzgebers hinsichtlich der Einordnung einer Maßnahme als „Strafe“ abwiche.263 Daher soll dieser Frage noch in einem Exkurs nachgegangen werden. Im Jahre 1995 erklärte der EGMR im Fall Welch v. The United Kingdom eine britische „confiscation order“ zur Abschöpfung von Vorteilen aus der Betäubungsmittelkriminalität für eine Strafe i. S. d. Art. 7 I EMRK.264 Für das Vorliegen einer Strafe in diesem Sinne soll es nach dem EGMR zunächst darauf ankommen, ob die Maßnahme eine Sanktion ist, die nach einer Verurteilung für eine strafbare Handlung auferlegt worden ist. Weitere zu berücksichtigende Faktoren seien die Natur der Maßnahme und ihr Zweck, ihre Charakterisierung durch das innerstaatliche Recht, das vorgesehene Verfahren der Verhängung und des Vollzugs und die Schwere der Maßnahme.265 Grundsätzlich folgt der EGMR dann auch der vom Vereinig262  ARR / Achenbach, WiStrR, I 2 Rn. 38; Gehrmann, wistra 2010, 346 (347); Ordner, Informalisierung (2017), S. 98 f.; Pelz, in: FS I. Roxin (2012), 181 (183). 263  Siehe das grundlegende Urteil zur Sicherungsverwahrung, EGMR NJW 2010, 2495. 264  EGMR, Urteil vom 09.02.1995  – 17440 / 90 Rn. 35. 265  EGMR, 17440 / 90 Rn. 28. Zu diesen Kriterien näher Appel, Verfassung (1998), S. 267 ff.

84 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

ten Königreich geltend gemachten Gegenüberstellung von Strafen auf der einen und bloßen Reparations- und Abschreckungsmaßnahmen auf der anderen Seite.266 Einige Besonderheiten der Regelung der „confiscation order“ führten nach Ansicht des EGMR zusammengenommen trotzdem zur Einordnung als Strafe:267 Erstens, dass nach der gesetzlichen Regelung jeglicher Besitz, der sich in den letzten sechs Jahren in der Hand des Betroffenen befunden hat, als aus Drogendelikten stammend gilt, sofern der Betroffene nicht das Gegenteil beweisen kann. Zweitens, dass die Maßnahme auf die Einnahmen (aus Drogengeschäften) gerichtet ist und nicht auf die Bereicherung i. S. d. Gewinns. Drittens, dass dem Richter Ermessen hinsichtlich der Höhe der Anordnung eingeräumt ist und er dabei den Grad des Verschuldens zu berücksichtigen hat. Viertens, dass bei Zahlungsausfall eine (zusätzliche) Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren angedroht sei. Für die deutsche Regelung auf Grundlage des Bruttoprinzips greift immerhin, aber eben auch nur, der zweite Punkt dieser Aufzählung. Da der EGMR die vier Aspekte aber nur zusammengenommen als starkes Anzeichen eines Strafcharakters der Maßnahme bewertet hat und vor allem die letzten beiden Aspekte tatsächlich sehr deutlich hierfür sprachen, ist nicht davon auszugehen, dass die deutsche Regelung der Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip vom EGMR als Strafe i. S. d. Art. 7 I EMRK bewertet werden würde.

IV. Ergebnis Die bisherige Diskussion über den möglichen Strafcharakter des Verfalls wird insbesondere von unsauberen Vorstellungen über den Begriff der Strafe, aber auch von dogmatischer Vermengung mit Fragen des Rechtsgrunds der Maßnahme bestimmt. Im Ergebnis wurde die Problematik der Anwendung des Bruttoprinzips gegenüber nicht bösgläubigen Adressaten weder vom Gesetzgeber, noch von BGH und BVerfG richtig erfasst. Die verbreitete Literaturkritik ist daher im Ansatz verständlich, die Annahme eines Strafcharakters des Bruttoprinzips als solchem ist aber nicht plausibel begründbar und schießt über das Ziel hinaus. Richtigerweise gilt: Die Abschöpfung der Taterträge weist aufgrund ihres Rechtsgrunds von vornherein eine enge Verbindung zur Strafe auf. Eine qualitative Abgrenzung der beiden Institute lässt sich im Ergebnis nur mit den Gedanken der (bloßen) „Entreicherung“ bzw. „Wiederherstellung“ vornehmen. Die Einführung des Bruttoprinzips ist auf dieser Grundlage zwie266  EGMR, 267  EGMR,

17440 / 90 Rn. 30 ff. 17440 / 90 Rn. 33.



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG

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spältig zu bewerten: Für den Bösgläubigen, insbesondere den Täter, ist dieser Maßstab konsequent und richtig; einem nicht Bösgläubigen, insbesondere Drittbegünstigten, wird insoweit jedoch ein (Straf-)„Übel“ zugefügt. (Nur) unter Berücksichtigung dieser Ausnahme und der hier dazu entwickelten Kriterien ist die Abschöpfung der Taterträge also sowohl in ihrer ursprünglichen, als auch in der auf das Bruttoprinzip umgestellten, gesetzlichen Fassung keine „Strafe“ oder „strafähnliche Maßnahme“, sondern Maßnahme eigener Art.

C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG Im Ergebnis besteht zwar große Einigkeit darüber, dass die bisherige, gesetzliche Regelung des Verfalls grundsätzlich mit dem Eigentums-Grundrecht aus Art. 14 GG vereinbar ist.268 In der Begründung zeigen sich jedoch teilweise große Unterschiede. Dies muss im Folgenden im Einzelnen aufgearbeitet werden, um die grundrechtlichen Grenzen der Maßnahme, namentlich hinsichtlich ihrer Erstreckung auf Dritte, möglichst klar zu bestimmen. Bislang wurde nur festgestellt, dass sich aus der Perspektive der Rechtsnatur heraus eine erste Grenze hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bruttoprinzips ergibt. In den folgenden Erörterungen geht es nun also darum, ob die Voraussetzungen und Grenzen der Abschöpfung von Taterträgen (bei Drittbegünstigten) aus grundrechtlicher Perspektive noch enger gesteckt werden können.

I. Eröffnung des Schutzbereiches 1. Grundsätzliches zur Bestimmung des Schutzbereiches des Art. 14 GG Die Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 14 GG gestaltet sich als schwierig. Art. 14 I 1 GG bestimmt: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ Wie allerdings sogleich Satz  2 („Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.“) verdeutlicht, bedarf das Schutzgut 268  BVerfGE 110, 1 (23 ff.), BGHSt 47, 369 (376); Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 357 ff.; Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 30 ff.; Eser, Sanktionen (1969), S. 70 ff.; MK / Joecks, Vor § 73 Rn. 30 ff.; Julius, ZStW 109 (1997), 58 (59 ff., 87 ff.); Keusch, Verfall (2005), S. 62 ff.; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S.  361 ff.; Rönnau / Begemeier, GA 2017, 1 (5 ff.); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 40 ff.; SK / Wolters, § 73 Rn. 6. Außer Betracht bleibt hier der, u. a. in dieser Hinsicht umstrittene, erweiterte Verfall (§ 73d StGB a. F.).

86 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Eigentum (im Unterschied zu Schutzgütern wie Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II 1 GG) von vornherein einer rechtlichen Ausgestaltung. Wie das sich daraus ergebende Dilemma zwischen Abwehrgrundrecht auf der einen und Ausgestaltungsauftrag auf der anderen Seite aufzulösen ist, ist äußerst umstritten.269 Diese Untersuchung kann sich insofern auf die Frage beschränken, wann und wie gesetzgeberisches Handeln an Art. 14 GG zu messen ist. Dogmatisch spricht vieles für eine Trennung zwischen der Wahrnehmung der Ausgestaltungsbefugnis und Eingriffen in den abwehrrechtlichen Schutzbereich. Dazu sind in der Literatur diverse Abgrenzungsvorschläge entwickelt worden, wobei häufig  – anknüpfend an das Begriffspaar des Art. 14 I 2 GG – zwischen „Inhalts“-Bestimmungen (Ausgestaltung) und „Schranken“-Bestimmungen (Eingriffe) unterschieden wird.270 Die (bloßen) „Inhalts“-Bestimmungen wären danach zwar der Eröffnung des Schutzbereiches des Abwehrgrundrechts des Art. 14 GG vorgelagert, sie wären aber an der Institutsgarantie des Art. 14 GG zu messen, was u. a. auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfordern soll.271 Namentlich das BVerfG geht dagegen von einer Untrennbarkeit von „Inhalt“ und „Schranken“ aus und unterwirft „Inhalts- und Schrankenbestimmungen“ gemeinsam einer Rechtfertigungsprüfung, die der eines „normalen“ Abwehrgrundrechts stark angenähert ist (insbesondere Prüfung der Verhältnismäßigkeit).272 Da letztlich nach beiden Vorgehensweisen jegliche gesetzlichen Eigentumsregelungen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden, soll die Problematik hier nicht weiter vertieft und im Folgenden  – trotz dogmatischer Bedenken  – die Sichtweise des BVerfG zugrunde gelegt werden. Unter Inhalts- und Schrankenbestimmungen versteht das BVerfG die „generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind.“273 Damit ist die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff aufgeworfen.274 Dieser Begriff müsste 269  Instruktiv die Darstellungen bei vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 28 ff. einerseits und Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 27 ff. andererseits. 270  Eingehend etwa Sachs / Wendt, Art. 14 Rn. 54 ff.; s. auch die Überblicke über die vertretenen Meinungen bei Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 40 ff.; BK / Kimminich, Art. 14 Rn. 133 ff. sowie die Nachweise bei vMK / Bryde, Art. 14 Rn. 48; Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 92. 271  Sachs / Wendt, Art. 14 Rn. 57. 272  s. nur BVerfGE 25, 112 (117); 52, 1 (29); 68, 361 (368); 72, 66 (77 f.); 89, 237 (241); 115, 97 (114); dem folgend etwa vMK / Bryde, Art. 14 Rn. 48; MD / Papier, Art. 14 Rn. 307; Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 90 ff. 273  BVerfGE 72, 66 (76). 274  Zur Gebotenheit eines spezifisch verfassungsrechtlichen Begriffs s. BVerfGE 58, 300 (335): „Der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums muß aus der Verfassung selbst gewonnen werden. Aus Normen des einfachen Rechts, die



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aus dem Zweck der Eigentumsgarantie hergeleitet werden, den das BVerfG darin sieht, „dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen.“275 Eine von einfachrechtlicher Zuordnung freie Definition des „verfassungsspezifischen“ Eigentumsbegriffs hat das BVerfG jedoch bislang nicht vorgelegt; stattdessen heißt es:276 „Der Schutz betrifft grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass dieser die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“

Unbefriedigend bleibt an dieser Definition, dass hiernach unter Berufung auf Art. 14 GG gerade nicht gerügt werden könnte, wenn der Gesetzgeber bestimmten, faktischen Positionen, die sich zur eigenverantwortlichen, privaten Nutzung eignen würden, die entsprechende Zuordnung von vornherein versagt. Zur Abschöpfung von Taterträgen kann aber zunächst festgehalten werden: Der Schutzbereich des Art. 14 GG ist grundsätzlich jedenfalls bei der Entziehung von nach bürgerlichem Recht wirksam erworbenen und damit dem Betroffenen rechtlich zugeordneten Positionen eröffnet.277 Es ist noch darauf zurückzukommen, wie es sich mit Positionen verhält, deren Erwerb zivilrechtlich unwirksam ist. Zuvor muss aber noch eine grundlegendere, mögliche Einschränkung dieses Zwischenergebnisses erörtert werden: Sind solche (zivilrechtlich wirksam erworbenen) Positionen, die durch strafbares Verhalten erlangt worden sind, schon aus diesem Grund von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG herauszunehmen? 2. Einschränkung bei unerlaubtem oder sozialschädlichem Verhalten bzw. Missbrauch? Immer wieder ist der Versuch unternommen worden, grundrechtliche Schutzbereiche  – nicht nur, aber auch nicht zuletzt den des Art. 14 GG  – durch Gedanken eines „immanenten“ Vorbehalts unerlaubten bzw. sozialim Range unter der Verfassung stehen, kann weder der Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn abgeleitet noch kann aus der privatrechtlichen Rechtsstellung der Umfang der Gewährleistung des konkreten Eigentums bestimmt werden.“ 275  s. nur BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339); 68, 193 (222); 104, 1 (8 f.); 115, 97 (110); 134, 242 (290). 276  BVerfGE 115, 97 (111 f.), Hervorhebungen durch den Verfasser. 277  Zur Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 14 GG bei der Wertersatzabschöpfung unter 4.

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schädlichen Verhaltens oder des Missbrauchs bzw. der Verwirkung einzuschränken. Hier sollen zunächst die Grundlinien der allgemeinen grundrechtsdogmatischen Diskussion aufgenommen werden, bevor im Anschluss auf die konkret zu Art. 14 GG im Zusammenhang mit dem Verfall vertretenen Sichtweisen eingegangen wird. a) Zur allgemeinen Diskussion Zumindest in seiner Anfangszeit hat etwa das BVerwG die Auffassung vertreten, dass es zum „Inbegriff der Grundrechte“ gehöre, „daß sie nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn dadurch andere Grundrechte oder die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden.“278 Das BVerfG geht insbesondere bei Art. 12 GG traditionell davon aus, dass nur von der Rechtsordnung „erlaubte“ Tätigkeiten in den Schutzbereich der Berufsfreiheit fallen.279 Mittlerweile hat es seinen Standpunkt immerhin insofern eingeschränkt, als nur Tätigkeiten außer Betracht bleiben sollen, die „schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können.“280 Zur Kunstfreiheit (Art. 5 III GG) hat sich das Gericht (Vorprüfungsausschuss im Fall des „Züricher Sprayers“) einmal dahingehend geäußert, ihr Schutz erstrecke sich „von vorneherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung.“281 Von dieser Auffassung ist das Gericht jedoch mittlerweile zumindest in der Sache wieder abgerückt.282 278  BVerwGE 1, 92 (94); 2, 85 (87); näher dazu Julius, ZStW 109 (1997), 58 (62 f.) und vMK / v. Münch, 5. Auflage, Vor Art. 1 Rn. 58. 279  BVerfGE 7, 377 (397). 280  BVerfGE 115, 276 (301). Das wird etwa von Sachs / Bethge, Art. 5 Rn. 198c dahingehend verallgemeinert, dass alle Freiheitsrechte unter einem solchen Vorbehalt stünden. 281  BVerfG NJW 1984, 1293 (1294). Daraus folgern etwa Pieroth / Schlink / Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 688 f., die Kunstfreiheit beschränke sich auf den Schutz „auch sonst erlaubten Verhaltens […] wenn es Kunst herstellt und darbietet.“ 282  s. implizit im Fall „Esra“ BVerfGE 119, 1 (23: „Gerade wenn man den Begriff der Kunst im Interesse des Schutzes künstlerischer Selbstbestimmung weit fasst und nicht versucht, mit Hilfe eines engen Kunstbegriffs künstlerische Ausdrucksformen, die in Konflikt mit den Rechten anderer kommen, von vornherein vom Grundrechtsschutz der Kunstfreiheit auszuschließen […]“). In seiner aktuellen Entscheidung zum sog. „Sampling“ erwägt das Gericht nicht einmal, ob die „eigenmächtige Inanspruchnahme“ des fremden (geistigen) Eigentums „zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung“ von vornherein nicht von Art. 5 III GG gedeckt sein könnte,



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Die Problematik einer Beschränkung des Schutzbereiches von Grundrechten auf „erlaubte“ Tätigkeiten liegt auf der Hand: Sie führt zu einem Grundrechtsschutz nach Maßgabe der Gesetze und erlaubt es damit dem Gesetzgeber, seine Bindung an die Grundrechte (Art. 1 III GG) auszuhebeln. Zumindest diesem Einwand entgeht, wer stattdessen auf die Sozialschädlichkeit bzw. den Übergriff auf andere Grundrechte abstellt. Aber auch dies begegnet durchgreifenden Bedenken: Der grundsätzlich geschützte Freiheitsgebrauch wird mit seinen Schranken vermengt, man definiert das Grundrecht „von seinen Schranken her“.283 Das unterläuft den Vorbehalt des Gesetzes und schneidet insbesondere Abwägungsentscheidungen auf Rechtfertigungsebene ab.284 Statt genauer Prüfung, inwieweit Gemeinschafts- bzw. Individualinteressen tatsächlich beeinträchtigt werden und ob dies die in Rede stehende grundrechtliche Freiheitsausübung überwiegt, wird durch die bloße Behauptung von Evidenz ein unkontrollierbares Einfallstor für unsubstantiierte Einschränkungen geschaffen.285 Was „von vornherein“ oder „schlechthin“ nicht geschützt werden kann, ist selten so offensichtlich, wie teilweise behauptet wird.286 Aber auch offensichtlich gerechtfertigte Eingriffe sind systematisch nicht bereits auf Schutzbereichsebene zu lösen.287 Das bedeutet sondern gelangt ohne weiteres zu einer Abwägung, s. BVerfG NJW 2016, 2247 (2248). 283  Hufen, Staatsrecht II, § 6 Rn. 21 (s. auch den ganzen Abschnitt [Rn. 15 ff.] zu „unzulässigen Verkürzungen des Schutzbereichs“); so auch Dreier / Dreier, Vorbem. Rn. 120. 284  Vgl. Michael / Morlok, Grundrechte, Rn. 40. 285  Als Beispiel mag noch einmal dienen, dass nach der ratio der Entscheidung zum „Sprayer von Zürich“ sowohl der künstlerische Übergriff auf fremdes (geistiges) Eigentum im Fall des „Samplings“ als auch der künstlerische Übergriff auf fremde Persönlichkeitsrechte (etwa im Fall „Esra“) pauschal als von der Verfassung nicht gedeckt hätten zurückgewiesen werden müssen, was das BVerfG jeweils (völlig zurecht) nicht tut. 286  In der Literatur findet sich etwa die Auffassung, dass doch immerhin Tätigkeiten, die „evident dem Menschenbild des Grundgesetzes widersprechen“, bereits aus dem Schutzbereich des Art. 12 GG ausgenommen werden müssten; Tettinger, AöR 108 (1983), 92 (98); dem folgend Sachs / Mann, Art. 12 Rn. 54; vMKS / Manssen, Art. 12 Rn. 43. Dafür werden zwei Beispiele genannt: „Berufskiller“ und „Rauschgiftdealer“. Ersteres klingt zumindest auf den ersten Blick plausibel, aber ist auch jemand, der gewerbsmäßig Hilfe zur Selbsttötung leistet (vgl. den neuen § 217 StGB) oder Abtreibungen vornimmt (vgl. §§ 218 ff. StGB) ein „Berufskiller“? Dass die gegenwärtige Politik der strengen Drogenprohibition ein evidentes Postulat des Grundgesetzes darstellt, kann man jedenfalls keinesfalls behaupten, auch das BVerfG kommt in seiner „Cannabis“-Entscheidung anhand von Art. 2 I GG zu einer Abwägung, BVerfGE 90, 145 (171 f.). 287  Michael / Morlok, Grundrechte, Rn. 350, die deshalb konsequent auch den „Berufsverbrecher“ dem Schutz des Art. 12 GG unterstellen. Entsprechend für Art. 5 III GG Hufen, Staatsrecht II, § 33 Rn. 19: Sowohl der „Sprayer“-Fall als auch der

90 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

schlussendlich nicht, dass  – etwa im beliebten Beispiel des „Mordes auf offener Bühne“ bei Art. 5 III GG  – ein „Grundrecht auf Mord“ anerkannt wird. Denn es geht einzig und allein darum, auf welcher Ebene der Grundrechtsprüfung und damit nach welchen Regeln die Einschränkung zu diskutieren ist. Die Einschränkung grundrechtlicher Schutzbereiche durch „immanente“ Gemeinschaftsvorbehalte ist also grundsätzlich abzulehnen.288 b) Zur Diskussion von Verfall und Art. 14 GG Bei Art. 14 GG ist die Lage allerdings besonders: Aufgrund der diesem Grundrecht inhärenten Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers ist es den soeben erörterten Einschränkungen besonders zugänglich; hinzu kommt noch, dass das Eigentum durch Art. 14 II GG („Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“) ausdrücklich einer gewissen Gemeinwohlbindung unterworfen ist.289 Auf dieser Grundlage ist die einflussreiche Sichtweise Esers zur Vereinbarkeit von Verfall und Einziehung mit Art. 14 GG zu sehen, die häufig als „Missbrauchs- und Verwirkungslehre“ bezeichnet wird.290 Er geht davon aus, dass auch Grundrechte „prinzipiell mißbrauchbar und verwirkbar“ seien.291 Einen „verwirkungsbegründenden Mißbrauch“ sieht er im zweckfremden, d. h. „funktionswidrigen“ Rechtsgebrauch.292 Die soziale Funktion des Eigentums sei durch Art. 14 II GG herausgestellt; gemeinwohlwidriger Eigentumsgebrauch müsse daher als „mißbräuchlich“ angesehen werden.293 Der Einsatz des Eigentums zu Straftaten, aber auch das bloße Innehaben von aus Straftaten herrührenden Gegenständen sei in diesem Sinne als „Pervertierung der Sozialfunktion“ des Eigentumsgrundrechts anzusehen.294 häufig zitierte „Mord auf offener Bühne“ lassen sich auf Schrankenebene leicht lösen; in diesem Sinne auch Dreier / Wittreck, Art. 5 III (Kunst) Rn. 49. 288  Generell kritisch auch Dreier / Dreier, Vorbem. Rn. 120; Sachs / Sachs, Vor Art. 1 Rn. 119; vMK / v. Münch, 5. Auflage, Vor Art. 1 Rn. 58; a. A. aber vMKS / Starck, Art. 1 Rn. 323 ff., der es für problematisch hält „unser gesamtes Strafrecht als Lösung von Grundrechtskollisionen zu betrachten“ und daher alle „herkömmlichen [sic] unter Strafe stehenden und offensichtlich sozialschädlichen Handlungen“ dem Grundrechtsschutz von vornherein entziehen will. 289  Vgl.  Julius, ZStW 109 (1997), 58 (64). 290  Eser, Sanktionen (1969), S. 170 ff. (zu relevanten Vorarbeiten s. die Nachweise auf S. 150 ff., 170 f., 173 f.); ihm folgend etwa Krey / Dierlamm, JR 1992, 353 (358); Weßlau, StV 1991, 227 (229). 291  Eser, Sanktionen (1969), S. 176. 292  Eser, Sanktionen (1969), S. 179. 293  Eser, Sanktionen (1969), S. 180. 294  Eser, Sanktionen (1969), S. 181 ff.



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG91

Die Argumentation begegnet Bedenken.295 Die „Verwirkung“ von Grundrechten ist in Art. 18 GG geregelt. Schon dies spricht gegen die Existenz eines allgemeinen, verfassungsrechtlichen Verwirkungsgrundsatzes.296 Richtig ist, dass die Verfassung ausweislich von Art. 18 GG die Gedanken von Grundrechtsmissbrauch und -verwirkung immerhin kennt. Diese Regelung knüpft die Verwirkung aber an den Missbrauch bestimmter Grundrechte „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“. Das spricht dafür, dass dies nach der Verfassung den einzigen Fall „funktionswidrigen“ Gebrauchs von Grundrechten darstellt. Aus Art. 18 GG lässt sich also im Umkehrschluss folgern, dass der grundrechtliche Freiheitsgebrauch ansonsten in jeder subjektiven Zweckrichtung geschützt ist.297 Nun könnte freilich gerade Art. 14 II GG insofern eine Ausnahme darstellen; immerhin der Eigentumsgebrauch könnte von vornherein nur in sozialer Weise erlaubt sein. Das wäre der Fall, wenn man  – mit einer verbreiteten Auffassung298  – davon ausgeht, dass Art. 14 II GG (zumindest auch) eine unmittelbar an den Eigentümer gerichtete Anweisung enthält, wenn man der Regelung also eine „Grundpflicht“ zur sozialgerechten Eigentumsnutzung entnimmt.299 Dieser Auffassung zufolge sollen sich also unmittelbar aus Art. 14 II GG konkrete Rechtspflichten auch und gerade dann ergeben, wenn solche einfach-gesetzlich nicht geregelt sind. Das erscheint wenig plausibel. Nach Art. 14 II GG soll der Eigentumsgebrauch „zugleich“ dem Allgemeinwohl dienen. Damit ist im Umkehrschluss auf die zumindest gleichrangige Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs hingewiesen. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden offensichtlich gegenläufigen Tendenzen wird durch die Verfassung nur aufgeworfen. Das konkrete Verhältnis kann und möchte die Verfassung weder klären noch festschreiben, da dieses einer stetigen Neubewertung durch den Gesetzgeber bedarf. Art. 14 II GG muss daher ausschließlich als Direktive an ihn 295  Eingehende Kritik bei Julius, ZStW 109 (1997), 58 (59 ff.), ihm im Wesentlichen folgend Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 358; MK / Joecks, Vor § 73 Rn. 31; Keusch, Verfall (2005), S. 63 ff.; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 41 f.; SK / Wolters, § 73 Rn. 6. 296  Näher Julius, ZStW 109 (1997), 58 (60 ff.), der u. a. auch darauf hinweist, dass ein solcher Grundsatz in der neueren Verfassungslehre und -rechtsprechung keine Rolle spielt. 297  Vgl. auch Hufen, Staatsrecht II, § 6 Rn. 19, der zu Recht unter der Kategorie „unzulässiger Verkürzungen des Schutzbereiches“ auch vor Funktionalisierungen der Grundrechte warnt. 298  Besonders eindringlich BK / Kimminich, Art. 14 Rn. 151 ff., insbesondere Rn. 154, 165 f., 175; zudem vMK / Bryde, Art. 14 Rn. 66, 68; Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 107 f. 299  s. dazu im hiesigen Zusammenhang Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 46 und Julius, ZStW 109 (1997), 58 (65 f.).

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interpretiert werden, im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmungen (Art. 14 I 2 GG) das Ziel der Sozialpflichtigkeit zu verfolgen.300 Dies entspricht auch dem Vorgehen des BVerfG.301 Schließlich wahrt nur dieses Verständnis den Vorbehalt des Gesetzes,302 während die Gegenauffassung auf eine teilweise Ermächtigung der Rechtsprechung zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums hinausläuft.303 Damit lässt sich die Anknüpfung an Art. 14 II GG zur Begründung „missbräuchlichen“ Verhaltens nicht aufrechterhalten. Zugleich ist der tiefere Grund für das Fehlgehen von Esers Argumentation aufgedeckt:304 Eine Rechtfertigung von Verfall und Einziehung (bloß) aus der Schrankenziehungsbefugnis (Art. 14 I 2 GG) hatte Eser deshalb zurückgewiesen, weil er darin nur einen formalen Anknüpfungspunkt sah und eine „innere“ Legitimation der Maßnahme vermisste,305 die er dann in der Gemeinwohlbindung sucht. Jedenfalls seit der Neujustierung der Eigentumsdogmatik im berühmten „Nassauskiesungs“Beschluss des BVerfG306 ist jedoch geklärt, dass die Befugnis zur Inhaltsund Schrankenbestimmung dem Gesetzgeber unter Berücksichtigung u. a. des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Sozialbindung (Art. 14 II GG) das Recht zur Regelung von Eigentumsrechten, sogar bis zu ihrer Beseitigung, gibt.307 Die „Missbrauchs- und Verwirkungslehre“ ist also zurückzuweisen. 300  vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 218; MD / Papier, Art. 14 Rn. 306; Sachs / Wendt, Art. 14 Rn. 72. In hiesigem Zusammenhang: Julius, ZStW 109 (1997), 58 (65 f.); ihm folgend MK / Joecks, Vor § 73 Rn. 31; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 42; SK / Wolters, § 73 Rn. 6. 301  Die Gegenauffassung kann sich nur auf ein vereinzeltes Zitat des BVerfG stützen, das eine eigenständige „Grundpflicht“ aus Art. 14 II GG nahelegt, BVerfGE 21, 73 (83): „Das Gebot sozialgerechter Nutzung ist aber nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten.“ In weiteren Entscheidungen betont das Gericht nur noch den letzteren Aspekt, deutlich etwa BVerfGE 89, 237 (241: „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, bei Erfüllung des Regelungsauftrags gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz  2 GG der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG in gleicher Weise Rechnung zu tragen und die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.“). 302  MD / Papier, Art. 14 Rn. 306. 303  Die Verteidigung gegen diesen Vorwurf von BK / Kimminich, Art. 14 Rn. 175 räumt ihn nicht aus der Welt. 304  Vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 358. 305  Eser, Sanktionen (1969), S. 166 ff. 306  BVerfGE 58, 300 (330 ff.). 307  Vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 358; Julius, ZStW 109 (1997), 58 (66 f.).



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG93

Der Bundesgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung zum Bruttoprinzip geäußert, die vom Verfall betroffenen Vermögenspositionen „dürften“ bereits nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen.308 Das begründet er damit, dass sie aus rechtswidrigen Geschäften stammten und es sich daher nicht um „wohlerworbene, sondern um von vornherein bemakelte Positionen“ handele. Dass diese Ansicht nicht haltbar ist, ergibt sich wiederum daraus, dass danach dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Strafrechts entgegen Art. 1 III GG ein dem Grundrechtsschutz vorgelagerter Freiraum gewährt würde.309 c) Ergebnis Den Versuchen, grundrechtliche Schutzbereiche durch Vorbehalte sozialschädlichen bzw. unerlaubten Verhaltens oder Gedanken des Missbrauchs bzw. der Verwirkung einzuschränken, ist also ganz grundsätzlich entgegenzutreten. Das gilt, trotz des Gemeinwohlvorbehalts in Art. 14 II GG, im Ergebnis auch bei dem Grundrecht aus Art. 14 GG. Die der Abschöpfung von Taterträgen unterliegenden Vermögensgegenstände sind also dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht aufgrund ihrer strafrechtlich „bemakelten“ Herkunft entzogen. 3. Ausschluss von zivilrechtlich unwirksam erworbenen Vermögenspositionen? In seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls hat das BVerfG eine differenzierende Einschränkung des Schutzbereiches von Art. 14 GG vorgenommen. Bis zu dieser Entscheidung hatte sich das BVerfG nur dahingehend geäußert, dass „schutzwürdig“ im Bereich von Art. 14 GG nur Rechtspositionen seien, die „rechtmäßig erworben“ wurden.310 Aufgrund der Knappheit dieser Aussage ließ sich aber nicht beurteilen, ob bereits der Schutzbereich nicht eröffnet oder das Eigentumsgrundrecht nur im Ergebnis nicht verletzt sein soll.311 In der Entscheidung zum erweiterten Verfall differenziert das Gericht dann wie folgt: Soweit Gegenstände betroffen sind, die der Betroffene deliktisch, aber gleichwohl zivilrechtlich wirksam erworben hat, stelle der Verfall eine Inhalts- und 308  BGHSt 309  Vgl.

Rn. 6.

47, 369 (376). auch Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 51; SK / Wolters, § 73

310  BVerfGE

87, 363 (394). Eigentumsentziehungen (1998), S. 50; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 40; SK / Wolters, § 73 Rn. 6. 311  Dannert,

94 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Schrankenbestimmung dar.312 Dagegen soll bei einem Zugriff auf Vermögenswerte, „die dem unmittelbar Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften zivilrechtlich nicht zustehen (vgl. § 134, § 935 BGB), […] dessen Eigentumsgrundrecht schon mangels einer schutzfähigen Rechtsposition nicht berührt“ sein.313 Damit bezieht sich das Gericht insbesondere auf Betäubungsmittelgeschäfte, bei denen sowohl das Verpflichtungsgeschäft, als auch die Verfügungsgeschäfte gem. § 134 BGB unwirksam sein sollen. Diese Differenzierung folgt daraus, dass nach dem BVerfG der Schutz des Art. 14 GG zu beziehen ist auf „alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass dieser die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“314 Das BVerfG wendet den eigenen Maßstab aber bereits nicht konsequent an. Man kann die Wirkungen des § 134 BGB nämlich nicht beschreiben, ohne § 817 S. 2 BGB zu berücksichtigen:315 Bei einem Betäubungsmittelgeschäft mögen beide Seiten zwar kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinne erlangen, zumindest der Verkäufer kann aber nach § 817 S. 2 BGB über den erhaltenen Geldbetrag ohne Rückforderungsmöglichkeit des Käufers und damit nach freiem Belieben verfügen. Damit hat er ein vermögenswertes Recht erlangt, das ihm in einer Weise rechtlich zugeordnet ist, dass er „die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“316 Zugleich belegt die Differenzierung des BVerfG die Unzulänglichkeit seiner Schutzbereichsdefinition,317 die entgegen der Beteuerung der Notwendigkeit eines „verfassungsspezifischen“ Eigentumsbegriffs letztlich doch das einfache Recht über die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes bestimmen lässt. Das erscheint nicht nur grundlegend verfehlt, es führt in diesem Zusammenhang auch zu eigentümlichen Konsequenzen. Merkwürdig ist an der Differenzierung des BVerfG erstens, dass die Eröffnung des Schutzbereichs danach insbesondere von der an der zivilrechtlichen Interessenlage ausgerichteten Dogmatik des § 134 BGB abhängt. Bei § 134 BGB muss zunächst unter Berücksichtigung des Zwecks des übertretenen Gesetzes das Vorliegen eines Verbotsgesetzes geprüft wer­ 312  BVerfGE

110, 1 (24). 110, 1 (23 f.). 314  s. bereits unter 1., Hervorhebung durch den Verfasser. 315  Vgl. MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 114; Erman / Arnold, § 134 Rn. 22; Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 142, 191. 316  So bereits in der Sache Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 49. 317  Zur grundsätzlichen Kritik bereits unter 1. 313  BVerfGE



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG95

den,318 auch Strafgesetze stellen nicht automatisch solche dar.319 Das Vorliegen eines Verbotsgesetzes führt aber noch nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit des Geschäfts, stattdessen ist unter Berücksichtigung des Zwecks des übertretenen Gesetzes weiter zu prüfen, ob es diese Rechtsfolge auch tatsächlich erfordert.320 Die Maßgeblichkeit genuin zivilrechtlicher Wertungen für diese Prüfung zeigt sich etwa bei Betrug (§ 263 StGB) und Erpressung (§ 253 StGB): Hier soll die Regelung des § 123 BGB der automatischen Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB vorgehen, damit dem Betroffenen die Möglichkeit verbleibt, das Geschäft dennoch gelten zu lassen.321 Sollten derartige Erwägungen tatsächlich über die Eröffnung eines grundrechtlichen Schutzbereiches entscheiden? Die Differenzierung des BVerfG führt aber auch zu einer eigentümlichen Privilegierung gesetzlichen Eigentumserwerbs (§§ 946 ff. BGB):322 Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Folgen der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung von Sachen durch Anknüpfung an die rein tatsächliche Veränderung sachenrechtlich klar und endgültig zu regeln und den (ggf. erforderlichen) Ausgleich durch § 951 BGB auf die schuldrechtliche Ebene zu verlagern.323 Die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von Gegenständen, die aus Straftaten herrühren, lassen also originäres Eigentum entstehen und eröffnen damit (nach der Differenzierung des BVerfG) den hinsichtlich der Ausgangsgegenstände nicht eröffneten Schutzbereich des Art. 14 GG. Auch das ist nicht gerade stimmig.

318  BGHZ 85, 39 (43); 118, 142 (144); MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 41 f.; Erman / Arnold, § 134 Rn. 13; eingehend Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 1 ff., 30 ff.; umstritten ist, inwieweit der Umstand relevant ist, dass nur einer oder beide Beteiligten gegen das Gesetz verstoßen, s. dazu MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 47 f., 51 f.; Erman / Arnold, § 134 Rn. 17, 67; Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 71 ff. 319  BGHZ 53, 152 (156); 118, 142 (144 f.); MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 51; Erman / Arnold, § 134 Rn. 67; Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 78, 290. 320  BGHZ 53, 152 (156); 143, 283 (286); MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 103; Erman / Arnold, § 134 Rn. 16; Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 9, 34, 57 ff. 321  MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 53; Erman / Arnold, § 134 Rn. 67; Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 294; s. auch Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 49. Ähnliches könnte entgegen MKBGB / Armbrüster, § 134 Rn. 53 auch bei Geschäften des Hehlers (§ 259 StGB) gelten, damit der Eigentümer sein Recht zur Genehmigung (§ 185 II 1 BGB) wahrnehmen kann, so Staudinger / Sack / Seibl, § 134 Rn. 293. 322  Vgl. zu folgendem bereits (allerdings unkritisch) Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 48. 323  Vgl. Erman / Ebbing, Vor §§ 946-952 Rn. 1 ff.; MKBGB / Füller, § 951 Rn. 1; Staudinger / Wiegand, Vor §§ 946-952 Rn. 1 f., 9.

96 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Das BVerfG gibt also dem einfachen Recht mit dem Ausschluss zivilrechtlich unwirksam erworbener Vermögensgegenstände aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG (immer noch) zu viel Gewicht und versäumt dabei eine wirklich „verfassungsspezifische“ Bestimmung des Eigentumsbegriffs. Entsprechendes kann freilich auch diese Untersuchung nicht leisten. Es kann nur festgehalten werden, dass konsequenterweise  – in problematischen Fällen wie den hiesigen – Bestimmungen des einfachen Gesetzgebers jedweder Art bei der Bestimmung des Schutzbereiches außer Betracht zu bleiben haben.324 Damit bleibt vorerst  – vorbehaltlich der Entwicklung weiterer, materieller Kriterien – nur, dass bereits das Innehaben einer faktischen Position mit dem Potenzial der privatnützigen Verwendung zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung für die Schutzbereichseröffnung ausreichen muss. Das hätte zur Folge, dass sich z. B. auch der Dieb hinsichtlich des Diebesguts auf Art. 14 GG berufen könnte – es gilt dann bei ihm wie etwa beim „Sprayer von Zürich“, dass die Rechtfertigung des Eingriffs (Abwägung mit dem Interesse des Eigentümers im zivilrechtlichen Sinne) nur besonders leicht fällt. Dennoch scheint (auch hier) der Schutzbereich nicht der richtige Ort zur Lösung des Problems zu sein, weil auf Ebene der Verfassung nicht ohne Abwägung entschieden werden kann, wem eine bestimmte Position (nicht) zusteht. Das zeigt sich etwa deutlich bei den vom BVerfG ausdrücklich aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG herausgenommenen Betäubungsmitteln, deren Erwerb nicht nur illegal, sondern durch das gesetzliche Verbot „schlicht unmöglich“325 ist. Sie allein deshalb aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG herauszunehmen, geht nicht an, weil die Verhältnismäßigkeit der Politik der strengen Drogenprohibition bestritten werden kann und jedenfalls das Ergebnis einer umfassenden Abwägung sein muss.326 4. Abschöpfung des Wertersatzes und Art. 14 GG Die bisherige Betrachtung hat sich auf die Abschöpfung von konkreten Vermögenspositionen beschränkt. Die Anordnung der Abschöpfung von Wertersatz (§ 73c StGB bzw. § 73a StGB a. F.) führt allerdings (nur) zur 324  Weniger weitgehend im Ergebnis Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 51, die den Schutzbereich des Art. 14 GG letztlich dann nicht für eröffnet hält, wenn „durch ein gesetzliches Verbot der Erwerb eines bestimmten Gutes schlicht unmöglich ist.“ Damit wird aber letztlich auch für sie der „Schutzbereich ausgeformt durch einfach-gesetzliche Vorschriften“, was zuvor (auf derselben Seite!) noch zurückgewiesen wurde. 325  Im Sinne Dannerts, s. vorherige Fn. 326  So im Vorgehen auch die „Cannabis“-Entscheidung BVerfGE 90, 145 (171 f., anhand von Art. 2 I GG), dazu hinsichtlich des „Rauschgiftdealers“ und Art. 12 GG bereits unter 2. a).



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG

97

Begründung einer Zahlungspflicht des Betroffenen. Die Eröffnung des Schutzbereiches des Art. 14 GG könnte hier fraglich sein,327 da Art. 14 GG nach traditioneller Auffassung nicht das Vermögen als solches und daher nicht vor öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten schützen soll.328 Allerdings ist das BVerfG (2. Senat) zuletzt von dieser Ansicht zumindest in der Sache weitestgehend abgerückt.329 Dies wohl auch zu Recht: Die Auferlegung einer Geldleistungspflicht verkürzt genauso wie der Entzug einer konkreten Vermögensposition die Funktion des Art. 14 GG (einen „Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und […] die eigenverantwortliche Gestaltung [des] Lebens zu ermöglichen“330), da sie die Möglichkeit nimmt, mit seinem Vermögen frei zu verfahren.331 Das mag auch folgende Überlegung untermauern: Die etwaige Vollstreckung der Geldleistungspflicht kann wiederum nicht anders als durch Zugriff auf eine konkrete Vermögensposition erfolgen, was offensichtlich als Eingriff in Art. 14 GG gewertet werden müsste. Dann erscheint es aber kaum nachvollziehbar, für die Anordnung der Geldleistungspflicht nur Art. 2 I GG heranzuziehen; jedenfalls müsste man dabei materiell bereits die Maßstäbe des Art. 14 GG anlegen, da die Anordnung zu ihrer Vollstreckung ohne erneute Verhältnismäßigkeitsprüfung ermächtigen soll.332 327  Auf diese Problematik haben erstmals Rönnau / Begemeier, GA 2017, 1 (6) hingewiesen. 328  Ständige Rechtsprechung des 1. Senats des BVerfG seit BVerfGE 4, 7 (17), zuletzt BVerfGE 95, 267 (300 f.); näher und mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen dazu etwa Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 187 f.; MD / Papier, Art. 14 Rn. 165 f. Zum Verständnis der traditionellen Auffassung erscheint wichtig zu betonen, dass sie auf Spezifika des staatlichen Rechts zur Besteuerung fußt, für die diese Sicht entwickelt wurde: Insbesondere im Anschluss an Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8 (32), der eine „scharfe Abgrenzung der Steuerhoheit von dem […] Schutz des Eigentums“ beschworen hatte, wird noch heute vertreten (etwa Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 68, s. auch vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 162), dass die Grenzen der Besteuerung prinzipiell der Entscheidung des Gesetzgebers, allenfalls nach Maßgaben wie dem Sozialstaatsprinzip und dem Gleichbehandlungsgrundsatz, unterliegen sollten. 329  BVerfGE 93, 121 (137 f.); 115, 97 (110 ff.), zu Vorarbeiten in der Literatur etwa vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 165 ff.; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 188 f.; MD / Papier, Art. 14 Rn. 166; Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 67. 330  Nachweise dazu bereits unter 1. 331  Vgl. insbesondere MD / Papier, Art. 14 Rn. 166. Dogmatisch unhaltbar ist dagegen, wenn nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BVerfG [zuletzt BVerfGE 95, 267 (300 f.)] eine Betroffenheit des Art. 14 GG (nur, aber wieso denn nun doch?) bei „erdrosselnder Wirkung“ der staatlichen Geldleistungspflicht anzunehmen sein soll; so auch vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 163; Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 189; Rönnau / Begemeier, GA 2017, 1 (6 Fn. 44). 332  Wohl in ähnlichem Sinne meinen etwa vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 169 und Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 188 f., dass dem bloßen Umstand der

98 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Im Ergebnis gelten daher für die Abschöpfung von Wertersatz jedenfalls die gleichen Maßstäbe wie für den Zugriff auf konkrete Originalgegen­ stände. 5. Ergebnis Damit fallen alle Vermögenswerte, auf die der Staat bei der Abschöpfung von Taterträgen zugreift und das Vermögen als solches, soweit es von einer Pflicht zur Leistung von Wertersatz für einen Tatertrag belastet wird, unter den grundsätzlichen Schutz des Art. 14 GG.

II. Bestimmung des Eingriffstyps Bisher wurde nur über den  – ausgehend von der Dogmatik des BVerfG: gemeinsamen – Eingriffstyp „Inhalts- und Schrankenbestimmungen“ (Art. 14 I 2 GG) gesprochen, denkbar wäre aber auch eine Einordnung der Abschöpfung von Taterträgen als „Enteignung“, was die besonderen Rechtfertigungsanforderungen des Art. 14 III GG auslösen würde. Im bereits angesprochenen „Nassauskiesungs“-Beschluss hat das BVerfG  – um richterrechtlichen Erweiterungen des BGH und des BVerwG für besonders schwere „enteignende“ bzw. „enteignungsgleiche“ Eingriffe zu begegnen  – klargestellt, dass die Enteignung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen kategorisch zu trennen ist und insbesondere unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen keinesfalls in Enteignungen „umschlagen“.333 Den besonderen Eingriffstyp „Enteignung“ definiert das Gericht seither wie folgt:334 „[Enteignung] ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz  1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet […]. [Sie] ist beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll.“

Wahlfreiheit des Eigentümers, woraus er die Geldleistungspflicht erfüllen möchte, keine entscheidende Bedeutung zukommen könne. 333  BVerfGE 58, 300 (320, 330 ff.). 334  BVerfGE 104, 1 (9 f.). Spätestens mit dieser Entscheidung hat das BVerfG endgültig die Rückkehr zum „klassischen“, „formellen“ oder „finalen“ Enteignungsbegriff vollzogen, vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 407; MD / Papier, Art. 14 Rn. 527. Näher zur Entwicklung des Enteignungsbegriffs vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 401 ff.; BK / Kimminich, Art. 14 Rn. 180 ff.; MD / Papier, Art. 14 Rn. 523 ff.



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG99

Danach handelt es sich bei der Abschöpfung von Taterträgen, worüber im Ergebnis auch Einigkeit besteht,335 nicht um eine Enteignung: Es fehlt an dem finalen Moment der Entziehung zur Erfüllung eines konkreten öffentlichen Vorhabens, da es nur darum geht, die betroffenen Vermögenswerte aus dem Verkehr zu ziehen. Das ist kein staatlicher „Güterbeschaffungsvorgang“. Gegen diese Begründung wendet sich jedoch Dannert, die das finale Moment nicht als Definitionsbestandteil der Enteignung anerkennen möchte.336 Das beruht aber letztlich auf einem Missverständnis. Sie setzt nämlich das finale Moment der Enteignungsdefinition mit der Anforderung des Art. 14 III 1 GG gleich, wonach die Enteignung „nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“ ist. Daran ist richtig, dass sich die Definition des BVerfG (erneut)337 teilweise den Vorwurf gefallen lassen muss, Begriff und Legitimationsvoraussetzungen einer Maßnahme miteinander zu vermengen.338 Letztlich lassen sich die Rechtfertigungsanforderung des Art. 14 III 1 GG und der Begriff der Enteignung aber doch voneinander trennen,339 indem man definitorisch nicht bereits die Erfüllung „öffentlicher Aufgaben“ im engeren Sinne fordert und dafür entscheidend auf den plastischen Begriff des hoheitlichen „Güterbeschaffungsvorgangs“ abstellt. Die Beschaffung einer Villa zu Wohnzwecken eines habgierigen Herrschers etwa stellt danach eine Enteignung dar, die aber gegen Art. 14 III 1 GG verstößt.340 Letztlich geht auch Dannert so vor, wenn sie für entscheidend hält, dass es dem Staat bei der Abschöpfung der Taterträge nicht um die Erlangung bestimmter Güter zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe geht.341 335  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 358; Eser, Sanktionen (1969), S. 161; Julius, ZStW 109 (1997), 58 (88); Keusch, Verfall (2005), S. 67 f.; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 363; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 43; SK / Wolters, § 73 Rn. 6; im Ergebnis auch Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 56; implizit auch BVerfGE 110, 1 (23 f.); BGHSt 47, 369 (376). 336  Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 52 ff. 337  Zum entsprechenden Vorwurf bei der Bestimmung des Begriffs „Strafe“ durch das BVerfG s. B. II. 1. b) aa). 338  Der gleiche Fehler wird gemacht, wenn man das Fehlen einer Entschädigungsregelung (Art. 14 III 2 GG) für die Frage heranzieht, ob eine Enteignung vorliegt, so aber Eser, Sanktionen (1969), S. 156; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 363; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 44; zu Recht kritisch zu weiteren, ähnlichen Stellungnahmen Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S.  54 ff. 339  So auch vMKS / Depenheuer, Art. 14 Rn. 413 f.; Michael / Morlok, Grundrechte, Rn. 696; Sachs / Wendt, Art. 14 Rn. 151 f.; a. A. Hufen, Staatsrecht II, § 38 Rn. 20. 340  Das Beispiel wird von Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 54 als argumentum ad absurdum dafür gebraucht, dass die Gemeinwohlförderung nicht Begriffsbestandteil der Enteignung sein könne. 341  Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 56.

100 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Das Recht der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen stellt also keine Enteignung (Art. 14 III GG), sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 I 2 GG) dar.

III. Rechtfertigung Die Maßnahme müsste, um grundrechtlich gerechtfertigt zu sein, insbesondere verhältnismäßig, d. h. zur Verfolgung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. 1. Verfolgung eines legitimen Zwecks Die Bestimmung des (verfassungslegitimen) Eingriffszwecks ist Voraussetzung der Verhältnismäßigkeitsprüfung, weil sie den Bezugspunkt der Zweck-Mittel-Relation darstellt.342 Hierzu muss zwischen Tatbeteiligten und Drittbegünstigten als Betroffenen unterschieden werden. a) Tatbeteiligte Der Zweck der Abschöpfung der Taterträge liegt in der Generalprävention und damit letztlich im Schutz der strafrechtlichen Rechtsgüter.343 Das erfasst jedenfalls die Anordnung gegen Tatbeteiligte und ist insofern auch zweifellos ein verfassungslegitimer Zweck. An dieser Stelle zeigen sich die Vorzüge der hiesigen Rechtsgrundbestimmung. So ist mit Blick auf den (angeblichen) Zweck der Maßnahme als „Ausgleich einer unrechtmäßigen Vermögensverschiebung“ in der Sache völlig zu Recht die Frage aufgeworfen worden, ob hierin ein verfassungslegitimer Zweck liegt, wenn der Staat an der vorangegangenen Vermögensverschiebung nicht beteiligt war.344 Als problematisch stellt es sich in diesem Zusammenhang auch dar, den Zweck der Abschöpfung von Taterträgen bloß mit der „Wiederherstellung der Rechtsordnung“ beschreiben. Denn hier droht eine Vermischung von Zweck und Mittel: Eine Zweck-Mittel-Relation kann nur geprüft werden, wenn der angegebene Zweck auf seine Bedeutung für die Gesellschaft hin überprüfbar ist und sich nicht in einer bloßen Paraphrasierung des Mittels erschöpft.345 Um nichts anderes als solche ParaphraKaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 116. dazu unter A. II. 5. 344  Julius, ZStW 109 (1997), 58 (91); dem folgend Keusch, Verfall (2005), S. 70. Bei der hiesigen Rechtsgrundbestimmung erledigt sich diese Frage; s. A. II. 5. e). 345  Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 121 f. 342  Vgl.

343  Eingehend



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG101

sierungen handelt es sich aber, wenn man teilweise liest, der Verfall bezwecke die Abschöpfung unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachses.346 Das Mittel wird so zum Selbstzweck und eine (kritische) Verhältnismäßigkeitsprüfung unmöglich.347 b) Drittbegünstigte Fraglich ist allerdings, inwiefern der Zweck, durch Ergänzung der Strafandrohung generalpräventiv die Begehung von Straftaten zu vermeiden und damit die strafrechtlichen Rechtsgüter zu schützen, grundsätzlich auch den Zugriff auf Drittbegünstigte erfordert. Dazu muss untersucht werden, in welcher Rolle die Abschöpfung bei Drittbegünstigten die Allgemeinheit ansprechen könnte: Müsste eine solche Maßnahme als „neue“, an die Allgemeinheit als (potenzielle) Drittbegünstigte gerichtete Anforderung verstanden werden (dazu 1.)? Oder ist die Erweiterung als Ergänzung der an die Allgemeinheit als (potenzielle) Tatbeteiligte gerichteten Abschöpfungsandrohung zu begründen (dazu 2.)? aa) Einwirkung auf Allgemeinheit als (potenzielle) Drittbegünstigte Naheliegend mag zunächst erscheinen, dass bei Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten auch die generalpräventive Einwirkung auf diese Rolle bezogen werden muss. Damit würde allerdings ein völlig neuer Weg beschritten: Es ginge nicht mehr darum, die Allgemeinheit von der Begehung von Straftaten abzuhalten. Vielmehr würde der Allgemeinheit die Pflicht auferlegt, die Begehung von Straftaten zu eigenen Gunsten durch andere zu verhindern. Die Abschöpfung beim Drittbegünstigten hätte dann letztlich den Zweck, zu entsprechendem Verhalten anzuhalten. Eine dementsprechende Argumentationslinie findet sich in der Rechtsprechung des BGH, wenn der Präventionszweck des (Brutto-)Verfalls in Bezug auf einen Drittbegünstigten dort wie folgt begründet wird:348 346  So etwa im Anschluss an eine ständige Formulierung des BGH (s. nur BGHSt 28, 369; 30, 46 [51]; 31, 145) SS / Eser, Vor § 73 Rn. 18; Fischer, § 73 Rn. 2a; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 1; NK / Saliger, Vor § 73 Rn. 5; SK / Wolters, § 73 Rn. 7; s. dazu und zu ähnlichen Formulierungen mit weiteren Nachweisen auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 192 f. 347  Zu dieser Kritik auch bereits bei der Zurückweisung von „Anforderung der Gerechtigkeit“ bzw. „Wiederherstellung des Rechts“ als Rechtsgrund der Abschöpfung unter A. II. 4. 348  BGHSt 47, 369 (374); s. auch SSW / Burghart, § 73 Rn. 51; LR / Lindemann, § 73 Rn. 24; Pelz, in: FS I. Roxin (2012), 181 (182); WJ / Podolsky, WiStrR, Kap. 28 Rn.  33 f.; Theile, ZJS 2011, 333 (335 f.); GJW / Wiedner, § 73 Rn. 45.

102 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen „Soweit der Täter oder Teilnehmer für den Dritten handelt, soll er das für den Dritten nicht risikolos tun können. Die den Dritten treffende Folge, daß auch seine Aufwendungen nutzlos waren, kann und soll bewirken, daß der Dritte – namentlich ein hierarchisch organisiertes Unternehmen – Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten errichtet und auf deren Einhaltung achtet.“

Diese Argumentation greift aber nicht nur namentlich, sondern vielmehr ausschließlich bei hierarchisch organisierten Unternehmen.349 Selbst wenn insoweit eine Pflicht zur Einrichtung von Compliance-Programmen350 zu begründen wäre, könnte man entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten Dritter zu eigenen Gunsten wohl kaum von natürlichen, nicht unternehmerisch handelnden Person verlangen. Hinzu käme, dass man auch die gegenläufige Konsequenz zu ziehen bereit sein müsste: Das Vorhandensein von Compliance-Programmen in einem Unternehmen würde das Präventionsbedürfnis verringern,351 ggf. sogar auf Null. Denn auch die größten Compliance-Anstrengungen eines Unternehmens können die Begehung von Straftaten aus dem Unternehmen heraus nicht vollständig verhindern.352 Das sieht der BGH offenbar nicht. Auf diesem Weg könnte eine Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten also allenfalls äußerst eingeschränkt begründet werden. Der Zugriff müsste abhängig gemacht werden von der Verletzung einer (begründungsbedürftigen) Handlungspflicht des Dritten zur Verhinderung von Straftaten anderer. bb) Einwirkung auf Allgemeinheit als (potenzielle) Tatbeteiligte Eine Einbeziehung von Drittbegünstigten bei der Abschöpfung von Taterträgen könnte indes auch als Ergänzung der an die Allgemeinheit als (potenzielle) Tatbeteiligte gerichteten, generalpräventiv verstandenen Ansage, dass „Verbrechen sich nicht lohnt“, zu erklären sein. Insofern ist festzustellen, dass eine Beschränkung auf die Abschöpfung bei Tatbeteiligten teilweise eklatante Lücken ließe, die eine Beeinträchtigung dieses generalpräventiven Grundgedankens besorgen ließen. Am deutlichsten wird dies, wenn der Vorteil von vornherein (unmittelbar) bei einem Dritten auftritt, hier würde die Abschöpfung ansonsten in die Leere greifen. Straftaten könnten sich also immerhin für andere auszahlen  – generalpräauch Hohn, wistra 2003, 321 (325). BGH nimmt mit seiner Forderung an Unternehmen Bezug auf eine Entwicklung, die sich unter dem Begriff „Criminal Compliance“ in jüngerer Zeit zu einem eigenen Teilrechtsgebiet entwickelt hat; vgl. Rotsch / Theile, Compliance, § 38 Rn. 25 und den Überblick bei Rotsch / Rotsch, Compliance, §§ 1, 2. 351  LR / Lindemann, § 73 Rn. 24; Rotsch / Theile, Compliance, § 38 Rn. 30. 352  Hofmann, wistra 2008, 401 (408); Michalke, money, money, money… (2004), S. 97 (104); Rotsch / Theile, Compliance, § 38 Rn. 30. 349  So

350  Der



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG103

ventiv ist das offensichtlich nicht hinzunehmen. Nichts anderes gilt aber grundsätzlich auch dann, wenn der Tatertrag erst nachträglich (mittelbar) in das Vermögen eines Dritten gelangt, praktisch können die beiden Konstellationen ohnehin eng beieinander liegen. Auch hier geht es darum, dass wenigstens andere von der Straftat profitieren könnten. Es wäre also vornherein zu eng gedacht, zur Vermeidung der Begehung von Straften und damit zum Schutz der strafrechtlichen Rechtsgüter nur anzuordnen, dass dem Tatbeteiligten seine erzielten Erträge abgenommen werden. Während die Strafe nur gegen einen Tatbeteiligten verhängt werden kann, müssen die Erträge der Tat überall dort, wo sie aufgetreten oder hingeflossen sind, abgeschöpft werden. Ob das bloße Innehaben eines Tatertrages auf Grundlage dieser Begründung tatsächlich für den Zugriff auf einen Dritten ausreicht, könnte man aber bezweifeln. Lässt sich die Abschöpfung mit generalpräventiver Einwirkung auf (potenzielle) Tatbeteiligte nicht nur bei gezielter Begünstigung des Dritten begründen, weil die Abschöpfung nur dann den Tatanreiz betrifft? Diese Überlegung mag naheliegen, sie griffe aber zu kurz: Wenn die Generalprävention so eng zu verstehen wäre, dürfte es schon überhaupt nur Absichtsdelikte geben. Man müsste also jedenfalls auch sicheres Wissen, bedingten Vorsatz und Fahrlässigkeit bezüglich des Vorteilseintritts (beim Dritten) ausreichen lassen. Übrig bliebe dann noch insbesondere der Fall eines völlig unvorhersehbaren Vorteilseintritts (beim Dritten). Hielte man hier eine Abschöpfung für nicht begründbar, müsste man dies allerdings konsequenterweise auch so sehen, wenn der Tatbeteiligte selbst etwas erlangt, mit dem er nicht hätte rechnen können. Das dürfte kaum überzeugen, die generalpräventive Begründung der Abschöpfung der Taterträge zwingt dazu aber auch nicht: Für die generalpräventive Begründung der Strafe muss dem Tatbeteiligten das verursachte Unrecht in irgendeiner Form subjektiv zugerechnet werden können; die von ihr gerade zu unterscheidende, an die rechtswidrige Begehung einer Straftat nur anknüpfende und die generalpräventive Wirkung der Strafdrohung absichernde Maßnahme der Abschöpfung der Taterträge darf sich dagegen auf alles beziehen, was objektiv aus bzw. für eine rechtswidrige Tat erlangt wird. Wenn man dies für den Tatbeteiligten so sieht, dann ist nicht ersichtlich, warum für Drittbegünstigte kategorisch anderes gelten sollte. Das bedeutet: Jeder, der einen auf eine Straftat zurückzuführenden Vermögensgegenstand hat, soll ihn grundsätzlich abgeben müssen. Ansonsten würde die generalpräventive Wirkung des Mottos „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen“ unterlaufen und der Schutz der strafrechtlichen Rechtsgüter gefährdet.

104 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

cc) Ergebnis Im Grundsatz ist der Zugriff auf jeden Drittbegünstigten, der einen auf eine Straftat zurückzuführenden Gegenstand in seinem Vermögen hat, generalpräventiv mit einer notwendigen Ergänzung der an die Allgemeinheit als (potenzielle) Tatbeteiligte gerichteten, generalpräventiven Ansage, dass „Verbrechen sich nicht lohnt“, zu erklären. Faktische Wirkung einer solchen Regelung mag (auch) sein, dass manche  – insbesondere Unternehmen, die sich einem erhöhten Risiko der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten ausgesetzt sehen – es für sinnvoll erachten werden, Vorkehrungen gegen die Begehung von Straftaten anderer zu eigenen Gunsten zu treffen. Diese Wirkung stellt jedoch einen bloßen Reflex dar. 2. Geeignetheit und Erforderlichkeit Zur Erreichung seines generalpräventiven Zwecks ist die Abschöpfung von Taterträgen auch geeignet und erforderlich.353 An der Geeignetheit der Maßnahme ist jedenfalls nicht aufgrund der zweifelhaften empirischen Absicherung des Konzepts der Abschreckung durch Vermögensabschöpfung zu zweifeln: Zum einen ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich die richtig verstandene Theorie der Generalprävention eines empirischen Nachweises zwar weitestgehend entzieht, ihr dies aber nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.354 Zum anderen ist von einem großen Einschätzungsund Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers auszugehen; nur evident ungeeignete Maßnahmen sind an dieser Stelle zu verwerfen.355 3. Angemessenheit Auf der letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung geht es darum, ob der Eingriff in das Grundrecht in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Maßnahme und seiner Erreichung steht. Der Schutz der strafrechtlichen Rechtsgüter ist zweifellos ein bedeutendes Anliegen; die Abschöpfung der Taterträge ergänzt dieses Anliegen und sichert es ab. Dem steht auf Seiten des Betroffenen ein wenig gefestigtes Eigentumsrecht gegenüber, dessen Entstehen objektiv auf einem Verhalten beruht, das es zum Schutz der Strafrechtsgüter zu unterbinden gilt. Grundsätzlich bestehen daher keine Beden353  Zur Erforderlichkeit des Instituts vor dem Hintergrund der generalpräventiven Unzulänglichkeiten insbesondere des Zivilrechts s. bereits A. II. 5. d). 354  s. unter A. II 5. a). 355  Dazu eingehend und mit zahlreichen BVerfG-Nachweisen Kaspar, Präventionsstrafrecht (2014), S. 124 ff.



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG105

ken, dem staatlichen Interesse am Rechtsgüterschutz den Vorrang vor den Interessen des Betroffenen einzuräumen. Im Einzelnen muss erneut zwischen Tatbeteiligten und Dritten als Betroffenen unterschieden werden. a) Tatbeteiligte Zur grundrechtlichen Rechtfertigung der Abschöpfung von Taterträgen wird häufig mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes argumentiert:356 Wer Eigentum aus Straftaten erlangt hat, müsse von vornherein mit einer Beschränkung seiner Eigentumsfreiheit rechnen und erwerbe daher kein (schutzwürdiges) Vertrauen auf den Fortbestand seines Rechts. Wenngleich dieser Gedanke nicht absolut gesetzt werden darf  – denn das käme der hier zurückgewiesenen Einschränkung des Schutzbereiches gleich  – hat er als Abwägungsgesichtspunkt auf Schrankenebene seine Berechtigung. Wie dargestellt, dient die Eigentumsgarantie dem BVerfG zufolge dazu, „dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen.“357 Daraus hat das Gericht einen besonderen Grundsatz des Vertrauensschutzes hergeleitet:358 „[Es ist] eine wesentliche Funktion der Eigentumsgarantie […], dem Bürger Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Güter zu gewährleisten und das Vertrauen auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zu schützen. Insoweit hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für die vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren […].“

Das heißt: Das einfache Recht darf den Grundrechtsschutz zwar nicht versperren; für den Umfang des Schutzes spielt aber das Bestehen (schutzwürdigen) Vertrauens, welches auf das geltende Recht zu beziehen ist, durchaus eine Rolle. So lässt sich insbesondere das Bruttoprinzip, jedenfalls soweit es sich gegen einen bösgläubigen Tatbeteiligten richtet, begründen:359 356  Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 360; Dannert, Eigentumsentziehungen (1998), S. 57; MK / Joecks, § 73c Rn. 8; Julius, ZStW 109 (1997), 58 (93); Keusch, Verfall (2005), S. 72; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 367; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 45. 357  Nachweise unter I. 1. 358  BVerfGE 53, 257 (309); 76, 220 (244); so auch BVerfGE 31, 275 (293); 36, 281 (293); 45, 142 (168); 51, 193 (218); 58, 81 (120); 64, 87 (104); 70, 101 (114); s. dazu auch vMK / Bryde, Art. 14 Rn. 62; Sachs / Wendt, Art. 14 Rn. 4; Dreier / Wieland, Art. 14 Rn. 148. 359  Vgl. Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 360; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 367 f.; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 45.

106 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Ein Vertrauen darauf, die deliktischen Aufwendungen vom entstandenen Deliktsvorteil abziehen zu können, hätte keine rechtliche Grundlage und ist daher nicht schutzwürdig.360 Gegenüber (bösgläubigen) Tatbeteiligten ist die Abschöpfung von Taterträgen also, auch nach dem Bruttoprinzip, grundsätzlich angemessen und damit verhältnismäßig. b) Drittbegünstigte Zur Begründbarkeit einer Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten wurde bereits ausgeführt, dass eine Beschränkung der Maßnahme auf Tatbeteiligte von vornherein nicht überzeugt, sondern dass die Erträge der Tat aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich überall dort, wo sie aufgetreten oder hingeflossen sind, abgeschöpft werden müssen. Diesem Zweck kann auch der Drittbegünstigte einer Straftat  – der sich nur auf ein wenig gefestigtes Eigentumsrecht, dessen Entstehen objektiv auf einem Verhalten beruht, das es zum Schutz der Strafrechtsgüter zu unterbinden gilt  – zunächst einmal (lässt man insbesondere das Bruttoprinzip vorerst beiseite) wenig entgegenhalten. Das Innehaben des Gegenstands genügt; namentlich kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob er diesen unmittelbar oder mittelbar erlangt hat, ob er gutgläubig oder bösgläubig hinsichtlich der deliktischen Herkunft des Vermögensgegenstandes war, ob er sich das Handeln des Tatbeteiligten in irgendeiner Form zurechnen lassen muss und ob der Tatbeteiligte den Dritten gezielt begünstigen wollte. Beispiele: T veranlasst betrügerisch eine Vermögensverfügung des Opfers direkt auf das Konto seiner Ehefrau F. Da sich Straftaten auch für andere nicht auszahlen dürfen, sollte das Guthaben genauso der Abschöpfung unterliegen, wenn T den Betrag zunächst selbst vereinnahmt und dann auf das Konto der F einzahlt. In beiden Varianten kann es grundsätzlich auch keine Rolle spielen, dass F sich auf Gutgläubigkeit beruft: Den Gedanken, dass sich die Straftat auch für sie im Ergebnis nicht auszahlen darf, trifft das nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso es eine Rolle spielen sollte, ob sie sich das Verhalten ihres Ehemannes unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt zurechnen lassen muss. Schließlich kann es auch nicht darauf ankommen, dass T sie bewusst und gezielt begünstigen wollte: An360  Dazu, dass vor dem Hintergrund bereicherungsrechtlicher Wertungen gerade das Nettoprinzip gegenüber Tatbeteiligten und bösgläubigen Dritten inkonsequent und zu milde war, bereits unter B. II. 3. c). Wenn demgegenüber Rönnau / Begemeier, GA 2017, 1 (9) meinen, die Argumentation mit dem Vertrauensgrundsatz lasse offen, warum es angemessen sein soll, den Wert der Aufwendungen bei der Abschöpfung zu ignorieren „und damit den Betroffenen wirtschaftlich zu schädigen“, so berücksichtigt das nicht, dass diese Argumentation eben nur gegenüber Bösgläubigen, die gerade kein schutzwürdiges Vertrauen erlangen, greift; vgl. auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 360.



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG

107

genommen, T hätte dem Opfer versehentlich die Kontonummer seiner Frau genannt, wenn er eigentlich seine eigene hätte nennen wollen. Würde man ihr den Vorteil dann belassen wollen? Und gäbe es einen Grund, den Dritten, dessen Bereicherung vom Täter z. B. nur in Kauf genommen wird, zu verschonen? Auch das zufällige Profitieren von Straftaten anderer ist geeignet, das generalpräventive Prinzip, dass Straftaten sich nicht auszahlen dürfen, zu unterminieren.

Als möglicherweise relevant und daher näher zu prüfen stellen sich nur zwei denkbare Einwände des Drittbegünstigten dar: Erstens könnte er, jedenfalls sofern er gutgläubig ist, geltend machen wollen, dass er nicht (mehr; in der Höhe) bereichert sei [dazu aa)]. Zweitens könnte er, sofern er den Gegenstand nur mittelbar erworben hat, sich darauf berufen wollen, dass die Abschöpfung insgesamt nur einmal und dann jedenfalls vorrangig beim unmittelbar erwerbenden Täter (in Form von Wertersatz) zu betreiben wäre [dazu bb)]. aa) Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten Zu untersuchen ist also, ob es vor dem Hintergrund von Art. 14 GG verfassungsrechtlich geboten ist, im Recht der Abschöpfung von Taterträgen die Entreicherung des gutgläubigen Dritten zu berücksichtigen. (1) Die ratio des zivilrechtlichen Entreicherungseinwandes Wie bereits ausgeführt, liegt die ratio der zivilrechtlichen Entreicherungsvorschrift (§ 818 III BGB) nach dem überzeugenden, modernen Bereicherungsverständnis darin, dass der (gutgläubige, §§ 818 IV, 819 BGB) Bereicherungsschuldner auf den Bestand des Erwerbs vertrauen darf.361 Wer über einen Gegenstand verfügt und keinen Grund hat, an seinem (dauerhaften) Recht an diesem Gegenstand zu zweifeln, der kann mit ihm „nach Belieben verfahren“ (vgl. § 903 S. 1 BGB), insbesondere auch „unvernünftig“ und unvorsichtig mit ihm umgehen. Ist der Gegenstand dann letztlich (doch) zu kondizieren, dann muss dieses schutzwürdige Vertrauen berücksichtigt werden. Da der (ggf. unvernünftige) Verbrauch oder der (ggf. unvorsichtige) Verlust dem gutgläubigen Bereicherungsschuldner nicht vorgeworfen werden können, führen sie konsequent zur haftungsbefreienden Annahme der Entreicherung. Das Interesse des Bereicherungsgläubigers auf Wiedergutmachung muss dahinter zurückstehen. (Nur) dem bösgläubigen Bereicherungsschuldner kann vorgehalten werden, dass er mit der Kondiktion hätte rechnen müssen und er daher mit dem Gegenstand gerade nicht „nach Belieben 361  s.

dazu B. II. 3. a) bb).

108 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

verfahren“ durfte, jedenfalls nicht ohne die Inkaufnahme einer etwaigen Ersatzpflicht. Zu bemerken ist noch, dass der Wegfall der Bereicherung ersatzlos sein muss. Insbesondere in der Gestalt von Ausgabenersparnis kann die Bereicherung im Vermögen aber fortbestehen: Der Verbrauch von Geld zur Bestreitung von Lebenshaltungskosten etwa führt unstreitig nicht zum Wegfall der Bereicherung, wenn und soweit dadurch (wie regelmäßig) anderweitige Aufwendungen aus dem sonstigen Vermögen erspart worden sind.362 Entreichernd wirken demzufolge nur sog. „Luxusaufwendungen“, also solche, die man aus dem sonstigen Vermögen nicht getroffen hätte. Eine Entreicherung kann auch bereits von Anfang an bestehen, insbesondere mindern Aufwendungen zum Zwecke des Erwerbs grundsätzlich die Bereicherung.363 Der Grundgedanke ist derselbe, auch hier geht es um Vertrauensschutz: Wer einen Gegenstand unter Kostenaufwand erwirbt, ohne einen Grund zu haben, an dem Bestand des Erwerbs zu zweifeln, der setzt sein Vermögen in untadeliger Ausübung seiner Freiheit ein. Auch dieses Vertrauen beim Einsatz des eigenen Vermögens darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass man es bei der Kondiktion unberücksichtigt lässt. Auch hier muss also das Interesse des Bereicherungsgläubigers zurückstehen. Anderes gilt freilich wieder (nur) beim (von vornherein) bösgläubigen Bereicherungsschuldner, da er mit der späteren Kondiktion hätte rechnen müssen. (2) K  onstellationen der Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten Für die Abschöpfung von Taterträgen bei (gutgläubigen) Drittbegünstigten lassen sich leicht vereinfacht vier potenzielle Konstellationen der Entreicherung unterscheiden:

362  Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 28, 35; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 I 2 a), 3 a); Staudinger / Lorenz, § 812 Rn. 72, § 818 Rn. 34; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 160, 164 ff. 363  Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 39 ff.; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 37; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 594, 621 f.; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 135 ff. Allerdings soll insbesondere der an einen Dritten gezahlte Erwerbspreis regelmäßig nicht als Entreicherung geltend gemacht werden können, vielmehr soll der Bereicherungsgläubiger sich insofern grundsätzlich an den Dritten zu wenden haben, BGHZ 55, 176 (179); Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 40; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 I 5 a; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 37; Rengier, AcP 177 (1977), 418 (434 f.); Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 622 ff.; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 136. Näher dazu und wie es sich hier bei der entsprechenden Konstellation verhält, s. folgende Fn.



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG109 Anfängliche Entreicherung

Nachträgliche Entreicherung

Unmittelbarer Erwerb

Aufwendungen zur Begehung der Tat

Verlust o. ä., Luxusaufwendungen

Mittelbarer Erwerb

Aufwendungen als Gegenleistung zum Erwerb

Verlust o. ä., Luxusaufwendungen

Beispiele: Die Fälle anfänglicher Entreicherung bei unmittelbarem Erwerb des Dritten sind insbesondere die typischerweise zum Bruttoprinzip diskutierten Fälle (z. B. Täter T begeht eine Straftat zugunsten des gutgläubigen X, wobei er zur Begehung der Tat auch Vermögen von X einsetzt). Bei mittelbarem Erwerb des Dritten kommt eine anfängliche Entreicherung insbesondere dadurch in Betracht, dass der Gegenstand vom Tatbeteiligten entgeltlich erworben wird (z. B. Täter T veräußert einen aus einer Straftat stammenden Gegenstand entgeltlich an den gutgläubigen Y).364 Unabhängig von dem Umständen des ursprünglichen Erwerbs kommt ein nachträglicher Wegfall der Bereicherung dadurch in Betracht, dass der Vermögensgegenstand z. B. verloren gegangen, beschädigt, zerstört oder für Luxusaufwendungen verbraucht worden ist (z. B. Verspielen im Casino). Dies sind also die wesentlichen Konstellationen, für die nun die Frage zu beantworten ist, ob die Betroffenen sich (auch) gegenüber dem staatlichen Anspruch auf Abschöpfung der Taterträge auf ihre nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts schutzwürdige Entreicherung berufen können und 364  Dies sind die Fälle, in denen man nach zivilrechtlichen Grundsätzen die Berufung des Dritten auf Entreicherung bereits deshalb versagen könnte, weil dieser sich insoweit stattdessen an den Veräußerer (hier T) zu halten haben könnte, s. vorherige Fn. Diese Grundsätze lassen sich aber auf die Abschöpfung von Taterträgen nicht übertragen. Erstens beruht die dortige Ansicht insbesondere auf dem Gedanken der Rechtsfortwirkung des ursprünglichen Anspruchs des Bereicherungsgläubigers aus § 985 BGB (dem man einen Erwerbspreis auch nicht hätte entgegenhalten können), s. Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 40; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 I 5 a; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 623 f.; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 136. Das findet in diesem Zusammenhang keine Entsprechung. Zweitens muss im zivilrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis das Risiko des Ausfalls des Veräußerers zwingend entweder dem Bereicherungsgläubiger oder dem -schuldner zugewiesen werden und es mag dann mehr dafür sprechen, es dem Bereicherungsschuldner zuzuweisen, weil er immerhin mit dem Veräußerer kontrahiert hat. Ein derartiges Dilemma entsteht hier nicht. Dem Bereicherungsgläubiger entspricht hier das Ziel der Generalprävention, welches in dieser Situation dem grundsätzlich gebotenen Vertrauensschutz für den gutgläubigen, entgeltlichen Erwerber durchaus eher weichen könnte. Ob es dies im Ergebnis auch tun muss, dazu sogleich im Text.

110 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

die Abschöpfung ansonsten unangemessen und damit unverhältnismäßig wird. Unter dem Blickwinkel der Rechtsnatur der Maßnahme ist die Übertragbarkeit der zivilrechtlichen Grundsätze für die Fälle der anfänglichen Entreicherung beim unmittelbaren Erwerb durch einen gutgläubigen Dritten (klassische Fälle des Bruttoprinzips) bereits bejaht und daher zumindest die Anwendung des Bruttoprinzips ihm gegenüber bereits aus diesem Grund als unzulässig bewertet worden.365 An dieser Stelle geht es gewissermaßen darum, ob dieses Ergebnis verallgemeinert werden kann. (3) D  er Entreicherungseinwand und der Vertrauensschutz des Art. 14 GG Zu klären ist also, ob sich die soeben näher erörterte ratio des § 818 III BGB  – zumindest bezogen auf das Recht der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen  – auf die Stufe eines verfassungsmäßigen Gebots heben lässt oder ob sich der Gesetzgeber auch vertretbar auf den Standpunkt stellen könnte, dass das Ziel der Generalprävention so wichtig ist, dass hier das Vertrauen des Gutgläubigen überwogen werden kann. Die Parallelität zwischen dem Rechtsgedanken des § 818 III BGB und dem üblichen Argumentationsmuster bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Abschöpfung der Taterträge ist jedenfalls mehr als auffällig. Der Gedanke des Vertrauensschutzes, der für das BVerfG bei Art. 14 GG „eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren“ hat,366 steht auch bei § 818 III BGB, wie im Einzelnen dargelegt wurde, im Zentrum. Der zur Rechtfertigung der Abschöpfung von Taterträgen verbreitet bemühte Gedanke („Wer sein Eigentum aus Straftaten erlangt hat, muss von vornherein mit einer Beschränkung seiner Eigentumsfreiheit rechnen und erwirbt daher kein [schutzwürdiges] Vertrauen auf den Fortbestand seines Rechts“)367 ist letztlich identisch mit dem Gedanken der „verschärften“ Bereicherungshaftung und greift damit für gutgläubige Dritte gerade nicht. Die verfassungsrechtliche Relevanz der erörterten ratio des § 818 III BGB bei der Abschöpfung von Taterträgen wird deutlich, wenn man sich die Frage stellt: Was würde gelten, wenn man die Berücksichtigung der Entreicherung eines Gutgläubigen hier nicht für verfassungsrechtlich geboten hielte? Jeder hätte dann, soweit es die Verfassung anbelangt, ständig damit zu rechnen, dass ihm plötzlich offenbart wird, eine Straftat sei unter 365  s.

unter B. II. 3. unter a). 367  Nachweise unter a). 366  Nachweise



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG111

Einsatz seines Vermögens begangen worden und er habe deshalb den gesamten Ertrag (einschließlich des ursprünglichen Teils) zum Zwecke der Generalprävention herauszugeben. Oder aber, dass dieser oder jene Gegenstand (den er entgeltlich erworben hatte) in Wahrheit aus einer Straftat herrührte und man ihn deswegen (ohne Gegenrechnung des Kaufpreises) herauszugeben habe. Das müsste  – zur eigenen Absicherung  – zu höchster Vorsicht in eigenen Vermögensangelegenheiten anleiten und würde damit die Freiheit im Umgang mit dem eigenen Vermögen konterkarieren. Da aber nicht einmal an konkrete Handlungspflichten und ihre Verletzung angeknüpft wird,368 wäre der Zugriff letztlich nichts anderes als willkürlich.369 Gleiches gilt im Ergebnis für die Fälle nachträglichen Wegfalls der Bereicherung eines Gutgläubigen: Man müsste stets damit rechnen, für einen Gegenstand (den man zuvor z. B. verloren oder „verjubelt“ hatte) Wertersatz leisten zu müssen, weil einem eröffnet wird, dass dieser Gegenstand aus irgendeiner Straftat hergerührt habe. Auch hier müsste die Folge sein, dass man mit seinen Gütern vorsichtshalber nur noch „vernünftig“ und vorsichtig umgehen dürfte, und auch hier würde selbst das noch nicht reichen, da einem auch ein zufälliger Verlust entgegengehalten werden würde. Ein derartiger Zustand widerspräche nicht nur den dargelegten Rechtsgedanken des § 818 III BGB und des § 903 S. 1 BGB – wonach man mit seinem Eigentum grundsätzlich „nach Belieben verfahren“ kann. Letztlich wäre die Funktion des Art. 14 GG, die darin liegt, „die eigenverantwortliche Gestaltung [des] Lebens zu ermöglichen“,370 nicht mehr gewährleistet. Unter derart willkürlichen Einschränkungen des Vertrauens auf den Bestand gutgläubig getätigter Vermögensentscheidungen wäre eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung schlechthin nicht mehr möglich. Die besondere Bedeutung des Vertrauensschutzes für Art. 14 GG wird vom BVerfG zu Recht deutlich betont. Hinter das danach unbedingt schutzwürdige Vertrauen muss auch das Ziel der Generalprävention zurücktreten.

368  Zu den Grenzen einer derart anknüpfenden Begründungslinie bereits bei der grundsätzlichen Erörterung der Zweckrichtung des Zugriffs auf Drittbegünstigte unter 1. b). 369  Symptomatisch in diesem Zusammenhang Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 370, der zur Vereinbarkeit der Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip bei tatunbeteiligten Dritten mit Art. 14 GG nur ausführt: „Eine […] Saldierung ist aber auch in diesen Fällen verfassungsrechtlich nicht geboten. Es obliegt vielmehr dem Unternehmen, geeignete Kontrollmechanismen vorzusehen, um die Begehung rechtswidriger bzw. strafbarer Handlungen von Mitarbeitern zu unterbinden.“ Das unterstellt, dass eine Verhinderung der Straftat stets möglich gewesen wäre, vermeidet die Begründung konkreter Handlungspflichten und die Feststellung ihrer Verletzung und erklärt i.Ü. nicht, was für nicht unternehmerisch handelnde Personen gelten soll. 370  Nachweise unter I. 1.

112 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

Es erweist sich also als verfassungsrechtlich geboten, den Gedanken des Vertrauensschutzes für gutgläubige Bereicherungsschuldner (§ 818 III BGB) auf das Recht der Abschöpfung von Taterträgen zu übertragen.371 Konsequenterweise muss das für alle vier soeben unterschiedenen Konstellationen der Entreicherung, anfängliche und nachträgliche Entreicherung bei unmittelbarem und bei mittelbarem Erwerb, gleichermaßen gelten, weil es stets um den gleichen Gedanken geht. Für Grad, Zeitpunkt und maßgebliche Person / Zurechnung der Bösgläubigkeit kann  – mangels ersichtlicher, sachnäherer Grundsätze  – auf die entsprechenden Ausführungen bei der Rechtsnatur der Maßnahme verwiesen werden.372 Insbesondere sind also auch in diesem Zusammenhang die dort entwickelten Grundsätze zur Zurechnung der Bösgläubigkeit des Tatbeteiligten anzuwenden. (4) Ergebnis Das bedeutet im Zusammenhang: Auch wer als Nicht-Tatbeteiligter einen Vermögensgegenstand erlangt hat, der aus einer Straftat herrührt, sollte ihn grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen herausgeben müssen. Der in Bezug auf die Herkunft des Gegenstandes Gutgläubige muss sich aber auf eine etwaige Entreicherung berufen können; sei es, dass er von vornherein nicht oder nicht in voller Höhe bereichert war (durch Aufwendungen zur Begehung der Tat oder einen gezahlten Erwerbspreis) oder sei es, dass seine Bereicherung zwischenzeitlich weggefallen ist (durch Verlust, Beschädigung, Zerstörung oder Verbrauch für Luxusaufwendungen). Die Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens des gutgläubigen Dritten in diesen Konstellationen erweist sich als zwingend geboten, um die Funktion der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu wahren. Damit wird das im vorherigen Abschnitt dieses Kapitels gefundene Ergebnis, dass die Anwendung des Bruttoprinzips gegenüber einem gutgläubigen Drittbegünstigten eine (unzulässige) Strafe darstellen würde, gewissermaßen bestätigt und verallgemeinert. Zugleich wäre sie nämlich ein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 14 GG. Umgekehrt gilt zudem: Auch in den drei anderen der hier unterschiedenen Konstellationen gilt, dass eine Abschöpfung über das Maß der (noch) vorhandenen Bereicherung hinaus nicht nur unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 14 GG ist, sondern nach dem oben entwickelten Maßstab auch zur Annahme eines Strafcharakters der Maßnahme führen müsste. 371  Angedeutet findet sich die verfassungsrechtliche Gebotenheit der Berücksichtigung der Entreicherung eines gutgläubigen Verfallsbetroffenen bereits bei Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 360. 372  s. dazu B. II. 3. d).



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG113

bb) Abschöpfungsbedürfnis bei mittelbarem Erwerb des Drittbegünstigten Erwirbt ein Dritter nur mittelbar einen Tatertrag über den unmittelbar erwerbenden Tatbeteiligten, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis seine Haftung zu der des verschiebenden Tatbeteiligten stehen sollte. Gegen diesen käme nämlich daneben die Anordnung der Zahlung von Wertersatz (§ 73c StGB bzw. § 73a StGB a. F.)373 in Betracht. (1) Begründung von Wertersatzhaftung und Haftung des Drittbegünstigten Den verschiebenden Tatbeteiligten in die Wertersatzhaftung zu nehmen, ist zunächst einmal konsequent und richtig: Es entspricht den Gedanken der verschärften Bereicherungshaftung, die auf den (bösgläubigen) Tatbeteiligten anwendbar sind, ihn durch Verlust des Ertrages aufgrund einer Verschiebung nicht aus der Haftung zu entlassen. Die Verpflichtung zur Zahlung des Wertersatzes folgt insofern dem generalpräventiven Zweck: Ein Tatbeteiligter kann nicht damit rechnen, sich durch spätere Verschiebung des Tatertrages der Haftung entziehen zu können.374 Umgekehrt wäre ein Fehlen der Wertersatzhaftung geeignet, den generalpräventiven Zweck der Maßnahme geradezu in das Leere laufen zu lassen. Damit entfällt auf der anderen Seite allerdings nicht von vornherein das Bedürfnis einer Abschöpfung beim begünstigten Dritten: Insbesondere bei unentgeltlicher Verschiebung droht die Wertersatzhaftung gegen den Verschiebenden in das Nichts zu greifen, da bei ihm sonst „nichts zu holen“ sein könnte.375 Demgegenüber könnte allerdings bei entgeltlicher Verschiebung der Zugriff auf den Drittbegünstigten von vornherein „überflüssig“ sein, da dem Verschiebenden ein durch die Haftung auf Wertersatz abschöpfbarer Gegenwert zufließt.376 Da aber die Verwertung nicht selten „unter Wert“ erfolgen wird und zudem die „Verflüssigung“ den (ersatzlosen) Verbrauch des Tatertrages durch den Tatbeteiligten fördert, gilt auch bei entgeltlicher Ver373  Bei entgeltlicher Verschiebung kann nach § 73 III StGB (§ 73 II 2 StGB a. F.) auch auf das erhaltene Surrogat zugegriffen werden, im Folgenden wird sich aber zur Vereinfachung auf den Wertersatz beschränkt. 374  Auch LK / Schmidt, § 73a Rn. 4; zust. Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 111, weist darauf hin, dass der Wertersatzverfall dem Betroffenen den Anreiz nimmt, das Erlangte zur Vereitelung des Verfalls an Dritte weiterzugeben. 375  So auch Rhode, wistra 2012, 85 (86 f.); Rönnau, Vermögensabschöpfung, 1. Auflage, Rn. 287. 376  So Rönnau, Vermögensabschöpfung, 1. Auflage, Rn. 286; zust. Keusch, Verfall (2005), S. 112; SK / Wolters, § 73 Rn. 28.

114 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

schiebung nichts kategorisch anderes.377 De facto könnte der Tatbeteiligte also durch (unentgeltliche wie entgeltliche) Verschiebungen sich und den Tatertrag einer Abschöpfung entziehen, was generalpräventiv nicht toleriert werden kann. Es spricht demnach tatsächlich vieles dafür, sowohl eine Wertersatzhaftung des Tatbeteiligten, als auch eine mittelbaren Erwerb erfassende Regelung der Abschöpfung bei Drittbegünstigten vorzusehen. (2) Bestimmung des Haftungsverhältnisses Damit wäre aber das Konkurrenzproblem zwischen den beiden Haftungen eröffnet. Klar dürfte jedenfalls sein, dass der Tatertrag im Ergebnis nicht doppelt abgeschöpft werden darf. Es bleiben dann drei denkbare Lösungen des Haftungsverhältnisses: (1) Die Abschöpfung des „Originals“ beim Drittbegünstigten ist vorrangig, die Wertersatzhaftung des Tatbeteiligten dagegen nachrangig.378 (2) Das Haftungsverhältnis richtet sich nach den Grundsätzen der Gesamtschuld (§§ 421 ff. BGB), d. h. es steht im Belieben des Staates als Berechtigten, auf wen er zuerst zugreift.379 (3) Die Anordnung der Wertersatzhaftung beim Tatbeteiligten ist vorrangig, die Abschöpfung des „Originals“ beim Drittbegünstigten dagegen nachrangig.380 Zu (1): Die Annahme eines Vorrangs der Abschöpfung des Originalgegenstandes beim Drittbegünstigten käme einer Einschränkung der Wertersatzhaftung des Tatbeteiligten gleich, die vor dem Hintergrund des generalpräventiven Zwecks der staatlichen Abschöpfung der Taterträge nicht tolerierbar wäre. Die Androhungswirkung der Maßnahme wäre entscheidend geschwächt, wenn man mit dem Tatertrag grundsätzlich auch die Abschöpfungshaftung auf einen Dritten „verschieben“ könnte.381 An dieser Stelle im Ergebnis auch Rhode, wistra 2012, 85 (87). im Ergebnis etwa Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 113; zust. MK / Joecks, § 73a Rn. 8. 379  Für „naheliegend“ hält das BGHSt 52, 227 (252 f.); dafür auch Barreto da Rosa, NJW 2009, 1702 (1704); SSW / Burghart, § 73 Rn. 56; Rhode, wistra 2012, 85 (90 f.); NK / Saliger, § 73 Rn. 36b; nach WJ / Podolsky, WiStrR, 28.  Kap. Rn. 37; ders. / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 83, 89 liege das sogar „auf der Hand“; dagegen Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 95. Gesamtschuld nimmt der BGH jedenfalls bei mehreren Tatbeteiligten an, sofern sie zumindest Mitverfügungsgewalt an dem erlangten Vermögenswert innehatten, s. dazu eingehend Barreto da Rosa, NJW 2009, 1702 ff. und Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 87 ff. 380  So im Ergebnis etwa Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 62; den Wertersatzverfall immerhin für „vorzugswürdig“ erklärt Keusch, Verfall (2005), S. 113. 381  Dagegen kann auch nicht überzeugend eingewendet werden, die generalpräventive Wirkung bleibe dadurch aufrecht erhalten, dass der Tatbeteiligte sich immerhin des Rückgriffs durch den Dritten ausgesetzt sehe. Denn erstens sind die (prozessualen) Hürden dafür (jedenfalls faktisch) hoch und zweitens verschafft es  – was in 377  So 378  So



C. Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen mit Art. 14 GG115

wirkt sich also die hiesige Bestimmung des Rechtsgrunds konkretisierend aus: Erklärte man die Abschöpfung von Taterträgen etwa mit dem bloßen Gedanken der „Wiederherstellung der Rechtsordnung“ o. ä., könnte man daraus durchaus einen generellen Vorrang der Wiederherstellung im Original vor dem Zugriff auf irgendeinen Ersatz ableiten. Dies wäre aber aus dem genannten Grund eindeutig verfehlt. Zu (2): Aus demselben Grund kann es auch nicht überzeugen, es nach den Grundsätzen der Gesamtschuld in das Belieben des Staates zu stellen, auf wen er zuerst zugreift. Denn einen Sinn ergibt das gegenüber Lösungsmöglichkeit (3) nur, wenn man es zumindest möglich machen will, aus bloßen Praktikabilitätserwägungen heraus vorrangig auf den Drittbegünstigten zuzugreifen und den Tatbeteiligten zu verschonen. Das würde aber wiederum zu der angesprochenen, generalpräventiv nicht hinzunehmenden, faktischen Einschränkung der Wertersatzhaftung des Tatbeteiligten führen. Denn es besteht zumindest die Chance darauf, als Tatbeteiligter nicht von der (Wertersatz-)Abschöpfung behelligt zu werden. Zu (3): Den generalpräventiven Zweck der Maßnahme verwirklicht daher nur die Lösung, nach der die Haftung des Tatbeteiligten vorrangig gegenüber dem Zugriff auf einen mittelbar erwerbenden Dritten ist. Güntert hat dies bereits in bemerkenswerter Klarheit erkannt:382 „[Die] Haftung des Dritten [kann] nur subsidiären Charakter tragen, da primär der zunächst bereicherte Täter von der Gewinnabschöpfung  – bei Weitergabe des Vorteils in der Form des Wertersatzverfalls gemäß § 73a  – betroffen werden soll. Nur bei dessen Insolvenz (Konkurs oder zu erwartender Fehlschlag bei der Vollstreckung des Wertersatzverfalls) besteht ein Bedürfnis, weitergeschobene Vermögensvorteile ‚zu verfolgen‘.“

Aber ist damit auch dargetan, dass die Verfolgung jeder anderen Lösung einen Verfassungsverstoß darstellt? Es geht ja an dieser Stelle nicht um die rechtspolitisch sinnvollste Lösung, sondern um die Formulierung von Grenzen, deren Überschreitung den Zugriff auf den Dritten mit Blick auf das Grundrecht des Art. 14 GG unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig werden ließe. Eine solche Grenzüberschreitung ist für die Lösungen (1) und (2) aber tatsächlich anzunehmen: Ihnen ist nicht etwa nur eine nicht optimale Verfolgung des Ziels der Generalprävention vorzuwerfen; sie vereiteln, wie dargelegt, ggf. dieses Ziel. Die nach diesen Lösungen mögliche Abschöpfung beim Drittbegünstigten trotz nicht ausgeschöpfter Möglichkeit der Vollstreckung des Wertersatzes beim Tatbeteiligten liefe jeglicher legitimen Zwecksetzung zuwider, damit wäre sie willkürlich. diesen Zusammenhängen häufig entscheidend sein wird  – dem Tatbeteiligten jedenfalls Zeit. 382  Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 62.

116 1. Kap.: Die theoretischen Grundlagen der Abschöpfung von Taterträgen

(3) Ergebnis Es erweist sich also als zwingendes Gebot der Verhältnismäßigkeit, dass eine Haftung des mittelbar empfangenden Drittbegünstigten im Verhältnis zu der des unmittelbar empfangenden Tatbeteiligten (auf Wertersatz) subsidiär ausfallen muss.383

IV. Ergebnis Die staatliche Abschöpfung von Taterträgen betrifft stets den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts und ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 I 2 GG) einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterwerfen. Beim (bösgläubigen) Tatbeteiligten begegnet die Abschöpfung der Taterträge im Ergebnis keinerlei Bedenken hinsichtlich seiner Angemessenheit, das gilt grundsätzlich auch mit Blick auf die Härte des Bruttoprinzips. Für den Zugriff auf Drittbegünstigte stellt sich der verfassungsrechtliche Rahmen jedoch differenzierter dar. Die Wegnahme rechtswidrig erlangter Vermögensgegenstände ist zwar auch bei ihnen grundsätzlich gerechtfertigt, allerdings sind zwingend zwei Einwände anzuerkennen: Der gutgläubige Drittbegünstigte kann sich darauf berufen, dass er nicht (mehr; in der Höhe) bereichert ist. Der nur mittelbar erwerbende Drittbegünstigte kann sich zudem darauf berufen, dass die Abschöpfung vorrangig gegen den unmittelbar erwerbenden Tatbeteiligten (in Form von Wertersatz) zu betreiben ist. Inwiefern die Einhaltung dieser Maßgaben durch das bisherige und das neue Recht der Abschöpfung der Taterträge gewährleistet wird, wird in den folgenden Kapiteln zu klären sein.

D. Zusammenfassung Insgesamt konnte ein schlüssiges Verständnis der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen entwickelt werden: Es handelt sich grundsätzlich um eine Maßnahme eigener Art, die in Ergänzung zur Strafe  – ohne selbst (notwendigerweise) Teil  der Strafe zu sein  – generalpräventiv darauf gerichtet ist, die Begehung von Straftaten zu vermeiden und damit die strafrechtlichen Rechtsgüter zu schützen. Die Parallele zum Bereicherungsrecht wird verbreitet überbewertet, dem liegt vor allem ein Trugschluss von der vergleichbaren Ausgestaltung auf 383  Eine Ausnahme greift freilich, wenn die Annahme durch den Dritten selbst eine Straftat darstellt, denn dann muss auch in Bezug auf diese Straftat die Generalprävention gewährleistet werden.



D. Zusammenfassung

117

die gleiche Funktion zugrunde. Wer die „quasi-kondiktionelle Ausgleichsfunktion“ selbst zum Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen erhebt, argumentiert ohne nachvollziehbare Grundlage, wenn es darum geht, inwiefern eine Angleichung oder eine Abweichung hinsichtlich des Bereicherungsrechts erforderlich ist. Das hat sich etwa bei der in der Literatur verbreiteten Zurückweisung der gesetzgeberischen Begründung des Bruttoprinzips mit einer Anknüpfung an § 817 S. 2 BGB gezeigt. Namentlich die Frage nach der Legitimation der Einverleibung des Abgeschöpften in das Staatsvermögen erübrigt sich richtigerweise insgesamt. Auf hiesiger Grundlage hat sich ergeben, dass eine wertungsmäßige Parallele (alleine, dafür aber dogmatisch zwingend!) zu den bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgenregelungen zu ziehen ist. Daraus folgt, dass die Anwendung des Bruttoprinzips gegenüber Bösgläubigen nur konsequent, gegenüber Gutgläubigen (namentlich gutgläubigen Drittbegünstigten) dagegen illegitim ist. Die klare Zweckbestimmung liefert schließlich die Grundlage für die ansonsten kaum sinnvoll anhand von Art. 14 GG vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese hat erbracht, dass gegenüber (bösgläubigen) Tatbeteiligten die Abschöpfung der Taterträge  – auch und gerade in der Härte des Bruttoprinzips  – grundsätzlich zu rechtfertigen ist. Für Drittbegünstigte wurde hergeleitet, dass der generalpräventive Zweck  – bezogen auf die Allgemeinheit als (potenzielle) Tatbeteiligte, nicht Drittbegünstigte als solche  – grundsätzlich auch den Zugriff auf sie umfasst. Die Grenzen der Abschöpfung ihnen gegenüber sind nicht etwa in irgendeiner Form der Zurechnung des Handelns des Tatbeteiligten oder einer Drittrichtung dieses Handelns zu suchen, sondern sie finden sich in der gebotenen Berücksichtigung (gutgläubiger) Entreicherung und der Subsidiarität der Haftung bei mittelbarem Erwerb.

2. Kapitel

Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten Vor dem Hintergrund der Grundlegungen des vorangegangenen Kapitels kann die Untersuchung sich nun der Erörterung des bislang geltenden Rechts des Verfalls bei Drittbegünstigten (§ 73 III StGB a. F.)1 zuwenden. Namentlich gilt es, das eingangs angesprochene Rätsel zu lösen, wie die Anwendung dieser scheinbar simplen Regelung zu einem der umstrittensten und undurchsichtigsten Rechtsprobleme des Verfalls avancieren konnte.2 Das hat nicht nur (aber auch) einen gewissen rechtshistorischen und -theoretischen Wert, insbesondere wird das Kapitel aber eine unerlässliche Grundlage zur kritischen Diskussion des neuen Rechts im nachfolgenden Kapitel liefern. Es ist es nicht leicht, einen Zugang zu den Schwierigkeiten zu finden, die man mit der Regelung des § 73 III StGB a. F. verbunden hat. Das liegt zunächst an der Leitentscheidung des BGH aus dem Jahre 1999,3 die mit ihrer Fallgruppenbildung schon methodisch nur schwer verständlich ist. Gleichwohl (oder gerade deshalb) legte auch die Literatur seither weitestgehend diese Fallgruppen zugrunde und übte allenfalls von ihnen ausgehend im Einzelnen Kritik. Eine wirkliche „Auflösung“ der Problematik war bei diesem Vorgehen nicht zu erwarten. Um dorthin zu kommen, muss man das Feld von hinten aufrollen: Ehe die konkrete Diskussion zur Anwendung des § 73 III StGB a. F. geführt werden kann, gilt es, die Leitentscheidung des BGH methodisch zu analysieren und „handhabbar“ zu machen. Um diese verstehen zu können, muss man sich allerdings zuvor mit der Historie des § 73 III StGB a. F. vertraut gemacht haben. Dabei wird sich zeigen, dass die Entscheidung des BGH teilweise auf tiefergehende Verwerfungen aus der Entstehung der Regelung zurückgeführt werden kann. Daraus folgt für den Aufbau dieses Kapitels: Zunächst wird die Entstehungsgeschichte des im Jahre 1975 in Kraft getretenen § 73 III StGB a. F. 1  § 73 III StGB a. F. lautete: „Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.“ 2  s. grundlegend Einleitung B. II. 3  BGHSt 45, 235.



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.119

nachgezeichnet und untersucht, wie die Regelung nach den Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten zu verstehen sein sollte (dazu A.). Es folgen einige grundsätzliche Bemerkungen dazu, wie die Rechtsanwendung mit den dabei identifizierten Problemen methodisch umgehen könnte (dazu B.). Anschließend wird die Leitentscheidung des BGH aus dem Jahre 1999 vor dem Hintergrund des zwischenzeitlichen Standes von Rechtsprechung und Literatur vorgestellt und methodisch analysiert (dazu B.) Abschließend kann auf dieser Grundlage dann der letzte Stand der Diskussion um die Anwendung des § 73 III StGB a. F. aufgenommen und versucht werden, eine methodengerechte Lösung zum bisherigen Recht zu entwickeln (dazu C.)

A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F. Eine umfassende Darstellung der (Vor-)Geschichte von „Einziehung und Verfall“ oder auch nur des Verfalls erscheint für die Zwecke dieses Kapitels nicht angezeigt.4 Auf die sonstige Entwicklung der §§ 73 ff. StGB wird stattdessen nur insoweit eingegangen, wie es zum Verständnis der Entwicklung von § 73 III StGB a. F. unabdingbar ist.

I. Reichsstrafgesetzgebung Die Entwicklung der Rechtsinstitute „Verfall“ und „Einziehung“ hat sich getrennt vollzogen:5 Während die „Einziehung“ von vornherein einen Bestandteil des im Allgemeinen Teil  geregelten Rechtsfolgensystems bildete, ist der „Verfall“ erst durch das 2. StrRG6 mit Wirkung zum 1.  Januar 1975 als allgemeines Rechtsfolgeninstitut geschaffen worden und war zuvor nur vereinzelt geregelt. Eine inhaltliche Differenzierung zwischen „Verfall“ und „Einziehung“ wurde zuvor noch nicht vorgenommen.7 4  Dafür sei auf die Monographie von Arnold, Gesetzgebung (2015), sowie die ausführlichen Darstellungen von Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 87 ff. und Sotiriadis, Entwicklung (2008), S. 50 ff. verwiesen. Vgl. zudem Eser, Sanktionen (1969), S. 12 ff.; Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 2 ff.; Husberg, Verfall (1999), S. 16 ff.; Keusch, Verfall (2005), S. 15 ff.; LK / Schmidt, Vor § 73 Rn. 1 ff. und § 73 Rn. 1 ff. 5  LK / Schmidt, Vor § 73 Rn. 1; s. zur Unterscheidung dieser beiden Institute bereits Einleitung A. I. 6  Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 04.07.1969 (BGBl. I, S. 717); Verschiebung des Zeitpunkts des Inkrafttretens vom 01.10.1973 auf den 01.01.1975 durch Gesetz vom 02.03.1973 (BGBl. I, S. 909). 7  Teilweise wurden die Begriffe sogar synonym verwendet, s. etwa § 6 des Gesetzes über den Verkehr mit russischen Zahlungsmitteln vom 15. März 1919

120 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

1. Regelungsstand im Überblick Das RStGB vom 15.  Mai 18718 enthielt mit den §§ 40–42 RStGB ein allgemeines Rechtsinstitut für die Einziehung der instrumenta sceleris und der scelere producta. Daneben gab es im Besonderen Teil  einige Einzelregelungen (z. B. §§ 152, 360 II, 367 II, 369 II RStGB). Diese Zersplitterung des Einziehungsrechts fand seine Fortsetzung in zahlreichen Nebengesetzen, die jeweils spezielle Einziehungsvorschriften enthielten.9 Auf die hier interessierenden scelere quaesita bezog sich ursprünglich nur § 335 RStGB, wonach bei den Bestechungsdelikten im Amt (§§ 331–334 RStGB) das Empfangene für verfallen zu erklären war. Im Jahre 1876 kam § 296a II RStGB hinzu, der die Einziehung des Fanges bei unerlaubter Küstenfischerei ermöglichte.10 Nebengesetzliche Vorschriften, die sich auf die scelere quaesita bezogen, fanden sich u. a. im PresseG11, im SozialistenG12 und im UWG13.14 Keine dieser Regelungen sah eine Abschöpfung bei einem Drittbegünstigten vor. 2. Die PreistreibereiVO als erster Vorläufer des § 73 III StGB a. F. Eine Ausnahme bildete insoweit die Verordnung gegen Preistreiberei (PreistreibereiVO) vom 8.  Mai 1918.15 Diese enthielt die  – soweit ersicht(RGBl. I, S. 321): „Die Geldzeichen […] können im Urteil für dem Reiche verfallen erklärt werden […]. Ist die Einziehung nicht ausführbar, so kann auf Wertersatz erkannt werden.“; Hervorhebungen durch den Verfasser. 8  RGBl. I, S. 127; beruhend auf dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 08.06.1870 (RGBl. I, S. 195). 9  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 94 ff., zählt allein dreißig solcher Gesetze auf. 10  Gesetz vom 26.02.1876 (RGBl. I, S. 25). 11  Gesetz vom 07.05.1874 (RGBl. I, S. 65), dort § 16 II: Verfall des Empfangenen (oder des Werts) aus mittels der Presse öffentlich gemachten Aufforderungen zur Aufbringung von wegen einer strafbaren Handlung erkannten Geldstrafen und Kosten. 12  Gesetz vom 21.10.1878 (RGBl. I, S. 351), dort § 20 S. 2.: Verfall des Empfangenen (oder des Werts) aus Sammlungen oder Aufforderungen hierzu zugunsten von verbotenen sozialdemokratischen, sozialistischen oder kommunistischen Bestrebungen. 13  Gesetz vom 07.06.1909 (RGBl. I, S. 499), dort § 12 III: Verfall des Empfangenen (oder des Werts) aus einer Angestelltenbestechung. 14  Zu diesen und weiteren Vorschriften näher Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 98 f. und S. 108 f. 15  RGBl. I, S. 395. Auf die relevanten Vorschriften dieser Verordnung verwiesen auch weitere Verordnungen mit ähnlicher Zielrichtung, siehe § 3 VI 2 der Verord-



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.121

lich  – erste mit § 73 III StGB a. F. vergleichbare Regelung. Die PreistreibereiVO stellte als Reaktion auf die Auswirkungen des ersten Weltkrieges bestimmte, preissteigernde Handlungen unter Strafe. Gem. § 7 I der PreistreibereiVO war bei Zuwiderhandlung gegen bestimmte Vorschriften der PreistreibereiVO ein Betrag einzuziehen, der dem erzielten Gewinn oder Verdienst bzw. dem über dem Höchstpreis hinaus erzielten Erlös entsprach. Bemerkenswert sind nun die Abs. 2–4 der Regelung: „Soweit der übermäßige Gewinn oder Verdienst oder der über den Höchstpreis erzielte Erlös einer anderen Person als dem Täter oder dem Teilnehmer durch die Tat zugeflossen ist, kann für den einzuziehenden Betrag auch diese Person als Gesamtschuldner haftbar gemacht werden. Ebenso kann haftbar gemacht werden, wer nach der Tat aus dem Vermögen einer der im Abs. 1, 2 bezeichneten Personen eine Zuwendung erhalten hat, wenn ihm die Zuwendung in der Absicht, die Einziehung zu vereiteln, gemacht wurde und er dies zur Zeit des Erwerbes wusste oder den Umständen nach annehmen musste, oder wenn ihm die Zuwendung unentgeltlich gemacht wurde. Unter den gleichen Voraussetzungen kann als Gesamtschuldner jeder weitere Empfänger der Zuwendung oder ihres Wertes haftbar gemacht werden. Die Haftung ist auf den Wert der Zuwendung zur Zeit des Empfangs beschränkt. Der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Zuwendung haftet nur insoweit, als er durch sie noch bereichert ist. Die Haftung für den einzuziehenden Betrag geht auf den Erben über.“

Hervorzuheben ist die klare Trennung und jeweils ausdrückliche Regelung des unmittelbaren Erwerbs (Absatz 2) und des mittelbaren Erwerbs (Absätze 3 und 4) des Dritten. Die inhaltlich sehr konkreten und engen Voraussetzungen des Absatzes 3, die sich insbesondere an der Dogmatik der zivilrechtlichen Entreicherung orientieren,16 würden sich noch als einflussreich erweisen; auf sie wird zurückzukommen sein. Am 13.  Juli 1923 wurde die PreistreibereiVO durch eine neue Fassung ersetzt, wobei die hier relevanten Vorschriften nur in ihrem Standort verändert wurden (nunmehr § 16 IV–VI).17 nung gegen den Schleichhandel in der Fassung vom 27.  November 1919 (RGBl. I, S. 1909, 1912 f.) und § 5 III 2 der Verordnung zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel in der Fassung vom 27.  November 1919 (RGBl. I S. 1909, 1913 f.). 16  Insofern grundsätzlich beifallswürdig, zur verfassungsrechtlichen Relevanz der „Entreicherung“ des gutgläubigen Dritten 1.  Kap. C. III. 3. b) aa). Zweifelhaft dagegen die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung, dazu bereits 1.  Kap. C. III. 3. b) bb). 17  RGBl. I, S. 699, 700 ff. Gleichzeitig wurden die weiteren, einschlägigen Verordnungen aufgehoben und durch neue ersetzt, die wiederum auf die Regelung der PreistreibereiVO verwiesen, siehe § 5 II der Verordnung gegen verbotene Ausfuhr lebenswichtiger Gegenstände vom 13.  Juli 1923 (RGBl. I, S. 699, 705); § 29 IV 2

122 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

3. Rezeption dieser Regelung in den Entwürfen für ein Deutsches Strafgesetzbuch Der Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1919 sah in § 85 erstmals eine allgemeine Vorschrift zur „Einziehung“ des Entgelts für eine Tat vor.18 Eine entsprechende Regelung für den Gewinn aus einer Tat in Anlehnung an § 7 PreistreibereiVO 1918 wurde allerdings als schwierig bewertet:19 „Der Vorteil, den der Täter aus seiner Straftat zieht, besteht häufig nicht in einem Entgelt, das ihm für seine Tat gewährt wird, sondern in Gewinn anderer Art. Der Gedanke liegt nahe, dem Täter auch diesen Gewinn abzunehmen. Während des Krieges ist er in den Vorschriften gegen Preistreiberei, Führung eines unzulässigen Handelsbetriebes und verbotswidrige Ausfuhr verwirklicht worden […]. Der Versuch, die Einziehung des durch die Straftat erzielten Gewinns allgemein zu regeln, begegnet jedoch, wie schon die eingehenden Bestimmungen der genannten Sondergesetze zeigen, erheblichen Schwierigkeiten, und es empfiehlt sich, hier noch eine weitere Klärung abzuwarten. Der Entwurf sieht daher zunächst von einer derartigen Vorschrift ab, behält sich aber […] vor, die Bestimmung nach dieser Richtung auszubauen.“

Weiter gehen wollte insofern der Strafrechtsausschuss der Münchener Juristischen Studiengesellschaft. In einer Stellungnahme zum StGB-E 1919 aus dem Jahre 1922 schlug er ein allgemeines Institut zur Abschöpfung von Entgelt und Gewinn vor, welches sich auch auf bei einem Dritten aufgetretenen Gewinn erstrecken solle.20 Dazu heißt es in der Begründung:21 „Es ist eine Forderung nicht eigentlich des Strafrechts, sondern der elementaren Gerechtigkeit, dass die Begehung einer strafbaren Handlung kein lohnbringendes Geschäft sein soll, und diese Forderung würde gröblich verletzt, wenn z. B. zwar die Angestellten eines Unternehmers das Entgelt, das sie von diesem für die Beider Verordnung über Handelsbeschränkungen vom 13.  Juli 1923 (RGBl. I, S. 699, 706 ff.); § 19 I der Verordnung über den Verkehr mit Vieh und Fleisch vom 13.  Juli 1923 (RGBl. I, S. 699, 715 ff.). 18  Sie lautete: „Hat der Täter für ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen Entgelt empfangen, so kann dieses oder ein Betrag, der seinem Wert entspricht, im Urteil eingezogen werden.“ 19  Denkschrift zu dem Entwurf von 1919, S. 81. 20  § 85 I erhielt folgende Fassung: „Hat jemand für ein Verbrechen oder Vergehen Entgelt erhalten, so wird dieses Entgelt eingezogen oder ein seinem Wert entsprechender Betrag für verfallen erklärt. Hat jemand durch ein Verbrechen oder Vergehen anderen Gewinn erzielt oder Ausgaben erspart, so wird ein dem Gewinn oder den Ausgaben entsprechender Wert für verfallen erklärt. Die Höhe des Betrages bestimmt das Gericht unter Abzug dessen, was der Verletzte als Entschädigung zu beanspruchen hat, nach freiem Ermessen. […]“, Vorschläge Münchener Juristische Studiengesellschaft 1922, S. 63. 21  Vorschläge Münchener Juristische Studiengesellschaft 1922, S. 64 f.



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.123 hilfe zu einer Straftat erhalten haben, herausgeben müßten, dem Unternehmer selbst aber sein vielfach größerer Gewinn verbleiben würde. Einen Ausbau der Bestimmung nach dieser Richtung auf Grund der Erfahrungen der Kriegsgesetzgebung behält sich auch der E. vor […].“

Zu den Fällen der Weiterverschiebung des Gewinns, also des mittelbaren Erwerbs eines Dritten, wird ausgeführt: „Diese Fassung trägt auch teilweise den Fällen Rechnung, in denen der Täter den Gewinn in fraudem legis einem Dritten zugewendet hat; hier ist die gegen ihn [den Täter, d. Verf.] gerichtete Verfallserklärung in aller Regel keine unbillige Härte. Ob darüber hinaus ein Bedürfnis besteht, die Maßnahme auf Dritte auszudehnen (Verordn. gegen die Preistreiberei v. 8.V.1918  – R.G.Bl. 395  – § 7) darf der Zukunft überlassen werden; meist werden diese Dritten sich der Begünstigung oder Strafvereitelung (E. §§ 234, 235) schuldig machen und damit auch ihrerseits dem § 85 verfallen.“

Der von Radbruch im Jahre 1922 vorgelegte Entwurf ging in der Frage der Entgelt- bzw. Gewinnabschöpfung allerdings einen gänzlich neuen Weg. Das vom Täter für die Tat erlangte Entgelt und der vom Täter aus der Tat erlangte Gewinn sollten bei der Bemessung der Geldstrafe berücksichtigt werden:22 „§ 68 Bemessung der Geldstrafe […] (2) Die Geldstrafe soll das Entgelt, das der Täter für die Tat empfangen, und den Gewinn, den er daraus gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so darf es überschritten werden.“

Dieser Vorschlag wurde durch das Geldstrafengesetz vom 27.  April 192323 in § 27c II RStGB übernommen. Offensichtlicher Schwachpunkt der Regelung war, dass eine Entgelt- und Gewinnabschöpfung nur bei der Verhängung einer Geldstrafe möglich war. Auch eine Abschöpfung bei Dritten war so von vornherein ausgeschlossen. Trotzdem hielten auch die nachfolgenden Entwürfe für ein Deutsches Strafgesetzbuch an diesem Konzept fest.24

22  Entwurf

Radbruch 1922, S. 9, 56. I, S. 253. 24  Zur Reichsratsvorlage 1925 Arnold, Gesetzgebung (2015), S. 87 ff.; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 145 f.; zur Reichstagsvorlage 1927 Arnold, Gesetzgebung (2015), S. 90 ff.; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 137 f.; zum Entwurf Kahl 1930 Arnold, Gesetzgebung (2015), S. 103 ff.; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 138 ff.; zum Entwurf 1936 Arnold, Gesetzgebung (2015), S. 115 ff.; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 140 ff. 23  RGBl.

124 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

4. Die Entwicklungslinie von der PreistreibereiVO zum WiStG Während die Regelung des § 7 II–IV / § 16 IV–VI PreistreibereiVO 1918 / 1923 also im allgemeinen Strafrecht schnell wieder in Vergessenheit geriet, begründete sie zumindest in ihrem speziellen Regelungsbereich eine Entwicklungslinie, die sich bis heute nachverfolgen lässt. So griff der NS-Gesetzgeber die Mittel der PreistreibereiVO, insbesondere die Rechtsfolge der Mehrerlösabführung, mit seiner Verordnung über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlung gegen Preisvorschriften (PreisstrafrechtsVO) vom 3.  Juni 1939 wieder auf.25 Mit Reform vom 28. August 194126 wurde dann in § 8 IV PreisstrafrechtsVO der Satz angefügt: „Die Abführung des Mehrerlöses kann auch dem Inhaber oder einem am Gewinn des Geschäftsbetriebes Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden.“

Dies kam der Regelung des § 7 II / §16 IV PreistreibereiVO 1918 / 1923 nahe. Die von § 7 III, IV / § 16 V, VI PreistreibereiVO 1918 / 1923 geregelten Fallgruppen der Verschiebung bzw. Vererbung des Vorteils nach der Tat wurden indes nicht aufgegriffen. Die Neufassung der PreisstrafrechtsVO vom 26.  Oktober 194427, die das Ende des zweiten Weltkriegs überlebte,28 führte insoweit zu keiner Änderung. Die Regelung ging auch in das Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung vom 10. April 194829 ein. Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts vom 26. Juli 194930 wurde die PreisstrafrechtsVO durch das Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG 1949) ersetzt. In der dortigen Regelung der Mehrerlösabschöpfung (§§ 49–53 WiStG 1949) fehlte dann aber zunächst eine Regelung der Abschöpfung bei Drittbegünstigten.31 Die Korrektur erfolgte mit der Neufas25  RGBl.

I 1939, S. 999. I 1941, S. 539. 27  RGBl. I 1944, S. 261. 28  Vgl. OLG Hamburg MDR 1947, 103 sowie die Rechtsprechungsübersicht NJW 1947 / 48, 502 Nr. 884. 29  WiGBl. 1948, S. 27 bzw. Verordnungsblatt für die Britische Zone 1948, S. 103; dort § 13. 30  WiGBl. 1949, S. 193 bzw. Verordnungsblatt für die Britische Zone 1949, S. 313. 31  Der BGH erklärte es im Jahre 1952  – mit zweifelhafter Begründung  – dennoch für zulässig, den Mehrerlös, der bei einer juristischen Person unmittelbar durch ein Handeln ihres gesetzlichen Vertreters angefallen war, abzuschöpfen, BGHSt 3, 130 (131 f.): Nach § 51 I WiStG 1949 genüge die Verwirklichung des äußeren Tatbestandes einer Straftat, den habe hier die AG (trotz ihrer fehlenden Tätereigenschaft!) erfüllt. 26  RGBl.



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.125

sung des Wirtschaftsstrafgesetzes vom 9.  Juli 1954,32 wodurch die Mehrerlösabführung in den §§ 8–11 WiStG 1954 neu geregelt wurde. § 10 II WiStG 1954 ordnete nunmehr an: „Ist eine nach diesem Gesetz mit Strafe oder Geldbuße bedrohte Handlung in einem Betrieb begangen worden, so kann die Abführung des Mehrerlöses gegen den Inhaber oder Leiter des Betriebes und, falls der Inhaber eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts ist, auch gegen diese selbständig angeordnet werden, wenn ihnen der Mehrerlös zugeflossen ist.“

Von redaktionellen Änderungen abgesehen ist § 10 II WiStG immer noch geltendes Recht. 5. Zusammenfassung Die § 7 II–IV / § 16 IV–VI PreistreibereiVO 1918 / 1923 enthielten eine erste Regelung der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten, die insbesondere in einem gesonderten Absatz ausführlich die Konstellationen von Zuwendungen nach der Tat regelte und sich dabei am Ziel des Schutzes gutgläubiger Entreicherung im zivilrechtlichen Sinne orientierte. Für die Konstellation, in der der Mehrerlös unmittelbar dem Inhaber (auch juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts) oder Leiter des Betriebs zugeflossen ist, hat diese Regelung – im schmalen Anwendungsbereich des § 10 II WiStG  – bis heute überdauert. In den Entwürfen für ein Deutsches Strafgesetzbuch spielten diese Gesichtspunkte jedoch lange Zeit keine Rolle, insbesondere nachdem man sich zu einer Entgelt- und Gewinnabschöpfung über die Bemessung der Geldstrafe entschieden hatte. Das sollte sich erst mit den Beratungen der Großen Strafrechtskommission ändern.

II. Beratungen der Großen Strafrechtskommission Ab 1954 tagte die vom Bundesjustizministerium (BMJ) eingesetzte Große Strafrechtskommission mit dem Auftrag, einen Entwurf für eine Gesamtreform des deutschen Strafrechts zu entwickeln. 1. Entgelt- und Gewinnabschöpfung in den Diskussionen über Grundsatzfragen Die Problematik der Entgelt- und Gewinnabschöpfung wurde zunächst in der 7. bis 9. Sitzung bei der Diskussion über Grundsatzfrage 5e („Soll die 32  BGBl. I,

S. 175.

126 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Geldstrafe sozialer gestaltet werden, etwa in der Form des skandinavischen Tagesbußensystems?“) behandelt.33 Die Einführung des Tagessatzsystems34 wurde mehrheitlich befürwortet. Auf dieser Grundlage stellte sich die Frage, ob man die Entgelt- und Gewinnabschöpfung neu regeln musste. Denn der immer noch geltende § 27c II StGB a. F., demzufolge die Geldstrafe das Entgelt für bzw. den Gewinn aus der Tat übersteigen sollte und zu diesem Zwecke auch das gesetzliche Höchstmaß überschritten werden konnte, erschien mit dem Tagessatzsystem nicht mehr vereinbar. Eine Beibehaltung des § 27c II StGB a. F. fand dementsprechend kaum noch Befürworter,35 mehrheitlich wurde für die Einführung eines eigenständigen Instituts zur Gewinnabschöpfung nach Art der Abführung des Mehrerlöses im Wirtschaftsstrafrecht plädiert.36 Diese Lösung wurde dann auch durch die Unterkommission vorgeschlagen37 und von der Vollkommission angenommen.38 Im Rahmen der Grundsatzfrage 5f („In welcher Weise ist eine Erweiterung des Strafensystems und des Systems der sichernden und bessernden Maßregeln empfehlenswert?“) in der 12. Sitzung führte Krille die Überlegungen fort:39 Es sei eine Verallgemeinerung des Rechtsgedankens des § 335 StGB a. F. (Verfall des Empfangenen bei Bestechungsdelikten im Amt) zu erwägen. Auch unter der Grundsatzfrage 5f1 („Sollen Sondermaßnahmen gegen juristische Personen vorgesehen werden?“) wurde die Frage der Entgelt- und Gewinnabschöpfung in der 12. und 13. Sitzung erneut thematisiert. Jescheck40 sprach sich für eine Erweiterung des neuen § 10 II 33  Niederschriften

Band  1, S. 155 ff. diesem wird die Anzahl der Tagessätze durch die Strafzumessung bestimmt (heute § 46 StGB i. V. m. § 40 I StGB). Die Höhe der Tagessätze richtet sich dann nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters (heute § 40 II, III StGB). 35  Trotz des erkannten Systembruchs für eine Beibehaltung allerdings Schwalm, Niederschriften Band  1, S. 163 f., und als Vertreter des BMJ Schafheutle, Niederschriften Band  1, S. 175; in diese Richtung auch der Vorschlag der Sachbearbeiter des BMJ, Umdruck J 2, Niederschriften Band  1, S. 381 (V.). 36  Dafür Eb. Schmidt, Niederschriften Band  1, S. 176; Koffka, Niederschriften Band  1, S. 177; Gallas, Niederschriften Band  1, S. 179; Krille, Niederschriften Band  1, S. 180 und tendenziell Baldus, Niederschriften Band  1, S. 178. Der Vorschlag von Fränkel, bei einem besonders hohen Tatgewinn vom Tagesbußensystem abzusehen und unmittelbar auf eine betragsmäßig festgesetzte Strafe zu erkennen, Niederschriften Band 1, S. 158 sowie Umdruck R 12, S. 375 (S. 376: Nr. 11, S. 378: § c) fand dagegen keine Zustimmung, kritisch Rösch, Umdruck R 19, Niederschriften Band  1, S. 378 (S. 379: Nr. 5). 37  Umdruck U 7, Niederschriften Band  1, S. 382 (S. 383: V.). 38  Umdruck K 7, Niederschriften Band  1, S. 384 (S. 385: V.); zur Abstimmung s. Niederschriften Band  1, S. 211 ff. 39  Niederschriften Band  1, S. 281 f. 40  Niederschriften Band  1, S. 296 sowie Umdruck R 21, S. 392 (A. I.). 34  Bei



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.

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WiStG 1954 aus. Dem schloss sich Koffka41 an, die darauf hinwies, dass bei der Eigenart der „Verbandsdelikte“ häufig zivilrechtliche Bereicherungsoder Schadensersatzansprüche nicht gegeben seien (z. B. bei Devisendelikten) oder nicht geltend gemacht würden. Zur Lösung schlug sie einen – von ihr als „Geldbuße“ bezeichneten – allgemeinen, öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Gewinnabführungsanspruch vor. Zu einer Abstimmung kam es bei dieser Grundsatzfrage nicht. Deutlich wurde aber, dass das allgemeine Institut der Gewinnabschöpfung, auf welches man sich zuvor grundsätzlich verständigt hatte, nach Meinung der sich an der Diskussion beteiligenden Kommissionsmitglieder auch auf juristische Personen (und damit zumindest insoweit auf Drittbegünstigte!) Anwendung finden müsse. 2. Beratungen zum Thema „Verfall und Einziehung“ Das Thema „Verfall und Einziehung“ wurde in der 34. und der 37. Sitzung behandelt. a) Vorbereitende Regelungsvorschläge und Diskussion in der 34. Sitzung Die Beratung wurde durch einen Regelungsvorschlag des BMJ vorbereitet.42 Dieser enthielt in Umsetzung des Beschlusses zu Grundsatzfrage 5e erstmals ein allgemeines Institut des Verfalls des Tatengelts bzw. -gewinns, welches allerdings ausdrücklich als Nebenstrafe aufgefasst wurde.43 Die Anordnung gegen unbeteiligte Dritte schied damit „naturgemäß“ aus.44 Dieser Vorschlag rief einen Gegenvorschlag von Schäfer hervor.45 In diesem trat er insbesondere der Einordnung des Gewinnverfalls als Nebenstrafe entgegen, stattdessen sei die Herausgabe des Gewinns ein Ausgleich ungerechtfertigter Bereicherung, ggf. auf dem Boden des öffentlichen Rechts.46 Weiter bezweifelte Schäfer, dass angesichts der notwendigen Ausscheidung von Fällen, in denen ein Verletzter Ausgleichsansprüche hat, und der zahlreichen, bereits vorhandenen Einzelregelungen47 überhaupt ein Be41  Niederschriften Band  1, S. 301 ff. sowie Umdruck R 18, S. 394 und Umdruck R 23, S. 394 f. 42  Umdruck J 24, Niederschriften Band  3, S. 403 ff. 43  Niederschriften Band  3, S. 406. 44  Niederschriften Band  3, S. 405. 45  Umdruck R 59, Niederschriften Band  3, S. 388 ff.; weiter ausgeführt in der 34. Sitzung, Niederschriften Band  3, S. 208 ff. 46  Niederschriften Band  3, S. 397. 47  Zur Gewinnabschöpfung werden aufgeführt § 296a StGB (s. unter I. 1.), § 8 WiStG (s. unter I. 4.), § 40 BJagdG („Einziehung“ z. B. der Jagdbeute, die durch

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dürfnis für ein allgemeines Institut der Entgelt- und Gewinnabschöpfung bestehe.48 Die Bedenken Schäfers veranlassten die Sachbearbeiter des BMJ zur Ausarbeitung eines zweiten Vorschlags, der dann Gegenstand der weiteren Beratungen wurde.49 In diesem wurde zwar an der Einführung eines allgemeinen Instituts des Verfalls des Tatentgelts bzw. -gewinns festgehalten, im Anschluss an Schäfer wurde dieses jedoch nun als „öffentlich-rechtlicher Gewinnausgleich“ bezeichnet und die Ausgestaltung als Nebenstrafe ausdrücklich „aufgegeben“.50 Es blieb aber dabei, dass sich der Verfall nur gegen Täter oder Teilnehmer richten können sollte. Die hierfür von Goßrau gegebene Begründung zeigt, dass man inhaltlich keineswegs von einem Verständnis des Verfalls als Strafe abgerückt war:51 „Die Zulassung der Gewinnabführung gegen Dritte könnte […] nur erfolgen, wenn ein besonderer Rechtfertigungsgrund bestände, also wenn ein Verschulden eigener Art in der Person des Dritten vorläge. Bei der Einziehung […] spielt eine Rolle, ob der Dritte die Verstrickung des Gegenstandes mit der Tat zu vertreten hat. Dieser Gedanke paßt aber hier nicht; hier könnte das Verschulden des Dritten, der doch weder Gehilfe noch Hehler noch Begünstiger ist, nur in einer Art bösem Glauben liegen. Ob das in den Fällen der fahrlässigen Unkenntnis der Tat als Rechtfertigungsgrund immer zu einem gerechten Ergebnis führt, ist mir zweifelhaft. Wie würde sich dieser böse Glauben mit der zivilrechtlichen Situation vereinen? […] Aber wo kommen wir hin, wenn wir den Gewinn, den der Täter einem Dritten zugeschanzt hat – sei es unmittelbar, sei es mittelbar –, verfolgen würden? Dann müßten wir doch die rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen dem Täter und dem Dritten irgendwie in die Berechnung einbeziehen, und hier, glaube ich, kann man wirklich nicht sehen, wohin das führt.“

Stattdessen müsse man sich mit der Anordnung des Wertersatzverfalls gegen den Täter begnügen. Es sei allerdings  – hier wird an die Grundsatzfrage 5f1 angeknüpft  – eine Sonderregelung für juristische Personen erforderlich, worauf noch zurückgekommen werden müsse. Verletzung der Schonzeitvorschriften erzielt wurde), § 31 NaturschutzVO („Einziehung“ z. B. entgegen den Naturschutzvorschriften gepflückter Pflanzen), § 31 Gesetz zur Regelung der öffentlichen Sammlungen („Einziehung“ des Ertrags nicht genehmigter Sammlungen). Zur Entgeltabschöpfung werden aufgeführt § 335 StGB (s. unter I. 1.), § 12 III UWG (s. unter I. 1.), § 108b StGB („Einziehung“ des Bestechungsentgelts bei der Wahlbestechung), §§ 86 III, 98, 101 StGB („Einziehung“ des Tatentgelts bei Hoch- und Landesverrat und Staatsgefährdung), § 40 BJagdG („Einziehung“ z. B. der Belohnung für den verbotswidrigen Abschuss eines Greifvogels). 48  Zur Gewinnabschöpfung Niederschriften Band  3, S. 396 ff.; zur Entgeltabschöpfung S.  399 ff. 49  Umdruck J 28, Niederschriften Band  3, S. 409 f.; erläutert von Goßrau in der 34. Sitzung, Niederschriften Band  3, S. 203 ff. 50  Niederschriften Band  3, S. 205. 51  Niederschriften Band  3, S. 205.



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In der Diskussion wies Koffka darauf hin, dass es auch über den Bereich der juristischen Personen hinaus sehr viele Fälle gebe, in denen der Gewinn einem Dritten zufließe.52 Es müssten wenigstens die Fälle erfasst werden können, in denen ein gesetzlicher Vertreter gehandelt hat und in denen im Rahmen eines Betriebes für den Betriebsinhaber ein Gewinn erzielt wird. Dagegen wandte Schafheutle im Anschluss an Goßrau ein, dass die Gefahr der Erfassung der „fahrlässigen Beihilfe“ bestünde und stattdessen auf den Wertersatzverfall gegen den Täter zurückzugreifen sei.53 Dem entgegnete Koffka, dass es ja keineswegs um Strafe, sondern um einen öffentlichrechtlichen Bereicherungsanspruch gehe.54 b) Vorschläge der Unterkommission und Diskussion in der 37. Sitzung Im Anschluss an die Diskussion in der 34. Sitzung wurde eine Unterkommission gebildet, die der Vollkommission in der 37. Sitzung drei Alternativlösungen zur Regelung des Verfalls vorlegte.55 Diese unterschieden sich u. a. bei der Frage, inwieweit die Verfallsanordnung gegen einen Drittbegünstigten möglich sein sollte. Die – Gallas zuzuschreibende56 – 2. Alternative hielt daran fest, dass der Verfall nur gegen den Täter oder Teilnehmer angeordnet werden können sollte. Die 1. Alternative enthielt zumindest eine Teilregelung: „§ a Verfall […] (3) Hat der Täter oder Teilnehmer als Organ oder Vertreter eines anderen gehandelt und das Entgelt oder den Gewinn für den Vertretenen erzielt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls gegen diesen. […]“

Am weitesten ging die  – Koffka zuzuschreibende57  – 3. Alternative, die in ihrer zwischen zwei Fallkonstellationen des Drittbegünstigtenverfalls unterscheidenden Konstruktion an die Regelung des § 7 II, III / § 16 IV, V PreistreibereiVO 1918 / 1923 erinnerte: 52  Niederschriften

Band  3, S. 216. Band  3, S. 217. 54  Niederschriften Band  3, S. 217. 55  Umdruck U 30, Niederschriften Band  3, S. 411 ff. 56  Goßrau, Niederschriften Band  3, S. 282. 57  Goßrau, Niederschriften Band  3, S. 278. 53  Niederschriften

130 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen „§ a Voraussetzung des Verfalls (1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch die Straftat für sich oder einen anderen ein Entgelt oder sonstigen Gewinn erzielt, so ordnet das Gericht dessen Verfall gegenüber demjenigen an, dem er zugeflossen ist. (2) Dem Verfall unterliegen auch Gegenstände, die der Empfänger durch die Verwertung des als Entgelt oder Gewinn Erlangten oder als Ersatz dafür erworben hat. (3) Soweit ein Empfänger das nach den Absätzen 1 und 2 Erlangte einem Dritten unentgeltlich zugewendet hat, wird der Verfall diesem gegenüber angeordnet. […]“

In der Diskussion hatte Koffka mit ihrem Vorschlag58 einen schweren Stand. Es wurde deutlich, dass die Mehrheit dem Verfall Strafcharakter zusprach,59 womit der bereicherungsrechtlich orientierte Vorschlag Koffkas nicht zu vereinbaren schien. In den Worten Gallas’:60 „Geht man davon aus, daß der Verfall Nebenstrafe ist, kann grundsätzlich nur dem Täter der Gewinn genommen werden. Hat er den Gewinn nicht mehr, wird Wertersatz angeordnet. Nach der Konstruktion des Verfalls als öffentlich-rechtlichem Bereicherungsanspruch wird vom Verfall grundsätzlich jeder betroffen, der bereichert ist.“

Angesichts der klaren Opposition zog Koffka ihren Vorschlag noch im Verlaufe der Sitzung zurück.61 Allerdings fand auch Gallas für seinen restriktiven, aber auf Grundlage des Verständnisses des Verfalls als Nebenstrafe eigentlich konsequenten, Vorschlag keine Zustimmung. Wie bereits bei Grundsatzfrage 5f1 deutlich geworden war, wollte man zumindest den von der 1. Alternative erfassten „wichtigsten Fall“62 geregelt wissen. Die Kommission billigte daher die Fassung der 1. Alternative, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Frage im Zusammenhang mit dem Gesamtproblem der Organhaftung abschließend geregelt werden solle.63 58  Zu

dem sie sich mehrfach erläuternd äußerte, Niederschriften Band 3, S. 280 f. wieder Goßrau, Niederschriften Band  3, S. 278 („…daß dieses Institut ja weitgehend den Charakter einer Strafe hat…“) und Schafheutle, Niederschriften Band  3, S. 279 („…daß der Verfall Strafcharakter hat…“), besonders deutlich Gallas, Niederschriften Band  3, S. 280 („Ich bin der Überzeugung, daß der Verfall der Strafe jedenfalls sehr nahekommt. […] Wenn einem Beamten die Bestechungssumme oder dem Kuppler der Gewinn entzogen wird, hat diese Maßregel einen ausgesprochenen ethischen Akzent. Es erscheint unerträglich, daß der Täter aus der Tat einen Gewinn ziehen darf.“). 60  Niederschriften Band  3, S. 281. 61  Niederschriften Band  3, S. 282. 62  So Goßrau, Niederschriften Band  3, S. 282. 63  Niederschriften Band  3, S. 283 sowie Umdruck K 30, Niederschriften Band  3, S. 414 (Fn. 3). 59  Insbesondere



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3. Beratungen zum Thema „Behandlung der juristischen Personen“ Zur abschließenden Beratung kam es damit in der 50. und 52. Sitzung unter dem Oberpunkt „Behandlung der juristischen Personen“. Der neue Vorschlag des BMJ hatte die zuvor beschlossene Fassung des Drittbegünstigtenverfalls leicht ergänzt:64 „§ a Verfall […] (3) Hat der Täter oder Teilnehmer als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person, als dessen Mitglied oder sonst als Vertreter eines anderen gehandelt und das Entgelt oder den Gewinn für den Vertretenen erzielt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls gegen diesen. […]“

Damit sollte klargestellt werden, dass einerseits nur vertretungsberechtigte Organe, andererseits auch die Mitglieder mehrgliedriger Organe erfasst seien.65 Das Referat von Koffka66 und die Diskussion in der 50. Sitzung67 erbrachten zu dieser Regelung nichts Neues. Der Vorschlag der daraufhin gebildeten Unterkommission sah ebenfalls in diesem Punkt keine Änderungen mehr vor.68 In der 52. Sitzung wurde dann die vorgeschlagene Fassung als § 117 III einstimmig beschlossen.69 4. Zusammenfassung Die Einführung des Tagessatzsystems machte ein Festhalten am bisherigen § 27c II StGB a. F. zur Entgelt- und Gewinnabschöpfung unmöglich. Daher schlug die Große Strafrechtskommission erstmals ein allgemeines Institut zur Abschöpfung des Tatentgelts und -gewinns vor. Die Beantwortung der Frage, ob dieses sich auch auf Drittbegünstigte erstrecken solle, wurde durch große Unsicherheit hinsichtlich des Rechtscharakters der Maßnahme erschwert. Ein Verständnis, wie es bereits der Regelung der § 7 II–IV / § 16 IV–VI Preistrei64  Umdruck J 36, Niederschriften Band  3, S. 569; Hervorhebung der Ergänzungen durch den Verfasser. 65  Umdruck J 36, Niederschriften Band  3, S. 569 (571). 66  Umdruck R 92, Niederschriften Band  3, S. 564 ff. 67  Niederschriften Band  3, S. 321 ff. 68  Umdruck U 39, Niederschriften Band  3, S. 573. 69  Niederschriften Band  3, S. 401 sowie Umdruck K 39, Niederschriften Band  3, S. 574.

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bereiVO 1918 / 1923 zugrunde gelegen hatte und das hier als „bereicherungsrechtliches“ insbesondere von Koffka, aber auch von Schäfer vorgetragen wurde, konnte sich nicht durchsetzen. Mehrheitlich wurde die Maßnahme zumindest für „strafähnlich“ gehalten. Den danach konsequenten Weg (wie er insbesondere von Gallas vorgetragen wurde), dass ein Verfall bei Drittbegünstigten vollständig ausscheiden müsste, wollte die Kommission aber auch nicht gehen. Diesen Verlust dogmatischer Genauigkeit nahm man in Kauf, weil allenthalben Handlungsbedarf für die strafrechtliche Verantwortung juristischer Personen gesehen wurde. Eine Ausnahme sei daher gerechtfertigt: „Da die juristische Person nur durch ihre Organe handeln kann, darf sie im Verhältnis zu diesen nicht als Dritter behandelt werden.“70 (Nur) aus Gründen der Gleichbehandlung müsse das dann auch bei natürlichen Personen gelten, deren Vertreter für sie handeln.

III. Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuchs von 1962 (E 1962) Die von der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung beschlossene Fassung blieb in der zweiten Lesung unverändert und ging mit neuem Standort (nun § 109 III) in den Regierungsentwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960)71 ein, der allerdings der parlamentarischen Diskontinuität zum Opfer fiel. Nach Beginn der Legislaturperiode des vierten Bundestages wurde der Regierungsentwurf als E 1962 neu in den Bundestag eingebracht. Die Vorschrift des § 109 III war in diesem Entwurf jedoch verändert worden:72 „(3) Hat der Täter oder Teilnehmer als Vertreter eines anderen oder sonst für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser das Entgelt oder den Gewinn erworben, so richtet sich die Anordnung des Verfalls gegen den Empfänger.“

Neben der sprachlichen Vereinfachung der Vertreterregelung („als Vertreter eines anderen“ statt „als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person, als dessen Mitglied oder sonst als Vertreter eines anderen“) war damit eine Ausweitung auf Fälle, in denen „sonst für einen anderen gehandelt“ wurde, verbunden. Insoweit wurde also erstmals die Formulierung des späteren § 73 III StGB a. F. verwendet. Das „sonstige Handeln für einen anderen“ sollte nach der Begründung erfordern, dass, ohne Vertreter zu sein, nach außen erkennbar Angelegenheiten eines anderen wahrgenommen wur70  Goßrau, Niederschriften Band  3, S. 334 sowie Umdruck J 36, Niederschriften Band  3, S. 569 (571). 71  BT-Drucksache III / 2150, S. 29. 72  BT-Drucksache IV / 650, S. 29.



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den.73 Diese Erweiterung ging auf eine Anregung des Bundesfinanzministeriums zurück, das darauf hingewiesen hatte, dass bei Steuervergehen in Unternehmen typischerweise auch Betriebsangehörige ohne Vertretungsmacht (z. B. der Buchhalter), aber auch nicht betriebsangehörige Beauftragte (z. B. der Steuerberater) als Täter in Betracht kämen.74 Dies wurde im Entwurf verallgemeinernd aufgenommen. Erfasst sein sollten von der neuen Fassung auch Fälle der Geschäftsführung ohne Auftrag, bei Gutgläubigkeit des Geschäftsherrn sei die Härtefallvorschrift zu bedenken.75 Sprachlich wurde auch der zweite Teil der Norm verändert. Statt „hat der Täter […] das Entgelt oder den Gewinn für den Vertretenen erzielt“ hieß es nun „hat dadurch dieser das Entgelt oder den Gewinn erworben“. Auch diese Formulierung ähnelt bereits stark der späteren Fassung des § 73 III StGB a. F. („hat dadurch dieser etwas erlangt“). Der E 1962 bezweckte an dieser Stelle aber ausdrücklich keine Ausweitung gegenüber der vorherigen Fassung:76 „Voraussetzung ist immer, daß […] das Entgelt oder der Gewinn „durch“ das Handeln des Täters oder Teilnehmers unmittelbar in das Vermögen des anderen geflossen ist. Damit werden die Fälle ausgeschieden, in denen der Täter oder Teilnehmer durch die Straftat, allein für sich selbst tätig, das Entgelt oder den Gewinn zunächst in sein Vermögen erwirbt und das Erlangte dann einem Dritten zukommen läßt, auch wenn dies von vornherein sein weiteres Ziel gewesen ist.“

Diese enge Fassung des Drittbegünstigtenverfalls wurde damit begründet, dass vermieden werden müsse, „Unschuldige“ zu treffen und dass ansonsten die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Täter und dem Dritten berücksichtigt werden müssten. Dem kriminalpolitischen Bedürfnis genüge im Übrigen die Anordnung des Wertersatzverfalls gegen den Täter.77

IV. Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil (AE 1966) Im Jahre 1966 legten 14 Strafrechtslehrer einen Alternativ-Entwurf eines Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches vor,78 der auch in den Bundestag 73  BT-Drucksache

IV / 650, S. 242. Gesetzgebung (2015), S. 202 f. 75  BT-Drucksache IV / 650, S. 242. 76  BT-Drucksache IV / 650, S. 242. 77  Vgl. zu diesen Argumenten bereits die Aussagen von Goßrau und Schafheutle in der Großen Strafrechtskommission, oben unter II. 2. a). 78  Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, vorgelegt von Baumann, Brauneck, Hanack, Kaufmann, Klug, Lampe, Lenckner, Maihofer, Noll, Roxin, Schmitt, Schultz, Stratenwerth und Stree. 74  Arnold,

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eingebracht wurde.79 Dieser wandelte § 109 III (E 1962) an neuer Position (nunmehr § 83 II) leicht ab: „(2) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt, und hat dieser den Vermögensvorteil erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls gegen den Empfänger.“

Nach der Begründung entspreche die Regelung inhaltlich § 109 III des E 1962 und sei nur sprachlich verändert worden.80 Die Streichung der Spezialfalls „als Vertreter eines anderen oder sonst“ vor „für einen anderen gehandelt“ solle nur der sprachlichen Vereinfachung dienen. Die Umformulierung des zweiten Teils („hat dieser den Vermögensvorteil erlangt“ statt „hat dadurch dieser das Entgelt oder den Gewinn erworben“) erklärt sich allein daraus, dass der AE 1966 begrifflich nicht mehr zwischen Entgelt und Gewinn trennen wollte. Viel bedeutender als diese sprachlichen Anpassungen ist, dass der Alternativ-Entwurf in einer grundsätzlichen Frage vom E 1962 abrückte: Während dieser den Verfall zumindest implizit noch als Nebenstrafe verstanden hatte, lag dem AE 1966 ein Verständnis des Verfalls als Maßnahme eigener Art zugrunde. Das zeigt sich vor allem an zwei Stellen: Erstens sah der AE 1966 den Verfall gegen den Täter oder Teilnehmer anders als der E 1962 auch bei einer (nur) rechtswidrigen, aber nicht schuldhaften Tat vor. Der Verfall wurde damit von der Strafe abgekoppelt. Zweitens wurde § 111 II des E 1962, der die Anrechnung von Freiheitsentziehung und Strafe auf den Verfall regelte und damit Ausdruck des angenommenen Strafcharakters des Verfalls gewesen war, ersatzlos gestrichen. Zur Begründung verwies der AE 1966 auf die fehlende, funktionelle Vergleichbarkeit der Maßnahmen: Der Verfall diene alleine dazu, dem Tatbeteiligten die Vermögensvorteile zu entziehen, die ihm sein gesetzwidriges Verhalten eingebracht haben.81 Aus diesem veränderten Grundverständnis zog der AE 1966 aber nicht die Konsequenz, den Verfall gegen Drittbegünstigte auszuweiten. Festzuhalten ist allerdings, dass auf Grundlage dieses Verständnisses  – anders als unter dem Verständnis des E 1962 – die vorgeschlagene Regelung des § 109 III zumindest nicht mehr als Fremdkörper erschien.

79  BT-Drucksache

V / 2285. 1966, S. 157. 81  AE-StGB 1966, S. 158. 80  AE-StGB



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V. Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform Der E 1962 fiel zunächst erneut der parlamentarischen Diskontinuität zum Opfer, wurde aber 1965 unverändert in den fünften Bundestag eingebracht.82 Dieser bildete einen Sonderausschuss für die Strafrechtsreform. Das Thema „Verfall und Einziehung“ behandelte der Sonderausschuss zunächst knapp in der 28. und dann eingehend in der 53. und 54. Sitzung. Der Beratung in der 28. Sitzung lag eine „Formulierungshilfe“ des BMJ zugrunde,83 die den Wortlaut des § 109 III des E 1962 übernommen hatte (der AE 1966 lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor). Erwähnenswert sind aus dieser Sitzung einige Klarstellungen des Vertreters des BMJ Göhler. Die Begründung des E 1962 hatte für das Handeln „für einen anderen“ die nach außen erkennbare Wahrnehmung von Angelegenheiten eines anderen gefordert. Neben den Fällen rechtsgeschäftlicher Stellvertretung war an betriebsangehörige und nicht betriebsangehörige Beauftragte gedacht worden, aber auch Fälle der Geschäftsführung ohne Auftrag sollten unter die Vorschrift fallen können. Auf Nachfrage brachte Göhler für letztere Variante ein Beispiel: Jemand führe (unerlaubt) Waren aus, erziele dadurch Gewinne und nutze dann die Gelegenheit dazu, gleiche Geschäfte auch im Namen eines Geschäftsfreundes – aber ohne dessen Wissen – zu tätigen.84 Wie eng das BMJ die Regelung des Verfalls gegen Drittbegünstigte verstanden wissen wollte, verdeutlichte der Hinweis Göhlers auf die „sehr viel weiter“ gehende Rechtslage u. a. in Norwegen: Dort könne der Gewinn neben dem Schuldigen auch demjenigen abgenommen werden, in dessen Interesse der Schuldige gehandelt habe.85 Schließlich ergänzte Göhler noch die Begründung des E 1962 dafür, warum man so weit nicht gehen wolle:86 Die Reichweite der Maßnahme sei nicht mehr zu übersehen. Alle Personen, die irgendwie von der Straftat einen Vorteil gehabt haben könnten, müssten durch den Richter ermittelt und notgedrungen am Strafverfahren beteiligt werden. Man sei daher bereit, gewisse Lücken in Kauf zu nehmen bzw. dem Zivilrecht zu überlassen. Der Beratung in der 53. und 54. Sitzung lag eine „Weitere Formulierungshilfe“ des BMJ zugrunde,87 die nun erstmals den inzwischen vorgeleg82  BT-Drucksache

V / 32. Sonderausschuss V, S. 556 ff. 84  Protokolle Sonderausschuss V, S. 548. Auf die Nachfrage der Abg. DiemerNicolaus, ob solche Fälle in der Praxis vorgekommen seien, antwortete Göhler, dass gerade im Außenhandel die unglaublichsten Geschäfte denkbar seien. 85  Protokolle Sonderausschuss V, S. 543 f.; Hervorhebung durch den Verfasser. 86  Protokolle Sonderausschuss V, S. 544. 87  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1019 f. 83  Protokolle

136 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

ten AE 1966 berücksichtigt hatte und in Anlehnung daran einige Änderungen vorsah. 1. Wandlung des Verständnisses der Rechtsnatur des Verfalls? Interessant war zunächst, ob man dem AE 1966 in seiner Abkehr vom Verständnis des Verfalls als Nebenstrafe folgen würde. Die vom AE 1966 vorgeschlagene Erweiterung auf nur rechtswidrige Taten wurde zumindest als Alternative vorgeschlagen. Göhler erläuterte, dass die bisherige Fassung (Erfordernis einer schuldhaften Handlung) am ehesten zu einem Verständnis des Verfalls als Nebenstrafe passe.88 Wenn man den Grundgedanken des Verfalls dagegen darin sähe, das unrechte Gut dort wegzunehmen, wo es durch eine rechtswidrige Tat erlangt sei, spreche vieles für den Vorschlag des AE 1966. Diese Alternative sei insbesondere dann folgerichtig, wenn man sich (mit § 109 III des E 1962) auf den Standpunkt stelle, dass der Vermögensvorteil auch bei einem Dritten abgenommen werden solle. Noch deutlicher drückte es Dreher (BMJ) aus: Bei einem Verständnis des Verfalls als Nebenstrafe dürfe man nicht nur eine bloß rechtswidrige Tat nicht ausreichen lassen, es sei „auch kein Raum für den Abs. 3“.89 Nach längerer Diskussion beschloss der Sonderausschuss schließlich die Alternative, die dem AE 1966 entsprach.90 Zudem sah die „Weitere Formulierungshilfe“ im Anschluss an den AE 1966 eine ersatzlose Streichung des § 111 II des E 1962 vor. Dreher erläuterte  – nunmehr ganz auf der Linie des AE 1966  –, der Verfall in der vom Ausschuss beschlossenen Fassung sei keine Nebenstrafe, vielmehr gehe es bei ihm um das Abnehmen des unrechtmäßig erworbenen Gutes, daher passe die Anrechnung von Freiheitsentziehung nicht.91 Dem folgte der Ausschuss und beschloss mehrheitlich die Streichung des § 111 II.92 Der Sonderausschuss schloss sich also den Verfassern des AE 1966 darin an, das Verständnis des Verfalls als Nebenstrafe aufzugeben.

88  Protokolle

Sonderausschuss V, S. 1002. Sonderausschuss V, S. 1005. 90  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1004 (erster Beschluss), S. 1007 (Festhaltung nach erneuter Diskussion). 91  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1028. 92  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1029. 89  Protokolle



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.

137

2. Ausweitung des Verfalls bei Drittbegünstigten? Das führt zu der Frage, ob man aus dem veränderten Grundverständnis auch Konsequenzen für den Anwendungsbereich des Drittbegünstigtenverfalls ziehen würde. Die „Weitere Formulierungshilfe“ hatte die vom AE 1966 vorgeschlagenen, sprachlichen Anpassungen des § 109 III (E 1962) aufgegriffen: Die vom AE 1966 gestrichene Wendung „als Vertreter eines anderen oder sonst“ vor „für einen anderen“ wurde eingeklammert. Aus „hat dadurch dieser das Entgelt oder den Gewinn erworben“ wurde „hat dadurch dieser den Vermögensvorteil erlangt“. a) Zum Merkmal „für einen anderen gehandelt“ aa) Darstellung der Erörterungen Göhler erklärte den bislang verwendeten Zusatz „als Vertreter eines anderen oder sonst“ vor „für einen anderen gehandelt“ damit, dass man den Hauptfall plastischer habe machen wollen.93 Seine Streichung komme nun aber nicht nur aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung in Betracht (so aber noch der AE 1966!), sondern auch weil durch ihn die Vorschrift in einer nicht gewollten Weise eingeengt werden könne. Man bezweifle nämlich nunmehr, dass es (wie noch von der Begründung des E 1962 gefordert!) auf ein nach außen erkennbar in Erscheinung getretenes Auftrags- oder Vertretungsverhältnis ankommen sollte. Wenn jemand unmittelbar durch die Tat im Vermögen eines anderen einen Vermögensvorteil hervorgerufen habe und in dieser Weise „für einen anderen gehandelt“ habe, müsse das Grundlage genug sein, ihm diesen Vermögensvorteil wegzunehmen. Der Abg. Arndt formulierte (mit Billigung von Dreher für das BMJ) daraufhin, dass ein tatsächliches Handeln mit der Wirkung, dass der andere den Vermögensvorteil erlange, ausreiche.94 Darauf aufbauend meinte der Vors. Güde – unter Zustimmung von Arndt und ansonsten unwidersprochen  –, aus dem Wortlaut des Abs. 3 könne nicht geschlossen werden, dass es sich um ein gezieltes Handeln für den Empfänger handeln müsse.95 Der Sonderausschuss beschloss daraufhin die von der „Weiteren Formulierungshilfe“ vor93  Protokolle

Sonderausschuss V, S. 1014 f. Sonderausschuss V, S. 1016. 95  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1016. Als Beispiel führte Güde einen Täter an, der eine Straftat im eigenen Interesse über den Umweg des Vermögens eines Dritten begehen will, die Straftat aber, nachdem der Vermögensvorteil (zunächst) beim Dritten eingetreten ist, nicht mehr beenden kann. 94  Protokolle

138 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

geschlagene Fassung unter Streichung des Zusatzes „als Vertreter eines anderen oder sonst“ einstimmig (bei einer Enthaltung).96 bb) Analyse Die Entwicklung, die das Verständnis des Merkmals „für einen anderen gehandelt“ im Sonderausschuss genommen hat, ist überaus erstaunlich. (1) Positiver Inhalt dieses Merkmals? Man strich also letztlich nur den (sprachlich in der Tat unnötigen und allein aus diesem Grund auch schon vom AE 1966 gestrichenen) Spezialfall „als Vertreter eines anderen oder sonst“ vor „für einen anderen gehandelt“. Damit sollte nun aber eine potenziell sehr weitreichende Ausweitung des Anwendungsbereiches der Regelung zum Ausdruck gebracht werden. Denn das bisherige, klar umrissene Verständnis dieses Merkmals (nach außen erkennbare Wahrnehmung der Angelegenheiten eines anderen) wurde ausdrücklich aufgegeben. Bemerkenswert ist allerdings, dass in der ganzen Diskussion keine positive Umschreibung dafür aufzufinden ist, welchen Inhalt und welche tatbestandsbegrenzende Wirkung das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ in dieser Fassung überhaupt noch haben sollte. Die Äußerungen deuten vielmehr darauf hin, dass das Merkmal gar keine tatbestandsbegrenzende Wirkung mehr haben sollte. Besonders aussagekräftig ist die Formulierung von Göhler:97 „Darauf [scil.: ein nach außen erkennbar in Erscheinung getretenes Auftrags- oder Vertretungsverhältnis] könne es an sich nicht ankommen, wenn nur die Voraussetzung gegeben sei, daß durch die Tat des Täters unmittelbar in dem Vermögen eines anderen ein Vermögensvorteil entstanden sei. Wenn jemand in dieser Weise für einen anderen gehandelt habe, sollte dies ausreichende Grundlage dafür sein, ihm diesen Vermögensvorteil wegzunehmen.“

Zwischen zwei eigenständigen Merkmalen wird hier nicht mehr unterschieden. Es soll letztlich allein darauf ankommen, dass ein anderer „dadurch … etwas erlangt“ hat, das „Handeln für einen anderen“ geht darin völlig auf. In Anlehnung an diese Aussage heißt es im Zweiten Schriftlichen Bericht des Sonderausschusses:98

96  Protokolle

Sonderausschuss V, S. 1017. Sonderausschuss V, S. 1014 f. 98  BT-Drucksache V / 4095, S. 40. 97  Protokolle



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.139 „In dem neuen Absatz 3 wurden […] die […] Worte „als Vertreter eines anderen oder sonst“ nicht übernommen, weil es nach Ansicht des Ausschusses […] nicht darauf ankommen kann, ob der Täter oder Teilnehmer nach außen erkennbar für einen anderen gehandelt hat. Es muß vielmehr genügen, daß unmittelbar durch die Tat dem Vermögen eines anderen ein Vermögensvorteil zugeflossen ist.“

Es wurde also die Absicht verfolgt, das Erfordernis eines Drittbezugs des Handelns des Tatbeteiligten vollständig aufzugeben. Der verbliebenen Wendung „für einen anderen gehandelt“ sollte demnach letztlich nur noch klarstellende Bedeutung zukommen. Diese Regelungsabsicht erscheint in der Sache auch konsequent und richtig: Das Erfordernis eines Handelns mit einem bestimmten Drittbezug (zusätzlich zum Erfordernis eines unmittelbaren Erlangens des Dritten) war nur verständlich, solange man den Verfall als eine (Neben-)Strafe ansah. Denn dann musste seine Anordnung gegen einen Dritten zwar eigentlich insgesamt zweifelhaft erscheinen, jedenfalls aber war eine Art Zurechnung des Handelns des Tatbeteiligten zum Drittbegünstigten erforderlich, was dieses Merkmal gewährleistete. Nach der vorzugswürdigen, generalpräventiven Erklärung der Abschöpfung von Taterträgen fehlt allerdings jeder Grund dafür, für die Anordnung der Maßnahme gegenüber einem Drittbegünstigten einen irgendwie gearteten Drittbezug des Handelns des Tatbeteiligten zu verlangen.99 Danach kommt es grundsätzlich nur darauf an, wo der Vermögensvorteil entstanden (und noch vorhanden) und allein deshalb aus generalpräventiven Gründen wieder zu beseitigen ist. Dies hat der Sonderausschuss zumindest in der Sache richtig erkannt. (2) Der Formulierungsfehler des Gesetzgebers Der Sonderausschuss verfolgte also die Absicht, das Erfordernis eines Drittbezugs des Handelns des Tatbeteiligten vollständig aufzugeben und maß daher der Wendung „für einen anderen gehandelt“ nur noch klarstellende Wirkung bei. Das Problem ist: Mit der verwendeten Formulierung ist ein solches Verständnis schlechthin nicht vereinbar. Die gesetzliche Formulierung („Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dieser dadurch den Vermögensvorteil erlangt, […]“) verweist unzweifelhaft auf die Existenz zweier eigenständiger Tatbestandsmerkmale, die kumulativ vorliegen müssen.100 Das folgt aus der Konjunktion „und“ zwischen „für einen anderen gehandelt“ und „hat dadurch dieser den Vermögensvorteil erlangt“. Das erste Merkmal („für einen 99  s.

dazu bereits unter 1.  Kap. C. III. 1. b) bb), 3. b). auch ausdrücklich Radtke, in: FS Schünemann (2014), 927; Rönnau, Vermögensabschöpfung, 1. Auflage, Rn. 267 f.; SK / Wolters, § 73 Rn. 26. 100  So

140 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

anderen gehandelt“) verweist sprachlich nach wie vor auf einen bestimmten Drittbezug des Handelns des Tatbeteiligten. Zusätzlich („und“) muss der Dritte „dadurch“ den Vermögensvorteil erlangt haben, damit ist die Art des Erlangens angesprochen. Diese Formulierung schließt ein Verständnis eindeutig aus, wonach „für einen anderen gehandelt“ bloß klarstellende Bedeutung hat und aus dem (unmittelbaren) Erlangen gefolgert werden kann. Im Gegenteil: Grammatikalisch bezieht sich „dadurch“ gerade auf das „Handeln für einen anderen“, muss also in Bezug darauf bestimmt werden. Das Verständnis des Sonderausschusses sprengt also den grammatikalisch möglichen Sinn der Gesetzesformulierung, es liegt ein gesetzgeberischer Formulierungsfehler vor: Das Gesetz enthält objektiv das (eigenständige) Erfordernis eines Drittbezugs des Handelns des Tatbeteiligten, was man jedoch eigentlich gar nicht (mehr) verlangen wollte. Um dies im Gesetz deutlich zu machen, wäre eine Neuformulierung unter völliger Streichung der Wendung „für einen anderen gehandelt“ erforderlich gewesen. Welche methodischen Möglichkeiten der Rechtsanwendung zustanden, mit diesem Fehler umzugehen, wird im folgenden Abschnitt dieses Kapitels erörtert.101 b) Zum Merkmal „dadurch … erlangt“ aa) Darstellung der Erörterungen Das Merkmal „dadurch … erlangt“ sollte den Vertretern des BMJ zufolge (weiterhin) das Eintreten des Vermögensvorteils „unmittelbar durch die Tat“ erfordern.102 In der Begründung des E 1962 war ausdrücklich ausgeführt worden, dass durch das Kriterium der Unmittelbarkeit die Verschiebungskonstellationen, in denen der Täter das Entgelt oder den Gewinn zunächst in sein Vermögen erwirbt und das Erlangte dann einem Dritten zukommen lässt, ausgeschieden werden sollten.103 Bei näherem Hinsehen ist jedoch möglich, dass das Verständnis dieses Merkmals im Sonderausschuss ausgeweitet wurde. Für die Aufgabe des Verständnisses des E 1962 könnte sprechen, dass Güde – allerdings am Rande eines anderen Diskussionsteils  – § 822 BGB zitierte und dazu bemerkte, dass § 109 III „praktisch die Übertragung dieser zivilrechtlichen Regelung in das Strafrecht“ darstelle.104 § 822 BGB regelt aber gerade den Fall, dass jemand zunächst etwas selbst erlangt und dieses dann (unentgeltlich) einem Dritten zuwendet. Später stellten die Vertreter 101  Dazu

B. I. und Dreher, jeweils Protokolle Sonderausschuss V, S. 1016. 103  BT-Drucksache IV / 650, S. 242; s. bereits unter III. 104  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1006. 102  Göhler



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.141

des BMJ die Aussage Güdes dann auch ohne weiteren Widerspruch richtig. Dreher wiederholte noch einmal, dass der Vorteil „nicht durch irgendwelche zwischengeschalteten Geschäfte“ zugeflossen sein dürfe.105 Noch deutlicher wurde Göhler: § 822 BGB gehe weiter als der Verfall, da der Dritte dort „sogar dann“ zur Herausgabe verpflichtet sei, wenn ihm das Erlangte durch den Empfänger unentgeltlich zugewendet worden sei, also ein zusätzliches Rechtsgeschäft dazwischen trete.106 Da das sogar der vollständige Anwendungsbereich des § 822 BGB ist, hätte Göhler freilich konsequenterweise die Parallele insgesamt zurückweisen müssen. Eine weitere, mögliche Unklarheit ergibt sich daraus, dass Güde als Beispiel den Contergan-Fall bildete.107 Die Frage, ob die Chemiker bei der Entwicklung oder Herstellung des Arzneimittels im Sinne des § 109 III für einen anderen (nämlich den Hersteller) gehandelt hätten, bejahte Göhler für das BMJ ohne nähere Begründung.108 Nicht zur Sprache kam, dass in diesem Fall der Erlös des Herstellers nicht „unmittelbar“ durch die Tat im Sinne von „durch ein- und dieselbe Handlung“ eingetreten wäre, da ja insbesondere noch das Inverkehrbringen der Arzneimittel dazukommen musste. Das war aber auch nicht erforderlich, denn ein solches Verständnis von „Unmittelbarkeit“ wurde von vornherein nicht verfolgt. Wenn es hieß, der Vorteil dürfe „nicht durch irgendwelche zwischengeschalteten Geschäfte“ zugeflossen sein, wurde damit eben nur auf die Begründung des E 1962 rekurriert, wonach Fälle ausgeschieden werden sollten, in denen der Täter das Entgelt oder den Gewinn zunächst in sein Vermögen erwirbt und das Erlangte dann einem Dritten zukommen lässt. Mit „zwischengeschalteten Geschäften“ waren also nur solche gemeint, die nach einem Erwerb des Vorteils in das Vermögen des Täters vorgenommen werden. So lag es im Contergan-Fall aber nicht.109

105  Protokolle

Sonderausschuss V, S. 1016. Sonderausschuss V, S. 1016. 107  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1015. 108  Protokolle Sonderausschuss V, S. 1015. 109  Es beruht also auf einem (folgenschweren) Missverständnis, wenn teilweise aufgrund dieses Teils der Erörterungen des Sonderausschusses die gesetzgeberische Position zum Kriterium der Unmittelbarkeit für uneindeutig gehalten wird. So etwa Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 121 Fn. 298, der darauf verweist, dass einerseits ein Fall erörtert worden sei, in dem unmittelbares Erlangen fehle (ConterganFall), man aber nur eine Seite später von der Notwendigkeit der Unmittelbarkeit lese. Sein Missverständnis ist auch deshalb schwer nachvollziehbar, weil Rönnau zuvor Wert darauf legt, dass unter „Unmittelbarkeit“ nichts anderes als „ohne Zwischenerwerb beim Tatbeteiligten“ zu verstehen sei (Rn. 111). Auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 402 f., 413 erliegt diesem Missverständnis. 106  Protokolle

142 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Die Vertreter des BMJ blieben also (ansonsten unwidersprochen) bei der Auslegung des Merkmals „dadurch … erlangt“ standfest: Das Erfordernis der „Unmittelbarkeit“ solle Fälle eines Erwerbs durch erneutes Geschäft aus dem Vermögen des Täters ausschließen. Ein Eintreten des Vorteils „durch ein- und dieselbe Handlung“ erfordere das aber nicht. bb) Analyse (1) Parallele zur „Unmittelbarkeit“ bei § 73 I StGB a. F. Ein entsprechendes Verständnis des Begriffs „Unmittelbarkeit“ findet sich auch in der Diskussion der Grundregelung des Verfalls (§ 73 I, II StGB a. F.) wieder. So wiesen bereits Schäfer und Koffka in der Großen Strafrechtskommission auf die Probleme bei der Erfassung des mittelbaren Gewinns, also des mithilfe des unmittelbaren Gewinns erzielten weiteren Gewinns, hin.110 Die Komplexität der denkbaren Ursachenreihen führte dazu, dass man nur bestimmte Fälle des mittelbaren Gewinns erfassen wollte.111 Daran wurde dann auch im Sonderausschuss, unter Ablehnung eines insoweit weitergehenden Vorschlags des AE 1966, festgehalten.112 Die erfassten Ausnahmefälle (gezogene Nutzungen und bestimmte Surrogate) wurden in § 73 II StGB a. F. (nun § 73 II, III StGB) niedergelegt. Das erlaubte den Gegenschluss, dass § 73 I StGB a. F. ansonsten nur die „unmittelbaren“ Vermögensvorteile meint.113 Auch hier ist also mit „Unmittelbarkeit“ nicht mehr und nicht weniger gemeint als „fehlende Vermittlung“ durch ein weiteres Rechtsgeschäft des Betroffenen.114 Der Gesetzgeber hat also sowohl bei § 73 III StGB a. F., 110  Schäfer, Niederschriften Band  3, S. 210 (mit den Beispielen, jemand gewinne etwas mit dem erlangten Geld durch eigenen Fleiß, Spekulation, Kauf eines Loses o. ä.) und Umdruck R 59, S. 388 (399); Koffka, Niederschriften Band  3, S. 216 und Umdruck R 92, S. 564 (568, mit dem Beispiel eines Unternehmens, welches in großem Umfang Steuern hinterzogen und mit dem so ersparten Geld seinen Betrieb technisch so modernisiert hatte, dass es der gesamten Konkurrenz überlegen war). 111  s. dazu vor allem die Äußerungen der Vertreter des BMJ Goßrau, Niederschriften Band  3, S. 322 und Schafheutle, Niederschriften Band  3, S. 332 sowie die Begründung des E 1962, BT-Drucks. IV / 650, S. 242. 112  s. dazu Göhler, Protokolle Sonderausschuss V, S. 548, 1001, 1013, sowie die Diskussion bei S. 1014. 113  So Dreher, Protokolle Sonderausschuss V, S. 1014. 114  Die restriktive Bestimmung des Verfallsgegenstandes durch den BGH zum bisherigen Recht, wonach das Erlangte nach dem zu bestimmen sei, „was letztlich strafbewehrt ist“ [s. dazu bereits unter 1.  Kap. A. II. 3. c) bb) (2)] ist daher auch insofern zweifelhaft, als der BGH sich dabei auch auf die (ungeschriebene) Voraussetzung der „Unmittelbarkeit“ stützt. In der Entstehungsgeschichte findet ein solches „Unmittelbarkeits“-Verständnis jedenfalls keinen Anhalt.



A. Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F.143

als auch im Zusammenhang mit § 73 I, II StGB a. F., das gleiche Verständnis von „Unmittelbarkeit“ zugrunde gelegt, nämlich einer „fehlenden Vermittlung“ durch weitere Rechtsgeschäfte des Betroffenen. (2) Fehlen einer Begründung für das Festhalten an der Einschränkung Der Verzicht auf eine Regelung mittelbaren Erwerbs durch Drittbegünstigte ist bemerkenswert, weil der angenommene Strafcharakter des Verfalls und die daraus folgende Befürchtung einer „Bestrafung Unschuldiger“ zuvor das Hauptargument dafür gewesen war, die Regelung des Verfalls bei Drittbegünstigten (auch) in dieser Hinsicht eng zu fassen.115 Aufgrund des im Laufe der Verhandlungen des Sonderausschusses veränderten Grundverständnisses wäre es an sich naheliegend gewesen, die durchaus vorhandenen Vorbilder einer solchen Regelung  – § 7 II–IV / § 16 IV–VI PreistreibereiVO 1918 / 1923, sowie den Vorschlag Koffkas in der Großen Strafrechtskommission  – wieder hervorzuholen. Aus welchen Gründen man nicht bereit war, (auch) diesen Schluss aus der Veränderung seines Grundverständnisses zu ziehen, ergibt sich aus den Erörterungen des Sonderausschusses nicht ausdrücklich. Man hielt wohl unausgesprochen die noch verbleibenden Argumente für die Nicht-Regelung der Verschiebungskonstellationen auch für sich genommen für hinreichend, um die Einschränkung zu rechtfertigen:116 Aus der Begründung des E 1962 bleiben die Argumente bestehen, dass man bei Erfassung von Nachtatgeschäften auch die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Täter und dem Dritten berücksichtigen müsste und dass dem kriminalpolitischen Bedürfnis in den nicht erfassten Fällen durch die Anordnung des Wertersatzverfalls gegen den Täter genügt sei.117 Geltung beansprucht weiter auch die Warnung Göhlers vor verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten aus der 28. Sitzung des Sonderausschusses: Je weiter man die Regelung ausweite, desto mehr Personen müssten notgedrungen für das Strafverfahren ermittelt und in diesem gehört werden.118 Obwohl das neue Verständnis des Verfalls dies nahe gelegt hätte und es entsprechende Vorbilder gab, verzichtete man im Ergebnis also wohl hauptsächlich aus Gründen der Praktikabilität darauf, eine Ausweitung der Regelung des Verfalls bei Drittbegünstigten auf mittelbaren Erwerb vom Tatbetei115  s.

oben unter II. 2. a), III. auch die soeben wiedergegebene Argumentation zur insofern vergleichbaren grundsätzlichen Nicht-Berücksichtigung des mittelbaren Gewinns im Rahmen von § 73 I StGB a. F. 117  BT-Drucksache IV / 650, S. 242, s. bereits unter III. 118  Protokolle Sonderausschuss V, S. 544, s. bereits unter V. 116  Vgl.

144 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

ligten vorzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger als das war mit der weiterhin ausdrücklich geforderten „Unmittelbarkeit“ des Erlangens des Dritten gemeint. Inwiefern dem Rechtsanwender methodische Möglichkeiten zur Verfügung standen, diese Entscheidung im Rahmen des bisherigen Rechts zu revidieren, wird im folgenden Abschnitt dieses Kapitels erörtert.119 3. Zusammenfassung Da der Sonderausschuss dem AE 1966 in der Aufgabe des Verständnisses des Verfalls als Nebenstrafe folgte, war der Weg zu einer Ausweitung des Verfalls bei Drittbegünstigten eigentlich frei. Diesen beschritt man aber nur teilweise. Für das „Handeln für einen anderen“ verlangte man nun kein nach außen erkennbares Vertretungs- oder Beauftragungsverhältnis mehr. Letztlich sollte – in der Sache konsequent und richtig – jedes tatsächliche Verhalten, das eine Bereicherung des Dritten noch nicht einmal beabsichtigt haben musste, ausreichen können. Damit wurde dieses Merkmal jedoch jeder Bedeutung beraubt, weswegen es eigentlich vollständig hätte gestrichen werden müssen. Auf der anderen Seite wurde daran festgehalten, dass der Vorteil „unmittelbar durch die Tat“, d. h. nicht erst durch ein zwischengeschaltetes Rechtsgeschäft mit dem Täter, eingetreten sein musste. Grundsätzlich möglich, wenn auch in der Ausgestaltung nicht leicht, wäre es hier aber gewesen, eine Regelung des mittelbaren Erwerbs durch einen Dritten zu schaffen.

VI. Einführung des § 73 III StGB a. F. durch das 2. StrRG Der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform schlug in seinem Abschlussbericht die zuvor beschlossene Fassung des Drittempfängerverfalls an neuer Position (nunmehr § 73 III) vor:120 „(3) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser den Vermögensvorteil erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.“

Der Bundestag beschloss die Vorschrift in dieser Fassung im Rahmen des 2. StrRG, welches am 1.  Januar 1975 in Kraft trat.121 Seit seiner Ein119  Dazu

B. II. Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucksache V / 4095, S. 72 und S. 40 (Begründung). 121  Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 04.07.1969 (BGBl. I, S. 717); Verschiebung des Zeitpunkts des Inkrafttretens vom 01.10.1973 auf den 01.01.1975 durch Gesetz vom 02.03.1973 (BGBl. I, S. 909). 120  Zweiter



B. Möglichkeiten des Umgangs mit identifizierten Problemen145

führung ist die eigentliche Regelung des § 73 III StGB a. F. unverändert geblieben.122

VII. Ergebnis Aus der Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F. konnten damit zwei (mögliche) Problemquellen der Vorschrift identifiziert werden: Erstens beruht die Regelung mit ihrem Erfordernis eines Drittbezugs des Handelns des Tatbeteiligten („für einen anderen gehandelt“) auf einem Formulierungsfehler. Auf ein solches Erfordernis sollte und kann es richtigerweise in keiner Form ankommen. Zweitens wurde aus nicht unzweifelhaften Gründen darauf verzichtet, einen Tatbestand für die Fälle mittelbaren Erwerbs zu schaffen. Eine solche Regelung wäre grundsätzlich durchaus konsequent gewesen.

B. Methodische Möglichkeiten des Umgangs mit den identifizierten Problemen Bevor der Blick darauf gerichtet wird, wie Rechtsprechung und Literatur bei der Anwendung des § 73 III StGB a. F. konkret auf die beiden soeben identifizierten, (möglichen) Problemquellen reagiert haben, werden im Folgenden zunächst abstrakt die jeweils aus Sicht der Rechtsanwendung methodisch denkbaren Lösungswege vorgezeichnet. Auf Grundlage dieser Weichenstellungen wird dann im folgenden Abschnitt insbesondere die Rechtsanwendung durch den BGH besser eingeordnet und im daran anschließenden Abschnitt eine methodengerechte Anwendung des § 73 III StGB a. F. entwickelt werden können.

I. Der Formulierungsfehler bei „für einen anderen gehandelt“ Das erste Problem liegt darin, dass dem grammatikalisch eigenständigen Tatbestandsmerkmal „für einen anderen gehandelt“ im Sonderausschuss in der Sache gar keine eigenständige Bedeutung (mehr) beigemessen wurde. Es fragt sich, ob § 73 III StGB a. F. trotz dieses Fehlers des Gesetzgebers i. E. so verstanden werden konnte, wie die Regelung eigentlich gedacht war. 122  Abgesehen von der Ersetzung des Tatbestandsmerkmals „Vermögensvorteil“ durch das Merkmal „etwas“ und der damit beabsichtigen Einführung des Bruttoprinzips, s. dazu Einleitung A. II.

146 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

1. Methodische Bedeutung der Überschreitung des möglichen Wortsinns Nach herrschender Methodenlehre bildet der sprachlich mögliche Wortsinn die Grenze der Auslegung.123 Hier überschreitet das Verständnis des Sonderausschusses den grammatikalisch möglichen Sinn der Gesetzesformulierung bzw. den möglichen Wortsinn von „und“. Auf Grundlage dieser Auffassung müsste also methodisch zur Durchsetzung des gesetzgeberischen Willens auf eine Gesetzeskorrektur bzw. -fortbildung ausgewichen werden. Nach teilweise vertretener Auffassung sollen dagegen „Sinn und Zweck des Gesetzes“ die Grenze der Auslegung bilden.124 Diese Auffassung gefährdet allerdings die Rechtssicherheit und verkennt die grundsätzliche Verantwortung des Gesetzgebers, seinen Vorstellungen im Gesetzestext Ausdruck zu verleihen. Ihr berechtigtes Anliegen ist auch auf Grundlage der herrschenden Lehre zu beachten: Ob eine Korrektur bzw. Fortbildung des Gesetzes im Ergebnis zu rechtfertigen ist, entscheidet sich insbesondere daran, inwiefern sie dem „Sinn und Zweck des Gesetzes“ entspricht. Mit der herrschenden Methodenlehre ist also eine eindeutige Überschreitung des noch möglichen Wortsinnes (so wie sie hier in Rede steht) nicht mehr als Auslegung zu diskutieren. 2. Anwendbarkeit von Art. 103 II GG Das führt zu der Frage, ob einer solchen Gesetzeskorrektur bzw. -fortbildung bei § 73 III StGB a. F. das Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 II GG) im Wege stehen würde. Für das Strafrecht gilt danach nämlich, dass „der mögliche Wortsinn einer Vorschrift […] der Auslegung eine Grenze [zieht], die unübersteigbar ist.“125 Dazu müsste Art. 103 II GG hier anwendbar sein. Nach Art. 103 II GG kann eine Tat nur „bestraft“ werden, wenn die „Strafbarkeit“ gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Unstreitig dürfte sein, dass dies neben den Voraussetzungen des Straftatbestands auch die Rechtsfolge der Strafe und insofern auch die allgemeinen Regelungen zu Hauptstrafen (§§ 38 ff. StGB), Nebenstrafen (§ 44 StGB) und Nebenfolgen (§§ 45 ff. StGB) erfasst.126 Die (weitere) Rechtsfolge der 123  s. nur Bydlinski, Methodenlehre, S. 441, 467 ff.; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 143 f.; Looschelders / Roth, Methodik, S. 66 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 39. 124  So etwa Reimer, Methodenlehre, Rn. 310; Wank, Auslegung, S. 43 f., 83 f. 125  BVerfGE 105, 135 (157). 126  BVerfGE 25, 269 (285 f.), 105, 135 (153 ff.); LK / Dannecker, § 1 Rn. 89; SS / Eser / Hecker, § 1 Rn. 22; Lackner / Kühl, § 1 Rn. 1; SK / Rudolphi / Jäger, § 1 Rn. 3; SSW / Satzger, § 1 Rn. 9; MK / Schmitz, § 1 Rn. 12, 18.



B. Möglichkeiten des Umgangs mit identifizierten Problemen

147

staatlichen Abschöpfung von Taterträgen ist aber nicht Teil  der Strafe oder „strafähnlich“.127 § 2 V StGB scheint zwar Art. 103 II GG auch auf den Verfall für anwendbar zu halten,128 dies beruht aber gerade auf der überholten Vorstellung des E 1962, wonach (auch) der Verfall „strafähnlich“ sei.129 Für nur äußerlich mit der Verhängung von Strafe zusammenhängende Rechtsfolgen wie die Abschöpfung von Taterträgen ist Art. 103 II GG aber schon vom Wortlaut („bestraft“, „Strafbarkeit“) her nicht anwendbar; zudem ist der besondere Schutzzweck, der die Strenge von Art. 103 II GG gegenüber allgemeinen rechtsstaatlichen Maßgaben erklärt, bei nicht strafenden Rechtsfolgen einer Tat grundsätzlich nicht einschlägig. Für die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) wird dies zwar teilweise bestritten,130 die kontroverse Diskussion um die Anwendbarkeit von Art. 103 II GG auf diese bedarf hier aber nicht der Vertiefung: Sofern bereits theoretisch die Unterscheidbarkeit von Strafen und Maßregeln bezweifelt wird, kann dem nicht gefolgt werden;131 ansonsten wird die Diskussion durch spezielle praktische Fragen, insbesondere die Ähnlichkeit der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung,132 überlagert. Es ist also davon auszugehen, dass Art. 103 II GG auf die Regelungen der Abschöpfung von Taterträgen nicht anwendbar ist. 3. Ergebnis Damit verbleiben aus methodischer Sicht zu § 73 III StGB a. F. zwei mögliche Wege: Möchte man im Rahmen der möglichen Auslegung des Gesetzes bleiben, müsste darauf geachtet werden, dass der Voraussetzung „für einen anderen 127  Dazu

eingehend 1.  Kap. B. II. gelten für die zeitliche Anwendbarkeit von Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung die gleichen, das Rückwirkungsverbot berücksichtigenden, Regelungen wie für die Strafe und ihre Nebenfolgen. 129  s. die Begründung von § 2 V StGB, BT-Drucks. IV / 650, S. 107 f. 130  Die Anwendbarkeit von Art. 103 II GG auf sie wird verneint durch BVerfGE 109, 133 (167 ff.); 128, 326 (392 f.), s. zur Kritik (jeweils mit zahlreichen, weiteren Nachweisen) NK / Hassemer / Kargl, § 2 Rn. 60 ff.; SK / Rudolphi / Jäger, § 2 Rn. 18; SSW / Satzger, § 2 Rn. 39 f.; MK / Schmitz, § 2 Rn. 69 ff. 131  Zur Charakterisierung der besonderen Eingriffsform „Strafe“ und ihrer Abgrenzung u. a. zu den Maßregeln (für sie ist die Begehung einer rechtswidrigen Tat nur Anlass, sie richten sich auf die Verhinderung einer konkreten, vom Täter ausgehenden Gefahr) bereits 1.  Kap. B. II. 1. 132  Insbesondere hierauf hat der EGMR NJW 2010, 2495 (2498 f.) seine Ansicht gestützt, es handele sich bei der Sicherungsverwahrung um eine „Strafe“ i. S. d. Art. 7 I EMRK und damit die Präzisierung des sog. „Abstandsgebots“ für die Vollstreckung der beiden Maßnahmen in BVerfGE 128, 326 (374 ff.) provoziert. 128  Danach

148 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

gehandelt“ eine eigenständige Bedeutung zukommt. Das folgt aus der ansonsten überschrittenen Wortsinn-Grenze. Das vom Gedanken her naheliegende, aber aus Art. 103 II GG abgeleitete, „Verbot der Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen“133 ist allerdings nicht unmittelbar anwendbar. Möchte man dagegen das Verständnis des Sonderausschusses zu „für einen anderen gehandelt“ durchsetzen, wäre dazu eine Korrektur bzw. Fortbildung des Gesetzes erforderlich. Es müsste dann noch für den konkreten Fall begründet werden, dass dieser Eingriff des Rechtsanwenders (immerhin zur Durchsetzung des gesetzgeberischen Willens) zulässig ist.

II. Die fehlende Regelung von Fällen mittelbaren Erwerbs Das zweite Problem liegt darin, dass (aus nicht gerade zwingenden Gründen) auf eine grundsätzlich durchaus gebotene Regelung der Fälle verzichtet wurde, in denen der Dritte den Tatertrag nur mittelbar erwirbt. Der Rechtsanwender könnte nun versucht sein, dieses Versäumnis durch eine entsprechend ausweitende Interpretation des § 73 III StGB a. F. zu beseitigen. Dies führt geradewegs in ein methodisches Minenfeld, nämlich den Grundlagenstreit, der gemeinhin unter den (etwas missverständlichen) Bezeichnungen „subjektive“ gegen „objektive“ Auslegungstheorie geführt wird. Grob charakterisiert geht es bei diesem Streit darum, ob der „Wille des Gesetzgebers“ (sog. subjektive Theorie) oder der „Wille des Gesetzes“ (sog. objektive Theorie) für die Auslegung maßgeblich sein soll. Man kann die Frage darauf zuspitzen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen „das Gesetz“ (oder vielleicht eher: seine Interpreten?) klüger sein kann als „der Gesetzgeber“.134 Auf Grundlage der subjektiven Theorie dürfte der Wille des Gesetzgebers, mit § 73 III StGB a. F. Fälle mittelbaren Erwerbs des Dritten nicht geregelt zu haben, schlicht zu akzeptieren sein. Darüber könnte man auf Grundlage der objektiven Theorie hinwegsehen und eine ausweitende Auslegung zur besseren Verwirklichung des der Regelung zugrundeliegenden Prinzips erwägen. Dann müsste dies allerdings (jedenfalls 133  Dieses hat das BVerfG in seinem vielbeachteten Untreue-Beschluss im Jahre 2010 aufgestellt und wie folgt formuliert, BVerfGE 126, 170 (198): „Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen […] auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden.“ 134  s. zu der Auseinandersetzung Bydlinski, Methodenlehre, S. 428 ff.; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 137 ff.; Looschelders / Roth, Methodik, S. 29 ff.; Reimer, Methodenlehre, Rn. 246 ff.; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 719 ff., 796 ff.; Wank, Auslegung, S. 29 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 17 ff.



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F149

nach der soeben bereits zugrunde gelegten h. M.) auch insgesamt vom möglichen Wortsinn des § 73 III StGB a. F. her noch konstruierbar sein, was zumindest nicht offensichtlich als gegeben angesehen werden kann. Wenn das nicht der Fall wäre, bliebe allenfalls (erneut) der Weg über eine Gesetzesfortbildung. Im Unterschied zur Korrektur bei der Wendung „für einen anderen gehandelt“ könnte man sich zur Legitimierung dieses Schritts dann aber natürlich nicht auf die Durchsetzung des gesetzgeberischen Willens berufen.

C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F. In dem Urteil vom 19.10.1999 hat sich der BGH erstmals ausführlich mit § 73 III StGB a. F. befasst und seine die weitere Diskussion dominierende Rechtsprechung zu dieser Vorschrift begründet.135 Die Entscheidung gilt es darzustellen, in ihren Kontext einzubetten und methodisch verständlich zu machen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die Lücke zwischen dem Inkrafttreten der Regelung im Jahre 1975 und dem Ergehen der Entscheidung durch Auswertung der zwischenzeitlich veröffentlichen Rechtsprechung und Literatur zu schließen, nicht zuletzt, da auch der BGH hierauf umfassend Bezug nimmt (dazu I.). Anschließend wird die Entscheidung des BGH dargestellt und in den Kontext der bisherigen Ausführungen eingeordnet (dazu II.). Schließlich erfolgt eine methodische Analyse der Fallgruppenbildung des Gerichts (dazu III.). So soll eine Grundlage dafür entwickelt werden, sich im folgenden Abschnitt inhaltlich mit dem Standpunkt des Gerichts und seiner Kritiker auseinanderzusetzen.

I. Zwischenzeitlicher Stand von Rechtsprechung und Literatur Zunächst sind also Rechtsprechung und Literatur zu § 73 III StGB a. F. so weit auszuwerten, wie sie die Grundlage für die Leitentscheidung des BGH bildeten. Da dabei insbesondere von Interesse ist, wie mit den beiden soeben aus der Entstehungsgeschichte heraus identifizierten (möglichen) Problemquellen des § 73 III StGB a. F. umgegangen worden ist, bietet es sich an, die Darstellung sogleich auf diese beiden Themen zuzuschneiden.

135  BGH

5 StR 336 / 99 = BGHSt 45, 235.

150 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

1. Auslegung von „für einen anderen gehandelt“ Wie dargestellt, beruht es letztlich auf einer Unbedachtheit des Gesetzgebers, dass der Wortlaut des § 73 III StGB a. F. die Wendung „für einen anderen gehandelt“ als eigenständiges Tatbestandsmerkmal ausweist. Nach den Vorstellungen im Sonderausschuss sollte und konnte es auf ein solches, eigenständiges Merkmal eigentlich nicht mehr ankommen. Dieses Versehen blieb unerkannt. Einige der ersten Kommentierungen des § 73 III StGB a. F. hielten sich immerhin in der Sache eng an den Äußerungen aus dem Gesetzgebungsverfahren fest.136 Andere versuchten, dem Merkmal „Handeln für einen anderen“ im jeweils nicht offengelegten Widerspruch zu den Äußerungen im Sonderausschuss  – aber freilich im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut – einen eigenständigen Inhalt zu geben. So hieß es bei Lackner, das Zufließen des Vermögensvorteils beim Dritten müsse vom Handelnden „gewollt“ sein.137 Deutlich weitergehend meinte Eser, Handeln für einen anderen erfordere, dass die Tat „im Interesse des Vorteilsempfängers“ und von einer „in seinem Einflußbereich stehenden Person“ begangen wird.138 Begründet wurde diese Auffassung damit, dass eine Zurechnung des Verhaltens des Tatbeteiligten zum Dritten erforderlich sei und dafür zumindest eine Möglichkeit der Einflussnahme zu fordern sei.139 Ohne vorherige Einflussmöglichkeit müsse der Verfall für einen Betroffenen regelmäßig eine Härte bedeuten.140 Während das Kriterium der Einflussmöglichkeit keine Gefolgschaft fand, nahm die Literatur bemerkenswerterweise das Teilkriterium „Handeln im Interesse des Vorteilsempfängers“  – das in der Konstruktion Esers keine tragende Bedeutung hatte und auch nicht gesondert begründet worden war  – auf, freilich ebenfalls ohne eigenständige Begründung hierfür.141 Gestützt auf die einhellige Lite136  Dreher, 35. Auflage (1975), § 73 Anm. 4) A.; SK / Schreiber, 1. Auflage (1975), § 73 Rn. 12. 137  Lackner, 9. Auflage (1975), § 73 Anm. 3. a). Eine Begründung hierfür fehlt. Die Annahme steht im Widerspruch zu der vom Sonderausschuss gebilligten Äußerung Güdes, wonach der Täter nicht gezielt für den Dritten handeln müsse, sondern auch ein „zufälliger“ Eintritt des Vorteils bei diesem ausreichen könne, s. A. V. 2. a) aa). 138  SS / Eser, 18. Auflage (1976), § 73 Rn. 37. Erstmals entwickelt wurden diese Grundsätze in Eser, Sanktionen (1969), S. 288 ff. Auch sie stehen in klarem Widerspruch zur Äußerung Güdes, wonach auch ein Handeln im eigenen Interesse ausreichen konnte. Eindeutig war auch, dass der Sonderausschuss gerade nicht mehr voraussetzen wollte, dass der Dritte im Einflussbereich des Tatbeteiligten stehen müsse, s. A. V. 2. a) aa). 139  SS / Eser, 18. Auflage (1976), § 73 Rn. 37; ders., Sanktionen (1969), S. 288 f. 140  Eser, Sanktionen (1969), S. 290. 141  Brenner, DRiZ 1977, 203 (205); Dreher, 36. Auflage (1976), § 73 Anm. 4) A.; Lackner, 10. Auflage (1976), § 73 Anm. 3. a).



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F151

ratur ging dann auch die Rechtsprechung in ersten Entscheidungen zu § 73 III StGB a. F. davon aus, das „Handeln für einen anderen“ erfordere ein Handeln „im Interesse“ des Dritten.142 So hatte sich eine „herrschende Meinung“ gebildet, wonach das „Handeln für einen anderen“ ein „Handeln im Interesse des anderen“ voraussetze. Die (zutreffende) Kritik, dass dieses Verständnis mit den Vorstellungen im Sonderausschuss nicht vereinbar sei, wurde nur vereinzelt geäußert.143 Ihr Verhallen dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass auch die Kritiker kein anderes, positives Verständnis des „Merkmals“ anbieten konnten. Es blieb eben insgesamt unerkannt, dass der Gesetzgeber gar kein eigenständiges „Handeln für einen anderen“ mehr erfordern wollte. 2. Auslegung von „dadurch … erlangt“ Wie dargestellt, verzichtete man im Sonderausschuss darauf, eine spezielle Regelung der Verschiebungskonstellationen zu schaffen. Trotz des vereinzelten, eher verwirrenden Hinweises auf § 822 BGB hielt man letztlich daran fest, dass das Merkmal „dadurch … erlangt“ in § 73 III StGB a. F. einen Unmittelbarkeitszusammenhang im bisher verstandenen Sinne erfordere. Hieran knüpften auch die ersten Kommentierungen des § 73 III StGB a. F. an.144 Erstmals in Zweifel gezogen wurde dies durch Brenner, der Beispiele für die nachträgliche Verschiebung des Erlangten bildete und ihre Nichterfassung durch den Verfall für kriminalpolitisch unhaltbar erklärte.145 Ohne Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte schlug er deshalb vor, das Merkmal „dadurch … erlangt“ so zu verstehen, dass zwischen rechts142  OLG Düsseldorf NJW 1979, 992; BGH NJW 1991, 367 (371, insoweit in BGHSt 37, 191 nicht abgedruckt). 143  So immerhin Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 56 f.; LK / Schäfer, 10. Auflage (1985), § 73 Rn. 41 ff. 144  SS / Eser, 18. Auflage (1976), § 73 Rn. 38; Lackner, 9. Auflage (1975), § 73 Anm. 3. a); SK / Schreiber, 1. Auflage (1975), § 73 Rn. 12; etwas verwirrend Dreher, 35. Auflage (1975), Anm. 4) A., bei dem es auch heißt: „vgl. § 822 BGB“. Aus seiner Anm. 2) zu § 73c lässt sich aber entnehmen, dass bei einer unentgeltlichen Weitergabe des Tatvorteils an einen Dritten dieser nicht unter § 73 III fallen soll. 145  Brenner, DRiZ 1977, 203 (205): Sonst könne nur bei einem „ungeschickten“ Wirtschaftsstraftäter der Gewinn abgeschöpft werden. Gerade bei Wirtschaftsstraftätern gehöre bei Aufdeckung der Tat oder Zusammenbruch des Unternehmens  – wenigstens formalrechtlich – dem Wirtschaftsstraftäter nichts, der Ehefrau alles. Außerdem sei eine Ungleichbehandlung der Fälle, in denen der Ehepartner unmittelbar begünstigt wird und solchen, in denen dies (ggf. kurzzeitig) nach der Tat geschieht, nicht zu rechtfertigen.

152 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

widriger Tat und Vermögensvorteil beim Dritten (nur) eine „so enge Wechselbeziehung tatsächlicher Art, daß rechtswidrige Handlung und Vermögensvorteile bei natürlicher Betrachtungsweise eine sinnvolle Einheit bilden“, erforderlich sei.146 Charakteristisches Indiz für diesen Zusammenhang solle sein, wenn der Täter nur oder doch im Wesentlichen die Verschiebung durchgeführt hat, um den Vermögensvorteil dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen. Dieser Auffassung schloss sich das OLG Düsseldorf, ebenfalls ohne Auseinandersetzung mit der entgegenstehenden Entstehungsgeschichte, in der Sache an.147 „Durch“ die Tat seien auch Vorteile erlangt, die der Täter einem Dritten, den er begünstigen will, ohne rechtfertigenden Grund aus der Tatbeute überlässt, um zumindest diesem die Vorteile seiner Tat zu sichern und zu verhindern, dass die Beute an den rechtmäßigen Besitzer zurückgelangt. Erstmals unter zutreffender Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und der Offenlegung, dass diese Sichtweise jener widerspricht, schloss sich auch Güntert im Kern dieser Argumentation an.148 Dazu führte er den Begriff des „Bereicherungszusammenhangs“ ein.149 Mit Blick auf § 822 BGB sei dieser Zusammenhang nur bei unentgeltlicher Weitergabe des Vermögensvorteils gegeben. Außerdem könne die Haftung des Dritten nur subsidiären Charakter tragen, also nur bei „Ausfall“ der Haftung des Tatbeteiligten angeordnet werden.150 Der sachliche Unterschied zwischen Brenner und dem OLG Düsseldorf auf der einen und Güntert auf der anderen Seite liegt also darin, dass erstere (insbesondere) die Absicht der Gläubigerbeeinträchtigung für entscheidend hielten, während letzterer aufgrund der Parallele zu § 822 BGB die Unentgeltlichkeit des Erwerbs forderte. Erstaunlicherweise entsprechen diese Varianten im Ergebnis weitestgehend den beiden alternativen Tatbeständen des § 7 III / § 16 V PreistreibereiVO 1918 / 1923.151 Begrifflich hielt 146  Brenner,

DRiZ 1977, 203 (206). Düsseldorf NJW 1979, 992; zust. (ohne Begründung) SS / Eser, 20. Auflage (1980), § 73 Rn. 38. Im zugrundeliegenden Fall hatte der Angeklagte betrügerisch ein Darlehen erlangt, über das er in der Folge in verschiedenen Teilbeträgen verfügte. Schließlich überwies er eine größere Summe auf ein Konto seiner Ehefrau, bei der das Geld dann beschlagnahmt wurde. 148  Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 58 ff. Zu Recht weist er darauf hin, dass die Ausscheidung der Verschiebungskonstellationen durch den Gesetzgeber im E 1962 noch wesentlich vom angenommenen Strafcharakter des Verfalls geprägt war, dass diese Entscheidung für das geltende Recht zumindest nicht mehr zwingend ist und dass der Sonderausschuss gleichwohl daran festgehalten hat. 149  Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 61. 150  Dazu bereits unter 1.  Kap. C. III. 3. b) bb) (2). 151  s. dazu A. I. 2. 147  OLG



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F153

Brenner am Begriff der „Unmittelbarkeit“ fest,152 während Güntert zutreffend bemerkte, dass das Kriterium des „Bereicherungszusammenhangs“ nichts mehr mit „Unmittelbarkeit“ zu tun hat.153 Auch Arzt hielt es wie Brenner und Güntert für bedenklich, dass der Verfall zwischen unmittelbarem und mittelbarem Erwerb des Dritten unterscheide.154 Anders als diese sah er hierin aber die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, mit § 73 III StGB a. F. nur eine besondere Form des Drittbegünstigtenverfalls zu erfassen, und erwog deshalb keine Korrektur dieser „Gesetzesschwäche“ durch Auslegung. Das sonstige Schrifttum reagierte auf diese Entwicklung zunächst nur unentschlossen oder gar nicht.155 Die Kritik am Kriterium der Unmittelbarkeit durch Franzheim beruht auf einem Fehlverständnis.156 Auch der BGH ging in frühen Entscheidungen vom Erfordernis der Unmittelbarkeit aus und erwähnte ein mögliches, weiteres Verständnis des Kriteriums nicht.157 3. Ergebnis Bei der Wendung „für einen anderen gehandelt“ blieb in Literatur und Rechtsprechung der Formulierungsfehler des Gesetzgebers unbemerkt und es 152  Brenner, DRiZ 1977, 203 (206); so auch SS / Eser, 20. Auflage (1980), § 73 Rn. 38 in seiner Zustimmung zur Entscheidung des OLG Düsseldorf. 153  Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 60; so eher auch OLG Düsseldorf NJW 1979, 992. 154  Arzt, GS Zipf (1999), 165 (168 f., insbes. Fn. 13). 155  Bei Dreher (bzw. Dreher / Tröndle ab der 38. Auflage, 1978) findet sich bis einschließlich der 49. Auflage 1999 keine Rezeption. Bei Lackner, 13. Auflage (1980), § 73 Anm. 3.  a) wird die Entscheidung des OLG Düsseldorf nur als „problematisch“ gekennzeichnet; bei LK / Schäfer, 10. Auflage (1985), § 73 Rn. 44a heißt es mit Verweis auf Brenner und das OLG Düsseldorf nur, das Erfordernis der Unmittelbarkeit „harrt noch weiterer Präzisierung; es wird wohl nicht zu eng auszulegen sein.“ 156  Franzheim, wistra 1989, 87 f. Er bildet den Fall, A habe Sondermüll zu entsorgen (Kosten bei ordnungsgemäßer Entsorgung: 240 DM / m3). B übernehme den Abfall zum Preis von 52 DM / m3 und lade ihn auf einer dafür nicht zugelassenen Kläranlage für 7 DM / m3 ab. Der Anordnung des Verfalls bei A nach § 73 III StGB soll das Erfordernis der Unmittelbarkeit der h. M. entgegenstehen, da er nur „mittelbar“ durch eine günstige Vertragsgestaltung begünstigt sei. Das ist nicht verständlich. A erlangt „unmittelbar“ durch das Abladen des Mülls einen Vermögensvorteil dadurch, dass er die Aufwendungen zur ordnungsgemäßen Entsorgung erspart. Die Vertragsgestaltung mit B ist nur insofern relevant, als sich die Frage stellt, ob er den ersparten Aufwendungen i. H. v. 240 DM / m3 die an B gezahlten 52 DM / m3 „gegenrechnen“ kann. 157  BGH NJW 1991, 367 (371, insoweit in BGHSt 37, 191 nicht abgedruckt); NStZ-RR 1997, 262.

154 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

bildete sich eine (unbegründete) herrschende Meinung, die dafür ein Handeln des Tatbeteiligten „im Interesse“ des Dritten forderte. Inwiefern dies dem Merkmal eigenständige Bedeutung verschaffte, wurde nicht recht deutlich. Beim Merkmal „dadurch … erlangt“ entwickelte sich eine von den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers abweichende Sicht, wonach unter bestimmten, im Einzelnen umstrittenen, Umständen auch die Verschiebung des Erlangten aus dem Vermögen des Tatbeteiligten an den Dritten erfasst sein sollte. Dabei wurde nicht erörtert, inwieweit in den jeweils durch weite Auslegung des Merkmals „dadurch … erlangt“ erfassten Verschiebungsfällen auch das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ erfüllt ist.

II. Darstellung und Einordnung der Entscheidung des BGH In seiner Leitentscheidung nutzt der BGH einen Fall, dessen konkreter Entscheidung er letztlich nur sehr wenig Aufmerksamkeit widmet,158 zur Entwicklung einer umfänglichen Auslegung des § 73 III StGB a. F. Im Folgenden wird zunächst der relevante Gang der Darstellung des BGH vorgestellt und mit einordnenden, teilweise kritischen Hinweisen, die sich aus den bisherigen Erkenntnissen dieses Kapitels speisen, versehen. Eine methodische Analyse des Vorgehens des BGH bei der Fallgruppenbildung erfolgt gesondert im Anschluss. 1. Aufbereitung des Auslegungsmaterials durch den BGH Nach dem BGH bedürften die Merkmale „für einen anderen“ und „dadurch“ der Auslegung.159 Grammatische und systematische Auslegung könnten hierzu nichts Wesentliches beitragen.160 Es schließt sich eine eingehende Erörterung der Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F. an.161 Unbemerkt bleibt allerdings auch hier, dass das Vorhandensein des „Merkmals“ des „Handelns für einen anderen“ auf einer gesetzgeberischen Fehlformulierung beruht. Auch beim Merkmal „dadurch“ und der insofern vom historischen Gesetzgeber geforderten Unmittelbarkeit arbeitet der BGH nicht sauber. So heißt es, die Vertreter des BMJ hätten hervorgehoben, der Vermögensvorteil müsse beim Dritten „unmittelbar durch das Handeln des Täters oder Teilnehmers und nicht durch irgendwelche zwischengeschalteten Geschäfte“ zufließen.162 Der erste Teil  dieser Aussage ist nicht richtig, wie 158  s.

BGHSt 45, 235 (248). 45, 235 (236). 160  BGHSt 45, 235 (237). 161  BGHSt 45, 235 (237 ff.). 162  BGHSt 45, 235 (239). 159  BGHSt



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F155

die Erörterung des Contergan-Falles zeigt.163 Dadurch wird auch die Bedeutung des zweiten Teils der Aussage verunklart, die richtigerweise einzig auf den Ausschluss des Erwerbs des Dritten nach Zwischenerwerb des Tatbeteiligten zugeschnitten war. Nicht zuletzt diese Unklarheit ermöglicht dem BGH aber dann folgende, äußerst bemerkenswerte und folgenreiche Feststellung:164 „Nicht näher diskutiert wurde der Fall einer gezielten Vermögensverschiebung zu einem (bösgläubigen) Dritten  – mit oder ohne dazwischengeschaltete Rechtsgeschäfte  –; dieser Fall dürfte aber ersichtlich ebenfalls von der Vorschrift erfasst sein.“

Es fragt sich bereits, wie eine „Verschiebung“ ohne dazwischengeschaltetes Rechtsgeschäft aussehen soll.165 Denkt der BGH hier etwa an bestimmte, rein „tatsächliche“ Vorgänge?166 Jedenfalls hilft der Einschub nicht darüber hinweg, dass sich der Sonderausschuss zu Verschiebungen (mit dazwischengeschaltetem Rechtsgeschäft) eindeutig dahingehend positioniert hatte, dass § 73 III StGB a. F. unabhängig von den Umständen nicht zur Anwendung kommen soll.167 Dabei ist auch keinesfalls übersehen worden, dass der Tatbeteiligte so „gezielt“ in Zusammenarbeit mit einem (bösgläubigen) Dritten den Entzug des Tatertrags verhindern könnte.168 Wie der BGH angesichts dessen unter dem Etikett „Wille des Gesetzgebers“ dazu kommt, die von ihm aufgeführte Konstellation sei „ersichtlich“ ebenfalls von der Vorschrift erfasst, ist vollkommen unverständlich. Gleiches gilt für die noch immer unter dem gleichen Etikett erfolgende Einschränkung, die der BGH dann postuliert:169 163  In diesem Fall war der Vermögensvorteil nicht unmittelbar durch das Handeln der Chemiker eingetreten, weil insbesondere noch das Inverkehrbringen der Arzneimittel hinzukommen musste, gleichwohl hatte Göhler für das BMJ die Anwendbarkeit des § 73 III StGB a. F. bejaht, s. bereits unter A. V. 2. b) aa); dort auch schon zu Literaturvertretern, die demselben Missverständnis erliegen. 164  BGHSt 45, 235 (240). 165  Verschleiernd bis oxymoronisch wirkt auch die Formulierung des BGH, der historische Gesetzgeber habe ein „Erfordernis der unmittelbaren Vermögensverschiebung“ aufgestellt, BGHSt 45, 235 (240). 166  Sollte „Verschiebung“ hier demgegenüber in dem weiteren Sinne gemeint sein, dass auch eine „Verschiebung“ vom Opfer direkt (= unmittelbar) zum Dritten erfasst ist, so war der Standpunkt des Sonderausschusses hierzu jedenfalls eindeutig, worauf auch der BGH zuvor noch hingewiesen hatte: Weder auf gezieltes Handeln, noch auf die Bösgläubigkeit des Dritten komme es an, s. jeweils BGHSt 45, 235 (239). 167  So auch vom BGH zuvor noch erkannt, s. BGHSt 45, 235 (239 f.). 168  s. noch einmal die Begründung des E 1962, BT-Drucks. IV / 650, S. 242: „Damit werden die Fälle ausgeschieden, in denen der Täter oder Teilnehmer […] den Gewinn zunächst in sein Vermögen erwirbt und das Erlangte dann einem Dritten zukommen läßt, auch wenn dies von vornherein sein weiteres Ziel gewesen ist.“ 169  BGHSt 45, 235 (240 f.); Hervorhebungen durch den Verfasser.

156 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen „Eine zusätzliche Eingrenzung soll der Anwendungsbereich bei einem gutgläubigen Dritten erfahren. Der Verfall beim Drittbegünstigten soll dort eine Grenze finden, wo ein zusätzliches Rechtsgeschäft mit dem gutgläubigen Dritten dazwischen tritt. In solchen Fällen soll die Anordnung des Verfalls beim Dritten jedenfalls nicht weiter gehen als der Bereicherungsanspruch nach §§ 819, 822 BGB.“

Nichts davon lässt sich auf die Gesetzgebungsmaterialien zurückführen. Der zweite Satz dieses Zitats zeigt ihre Verdrehung durch den BGH besonders deutlich: Nach Auffassung des Sonderausschusses sollte der Verfall stets dann eine Grenze finden, wenn ein zusätzliches Rechtsgeschäft aus dem Vermögen des unmittelbar Betroffenen mit einem Dritten dazwischen tritt; ob dieser dabei gutgläubig ist oder nicht, spielte für den Sonderausschuss keine Rolle. Der Aspekt der Gutgläubigkeit wurde im Sonderausschuss ausschließlich mit Blick auf die Härtefallvorschrift erörtert.170 Zudem sollte der Verfall nicht nur „nicht weiter gehen“ als § 822 BGB, er sollte ausdrücklich dahinter zurückbleiben.171 Anschließend stellt der BGH erschöpfend den bisherigen Stand der Literatur und der Rechtsprechung zu § 73 III StGB a. F. dar.172 Dabei verunklart das Gericht allerdings das „Unmittelbarkeits“-Erfordernis weiter. So heißt es, es bestehe zwar große Einigkeit, dass es auf das Kriterium der Unmittelbarkeit ankomme, was darunter zu verstehen sei, werde aber kontrovers diskutiert.173 Begrifflich knüpft der BGH hier also nicht an die Klarheit Günterts und wohl auch des OLG Düsseldorf an, die offen auf das Kriterium der Unmittelbarkeit im Verständnis des Sonderausschusses verzichten wollten.174 Insgesamt stellt das Gericht also bereits durch die Aufbereitung des Auslegungsmaterials auf argumentativ teilweise äußerst bedenkliche Art und Weise wichtige Weichen, insbesondere hinsichtlich der Erfassung von Verschiebungsfällen durch § 73 III StGB a. F.

170  Diskussion bei Protokolle Sonderausschuss V, S. 1017; auch das hat der BGH zuvor noch erkannt, s. BGHSt 45, 235 (240). 171  s. noch einmal Göhler, Protokolle Sonderausschuss V, S. 1016; auch das hat der BGH zuvor noch erkannt, s. BGHSt 45, 235 (240). 172  BGHSt 45, 235 (241 ff.). 173  BGHSt 45, 235 (241). 174  Besonders deutlich wird das daran, wie der BGH später die Entscheidung des OLG Düsseldorf paraphrasiert: „Auch sei der Vermögensvorteil unmittelbar durch die Tat begründet worden.“, BGHSt 45, 235 (244). Vgl. dazu das Original: „Daher wird die enge Auslegung des § 73 III StGB, die lediglich auf unmittelbar durch die Tat erlangte Vorteile abstellt, dem Gesetzeszweck nicht gerecht.“, OLG Düsseldorf NJW 1979, 992.



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F

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2. Fallgruppenbildung des BGH Anschließend postuliert der BGH folgende Grundsätze: Es sei an die Gesetzesmerkmale „für einen anderen“ und „dadurch“ anzuknüpfen.175 Handeln „für einen anderen“ verlange zwar keinen echten oder gar offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde müsse bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. Der BGH schließt sich insoweit also im Wesentlichen der bereits herrschenden Meinung an. Neu ist allerdings die Konkretisierung, dass als „Handeln“ nicht nur die Tatbegehung, sondern auch ein solches „im Zusammenhang“ mit der Tat in Betracht kommen soll. Damit reagiert er wohl insbesondere darauf (was zuvor vernachlässigt worden war), dass auch dieses Merkmal erfüllt sein muss, wenn das Merkmal „dadurch“ dahingehend ausgelegt wird, dass es auch bestimmte Verschiebungskonstellationen erfasst. „Dadurch“ bedeute schon vom Wortlaut her nicht „unmittelbar durch einund dieselbe Handlung“, verlange aber immerhin einen „Bereicherungszusammenhang“ zwischen der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten. Insofern schließt sich der BGH also grundsätzlich der Sichtweise von Brenner, Güntert und dem OLG Düsseldorf an. Beide Merkmale bedürften jedoch noch einer näheren Konkretisierung.176 Die bislang diskutierten Kriterien (Erkennbarkeit nach außen, Vertretungsverhältnis, enge Beziehung, gezieltes Handeln, Kenntnis des Dritten von der Tat, Interesse, Einflussbereich, Unmittelbarkeit, Bereicherungszusammenhang, dazwischen geschaltete Geschäfte, Unentgeltlichkeit) hätten als solche kaum hinreichende Konturen und müssten daher auf diejenigen Fallgruppen bezogen werden, bei denen sie zur Anwendung kommen sollen. Bei dieser Aufzählung des BGH lohnt es sich, kurz innezuhalten: Erstens enthält sie diverse Kriterien, auf die es nach keiner Auffassung ankommen soll (alleine die ersten fünf). Zweitens differenziert sie nicht zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen, auf die die Kriterien sich jeweils beziehen. Und drittens überschneiden sich die Kriterien teilweise stark (insbesondere die letzten vier). Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Diskussionsstand hier bewusst verworrener als nötig dargestellt wird, um die Erforderlichkeit der folgenden Fallgruppenbildung zu belegen. Die drei wichtigsten Fallgruppen, so der BGH weiter, seien Vertretungsfälle (im weiteren Sinn), Verschiebungsfälle und Erfüllungsfälle.

175  BGHSt 176  BGHSt

45, 235 (244). 45, 235 (245).

158 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

a) Vertretungsfälle Ein Vertretungsfall177 im engeren Sinne soll vorliegen bei Handeln als Organ, Vertreter oder Beauftragter im Sinne des § 14 StGB. Vertretungsfälle im weiteren Sinne könnten bei sonstigen Angehörigen einer Organisation (namentlich die Angestellten) angenommen werden, die im Organisationsinteresse tätig werden. Wenn in einem solchen Fall dem Dritten der Vorteil zufließe, so habe der Täter oder Teilnehmer für den Dritten gehandelt und dieser dadurch den Vorteil erlangt. Denn er habe zumindest faktisch auch in dessen Interesse gehandelt und der Bereicherungszusammenhang sei durch das (betriebliche) Zurechnungsverhältnis gegeben. Auf eine Unmittelbarkeit im Sinne von „durch ein- und dieselbe Handlung“ könne es im Regelfall schon deshalb nicht ankommen, weil  – insbesondere bei Warentermingeschäften, Scheckreitereien, Steuer- und Umweltdelikten  – nicht selten ein komplexer Geldkreislauf in Gang gesetzt werde. Zudem würden in der Regel  – oft auch zur Verschleierung  – mehrere Geschäfte dazwischengeschaltet. Auch auf eine Kenntnis des Dritten soll es nicht ankommen. b) Verschiebungsfälle Ein Verschiebungsfall178 liege vor, wenn der Täter dem Dritten die Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen lässt, um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, oder um die Tat zu verschleiern. Der Dritte gerate hier in die Nähe der Tatbeteiligung (mit Hinweis auf § 261 StGB, insbesondere dessen Absatz 5). Unschädlich sei, dass der Täter hier regelmäßig die Tat und auch die (spätere) Vermögensverschiebung primär im eigenen Interesse und allenfalls faktisch (auch) im Interesse des Dritten begehe. Hier könne es nicht darauf ankommen, ob der Täter im Einflussbereich des Dritten steht, er könne sich sogar eines gutgläubigen Dritten bedienen, der etwa sein Konto zur Verfügung stellt. Außerdem sei es für die Fälle der Vermögensverschiebung geradezu typisch, dass zwischen Tat und Bereicherung des Dritten weitere Rechtsgeschäfte dazwischengeschaltet sind.179 Dass derartige Fallkonstellationen  – namentlich bei unentgeltlichen Verfügungen  – von § 73 III StGB a. F. erfasst werden sollten, zeige auch die im Sonderausschuss gezogene Parallele zu § 822 BGB.180 177  BGHSt

45, 235 (245 f.). 45, 235 (246). 179  Erneut fragt sich, welcher Begriff von „Verschiebung“ hier verwendet wird, wenn es für eine solche (nur) „typisch“ sein soll, dass Geschäfte dazwischengeschaltet sind. 178  BGHSt



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F159

c) Erfüllungsfälle Ein Erfüllungsfall181 liege vor, wenn der Tatbeteiligte einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile in Erfüllung einer nicht bemakelten, entgeltlichen Forderung zuwendet, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusammenhang mit der Tat steht. Zwar möge der Täter auch hier nicht selten  – zumindest faktisch  – im Interesse des Dritten, seines Gläubigers, handeln. Allerdings komme hier der Unmittelbarkeit im Sinne von dazwischengeschalteten Rechtsgeschäften entscheidende Bedeutung zu. Auch das Argument, dass die rechtswidrige Tat nicht völlig außerhalb des Einflussbereichs des Dritten liegen dürfe, habe hier Gewicht. In den Erfüllungsfällen habe der Dritte den Vorteil nicht „durch“ die Tat erlangt; aufgrund der Zäsur eines von der Tat unabhängigen Rechtsgeschäfts fehle es an der Unmittelbarkeit. Diese Einschränkung erfolge auch mit Blick auf die Bereicherungsvorschriften des BGB. § 73 III StGB a. F. solle jedenfalls nicht weiter gehen als der Durchgriff nach § 822 BGB,182 daher könne der Verfall bei dem Empfang aufgrund eines nicht bemakelten, entgeltlichen Rechtsgeschäfts nicht angeordnet werden. Für die Einschränkung sprächen zudem ein verfahrensökonomisches183 und ein verfahrensrechtliches184 Argument. 3. Ergebnis Der BGH greift also hinsichtlich beider, zentraler Tatbestandsmerkmale des § 73 III StGB a. F. die Vorarbeiten aus Rechtsprechung und Literatur auf, insbesondere das Kriterium des „Bereicherungszusammenhangs“ und die damit verbundene Erfassung von Verschiebungsfällen formt das Gericht weiter aus und grenzt es gegen eine weitere Kategorie (Erfüllungsfälle) ab. Erstaunlich ist, wie das Verständnis des historischen Gesetzgebers hinsichtlich der Erfassung von Verschiebungsfällen zunächst völlig richtig darge180  Hier wiederholt der BGH seine äußerst „selektive“ Wahrnehmung der Materialien, die Parallele zu § 822 BGB wurde im Sonderausschuss gerade mit Blick auf unentgeltliche Verfügungen zurückgewiesen. 181  BGHSt 45, 235 (247 f.). 182  Das gelte, so der BGH, aber (nur) „bei dieser Fallgruppe“, BGHSt 45, 235 (247). Damit geht er der naheliegenden Frage aus dem Weg, warum er bei den Verschiebungsfällen gerade über § 822 BGB hinausgehend neben unentgeltlichem auch „bemakelten“ Erwerb ausreichen lässt. 183  Nämlich die ansonsten notwendige Beteiligung einer Unzahl an Personen im Strafprozess, BGHSt 45, 235 (248) mit Verweis auf die Warnung Göhlers, Protokolle Sonderausschuss V, S. 544 (s. bereits unter A. V.). 184  Nämlich eine mögliche Beschränkung des Instituts der Wahlverteidigung dadurch, dass der Verteidiger mit seiner Honorarforderung zum Verfallsbeteiligten werden könne, BGHSt 45, 235 (248).

160 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

stellt wird, nur um es dann im offenen Widerspruch dazu in sein Gegenteil zu verkehren.185 Insgesamt hat es den Anschein, als würden die Sicht des historischen Gesetzgebers und der bisherige Diskussionsstand bewusst verschleiernd dargestellt, um sich besser von ihnen lösen zu können. Die Bedeutung entscheidender Begriffe wie „Unmittelbarkeit“ und „Verschiebung“ wird verwischt, neue Begriffe wie „Bemakelung“ werden überhaupt nicht erklärt. All dies trägt dazu bei, dass das methodische Vorgehen des BGH bei der Fallgruppenbildung nur schwer nachvollziehbar ist.186

III. Methodische Analyse der Fallgruppenbildung Die Vorgehensweise des BGH lässt nicht wirklich erkennen, welche Bedeutung der Fallgruppenbildung im Verhältnis zu den zuvor formulierten „Grunddefinitionen“ der beiden Merkmale des § 73 III StGB a. F. zukommt. Aus methodischer Sicht sind zwei Szenarien denkbar: Die Grundsätze zu den Fallgruppen lesen sich teilweise so, als habe der BGH letztlich eine Anwendung des Gesetzes anhand seines (als unbefriedigend empfundenen) Wortlauts durch eine solche anhand der Fallgruppen „ersetzt“ (dazu 1.). Die verwirrende Darstellung würde sich dann daraus erklären, dass das Gericht versucht hat, seine schöpferische Rolle hierbei zu verschleiern. Wenn die Entscheidung nur so zu erklären wäre, dann handelte es sich allerdings um eine sehr weitreichende, methodisch hochproblematische Rechtsfortbildung. Mit gewissem gutem Willen könnte es jedoch zumindest grundsätzlich auch noch gelingen, die Fallgruppen tatsächlich als bloße Beispiele bzw. Konkretisierungen der „Grunddefinitionen“ der beiden Merkmale des § 73 III StGB a. F. und damit als immerhin mögliche Auslegung zu verstehen (dazu 2.). Wenn das der Fall wäre, könnte das Ergebnis des BGH jedenfalls auf Grundlage einer „objektiven“ Auslegungstheorie noch zu rechtfertigen sein.187 Die Entscheidung dieser Frage ist also wegweisend für den Fortgang der Untersuchung.

185  Den Erfolg dieses Vorgehens belegt, dass etwa Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (938) unter Berufung auf die Entscheidung zu der Einschätzung gelangt, es bestehe „kein Zweifel“ daran, dass der historische Gesetzgeber auch die Verschiebungskonstellationen habe erfassen wollen. 186  Vgl. Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (931 f.). 187  Zu dieser methodischen Weichenstellung s. B. II.



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F161

1. Die Fallgruppenbildung als „Ersetzung“ des Gesetzes? Auf den ersten Blick scheinen die Ausführungen des BGH tatsächlich so zu verstehen zu sein, dass er sich des Wortlauts des § 73 III StGB a. F. durch seine Fallgruppenbildung „entledigt“. Das Gericht liefert also zunächst „Grunddefinitionen“ der Merkmale „für einen anderen gehandelt“ (Handeln  – und sei es nur faktisch  – im Interesse des Dritten bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Tat) und „dadurch erlangt“ (Bereicherungszusammenhang).188 „Beide Merkmale“ bedürften aber noch „einer näheren Konkretisierung“, die fallgruppenbezogen erfolgen müsse. Die Fallgruppen bilden für den BGH dann aber offenbar weniger das Resultat, als vielmehr den Ausgangspunkt der „Auslegung“ des § 73 III StGB a. F.: In einem ersten Schritt systematisiert er Fallgruppen, die seiner Ansicht nach unter § 73 III StGB a. F. fallen sollen oder gerade nicht. In einem zweiten Schritt bezieht er dann die diversen, in der Diskussion vorgefundenen Kriterien auf diese Fallgruppen und begründet, warum sie „hier“ keine bzw. besondere Bedeutung haben sollen.189 Dabei löst der BGH sich von den beiden zentralen Tatbestandsmerkmalen und argumentiert stattdessen vom (jeweils gewünschten) Ergebnis her. Aufgrund der je nach Fallgruppe „schwankenden“ Bedeutung der erörterten Kriterien fehlt es an einem einheitlichen Konzept, welche der in der Diskussion vorgefundenen Kriterien nun insgesamt welche Bedeutung für § 73 III StGB a. F. haben sollen. Zur Unklarheit trägt weiter bei, dass neben „positiven“ Fallgruppen (Vertretungs- und Verschiebungsfälle, hier soll § 73 III StGB a. F. i. E. anzuwenden sein) auch eine „negative“ Fallgruppe (Erfüllungsfälle, hier soll § 73 III StGB a. F. i. E. nicht anzuwenden sein) aufgeführt wird, ohne dass insbesondere das Verhältnis von Verschiebungs- und Erfüllungsfällen genau bestimmt wird. Problematisch ist weiter, dass die Festsetzung der Fallgruppen selbst nicht näher begründet wird. Insbesondere bei der Umgrenzung von Verschiebungs- und Erfüllungsfällen verwendet der BGH rechtliche Kriterien,190 deren Herkunft 188  BGHSt

45, 235 (244). Verschiebungsfall: „Hier kann es nicht darauf ankommen, ob der Täter im Einflußbereich des Dritten steht […]“, BGHSt 45, 235 (246). Zum Erfüllungsfall: „Das Kriterium des auch faktischen Interesses kann bei dieser Fallgestaltung aber nicht bedeuten, daß damit bereits der Anwendungsbereich des § 73 Abs. 3 StGB eröffnet ist. Beim Erfüllungsfall kommt der Unmittelbarkeit […] entscheidende Bedeutung zu; auch das Argument […], die rechtswidrige Tat dürfe nicht völlig außerhalb des Einflußbereichs des Dritten liegen, hat hier Gewicht.“ und „Diese Einschränkung  – und zwar bei dieser Fallgruppe – […]“, BGHSt 45, 235 (247). Hervorhebungen jeweils durch den Verfasser. 190  Beim Verschiebungsfall: Unentgeltliches bzw. bemakeltes Rechtsgeschäft, Absicht der Gläubigerentziehung oder Tatverschleierung. Beim Erfüllungsfall: Gutgläubigkeit, nicht bemakeltes, entgeltliches Rechtsgeschäft. 189  Zum

162 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

unklar ist und die insbesondere nicht ausdrücklich auf die beiden zentralen Tatbestandsmerkmale des § 73 III StGB a. F. bezogen werden.191 Der fehlende Bezug zu den Tatbestandsmerkmalen des § 73 III StGB a. F. nährt den „Verdacht“, dass der BGH hier in Wahrheit das (als unbefriedigend empfundene) Gesetz mit seinen Fallgruppen „ersetzt“ hat. In diesem Sinne führt etwa Lieckfeldt aus, der BGH habe seine Fallgruppen „an Stelle einer abstrakten Bestimmung von Inhalt und Grenzen der Tatbestandsmerkmale von § 73 Abs. 3 StGB“ gesetzt.192 Dies sei auch „nachvollziehbar und begegne[…] keinen grundsätzlichen Bedenken“; die Voraussetzungen des § 73 III StGB a. F. ließen sich eben nicht „abstrakt-generell definieren“.193 Dem ist entschieden entgegen zu treten. Wenn es nicht „gelingt“, die Voraussetzungen einer Norm abstrakt-generell zu definieren, kann das eigentlich nur einen von zwei Gründen haben: Entweder ist die Norm hoffnungslos defekt i. S. v. perplex oder der Rechtsanwender versucht, mit ihr Fälle zu erfassen, die schlicht nicht unter sie passen. Die Crux des § 73 III StGB a. F. ist nun, dass hier mit Blick auf die beiden identifizierten, grundlegenden Problemquellen der Vorschrift durchaus beide Gründe im Raum stehen. Vorrangig müsste jedoch jeweils der Gesetzgeber Abhilfe schaffen. Einer „Korrektur“ seitens des Rechtsanwenders müsste jedenfalls die Offenlegung vorangehen, dass die Grenzen der Auslegung des Gesetzes überschritten sind194 und sie würde eine Darlegung der Berechtigung zum rechtsfortbildenden Einschreiten durch den Rechtsanwender erfordern.195 Hinzu kommt noch, dass eine derartige „Anwendung“ des Gesetzes die Rechtsanwendung zwar in Standardfällen erleichtern,196 aber in Grenzfällen gerade erschweren würde. Wenn nämlich die Rechtsanwendung gar nicht mehr vom Tatbestand des § 73 III StGB a. F., sondern direkt von den Fallauch Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (935, 938). Verfallsanordnung (2008), S. 414. 193  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 13. 194  Das übersieht Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 415, der i. E. eine „Wechselwirkung“ der Merkmale „Handeln für einen anderen“ und „dadurch“ sieht: „In dem Maße, in dem der Grad der Erfüllung eines Merkmals zunimmt, sinkt die tatbestandsbegrenzende Funktion des anderen Merkmals.“ Das ist offensichtlich mit dem Wortlaut, der (stets) sowohl ein „Handeln für einen anderen“ als auch ein (darauf beruhendes!) Erlangen „dadurch“ erfordert, nicht mehr zu vereinbaren. 195  Grundlegend hierzu auch schon unter B. Dabei liegt auf der Hand, dass die Berechtigung zur Korrektur in der Variante der nachgewiesenen Perplexität der geltenden Norm deutlich näher liegt, als wenn der Rechtsanwender bloß Fälle erfassen möchte, die unter das geltende Gesetz schlicht nicht passen. 196  So auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 414. 191  s.

192  Lieckfeldt,



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F163

gruppen ausgehen sollte,197 führte das zu grundlegenden Problemen, wenn die Fallgruppen sich überschneiden198 bzw. wenn keine der Fallgruppen einschlägig ist.199 Welche Kriterien dann in welcher Form und Zusammensetzung maßgeblich sein sollen, wäre völlig offen. Das „ersetzte“ Gesetz könnte hier jedenfalls nicht mehr weiterhelfen. 2. Die Fallgruppenbildung als „Konkretisierung“ des Gesetzes? Eine derart in Fundierung und Folgen hochproblematische „Ersetzung“ des Gesetzes sollte dem BGH nicht leichtfertig unterstellt werden. Daher sind seine Ausführungen noch einmal darauf zu untersuchen, ob die beiden Grunddefinitionen tatsächlich  – wie in der Sache etwa von Lieckfeldt behauptet – für jede Fallgruppe modifiziert oder ob sie nur – wie vom Gericht selbst behauptet  – fallgruppenbezogen konkretisiert werden. Bei einer Modifikation hätten die Merkmale je nach Sachverhalt unterschiedlichen Inhalt und die Rechtsanwendung müsste tatsächlich von den Fallgruppen ausgehen. Bei einer bloßen Konkretisierung müsste es dagegen doch möglich sein, im Ergebnis (erweiterte) abstrakt-generelle Definitionen der beiden Merkmale zu formulieren – was Lieckfeldt für unmöglich hält und der BGH zumindest nicht ausdrücklich liefert. Ein interessantes Verständnis der Fallgruppen findet sich in einer neueren Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH, wenn es dort heißt: „Zur Konkretisierung [des] Bereicherungszusammenhangs hat die Rechtsprechung Fallgruppen gebildet.“200 Die Fallgruppen könnten also der Konkretisierung nur eines Merkmals, nämlich „dadurch … erlangt“, dienen. Auch in der Literatur findet sich vereinzelt diese Lesart.201 Insbesondere diese Theorie ist zu prüfen.

197  Radtke, in: FS Schünemann (2014), 927 (931) weist darauf hin, dass sich in der Praxis diese Vorgehensweise bereits durchgesetzt habe. 198  Dazu Böttger / Brockhaus, WiStrR, Kap. 16 Rn. 38; MK / Joecks, § 73 Rn. 85; AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 33; NK / Saliger, § 73 Rn. 36; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 104. 199  Der BGH bezeichnet seine Fallgruppen nur als die „drei wichtigsten Fallgruppen“, BGHSt 45, 235 (245). Darauf weist auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 414 f. hin, der dann auch eine weitere Fallgruppe hinzufügen möchte (S. 13, 416 f.). 200  BGH wistra 2014, 219 (222). 201  So etwa bei Fischer, § 73 Rn. 32 ff.; Theile, ZJS 2011, 333 (336); Rotsch / ders., Compliance, § 38 Rn. 28; Wittig, WiStrR, § 9 Rn. 34; wohl auch Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 9. Ausdrücklich abgelehnt wird diese Interpretationsmöglichkeit dagegen von Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (932).

164 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

a) Darstellung der Vertretungsfälle Die Darstellung der Vertretungsfälle202 durch den BGH kann als bloße Anwendung bzw. Konkretisierung der beiden Grunddefinitionen verstanden werden. Das Handeln im Interesse des anderen wird schlicht bejaht (Anwendung). Der Bereicherungszusammenhang ergebe sich aus dem betrieblichen Zurechnungsverhältnis (Konkretisierung). Anschließend wird die schon im Rahmen der Grunddefinition getroffene Entscheidung, dass Unmittelbarkeit i. S. v. „durch ein- und dieselbe Handlung“ nicht erforderlich sei (sondern nur ein Bereicherungszusammenhang), lediglich erneut fallgruppenbezogen begründet. b) Darstellung der Verschiebungsfälle Die Darstellung der Verschiebungsfälle203 durch den BGH ist schwieriger einzuordnen. Hier werden neue Kriterien eingeführt (unentgeltliches oder jedenfalls bemakeltes Rechtsgeschäft, Absicht der Gläubigerentziehung bzw. Tatverschleierung), ohne dass ein ausdrücklicher Bezug zu den Tatbestandsmerkmalen hergestellt wird. Das Handeln im Interesse des anderen wird bejaht mit dem Hinweis, dass der Täter hier die Tat und auch die Vermögensverschiebung „primär im eigenen Interesse und allenfalls faktisch (auch) im Interesse des Dritten“ begehe. Zudem müsse der Täter nicht im Einflussbereich des Dritten stehen. Dies stellt eine bloße Anwendung der Grunddefinition zum „Handeln für einen anderen“ dar. Weiter heißt es, für diese Fälle werde es typisch sein, dass weitere Rechtsgeschäfte dazwischengeschaltet seien. Dabei handelt es sich erneut (nur) um eine fallgruppenbezogene Begründung für die Entscheidung innerhalb der Grunddefinition von „dadurch erlangt“, dass dieses Merkmal (nur) einen Bereicherungszusammenhang voraussetzt. Damit „fehlen“ in dieser Fallgruppe nur noch positive Aussagen zum Kriterium des Bereicherungszusammenhangs. Darauf könnten also die neuen, der Umschreibung der Fallgruppe dienenden Kriterien gerichtet sein. Das Erlangen durch (!) unentgeltliches ober bemakeltes Rechtsgeschäft hat jedenfalls einen offensichtlichen Bezug zum Merkmal „dadurch … erlangt“ und damit zum Bereicherungszusammenhang. Für die Absicht der Gläubigerentziehung bzw. Tatverschleierung kann ergänzend zurückgegriffen werden auf die Ausführungen von Brenner und dem OLG Düsseldorf, die 202  BGHSt 203  BGHSt

45, 235 (245 f.). 45, 235 (246).



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F165

dieses Kriterium in die Diskussion eingeführt hatten.204 Bei Brenner ist die Absicht, den Vermögensvorteil dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, „charakteristisches Indiz“ für den von ihm beschriebenen, allerdings noch nicht so bezeichneten, „Bereicherungszusammenhang“.205 Auch nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf gehört die Absicht, zu verhindern, dass die Beute an den rechtmäßigen Besitzer zurückgelangt, zum Erlangen „durch“ die Tat.206 Vieles spricht dafür, dass der BGH sich diese Sichtweisen zu Eigen machen wollte. Jedenfalls hat diese Absicht nichts mit „Handeln für einen anderen“ zu tun.207 Beide zur Umgrenzung der Fallgruppe der Verschiebungsfälle herangezogenen Umstände können also als Konkretisierung des wertenden Kriteriums des Bereicherungszusammenhangs verstanden und damit dem Merkmal „dadurch“ zugeordnet werden. c) Darstellung der Erfüllungsfälle Die Darstellung der Erfüllungsfälle208 führt ebenfalls neue Kriterien zur Abgrenzung der Fallgruppe ein (gutgläubiger Erwerb aus einem entgeltlichen, nicht bemakelten Rechtsgeschäft). Ihre Anknüpfung an die Tatbestandsmerkmale des § 73 III StGB a. F. wird etwas deutlicher. Auch hier bejaht der BGH zunächst für den Regelfall ein Handeln  – zumindest faktisch – im Interesse des Dritten und bestätigt daher einmal mehr die Grunddefinition des „Handelns für einen anderen“. Dann erklärt er, dass in dieser Fallgestaltung der Unmittelbarkeit „entscheidende Bedeutung“ zukomme. Die einschränkenden Kriterien werden vom BGH also ganz offenbar am Bereicherungszusammenhang und damit am Merkmal „dadurch“ festmacht. Etwas verklärend wirkt nur der Zusatz, auch das Argument, dass die rechtswidrige Tat „nicht völlig außerhalb des Einflußbereichs des Dritten liegen“ dürfe, habe hier Gewicht. Dieses Argument bezieht sich aber eher auf das Merkmal „Handeln für einen anderen“. Im Ergebnis ist die Formulierung des BGH jedoch wieder eindeutig: Der Dritte habe den Vorteil in den Erfüllungsfällen nicht „durch“ die Tat erlangt, es fehle an der Unmittelbarkeit. 204  s.

dazu I. 2. DRiZ 1977, 203 (206). 206  OLG Düsseldorf NJW 1979, 992. 207  A. A. aber Rübenstahl, NZWiSt 2012, 350 (351); AK / ders., § 73 Rn. 39a: Die Absicht entspreche dem Gedanken, dass das Handeln für einen Dritten erfolgen muss. Das sei bei geldwäscheähnlicher Komplizenstellung des Dritten gegeben, die wiederum durch das Handeln mit Gläubigerbenachteiligungs- bzw. Verschleierungsabsicht indiziert sei. Das ist nicht nachvollziehbar. Handeln in der Absicht, den Gläubiger zu benachteiligen bzw. die Tat zu verschleiern, kann (mindestens!) genauso gut rein eigennützig erfolgen. 208  BGHSt 45, 235 (247 f.). 205  Brenner,

166 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

d) Ergebnis Insgesamt ist also festzustellen, dass der BGH ein Handeln im Interesse des Dritten bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Tat und damit ein „Handeln für einen anderen“ in allen drei von ihm benannten Fallgruppen recht knapp bejaht. Eine nennenswerte Konkretisierung der Grunddefinition dieses Merkmals erfolgt nicht, es ist einer solchen auch kaum zugänglich: Das vom BGH angesprochene Kriterium, ob der Täter im Einflussbereich des Dritten stehe, wäre jedenfalls keine Konkretisierung, sondern eine Modifizierung im Verhältnis zur Grunddefinition. Einer Konkretisierung zugänglich und noch dazu bedürftig ist dagegen der „Bereicherungszusammenhang“, der das Merkmal „dadurch“ ausfüllen soll. Das führt zur Lesart des 1. BGH-Strafsenats, wonach die einzelnen Fallgruppen letztlich nur eine Konkretisierung dieses Merkmals darstellen. Zwar muss man die Entscheidung hierfür ein Stück weit gegen den Strich lesen, aber diese „Übersetzungsarbeit“ führt zu einem schlüssigen Ergebnis. Der Kern der schwierigen Nachvollziehbarkeit der Leitentscheidung des BGH liegt nach alldem darin, dass seine Aussage, wonach „beide Merkmale“ einer „näheren Konkretisierung“ nach Fallgruppen bedürften,209 jedenfalls irreführend ist: Entweder „operiert“ er tatsächlich fallgruppenspezifisch an beiden Merkmalen; dann verlässt er aber die Grenzen einer bloßen Konkretisierung, weil das „Handeln für einen anderen“ in der Auslegung des BGH keiner Konkretisierung, sondern allenfalls einer Modifizierung, zugänglich ist. Eine solche Lesart der Entscheidung würde de facto die Anwendung des § 73 III StGB a. F. anhand seines Tatbestandes durch eine solche anhand bestimmter Fallgruppen „ersetzen“ und damit offensichtlich die Grenzen der Auslegung verlassen. Oder er „operiert“ in Wahrheit gar nicht an beiden Merkmalen, sondern nur am Bereicherungszusammenhang. Diese Lesart, die auch vom 1. Strafsenat des BGH herangezogen wird, vermeidet die grundlegenden methodischen Bedenken gegen eine „Ersetzung“ des Gesetzes und erweist sich daher als vorzugswürdig. 3. Inhalt des Kriteriums des „Bereicherungszusammenhangs“ beim BGH Nach dieser Lesart der BGH-Grundsätze müsste es also möglich sein, eine abstrakt-generelle Definition des „Bereicherungszusammenhangs“ und 209  BGHSt 45, 235 (244). Auch in einer neueren Entscheidung verharrt der 5. Strafsenat des BGH bei dieser Formulierung, BGH NStZ 2014, 89 (94: „Die notwendige Konkretisierung dieser Merkmale hat dabei nach Fallgruppen zu erfolgen […]“); Hervorhebung durch den Verfasser.



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F

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damit des Merkmals „dadurch“ in der Auslegung des BGH zu entwickeln. Dazu ist allerdings noch weitere „Übersetzungsarbeit“ erforderlich. a) Verhältnis zum Merkmal „für einen anderen gehandelt“ Versteht man den BGH so wie zuletzt dargestellt, dann stellt man fest, dass er bei der Bestimmung des Wertungsmerkmals „Bereicherungszusammenhang“ auch Umstände heranzieht, die eher das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ betreffen würden, allerdings nach Auffassung des BGH zur Erfüllung dieses Merkmals gerade nicht erforderlich sind. Das ist bemerkenswert, begegnet aber keinen grundlegenden, methodischen Bedenken, da die beiden Tatbestandsmerkmale dadurch gerade nicht miteinander vermengt werden.210 Grob gesagt verfährt der BGH bei der Prüfung des „Bereicherungszusammenhangs“ zweistufig, nach dem Motto: Je näher die beiden Personen sich sind, desto weiter kann der Bereicherungszusammenhang im Übrigen gefasst werden; je entfernter sie voneinander sind, desto strenger ist der Bereicherungszusammenhang im Übrigen zu fassen. Das ist für sich genommen plausibel. In den Vertretungsfällen führen wohl das (typischerweise starke) Handeln im Interesse des Dritten sowie der Umstand, dass der Täter im Einflussbereich des Dritten steht, dazu, dass es nach Auffassung des BGH neben des (betrieblichen) Zurechnungszusammenhangs keiner weiteren Voraussetzungen bedarf, um den Bereicherungszusammenhang zu begründen. Die Grundsätze des BGH zu den Verschiebungs- und Erfüllungsfällen lassen sich demgegenüber so erklären:211 Der Täter handelt hier nur in einem (typischerweise schwachen) „faktischen“ Interesse des Dritten und steht typischerweise nicht in seinem Einflussbereich. Das genüge zur Anwendung des § 73 III StGB a. F. nicht, wenn diese Schwäche nicht durch einen ausgeprägten Zurechnungszusammenhang zwischen Straftat und Vorteilseintritt kompensiert wird. b) Verhältnis von Verschiebungs- und Erfüllungsfällen Bei diesem Verständnis der BGH-Grundsätze stellt sich weiter die Frage, welche Bedeutung der Fallgruppe der Erfüllungsfälle zukommt. Denn jedenfalls bei dieser Lesart erscheint es merkwürdig, neben zwei „positiven“ Fallgruppen auch noch eine „negative“ Fallgruppe zu benennen. Sind die 210  Anders die methodisch unhaltbare Annahme einer „Wechselwirkung“ der beiden Merkmale von Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 415. 211  Vgl. Rübenstahl, NZWiSt 2012, 350; AK / ders., § 73 Rn. 40.

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Grundsätze zu den Erfüllungsfällen also möglicherweise nicht mehr als eine (an sich überflüssige) bloße Verdeutlichung dafür, dass der „Bereicherungszusammenhang“ bei Fehlen der Voraussetzungen der anderen beiden Fallgruppen (insbesondere der Verschiebungsfälle) fehlt?212 Dann könnte man diese Fallgruppe bei der Formulierung der Definition des „Bereicherungszusammenhangs“ schlicht ignorieren. Oder hat die Fallgruppe doch eine eigenständige Bedeutung? Ein gegenseitiges Ausschlussverhältnis zwischen Verschiebungs- und Erfüllungsfällen dürfte jedenfalls insoweit vorliegen, als dass ein Verschiebungsfall u. a. bei der Zuwendung aufgrund eines „bemakelten“ Rechtsgeschäfts gegeben sein soll, wohingegen ein Erfüllungsfall sich durch die Erfüllung einer „nicht bemakelten“ Forderung auszeichnen soll. Die Umschreibung der „Nicht-Bemakelung“ bei den Erfüllungsfällen („Forderung, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusammenhang mit der Tat [steht]“)213 lässt sich also im Umkehrschluss auf das Erfordernis der „Bemakelung“ des Geschäfts bei den Verschiebungsfällen übertragen. Insofern hat die Fallgruppe der Erfüllungsfälle also jedenfalls keine eigenständige Bedeutung. Es wird aber komplizierter: Für die Annahme eines Erfüllungsfalls muss offenbar noch eine weitere Voraussetzung hinzukommen, nämlich die Gutgläubigkeit des Drittbegünstigten.214 Diese Voraussetzung findet bei den Verschiebungsfällen keine ausdrückliche, gegensätzliche Entsprechung (kein Erfordernis der Bösgläubigkeit). Ob die Gutgläubigkeit des Dritten gegenüber der fehlenden „Bemakelung“ des Geschäfts aber wirklich eine eigenständige Bedeutung hat, erscheint fraglich. Wichtig ist dafür zunächst der Zeitpunkt der Gutgläubigkeit: Müsste der Dritte zum Zeitpunkt des Austauschs der Leistungen gutgläubig sein, dann wäre diese Voraussetzung tatsächlich eigenständig. Dann wäre nämlich denkbar, dass zwar ein entgeltliches und nicht mit der Tat in Zusammenhang stehendes (also „unbemakeltes“) Rechtsgeschäft erfüllt wird (und damit kein Verschiebungsfall vorliegt), aber der Dritte zum Erfüllungszeitpunkt doch Kenntnis oder Kennenmüssen der deliktischen Herkunft der zur Erfüllung eingesetzten Mittel vorzuwerfen ist (und damit auch kein Erfüllungsfall vorliegt).215 So versteht der BGH 212  So etwa im Ergebnis Rönnau, Vermögenabschöpfung, Rn. 128: „Alle sonstigen Fallkonstellationen mit Durchgangserwerb, die nicht zu den bereits skizzierten Gruppen (Vertretungsfälle i. w. S. und Verschiebungsfälle) gehören, rechtfertigen die Anwendung des § 73 Abs. 3 StGB nicht; vom BGH werden diese Fälle auch ‚Erfüllungsfälle‘ genannt.“ 213  BGHSt 45, 235 (247). 214  BGHSt 45, 235 (247: „[…] einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile zuwendet, und zwar in Erfüllung einer nicht bemakelten, entgeltlichen Forderung […]“). 215  Es läge dann also ein (eigentümlicher) Nicht-Erfüllungsfall vor, der zwar unter keine der drei Fallgruppen passt, aber (im Umkehrschluss aus der Nicht-Erfas-



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F169

das Kriterium der Gutgläubigkeit aber nicht. In einer neueren Entscheidung hat er klargestellt, dass es für die Gutgläubigkeit auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes ankomme, woraus folge:216 „Damit läge ein Erfüllungsfall grundsätzlich selbst dann vor, wenn die Erfüllung einer nicht bemakelten Forderung mit Mitteln aus einer Straftat bewirkt würde und der Empfänger damit wenigstens rechnete.“

Dann stellt sich aber die Frage, ob noch ein Unterschied zwischen „NichtBemakelung“ der Forderung und Gutgläubigkeit (bei Entstehen der Forderung!) besteht. Liegt nicht gerade in der Bösgläubigkeit des Dritten bei Eingehung des Geschäfts das Moment, was den Zusammenhang zu der rechtswidrigen Tat herstellt und das Rechtsgeschäft (aus Sicht des BGH) „bemakelt“ macht? Umgekehrt: Würde der BGH unter irgendwelchen Umständen ein Rechtsgeschäft, das in dem Bewusstsein eingegangen wird, der andere Teil  werde seine Verpflichtung möglicherweise aus Tatvorteilen bedienen, als „unbemakelt“ ansehen?217 Der BGH verweist im Zusammenhang mit der „Bemakelung“ immerhin (wenn auch etwas kryptisch) auf die „Nähe der Tatbeteiligung“, insbesondere die leichtfertige Geldwäsche (§ 261 V StGB) und damit auf das Kriterium der Bösgläubigkeit.218 Die Forderung der Gutgläubigkeit des Dritten scheint sich also tatsächlich insgesamt in dem Erfordernis der fehlenden „Bemakelung“ der Forderung aufzulösen. In der Literatur wird bei der Interpretation der BGH-Grundsätze die Gleichsetzung von „Nicht-Bemakelung“ mit „Gutgläubigkeit des Dritten“ (bzw. entsprechend „Bemakelung“ mit „Bösgläubigkeit des Dritten“) jedoch überwiegend bezweifelt.219 Das hängt  – neben der durch die BGH-Grundsung der Erfüllungsfälle) trotzdem vom Merkmal des „Bereicherungszusammenhangs“ erfasst sein müsste. 216  BGH wistra 2014, 219 (223). 217  Ein „unbemakelter“ Erwerb trotz Bösgläubigkeit des Erwerbers erscheint allenfalls denkbar bei einem Erwerb aus einer staatlichen Veräußerung / Versteigerung (z. B. Notveräußerung nach § 111p StPO bzw. § 111l StPO a. F.) oder im Wege der Erbfolge [s. BGH, NStZ 2001, 257 (258)]. Da es aber jeweils nicht um rechtsgeschäftliche Zuwendungen geht, scheidet schon deshalb ein Verschiebungsfall nach den Grundsätzen des BGH aus. 218  BGHSt 45, 235 (246). 219  SS / Eser, § 73 Rn. 37a: Auf Bösgläubigkeit komme es beim Verschiebungsfall nicht an; so auch Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 122, s. auch 1. Auflage, Rn. 286: „[Es] bleibt im Dunkeln, was unter einem bemakelten Rechtsgeschäft genau zu verstehen ist.“ Nach MK / Joecks, § 73 Rn. 81 sei „nicht ganz klar“, welche Rolle die Gutgläubigkeit für den Verschiebungsfall spiele. Nach AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 39 (zust. Böttger / Brockhaus, WiStrR, Kap. 16 Rn. 40) sei der Verschiebungsfall nur praxisrelevant, soweit der Dritte „nicht nachweislich bösgläubig“ ist. Lepper, ZWH 2014 311 (312) hält es für möglich, dass jemand bösgläubig eine „(für sich genommen) unbemakelte Verpflichtung“ eingeht. s. auch Lieckfeldt, Verfallsan-

170 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

sätze gestifteten, verständlichen Verwirrung – regelmäßig mit der ungenauen Annahme zusammen, dass sich derjenige, der bösgläubig Gegenstände aus Straftaten erlangt, bereits nach den §§ 257, 258, 259, 261 StGB strafbar mache:220 Da dann der Verfall gegen den Dritten bereits nach § 73 I StGB a. F. angeordnet werden könne, dürfe § 73 III StGB a. F. in der Variante des Verschiebungsfalls nicht Bösgläubigkeit voraussetzen. Die „Lücken“ dieser Straftatbestände sind jedoch vielfältig; um nur einige zu nennen: Bei § 257 StGB muss die Hilfeleistung auf den Erhalt des Tatvorteils gerichtet sein, was bei Verschiebung nicht gegeben ist; die Verfallsvereitelung nach § 258 StGB setzt in Bezug auf die Tathandlung Absicht oder Wissentlichkeit voraus, nach § 258 VI StGB besteht zudem ein Angehörigenprivileg; § 259 StGB ist auf gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten beschränkt; § 261 StGB ist auf Katalogtaten beschränkt.221 Die wohl wichtigste „Lücke“ dieser Straftatbestände liegt allerdings darin, dass sie grundsätzlich nur den Empfang durch straffähige natürliche Personen erfassen können.222 Daher spricht nichts dagegen und im Gegenteil alles dafür, „Nicht-Bemakelung“ mit „Gutgläubigkeit“ und „Bemakelung“ mit „Bösgläubigkeit“ des Empfängers (jeweils zum Zeitpunkt der Eingehung des Verpflichtungsgeschäfts) gleichzusetzen.223 Damit stehen Verschiebungs- und Erfüllungsfälle in einem gegenseitigen Ausschlussverhältnis. Erfüllungsfälle sind also nichts anderes als bestimmte ordnung (2008), S. 418 und Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 106 (NichtBemakelung und „zusätzlich“ bzw. „darüber hinaus“ Gutgläubigkeit als Voraussetzung des Erfüllungsfalls). 220  Deutlich MK / Joecks, § 73 Rn. 84 (s. auch Rn. 89): „Ist der Dritte bösgläubig, so erfüllt sein Verhalten entweder den Tatbestand der Begünstigung (§ 257), der Hehlerei (§ 259) oder der Geldwäsche (§ 261).“; so auch Fischer, § 73 Rn. 35; SK / Wolters, § 73 Rn. 26. Etwas zurückhaltender Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 122; AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 39: Strafbarkeit nach §§ 257, 259, 261 StGB liege nahe; s. auch Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 106. 221  Immerhin auf den letztgenannten Aspekt weist MK / Joecks, § 73 Rn. 89 a. E. hin, wenn er als letztlich einzig problematisch die Fälle der „Befriedigung eines Bösgläubigen, außerhalb des Anwendungsbereichs des § 261“ kennzeichnet. 222  Das wird immerhin von Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 106 angemerkt. Eine Ausnahme bildet insofern § 261 StGB, da über die spezielle Einziehungsvorschrift des § 261 VII StGB u. a. § 74e StGB (bislang § 75 StGB a. F.) anwendbar ist, wodurch juristischen Personen das Handeln ihrer Vertreter zugerechnet werden kann. 223  So im Ergebnis auch MR / Altenhain, § 73 Rn. 19; WJ / Podolsky, 28.  Kap. Rn. 38; ders. / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 84 f.; Rhode, wistra 2012, 85 (86). Ähnlich, aber ungenau, Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 421: Bemakelt sei ein Rechtsgeschäft „jedenfalls“ dann, wenn Leichtfertigkeit i. S. v. § 261 V StGB vorliege. Wann außerhalb dessen ein „sonst bemakeltes“ Rechtsgeschäft (s. auch das Schaubild auf S. 423) vorliegen soll, wird nicht erläutert.



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F

171

Fälle, die die Voraussetzungen des Verschiebungsfalls nicht erfüllen. Zur Konkretisierung des Kriteriums „Bereicherungszusammenhang“ ist der Bezug auf diese Fälle also hinfällig. Gleichsam nebenbei haben sich die Grundsätze des BGH zu den Verschiebungsfällen konkretisiert: Unter „Bemakelung“ des Geschäfts ist nichts anderes als „Bösgläubigkeit“ des anderen bei Eingehung zu verstehen. c) Behandlung von Abgrenzungsfällen Diese Lesart der BGH-Grundsätze müsste es auch möglich machen, Abgrenzungsfälle zwischen den Fallgruppen eindeutig zu lösen. Damit ist die Kritik an den Grundsätzen des BGH, wonach die gebildeten Fallgruppen sich teilweise überschnitten,224 aufgegriffen. Dies ist zu prüfen anhand folgender Grenzkonstellationen, die der BGH (bei einer von den Fallgruppen ausgehenden Betrachtung) vergessen zu haben scheint, da der Dritte jeweils unmittelbar erwirbt (also kein Verschiebungsfall), aber auch kein (betriebliches) Zurechnungsverhältnis vorliegt (also kein Vertretungsfall): Insbesondere ist an Delikte zu denken, die eine Absicht der Drittbereicherung bzw. -zueignung vorsehen (z. B. §§ 242, 246, 249, 253, 259, 263 StGB), auch wenn hier wegen § 73 I 2 StGB a. F. regelmäßig nur die Zurückgewinnungshilfe in Betracht kam.225 Auch bei anderen Delikten kommt eine unmittelbare Zuwendung des Vermögensgegenstands an den Dritten auf Geheiß des Tatbeteiligten in Betracht (Bsp.: Bestechungsentgelt wird direkt an einen vom Bestochenen bezeichneten Dritten bewirkt).226 Besonders interessant wird es, wenn man die jeweiligen Konstellationen mit den Charakteristika des Erfüllungsfalls denkt:227 Der Täter z. B. eines Betruges oder einer Bestechlichkeit bewirkt die Vermögensverfügung an einen tatunbeteiligten Drittbegünstigten und befriedigt damit gleichzeitig eine gegen ihn bestehende Forderung des Dritten. aa) Behandlung durch den BGH Wie der BGH diese Fälle mit § 73 III StGB a. F. gelöst hätte, liegt auf Grundlage der hier verfolgten Lesart seiner Entscheidung auf der Hand: Fraglich ist jeweils, ob der das Merkmal „dadurch“ konkretisierende Berei224  Böttger / Brockhaus, WiStrR, Kap. 16 Rn. 38; MK / Joecks, § 73 Rn. 85; AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 33; NK / Saliger, § 73 Rn. 36; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 104. 225  Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 114. 226  Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn.  115 f. 227  Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 104.

172 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

cherungszusammenhang erfüllt ist. Nach dem BGH bedeutet „dadurch“ nicht „unmittelbar durch ein- und dieselbe Handlung“, verlange aber „immerhin“ einen Bereicherungszusammenhang.228 Daraus lässt sich umgekehrt schließen: Der Bereicherungszusammenhang ist jedenfalls gegeben, wenn der Drittbegünstigte den Vorteil „unmittelbar durch ein- und dieselbe Handlung“ erlangt hat. Diese Annahme war für den BGH wohl so offensichtlich, dass er sie nicht mehr ausdrücklich erwähnen musste. Der Bereicherungszusammenhang liegt also nach dem BGH in allen oben genannten Fallvarianten vor. bb) Behandlung durch die Literatur Die Literatur hat sich die Anwendung von § 73 III StGB a. F. auf diese Fälle deutlich schwieriger gemacht, weil sie regelmäßig direkt von den Fallgruppen des BGH ausging. Dann stellt sich die Frage, ob die obigen Fälle als „Vertretungsfälle ohne (betriebliches) Zurechnungsverhältnis“ oder als „Verschiebungs- bzw. Erfüllungsfälle ohne Durchgangserwerb“ zu behandeln wären. Das wirkt sich besonders bei der zuletzt aufgeführten Konstellation eines möglichen „Erfüllungsfalles ohne Durchgangserwerb“ aus. Nach den Grundsätzen der Verschiebungs- und Erfüllungsfälle wäre hier nämlich ein Erfüllungsfall anzunehmen und § 73 III StGB a. F. wäre nicht anwendbar.229 Überwiegend ist vorgeschlagen worden, zwischen Vertretungsfällen auf der einen und Verschiebungs- bzw. Erfüllungsfällen auf der anderen Seite danach zu differenzieren, ob ein Durchgangserwerb beim Tatbeteiligten vorliegt:230 Ist dies nicht der Fall, liege ein Vertretungsfall vor; ist dies der Fall, liege ein Verschiebungs- oder Erfüllungsfall vor. Diese Differenzierung erscheint zwar in der Sache sinnvoll und sie entspricht auch den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers; mit den Grundsätzen des BGH lässt sie sich aber gerade nicht vereinen, denn die Bedeutung dieses Aspekts (Maßgeblichkeit eines Durchgangserwerbs) hatte der BGH verschleiert und nicht in seine Fallgruppenbildung aufgenommen.231 Wendet man dennoch diese 228  BGHSt

45, 235 (244). Grundsätze hält etwa SK / Wolters, § 73 Rn. 28 hier für anwendbar. In diesem Sinne versteht auch SSW / Burghart, § 73 Rn. 54 die BGH-Grundsätze, die er allerdings (unerklärlicherweise) so interpretiert, dass Verschiebungs- und Erfüllungsfälle auf Fälle beschränkt seien, in denen das Erlangte „sogleich in das Vermögen des Dritten [gelangt]“ sei, ohne dass der Tatbeteiligte „je selbst eine wirtschaftlich werthaltige Verfügungsgewalt [ausgeübt]“ hätte. 230  So Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 111 ff.; zust. MR / Altenhain, § 73 Rn. 18; Rhode, wistra 2012, 85 (85 f.); a. A. aber SK / Wolters, § 73 Rn. 28. 231  Dazu grundlegend unter II. 1. Konkret hält der BGH wohl auch bei einem Durchgangserwerb des Tatbeteiligten noch einen Vertretungsfall für möglich, wenn 229  Diese



C. Die Leitentscheidung des BGH zu § 73 III StGB a. F

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Abgrenzung auf die BGH-Grundsätze an, dann läge hier zwar jeweils ein Vertretungsfall vor, es wäre aber immer noch nicht klar, was nach den Grundsätzen der Vertretungsfälle gelten würde. Denn für einen Vertretungsfall hat der BGH bislang ein (betriebliches) Zurechnungsverhältnis verlangt,232 woran es hier jeweils fehlt. Die Probleme einer direkt von den Fallgruppen ausgehenden Anwendung des § 73 III StGB a. F. zeigen sich hier deutlich. Beide Meinungsströme der Literatur geben also aus unterschiedlichen Gründen die Abgrenzung der Fallgruppen nach Auffassung des BGH nicht richtig wieder. Sie enthalten aber jeweils materielle Kritik an den Differenzierungen, zu denen die Grundsätze des BGH in diesem Fallbereich führen, auf deren Berechtigung zurückzukommen sein wird.233 d) Ergebnis: (Erweiterte) Definitionen der beiden Tatbestandsmerkmale Die BGH-Grundsätze müssen also im Ergebnis nicht so verstanden werden, dass sie die Voraussetzungen des § 73 III StGB a. F. von vornherein durch Fallgruppen „ersetzen“. Stattdessen wurde eine Lesart gefunden, mit der sich die Ausführungen des BGH zumindest im Ausgangspunkt noch auf eine jeweils einheitliche Auslegung der beiden Tatbestandsmerkmale „für einen anderen gehandelt“ und „dadurch … erlangt“ zurückführen lassen. Der Standpunkt des Gerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Handeln für einen anderen“ erfordert ein Handeln  – und sei es nur faktisch  – im Interesse des Dritten bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Tat. Diese Grunddefinition bleibt unverändert. „Dadurch“ erlangt hat der Dritte den Vorteil, wenn ein Bereicherungszusammenhang besteht. Dieses wertende Kriterium ist wie folgt zu konkretisieren: Es ist jedenfalls bei Erlangen „durch ein- und dieselbe Handlung“ erfüllt, außerdem stets bei einem (betrieblichen) Zurechnungsverhältnis zwischen Tatbeteiligtem und Drittem (Vertretungsfall). Es ist, wenn diese beiden Voraussetzungen nicht vorliegen, auch gegeben bei einer Verschiebung, die unentgeltlich oder an einen im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes bösgläuer ausführt, dass in solchen Fällen in der Regel „mehrere Geschäfte dazwischengeschaltet“ seien, BGHSt 45, 235 (246). Es käme dann innerhalb der Grundsätze des BGH folgerichtig nur auf den sich bereits aus dem (betrieblichen) Zurechnungszusammenhang ergebenden Bereicherungszusammenhang an. Dazu (mit einem konkreten Beispiel aus der BGH-Rechtsprechung) auch noch bei der Erörterung des neuen Rechts, 3.  Kap. B. II. 2. b). 232  BGHSt 45, 235 (246). s. auch die graphische Darstellung des Vertretungsfalls bei Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 374, die hier angesprochenen Grenzfälle lassen sich damit nicht lösen. 233  Erheblich wird dies jedoch erst bei der Erörterung des neuen Rechts werden, s. dort 3.  Kap. III. 1. c).

174 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

bigen Empfänger erfolgt, jeweils in der Absicht, dem Gläubiger den Zugriff zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (Verschiebungsfall).

IV. Ergebnis Die beiden grundlegenden Problemquellen, die bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 73 III StGB a. F. hergeleitet werden konnten, haben die Entwicklung der Auslegung der Norm und die Leitentscheidung des BGH entscheidend geprägt. Der Fehler des Gesetzgebers, die Wendung „für einen anderen gehandelt“ als eigenständiges Tatbestandsmerkmal zu normieren, wurde nicht erkannt. Ausgehend vom Wortlaut versuchte man stattdessen, dem „Merkmal“ einen Inhalt zu geben. Ob das gelungen ist, wird im Folgenden zu erörtern sein. Die gesetzgeberische Entscheidung, keine Regelung der Verschiebungskonstellationen vorzusehen, wurde als unbefriedigend empfunden. Anstatt an den Gesetzgeber um Nachbesserung zu appellieren, versuchte man nun allerdings, diese Fälle samt für notwendig gehaltener Einschränkungen durch Kreation eines wertenden Merkmals des „Bereicherungszusammenhangs“ (sowie Erweiterung des „Handelns“ auf solches im bloßen Zusammenhang mit der Tatbegehung) unter den bisherigen § 73 III StGB a. F. zu bringen. Die Leitentscheidung des BGH stiftete insofern durch ihr die Zusammenhänge eher weiter verunklarendes Vorgehen große Verwirrung und lud letztlich das Merkmal des „Bereicherungszusammenhangs“ besonders komplex auf.

D. Anwendung des § 73 III StGB a. F. Auf Grundlage der im vorangegangenen Abschnitt vorgenommenen Domestizierung der Grundsätze des BGH kann nun die Anwendung des § 73 III StGB a. F. inhaltlich und in geordneten, methodischen Bahnen angegangen werden. Dabei ist zwischen den beiden spezifischen Merkmalen der Norm zu differenzieren, nämlich „für einen anderen gehandelt“ (dazu I.) und „dadurch … erlangt“ (dazu II.).

I. Merkmal „für einen anderen gehandelt“ Es wurde bereits herausgearbeitet, dass der Gesetzgeber mit der Wendung „für einen anderen gehandelt“ kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal (mehr) normieren wollte und dies in der Sache auch überzeugt:234 Auf eine 234  s.

dazu A. V. 2. a) bb) und grundlegend 1.  Kap. C. III. 1. b) bb), 3. b).



D. Anwendung des § 73 III StGB a. F.

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Qualifizierung des Handelns des Tatbeteiligten als in irgendeiner Form „drittgerichtet“ kann es nicht ankommen, abschöpfungsbegründend ist allein das Vorhandensein eines Tatertrages bei einem Drittbegünstigten. Methodisch kann dieses Ergebnis mit § 73 III StGB a. F. aber nur durch eine Gesetzeskorrektur erreicht werden.235 Demgegenüber behandelt der BGH die Wendung „für einen anderen gehandelt“ in Fortführung der zuvor bereits herrschenden Meinung und im Einklang mit dem Wortlaut als selbständiges Tatbestandsmerkmal und legt sie dahingehend aus, dass der Tatbeteiligte „bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit“ der Tat „im Interesse des Dritten“ (und sei es nur faktisch) gehandelt haben müsse.236 Fraglich ist aber insbesondere, ob diese Auslegung zu der (erforderlichen) eigenständigen Bedeutung des Merkmals führt. Jedenfalls gilt: Wenn die These zutrifft, dass das Verständnis des historischen Gesetzgebers in der Sache konsequent und richtig war, dann müsste jeder Auslegungsvorschlag zum Merkmal „für einen anderen gehandelt“ im Ergebnis fehlgehen. Das gilt es zunächst nachzuweisen (dazu 1.). Zur Behebung des Dilemmas bleibt dann nur noch die (richterliche) Gesetzeskorrektur, auf die anschließend näher einzugehen ist (dazu 2.). 1. Diskussion des Meinungsstandes a) Handeln „im Einflussbereich“ des Dritten Die engste Auffassung für die Auslegung von „für einen anderen gehandelt“ bei § 73 III StGB a. F. vertritt Eser, der verlangt, dass die Tat im Interesse des Vorteilsempfängers und von einer im Einflussbereich dieses Dritten stehenden Person begangen worden sein muss.237

235  Zu

dieser methodischen Weichenstellung grundsätzlich unter B. I. 45, 235 (244). Die Erweiterung „oder jedenfalls im Zusammenhang mit“ der Tat wird erst im Zusammenhang mit dem Merkmal „dadurch … erlangt“ näher erörtert [s. II. 2. b)], da sie thematisch zur Erstreckung der Maßnahme auf Verschiebungsfälle gehört. 237  SS / Eser, § 73 Rn. 37; ders., Sanktionen (1969), S. 288 ff.; s. dazu bereits unter C. I. 1. Selbst das hält jedoch Hofmann, wistra 2008, 401 (407 f.), noch für zu wenig und fordert eine Anknüpfung an die Kataloge der §§ 14, 74e StGB (bislang § 75 StGB a. F.); bereits die Überschrift des § 14 StGB  – „Handeln für einen anderen“  – lege die gleiche Bedeutung nahe. Das übersieht jedoch schon in grober Weise, dass § 73 III StGB a. F. gerade keinen entsprechenden Katalog vorsieht, s. auch BGHSt 45, 235 (237); Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 56; Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 380 ff.; Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (936). Ihre Auffassung kann daher allenfalls als Forderung de lege ferenda verstanden werden. 236  BGHSt

176 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Das Erfordernis, der Tatbeteiligte müsse im Einflussbereich des Dritten stehen, leitet Eser im Wesentlichen aus dem Interesse der Rechtssicherheit her.238 Die Vorteilsentziehung müsse für denjenigen, der von der Tat weder Kenntnis hatte noch haben konnte und daher auf die Tat auch keinerlei Einfluss nehmen konnte, regelmäßig eine Härte bedeuten.239 Diese bloße Behauptung überzeugt nicht: Wer einen Gegenstand besitzt, der aus einer Straftat stammt, der hat (vorbehaltlich gutgläubiger Entreicherung) kein anzuerkennendes Recht, ihn zu behalten – warum außerdem die Möglichkeit erforderlich sein soll, im Vorfeld auf die Begehung der Tat Einfluss zu nehmen, ist nicht erklärlich. Zunächst erkennt Eser auch, dass es nach seinem Verständnis des Verfalls als quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme eigentlich konsequent wäre, „die Tatvorteile überall dort zu suchen, wo sie hingeflossen sind“;240 bei restloser Ausschöpfung der Möglichkeiten der Kondiktionshaftung sei der Tatgewinn jedem zu entziehen, dem er von Anfang an zugedacht oder nachträglich (unentgeltlich) zugewendet wurde.241 Dennoch hält er es dann für erforderlich, dass dem Dritten das Handeln des Tatbeteiligten „als rechtsmissbräuchliches und deshalb ausgleichsbegründendes Verhalten zuzurechnen“ ist.242 Der Bereicherungsausgleich kennt eine solche Verhaltenszurechnung aber nicht, denn er knüpft nicht an (unrechtmäßiges) Verhalten, sondern an (unrechtmäßiges) Haben an.243 Ein Rechtsmissbrauch würde zwar tatsächlich eine Zurechnung voraussetzen, ein solches Erfordernis beruht aber auf der zurückzuweisenden „Missbrauchs- und Verwirkungsthese“ Esers.244 Auf ein Handeln des Tatbeteiligten „im Einflussbereich“ des Drittbegünstigten kann es damit nicht ankommen, da generell eine Verhaltenszurechnung nicht erforderlich ist.

238  Eser,

Sanktionen (1969), S. 288 ff. Sanktionen (1969), S. 290; auch Hofmann, wistra 2008, 401 (407 f.) hält für erforderlich, dass die Verantwortlichen eines Unternehmens die Möglichkeit haben müssen, einen Verfall gegen dieses zu verhindern. 240  Eser, Sanktionen (1969), S. 288. 241  Eser, Sanktionen (1969), S. 290. 242  Eser, Sanktionen (1969), S. 288; Hervorhebungen durch den Verfasser. 243  So auch in diesem Zusammenhang Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 57; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 104. Etwas anderes gilt auch nicht bei der verschärften Bereicherungshaftung, wo aber immerhin eine Wissenszurechnung möglich ist [s. dazu im Einzelnen 1.  Kap. B. II. 3. d) bb)]. 244  s. dazu unter 1.  Kap. C. I. 2. b). 239  Eser,



D. Anwendung des § 73 III StGB a. F.

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b) Handeln „im Geschäftskreis“ des Dritten Kürzlich hat Radtke ein neues Kriterium in die Diskussion eingeführt.245 Statt am Einflussbereich oder am Interesse möchte er sich an den für den „Vertretungsbezug“ bei § 14 StGB („als“) relevanten Kriterien orientieren. Danach sei ein „Handeln für einen anderen“ (jedenfalls) dann gegeben, wenn der Tatbeteiligte im Geschäftskreis des Dritten tätig geworden ist, etwa bei Erfüllung von diesen treffenden Pflichten. Auf eine wie auch immer geartete Zugehörigkeit des Tatbeteiligten zum Drittbegünstigten soll es dagegen aber nicht ankommen. Hergeleitet wird dies wie folgt: Aus einem Vergleich von § 73 III StGB a. F. zu § 14 StGB und § 74e StGB (bislang § 75 StGB a. F.) ließen sich in zweierlei Hinsicht Erkenntnisse ziehen.246 Zum einen enthalte § 73 III StGB a. F. anders als diese beiden Vorschriften keinen numerus clausus an Personen, die für andere gehandelt haben können. Das rechtfertige die Annahme, dass bei § 73 III StGB a. F. in personaler Hinsicht jedermann in Betracht kommt. Zum anderen verlangten die §§ 14, 74e StGB jeweils einen Vertretungsbezug, den das Gesetz mit Handeln „als“ Organ usw. ausdrücke. Zwar enthalte § 73 III StGB a. F. eindeutig kein entsprechendes Erfordernis eines Vertretungsbezuges. Dennoch sei der Schluss erlaubt, dass wenn der Tatbeteiligte „sogar“ im Sinne von § 14 StGB „als“ dessen Vertreter etc. gehandelt habe, zugleich stets auch ein Handeln „für einen anderen“ i. S. d. § 73 III StGB a. F. gegeben sei. Das führt zur Kontroverse darüber, wie der Vertretungsbezug bei § 14 StGB zu verstehen ist.247 Auf Grundlage der (heute) herrschenden Meinung stellt Radtke in Bezug auf tatsächliches Tätigwerden darauf ab, ob ein Handeln im Geschäftskreis des Dritten, etwa bei Erfüllung von diesen treffenden Pflichten, vorliegt. Das offensichtliche Problem dieser Erst-recht-Schluss-Argumentation liegt in ihrer beschränkten Aussagekraft: Es können allenfalls bestimmte Fälle benannt werden, in denen „jedenfalls“ ein „Handeln für einen anderen“ i. S. d. § 73 III StGB a. F. vorliegt. Zur eigentlich entscheidenden Frage, wann ein „Handeln für einen anderen“ i. S. v. § 73 III StGB a. F. nicht mehr 245  Radtke,

in: FS Schünemann (2014), S. 927 (936 ff.). in: FS Schünemann (2014), S. 927 (936 ff.). 247  Hier stehen sich insbesondere die Interessentheorie, die Funktionstheorie und das Zurechnungsmodell gegenüber, dazu jeweils ausführlich NK / Böse, § 14 Rn. 16 ff.; MK / Radtke, § 14 Rn. 58 ff.; LK / Schünemann, § 14 Rn. 50 ff. Die Interessentheorie wurde bislang insbesondere von der Rechtsprechung vertreten, allerdings mit BGHSt 57, 229 (233 ff.) ausdrücklich verworfen. Die wohl als herrschende Lehre zu bezeichnende Funktionstheorie und das von Radtke (s. MK / Radtke, § 14 Rn. 66 ff.) entwickelte Zurechnungsmodell kommen weitgehend zu den gleichen Ergebnissen. 246  Radtke,

178 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

vorliegt, trägt diese Argumentation demgegenüber nichts bei.248 Radtke selbst meint allerdings, bei seiner Auslegung bestätige sich im Ergebnis „weitestgehend“ die Rechtsprechung des BGH in den Vertretungsfällen.249 Damit verengt er aber den Blick auf die Fälle, in denen insbesondere ein Angehöriger eines Unternehmens für dieses tätig wird. Hier mag das Kriterium, dass der Tatbeteiligte „im Geschäftskreis des Dritten“ tätig geworden ist, „funktionieren“. Außen vor bleiben aber namentlich Fälle der privaten, „altruistischen“ Drittbegünstigung (z. B. Bestechung eines Amtsträgers dadurch, dass ein Vorteil unmittelbar an eine dem Amtsträger nahestehende Person bewirkt wird). An diesen Fällen zeigt sich besonders deutlich, dass der Gedanke der Pflichtenteilhabe, der nach Radtke der Regelung des § 14 StGB zugrunde liegt,250 auf die Abschöpfung von Taterträgen insgesamt nicht passt. Es erscheint daher auch eher zufällig, dass das Kriterium im Bereich des Handelns für ein Unternehmen zumindest „funktioniert“. Aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzung von § 14 StGB und § 73 III StGB a. F. ist also letztlich sogar der Erst-recht-Schluss selbst in Zweifel zu ziehen.251 Das Kriterium des Handelns „im Geschäftskreis“ des Dritten ermöglicht also nur die Erfassung bestimmter, „jedenfalls“ erfasster Fälle und ist nicht einmal insofern schlüssig hergeleitet. Es stellt also keine taugliche Auslegung des Merkmals „für einen anderen gehandelt“ dar. c) Handeln „im Interesse“ des Dritten Wie bereits dargestellt wurde, entwickelte sich aus einem uneigenständigen Bestandteil der Auffassung Esers ohne weitere Begründung die herrschende Meinung, wonach unter Handeln „für einen anderen“ ein Handeln „im Interesse des anderen“ zu verstehen sei.252 Bereits die vom BGH ver248  Das wird noch deutlicher bei Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 382, der einen ähnlichen, aber engeren Erst-recht-Schluss annimmt: Jedenfalls in den Fällen des § 14 StGB sei zugleich auch das „Handeln für einen anderen“ i. S. d. § 73 III StGB a. F. erfüllt (es wird also an Personenkreis und Vertretungsbezug i. S. d. § 14 StGB angeknüpft). Zutreffend erkennt er, dass dieser Schluss gerade keine Grenzziehung zu den Fällen ermöglicht, in denen das Merkmal nicht mehr erfüllt ist (S. 384). 249  Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (938); nicht ausgeführt wird, was mit der Einschränkung gemeint ist. 250  MK / Radtke, § 14 Rn. 23 ff. 251  Das gilt natürlich auch für den Schluss von Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 382. 252  Grundlegend dazu unter C. I. 1.; zunächst Brenner, DRiZ 1977, 203 (205); Dreher / Tröndle, 38. Auflage, § 73 Rn. 13; Lackner, 12. Auflage, § 73 Anm. 3 a); ihnen folgend dann OLG Düsseldorf NJW 1979, 992; BGH NJW 1991, 367 (371)



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wendete Einschränkung  – „und sei es nur faktisch“253  – deutet darauf hin, dass dieses Kriterium jedenfalls in der Rechtsprechung sehr weit verstanden wird. aa) Konkretisierung des Verständnisses der Rechtsprechung Ein Schlaglicht auf die Weite der Auslegung dieses Kriteriums wirft die Behandlung einer typischen Fallkonstellation des vom BGH so bezeichneten Verschiebungsfalls: Der Tatbeteiligte verschiebt den zunächst von ihm erlangten Tatertrag zum Schutz vor seinem Entzug auf das Konto einer ihm typischerweise nahestehenden Person (etwa des Ehepartners). Der BGH erwähnt die Fallkonstellation in seiner Leitentscheidung ausdrücklich und in der jüngeren OLG-Rechtsprechung sind derartige Fälle mehrfach entschieden worden.254 Die Fallgestaltung ist in diesem Zusammenhang aus zwei Gründen interessant: Zum einen wird der Tatbeteiligte die Verschiebung häufig nicht schon bei Tatbegehung planen. Relevant wird hier also, dass nach der Rechtsprechung auch an ein Handeln „im Zusammenhang mit der Tat“ angeknüpft werden können soll.255 Zum zweiten ist interessant, dass in diesen Fällen nicht gerade naheliegt, dass die Verschiebung „im Interesse“ desjenigen liegt, der sein Konto zur Verfügung stellt. Bei einer Gesamtbetrachtung wäre etwa die Gefahr für den Dritten, zum Adressaten strafprozessualer Maßnahmen zu werden, in die Interessenbewertung einzustellen. Aber selbst bei rein wirtschaftlicher Betrachtung liegt die Verschiebung typischerweise kaum im Interesse des Dritten: Häufig wird im Innenverhältnis zwischen Tatbeteiligtem und Drittem nämlich zumindest stillschweigend und schließlich BGHSt 45, 235 (244). Auch in der aktuellen Literatur zum bisherigen Recht findet diese Sichtweise vielfach Zustimmung: Hellmann / Beckemper, WiStrR, Rn. 988; BeckOK / Heuchemer, § 73 Rn. 25; Fischer, § 73 Rn. 30; LPK / Kindhäuser, § 73 Rn. 9; Lackner / Kühl / Heger, § 73 Rn. 9; Neuefeind, JA 2004, 155 (160); Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 81; Rhode, wistra 2012, 85 (86 f.); NK / Saliger, § 73 Rn. 34; Theile, ZJS 2011, 333 (336); Rotsch / ders., Compliance, § 38 Rn. 27; WJ / Podolsky, WiStrR, 28.  Kap. Rn. 35 f.; SK / Wolters, § 73 Rn. 26. Mit Bezug auf die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers dagegen allerdings Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 56 f.; LK / Schmidt, § 73 Rn. 54, 63; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 103 f. Dagegen grundsätzlich auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 412, der dem BGH aber i. E. dennoch mit einer methodisch unhaltbaren Argumentation folgt (dazu bereits unter C. III. 1.). 253  BGHSt 45, 235 (244). 254  BGHSt 45, 235 (246: „… er kann sich sogar eines gutgläubigen Dritten bedienen, der etwa sein Konto zur Verfügung stellt.“); OLG Karlsruhe NJW 2008, 162; OLG Düsseldorf Beschl. v. 02.04.2009  – 1 Ws 119 / 09 (unveröffentlicht, aber s. juris); OLG Rostock wistra 2013, 361. 255  Dazu näher im Zusammenhang mit dem Merkmal „dadurch … erlangt“ unter II. 2. b).

180 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Übereinstimmung darüber bestehen, dass die Mittel „eigentlich“ weiterhin dem Tatbeteiligten zustehen sollen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt daher keine Mehrung des Vermögens des Dritten vor.256 Das wird von der Rechtsprechung für unbeachtlich gehalten: Besonders deutlich heißt es beim OLG Rostock ausdrücklich, es genüge, wenn der Dritte „nur zum Schein und in einer Art ‚verdeckter Treuhandschaft‘ Vorteile, die der Täter aus der Tat erlangt hat, formal in sein Eigentum übernimmt.“257 Einer (ggf. auch nur wirtschaftlichen) Gesamtbetrachtung erteilt die Rechtsprechung beim Kriterium des „Handelns im Interesse des Dritten“ also eine klare Absage.258 Hinter der Wendung „und sei es nur faktisch“ verbirgt sich eine rein formale Betrachtung: Ein Handeln im Interesse des Dritten kann letztlich schon daraus gefolgert werden, dass dieser den Vorteil (formal, ggf. auch nur zum Schein) „erlangt“ hat. Dies soll auch für die sog. Vertretungsfälle gelten, zu denen der BGH formuliert:259 „Fließt in solchen Fällen dem Dritten der Vorteil zu, so hat der Täter oder Teilnehmer für den Dritten gehandelt und dieser dadurch den Vorteil erlangt. Er hat zumindest faktisch auch in dessen Interesse gehandelt.“

bb) Bewertung In dieser Auslegung ist das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ aber nicht nur „wenig trennkräftig“ und von „geringer praktischer Bedeutung“, da es „regelmäßig“ nicht zu einer Begrenzung des Anwendungsbereiches von § 73 III StGB a. F. führt.260 Nach dieser Auslegung verhält es sich vielmehr so, dass das „Handeln für einen anderen“ keine Bedeutung gegenüber dem Erlangen „durch“ die Tat mehr hat: Immer wenn ein Dritter den Vorteil „erlangt“ hat, kann sogleich auch davon ausgegangen werden, dass „zumindest faktisch“ in dessen Interesse gehandelt wurde. Die beiden Merkmale werden also in der Art miteinander verschliffen, dass das „Handeln für 256  Auf diesen Verdacht eines „Scheincharakters“ des Geschäfts wird ebenfalls noch zurückzukommen sein, weil sich die Frage stellt, ob der Dritte hier überhaupt etwas „erlangt“; dazu unter II. 2. a). 257  OLG Rostock wistra 2013, 361 (363); im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe NJW 2008, 162 (163); OLG Düsseldorf Beschl. v. 02.04.2009  – 1 Ws 119 / 09, Rn. 11 (juris). 258  s. auch Hofmann, wistra 2008, 401 (407), die als Gründe dafür, dass eine Tat trotz Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils insgesamt nicht im Interesse eines Unternehmens liegen könnte, den möglichen Einfluss auf seine Tätigkeit auf anderen Märkten und eine mögliche Sperre bei zukünftigen Ausschreibungen anführt. 259  BGHSt 45, 235 (245 f.). 260  So AK / Rübenstahl, § 73 Rn. 41a.



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einen anderen“ vollständig im Erlangen „durch“ die Tat aufgeht.261 Eine derartige Gleichsetzung zweier Tatbestandsmerkmale, die nach dem Wortlaut („und“) eindeutig kumulativ vorliegen müssen, ist aber als Überschreitung des möglichen Wortsinnes des Gesetzes keine zulässige Auslegung mehr.262 Eine besonders entlarvende Formulierung dieser „Anwendung“ des Gesetzes findet sich beim OLG Schleswig-Holstein:263 „[Nach § 73 III StGB a. F.] richtet sich die Anordnung des Verfalls auch gegen einen Dritten, für den der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat und der dadurch etwas erlangt hat. In erster Linie betrifft dies Fälle, in denen der Tatbeteiligte für einen anderen gehandelt hat. Die Bestimmung gilt indes auch für Fälle, in denen der Täter den zunächst selbst erlangten Gegenstand oder den entsprechenden Wertersatz an einen anderen (Bös- oder Gutgläubigen) weiter gibt […].“

Im Ergebnis entspricht die Auslegung der Rechtsprechung  – die die Bedeutung des Merkmals „für einen anderen gehandelt“ letztlich auf Null reduziert  – dem Verständnis dieses Merkmals durch den Sonderausschuss. Man vergleiche nur das soeben wiedergegebene Zitat des BGH zu den Vertretungsfällen mit der Aussage von Göhler:264 „[… ] daß durch die Tat des Täters unmittelbar in dem Vermögen eines anderen ein Vermögensvorteil entstanden sei. Wenn jemand in dieser Weise für einen anderen gehandelt habe, sollte dies ausreichende Grundlage dafür sein, ihm diesen Vermögensvorteil wegzunehmen.“

Die gegen diese Auslegung gerichtete Kritik, sie verstoße gegen die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers, weil danach auch Handeln ausschließlich im eigenen Interesse ausreichen müsse,265 relativiert sich also im Ergebnis, lässt aber die Widersprüchlichkeit des Vorgehens der Rechtsprechung deutlich zu Tage treten. 261  So zutreffend Radtke, in: FS Schünemann (2014), 927 (933, 938); in diese Richtung bereits Hofmann, wistra 2008, 401 (407); s. auch SK / Wolters, § 73 Rn. 26, der zwar die Auslegung des BGH nicht für problematisch hält, aber zutreffend darauf hinweist, dass aus der Formulierung des § 73 III StGB a. F. zu entnehmen ist, „dass es über den faktischen Vermögenszufluss hinaus (‚dadurch‘) eines Verhaltens bedarf, das als Handeln ‚für‘ eine andere Person zu charakterisieren ist“; Hervorhebung durch den Verfasser. 262  s. dazu grundlegend B. I. 1. Der hier teilweise verwendete Begriff der „Verschleifung“ soll im Übrigen nicht auf eine Anwendbarkeit des vom BVerfG aus Art. 103 II GG abgeleiteten „Verschleifungsverbotes“ hindeuten, zu dessen Unanwendbarkeit hier bereits unter B. I. 2., 3. 263  OLG Schleswig-Holstein Beschl. v. 28.07.2006  – 1 Ws 287 / 06, Rn. 5 (juris); Hervorhebungen durch den Verfasser. 264  Göhler, Protokolle Sonderausschuss, S. 1014 f.; s. bereits unter A. V. 2. a) bb) (1). 265  Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 56 f.; LK / Schmidt, § 73 Rn. 54, 63; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 103 f.

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Das heißt: Bereits im Sonderausschuss wurden die Merkmale „für einen anderen gehandelt“ und „dadurch … erlangt“ nicht voneinander getrennt. Die Rechtsanwendung sah sich dann zwar durch den Wortlaut des Gesetzes gezwungen, ersterem Merkmal eine „eigene“ Auslegung zukommen zu lassen. Durch die Auslegung als Handeln „im Interesse“ des anderen ist dies jedoch nur scheinbar gelungen, letztlich liegt darin nicht mehr und nicht weniger als eine kaum verschleierte Fortführung des verschleifenden Verständnisses des Sonderausschusses. Der Rechtsprechung ist deshalb zwar zugute zu halten, dass ihre Sicht im Ergebnis der des historischen Gesetzgebers entspricht. Genau wie bereits das Verständnis des Sonderausschusses überschreitet allerdings auch diese „Auslegung“ die Grenze des möglichen Wortsinnes des § 73 III StGB a. F. und ist daher als solche unzulässig. Ein engeres Verständnis des Interesse-Kriteriums könnte diesem Vorwurf, der sich gegen das formale Verständnis der Rechtsprechung richtet, zwar theoretisch entgehen. Warum es auf eine solche Voraussetzung überhaupt ankommen sollte, ist aber bislang nie begründet worden. Ein Grund dafür ist auch nach keinem Verständnis zur Begründung der Abschöpfung von Taterträgen ersichtlich. Das Kriterium des Handelns „im Interesse“ des Dritten scheidet also zur Auslegung des Merkmals „für einen anderen gehandelt“ ebenfalls aus. d) Ergebnis Es ist also tatsächlich nicht nur bislang nicht gelungen, dem Merkmal „für einen anderen gehandelt“ eine zweckgerechte, abschließende und nicht verschleifende Auslegung zukommen zu lassen, dies erweist sich sogar als schlechthin unmöglich. Man muss nämlich stets einen von zwei möglichen Fehlern machen: Entweder man versteht das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ gar nicht eigenständig und lässt es im Merkmal „dadurch … erlangt“ aufgehen (so der Sonderausschuss und die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur). Das überschreitet aber die Wortsinngrenze. Oder man versteht das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ eigenständig (so etwa Eser und Radtke). Das führt aber unweigerlich zu zweckwidrigen Verkürzungen des Anwendungsbereiches des § 73 III StGB a. F. Für den Rechtsanwender scheint der einzige Ausweg aus dieser Misere eine Gesetzeskorrektur zu sein. 2. Möglichkeit einer (richterlichen) Gesetzeskorrektur Das Merkmal „für einen anderen gehandelt“ führt also in ein Dilemma. Will man der Vorstellung des historischen Gesetzgebers und dem „objekti-



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ven“ Sinn des Gesetzes zum Durchbruch verhelfen, kann man dies nur über eine Überschreitung der Grenze des möglichen Wortsinnes und damit methodisch nur noch durch Korrektur des Gesetzestextes erreichen.266 Es bleibt zu klären, ob eine solche Maßnahme zulässig wäre und wie genau sie aussehen müsste. In der juristischen Methodenlehre nimmt die Thematik (richterlicher) Gesetzeskorrekturen bzw. -fortbildungen großen Raum ein.267 Der Schwerpunkt der Diskussion liegt allerdings darauf, inwieweit der Rechtsanwender dabei von erkannten Wertungen des Gesetzgebers abweichen darf.268 Nur dann ist nämlich der Widerstreit zwischen „objektiver“ und „subjektiver“ Auslegungstheorie eröffnet.269 Als kaum problematisch wird es dagegen empfunden, wenn die Gesetzeskorrektur oder -fortbildung gerade dazu dient, die gesetzgeberischen Wertungen zu verwirklichen.270 Denn dann deuten „objektive“ und „subjektive“ Theorie in dieselbe Richtung. Als in diesem Sinne unproblematischer Fall der Gesetzeskorrektur wird regelmäßig die Korrektur sog. Redaktionsversehen angesehen.271 Ein Beispiel eines klassischen Redaktionsversehens bildet die Verweisung in § 254 II 2 BGB: Heute besteht Einigkeit darüber, dass diese Regelung insofern ein Versehen darstellt, als sie richtigerweise wie ein Absatz 3 des § 254 BGB zu lesen ist und damit auch auf § 254 I BGB anwendbar ist.272 266  Zu

dieser methodischen Weichenstellung grundsätzlich B. I. etwa Bydlinski, Methodenlehre, S. 472 ff.; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff.; Looschelders / Roth, Methodik, S. 224 ff.; Reimer, Methodenlehre, Rn. 548 ff., 607 ff.; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 936 ff. 268  Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 187 sprechen insofern etwa von „gesetzesübersteigender“ Rechtsfortbildung und Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 940 von „richterlichen Korrekturen am Normzweck“. 269  s. dazu bereits unter B. II. 270  Wie bereits unter B. I. 1. angesprochen, wird teilweise sogar die Auffassung vertreten, dass eine Überschreitung des möglichen Wortsinnes des Gesetzes zur Durchführung der gesetzgeberischen Zwecke noch unter „Auslegung“ fällt. Durchaus ähnlich sprechen Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 187 hier von „gesetzesimmanenter“ Rechtsfortbildung und Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 937 von nur „scheinbaren Gesetzesabweichungen“, s. auch Rn. 950. 271  Bydlinski, Methodenlehre, S. 393; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 219; Looschelders / Roth, Methodik, S. 237; Reimer, Methodenlehre, Rn. 608 (nach dessen Konzeption dies aber noch zur Auslegung gehört); Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 938, 950. 272  So die ständige Rechtsprechung des RG (erstmals RGZ 62, 106 [108]); übernommen durch BGHZ 1, 248 (249); in der Literatur rügte bereits Kohler, AcP 96 (1905), 345 (355 f.) die „ungeschickte“ Ausdrucksweise des Gesetzgebers und dass die Regelung in einen Absatz 3 gehört hätte, heute entspricht dies der im Schrifttum einhelligen Meinung, s. nur Erman / Ebert, § 254 Rn. 71; MKBGB / Oetker, § 254 Rn. 126; Staudinger / Schiemann, § 254 Rn. 95. 267  s.

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Die hiesige Konstellation unterscheidet sich allerdings dadurch von einem klassischen Redaktionsversehen, dass der Fehler des Gesetzgebers hier weniger einem Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2 BGB)273 und eher einem Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1 BGB) entspricht: Der Gesetzgeber hat den Ausdruck gewählt, den er auch wählen wollte, hat aber „den Bedeutungsgehalt der […] verwendeten Worte […] verkannt.“274 Ob man der Rechtsprechung mit der gleichen Freigiebigkeit zugestehen sollte, auch solche Fehler des Gesetzgebers zu „reparieren“, erscheint insbesondere aufgrund der Missbrauchsgefahr nicht ganz offensichtlich.275 Das Problem des Nachweises eines gesetzgeberischen Fehlers stellt sich jedoch genauso bei (angeblichen) bloßen Redaktionsversehen, auch das erfordert einen Wertungsprozess. Letztlich geht es dann in beiden Konstellationen darum, dass ein Gesetz, in dem es (eindeutig) X heißt, so gelesen werden soll, als stünde dort Y, weil dies den wahren Intentionen des Gesetzgebers und dem „objektiven“ Sinn des Gesetzes entspricht. Gesetzgeberische „Inhalts-“ sind also genauso wie gesetzgeberische „Erklärungsirrtümer“ grundsätzlich zu korrigieren.276 Es verbleibt die allerdings gar nicht so einfache Frage, wie das Ergebnis der Korrektur von § 73 III StGB a. F. aussehen müsste. Ein „Wegdenken“ der Wendung „für einen anderen gehandelt“ ist sprachlich nicht möglich, schon weil sich das Erlangen („dadurch“) hierauf bezieht. Eigentlich wäre eine völlige Neuformulierung des Tatbestandes erforderlich. So wie es aber etwa möglich ist, § 254 II 2 BGB (entgegen der Systematik) „als Absatz 3 zu lesen“, so dürfte es auch noch im Rahmen des Möglichen liegen, die Wendung „für einen anderen gehandelt“ (entgegen des klaren Wortlauts) im bloß klarstellenden Sinne Göhlers zu lesen:277 „… daß durch die Tat des Täters unmittelbar in dem Vermögen eines anderen ein Vermögensvorteil entstanden sei. Wenn jemand in dieser Weise für einen anderen gehandelt habe, sollte dies ausreichende Grundlage dafür sein, ihm diesen Vermögensvorteil wegzunehmen.“

Es erscheint damit (noch) vertretbar, das bisherige Gesetz korrigierend so zu lesen, dass die Wendung „für einen anderen gehandelt“ nur klarstellt, 273  Bydlinski, Methodenlehre, S. 393 und Looschelders / Roth, Methodik, S. 237 bezeichnen das Redaktionsversehen ausdrücklich als Äquivalent des Erklärungsirrtums. 274  So die Definition des gesetzgeberischen Inhaltsirrtums bei Looschelders / Roth, Methodik, S. 237. 275  Die Grenze zur (problematischen) Korrektur aufgrund eigener (besserer?) Wertungen könnte verschwimmen, wenn die Rechtsprechung neben dem Argument „Da hat der Gesetzgeber sich offenbar verschrieben…“ auch auf das Argument „Da hat der Gesetzgeber sich offenbar verdacht…“ zurückgreifen könnte. 276  So im Ergebnis ausdrücklich auch Looschelders / Roth, Methodik, S. 237 f. 277  Göhler, Protokolle Sonderausschuss, S. 1014 f.



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dass das Erlangen des Tatertrags durch das Handeln des Tatbeteiligten für die Anordnung des Drittbegünstigtenverfalls bereits ausreicht. 3. Ergebnis Die Wendung „für einen anderen gehandelt“ in § 73 III StGB a. F. erweist sich also, wie bereits abzusehen war, als nicht eigenständig und zugleich zweckgemäß und abschließend auslegbar. Ausgehend vom Formulierungsfehler des historischen Gesetzgebers waren alle Versuche einer solchen Auslegung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Rechtsprechung kommt immerhin zum „richtigen“ Ergebnis, allerdings auf methodisch nicht haltbare Weise. Richtigerweise lässt sich das Dilemma nur durch eine korrigierende Lesart, die die Wendung (über den möglichen Wortsinn hinaus) nur klarstellende Wirkung beimisst, lösen. Diese „Notlösung“ ist auch der folgenden Auslegung des Merkmals „dadurch … erlangt“ zugrunde zu legen. Allein der Gesetzgeber ist in der Position, dem eigenen Fehler und den dadurch erforderlich gemachten Verrenkungen bei der Anwendung des § 73 III StGB a. F. abzuhelfen.278

II. Merkmal „dadurch … erlangt“ Es konnte herausgearbeitet werden, dass der Sonderausschuss den Vorschlag einer Regelung der Fälle der Verschiebung des Tatertrages nach der Tat nicht mehr aufgegriffen hat und dementsprechend unter dem Merkmal „dadurch … erlangt“ eine „Unmittelbarkeit“ des Eintretens des Vermögensvorteils im engeren Sinne verstand.279 Der davon abweichenden Auffassung, wonach der Tatertrag auch bei einer nachträglichen Verschiebung noch „dadurch … erlangt“ sei, solange ein (inhaltlich unterschiedlich verstandener) „Bereicherungszusammenhang“ gegeben sei, schloss sich schließlich der BGH unter fallgruppenmäßiger Konkretisierung des Bereicherungszusammenhangs an. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur teilweise in Einzelpunkten, teilweise aber auch grundsätzlich auf Kritik gestoßen.280 Im Wesentlichen stehen also zwei Auslegungsmöglichkeiten zur Verfügung: das (enge) Verständnis des Sonderausschusses („Unmittelbarkeit“) und das (weite) Verständnis insbesondere des BGH („Bereicherungszusam278  Ob er das durch die Neufassung im Rahmen der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ getan hat, dazu 3.  Kap. B. II. 1. 279  s. dazu A. V. 2. b) bb). 280  Für „Unmittelbarkeit“ i. S. d. historischen Gesetzgebers Fischer, § 73 Rn. 38; Sedemund, DB 2003, 323 (324 f.) und zuvor bereits Arzt, GS Zipf (1999), 165 (168 f., insbes. Fn. 13).

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menhang“). Der bloße Wortlaut des Merkmals „dadurch … erlangt“ ließe grundsätzlich beide Deutungen zu. Für die Entscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten scheint daher eine Entscheidung zwischen „subjektiver“ und „objektiver“ Auslegungstheorie erforderlich zu sein.281 Darauf kommt es aber nur an, wenn die Erfassung der Verschiebungskonstellationen auch sonst nicht an Grenzen des Gesetzes stößt. Hier soll wie folgt vorgegangen werden: Zunächst gilt es noch einmal deutlich herauszuarbeiten, welche Defizite die Auslegung des Merkmals als „Unmittelbarkeit“ hervorrufen würde (dazu 1.). Anschließend ist darauf einzugehen, inwieweit die Auslegung als „Bereicherungszusammenhang“ diese Defizite beseitigen könnte bzw. an welche Grenzen dies stoßen könnte (dazu 2.). Dann kann auf die Entscheidung der auslegungstheoretischen Frage zurückgekommen werden (dazu 3.). 1. „Dadurch … erlangt“ als Unmittelbarkeitszusammenhang Nach dem Verständnis des Sonderausschusses und der ihm folgenden Literatur soll für die Anwendbarkeit des § 73 III StGB a. F. also letztlich entscheidend sein, ob es zu einem Durchgangserwerb bei einem Tatbeteiligten gekommen ist. Sobald das der Fall ist, soll der Tatertrag nicht mehr „unmittelbar“ und damit nicht mehr „dadurch“ erlangt sein. Es wäre noch eine weitere Konstellation zu bedenken, nämlich, dass jemand den Tatertrag erst nach dem Durchgangserwerb eines anderen Dritten erwirbt. Insofern kann nichts anderes gelten als bei einem Durchgangserwerb eines Tatbeteiligten. Der Auslegungsvorschlag ist also zu präzisieren: „Unmittelbar“ und damit „dadurch“ hat derjenige erlangt, in dessen Vermögen der Vermögensvorteil erstmalig auftritt. Das führt zu eindeutigen Ergebnissen. Das offensichtliche Defizit dieser Auslegung wäre, dass sie die Fälle eines mittelbaren Erlangens des Tatertrages nicht erfassen könnte, obwohl der Rechtsgrund der Abschöpfung der Taterträge ihre Erfassung  – wenn auch nur nachrangig – ebenfalls fordert.282 Im Gesetzgebungsverfahren hatte man zwar insbesondere aufgrund der Möglichkeit der Anordnung des Wertersatzverfalls gegen den Verschiebenden  – grundsätzlich richtig  – hier zumindest keine schwerwiegende „Lücke“ des Verfalls gesehen.283 Übersehen hat man 281  Zu

den methodischen Weichenstellungen grundsätzlich B. II. grundsätzlich 1.  Kap. C. III. 3. b) bb). 283  Regierungsbegründung des E 1962, BT-Drucksache IV / 650, S. 242; Goßrau, Niederschriften Band 3, S. 205; Schafheutle, Niederschriften Band 3, S. 217; Gallas, Niederschriften Band 3, S. 281. Konsequenterweise kommt dagegen Koffka, Niederschriften Band  3, S. 281 zu ihrer weiterreichenden Konstruktion des Drittbegünstigtenverfalls nur, indem sie das Institut des Wertersatzverfalls (verfehlt) mit der Be282  Dazu



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allerdings die Gefahr, dass die Verschiebung die Durchsetzung des Wertersatzverfalls faktisch vereiteln kann.284 Dieses Defizit scheint auch deshalb schwer zu wiegen, weil in bestimmten Fällen nur Details der Abwicklung darüber bestimmen würden, ob § 73 III StGB a. F. anwendbar wäre oder nicht. Als Beispiel mag noch einmal der Fall der Bestechung eines Amtsträgers dadurch, dass ein Geschenk an eine dem Amtsträger nahestehende Person bewirkt wird, dienen. Kann es hier wirklich im Ergebnis einen Unterschied ausmachen, wenn das Geschenk zunächst dem Amtsträger selbst übergeben wird und der es dann verschenkt?285 Zudem scheint diese Auslegung insbesondere im Unternehmensbereich nur allzu leicht eine Umgehung der Abschöpfung zu ermöglichen: Wenn nur der erstmalige Erwerb des Tatertrages erfasst wird, lädt dies geradezu zur Ingangsetzung „komplexer Geldkreisläufe“286 unter Einschaltung diverser Gesellschaften ein, die darauf gerichtet sind, die Abschöpfung ins Leere laufen zu lassen. Die Auslegung von „dadurch … erlangt“, wonach es darauf ankommt, in wessen Vermögen der Vermögensvorteil erstmalig aufgetreten ist, führt also zu klaren, aber teilweise unbefriedigenden Ergebnissen. 2. „Dadurch … erlangt“ als Bereicherungszusammenhang Die erweiternde Auslegung von „dadurch … erlangt“ als „Bereicherungszusammenhang“ ist gerade dafür entwickelt worden, diese Defizite der engen Auslegung als „Unmittelbarkeitszusammenhang“ zu beseitigen und scheint dazu grundsätzlich auch geeignet zu sein. Bei näherer Betrachtung könnte allerdings der sonstige Tatbestand noch Hürden bereithalten, die der Erreichung dieses Zwecks entgegenstehen könnten.

gründung ablehnt, dass es „für gewöhnlich den Verurteilten zu schwer belastet und unser Strafensystem verwirrt“. 284  Näher dazu unter 1. Kap. C. III. 3. b) bb) (1). Das insofern aus heutiger Sicht gering ausgeprägt erscheinende Problembewusstsein mag dadurch zu erklären sein, dass das Phänomen der „Geldwäsche“ erst Ende der 80er Jahre in den kriminalpolitischen Blickpunkt rückte und erst im Jahre 1992 insbesondere mit dem OrgKG (BGBl. I, S. 1302), welches u. a. den erweiterten Verfall (§ 73d StGB a. F.), die Vermögensstrafe (§ 43a StGB a. F.) und den Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) einführte, gesetzlichen Niederschlag fand. 285  Vgl. Arzt, GS Zipf (1999), 165 (169 Fn. 13) einerseits, der in dieser Unterscheidung eine Schwäche des § 73 III StGB a. F. (den er im Sinne des Sonderausschusses versteht) sieht, und Brenner, DRiZ 1977, 203 (205); Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 60 f. andererseits, die vergleichbare Beispiele zum Anlass ihrer erweiternden Auslegung nehmen. 286  Vgl. BGHSt 45, 235 (246).

188 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

a) Auswirkung von „erlangt“ Ein Problem könnte sich zunächst aus dem Verdacht ergeben, dass ein nicht unerheblicher Teil  der nachträglichen Vermögensverschiebungen, insbesondere der unentgeltlichen, in Wahrheit nur „zum Schein“ erfolgt. Als klassische Konstellation kann insofern gelten, dass Taterträge auf dem Konto einer nahestehenden Person „geparkt“ werden, ohne dass diese darüber eigenständig verfügen können soll.287 Hier ist daran zu zweifeln, dass der Dritte überhaupt etwas „erlangt“. Die Problematik solcher Umgehungsgeschäfte stand bereits bei Brenner, einem der Schöpfer des „Bereicherungszusammenhangs“, im Vordergrund. Prägnant heißt es bei ihm:288 „Man verrät […] kein Geheimnis, daß gerade Wirtschaftsstraftäter ihre Ehefrauen rechtlich von sich isolieren. Kommt es dann zur Aufdeckung der Wirtschaftsstraftat […], so gehört – wenigstens formalrechtlich – dem Wirtschaftsstraftäter nichts, der Ehefrau alles.“

Ein Problem im Scheincharakter solcher Geschäfte sieht aber weder er, noch die Rechtsprechung, die in derartigen Fällen ohne weiteres den Verfall gegen den Drittbegünstigten angeordnet hat.289 Dagegen hat insbesondere Rönnau auf diese Problematik seine umfassende Ablehnung der Erfassung der Fallgruppe der Verschiebungsfälle durch § 73 III StGB a. F. aufgebaut: Es handele sich dabei (zumindest in einem großen Teilbereich) um „vom Gesetz nicht vorgesehene und daher unzulässige Beweiserleichterungen“.290 Insbesondere bei unentgeltlichen Verschiebungsfällen läge der Verdacht nahe, dass die Übertragung „nur auf Zeit oder nur zum Schein erfolgt“, sodass der Tatbeteiligte „sich im Grunde selbst [‚beschenkt‘].“291 Übersetzt man diese Ansicht in die Dogmatik des § 73 III StGB a. F., wird damit wohl 287  s.

zu dieser Fallgestaltung bereits I. 1. c) aa).

288  Brenner, DRiZ 1977, 203 (205); ähnlich WJ / Podolsky, WiStrR, 28. Kap. Rn. 37;

s. auch GJW / Wiedner, § 73 Rn. 45. 289  Beispiele bereits unter I. 1. c) aa), hervorgehoben sei noch einmal die besonders nachdrückliche Formulierung des OLG Rostock, wistra 2013, 361 (363), wonach es genüge, wenn der Dritte „nur zum Schein und in einer Art ‚verdeckter Treuhandschaft‘ Vorteile, die der Täter aus der Tat erlangt hat, formal in sein Eigentum übernimmt.“ So auch deutlich Theile, ZJS 2011, 333 (335, 336, 337). 290  Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 126 (noch ohne die Einschränkung in 1. Auflage, Rn. 288); zust. Keusch, Verfall (2005), S. 112 f.; dem zuneigend auch Gehrmann, PStR 2010, 233 (233 f.). 291  Rönnau, Vermögensabschöpfung, 1. Auflage, Rn. 287; vgl. auch Rübenstahl, NZWiSt 2012, 350; AK / ders., § 73 Rn. 39: In Verschiebungsfällen gebe der Täter das Erlangte „letztlich eigennützig“ weiter, „um es über den Dritten zu beherrschen“; aus der Praxis bestätigt Rhode, wistra 2012, 85 (87), dass solche Geschäfte „häufiger anzutreffen“ seien, dies stelle aber „keinesfalls den Regelfall“ dar.



D. Anwendung des § 73 III StGB a. F.

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die These aufgestellt, dass der Gegenstand in solchen Fällen in Wahrheit im Vermögen des „Verschiebenden“ verbleibt und ein lediglich formal begünstigter Dritter diesen gar nicht „erlangt“. Vorweggenommen sei, dass diese These fehlgeht. Auch wer nur formal, also ohne dass ihm ein wirkliches Verfügungsrecht zustehen soll, einen Gegenstand in sein Vermögen übernimmt, „erlangt“ diesen i. S. d. § 73 III StGB a. F. Das wird hier wie folgt dargestellt: Zunächst wird gezeigt, dass das Zutreffen der These nach dem in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Verständnis von „erlangt“ (i. S. d. § 73 I 1 StGB a. F.) auf den ersten Blick tatsächlich naheliegt [dazu aa)]. Anschließend wird darauf eingegangen, welche Konsequenzen das Zutreffen der These hätte [dazu bb)]. Das leitet über zu der Begründung, warum sie letztlich doch fehlgeht [dazu cc)]. aa) „Erlangen“ als faktisch-wirtschaftlicher Erwerb? Bei § 73 III StGB a. F. hat die Auslegung des Wortes „erlangt“ so gut wie keine eigenständige Erörterung gefunden, anders sieht dies für dasselbe Wort in § 73 I 1 StGB a. F. aus. Aufgrund des inneren Zusammenhangs von § 73 I 1 StGB a. F. und § 73 III StGB a. F., insbesondere der notwendigen Abgrenzung der beiden Tatbestände, spricht aber grundsätzlich vieles dafür, dass „erlangt“ in beiden Absätzen den gleichen Inhalt haben muss. Bei § 73 I 1 StGB a. F. besteht nun aber in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich Einigkeit darüber, dass „Erlangen“ einen faktischen Vorgang meine und den Übergang der faktischen Verfügungsgewalt voraussetze.292 Die Verfügungsgewalt müsse zudem „wirtschaftlich wertvoll“293 sein; der Vorteil müsse im Vermögen des Betroffenen einen „messbaren wirtschaftlichen Wert“294 bilden bzw. ihm als „wirtschaftlicher Wert [zufließen]“295.296 Selbst das BVerfG (Kammer) betont in einer Reihe von Entscheidungen, für 292  BGH, NStZ 2003, 198 (199); NStZ-RR 2007, 121; NStZ 2008, 565; 623; NStZ-RR 2008, 287; StV 2010, 19; NStZ 2010, 85; NStZ-RR 2012, 278 (279); MR / Altenhain, § 73 Rn. 7; SS / Eser, § 73 Rn. 11; Fischer, § 73 Rn. 13; Hellerbrand, wistra 2003, 201; MK / Joecks, § 73 Rn. 25; NK / Saliger, § 73 Rn. 7; LK / Schmidt, § 73 Rn. 29; SK / Wolters, § 73 Rn. 22. 293  So MK / Joecks, § 73 Rn. 25. 294  So SSW / Burghart, § 73 Rn. 24; ähnlich SS / Eser, § 73 Rn. 11; NK / Saliger, § 73 Rn. 7. 295  So Fischer, § 73 Rn. 13; ähnlich Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 94. 296  In diesem Sinne auch in unterschiedlichen Formulierungen der BGH: „Wirtschaftlich messbar zugute kommen“ [so BGH NStZ 2004, 440; BGHSt 53, 179 (180); ähnlich BGHSt 51, 65 (68)]; „Wirtschaftlich erlangt“ [so BGH NStZ-RR 2015, 310 (311)]; „Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt“ [so BGH, NJW 2011, 624 (625); NStZ-RR 2014, 44].

190 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

das „Erlangen“ i. S. d. § 73 I 1 StGB a. F. sei erforderlich, dass dem Betroffenen ein Vermögensvorteil „wirtschaftlich zugutekommt“; dazu bedürfe es einer „über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, ob [der Betroffene] selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat.“297 Überträgt man diese Grundsätze auf das „Erlangen“ i. S. d. § 73 III StGB a. F., ließe sich für die hiesigen Fälle argumentieren: Da es nicht auf eine formalrechtliche, sondern faktisch-wirtschaftliche Betrachtung ankomme, müsse im Vermögen des Dritten ein „messbarer wirtschaftlicher Wert“ entstehen. Davon könne aber nicht die Rede sein, wenn im Innenverhältnis Einigkeit darüber besteht, dass das Verfügungsrecht über den Vermögenswert weiterhin beim Tatbeteiligten liegt und folglich diesem „wirtschaftlich zugeordnet“ bleiben soll. Bei einer solchen „Scheinverschiebung“ hätte der Dritte demzufolge nichts „erlangt“. bb) Konsequenzen dieser Auslegung Angenommen, dies wäre richtig: Was würde daraus konkret für die Anordnung des Verfalls nach § 73 I, III StGB a. F. folgen? Es könnten sich dann drei Konstellationen ergeben: (1) Das Vorliegen einer „echten“ Verschiebung wird bewiesen; (2) Das Vorliegen einer „Scheinverschiebung“ wird bewiesen; (3) Der Charakter der Verschiebung bleibt unklar. Zu (1): Diese Konstellation wäre unproblematisch. Hier „erlangt“ der Dritte und der Verfall gegen ihn könnte nach § 73 III StGB a. F. angeordnet werden. Zu (2): Rönnau meint, bei bewiesener „Scheinverschiebung“ sei die Übertragung „unwirksam“.298 Das ist so nicht richtig: Im Regelfall sind die Rechtsfolgen der dinglichen Übertragung ja von beiden Beteiligten gerade gewollt, die Scheinabrede bezieht sich nur auf den damit grundsätzlich verbundenen, wirtschaftlichen Erfolg.299 Deshalb ist die Übertragung nicht nach § 117 I BGB unwirksam.300 Entscheidend wäre vielmehr  – worauf Joecks in der Sache zu Recht hinweist  –, dass sich der Gegenstand dann (nach der gebotenen, faktisch-wirtschaftlichen Betrachtung) noch „im Vermögen des Täters“ befände.301 Für ihn spricht das zwar für eine Anwendung 297  BVerfG NJW 2005, 3630 (3631); NStZ 2006, 639 (640); WM 2008, 1588 (1589). 298  Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 126. 299  Vgl. hierzu MKBGB / Armbrüster, § 117 Rn. 14 ff. 300  s. auch Rhode, wistra 2012, 85 (87). 301  MK / Joecks, § 73 Rn. 88.



D. Anwendung des § 73 III StGB a. F.191

des § 73 III StGB a. F. Konsequente Folge müsste dagegen, worauf wohl auch Rönnau im Ergebnis hinaus will, eine Anwendung des § 73 I StGB a. F. sein. Aber worauf würde die sich angesichts des Auseinanderfallens des formalen und des faktisch-wirtschaftlichen Eigentums richten und wie wäre die Vollstreckung zu gewährleisten? Dies würfe schwierige und nicht zuletzt praktisch schwer zu handhabende Fragen auf.302 Zu (3): Nach Rönnau müsse im Fall der Unaufklärbarkeit die Abschöpfung ganz unterbleiben.303 Das wäre jedenfalls praktisch ein äußerst bedenkliches Ergebnis. Die Feststellung, wem nach dem Willen beider Beteiligter der „verschobene“ Vermögenswert „wirtschaftlich zugeordnet“ sein soll, wird in der Praxis nämlich größte Schwierigkeiten bereiten und daher häufig offen bleiben müssen. Zudem stellt sich die Frage, gegen wen welche vorläufigen Sicherungsmaßnahmen gerichtet werden könnten, während der Sachverhalt noch ermittelt wird. Ob eine Auslegung, die zu diesen Konsequenzen führt, richtig sein kann, erscheint doch sehr zweifelhaft. Es ist daher noch einmal zur Auslegung von „erlangt“ zurückzukehren. cc) „Erlangen“ als rechtlicher oder faktisch-wirtschaftlicher Erwerb Untersucht man die Grundsätze der Rechtsprechung und Literatur zum „Erlangen“ (bei § 73 I 1 StGB a. F.) näher, so drängt sich der Eindruck auf, dass sie möglicherweise häufig etwas ungenau bzw. verkürzt dargestellt werden. Die Fallkonstellationen, in denen das Erlangen tatsächlicher (und „wirtschaftlich wertvoller“ o. ä.) Verfügungsgewalt diskutiert wird, zeichnen sich nämlich durchweg dadurch aus, dass der Betroffene jedenfalls formal kein Recht erlangt.304 Überhaupt nur deshalb scheint das Ausweichen auf die entsprechenden Grundsätze erforderlich. Das bedeutet (und das wird nur selten deutlich formuliert): Rechtlich wirksamer Erwerb reicht jedenfalls aus,305 es kommt dann nicht noch zusätzlich darauf an, dass der Erwerber 302  Vgl. dazu die Überlegungen bei Rhode, wistra 2012, 85 (87), der etwa auf ein zusätzliches, zivilprozessuales Vorgehen gegen den Dritten, z. B. nach dem AnfG, verweist. 303  Rönnau, Vermögensabschöpfung, 1. Auflage, Rn. 288, sofern in der Annahme nicht ihrerseits eine Straftat zu sehen sei. 304  Die zahlreichen BGH-Entscheidungen zu dem Thema drehen sich ganz überwiegend um Konstellationen des Betäubungsmittelhandels, in denen einem rechtlichen Erwerb regelmäßig jedenfalls § 134 BGB entgegensteht. Die Konstellation, die das BVerfG (Kammer) wiederholt beschäftigt hat, ist die eines GmbH-Geschäftsführers, der (nur) eine faktische Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftskonto hat. 305  So etwa SSW / Burghart, § 73 Rn. 24 f. (Eigentum genügt), 53 („sowohl zivilrechtliche als auch wirtschaftlich-faktische Betrachtung“); MR / Altenhain, § 73 Rn. 7

192 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

auch bei wirtschaftlicher Betrachtung Inhaber wird. Auch der BGH scheint das so zu sehen.306 Schließlich gehen die §§ 73 IV, 73e I 1 StGB a. F. (entsprechend nun: § 75 I 1 StGB) ersichtlich von Eigentum bzw. Rechtsinhaberschaft als Grundfall des „Erlangens“ aus. Die verbreitete Wendung „Erlangen ist ein tatsächlicher Vorgang“307 ist deshalb ungenau, richtiger wäre „für das Erlangen genügt ein tatsächlicher Vorgang“. Die These, wonach nicht „erlangt“, wer einen Vermögenswert lediglich formalrechtlich, aber nicht wirtschaftlich erwirbt, beruht also letztlich auf einem Missverständnis: Die wirtschaftliche Betrachtung ist nur erforderlich, um die Weite der Variante „Erlangen tatsächlicher Verfügungsgewalt“ (z. B. eines GmbHGeschäftsführers über das Gesellschaftsvermögen) einzuschränken; nicht zu begründen ist dagegen, auch den rechtlich wirksamen Erwerb durch eine solche Betrachtung einzuschränken. Damit erweist sich der insbesondere von Rönnau vorgetragene Einwand gegen die Erfassbarkeit von Verschiebungsfällen mit § 73 III StGB a. F. aufgrund des häufig anzunehmenden „Scheincharakters“ solcher Geschäfte als nicht durchgreifend: Der Dritte „erlangt“ (auch) in solchen Fällen den Gegenstand regelmäßig formalrechtlich wirksam und das reicht aus. b) Auswirkung von „für einen anderen gehandelt“ Allerdings könnte die Wendung, dass der Täter oder Teilnehmer „für einen anderen gehandelt“ haben muss, Einfluss auf die Erfassbarkeit von Fällen mittelbaren Erwerbs haben. aa) Zum bisherigen Meinungsstand Der BGH meint, unter „gehandelt“ könne auch ein Handeln „im Zusammenhang“ mit der Tat verstanden werden.308 Damit würde diese Wendung („Erlangen setzt nicht die rechtliche Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs voraus, so dass […] die faktische Verfügungsgewalt genügt.“), was den Umkehrschluss zulässt, dass „Erlangen“ bei rechtlich wirksamem Erwerb jedenfalls gegeben ist. So im Ergebnis auch SS / Eser, § 73 Rn. 11, der für das „Erlangen“ zwar grundsätzlich ein „wirtschaftliches“ Zugutekommen fordert, dies aber (nicht ganz schlüssig) bei einer erfolgreichen Übereignung „unzweifelhaft“ für gegeben hält. 306  BGH, NStZ 2004, 440 („Erlangt ist  – unabhängig von der Wirksamkeit des zu Grunde liegenden Grund- und Verfügungsgeschäfts  – schon dann ‚etwas‘, wenn […]“; „[…] hatte der Angekl., sofern er nicht überhaupt Eigentümer geworden ist, jedenfalls die tatsächliche Möglichkeit […]“); NJW 2011, 624 [625: „(tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht“]; Hervorhebungen jeweils durch den Verfasser. 307  Vgl. BGHSt 51, 65 (68); 53, 179 (180); BGH, NStZ 2004, 440; NStZ-RR 2015, 310 (311); Fischer, § 73 Rn. 13; NK / Saliger, § 73 Rn. 7.



D. Anwendung des § 73 III StGB a. F.193

eine Erfassung von nachträglichen Verschiebungen zulassen.309 In der Literatur trifft dieses Verständnis verbreitet auf Ablehnung: Mit „gehandelt“ könne nur die Tatbegehung gemeint sein.310 Tatsächlich scheint es nahe zu liegen, die Formulierung „hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt“ so zu verstehen wie „hat der Täter oder Teilnehmer die Tat für einen anderen begangen“. Rein vom Wortsinne her erscheint dieses Verständnis aber nicht zwingend. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Problem bietet von den Genannten nur Radtke:311 Dass mit dem „Handeln“ die „Tatbegehung“ gemeint sein müsse, ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift, nur in Bezug auf die rechtswidrige Tat könne es einen Täter oder Teilnehmer geben und nur in Bezug auf die Tat könne beurteilt werden, ob aus ihr etwas erlangt worden ist. Das führt in die richtige Richtung: Versteht man das „Handeln“ als solches (nur) „im Zusammenhang mit“ der Tat, dann schafft man mit dem „Zusammenhang“ ein neues, konkretisierungsbedürftiges Wertungsmerkmal. Wann liegt ein Handeln noch im ausreichenden „Zusammenhang“ mit der Tat? Die Antwort des BGH könnte nur lauten: Wenn noch ein „Bereicherungszusammenhang“ besteht. Dieses wertende Kriterium soll aber bereits das Merkmal „dadurch … erlangt“ ausfüllen. Es kommt damit unweigerlich (erneut) zu einer unzulässigen Verschleifung der beiden zentralen Tatbestandsmerkmale des § 73 III StGB a. F.: Wenn der Tatbeteiligte im „Zusammenhang“ mit der Tat „für einen anderen gehandelt“ hat, dann ist auch bereits klar, dass der Dritte „dadurch“ etwas erlangt hat. Die beiden Merkmale müssen nach dem Wortlaut des § 73 III StGB a. F. aber eindeutig kumulativ vorliegen, außerdem muss das „Erlangen“ auf dem „Handeln“ beruhen.312 Das funktioniert nur, wenn das „Handeln“ einen fixen Bezugspunkt bildet und das kann nach der inneren Systematik der Regelung dann tatsächlich nur die Tatbegehung sein. Die Auslegung des BGH, unter „gehandelt“ könne auch ein Handeln „im Zusammenhang“ mit der Tat verstanden werden, verlässt also (erneut) den möglichen Wortsinn des Gesetzes. 308  BGHSt

45, 235 (244). wurde von den frühen Vertretern einer erweiternden Auslegung des § 73 III StGB a. F. noch übersehen, diese konzentrierten sich ausschließlich auf die Auslegung des Merkmals „dadurch … erlangt“, s. C. I. 2., 3. 310  SSW / Burghart, § 73 Rn. 54; SS / Eser, § 73 Rn. 37a; Fischer, § 73 Rn. 38; Keusch, Verfall (2004), S. 114; Radtke, in: FS Schünemann (2014), 927 (938 f.); Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 106. 311  Radtke, in: FS Schünemann (2014), 927 (939). 312  Dazu grundlegend unter A. V. 2. a) bb) (2), vgl. auch Radtke, in: FS Schünemann (2014), S. 927 (938). 309  Das

194 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

bb) Auswirkung der gebotenen Gesetzeskorrektur Nun konnte allerdings bereits herausgearbeitet werden, dass die Wendung „für einen anderen gehandelt“ gesetzeskorrigierend und damit über den möglichen Wortsinn hinaus als bloße Klarstellung gelesen werden muss. Hat sich das Problem damit nicht erledigt? So einfach ist es nicht. Denn ganz „wegdenken“ kann und darf man sich die Wendung „für einen anderen gehandelt“ gerade nicht. Man darf sie nur noch, muss sie aber eben auch als Klarstellung verstehen. Dann ist aber zu berücksichtigen, dass sich das Versehen bei der Gesetzesabfassung nicht auf das Verständnis von „gehandelt“ bezog. Der gesetzgeberische Wille, Fälle nachträglicher Verschiebungen nicht zu regeln, mag also zwar im Merkmal „dadurch … erlangt“ alleine nicht eindeutig zum Ausdruck kommen. Der Gesetzgeber hat aber deutlich gemacht, dass sich jedes Erlangen als ein „Handeln für einen anderen“ darstellen muss. Eine besondere Drittrichtung des Handelns erfordert das zwar i. E. nicht. Da „Handeln“ aber systematisch nur die Tatbegehung meinen kann, muss nach dem Wortlaut des § 73 III StGB a. F. zumindest das Eintreten der Drittbegünstigung bereits bei Tatbegehung festgestanden haben. cc) Konsequenzen für die Auslegung von „dadurch … erlangt“ Auch auf dieser Grundlage könnte allerdings eine Verschiebungsfälle erfassende Auslegung von § 73 III StGB a. F. zumindest teilweise noch zu „retten“ sein. Möglicherweise lässt der Wortlaut zumindest die Erfassung von bereits bei Tatbegehung geplanten, aber erst später durchgeführten Verschiebungen zu.313 Das erscheint aber zweifelhaft: Selbst wenn sich hier noch sagen ließe, dass bereits bei Tatbegehung das Eintreten der Drittbegünstigung festgestanden hat, so hätte der Dritte dann weniger bereits „dadurch“ (also die Tatbegehung) „erlangt“, sondern eher erst durch die spätere Verschiebungshandlung. Jedenfalls dürfte der Entschluss zur Verschiebung typischerweise nachträglich gefasst werden und der praktische Nachweis, dass der Entschluss abweichend davon bereits bei Tatbegehung bestanden hat, so gut wie nicht zu führen sein. Auch vom Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen her wäre die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der 313  So SS / Eser, § 73 Rn. 37a; dagegen halten SSW / Burghart, § 73 Rn. 54 und Radtke, in: FS Schünemann (2014), 927 (939) die Wortlautgrenze bei jeder nachträglich erfolgenden Verschiebung für überschritten; keine klare Entscheidung bei den übrigen Vertretern der Ansicht, dass „gehandelt“ die Tatbegehung meinen müsse [Fischer, § 73 Rn. 38; Keusch, Verfall (2004), S. 114; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 106].



D. Anwendung des § 73 III StGB a. F.195

Entstehung des Verschiebungsentschlusses ersichtlich sinnlos. Eine derart differenzierende Auslegung wäre also zumindest im Ergebnis untauglich. Einer erweiternden Auslegung von „dadurch … erlangt“ zur Erfassung der Verschiebungsfälle steht also entgegen, dass das Merkmal „für einen anderen gehandelt“  – selbst in seinem mit Blick auf den gesetzgeberischen Formulierungsfehler bereits korrigierten Verständnis  – nach seinem objektiven Wortsinn die Erfassung dieser Fälle entweder ganz oder jedenfalls nahezu vollständig (und dann zu untauglichen Differenzierungen führend) ausschließt. 3. Entscheidung der Auslegungsfrage Damit kann auf die Entscheidung der eingangs aufgeworfenen Auslegungsfrage zurückgekommen werden. Ist das Merkmal „dadurch … erlangt“ in § 73 III StGB a. F. als „Unmittelbarkeits-“ oder als „Bereicherungszusammenhang“ zu verstehen? Die Antwort liegt nun eigentlich auf der Hand: Allein das Wort „dadurch“ mag zwar dehnbar sein  – vom möglichen Wortsinn kann es neben „Unmittelbarkeit“ potenziell auch vieles andere bedeuten. Aber die mit einer erweiternden Auslegung intendierte Erfassung von Verschiebungsfällen scheitert an den sonstigen Voraussetzungen des Tatbestands: Zwar steht nicht entgegen, dass der Dritte den verschobenen Gegenstand häufig nur formalrechtlich „erlangen“ wird. Aber das weiterhin zu beachtende Merkmal „für einen anderen gehandelt“ macht die (jedenfalls: vollständige bzw. sinnvolle) Erfassung dieser Fälle im Ergebnis unmöglich. Damit entfällt das Bedürfnis für eine erweiternde Auslegung von „dadurch … erlangt“. Auf eine nähere Auseinandersetzung mit der methodischen Frage, welches Gewicht dem Verständnis des Sonderausschusses bzw. seiner Mitglieder für die Gesetzesanwendung beizumessen ist, kommt es danach nicht mehr an. Zwar wäre theoretisch noch eine (weitere) umfassende Rechtsfortbildung zur Erfassung der Verschiebungsfälle denkbar. Eine solche müsste sich aber gegen den Willen des historischen Gesetzgebers wenden und zugleich die gesetzliche Systematik vollends sprengen. Dabei wäre auch zu bedenken, dass das Gesetz auch insofern (bislang) nicht auf die Ausweitung des Drittbegünstigtenverfalls auf mittelbaren Erwerb eingestellt war, als keinerlei Anhaltspunkte für die dabei anzulegenden Maßstäbe oder die Frage des Haftungsverhältnisses zum Verschiebenden ersichtlich waren. Eine Rechtsfortbildung, die „den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder  – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift aber unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch

196 2. Kap.: Das bislang geltende Recht der Abschöpfung von Taterträgen

legitimierten Gesetzgebers ein“;314 die derartige Schaffung eines neuen Eingriffstatbestandes würde zugleich den rechtsstaatlichen (Art. 20 III GG) Vorbehalt des Gesetzes verletzen.315 Es muss daher bei der Auslegung als „Unmittelbarkeitszusammenhang“ verbleiben, wonach „dadurch“ nur derjenige erlangt hat, in dessen Vermögen der Tatvorteil erstmalig aufgetreten ist. Dieses Verständnis entspricht der Entstehungsgeschichte und dem Willen des historischen Gesetzgebers, passt deshalb auch nahtlos in das (bisherige) Gesetz und hat zugleich den Vorteil großer Klarheit für sich. Die vollständige Nicht-Erfassung von Verschiebungsfällen ist im Ergebnis natürlich bedenklich. Die Beseitigung dieses unbefriedigenden Zustands überschreitet aber schlicht und ergreifend die Möglichkeiten der Rechtsanwendung, für Abhilfe kann wiederum einzig und allein der Gesetzgeber sorgen.316

III. Ergebnis Das bislang geltende Recht des Verfalls bei Drittbegünstigten hat sich insgesamt als dringend reformbedürftig erwiesen. Dem Fehler des historischen Gesetzgebers, die Wendung „für einen anderen gehandelt“ als eigenständiges Tatbestandsmerkmal zu normieren, konnte nur notdürftig mit einer Gesetzeskorrektur begegnet werden, die dieser Wendung entgegen des objektiven Wortsinnes des Gesetzes nur noch klarstellende Bedeutung zuweist. Die im Ergebnis zweifelhafte Beschränkung auf lediglich unmittelbaren Erwerb eines Drittbegünstigten hingegen hat sich als durch den Rechtsanwender nicht überwindbar herausgestellt. Unter dem Strich stellt sich die Auslegung des § 73 III StGB a. F. dennoch (bzw. zum Teil  gerade deswegen) als recht unkompliziert dar. Erforderlich ist lediglich, dass der Drittbegünstigte unmittelbar (d. h. ohne Zwischenerwerb eines Tatbeteiligten oder anderen) aus der bzw. für die Tat etwas erlangt hat. Auf ein irgendwie geartetes „Handeln für einen anderen“ kommt es nicht an und Fälle mittelbaren Erwerbs eines Drittbegünstigten sind insgesamt nicht erfasst.

314  BVerfGE

118, 212 (243); 128, 193 (210). bedürfen jedenfalls staatliche Grundrechtseingriffe stets einer (parlaments-)gesetzlichen Grundlage, s. nur BVerfGE 40, 237 (248 f.); 49, 89 (126 f.); 84, 212 (226); MD / Grzeszick, Art. 20 Rn. 92, 98; BK / Robbers, Art. 20 Rn. 2000 ff.; Sachs / Sachs, Art. 20 Rn. 113, 119 f. 316  Inwiefern er dies mit der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ getan hat, dazu 3.  Kap. B. III. 315  Danach



E. Zusammenfassung

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E. Zusammenfassung Die Geschichte des § 73 III StGB a. F. zeigt anschaulich, wie dysfunk­ tional die Setzung und Anwendung von Gesetzen ablaufen kann. Alles beginnt mit einem (Reform-)Gesetzgeber, der auf eine saubere Gesetzesformulierung keinen großen Wert legt („für einen anderen gehandelt“ als eigenständiges Tatbestandsmerkmal?) und es zugleich wohl eher aus Bequemlichkeit versäumt, die Implikationen eines grundlegend veränderten Verständnisses der zu regelnden Maßnahme zu durchdenken (Beschränkung auf unmittelbaren Erwerb?). Erste Literatur und Rechtsprechung analysieren die Entstehungsgeschichte nicht genau genug, übersehen daher ersteres und versuchen letzteres durch auslegungstechnische Kunstgriffe zu ändern. Die Verquickung dieser beiden Probleme durch die Rechtsanwender ist es, die den Drittbegünstigtenverfall zu einem der „umstrittensten und undurchsichtigsten Rechtsproblemen beim Verfall“317 gemacht hat. Zur Eskalation kommt es allerdings erst durch das Auftreten des BGH, dessen Leitentscheidung statt für Klarheit endgültig für Verwirrung sorgt. Offenbar fühlt sich das Gericht weniger zur bloßen Gesetzesanwendung und vielmehr dazu berufen, den im Ergebnis gewünschten Zustand herzustellen. Zwar besteht in gewissem Rahmen eine legitime Aufgabe der Rechtsprechung zur Rechtsfortbildung und hier mag grundsätzlich auch ein berechtigter Anlass dazu bestanden haben. Aber das Gericht bekennt sich zu diesem Vorgehen nicht offen, sondern versteckt sich durch eine Reihe von Argumentationskniffen unter dem Deckmantel scheinbar bloßen Gesetzesgehorsams. Produkt dieser Bemühungen ist eine letztlich kaum noch verständliche Fallgruppenbildung, die gegen grundsätzliche Kritik imprägniert zu sein scheint. Die dementsprechend irregeleitete, nachfolgende Literatur weiß sich folgerichtig ganz überwiegend nicht anders zu helfen, als sich zumindest grundsätzlich auf die vom BGH kreierten Fallgruppen einzulassen und allenfalls noch von ihnen ausgehend einzelne Aspekte kritisch zu diskutieren. Angesichts des beträchtlichen Aufwands, der erforderlich war, um das eingetretene Chaos wieder zu entwirren, ist das nur verständlich. Dem nach ordentlichen, methodischen Maßstäben ausgelegten und teilweise korrigierten § 73 III StGB a. F. verbleibt nach alledem nur ein eher bescheidener Anwendungsbereich. Der Gesetzgeber ist nun aber auch aktiv geworden, um diesem unbefriedigendem Zustand abzuhelfen. Inwiefern ihm dies gelungen ist, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

317  Rönnau,

Vermögensabschöpfung, Rn. 106.

3. Kapitel

Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten Am 1.  Juli 2017 ist die „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ in Kraft getreten, die zumindest teilweise eine Umsetzung der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie der Europäischen Union darstellt.1 Die Reform hat unter anderem § 73 III StGB a. F. durch eine deutlich umfangreichere Regelung der (nun so bezeichneten) „Einziehung von Taterträgen bei anderen“ (§ 73b StGB) ersetzt und weitere, in diesem Zusammenhang relevante Vorschriften verändert oder neu eingeführt. Diese Regelungen gilt es vorzustellen und vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus den beiden vorangegangenen Kapiteln kritisch zu bewerten. Die neue Regelung soll insbesondere (endlich) die Erfassung bestimmter Fälle des mittelbaren Erwerbs von Taterträgen durch Drittbegünstigte ermöglichen. Auf die Folgefragen zu Voraussetzungen und Grenzen dieser Ausweitung, die zum Teil  auch zum bislang geltenden Recht unter dem Begriff des „Bereicherungszusammenhangs“ bereits erörtert worden sind, ist im Rahmen dieser Arbeit noch nicht konkret eingegangen worden, weil sich diese Fragen bei § 73 III StGB a. F. richtigerweise nicht mehr stellten. Aus dem Blickwinkel des neuen Rechts wird die Behandlung dieser Fragen aber im Folgenden einen Schwerpunkt bilden. Für den Aufbau dieses Kapitels bedeutet das: Als weitere Vorarbeit sind zunächst die einschlägigen Maßgaben der Vermögensabschöpfungs-Richt­ linie in den Blick zu nehmen (dazu A.). Im Anschluss erfolgt die Darstellung und Bewertung der entsprechenden Neuregelungen der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ (dazu B.).

1  Gesetz vom 13.04.2017 (BGBl. I, S. 872); grundsätzlich dazu bereits unter Einleitung A. II.



A. Vorgaben der EU-Vermögensabschöpfungs-Richtlinie199

A. Vorgaben der EU-Vermögensabschöpfungs-Richtlinie I. Einschlägiger Inhalt Die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie (2014 / 42 / EU) vom 03.04.2014 bestimmt bezüglich der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten: Artikel 6  – Dritteinziehung (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Erträge oder andere Vermögensgegenstände eingezogen werden können, deren Wert den Erträgen entspricht, die von einer verdächtigten oder beschuldigten Person direkt oder indirekt an Dritte übertragen wurden oder die durch Dritte von einer verdächtigten oder beschuldigten Person erworben wurden, zumindest wenn diese Dritten aufgrund konkreter Tatsachen und Umstände  – unter anderem dass die Übertragung oder der Erwerb unentgeltlich oder deutlich unter dem Marktwert erfolgte – wussten oder hätten wissen müssen, dass mit der Übertragung oder dem Erwerb die Einziehung vermieden werden sollte. (2) Absatz 1 lässt die Rechte gutgläubiger Dritter unberührt.

Dazu heißt es in den Erwägungsgründen: „(24) Es ist eine übliche und zunehmend verbreitete Praxis, dass die verdächtigte oder beschuldigte Person Vermögensgegenstände einem eingeweihten Dritten überträgt, um zu vermeiden, dass diese Gegenstände eingezogen werden. Der derzeitige rechtliche Rahmen der Union enthält keine verbindlichen Vorschriften für die Einziehung von Vermögensgegenständen, die Dritten übertragen worden sind. Es besteht daher die wachsende Notwendigkeit, die Einziehung von Vermögensgegenständen zu gestatten, die Dritten übertragen oder von ihnen erworben worden sind. Der Erwerb durch Dritte betrifft Situationen, in denen beispielsweise Vermögensgegenstände direkt oder indirekt  – etwa über einen Mittelsmann  – durch einen Dritten von einer verdächtigten oder beschuldigten Person erworben wurden, einschließlich der Fälle, in denen die Straftat im Namen oder zugunsten dieses Dritten begangen wurde, und wenn die beschuldigte Person keine Vermögensgegenstände besitzt, die eingezogen werden können. Diese Einziehung sollte zumindest in den Fällen möglich sein, in denen dem Dritten aufgrund konkreter Tatsachen oder Umstände – darunter auch die unentgeltliche Übertragung oder die Übertragung für einen wesentlich unter dem Marktwert liegenden Geldbetrag  – bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass der Zweck der Übertragung oder des Erwerbs in der Vermeidung der Einziehung bestand. Die Vorschriften über die Dritteinziehung sollten für natürliche und juristische Personen gelten. Die Rechte gutgläubiger Dritter sollten keinesfalls beeinträchtigt werden. (25) Die Mitgliedstaaten können die Dritteinziehung gegebenenfalls nach Maßgabe des nationalen Rechts als eine Maßnahme definieren, die der direkten Einziehung untergeordnet ist oder eine Alternative dazu darstellt.“

200

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

II. Vergleich mit den bisherigen Grundsätzen des BGH Die Richtlinie enthält also insbesondere Vorgaben für den Fall mittelbaren Erwerbs des Drittbegünstigten und verpflichtet damit zu einer Regelung, die das deutsche Recht bislang (richtigerweise) nicht enthält. Die hierzu formulierten, konkreten Maßgaben gilt es mit denen der BGH-Rechtsprechung zu § 73 III StGB a. F. abzugleichen. So wird im Folgenden besser herausgearbeitet werden können, inwiefern sich die aktuelle „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ an diesen beiden Systemen orientiert. 1. Erfordernis einer Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht Auch für die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie werden die zu erfassenden Fälle mittelbaren Erwerbs des Drittbegünstigten durch eine besondere Absicht des Verschiebenden charakterisiert. Art. 6 I der Richtlinie stellt auf die Absicht ab, „dass mit der Übertragung oder dem Erwerb die Einziehung vermieden werden sollte.“2 Insofern besteht weitgehende Übereinstimmung mit den Grundsätzen des BGH zu § 73 III StGB a. F., der im Rahmen des „Bereicherungszusammenhangs“ für einen „Verschiebungsfall“ fordert, dass die Verschiebung erfolgt, „um [die Tatvorteile] dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, oder um die Tat zu verschleiern.“3 2. Maßgeblichkeit der Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten bezüglich der Absicht Als maßgebliches Eingrenzungskriterium stellt Art. 6 I der Richtlinie auf die Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten in Bezug auf die Absicht des Tatbeteiligten ab („aufgrund konkreter Tatsachen und Umstände […] wussten oder hätten wissen müssen, dass mit der Übertragung oder dem Erwerb die Einziehung vermieden werden sollte“, s. auch Absatz 2). Die Unentgeltlichkeit der Übertragung wird nur als Indiz für eine derartige Bösgläubigkeit aufgeführt. Das stimmt in wesentlichen Punkten mit den bisherigen Grundsätzen des BGH nicht überein. Danach ist zum einen die unentgeltliche Verschiebung als eigenständige Unterfallgruppe, unabhängig von einer Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten, erfasst. Zum anderen kommt es ansonsten auf die Bös2  Deutlicher noch Erwägungsgrund  24 („um zu vermeiden, dass diese Gegenstände eingezogen werden“; „dass der Zweck der Übertragung oder des Erwerbs in der Vermeidung der Einziehung bestand“). 3  BGHSt 45, 235 (246).



A. Vorgaben der EU-Vermögensabschöpfungs-Richtlinie201

gläubigkeit in Bezug auf die deliktische Herkunft des Gegenstandes, und zwar zum Zeitpunkt der Eingehung des Geschäfts an.4 Bösgläubigkeit bei Erfüllung eines danach „unbemakelten“ Geschäfts ist dagegen unerheblich.5 Im Gegensatz dazu scheint die Richtlinie auf den Zeitpunkt der „Übertragung“, also der Erfüllung des Geschäftes, abzustellen. Hier zeichnen sich unterschiedliche Konzeptionen ab. Darauf wird zurückzukommen sein, wenn erörtert wird, wie sich der (deutsche) Reformgesetzgeber zu diesen Fragen verhält.6 3. Haftungsverhältnis zwischen Tatbeteiligtem und Drittbegünstigtem Die Frage, ob die Abschöpfung beim Drittbegünstigten gegenüber der beim Tatbeteiligten subsidiär sein soll, lässt die Richtlinie ausdrücklich offen. Erwägungsgrund  24 deutet zwar eine subsidiäre Haftung an („und wenn die beschuldigte Person keine Vermögensgegenstände besitzt, die eingezogen werden können“).7 Jedenfalls stellt Erwägungsgrund  25 klar, dass die Mitgliedsstaaten frei darin sein sollen, ob sie die Abschöpfung als unter- oder gleichgeordnet zur Abschöpfung beim Tatbeteiligten ausgestalten. Der bisherige Meinungsstand zu dieser Frage im deutschen Recht wird also durch die Richtlinie nicht beeinflusst.8 4. Erfassung der „Verschiebung“ von Wertersatz und vermischtem Vermögen Art. 6 I der Richtlinie sieht auch die Einziehung von Vermögensgegenständen vor, „deren Wert den Erträgen entspricht“ und die an Dritte übertragen worden sind. Mit dieser etwas unscheinbaren Ergänzung wirft sie eine schwierige Frage auf, die aus der grundsätzlichen Entscheidung zur Erfassung mittelbaren Dritterwerbs folgt: Was gilt, wenn gegen den Tatbeteiligten (nur) die Einziehung des Wertersatzes begründet ist  – sei es von 4  s.

dazu 2.  Kap. C. III. 3. b). noch einmal BGH wistra 2014, 219 (223: „Damit läge ein Erfüllungsfall grundsätzlich selbst dann vor, wenn die Erfüllung einer nicht bemakelten Forderung mit Mitteln aus einer Straftat bewirkt würde und der Empfänger damit wenigstens rechnete.“). 6  s. dazu B. III. 4. c). 7  Es ist aber grammatikalisch unklar, ob dieser Halbsatz nur an den unmittelbar vorangegangenen Halbsatz anknüpft („einschließlich der Fälle, in denen die Straftat im Namen oder zugunsten dieses Dritten begangen wurde“) oder ob er den ganzen Satz betrifft („Der Erwerb durch Dritte betrifft Situationen, in denen […]“). 8  Dazu bereits grundsätzlich 1.  Kap. C. III. 3. b) bb) (2), zum neuen Recht noch B. III. 5. 5  Dazu

202

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

vornherein, weil der Tatertrag gar nicht erst gegenständlich individualisiert werden kann (z. B. ersparte Aufwendungen) oder im Nachhinein, z. B. weil sich der deliktisch erlangte Vermögensgegenstand zur Unkenntlichkeit mit legalen Vermögensbestandteilen vermischt hat  –, ist hier (noch) eine Verschiebung des Tatertrages möglich? Diese Frage ist auch in der deutschen Rechtsprechung auf Grundlage der Annahme, dass bereits § 73 III StGB a. F. die Erfassung von Fällen mittelbaren Dritterwerbs grundsätzlich ermögliche, aufgetaucht und wird im Ergebnis ähnlich lapidar wie durch die Richtlinie bejaht. Darauf wird zurückzukommen sein, wenn die entsprechende Regelung der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ erörtert wird.9

III. Ergebnis Den deutschen Gesetzgeber trifft also die Verpflichtung, eine Regelung der Verschiebungskonstellationen zu treffen. Die dafür seitens der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie formulierten Maßgaben zeigen einige der Folgefragen zur Reichweite einer solchen Regelung auf. Es wird interessant zu sehen sein, inwiefern der (deutsche) Reformgesetzgeber sich an den (teilweise voneinander abweichenden) Maßgaben des BGH und der Richtlinie orientiert.

B. Regelungen der aktuellen „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ Die aktuelle „Reform strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ fasst die Regelungen der bisherigen §§ 73–73e StGB a. F. grundlegend neu. Für diese Untersuchung sind die neu gestaltete und erweiterte Regelung der Abschöpfung der Taterträge bei Drittbegünstigten (§ 73b StGB) sowie einige weitere Neuregelungen relevant. Die einschlägigen Regelungen sollen hier zunächst im Überblick vorgestellt (dazu I.) und anschließend der Reihe nach einer Analyse und Bewertung unterzogen werden (dazu II.-IX.). Die Einzelergebnisse werden schließlich noch einmal in einer Gesamtbewertung und Übersicht der noch für nötig gehaltenen Änderungen und Ergänzungen zusammengezogen (dazu X.).

9  s.

dazu B. VI.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“203

I. Die einschlägigen Neuregelungen im Überblick Die Reform sieht zunächst die Abschaffung der begrifflichen Unterscheidung von „Verfall“ und „Einziehung“ vor, der „Verfall“ wird nun als „Einziehung von Taterträgen“ bezeichnet. Diese rein sprachliche Änderung soll nach der Begründung der Bundesregierung den Sprachgebrauch an denjenigen der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie anpassen, in der einheitlich von „confiscation“ (englische Fassung) bzw. „Einziehung“ (deutsche Fassung) die Rede ist.10 1. Die Einziehung von Taterträgen bei Drittbegünstigten (§ 73b StGB) Der bisherige § 73 III StGB a. F. wird durch einen eigenständigen Paragraphen ersetzt, der wie folgt lautet: § 73b  – Einziehung von Taterträgen bei anderen (1) 1Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn 1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat, 2. ihm das Erlangte a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, oder 3. das Erlangte auf ihn a) als Erbe übergegangen ist oder b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist. 2

Satz  1 Nummer 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde. (2) Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz  1 Nummer  2 oder Nummer 3 einen Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht, oder gezogene Nutzungen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an. (3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz  1 Nummer 2 oder Nummer 3 kann das Gericht auch die Einziehung dessen anordnen, was erworben wurde 1. durch Veräußerung des erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder 2. aufgrund eines erlangten Rechts. 10  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 2, 48.

204

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Im Grundtatbestand unterscheidet § 73b I 1 StGB also drei Fallgruppen: § 73b I 1 Nr. 1 StGB erinnert stark an den bisherigen § 73 III StGB a. F. Die Regelung soll den „Vertretungsfällen“ nach der Rechtsprechung des BGH entsprechen.11 Erforderlich ist ein Erlangen „durch“ die Tat und ein Handeln des Tatbeteiligten „für“ den anderen (dazu II.). § 73b I 1 Nr. 2 StGB stellt nach der Begründung eine Umsetzung der Rechtsprechung des BGH zu den „Verschiebungsfällen“ dar.12 Erfasst wird nach lit. a) eine unentgeltliche oder ohne rechtlichen Grund erfolgende Übertragung des Erlangten und nach lit. b) eine (im Umkehrschluss offenbar: entgeltlich und mit rechtlichem Grund erfolgende) Übertragung, bei der der Empfänger erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt (dazu III.). Gegenüber der Rechtsprechung des BGH neu ist die Variante des § 73b I 1 Nr. 3 StGB. Danach soll auch der Erwerb des Erlangten als Erbe [lit. a)] bzw. als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer [lit. b)] zur Abschöpfung führen (dazu IV.). § 73b I 2 StGB enthält einen Ausschlussgrund. Danach ist die Anwendung von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB ausgeschlossen, sobald das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen worden war (dazu V.). Mit § 73b II, III StGB werden insbesondere die bisherige Rechtsprechung und die Forderung der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie zur Verschiebung im Zusammenhang mit einer Wertersatzhaftung des Verschiebenden aufgegriffen (dazu VI.).13 Nach § 73b II StGB führt auch der Erwerb nach § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB eines Gegenstands „der dem Wert des Erlangten entspricht“, oder von „gezogenen Nutzungen“ zur Einziehung. § 73b III StGB ergänzt dies um den Erwerb bestimmter Surrogate, wobei es sich  – wie auch beim Grundtatbestand (§ 73 III StGB) und insoweit auch bereits nach bisherigem Recht (§ 73 II 2 StGB a. F.)  – um eine KannVorschrift handelt. 2. Weitere, einschlägige Regelungen Eine Reihe weiterer Vorschriften des reformierten Gesetzes ist für die Einziehung von Taterträgen bei Drittbegünstigten relevant. 11  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 66. 18 / 9525, S. 56, 66. 13  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56, 67. 12  BT-Drucks.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“205

§ 73c StGB regelt die Einziehung des Wertersatzes entsprechend dem bisherigen § 73a StGB a. F. Die Härtefallvorschrift des bisherigen § 73c StGB a. F. ist gestrichen worden. Allerdings ist in § 73e II StGB ein Ausschlussgrund speziell für Fälle des § 73b StGB normiert, der auf dem bisherigen § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.14 aufbaut (dazu VII.): § 73e  – Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes […] (2) In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.

§ 73d I StGB enthält eine Regelung, die das Bruttoprinzip neu konkretisiert (dazu VIII.): § 73d  – Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung (1) 1Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. 2Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt. […]

Schließlich ist zu bemerken, dass § 73b I StGB auch auf § 73a StGB verweist. Dabei handelt es sich um die neue Regelung des erweiterten Verfalls (nun erweiterte Einziehung), für die nunmehr jede rechtswidrige Anknüpfungstat ausreicht: § 73a  – Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. […]

Die bisherige Regelung (§ 73d StGB a. F.) war dagegen nicht in Verbindung mit § 73 III StGB a. F. anwendbar. Ergänzt wird § 73a StGB durch die völlig neue Regelung des § 76a IV StGB. Dabei handelt es sich um ein selbständiges Verfahren, wodurch ganz ohne Anlassverurteilung Gegenstän14  Diese Regelung lautete: „Die Anordnung kann unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist […]“.

206

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

de eingezogen werden können, von denen das Gericht überzeugt ist, dass sie aus rechtswidrigen Taten herrühren: § 76a  – Selbständige Einziehung […] (4) 1Ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellt worden ist, soll auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. […]

Während die erweiterte Einziehung von dem Erfordernis einer bestimmten Anlasstat befreit wurde, gilt für dieses Institut jedoch ein Straftatkatalog, der den Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus abdecken soll (§ 76a IV 3 Nr. 1–8 StGB).15 Diese beiden Regelungen könnten zu einer signifikanten Ausweitung der Abschöpfungsmöglichkeiten (auch) gegenüber Dritten führen (dazu IX.).

II. Der „Vertretungsfall“ (§ 73b I 1 Nr. 1 StGB) Der neue „Vertretungsfall“ des § 73b I 1 Nr. 1 StGB erfordert also, dass der Dritte „durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat“. Damit ist vom Wortlaut her gegenüber dem bisherigen § 73 III StGB a. F. nur die Reihenfolge der Begrifflichkeiten vertauscht worden. Erforderlich ist nach wie vor das „Erlangen“ einen Gegenstands „durch“ eine rechtswidrige Tat und zusätzlich ein „Handeln für den anderen“ seitens des Tatbeteiligten. Dass es sich bei letzterem Erfordernis um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal handelt, macht die reformierte Fassung sogar noch etwas deutlicher als § 73 III StGB a. F. 1. Merkmal „für ihn gehandelt hat“ a) Verhältnis zu den Grundsätzen des BGH Der Regierungsbegründung zufolge, wonach mit § 73b I 1 Nr. 1 StGB die Rechtsprechung des BGH zu den „Vertretungsfällen“ umgesetzt werde,16 soll sich bei der Auslegung der Voraussetzung „für ihn gehandelt hat“ wohl an der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu § 73 III StGB a. F. zu orientieren sein. Allerdings erfasst die Begründung diese Grundsätze nicht richtig. So heißt es zum bisherigen § 73 III StGB a. F.:17 15  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 58, 73. 18 / 9525, S. 66. 17  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56. 16  BT-Drucks.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

207

„Unstrittig ist, dass die Vorschrift die Fälle erfasst, in denen der Täter oder Teilnehmer zumindest faktisch für den bereicherten Dritten und in dessen Interesse handelt (‚Vertretungsfälle‘). Bis heute nicht verstummt ist hingegen die Kritik, dass der Bundesgerichtshof daneben die Fallgruppe der ‚Verschiebungsfälle‘ unter den Wortlaut des § 73 Absatz 3 StGB subsumiert […].“

Für die Regierungsbegründung liegt also dann, wenn der Tatbeteiligte „zumindest faktisch für den bereicherten Dritten und in dessen Interesse handelt“, ein „Vertretungsfall“ im Sinne des BGH vor. Für den BGH handelt der Tatbeteiligte aber auch in den „Verschiebungsfällen“ und sogar regelmäßig auch in den „Erfüllungsfällen“ in diesem Sinne „für einen anderen“.18 Das Merkmal „Handeln für einen anderen“ ist also beim BGH nicht dazu geeignet oder bestimmt, gerade die „Vertretungsfälle“ zu umschreiben. Die „Vertretungsfälle“ sind beim BGH vielmehr als eine konkretisierende Fallgruppe des wertenden Kriteriums „Bereicherungszusammenhang“ zu verstehen, der das Merkmal „dadurch … erlangt“ ausfüllen soll.19 Letztlich konzediert die Begründung hier, dass eigentlich nur in den „Vertretungsfällen“ tatsächlich „für einen anderen“ gehandelt wird und damit „Verschiebungsfälle“ nicht unter das (bisherige) Gesetz passen – auch wenn er selbst die Regelung freilich nur für klarstellend hält.20 b) Fortsetzung des Fehlers des historischen Gesetzgebers In der Sache ist entscheidend, dass (wieder) ausdrücklich ein eigenständiges Erfordernis des „Handelns für einen anderen“ aufgestellt wird. Die von der Regierungsbegründung in Bezug genommene Auslegung des Merkmals „für einen anderen gehandelt“ beim BGH hatte die Bedeutung dieses Merkmals gegenüber dem Merkmal „dadurch … erlangt“ aber auf Null reduziert, indem das Handeln „im (faktischen) Interesse“ des anderen bereits daraus gefolgert werden konnte, dass dieser etwas „erlangt“ hat.21 Legt man das Merkmal „für ihn gehandelt hat“ in § 73b I 1 Nr. 1 StGB nun dementsprechend aus, dann gilt auch im Ergebnis Entsprechendes: Wenn 18  BGHSt

45, 235 (246 f.). dieser Lesart der BGH-Entscheidung grundsätzlich 2.  Kap. C. III. 2. 20  s. BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56, 66. Die Formulierung der Begründung erinnert an das Zitat des OLG Schleswig-Holstein, 1 Ws 287 / 06, Rn. 5 (juris): „[Nach § 73 III StGB a. F.] richtet sich die Anordnung des Verfalls auch gegen einen Dritten, für den der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat und der dadurch etwas erlangt hat. In erster Linie betrifft dies Fälle, in denen der Tatbeteiligte für einen anderen gehandelt hat. Die Bestimmung gilt indes auch für Fälle, in denen der Täter den zunächst selbst erlangten Gegenstand oder den entsprechenden Wertersatz an einen anderen (Bös- oder Gutgläubigen) weiter gibt […].“ Hervorhebungen durch den Verfasser, s. bereits unter 2.  Kap. D. I. 1. c) aa). 21  Dazu 2.  Kap. D. I. 1. c) bb). 19  Zu

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

immer jemand anderes etwas durch die Tat erlangt hat, kann davon ausgegangen werden, dass der Tatbeteiligte auch „für ihn gehandelt“ hat. Damit greift aber hier genauso der Einwand einer methodisch unzulässigen, verschleifenden Auslegung.22 Denn bei der Wendung „und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat“ handelt es sich dem Wortlaut nach ganz offensichtlich um ein zusätzliches, eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Richtigerweise kann es auf ein eigenständiges Kriterium des „Handelns für einen anderen“ überhaupt nicht ankommen:23 Bereits die Regelung des § 73 III StGB a. F. war insofern nicht durchdacht und die Rechtsprechung hatte das Merkmal in dieser Hinsicht zumindest in der Sache konsequent (wenn auch auf methodisch unzulässigem Wege) zurückgedrängt. Die Reform perpetuiert nun diesen Gesetzgebungsfehler. Methodisch würde dies erneut eine entsprechende Gesetzeskorrektur durch den Rechtsanwender erforderlich machen.24 Unausgesprochener Hintergrund des Festhaltens an diesem Kriterium könnte die Befürchtung sein, dass ein völliger Verzicht auf ein „Handeln für einen anderen“ den Tatbestand grenzenlos werden lassen könnte: Müsste dann nicht bei jeder Person jeder Vermögensvorteil, der irgendwie in Folge einer Straftat aufgetreten ist, abgeschöpft werden? Darauf ist dreierlei zu entgegnen: Erstens stellt sich die hier denkbare Problematik der Erfassung unüberschaubarer und nicht mehr typischerweise mit der Tat verbundener Vorteilseintritte beim Tatbeteiligten selbst nicht anders dar; es geht also um die allgemeine Frage, was überhaupt „Tatertrag“ ist und das ist durch die Auslegung des im Erfordernis „durch die Tat“ in §§ 73 I, 73b I 1 Nr. 1 StGB jeweils enthaltenen Unmittelbarkeitszusammenhangs zu beantworten. Zweitens sind die Grenzen des Zugriffs auf Drittbegünstigte ansonsten schlicht woanders zu suchen.25 Und drittens sind der historische Gesetzgeber und der BGH bislang in der Sache auch schon so vorgegangen. Dies gilt es nun endlich auch im Gesetz abzubilden. Die Voraussetzung „und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat“ müsste also schlicht gestrichen werden. Der Tatbestand des § 73b I 1 Nr. 1 StGB würde dann nur verlangen, dass ein anderer „durch die Tat etwas erlangt hat“, und wäre damit ein simples Pendant zum Grundtatbestand des § 73 I StGB. 22  s.

wiederum 2.  Kap. D. I. 1. c) bb) und grundlegend 2.  Kap. B. I. wiederum 2. Kap. D. I. 1. c) bb), sowie 2. Kap. A. V. 2. a) bb), grundlegend 1.  Kap. C. III. 1. b) bb), 3. b). 24  s. zum bislang geltenden Recht bereits 2.  Kap. D. I. 2. 25  Namentlich in der Berücksichtigung gutgläubiger Entreicherung [grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) aa)] und in der Subsidiarität der Haftung gegenüber dem Tatbeteiligten [grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) bb)]. 23  s.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“209

c) Ergebnis Die Problematik des Merkmals „für einen anderen gehandelt“ bei § 73 III StGB a. F. wird vom Gesetzgeber also verkannt, folglich setzt sie sich bei § 73b I 1 Nr. 1 StGB nahtlos fort. Wenn diese Wendung nicht ersatzlos gestrichen wird, wird sie weiterhin (methodisch unzulässig) uneigenständig ausgelegt werden bzw. (methodengerecht) eine Korrektur erfordern. 2. Merkmal „durch die Tat … erlangt“ a) „Rückkehr“ zum Unmittelbarkeitszusammenhang Der Regierungsbegründung zufolge muss der Tatertrag bei § 73b I 1 Nr. 1 StGB ohne Durchgangserwerb beim Tatbeteiligten erlangt worden sein.26 Dem Wortlaut des Gesetzes („durch die Tat … erlangt“), der dem des § 73 III StGB a. F. („dadurch … erlangt“) weitgehend entspricht, ist das zwar nicht eindeutig zu entnehmen. Der bloße Wortsinn von „durch“ ließe genauso wie der des bisherigen „dadurch“ potenziell vielfältige Deutungen zu. Aber nur bei diesem Verständnis von „durch“ wird die neue Systematik verständlich: Das Kriterium des Durchgangserwerbs grenzt § 73b I 1 Nr. 1 StGB sauber von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB ab. Soweit zur vollständigen Verwirklichung der Zwecke der Abschöpfung bislang zumindest ein Bedürfnis bestand, „dadurch … erlangt“ in § 73 III StGB a. F. erweiternd im Sinne eines „Bereicherungszusammenhangs“ auszulegen, soll diese Aufgabe nun § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB zufallen. Damit erhält die Voraussetzung „durch die Tat“ (wieder) den Inhalt eines Unmittelbarkeitszusammenhanges im engeren Sinne, wie ihn auch die entsprechende Voraussetzung bei § 73 III StGB a. F. jedenfalls nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers bereits hatte.27 Nach der ratio des Unmittelbarkeitszusammenhanges muss dem Durchgangserwerb beim Tatbeteiligten aber auch hier ein solcher bei einem anderen Dritten gleichgestellt werden.28 26  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 66. Dies entspricht der Abgrenzung, wie sie in der Literatur bereits zu den Fallgruppen des BGH vorgeschlagen worden ist, s. Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 111 ff.; zust. MR / Altenhain, § 73 Rn. 18; Rhode, wistra 2012, 85 (85 f.). Dazu bereits unter 2.  Kap. C. III. 3. c) bb). 27  Grundlegend dazu 2.  Kap. A. V. 2. b). 28  s. dazu bereits unter 2.  Kap. D. II. 1. Bei der Umschreibung der „Verschiebungsfälle“ deutet die Begründung auch an, dass solche Fälle mit mehreren, nacheinander geschalteten Dritterwerbern unter § 73b I 1 Nr. 2 StGB fallen sollen, BTDrucks. 18 / 9525, S. 56: „Die ‚Verschiebung‘ muss nicht unmittelbar zwischen Täter und bereicherten Drittbegünstigten erfolgen. […] Dabei ist es […] unerheblich, ob der Täter andere Personen in die Zuwendungskette einbezieht.“; s. auch S. 66.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

b) Abkehr von den Grundsätzen des BGH Es ist zu begrüßen, dass sich damit das Kriterium des „Bereicherungszusammenhangs“ zur Auslegung dieses Merkmals endgültig erledigt hat. Die Regierungsbegründung erkennt allerdings nicht, dass sie insoweit von den bisherigen Grundsätzen des BGH abweicht. Denn der BGH hat das Kriterium des Durchgangserwerbs  – im Gegensatz zur überwiegenden Literaturauffassung – gerade nicht zur Abgrenzung seiner Fallgruppen herangezogen und folglich auch bei einem Durchgangserwerb noch einen „Vertretungsfall“ für möglich gehalten.29 Die Leitentscheidung deutet die Problematik nur an, wenn im Rahmen der Vertretungsfälle darauf hingewiesen wird, dass „nicht selten ein komplexer Geldkreislauf in Gang gesetzt“ werde und in der Regel „mehrere Geschäfte dazwischengeschaltet“ seien.30 Dass in einem solchen Fall auch ein Durchgangserwerb bei einem Tatbeteiligten, jedenfalls aber bei einem anderen Dritten, nichts daran ändern soll, dass der Fall nach den Grundsätzen der Vertretungsfälle behandelt werden kann, hat der BGH in einer späteren Entscheidung bestätigt. In dem Fall ging es um ein komplexes Firmengeflecht:31 Durch strafbare Werbung erzielten zunächst unmittelbar diverse im Ausland angesiedelte Untergesellschaften Erträge, diese wurden dann weitgehend an eine zentral als „Logistikdienstleister“ fungierende Gesellschaft und schließlich teilweise an eine Holdinggesellschaft weitergeleitet. Dazu der BGH:32 „Dass die Vermögensmehrung bei der [Logistikgesellschaft] und der [Holdinggesellschaft] nicht unmittelbar durch die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten erfolgte, sondern erst aufgrund weiterer dazwischen geschalteter Rechtsgeschäfte, hindert die Anwendung des § 73 Abs. 3 StGB nicht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist insoweit ein zwischen den Taten und dem Zufluss beim Drittbegünstigten bestehender Bereicherungszusammenhang […]. Dieser ist durch das Zurechnungsverhältnis der Angeklagten zur [Logistikgesellschaft] und zur [Holdinggesellschaft] gegeben; gerade für Straftaten im Interesse von Unternehmen ist es nicht untypisch, dass dadurch erst komplexe Geldkreisläufe in Gang gesetzt werden […] Nach alledem kommt es auch nicht darauf an, ob hinsichtlich der [Logistikgesellschaft] und der [Holdinggesellschaft] nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien – wie das Landgericht angenommen hat – jeweils auch ein sog. Verschiebungsfall […] gegeben ist.“

Trotz der Verschiebung über mehrere Stationen sollten also die Grundsätze zu den Verschiebungsfällen nicht anwendbar sein. Stattdessen wurde das 29  s.

dazu bereits 2.  Kap. C. III. 3. c) bb). 45, 235 (246). 31  s. BGHSt 52, 227 (228 ff.). 32  BGHSt 52, 227 (242). 30  BGHSt



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“211

Vorliegen eines (betrieblichen) Zurechnungsverhältnisses (i. S. d. Vertretungsfälle) für vorrangig und ausreichend gehalten. Das stellt sich im Ergebnis als zweifelhafte Vereinfachung dar. Konsequenter wäre es gewesen, im Sinne der überwiegenden Literaturauffassung bei jedem dem ursprünglichen nachgelagerten Erwerb die Grundsätze der Verschiebungsfälle anzuwenden. Genau in diesem Sinne regelt es nun jedenfalls das Reformgesetz. c) Ergebnis Das Merkmal „durch die Tat“ bei § 73b I 1 Nr. 1 StGB ist also so zu verstehen, dass der Tatertrag nicht zuvor durch das Vermögen eines anderen – sei es eines Tatbeteiligten oder eines anderen Dritten – gegangen sein darf. Gewissermaßen nebenbei wird damit eine zweifelhafte Einschränkung der Anwendbarkeit der (engeren) Grundsätze der Verschiebungs- durch die Vertretungsfälle beseitigt, die das Kriterium des „Bereicherungszusammenhangs“ im Verständnis des BGH gebracht hatte. Die Konstellationen, die der BGH mit dem Stichwort „Geldkreislauf“ in einem Verbund von (juristischen bzw. natürlichen) Personen umschrieben und mitunter vereinfachend als „Vertretungsfall“ gelöst hat, sind nun ausschließlich nach § 73b I 1 Nr. 2 StGB zu behandeln. 3. Ergebnis Der Tatbestand des § 73b I 1 Nr. 1 StGB beseitigt also überzeugend das Kriterium des „Bereicherungszusammenhangs“ (auch) beim „Vertretungsfall“ rückstandslos und bestätigt stattdessen das  – richtigerweise bereits im bislang geltenden Gesetz enthaltene – Unmittelbarkeitsprinzip. Ein schweres Versäumnis liegt allerdings in der (erneuten) Forderung eines eigenständigen „Handelns für einen anderen“, wodurch der Formulierungsfehler des historischen Gesetzgebers und die sich daraus bereits für die Anwendung von § 73 III StGB a. F. ergebenden methodischen Probleme perpetuiert werden. Wenn dem nicht abgeholfen wird, wird die Anwendung dieser Bestimmung also weiterhin für Verwirrung sorgen.

III. Der „Verschiebungsfall“ (§ 73b I 1 Nr. 2 StGB) Mit § 73b I 1 Nr. 2 StGB wird eine Regelung der „Verschiebungsfälle“ geliefert, die das bislang geltende Recht richtigerweise nicht enthielt, und damit zugleich einer Forderung der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie entsprochen. Als Unterfallgruppen wird zwischen unentgeltlichem bzw. ohne

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

rechtlichen Grund erfolgendem Erwerb [lit. a)] und dem Erwerb trotz Kenntnis oder Erkennenmüssens der rechtswidrigen Herkunft [lit. b)] unterschieden. Die Regelung wirft eine ganze Fülle von Fragen auf, die sich wie folgt unterscheiden lassen: Wie begründen sich die beiden alternativen Unterfallgruppen des (insbesondere) unentgeltlichen und des bösgläubigen Erwerbs (dazu 1.)? Wie erklärt sich der (offenbare) Verzicht auf das Erfordernis einer Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht des Verschiebenden (dazu 2.)? Was hat es zu bedeuten, wenn in lit. a) der Erwerb „ohne rechtlichen Grund“ dem unentgeltlichen Erwerb gleichgestellt wird (dazu 3.)? Was genau sind Grad und Zeitpunkt der in lit. b) vorausgesetzten Bösgläubigkeit (dazu 4.)? Wie soll sich die Haftung des mittelbaren Empfängers zu derjenigen des Verschiebenden auf Wertersatz verhalten (dazu 5.)? Wie stellt sich aufgrund der Neufassung die Behandlung von „Scheinverschiebungen“ dar (dazu 6.)? Wieso ist die Regelung nicht auf Übertragungen „des Tatbeteiligten“ beschränkt (dazu 7.)? 1. Begründung der beiden Unterfallgruppen In ihrer Unterscheidung zwischen den beiden Unterfallgruppen (insbesondere) unentgeltlichen und bösgläubigen Erwerbs knüpft die Regelung an die entsprechenden Maßgaben des BGH an. Sie ist damit strenger als die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie, die nur auf Bösgläubigkeit des Erwerbers abstellt.33 Allerdings findet sich weder beim BGH, noch in der Begründung der Reform, eine klare Erklärung dafür, warum die Abschöpfung ausgerechnet in diesen beiden Unterfallgruppen gerechtfertigt sein soll. a) Vergleich mit § 822 BGB In der Regierungsbegründung heißt es: „Der Entwurf normiert […] die Parallele des ‚Verschiebungsfalls‘ zur Vorschrift des § 822 BGB […].“34 Dazu wird auf den BGH verwiesen, der ebenfalls mehrfach auf § 822 BGB Bezug genommen hatte.35 Der Vergleich mit dieser Regelung scheint allerdings nur § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB und gerade nicht die Unterfallgruppe des bösgläubigen Erwerbs [§ 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB] erklären zu können.

33  Dazu

A. II. 2. 18 / 9525, S. 56. 35  BGHSt 45, 235 (246, 247 f.). 34  BT-Drucks.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“213

Bereits Güntert – als einer der ersten Vertreter einer Auslegung des § 73 III StGB a. F., die auch mittelbaren Dritterwerb erfassen sollte  – hatte mit Blick auf das (angebliche) Vorbild des § 822 BGB (in sich konsequent) nur die unentgeltliche Weitergabe von Taterträgen für ausreichend gehalten.36 Dementsprechend wurde dann auch dem BGH der Vorwurf gemacht, die Unterfallgruppe des (entgeltlichen) bösgläubigen Empfangs sei vom herangezogenen Vorbild des § 822 BGB nicht mehr gedeckt.37 Dieser Kritik setzt sich die Reformbegründung nun ebenfalls aus. Zutreffend ist jedenfalls, dass hier eine Lücke in der Argumentation besteht. Der BGH behauptet im Verhältnis zu § 822 BGB einfach, dass „[ä]hnliche Überlegungen […] für den Verfall [gelten]“38 und „namentlich […] unentgeltliche […] Verfügungen“39 erfasst sein müssten, die Anpassung erfolgt dann ohne weitere Begründung.40 Gleiches gilt im Ergebnis auch für die Begründung der Gesetzesreform. Lieckfeldt hat den Versuch unternommen, diese argumentative Lücke zu schließen und die Grundsätze des BGH zu den Verschiebungsfällen im Ergebnis vollumfänglich mit der Parallele zu § 822 BGB zu erklären. Im Ansatz erkennt allerdings auch er in aller Deutlichkeit, dass § 73 III StGB a. F. und § 822 BGB eigentlich „in keinem maßgeblichen Punkt identisch sind“.41 Der Ausgleich finde schon nicht mit dem Entreicherten statt, außerdem habe der Gesetzgeber nur den unmittelbaren Erwerb durch einen Dritten regeln wollen und schließlich hafteten Dritter und Tatbeteiligter entgegen § 822 BGB nebeneinander.42 Es sei deshalb widersprüchlich, dass der Sonderausschuss § 73 III StGB a. F. als strafrechtliche Parallele zu § 822 36  Güntert,

Gewinnabschöpfung (1983), S. 61. Verfallsvorschriften (2002), S. 105 f.; dem folgend BeckOK / Heuchemer, § 73 Rn. 28.1; MK / Joecks, § 73 Rn. 86; AK / Rübenstahl, § 73 Rn.  42 f.; ähnlich Schröder, GewArch 2009 / 10, 396 (399). 38  BGHSt 45, 235 (248), Hervorhebung durch den Verfasser. 39  BGHSt 45, 235 (246), Hervorhebung durch den Verfasser. 40  Ähnliches gilt für die Voraussetzung des § 822 BGB, dass „infolgedessen die Verpflichtung des [scil.: ursprünglichen] Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist“. Dies ist hier aufgrund der Haftung des Verschiebenden auf Wertersatz (§ 73c StGB bzw. § 73a StGB a. F.) grundsätzlich nicht der Fall [zutreffend Gehrmann, PStR 2010, 233 (234)], stattdessen kommt es zum Problem des Verhältnisses der beiden Haftungen. Auch dies wischt der BGH einfach hinweg, BGH wistra 2014, 219 (222): „Allerdings sind die Verfallsvorschriften lediglich an die Wertungen des Bereicherungsrechts angelehnt. Anders als bei § 822 BGB […] ist es deshalb für die Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 3 StGB unbeachtlich, ob der Primäranspruch gegen den zunächst Bereicherten durch die Zuwendung weggefallen ist oder nicht […]“); Hervorhebung durch den Verfasser. 41  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 407. 42  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 405 ff. 37  Wallschläger,

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

BGB verstanden habe.43 Soweit, so richtig.44 Die vorgeschlagene Auflösung des Widerspruchs überrascht dann aber: Man müsse „den Anwendungsbereich von § 73 III StGB in Anlehnung an die Durchgriffskondiktion gem. § 822 BGB […] erweitern“.45 Richtig wird dann zunächst wiedergegeben, dass § 822 BGB sich auf eine doppelte Begründung stützt:46 Erstens das sonst nicht realisierbare Restitutionsinteresse des Bereicherungsgläubigers; zweitens die fehlende Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Empfangs. Lieckfeldt meint nun:47 Aufgrund der Wertersatzhaftung des Tatbeteiligten greife hier zwar nur der zweite Begründungsteil. Vermindert schutzwürdig sei der Dritte jedoch auch bei der Zuwendung aufgrund eines „bemakelten“ Rechtsgeschäfts (d. h. bei Bösgläubigkeit). Daher seien die Grundsätze des BGH i. E. mit dem Rechtsgedanken des § 822 BGB vereinbar. Das ist so nicht haltbar. Die Wertung, bei der Zuwendung an einen Bösgläubigen sei der Betroffene genauso wenig schutzwürdig wie bei einer unentgeltlichen Zuwendung, ist zwar für sich plausibel; sie lässt sich aber gerade nicht § 822 BGB entnehmen, diese Regelung beschränkt sich eindeutig auf den unentgeltlichen Empfänger. Schwerer wiegt aber noch die Annahme, bereits das Vorliegen einer der beiden Begründungsteile des § 822 BGB, konkret die fehlende Schutzwürdigkeit des Dritten, könne den Zugriff auf den Dritten legitimieren. Richtigerweise müssen beide Begründungsstränge ineinandergreifen, um § 822 BGB zu rechtfertigen: Ein Bedürfnis für eine entsprechende Regelung entsteht überhaupt erst, wenn das Restitutionsinteresse des Bereicherungsgläubigers ansonsten leerzulaufen droht.48 Erklärt man dagegen das Bedürfnis der Regelung für unbeachtlich, stellte das den bereicherungsrechtlichen Unmittelbarkeitsgrundsatz, den § 822 BGB nur ganz ausnahmsweise durchbricht,49 grundsätzlich in Frage. Die Argumentation 43  Lieckfeldt,

Verfallsanordnung (2008), S. 407 f. war allerdings nicht „der Sonderausschuss“, sondern im Kern die vereinzelte Aussage von Güde, § 73 III StGB a. F. „stelle praktisch die Übertragung dieser zivilrechtlichen Regelung in das Strafrecht dar“ (Protokolle Sonderausschuss V, S. 1006), die vor dem Hintergrund des ihm vorliegenden Regelungsvorschlags und des Hintergrundes seiner Entstehung schlicht unqualifiziert war und von den Vertretern des BMJ lediglich nicht mit der genügenden Deutlichkeit zurückgewiesen wurde, s. bereits 2.  Kap. A. V. 2. b) aa). 45  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 408. 46  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 408; s. dazu auch Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 69 IV 1 a); Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 359; MKBGB / Schwab, § 822 Rn. 1. 47  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 408. 48  Das betont interessanterweise auch Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 408 besonders; vgl. zur Bedeutung des ersten Begründungsstrangs auch Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 359, die § 822 BGB deswegen in die Kategorie der Kondiktionen „wegen Rechtsvereitelung“ einordnen. 44  Es



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“215

Lieckfeldts hat damit im Ergebnis nichts mehr mit der Regelung des § 822 BGB zu tun. Das bedeutet: Die (angebliche) Parallele zu § 822 BGB vermag die Unterfallgruppe des § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB nicht zu erklären. b) Fehlerhaftigkeit dieses Vergleichs Die Argumentation mit einem Vergleich zu § 822 BGB baut auf der Prämisse auf, dass ein bereicherungsrechtlicher „Vorbild“-Tatbestand überhaupt erforderlich ist. Das entspricht der verfehlten Ansicht, wonach der Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen in einer „quasi-kondiktionellen“ Ausgleichsfunktion liege.50 Es wurde bereits angemerkt, dass es bei diesem Verständnis an einer dogmatischen Grundlage fehlt, aufgrund der rational diskutiert werden kann, inwieweit Abweichungen vom bereicherungsrechtlichen „Vorbild“ gerechtfertigt sind.51 Die soeben wiedergegebenen Argumentationen des BGH einerseits und von Lieckfeldt andererseits belegen das anschaulich. Aber auch die Literaturkritik, die eine vollständige Anpassung an § 822 BGB  – insbesondere eine Beschränkung auf nur unentgeltlichen Erwerb  – fordert, ist aus diesem Grund bereits im Ansatz verfehlt.52 Richtigerweise ermöglicht der generalpräventive Rechtsgrund der Maßnahme grundsätzlich eine umfassende Abschöpfung von Taterträgen, bei wem sie sich auch befinden. Dementsprechend haben die bereicherungsrechtlichen Tatbestände keinerlei Aussagekraft für die legitime Reichweite dieser Maßnahme. Nur in der Rechtsfolge muss sich die Abschöpfung von Taterträgen  – namentlich hinsichtlich der Berücksichtigung der Entreicherung im bereicherungsrechtlichen Sinne  – an bereicherungsrechtlichen Wertungen orientieren.53

49  Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 69 IV 1 a); Staudinger / Lorenz, § 822 Rn. 1 („Bestätigung der Regel“); Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 361; MKBGB /  Schwab, § 822 Rn. 1. 50  Dazu ausführlich 1.  Kap. A. II. 3. 51  s. unter 1.  Kap. D. 52  Im Ergebnis wie hier Rönnau, Vermögensabschöpfung, 1. Auflage, Rn. 285, der den bereicherungsrechtlichen Unmittelbarkeitsgrundsatz mitsamt seiner Durchbrechungen (u. a. § 822 BGB) bei der Abschöpfung von Taterträgen nicht für anwendbar hält, zust. Keusch, Verfall (2005), S. 112 f. 53  Zur grundrechtlichen Ableitung dieser Forderung grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) aa).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

c) Vergleich mit §§ 818 III, IV, 819 BGB Entscheidend müssen daher die bereicherungsrechtlichen Wertungen auf Rechtsfolgenseite sein, d. h. ob der mittelbar Drittbegünstigte nach den Grundsätzen der §§ 818 III, IV, 819 BGB gutgläubig entreichert ist.54 Empfängt er den Tatertrag unentgeltlich, so ist er dies (jedenfalls anfänglich) nicht, da es an einer Gegenleistung fehlt. Empfängt er den Tatertrag dagegen entgeltlich, so ist in seiner Gegenleistung grundsätzlich eine Entreicherung zu sehen.55 Es kommt dann also darauf an, ob er der verschärften Haftung (§§ 818 IV, 819 BGB) unterliegt und sich deshalb darauf nicht berufen kann. Das führt genau zu den beiden vom BGH entwickelten und in § 73b I 1 Nr. 2 StGB aufgenommenen Unterfallgruppen: Die Abschöpfung kann gegen einen mittelbaren Empfänger im Ergebnis dann angeordnet werden, wenn dieser den Tatertrag entweder unentgeltlich oder bösgläubig empfängt. Ruft man sich noch einmal die vier wesentlichen Konstellationen der Entreicherung bei der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten vor Augen, wird also deutlich, dass der BGH  – worin der Gesetzgeber ihm nun grundsätzlich folgt  – letztlich nichts anderes gemacht hat, als die anfängliche Entreicherung beim mittelbaren Erwerb zu berücksichtigen:56 Anfängliche Entreicherung

Nachträgliche Entreicherung

Unmittelbarer Erwerb

Aufwendungen zur Begehung der Tat

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen

Mittelbarer Erwerb

Aufwendungen als Gegenleistung zum Erwerb

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen

Diese Zusammenstellung legt aber zugleich nahe, dass namentlich die wertungsmäßig gleichliegende anfängliche Entreicherung bei unmittelbarem Erwerb des Dritten genauso behandelt werden müsste. Jedenfalls bislang ist das aufgrund der gesetzgeberischen Anordnung des Bruttoprinzips auch gegenüber Drittbegünstigten, unabhängig von ihrer Bösgläubigkeit, aber nicht der Fall. Die Frage, ob das neue Recht hier konsequenter ist, wird anlässlich der Erörterung der entsprechenden Regelung (§ 73d I StGB) wieder aufzugreifen sein.57 54  So im Ergebnis hier auch Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 23, 82, 84 f.; WJ / Podolsky, WiStrR, 28.  Kap. Rn. 38, die allerdings für den unentgeltlichen Erwerb weiterhin auf § 822 BGB abstellen. 55  Zur anfänglichen Entreicherung durch Aufwendungen zum Erwerb bereits 1.  Kap. C. III. 3. b) aa) (1). 56  Zu dieser Tabelle bereits 1.  Kap. C. III. 3. b) aa) (2). 57  Dazu VIII. 2.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

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Im Übrigen folgt aus dem Vorherigen, dass in den bisherigen Grundsätzen des BGH  – konkret: der Berücksichtigung der anfänglichen Entreicherung durch den Ausschluss der „Erfüllungsfälle“  – gesetzesimmanent ein Widerspruch zur strikten Geltung des Bruttoprinzips  – worin nichts anderes als eine Versagung der Berufung auf anfängliche Entreicherung zu sehen ist  – liegt.58 Zur strikten Geltung des Bruttoprinzips passt dann auch wieder, dass der BGH in „Erfüllungsfällen ohne Durchgangserwerb“ (z. B. der Täter eines Betruges bewirkt die Vermögensverfügung des Opfers direkt an einen tatunbeteiligten Dritten und befriedigt damit gleichzeitig eine gegen ihn bestehende Forderung des Dritten) den Verfall gegen den Drittbegünstigten für zulässig hält, weil die einschränkenden Grundsätze der Verschiebungsbzw. Erfüllungsfälle mangels Durchgangserwerbs nicht anwendbar seien.59 Auch hier wäre aber regelmäßig eine gutgläubige und damit entreichernde Gegenleistung des Drittbegünstigten in Rechnung zu stellen.60 Damit steht dieses Ergebnis wiederum im Widerspruch dazu, dass der BGH dem Dritten bei mittelbarem Erwerb seine anfängliche Entreicherung zugutehält.61 d) Ergebnis Die vom BGH begründete und vom Reformgesetzgeber aufgenommene Unterscheidung der Unterfallgruppen unentgeltlichen bzw. bösgläubigen Erwerbs erweist sich also in der Sache als überzeugend. Die beiden Fallgruppen sind allerdings nicht aus § 822 BGB herzuleiten, sondern ergeben sich letztlich aus den Wertungen der zivilrechtlichen Entreicherungsvorschriften (§§ 818 III, IV, 819 BGB). Dies passt auch zu den hier entwickelten, verfassungsrechtlichen Grenzen des Zugriffs auf Drittbegünstigte und baut zugleich gesetzesimmanent einen gewissen Druck auf, diesen Gedanken auch ansonsten (insbesondere bei der Ausgestaltung des Bruttoprinzips) durchzuhalten.

58  Von der strikten Geltung des Bruttoprinzips ausgehend ist auch nachvollziehbar, dass SSW / Burghart, § 73 Rn. 56 den vom BGH postulierten Ausschluss der „Erfüllungsfälle“ nicht akzeptieren will. 59  Näher dazu 2.  Kap. C. III. 3. c); in der Literatur ist die Behandlung dieser Fälle umstritten, wie der BGH i. E. auch Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn.  111 ff.; zust. MR / Altenhain, § 73 Rn. 18; Rhode, wistra 2012, 85 (85 f.); a. A. SK / Wolters, § 73 Rn. 28. 60  Ausnahme: Die Forderung des Drittbegünstigten stammt z. B. aus einem Schenkungsvertrag. 61  So wird verständlich, dass SK / Wolters, § 73 Rn. 28 auch hier die Grundsätze der Verschiebungs- bzw. Erfüllungsfälle anwenden möchte.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

2. Verzicht auf eine Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht Der Wortlaut des § 73b I 1 Nr. 2 StGB enthält zumindest ausdrücklich nicht die Voraussetzung einer besonderen Absicht des Verschiebenden, obwohl BGH und Vermögensabschöpfungs-Richtlinie im Grundsatz übereinstimmend den „Verschiebungsfall“ mit einer besonderen Absicht der Einziehungsvermeidung bzw. Tatverschleierung gekennzeichnet haben.62 Zu klären ist, ob hierin eine bewusste Abweichung liegt und ob sie überzeugt. a) Bewusste Abweichung von BGH und Richtlinie? Nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die Reform die Eigenständigkeit dieser Voraussetzung beim BGH und in der VermögensabschöpfungsRichtlinie nur übersehen und deshalb unbewusst nicht ausdrücklich geregelt hat. Dafür könnte sprechen, dass laut Begründung (nicht mehr und nicht weniger) als „die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum ‚Verschiebungsfall‘ ausdrücklich im Gesetz geregelt“ werde,63 aber auf diese wichtige, offenbare Abweichung nicht hingewiesen wird. Für einen bewussten Verzicht auf das Absichtserfordernis spricht allerdings die neu eingefügte Variante des „Erbfalls“ (§ 73b I 1 Nr. 3 StGB), die eine Parallele zu den unentgeltlichen „Verschiebungsfällen“ [Nr. 2 lit. a)] darstellen soll.64 In den „Erbfällen“ scheidet eine entsprechende Absicht des „Übertragenden“ (= des Verstorbenen) jedenfalls regelmäßig von vornherein aus, weswegen hier der bloße, objektive Erwerb gefordert wird. Es wäre dann aber systematisch unschlüssig, wenn für den Parallelfall des § 73b I 1 Nr. 2 StGB der objektive Erwerb nicht ausreichen würde. Daher ist davon auszugehen, dass die Reform insgesamt und bewusst von der Voraussetzung einer besonderen Absicht des Verschiebenden abrückt. b) Begründbarkeit des Absichtserfordernisses Ob der Verzicht auf das Erfordernis einer besonderen Absicht des Verschiebenden in § 73b I 1 Nr. 2 StGB (und im übertragenen Sinne durch 62  Grundlegend BGHSt 45, 235 (246: „um sie dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, oder um die Tat zu verschleiern“); BGH wistra 2012, 264 (264 f.) betont den eigenständigen Charakter dieser Voraussetzung und fordert entsprechende Feststellungen; s. auch BGH NStZ 2014, 89 (94, insoweit in BGHSt 59, 45 nicht abgedruckt). Zur Vermögensabschöpfungs-Richtlinie s. A. II. 1. Auch Löffelmann, recht + politik, 6 / 2016, S. 3 weist darauf hin, dass die Neufassung hier offenbar über die bisherigen Grundsätze des BGH hinausgeht. 63  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56. 64  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56.



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Einfügung der Nr. 3) überzeugt, ist zu klären, indem der Frage nachgegangen wird, ob bzw. wie ein solches Erfordernis begründbar ist. Dazu ist vor allem in den Blick zu nehmen, wie dieses Merkmal bisher begründet wurde. aa) Vergleich mit § 822 BGB Zunächst ist daran zu erinnern, dass sich der BGH hinsichtlich des Absichtserfordernisses an Brenner und dem OLG Düsseldorf orientiert hat.65 Demgegenüber hatte Güntert aufgrund seiner Anknüpfung an § 822 BGB  – der für eine solche Absicht keinen Anhalt enthält  – keine Veranlassung zu einer solchen Voraussetzung gesehen.66 So wird verständlich, dass das Absichtserfordernis des BGH in der Literatur neben ausdrücklicher Zustimmung67 auch insbesondere mit Blick auf die (angebliche) Parallele zu § 822 BGB auf Kritik gestoßen ist:68 Nach § 822 BGB dürfe es nur auf die verminderte Schutzbedürftigkeit des Empfängers ankommen und nicht auf bestimmte Absichten des Verschiebenden. Das ist zwar in sich konsequent und weist (erneut) auf eine Lücke in der Argumentation insbesondere des BGH hin, beruht aber auf einer falschen Prämisse.69 Eine Parallele zu § 822 BGB lässt sich also jedenfalls nicht gegen das Absichtserfordernis in das Feld führen. bb) Erklärung und Funktion des Erfordernisses in Rechtsprechung, Literatur und Richtlinie Warum soll nun aber die Abschöpfung bei einem mittelbaren Drittbegünstigten nur zulässig sein, wenn der Verschiebende in der Absicht der Einziehungsvermeidung bzw. Tatverschleierung gehandelt hat? Eine ausdrückliche Begründung dafür sucht man beim BGH, bei Brenner und dem OLG Düsseldorf sowie in der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie vergebens. Das 65  Brenner, DRiZ 1977 203 (206: „[…] daß der Täter die Vermögensverschiebung […] deswegen durchführte, um den Vermögensvorteil dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen“; OLG Düsseldorf NJW 1979, 992: „[…] um zumindest diesem die Vorteile seiner Tat zu sichern und zu verhindern, daß die Beute an den rechtmäßigen Besitzer zurückgelangt.“ 66  Zum Ganzen 2.  Kap. C. I. 2. 67  Etwa Rübenstahl, NZWiSt 2012, 350 (351); AK / ders., § 73 Rn. 39a; NK / Saliger, § 73 Rn. 36. 68  Lieckfeldt, Verfallsanordnung (2008), S. 408 f., 421; Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 105 f.; SK / Wolters, § 73 Rn. 23, 28; ablehnend auch SSW / Burghart, § 73 Rn. 55. 69  Nämlich, dass es eines bereicherungsrechtlichen „Vorbild“-Tatbestandes überhaupt bedarf, dazu bereits soeben unter 1. a).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

liegt wohl daran, dass jeweils vorrangig nur versucht wurde, durch Umschreibung der besonders typischen Fälle die praktische Notwendigkeit der Ausweitung der Abschöpfbarkeit auf Verschiebungsfälle überhaupt zu belegen. Nicht so recht erkannt wurde dagegen, dass man damit zugleich eine (begründungsbedürftige!) Voraussetzung aufstellt, die zum Ausschluss von Fällen führt, in denen diese nicht erfüllt ist. Den Versuch einer Erklärung unternimmt nur Rübenstahl:70 Die Absicht entspreche dem Grundgedanken, dass das Handeln für einen Dritten erfolgen muss. Das sei bei geldwäscheähnlicher Komplizenstellung des Dritten gegeben, die wiederum durch das Handeln mit Gläubigerbenachteiligungsbzw. Verschleierungsabsicht indiziert sei. Geldwäsche (§ 261 StGB) setzt jedoch keine solche Absicht voraus. Die Tathandlungen des Absatzes 1 lassen bereits eine (objektive) konkrete Gefährdung des Auffindens, der Ermittlung der Herkunft bzw. der Anordnung einer Rechtsfolge ausreichen und die Tathandlungen des Absatzes 2 verzichten gar völlig auf jeden Bezug zu einer Verschleierung oder Rechtsfolgenvereitelung. Dieser Erklärungsversuch hilft also nicht weiter. Als weiterführend könnte sich die Untersuchung erweisen, in welchen Fallkonstellationen die Rechtsprechung das Absichtsmerkmal tatsächlich herangezogen hat und welche Funktion dem Merkmal dabei zukommt. Hervorzuheben ist insofern eine Entscheidung des OLG Hamburg (im sog. Falk-Komplex), deren Argumentationsgang sich wesentlich auf das Absichtserfordernis stützt.71 In dem Fall ging es um komplexe Geldflüsse über mehrere Gesellschaften und letztlich darum, ob bzw. inwieweit in der Dividendenausschüttung einer daran beteiligten AG der ursprüngliche Tatertrag „enthalten“ war. Das Gericht führt zur Bewertung der zuvor und im Anschluss eingehend dargestellten Vorgänge aus:72 „[Der Beschluss zur Ausschüttung der Dividende] diente zur Überzeugung des Senats jedenfalls auch dazu, Teile des Taterlöses in scheinbar legaler Weise weiterzutransferieren. Diese Zielrichtung lässt sich nämlich durch den weiteren Geldfluss belegen […]“.

Das Gericht substituiert hier die (zumindest vorrangig) objektiv zu beantwortende Frage, ob bzw. inwieweit ein bestimmter Vermögensgegenstand (noch) den Tatertrag enthält, mit der Prüfung der Absicht des Verschiebenden. Auf die hier aufgeworfene Problematik der „Vermischung“ von Taterträgen mit „legalen“ Vermögensbestandteilen, die sich bei der Erfassung 70  Rübenstahl, NZWiSt 2012, 350 (351); AK / ders., § 73 Rn. 39a; diese Argumentation wurde in anderem Zusammenhang unter 2.  Kap. C. III. 2. b) bereits zurückgewiesen. 71  OLG Hamburg NJW 2005, 1383 (1384 f.). 72  OLG Hamburg NJW 2005, 1383 (1384).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“221

von Verschiebungsfällen ergeben kann, wird noch anhand von § 73b II, III StGB zurückzukommen sein.73 Diese Tendenz des OLG Hamburg bestätigt sich in einer der wenigen Entscheidungen, in denen der BGH das Absichtserfordernis betont hat.74 In dem Fall ging es um die Verschiebung von Taterträgen, wenn diese nur aus ersparten Aufwendungen bestehen. Fraglich ist hier, ob eine Verschiebung überhaupt möglich ist, obwohl das Erlangte im Vermögen des Tatbeteiligten von vornherein nicht gegenständlich identifiziert werden kann. Der BGH sieht hierin jedoch kein Problem, dafür heißt es:75 „Der für die Anwendung des § 73 Abs. 3 StGB erforderliche Bereicherungszusammenhang besteht aber nur dann, wenn sich aufgrund weiterer Umstände  – etwa durch eine Gesamtschau der Zahlungsflüsse (vgl. OLG Hamburg […])  – gleichwohl feststellen lässt, dass mit den in Frage stehenden Transaktionen das Ziel verfolgt wurde, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des Täters oder […] eines weiteren Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen oder die Tat zu verschleiern.“

Das Erfordernis der besonderen Absicht des Verschiebenden wird von der Rechtsprechung also namentlich eingesetzt, um zu verschleiern, dass sie dem objektiven Grundproblem dieser Fälle aus dem Weg geht. Eine überzeugende Erklärung bzw. Funktion des Absichtserfordernisses lässt sich damit in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur insgesamt nicht finden.

73  Dazu VI., die Problematik wurde auch bei der Darstellung der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie bereits aufgeworfen, s. A. II. 4. 74  BGH NStZ 2014, 89 (94). 75  BGH NStZ 2014, 89 (94). Vgl. auch die Formulierungen in folgenden Entscheidungen, in denen es jeweils um die „Verschiebung“ von ersparten Aufwendungen ging: OLG Karlsruhe NJW 2008, 162 (163 [zum dinglichen Arrest]: „Ein etwaiges Bestreben des [Beschuldigten], mittels sich an die Steuerverkürzung anschließender Vermögensverschiebung an einen Drittbegünstigten eine Vollstreckung in sein Vermögen mangels Masse zu vereiteln, würde gegebenenfalls zudem die Anordnung des Verfalls gegen den Begünstigten rechtfertigen […].“; OLG Düsseldorf Beschl. v. 02.04.2009  – 1 Ws 119 / 09, Rn. 11 (juris): „Da mit [der Transaktion] das Ziel verfolgt wurde, die Einkünfte des Beschuldigten für etwaige Pfändungsmaßnahmen gegen seine eigene Person unzugänglich zu machen und auf diese Weise dem Zugriff der deliktisch geschädigten Beitragsgläubiger zu entziehen, ist auch der erforderliche Bereicherungszusammenhang zwischen der Tat und dem Vorteilseintritt auf Seiten des Arrestbeteiligten gegeben.“; OLG Köln Beschl. v. 23.09.2009 – 2 Ws 440 / 09, Rn. 11 (juris): „Nach den Gesamtumständen besteht daher der begründete Verdacht, dass die Beschuldigte mit ihrer Vorgehensweise […] allein bezweckte, die Gelder dem Zugriff des Fiskus zu entziehen.“

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

cc) Das Erfordernis bei generalpräventiver Begründung der Abschöpfung von Taterträgen Sicherlich ist das bewusste Handeln in fraudem legis der besonders typische und eindeutige „Verschiebungsfall“, sodass es auch nicht überrascht, dass dieser Fall in Rechtsprechung und Literatur zum Ausgangspunkt gemacht worden ist. Als Begrenzungskriterium erscheint das Erfordernis einer solchen Absicht aber ungeeignet: Wieso soll es nicht ausreichen, wenn der Tatbeteiligte sicher weiß, dass die Verschiebung zur Vereitelung der Abschöpfung bzw. Verschleierung der Tat führen wird, es ihm darauf aber nicht gerade ankommt? Oder auch, wenn er dies nur für möglich hält und in Kauf nimmt oder gar fahrlässig verkennt? Solche Transaktionen dürften genauso zu unterbinden sein; für den generalpräventiven Zweck der Abschöpfung genügt grundsätzlich bereits das Innehaben eines rechtswidrigen Tatertrages.76 Man denke etwa an Fälle, in denen es dem Verschiebenden ausschließlich darum geht, dem Empfänger eine Freude zu bereiten. Oder an den Berufskriminellen, der seinen Lebensunterhalt aus kriminellen Einkünften bestreitet, ohne dabei stets das Ziel der Vereitelung abschöpfender Maßnahmen vor Augen zu haben. Bedenken mögen sich hier daraus ergeben, dass jeder Teilnehmer des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs, der mit dem Kriminellen kontrahiert (ihm z. B. Brötchen verkauft), potenziell der Abschöpfung ausgesetzt wird. Davor schützt allerdings, dass die gutgläubige Entreicherung (z. B. durch die Übereignung der Brötchen) zu berücksichtigen ist. Das Absichtserfordernis hilft hier jedenfalls nicht weiter  – es mag hier zwar typischerweise fehlen, aber wieso sollte sich das ausnahmsweise (aus Sicht des Brötchenverkäufers zufällige) Vorhandensein einer solchen Absicht des Tatbeteiligten gegen ihn auswirken? Es zeigen sich Parallelen zum Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB), insbesondere zu dem durch § 261 II StGB statuierten, umfassenden „Kontaktverbot“ mit straftatbemakelten Gegenständen. Dieser sog. Isolierungstatbestand setzt (ebenfalls) keine besondere Absicht des den Gegenstand Übertragenden voraus. Nach Vorstellung des Gesetzgebers soll dieser weite Tatbestand dazu dienen „daß der Vortäter gegenüber der Umwelt isoliert und der inkriminierte Gegenstand praktisch verkehrsunfähig gemacht [wird].“77 Vermögensvorteile aus Straftaten sollen „nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs sein können; der Täter soll auf ihnen ‚sitzenbleiben‘ “, dadurch entfalle „der Anreiz zur Begehung von Taten, weil die Tat sich für ihn nicht mehr lohnt.“78 Diese Gedanken lassen sich auf die Abschöpfung von Taterträgen 76  s.

dazu grundlegend 1.  Kap. C. III. 1. b) bb), 3. b). des Bundesrats, BT-Drucks. 12 / 989, S. 27. 78  Entwurfsbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 12 / 3533, S. 11. 77  Begründung



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“223

übertragen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, warum die Abschöpfung hier – durch ein Absichtserfordernis – enger gefasst sein sollte, obwohl sie die mildere Rechtsfolge enthält. Das bloße Nicht-Vorliegen einer Katalogtat des § 261 I 2 StGB kann dies wohl kaum rechtfertigen. Wenn die Abschöpfung bei Drittbegünstigten in Verschiebungsfällen damit weiter an die Geldwäsche angeglichen würde und eigentlich nur noch bei Nicht-Katalogtaten einen eigenen Anwendungsbereich hätte, spricht das nicht gegen dieses Ergebnis. Umgekehrt sollte diese Beobachtung vielmehr als (neuerliche) Anregung dazu verstanden werden, darüber nachzudenken, ob es einer strafenden Sanktionierung der Verhaltensweisen des § 261 II StGB wirklich bedarf oder ob hier nicht eine flächendeckende Abschöpfung ausreichen würde.79 Das Erfordernis einer Absicht des Verschiebenden erweist sich also insgesamt als hinfällig. c) Ergebnis § 73b I 1 Nr. 2 StGB enthält also bewusst keine Voraussetzung einer Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht des Verschiebenden. Das ist auch überzeugend: Das Vorhandensein einer solchen Absicht beim Verschiebenden stellt allenfalls ein Charakteristikum besonders typischer Anwendungsfälle dar, als Begrenzungskriterium taugt es dagegen nicht. Entscheidend ist dabei nicht etwa, dass § 822 BGB für eine solche Absicht keinen Anhalt enthielte, sondern dass sich generalpräventiv (insbesondere auch mit Blick auf § 261 StGB) ein solches Erfordernis nicht herleiten lässt. Dies verstößt auch nicht gegen die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie, da diese nur Mindestvorgaben enthält und die deutsche Regelung sich durch den Verzicht auf diese Voraussetzung als strenger darstellt. 3. Gleichsetzung von Unentgeltlichkeit und Rechtsgrundlosigkeit in lit. a) § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB erfasst neben der „unentgeltlichen“ (Alt.  1) auch  – und das ist im Vergleich mit den entsprechenden BGH-Grundsätzen neu  – eine Übertragung „ohne rechtlichen Grund“ (Alt.  2). Diese Erweiterung wird nicht begründet, sodass man über ihren Hintergrund nur spekulieren kann. Möglich erscheint, dass die Alternative insbesondere die Erfassung von „Scheinverschiebungen“ verdeutlichen soll.80 Bei diesen erfolgt zu diesem Gedanken Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 422 f. bezüglich § 73 III StGB a. F. bereits 2.  Kap. D. II. 2. a) und bezüglich des neuen Rechts noch unter 6. 79  Vgl.

80  Dazu

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

die Übertragung zwar typischerweise auch „unentgeltlich“, aber gar nicht erst auf Grundlage eines (echten z. B. Schenkungs-)Vertrages und damit „ohne rechtlichen Grund“. Wollte man dies lediglich klarstellen, hätte man die Übertragung „ohne rechtlichen Grund“ aber nicht als Alternative neben den „unentgeltlichen“ Erwerb stellen dürfen.81 So wie der Tatbestand gefasst ist, führt er hingegen zu einer willkürlichen Differenzierung. Wie sich nämlich im Umkehrschluss aus lit. a) Alt. 1 und lit. b) ergibt, erfasst lit. a) Alt. 2 zumindest auch Fälle eines entgeltlichen und gutgläubigen, rechtsgrundlosen Erwerbers. Beispiel: Ein Tatbeteiligter kauft Waren mit Geldmitteln ein, die er aus oder für Straftaten erlangt hat. Ist der Verkäufer hier bösgläubig hinsichtlich der Herkunft der Geldmittel, unterliegt er nach § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB der Einziehung. Ist er dagegen gutgläubig, könnte sich die Einziehung nach dem Wortlaut des § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 StGB dennoch gegen ihn richten, wenn sich (aus welchem, ggf. zufälligem Grund auch immer) der Rechtsgrund (z. B. Kaufvertrag) als unwirksam erweist.

Das ist offensichtlich nicht gerechtfertigt: Der (gutgläubige) entgeltliche, rechtsgrundlose Empfänger ist genauso entreichert und daher schutzwürdig wie der (gutgläubige) entgeltliche Empfänger mit Rechtsgrund, aber nur dieser wird durch § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB geschützt. Im Übrigen wird auch bei § 822 BGB  – den die Reformbegründung als angebliche Parallele des § 73b I 1 Nr. 2 StGB hochhält  – eine (analoge) Anwendung auf rechtsgrundlosen Erwerb nahezu einhellig abgelehnt.82 Der dazu herangezogene Gedanke greift auch hier: Den Erwerber mag zwar beim rechtsgrundlosen Erwerb i. E. genauso wie beim unentgeltlichen Erwerb rechtlich keine Gegenleistungspflicht treffen, im Unterschied dazu hat er aber tatsächlich zunächst eine Gegenleistung an den Veräußerer erbracht. Dies muss er dem Bereicherungsgläubiger (bzw. hier: dem Staat) entgegenhalten können, denn anders als der unentgeltliche Empfänger muss er sich seine Gegenleistung erst mühsam (und mit Ausfallrisiko) vom Veräußerer zurückholen. Die Erfassung von unentgeltlichen, rechtsgrundlosen Verfügungen durch § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB ist dagegen (natürlich) nicht zu beanstanden, sie bedarf aber nicht eigenständiger Regelung. Auch bei den §§ 816 I 2, 822 BGB wird genau genommen (wie sich auch aus der soeben wiedergegebenen 81  Statt „unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund“ hätte man etwa formulieren können „unentgeltlich, mit oder ohne rechtlichen Grund“. 82  Staudinger / Lorenz, § 822 Rn. 9; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 361 f.; MKBGB / Schwab, § 822 Rn. 11. Regelmäßig wird auf das entsprechende Problem bei § 816 I 2 BGB verwiesen, s. dazu Erman / Buck-Heeb, § 816 Rn. 10; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 69 II 2 b), § 70 II 2 a); Staudinger / Lorenz, § 816 Rn. 21, 28; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 337 ff.; MKBGB / Schwab, § 816 Rn. 59. Zum (scheinbar entgegenstehenden) Standpunkt des BGH sogleich.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“225

Argumentation ergibt) nur die Gleichsetzung von unentgeltlichem Erwerb (mit oder ohne Rechtsgrund) mit entgeltlichem, rechtsgrundlosem Erwerb abgelehnt.83 Die Gegenüberstellung von „unentgeltlich“ oder „rechtsgrundlos“ ist also schief, die beiden Konzepte stehen in keinem Ausschlussverhältnis. Für § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB bedeutet das: Würde die Wendung „oder ohne rechtlichen Grund“ gestrichen, kämen als „unentgeltliche“ Übertragungen unproblematisch solche mit und ohne Rechtsgrund in Betracht. Die Wendung „oder ohne rechtlichen Grund“ in § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB erweist sich also als unbedacht. Sie müsste entweder ganz gestrichen oder als bloße Klarstellung des unentgeltlichen Erwerbs („unentgeltlich, mit oder ohne rechtlichen Grund“) formuliert werden. Hilfsweise ist eine entsprechende, teleologische Reduktion der Regelung angezeigt. 4. Erfordernis der Bösgläubigkeit des Empfängers in lit. b) § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB stellt die Voraussetzung auf, dass der Empfänger „erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt“. Damit werden die Grundsätze des BGH mit Formulierungen der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie kombiniert. Im Unterschied zum BGH und in Anknüpfung an die Richtlinie wird zunächst begrifflich nicht an eine „Bemakelung“ des Geschäfts, sondern an die Bösgläubigkeit des Empfängers angeknüpft. Das stellt in der Sache jedoch (zunächst) keine Abweichung von den BGH-Grundsätzen dar, da der Begriff der „Bemakelung des Geschäftes“ in diesem Zusammenhang ohnehin mit „Bösgläubigkeit des Dritten“ (bei Eingehung des Geschäfts) gleichzusetzen war.84 Im Einzelnen sind jedoch noch einige Punkte zu klären. 83  Vgl. Staudinger / Lorenz, § 816 Rn. 28. Das wird im zivilrechtlichen Schrifttum verbreitet nicht genau genug beachtet. Zu Verwirrung hat insofern die Entscheidung BGHZ 37, 363 (367 ff.) geführt, die häufig für die Gegenauffassung, wonach der rechtsgrundlose Erwerb bei § 816 I 2 BGB doch dem unentgeltlichen Erwerb gleichzustellen sei, zitiert wird, so etwa Erman / Buck-Heeb, § 816 Rn. 10; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 70 II 2 a) Fn. 6, 8; MKBGB / Schwab, § 816 Rn. 59 Fn. 153. Der BGH hat die Streitfrage dort jedoch offen gelassen und eine „entsprechende“ Anwendung des § 816 I 2 BGB nur für den Fall angenommen, dass der Empfänger unentgeltlich, rechtsgrundlos empfangen hat (s. Leitsatz 2: „§ 816 Abs. 1 Satz  2 BGB ist entsprechend anwendbar, wenn der Nichtberechtigte verfügt hat, ohne daß ein gültiges Grundgeschäft zwischen ihm und dem Empfänger bestand, und wenn ferner der Empfänger an den Nichtberechtigten keine Gegenleistung von Vermögenswert erbracht hat.“). Das ist i. E. unproblematisch und keine Analogie, weil § 816 I 2 BGB nur Unentgeltlichkeit des Erwerbs fordert und keine Voraussetzungen an einen Rechtsgrund zwischen Nichtberechtigtem und Erwerber stellt. Zum Ganzen Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 341 f. 84  s. dazu 2.  Kap. C. III. 3. b).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

a) Grad aa) Auslegung von „hätte erkennen müssen“ Die Formulierung „erkannt hat oder hätte erkennen müssen“ ist aus der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie übernommen.85 Aber was ist unter „hätte erkennen müssen“ zu verstehen? Hier wurde es versäumt, eine klare Positionierung innerhalb der im deutschen Recht bekannten Kategorien der einfachen Fahrlässigkeit und der qualifizierten Form der Leichtfertigkeit86 vorzunehmen.87 Letzteres wird etwa bei § 261 V StGB, aber auch bei der Einziehung von Tatprodukten- und mitteln [§§ 74a Nr. 1, 74b III Nr. 1 lit. a) StGB bzw. §§ 74a Nr. 1, 74f II Nr. 1 StGB a. F.] verlangt (vgl. auch § 932 II BGB). Einen Hinweis könnte die Passage der Begründung liefern, in der zur Konkretisierung des Anwendungsbereiches von § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB darauf abgestellt wird, dass bei „vorsätzlich[em] oder leichtfertig[em]“ Handeln des Dritten zumindest einer der Tatbestände der §§ 257, 259, 261 StGB erfüllt sei und damit bereits § 73 StGB eingreife.88 Dies lässt jedoch beide Schlüsse zu: Einerseits könnte die Passage darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber sehr wohl zwischen Leichtfertigkeit und dem von § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB geforderten Grad zu unterscheiden weiß. Andererseits wird das dennoch bestehende, praktische Bedürfnis für § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB im Anschluss gerade nicht damit begründet, dass für diese Regelung bereits ein geringerer Verschuldensgrad als Leichtfertigkeit ausreiche. Ein deutlicherer Anhalt findet sich in der Ausschlussregelung bei nachträglicher Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten (§ 73e II StGB), wo es heißt:89 „[…] es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.“ 85  Art. 6

I der Richtlinie: „[…] wusste oder hätte wissen müssen […]“; s. A. I. würde erfordern, dass sich dem Betroffenen die Herkunft des Gegenstands geradezu aufdrängt und er trotzdem handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Acht lässt. So zu § 261 V StGB: Begründung des Bundesrats, BT-Drucks. 12 / 989, S. 28; BGHSt 43, 158 (168); 50, 347 (351); NK / Altenhain, § 261 Rn. 139; MK / Neuheuser, § 261 Rn. 88; LK / Schmidt / Krause, § 261 Rn. 38. 87  Bereits im Richtlinienverfahren hatte der Bundesrat eine Klarstellung im Sinne des Erfordernisses von Leichtfertigkeit gefordert, s. BR-Drucks. 135 / 12 (B), S. 6. 88  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 66 f. 89  Dazu noch eingehend VII.; Hervorhebung durch den Verfasser. 86  Das



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

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Hier wird also ausdrücklich auf Leichtfertigkeit abgestellt. Es käme nun aber zu seltsamen Konsequenzen, wenn der erforderliche Grad der Bösgläubigkeit bei § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB ein anderer wäre: Ein Drittbegünstigter könnte dann in diesem Sinne (bereits) „bösgläubig“ aber i. S. v. § 73e II StGB (noch) „gutgläubig“ sein. Die Begründung verwendet die Begriffe jedoch einheitlich; § 73e II StGB soll „ausschließlich beim gutgläubigen Drittbegünstigten zur Anwendung [kommen]“.90 Daraus ist zu schließen, dass zwischen § 73e II StGB und § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB ein Ausschlussverhältnis bestehen soll. Die Variante „hätte erkennen müssen“ des § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB erfordert also Leichtfertigkeit des Dritten. Zur Klarstellung wäre eine Anpassung des Gesetzeswortlauts an die Formulierung des § 73e II StGB wünschenswert. bb) Legitimität der Hinzunahme von Leichtfertigkeit neben positiver Kenntnis Eine andere Frage ist, ob die Hinzunahme von Leichtfertigkeit neben positiver Kenntnis nicht der hiesigen Begründung von § 73b I 1 Nr. 2 StGB mit den Rechtsgedanken der §§ 818 III, IV, 819 BGB widerspricht, denn § 819 I BGB verschärft die Haftung (nur) bei Kenntnis.91 Dabei ist jedoch zu beachten, dass es nur um eine wertungsmäßige Parallele zu diesen Vorschriften geht; eine exakte Umsetzung des zivilrechtlichen Regelungsstandes kann nicht verlangt werden. Die Beschränkung des § 819 I BGB auf Kenntnis ist aber kein wesenstypisches Charakteristikum des zivilrechtlichen Entreicherungsregimes, mit der auf Vertrauensschutz beruhenden ratio des § 818 III92 wäre ein Ausschluss dieses Privilegs bereits bei Leichtfertigkeit durchaus vereinbar. Das wird dadurch belegt, dass man im Recht des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für die Behandlung der Entreicherung unmittelbar auf Grundsätze des Vertrauensschutzes zugreift und ein schutzwürdiges Vertrauen bereits bei grober Fahrlässigkeit verneint.93 Dass für die Zwecke des Rechts der Abschöpfung von Taterträgen das leichtfertige Verkennen der Umstände ihrer positiven Kenntnis gleichgestellt werden kann, 90  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 69. diesem Sinne die Kritik bei BRAK, Stellungnahme RegE, S. 6. 92  Dazu näher 1.  Kap. B. II. 3. a) bb), C. III. 3. b) aa) (1). 93  BVerwGE 71, 85 (91); Ossenbühl / Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 549 f., die auch zu Recht hier die Wertung des öffentlichen Rechts für überzeugender halten und den Maßstab des § 819 I BGB insofern als eine „Fehlwertung“ bezeichnen; zur Wertung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in diesem Zusammenhang auch Altenhain, Anschlussdelikt (2002), S. 357; Rönnau / Begemeier, GA 2017, 1 (14). 91  In

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

wurde bereits an anderer Stelle, unter Hinzunahme des vom Gesetzgeber nicht ohne Berechtigung ebenfalls herangezogenen Rechtsgedankens des § 817 S. 2 BGB, ausgeführt.94 b) Wissenszurechnung Die Begründung weist darauf hin, dass Drittbegünstigter auch eine juristische Person sein kann. Für die Wissenszurechnung bei § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB sollen dann die „allgemeinen Regeln (§§ 31, 166, 278)“ gelten.95 Entsprechendes müsste dann auch für die Zurechnung zu natürlichen Personen gelten. Das entspricht insgesamt den hier zur Wissenszurechnung herausgearbeiteten Grundsätzen.96 c) Zeitpunkt Im maßgeblichen Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit scheint § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB von den Grundsätzen des BGH (Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts)97 abzuweichen. Die Formulierung („übertragen wurde und er erkannt hat […]“) spricht dafür, dass  – wie bei der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie, die hier als Vorbild dient  – der Zeitpunkt der „Übertragung“ des deliktisch erlangten Gegenstands, also wohl der Vornahme des Erfüllungsgeschäftes, maßgeblich sein soll.98 Die auf den ersten Blick technisch erscheinende Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit des Dritten ist von entscheidender Bedeutung für ein konsistentes Konzept der Abschöpfung von Taterträgen. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die beiden Unterfallgruppen des § 73b I 1 Nr. 2 StGB nicht anders zu erklären sind als durch eine Berücksichtigung der (gutgläubigen) anfänglichen Entreicherung beim mittelbaren Erwerb,99 die letztlich sogar verfassungsrechtlich geboten ist.100 Dazu muss  – wie der BGH zumindest im Ergebnis richtig erkannt hatte  – der 94  s.

dazu 1.  Kap. B. II. 3. d) aa). 18 / 9525, S. 66. 96  Zu diesen grundlegend 1.  Kap. B. II. 3. d) bb). 97  BGH wistra 2014, 219 (223). 98  Dafür spricht auch die Passage der Begründung, in der darauf abgestellt wird, dass bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Handeln des Dritten zumindest einer der Tatbestände der §§ 257, 259, 261 StGB erfüllt sei, BT-Drucks. 18 / 9525, S. 66. Das gemeinte „Handeln“ des Dritten müsste jedenfalls hier der Empfang des Gegenstandes sein. 99  s. unter 1. c). 100  Dazu grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) aa). 95  BT-Drucks.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“229

Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes maßgeblich sein: Für den Eintritt der Entreicherung ist nämlich nicht die Übertragung des fraglichen Gegenstands an ihn, sondern seine Gegenleistung entscheidend und insofern wirkt nicht erst die Vornahme, sondern bereits die Begründung der Gegenleistungspflicht entreichernd. Die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie hingegen, die nur einen Nr. 2 lit. b) entsprechenden BösgläubigkeitsTatbestand enthält und dafür auf den Zeitpunkt der Übertragung des fraglichen Gegenstands abstellt, scheint ein völlig anderes Konzept, nämlich einer (quasi-strafrechtlichen) Verhaltensverantwortlichkeit des Dritten, zu verfolgen. Der deutsche Gesetzgeber knüpft an die Bösgläubigkeit bei Übertragung bereits die Strafdrohung nach den §§ 257–261 StGB, konsequenterweise legt er diesen Gedanken dagegen bei der (bloßen) Vermögensabschöpfung grundsätzlich nicht zu Grunde: Auf Grundlage dieses Konzepts ließen sich nämlich die Tatbestände der Nr. 2 lit. a) und der Nr. 3 nicht erklären, die keine Bösgläubigkeit voraussetzen. Indem der Gesetzgeber sich dann allerdings bei der Formulierung von Nr. 2 lit. b) hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts doch wieder an der Richtlinie orientiert, provoziert er einen Widerspruch: Letztlich legt er dadurch nämlich isoliert bei Nr. 2 lit. b) ein Konzept zugrunde, welches Nr. 2 lit. a) und Nr. 3 nicht zu erklären vermöchte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit des § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB sollte deshalb der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes sein. Dazu dürfte allerdings eine Anpassung des Gesetzeswortlauts erforderlich sein. Nur dann wäre mit Blick auf § 73b I 1 Nr. 2 lit. a), Nr. 3 StGB eine stimmige Gesamtregelung gegeben und zugleich die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Maßnahme gewährleistet. d) Ergebnis Die Ausgestaltung des Erfordernisses der Bösgläubigkeit in § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB lässt also im Einzelnen noch zu wünschen übrig: Klarzustellen ist, dass Kenntnis oder Leichtfertigkeit in Bezug auf die deliktische Herkunft des Gegenstands erforderlich ist. Ausdrücklich zu ändern ist der maßgebliche Zeitpunkt der Bösgläubigkeit, hier muss es konsequenterweise auf den Abschluss des Geschäfts ankommen. 5. Fehlen einer Regelung des Haftungsverhältnisses zwischen Tatbeteiligten und anderen Aus der Erfassung von „Verschiebungsfällen“ durch § 73b I 1 Nr. 2 StGB folgt das Problem, in welchem Verhältnis die Haftung des Drittbegünstigten

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

zu der des Tatbeteiligten auf das Surrogat (§ 73 III StGB) bzw. Wertersatz (§ 73c StGB) steht. Hierzu schweigt die gesetzliche Neufassung einschließlich Begründung. Es dürfte also bei dem bisherigen Stand bleiben, wonach der BGH unter Zustimmung eines überwiegenden Teils der Literatur zur Annahme von Gesamtschuld tendiert.101 Das ist aber mit dem generalpräventiven Verständnis der Abschöpfung von Taterträgen nicht vereinbar:102 Da unbedingt vermieden werden muss, dass der Tatbeteiligte sich der generalpräventiven Wirkung der Abschöpfung der Taterträge entzieht, ist alles andere als eine vorrangige Haftung des Tatbeteiligten nicht zu begründen. Anzumerken ist noch, dass die Rechtsprechung des BGH bislang der hier favorisierten Lösung zumindest im Ergebnis dadurch entgegenkam, dass sie in Verschiebungsfällen einschränkend die Absicht der Abschöpfungsvereitelung bzw. Tatverschleierung seitens des Verschiebenden forderte. Der BGH hat daher etwa in einem konkreten Fall den Zugriff auf einen Drittbegünstigten im Ergebnis verneint, weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der Verschiebung „weder den Zugriff von Gläubigern zu befürchten“ hatte, noch „mit einer Verfallsanordnung rechnete“ und die Zahlungen auch nicht „in irgendeiner Weise zur Verschleierung der Tat geeignet“ waren.103 Im Ergebnis führte das zu einer Einschränkung der gesamtschuldnerischen und zumindest zu einer „pseudo-subsidiären“ Haftung des Drittbegünstigten, solange und soweit der Zugriff auf den Tatbeteiligten unproblematisch war.104 Das ist wichtig, weil § 73b I 1 Nr. 2 StGB (bewusst und zu Recht) keine solche Absicht mehr vorsieht und dieses Merkmal damit keine „PseudoSubsidiarität“ der Haftung des Drittbegünstigten mehr gewährleisten kann. Das Problem des Haftungsverhältnisses stellt sich auf Grundlage des neuen Gesetzes also in aller Schärfe und bedarf dringend einer Regelung. 101  BGHSt 52, 227 (252 f.); Barreto da Rosa, NJW 2009, 1702 (1704); SSW / Burghart, § 73 Rn. 56; WJ / Podolsky, WiStrR, 28.  Kap. Rn. 37; ders. / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 83, 89; Rhode, wistra 2012, 85 (90 f.); NK / Saliger, § 73 Rn. 36b; dagegen Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 95. Noch weitergehend Wallschläger, Verfallsvorschriften (2002), S. 113; zust. MK / Joecks, § 73a Rn. 8 (Vorrang des Zugriffs auf den Drittbegünstigten); dagegen Güntert, Gewinnabschöpfung (1983), S. 62. 102  Dazu grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) bb). 103  BGH NStZ 2014, 89 (94). 104  Im Einzelnen ist das aber einerseits zum Schutz des Dritten zu wenig, wenn der Tatbeteiligte zwar eine entsprechende Absicht hegte, der Erfolg der Abschöpfungsvereitelung bzw. der Tatverschleierung aber objektiv nicht eingetreten ist. Und es ist andererseits gegenüber dem Dritten auch zu milde, wenn eine entsprechende Absicht im Verfügungszeitpunkt fehlte, aber objektiv der Erfolg doch eingetreten ist. Letztlich ist dem BGH also auch an diesem Punkt vorzuwerfen, dass er die Absicht in zweifelhafter Weise instrumentalisiert hat, um einer objektive zu beantwortenden Rechtsfrage aus dem Weg zu gehen, zu diesem Vorwurf bereits hinsichtlich des Absichtserfordernisses unter 2. b) bb).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“231

Die erforderliche Regelung könnte materiell- oder vollstreckungsrechtlich ansetzen. Zum Beispiel könnte vorgeschrieben werden, dass das Gericht bei mehreren Einziehungsanordnungen gegen verschiedene Personen, die sich auf das gleiche Interesse beziehen, eine Bestimmung zur Reihenfolge der Vollstreckung zu treffen hat. Ein Haftungsvorrang ist allerdings nur für den Tatbeteiligten begründbar. Sind mehrere Dritte beteiligt, so sind keine zwingenden Argumente für eine Haftungsreihenfolge zwischen ihnen ersichtlich. Das gilt unabhängig davon, ob mehrere Dritte als Teil  einer vom Tatbeteiligten ausgehenden Zuwendungskette eingeschaltet werden oder ob es sich um eine eigenmächtige (Weiter-)Verschiebung seitens eines Dritten handelt. Die Reihenfolge des Erwerbs mehrerer Dritter  – auch, wer unmittelbar und wer anschließend mittelbar  – erwirbt, wird in der Praxis (insbesondere den für das Wirtschaftsstrafrecht typischen „Geldkreisläufen“) ohnehin häufig eher vom Zufall abhängen. Insoweit könnte also eine gesamtschuldnerische Haftung vorgesehen werden. Sobald sich jedoch ein Tatbeteiligter unter den Betroffenen befindet, so muss seine Haftung Vorrang haben. Hinsichtlich der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen bestünde wohl kein weiterer Regelungsbedarf. Der Tatbestand der Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung (§ 111b StPO) setzt nämlich bereits ein Sicherungsbedürfnis voraus („zur Sicherung der Vollstreckung“).105 Das erforderte in diesen Fällen für die Sicherung bei Dritten eine Prognose, ob die Vollstreckung gegen den Tatbeteiligten voraussichtlich fehlschlagen bzw. nicht ausreichen wird. Ggf. kann dann auch in einem frühen Stadium eine Sicherungsmaßnahme gegen einen materiell nur nachrangig haftenden Dritten angeordnet werden.106 6. Behandlung von „Scheinverschiebungen“ Zum bisherigen Gesetz wurde teilweise vertreten, dass (jedenfalls) „Scheinverschiebungen“ (z. B. „Parken“ von Geld auf dem Konto einer nahestehenden Person, ohne dass diese darüber eigenständig verfügen können soll) durch § 73 III StGB a. F. nicht erfasst werden könnten. Die dahin105  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 75. Grundsätze ähneln insoweit der Lösung von Barreto da Rosa, NJW 2009, 1702 (1704), der auf Grundlage des bislang geltenden Rechts zwar Gesamtschuld annimmt, aber die Staatsanwaltschaft hinsichtlich ihrer Ermessensausübung dazu anhält, Sicherungsmaßnahmen vorrangig gegen den Tatbeteiligten zu richten. Soweit er für den ausnahmsweisen Zugriff auf den Dritten neben dem Fall, dass beim Tatbeteiligten „kein oder nicht ausreichend Vermögen ermittelt oder gesichert werden kann“ auch den Fall anerkennt, dass die Sicherung bei diesem „einen erheblich größeren Aufwand bedeutete“, kann dem jedoch nicht gefolgt werden. 106  Diese

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

terstehende These, dass der Dritte in diesen Fällen nichts „erlangt“, konnte jedoch auf ein Missverständnis über das Verständnis dieses Merkmals zurückgeführt werden. Richtigerweise lag hier also schon bislang kein Problem.107 Die Begründung des Reformgesetzes thematisiert diese Problematik zwar nicht, der Wortlaut des § 73b I 1 Nr. 2 StGB löst das bisher mögliche Missverständnis jedoch endgültig auf: Verlangt wird nämlich statt eines „Erlangens“ des Tatertrages durch den Drittbegünstigten, dass dieser ihm „übertragen“ worden ist.108 Diese Voraussetzung ist ohne weiteres dahingehend auszulegen, dass eine (bloß) formalrechtliche „Übertragung“ ausreicht und eine faktisch-wirtschaftliche Betrachtung (hier) nicht geboten ist. Als problematisch könnte sich bei diesem Verständnis allerdings die Regelung der Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) darstellen. Möglicherweise muss zumindest für diese Vorschrift unterschieden werden, ob ein Drittbegünstigter nur formal oder faktisch-wirtschaftlich Eigentümer eines Gegenstandes geworden ist. Denn kann es richtig sein, dass ein nur formal erwerbender Dritter ggf. auch auf Wertersatz für den „verschobenen“ Gegenstand haftet? Dieses Problem löst sich aber auf: Zweifelhaft ist die Wertersatzhaftung des lediglich formal erwerbenden Dritten nur dann, wenn der Gegenstand bei ihm nicht mehr vorhanden ist. Dann geht es um die Problematik der (gutgläubigen) nachträglichen Entreicherung des Drittbegünstigten, die nun in § 73e II StGB behandelt wird. 7. Erfassung von Verschiebungen durch einen Dritten § 73b I 1 Nr. 2 StGB ist nicht auf Übertragungen „des Täters oder Teilnehmers“ beschränkt. Das ist (nur) deshalb bemerkenswert, weil der Referentenentwurf diese Beschränkung noch vorgesehen hatte. Der Verzicht hierauf dürfte auf die Kritik von Bittmann zurückgehen.109 Mehrstufige Verschiebungsvorgänge werden also unabhängig davon erfasst, ob der Tatbeteiligte nur „andere Personen in die Zuwendungskette einbezieht“110 oder es sich um eigenmächtige (Weiter-)Verschiebungen seitens eines Dritten handelt. Das ist auch grundsätzlich überzeugend: Mehrstufige Verschiebungsvorgänge dürften insbesondere für den Bereich des Wirtschaftsstraf107  Zum

Ganzen 2.  Kap. D. II. 2. a). war im RefE noch nicht der Fall, die Verwendung des Terminus „übertragen“ wurde durch DAV, Stellungnahme RefE, S. 18 (allerdings aus anderem Grunde) angeregt. 109  Bittmann, NZWiSt 2016, 131 (132); s. auch WisteV, Stellungnahme RefE, S. 17. 110  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56, s. auch S. 66. 108  Dies



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“233

rechts (mit seinen häufig komplexen „Geldkreisläufen“) praktisch sehr relevant sein und auf ein Ausgehen der Verschiebung vom Tatbeteiligten kann es hier in der Tat nicht ankommen. Freilich stellt sich zugleich die Frage nach den Grenzen der scheinbar endlos fortsetzbaren „Kettenbildung“, darauf wird noch zurückzukommen sein.111 8. Ergebnis Die Regelung des „Verschiebungsfalls“ in § 73b I 1 Nr. 2 StGB war  – nicht nur, aber auch durch die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie – geboten und sie fällt grundsätzlich erfreulich aus. Besonders zu begrüßen ist die Verabschiedung von der Absicht, die Einziehung des Tatertrags zu vermeiden bzw. die Tat zu verschleiern. Es besteht allerdings auch noch allerlei Anlass zu Kritik: Die Wendung „oder ohne rechtlichen Grund“ in § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB sollte gestrichen werden. In § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB ist der unmittelbar von der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie übernommene Grad der Bösgläubigkeit klarstellend auf „Kenntnis oder Leichtfertigkeit“ umzustellen. Bei der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts der Bösgläubigkeit droht das Gesetz unstimmig zu werden, der Zeitpunkt ist hier ausdrücklich auf den Abschluss des Geschäftes festzulegen. Eine schwerwiegende Lücke wird schließlich dadurch gelassen, dass keine Regelung der Problematik des Haftungsverhältnisses bei mehreren auf das Gleiche Haftenden geliefert wird, die § 73b I 1 Nr. 2 StGB in Verbindung mit der Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) aufwirft.

IV. Der „Erbfall“ (§ 73b I 1 Nr. 3 StGB) Mit der neuen Regelung des § 73b I 1 Nr. 3 StGB wird auch derjenige zum Adressaten der Einziehung, auf den das Erlangte als Erbe übergegangen [lit. a)] bzw. als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen [lit. b)] worden ist. 1. Bisheriger Stand Ganz neu ist diese Ausweitung der Abschöpfung nicht: Bereits in der frühen Vorläuferregelung des § 7 IV / § 16 VI PreistreibereiVO 1918 / 1923 war ein Übergang der Haftung auf den Erben vorgesehen.112 Nach bislang geltendem Recht war eine Abschöpfung des Erlangten in diesen Fällen al111  Dazu 112  s.

anhand des Ausschlussgrundes des § 73b I 2 StGB unter V. dazu 2.  Kap. A. I. 2.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

lerdings nicht möglich. Das folgt richtigerweise schon daraus, dass § 73 III StGB a. F. nur auf unmittelbare Drittbegünstigte anwendbar war.113 Aber auch der BGH hatte bereits in einer der ersten Entscheidungen nach seinem Leiturteil zu § 73 III StGB a. F. ausgesprochen, dass der Dritte beim Erwerb durch Erbfolge „den Vorteil unabhängig von der Tat aufgrund eines für sich gesehen unbemakelten Erwerbsvorganges […] erlangt […]“.114 Vereinzelt geblieben ist dagegen eine Entscheidung des OLG Stuttgart, nach der eine selbständige Anordnung des Verfalls (§ 76a I StGB a. F.) auch noch nach dem Tod des begünstigten Tatbeteiligten gegen seine Erben zulässig sein sollte.115 Dabei hat das Gericht den Wortlaut des § 76a I StGB a. F. nicht hinreichend beachtet, der erforderte, dass „die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben oder zugelassen ist, im übrigen vorliegen.“ Dies war hier (auch) in Bezug auf die Erben zu prüfen, die Voraussetzungen des § 73 III StGB a. F. lagen bei ihnen aber nicht vor.116 2. Begründung der Erfassung des „Erbfalls“ In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass es „bei wertender Betrachtung keinen Unterschied macht, ob der Drittbegünstigte den Tatvorteil unentgeltlich oder als Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder als Vermächtnisnehmer erlangt.“117 Diesem sich aus § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB ergebenden „Wertungswiderspruch“ solle § 73b I 1 Nr. 3 StGB abhelfen. Diese Argumentation überzeugt. Die Einziehung von Taterträgen ist generalpräventiv grundsätzlich überall dort gerechtfertigt, wo sie aufgefunden werden; die entscheidenden Grenzen der Einziehung bei Drittbegünstigten sind in der Berücksichtigung ihrer gutgläubigen Entreicherung zu suchen.118 Die Fälle des Erwerbs als Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer sind nun tatsächlich nur weitere Beispiele eines unentgeltlichen Erwerbs, in denen (jedenfalls anfängliche) Entreicherung ausscheidet und die Einziehung daher möglich sein sollte. Eine Bösgläubigkeit des Erwerbers ist ausgehend hiervon genau wie bei § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB nicht erforderlich. 113  Dazu

eingehend 2.  Kap. D. II. NStZ 2001, 257 (258). 115  OLG Stuttgart NJW 2000, 2598 (2599). 116  Ausführlich und mit weiteren Argumenten OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2006, 39 (40 ff.). So auch SSW / Burghart, § 76a Rn. 9; SS / Eser, § 76a Rn. 5; Fischer, § 76a Rn. 6; NK / Herzog / Saliger, § 76a Rn. 7; MK / Joecks, § 76a Rn. 6; Lackner / Kühl / Heger, § 76a Rn. 2; LK / Schmidt, § 76a Rn. 9. 117  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56 f. 118  Grundlegend dazu 1.  Kap. C. III. 3. b) aa). 114  BGH



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“235

Verfehlt wäre es dagegen insbesondere, § 73b I 1 Nr. 3 StGB mit dem Gedanken der BGH-Entscheidung zum bislang geltenden Recht zu kritisieren, wonach der Eigentumsübergang durch Erbschaft einen „rechtlich einwandfreien Erwerbsvorgang“ darstelle und die Einziehung daher nicht in Betracht kommen dürfe.119 Der BGH ist mit dieser Bemerkung, die zur Ablehnung der Anwendung des § 73 III StGB a. F. auf einen Erwerb durch Erbschaft im Übrigen keineswegs erforderlich gewesen wäre,120 über das Ziel hinausgeschossen: Es ist nicht ersichtlich, wieso eine Erbschaft (§ 73b I 1 Nr. 3 StGB) ein per se „rechtlich einwandfreier Erwerbsvorgang“ sein soll, eine Schenkung [§ 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB] aber per se nicht.121 Die Regelung des „Erbfalls“ ist also als stimmige Parallele zu § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB grundsätzlich zu begrüßen. 3. (Zeitliche) Reichweite des „Erbfalls“ Als problematisch könnte sich allerdings die (zeitliche) Reichweite dieser Bestimmung erweisen. So kann zwischen Begehung der Tat und Tod des Tatbeteiligten ggf. ein langer Zeitraum verstreichen. Hinzu kommt, dass § 73b I 1 Nr. 3 StGB nicht einmal erfordert, dass der Tatbeteiligte der Erblasser ist.122 Damit kann die Regelung, auch im Zusammenspiel mit § 73b I 1 Nr. 2 StGB, theoretisch unbegrenzt nacheinander erfolgende Vererbungen, Verschiebungen etc. erfassen. Das bereits von § 73b I 1 Nr. 2 StGB her bekannte „Kettenproblem“ wird hier also noch verschärft.123 Bedeutet das also, dass Vermögenswerte nun sogar über Generationen hinweg der Gefahr unterliegen, als aus Straftaten herrührend identifiziert und als solche abgeschöpft zu werden? 119  So

aber BRAK, Stellungnahme RefE, S. 5. wenn man mit dem BGH grundsätzlich eine mittelbaren Erwerb erfassende Auslegung des § 73 III StGB a. F. verfolgte, war ein vom Wortlaut des § 73 III StGB a. F. gefordertes „Handeln für einen anderen“ für einen anderen beim Erwerb durch Tod des Tatbeteiligten schlechthin nicht mehr zu begründen. Das deutet auch der BGH an, wenn er davon spricht, dass der Vorteil hier „unabhängig von der Tat“ erworben wurde. Auch die Grundsätze des BGH zu den „Verschiebungsfällen“ hätten hier keiner Konkretisierung bedurft: Sie waren ohnehin auf rechtsgeschäftliche Zuwendungen begrenzt, s. BGHSt 45, 235 (246). 121  Namentlich spielen etwaige Absichten, die bei einer Schenkung ggf. vorhanden und bei einer Erbschaft von vornherein ausgeschlossen sein mögen, richtigerweise keine Rolle, s. dazu III. 2. 122  Anders noch der RefE; die Änderung ist wohl im Zusammenhang zu sehen mit derjenigen bei § 73b I 1 Nr. 2 StGB, wonach keine Übertragung „des Tatbeteiligten“ mehr erforderlich ist, s. dazu III. 7. 123  Dazu bereits unter III. 7. und im Zusammenhang mit § 73b I 2 StGB noch unter V. 120  Selbst

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Zu berücksichtigen ist, dass die Abschöpfung bei Erben, Pflichtteilsberechtigten oder Vermächtnisnehmern bei Tod des Tatbeteiligten nur im selbständigen Verfahren (§ 76a I–III StGB) in Betracht kommt und dieses nach dem neuen § 76b I StGB grundsätzlich einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegt. Damit bildet zwar nicht mehr (wie bislang) die Verjährung der zugrundeliegenden Straftat eine äußere Grenze der Abschöpfbarkeit,124 gegen die klare, pauschal 30-jährige Frist  – die sich auf die Vorbilder der §§ 197, 852 BGB stützen kann – können aber keine grundlegenden Einwände erhoben werden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings § 76b II StGB: Danach soll namentlich in den Fällen des § 78 II StGB (Unverjährbarkeit des Mordes) auch die (selbständige) Einziehung keiner zeitlichen Grenze unterliegen. Mit Blick auf den Mörder selbst mag § 78 II StGB eine verständliche Ausnahme und § 76b II StGB nur konsequent sein; an die Auswirkungen auf Drittbegünstigte wurde aber offenbar nicht gedacht. Die Regelung bedeutet nämlich, dass die Abschöpfung der Taterträge bei Nachkommen des Mörders keiner zeitlichen Grenze unterläge. Zu denken wäre etwa an die Entlohnung des (berufsmäßigen) Auftragskillers oder die Beute des Habgier-Mörders: Werden solche Mittel z. B. in Immobilien investiert, droht noch den Enkeln, Urenkeln usw. der Entzug des Eigenheims. Das kann nicht richtig sein. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die besonderen Gründe, die für die Ausnahmeregelung des § 78 II StGB sprechen, gegenüber den Nachkommen des Mörders überhaupt Geltung beanspruchen. Jedenfalls wurde bei § 78 II StGB aber auch nur an eine Erstreckung der Verfolgung der Tat bis zum Tod des Tatbeteiligten gedacht; eine Erstreckung ad infinitum wäre aber etwas völlig anderes und mit dem Ziel des Schutzes des Rechtsfriedens schlechthin nicht mehr vereinbar. Vorbehaltlich einer entsprechenden Anpassung des § 76b II StGB erscheint es deshalb zwingend geboten, die Regelung dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass sie nicht für Drittbegünstigte gilt (für die dann stets auf § 76b I StGB zurückzugreifen ist). Mit dieser Ausnahme unterliegt die Abschöpfung in den „Erbfällen“ des § 73b I 1 Nr. 3 StGB also immerhin einer klaren, zeitlichen Grenze. 4. Ergebnis Die Regelung des „Erbfalls“ in § 73b I 1 Nr. 3 StGB bildet also eine konsequente Ergänzung zu den (unentgeltlichen) „Verschiebungsfällen“ des 124  So auch noch die Regierungsbegründung, s. BT-Drucks. 18 / 9525, S. 72; zur Änderung und Einfügung des § 76b StGB Beschlussempfehlung BT-Rechtsausschuss, BT-Drucks. 18 / 11640, S. 83 f.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

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§ 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB. Eine nicht grundlegend zu beanstandende, zeitliche Grenze findet die Regelung in der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 76b I StGB  – die Unverjährbarkeit der Einziehung bei Mord (§ 76a II StGB) geht allerdings für „Erbfälle“ zu weit.

V. Ausschluss bei gutgläubigem, entgeltlichem Zwischenerwerb (§ 73b I 2 StGB) Nach § 73b I 2 StGB ist die Anwendung von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB ausgeschlossen, wenn das Erlangte zuvor einem (anderen) Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen,125 dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen worden war. 1. Begründung des Gesetzgebers Die Begründung dieser Klausel fällt recht kryptisch aus: Man übernehme auch insofern die Rechtsprechung des BGH zu § 73 III StGB a. F., verwiesen wird auf die Passage zu den „Erfüllungsfällen“.126 Nun waren die Grundsätze des BGH zu den „Erfüllungsfällen“ aber bloß klarstellend,127 eine gesonderte Übernahme daher weder erforderlich, noch wirklich möglich. § 73b I 2 StGB besagt auch etwas anderes: Es geht nicht darum, dass die Einziehung nicht gegen denjenigen gerichtet werden kann, der gutgläubig und entgeltlich erwirbt („Erfüllungsfall“), denn das folgt im Umkehrschluss bereits aus § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB. Vielmehr geht es darum, dass jemand einen Gegenstand zwar grundsätzlich unter dem Umständen von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB erwirbt, aber zuvor bereits jemand anderes diesen gutgläubig und entgeltlich erworben hatte. Sich für diese Regelung auf die Grundsätze des BGH zu den „Erfüllungsfällen“ zu berufen, bedeutet, diese aus dem Zusammenhang zu reißen: Zwar hat der BGH allgemein von einer „Zäsur durch ein von der Tat unabhängiges Rechtsgeschäft“ gesprochen.128 Das sollte aber nur belegen, dass hierdurch der „Unmittelbarkeitszusammenhang“  – wie ihn der BGH zur Auslegung des Merkmals „dadurch … erlangt“ bei § 73 III StGB a. F. verstand  – unterbrochen sei. 125  Auch hier ist unter „hätte erkennen müssen“ Leichtfertigkeit zu verstehen und eine entsprechende, sprachliche Anpassung wäre wünschenswert, s. entsprechend zu § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB bereits III. 4. a). 126  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 67. 127  Näher dazu 2.  Kap. C. III. 3. b). 128  BGHSt 45, 235 (247).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Auf einen solchen Zusammenhang verzichtet die Neuregelung, die nun ausdrücklich auch bestimmte Fälle mittelbaren Erwerbs erfasst (§ 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB), aber gerade von vornherein. Nach dem Ansatz des neuen Gesetzes ist die Annahme einer solchen Zäsur also jedenfalls nicht mehr zwingend. Eine schlüssige Erklärung von § 73b I 2 StGB ist der Gesetzesbegründung also nicht zu entnehmen. 2. Die Parallele zu § 261 VI StGB Ein – von der Gesetzesbegründung allerdings nicht angesprochenes – Vorbild findet die Regelung des § 73b I 2 StGB in § 261 VI StGB: Danach ist die Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach § 261 II StGB („Isolierungstatbestand“) ausgeschlossen, „wenn zuvor ein Dritter den Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen.“ Dem Gesetzgeber zufolge soll diese Regelung insbesondere dazu dienen, einem gutgläubigen Erwerber eines Gegenstandes die Weiterveräußerung zu ermöglichen, auch wenn er zwischenzeitlich bösgläubig geworden ist.129 Man kann auch sagen, dass der Isolierungszweck des § 261 II StGB durch den erfolgreichen Absatz an einen gutgläubigen Vorerwerber bereits endgültig vereitelt worden ist.130 Der BGH spricht davon, dass zum Schutz des Rechtsverkehrs die Entstehung unangemessen langer Ketten von Anschlusstaten verhindert werden solle.131 Ein entsprechendes „Kettenproblem“ wird grundsätzlich auch durch § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB geschaffen, wenngleich hier anders als bei der Geldwäschestrafbarkeit Konsequenzen für den gutgläubigen (und entgeltlichen) Zwischenerwerber nicht zu befürchten sind. Übertragen lässt sich auch der Gedanke, dass der generalpräventive Zweck der Isolierung des Tatbeteiligten vereitelt ist, wenn es ihm bereits gelungen ist, das Erlangte „entgeltlich und mit rechtlichem Grund“ (§ 73b I 2 StGB) zu veräußern.132 § 73b I 2 StGB setzt also (zum Schutz des Rechtsverkehrs) der theoretisch unendlich fortsetzbaren „Kettenbildung“ eine Grenze. 3. Ergebnis Der Ausschlussgrund des § 73b I 2 StGB wird vom Gesetzgeber zwar unschlüssig begründet, er lässt sich aber mit einer Parallele zu § 261 VI 129  Entwurfsbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 12 / 3533, S. 14 f.; s. auch Begründung des Bundesrats, BT-Drucks. 12 / 989, S. 28. 130  NK / Altenhain, § 261 Rn. 86. 131  BGHSt 55, 36 (56). 132  Zum Vergleich von § 73b I 1 Nr. 2 StGB mit § 261 II StGB im Hinblick auf den generalpräventiven Isolierungszweck s. bereits III. 2. b) cc).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“239

StGB erklären. Letztlich wirkt er als angemessene Grenze des von der Geldwäsche her bekannten und nun auch bei der Abschöpfung von Taterträgen auftretenden „Kettenproblems“.

VI. Übertragung bzw. Übergang von Wertersatz, Nutzungen und Surrogaten (§ 73b II, III StGB) Nach § 73b II, III StGB ist § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB auch anwendbar auf Gegenstände, die „dem Wert des Erlangten [entsprechen]“ (§ 73b II Alt. 1 StGB), sowie gezogene Nutzungen (§ 73b II Alt. 2 StGB) und bestimmte Surrogate (§ 73b III StGB). Damit werden drei Konstellationen auf gleicher Ebene behandelt, die eigentlich deutlich unterschieden werden müssten: Mit § 73b II Alt. 2, III StGB wird auf den Grundtatbestand der Einziehung von Taterträgen (§ 73 StGB) Bezug genommen, nach dessen Absatz 2 auch gezogene Nutzungen einzuziehen sind und nach dessen Absatz 3 bestimmte Surrogate eingezogen werden können. § 73b II Alt. 2, III StGB stellt nun lediglich klar, dass § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB auch auf diese Gegenstände anwendbar ist. Das ist nicht weiter bemerkenswert. Von eigenständiger Bedeutung ist dagegen die Regelung des § 73b II Alt. 1 StGB, mit der an bestehende Rechtsprechung zu § 73 III StGB a. F. und eine Forderung der VermögensabschöpfungsRichtlinie angeknüpft wird.133 Zur Problematik dieser Ausweitung verhält sich die Reformbegründung, die nur auf die bisherige Rechtsprechung verweist,134 nicht: Beispiel 1: X erlangt durch ein rechtswidriges Steuerdelikt einen Vermögensvorteil in Form ersparter Aufwendungen. Kann X diesen (eigentlich ungegenständlichen) Tatertrag überhaupt „verschieben“? Wenn dies grundsätzlich bejaht wird: Wonach wäre zu entscheiden, auf welche Kontoverfügungen, die X von nun an vornimmt, § 73b I 1 Nr. 2 StGB inwieweit anwendbar ist oder sind schlicht alle vollständig betroffen? Beispiel 2: Y erlangt durch ein rechtswidriges Vermögensdelikt Geldscheine, die er auf sein Konto einzahlt, auf dem sich auch noch sonstiges Vermögen befindet. Auch hier stellt sich die Frage, ob und wenn ja inwieweit Y den deliktisch erlangten Vermögensvorteil jetzt noch „verschieben“ kann.

Anhand der Beispiele lässt sich auch belegen, dass es für die Gegenstände des § 73b II Alt. 2, III StGB ebenfalls auf § 73b II Alt. 1 StGB ankommen kann (letztere Regelung also übergeordneten Gehalt hat), weshalb die Regelungstechnik unglücklich ist: 133  s. 134  s.

dazu A. II. 4. BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56, 67.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Variante zu Beispiel 1: X erlangt zudem Zinsen auf sein Bankguthaben, die z. T. als Nutzung der ersparten Aufwendungen zu erklären sein könnten. Variante zu Beispiel 2: Y erlangt zudem andere Wertgegenstände, die er zunächst gegen Geld veräußert (§ 73 III Nr. 1 StGB), welches er dann ebenfalls auf sein Konto einzahlt.

Im Folgenden ist die Regelung des § 73b II Alt. 1 StGB näher zu untersuchen. 1. Behandlung der Problematik in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung hielt einen „Verschiebungsfall“ auf Grundlage des bisherigen Rechts auch dann für möglich, wenn das Erlangte nur aus ersparten Aufwendungen besteht, es also von vornherein (nur) um die „Zuwendung des Wertersatzes“135 geht.136 Auch die Vermischung von illegalen mit legalen Vermögensbestandteilen vor einer Verschiebung wurde für unbeachtlich erklärt.137 In der Literatur treffen diese Annahmen verbreitet auf Zustimmung.138 Um nicht sämtliche Vermögensverfügungen eines Betroffenen zu erfassen, bei dem der Tatertrag in seinem Gesamtvermögen von vornherein nicht zu identifizieren ist bzw. sich nachträglich mit diesem vermischt hat, wurde namentlich die Absicht des Verschiebenden herangezogen, die der BGH bei den „Verschiebungsfällen“ gefordert hat.139 Da die Reform nun aber bewusst und überzeugend auf die Voraussetzung einer solchen Absicht des Verschiebenden zugunsten einer rein objektiven Betrachtungsweise verzichtet, kann den hier aufgeworfenen, objektiven Fragen nicht länger ausgewichen werden. Hierzu ist zwischen zwei grundlegend verschiedenen, dogmatischen Ansätzen zu unterscheiden. 135  So

die Formulierung bei BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56. wistra 2010, 406; NStZ 2014, 89 (94, insoweit in BGHSt 59, 45 nicht abgedruckt); wistra 2014, 219 (222); OLG Karlsruhe NJW 2008, 162 (163); OLG Düsseldorf Beschl. v. 02.04.2009  – 1 Ws 119 / 09, Rn. 11 (juris); OLG Köln Beschl. v. 23.09.2009  – 2 Ws 440 / 09, Rn. 6 (juris); KG Berlin Beschl. v. 01.03.2016  – 4 Ws 6 / 16, Rn. 32 (juris). 137  BGH NStZ 2014, 89 (94, insoweit in BGHSt 59, 45 nicht abgedruckt); wistra 2014, 219 (222); OLG Hamburg NJW 2005, 1383 (1384 f.); OLG Köln NStZ-RR 2008, 107 (108); KG Berlin Beschl. v. 01.03.2016  – 4 Ws 6 / 16, Rn. 32 (juris). 138  Eingehend Rhode, wistra 2012, 85 (87 ff.); so auch Fischer, § 73 Rn. 32, 35; Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 127; NK / Saliger, § 73 Rn. 36a; LK / Schmidt, § 73 Rn. 54 (nur zur Vermischung). Widersprüchlich Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 82 („Verschiebungsfall nicht denkbar“) einerseits, S. 86 ff. (Darstellung der Rechtsprechung ohne Widerspruch) andererseits. 139  Dazu bereits III. 2. b) bb). s. auch NK / Saliger, § 73 Rn. 36a: „Das Tatgericht hat insoweit maßgeblich die Intention der Tatbeteiligten festzustellen.“ 136  BGH



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“241

2. Die Problematik auf Grundlage herkömmlicher Dogmatik Nach herkömmlicher Dogmatik käme es auch in den angesprochenen Fällen, in denen das Erlangte von vornherein nur aus ersparten Aufwendungen besteht oder sich im Nachhinein mit legalem Vermögen vermischt hat, darauf an, dass in dem Gegenstand, für den die Anwendung von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB erwogen wird, der ursprüngliche Tatertrag identifiziert wird. Fraglich ist jedoch, ob bzw. inwieweit in diesen Fällen eine Identifizierung des Tatertrages in einem übertragenen Vermögensgegenstand überhaupt möglich ist. a) Die entsprechenden Diskussionen bei der Geldwäsche (§ 261 StGB) Zur Beantwortung dieser Frage lohnt sich zunächst ein Seitenblick auf entsprechende Diskussionen beim Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB). aa) „Verdünnung“ der rechtswidrigen Vermögensbestandteile Der Geldwäschetatbestand (§ 261 StGB) richtet sich gegen Handlungen, die an Gegenständen, die aus bestimmten rechtswidrigen Taten „herrühren“, vorgenommen werden. Der weite Begriff des „Herrührens“ dient insbesondere der Erfassung von Gegenständen, die nur mittelbar auf die Vortat zurückzuführen sind, wobei der Gesetzgeber die konkrete Grenze des Zugriffs bewusst offen gelassen hat.140 Aufgrund der Gleichwertigkeit aller Kausalfaktoren werden dadurch grundsätzlich auch Gegenstände erfasst, deren Vermögenswert nicht ausschließlich auf der Vortat beruht, sondern teilweise auf Vermischung mit anderen Vermögenswerten oder Verarbeitung.141 Die Behandlung dieser Fälle ist allerdings äußerst umstritten. Im Wesentlichen stehen sich die sog. Lehren von der Total- bzw. Teilkontamination gegen140  s. Begründung des Bundesrats, BT-Drucks. 12 / 989, S. 27: „Der Begriff ‚Herrühren‘ erfaßt bewußt auch eine Kette von Verwertungshandlungen, bei welcher der ursprüngliche Gegenstand unter Beibehaltung seines Wertes durch einen anderen ersetzt wird […] Bei der näheren Auslegung des Begriffs ‚Herrühren‘ wird zu beachten sein, daß einerseits ein Interesse besteht, den Zugriff nicht schon nach einem ‚Waschvorgang‘ zu verlieren. Andererseits findet der Rückgriff auf die Herkunft seine Grenze dort, wo der Wert des hier in Betracht kommenden Gegenstandes durch Weiterverarbeitung im wesentlichen auf eine selbständige spätere Leistung Dritter zurückzuführen ist. Auch diese Fälle mit dem Merkmal ‚Herrühren‘ erfassen zu wollen, würde […] auch dazu führen können, daß der legale Wirtschaftsverkehr in kürzester Zeit mit einer Vielzahl inkriminierter Gegenstände belastet wird.“ 141  Vgl. NK / Altenhain, § 261 Rn. 52.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

über. Nach ersterer Ansicht ist ein Gegenstand trotz seiner auch legalen Herkunft stets vollständig als möglicher Tatgegenstand des § 261 StGB anzusehen.142 Nach letzterer Ansicht soll ein Gegenstand nur insoweit aus der Vortat „herrühren“, wie er dem Wert des unmittelbar aus der Vortat erlangten Gegenstands entspricht.143 Die Lehre von der Teilkontamination dürfte dem Rechtsgefühl zunächst eher entsprechen. Aber wann und inwieweit ist dann ein bestimmter Vermögensgegenstand, der aus einem „teilkontaminierten“ Vermögen heraus übertragen wird, selbst kontaminiert? Hierzu wird von den Anhängern der Lehre von der Teilkontamination vieles vertreten, schlüssig zu beantworten ist diese Frage aber nicht:144 Beispiel: Kontoguthaben i. H. v. 10.000 €, welches zur Hälfte kontaminiert ist. Wird nun eine Überweisung i. H. v. 1.000 € vorgenommen, ist diese dann nicht kontaminiert, weil sie den kontaminierten Teil  (hier 5.000 €) nicht überschreitet? Dann könnte das Guthaben ohne weiteres in kleineren Beträgen abgetragen werden. Ansonsten: Ließe sich entscheiden, ob nur die ersten oder die letzten Teile des Vermögens kontaminiert sind; oder ist jede Überweisung zur Hälfte betroffen, wenn das Guthaben zur Hälfte kontaminiert ist?

Hier zeigt sich: Das Problem, dass rechtswidriges Vermögen nach einer Vermischung mit legalem Vermögen als solches nicht mehr zu identifizieren ist, lässt sich nicht ohne Willkür wegdefinieren. bb) Identifizierung von ersparten Aufwendungen im Vermögen Nach § 261 I 3 StGB soll der Straftatbestand der Geldwäsche u. a. auch anwendbar sein auf die durch bestimmte Steuerdelikte ersparten Aufwendungen. In der Literatur wird diese Regelung verbreitet für wenig durchdacht und allenfalls in Ausnahmefällen verfassungskonform anwendbar befunden:145 Es sei regelmäßig nicht möglich, die ersparten Aufwendungen 142  BGH NJW 2015, 3254; OLG Karlsruhe NJW 2005, 767 (769 f.); NK / Altenhain, § 261 Rn. 76; Lackner / Kühl, § 261 Rn. 5; LK / Schmidt / Krause, § 261 Rn. 12; unklar MK / Neuheuser, § 261 Rn. 53 f., 57 (entspricht Totalkontamination), Rn. 55 (entspricht Teilkontamination). 143  SK / Hoyer, § 261 Rn. 14; SSW / Jahn, § 261 Rn. 31; BeckOK / Ruhmannseder, § 261 Rn. 18; SS / Stree / Hecker, § 261 Rn. 11. 144  Das kann hier nur angedeutet werden, zum Folgenden eingehend NK / Altenhain, § 261 Rn. 75 mit zahlreichen Nachweisen zu den vertretenen Varianten und der jeweiligen Kritik. 145  NK / Altenhain, § 261 Rn. 83; GJW / Eschelbach, § 261 Rn. 15 f.; Fischer, § 261 Rn. 8a ff., 16c; SSW / Jahn, § 261 Rn. 24; MK / Neuheuser, § 261 Rn. 40; BeckOK / Ruhmannseder, § 261 Rn. 22.1; AK / Sommer, § 261 Rn. 8; SS / Stree / Hecker, § 261 Rn. 12; eingehend Samson, in: FS Kohlmann (2003), S. 263 (265 ff.); dagegen allerdings SK / Hoyer, § 261 Rn. 11a, 14a; LK / Schmidt / Krause, § 261 Rn. 13.



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so zu konkretisieren, dass „etwas“ vorhanden ist, an dem eine tatbestandsmäßige Handlung vollzogen werden könnte. Das ist zutreffend und die Regelungskonstruktion erfordert tatsächlich auch, dass die Handlung gerade an den „ersparten Aufwendungen“ als solchen vorgenommen werden muss. Daher wird es zu Recht als unzulässig bewertet, trotz des nicht herstellbaren Bezugs einzelne, wertmäßig entsprechende Gegenstände aus dem Vermögen des Betroffenen als die ersparten Aufwendungen anzusehen.146 Denn dies wäre eine reine Fiktion. Genauso unzulässig wäre es, das ganze Vermögen des Betroffenen als betroffen anzusehen.147 Mit einiger Berechtigung ist deshalb davon gesprochen worden, dass der Gesetzgeber hier eine Vorschrift „mit offenbar unsinnige[m] Gehalt“ geschaffen hat,148 die für den Großteil ihrer beabsichtigen Anwendungsfälle letztlich unanwendbar ist. cc) Ergebnis Die beiden bei der Geldwäsche diskutierten Problemkreise sind jeweils im Kern darauf zurückzuführen, dass dort der betroffene Gegenstand grundsätzlich aus der Vortat „herrühren“, ihr also zugeordnet werden können muss. Es ist deutlich geworden, dass der Gesetzgeber damit teilweise (nahezu) Unmögliches verlangt: Die Identifizierung des rechtswidrig Erlangten in einem bestimmten, übertragenen Vermögensgegenstand bei von vornherein nur ungegenständlichen Vorteilen (wie ersparten Aufwendungen) und nach Vermischung der deliktischen mit legalen Vermögensbestandteilen. b) Das Verständnis von „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“ Die Formulierung von § 73b II Alt. 1 StGB („Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“), die der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie entlehnt ist,149 scheint auf den ersten Blick die Probleme des Geldwäschetatbestands zu umgehen: Der Gegenstand muss danach nur dem „Wert des Erlangten entsprechen“, also nicht selbst aus der Tat „herrühren“.150 146  NK / Altenhain, § 261 Rn. 83; GJW / Eschelbach, § 261 Rn. 15 f.; Fischer, § 261 Rn. 8a ff., 16c; Samson, in: FS Kohlmann (2003), S. 263 (270 f.). 147  NK / Altenhain, § 261 Rn. 83; GJW / Eschelbach, § 261 Rn. 15 f.; Fischer, § 261 Rn. 8a ff., 16c; MK / Neuheuser, § 261 Rn. 40; BeckOK / Ruhmannseder, § 261 Rn. 22.1; AK / Sommer, § 261 Rn. 8; SS / Stree / Hecker, § 261 Rn. 12. 148  Samson, in: FS Kohlmann (2003), S. 263 (265). 149  Art. 6 I der Richtlinie: „[…]Vermögensgegenstände […] deren Wert den Erträgen entspricht […]“; s. A. I. 150  Unbedacht dürfte dagegen sein, was sich als Bezugspunkt der Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten bei Anwendung von § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB in Verbindung

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Die Formulierung erfordert aber immerhin einen gewissen Zusammenhang zwischen Gegenstand und Erlangtem bzw. dessen Wert. Wie dieser genau aussehen soll, ist unklar. Die Begründung spricht nur von einer „Zuwendung bzw. Weiterreichung des Wertersatzes“, ohne dass deutlich würde, was „der Wertersatz“ sein soll.151 Auch die ähnlich formulierte Vermögensabschöpfungs-Richtlinie enthält für das Verständnis dieser Wendung keine weiterführenden Hinweise.152 Zwei Interpretationsmöglichkeiten kommen in Betracht. aa) Wertmäßiges Entsprechen? Vom objektiven Wortsinn her erscheint zunächst ein Verständnis naheliegend, wonach mit „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“ eine wertmäßig dem einzuziehenden Betrag entsprechende Verfügung gemeint ist.153 Beispiel 1: X erlangt durch ein rechtswidriges Steuerdelikt ersparte Aufwendungen i. H. v. 10.000 €. Anschließend nimmt er drei Vermögensverfügungen in unterschiedlicher Höhe (1.000 €, 10.000 € und 100.000 €) vor. Ein „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“, scheint hiernach nur für die zweite Verfügung vorzuliegen.

Es käme dann jedenfalls von vornherein nicht darauf an, inwieweit eine Vermischung von legalen und inkriminierten Vermögensbestandteilen stattgefunden hat. Beispiel 2: Y erlangt durch ein rechtswidriges Vermögensdelikt Geldscheine im Wert von 1.000 €, die er auf sein Konto einzahlt, welches zuvor bereits ein Guthaben von 10.000 € aufgewiesen hatte. Anschließend nimmt er ebenfalls nacheinander drei Überweisungen i. H. v. 100 €, 1.000 € und 9.900 € vor. Ein „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“, scheint aber auch hier nur der zweiten Überweisung zugrunde zu liegen.

mit § 73b II Alt. 1 StGB ergibt: Die Wendung „dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt“ müsste hier wohl zu lesen sein als „dass der Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht, aus der rechtswidrigen Tat herrührt“. 151  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56, 67. 152  In Erwägungsgrund  11 der Richtlinie wird lediglich ausgeführt, dass mit „Erträgen aus Straftaten“ auch solche Vermögensgegenstände gemeint seien, „die mit aus rechtmäßigen Quellen erworbenen Vermögensgegenständen vermischt wurden, bis zur Höhe des Schätzwerts der Erträge, die vermischt wurden.“ Das wirft im vorliegenden Zusammenhang jedoch genau die Fragen auf, die sich bereits bei § 261 StGB auf Grundlage der Lehre von der Teilkontamination stellen. 153  Das würde zugleich einer der diskutierten Anwendungsmöglichkeiten des § 261 I 3 StGB entsprechen, die allerdings mit dem Wortlaut dieser Regelung nicht vereinbar ist, dazu soeben unter a) bb).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“245

Warum sollten in diesen Beispielen aber die jeweils erste und dritte Verfügung  – diese freilich allenfalls anteilig  – nicht erfasst sein? Und wie könnte dieses Verständnis im Zusammenhang mit § 73b I 1 Nr. 3 lit. a) StGB (Gesamtrechtsnachfolge!) angewendet werden? Die Vorstellung, die Vermögensabschöpfungs-Richtlinie und Reformgesetz hier möglicherweise verfolgen, ginge dahin, dass man in diesen Fällen durch betragsmäßige Entsprechung das ursprünglich deliktisch Erlangte in einer bestimmten Verfügung „wiederfinden“ kann. Jedenfalls in aller Regel wäre dies jedoch  – wie die entsprechenden Probleme bei der Geldwäsche zeigen  – eine haltlose Fiktion. Aufgrund der in diesen Fällen regelmäßig fehlenden Identifizierbarkeit des deliktisch Erlangten in bestimmten, übertragenen Gegenständen sind hier schlicht die Grenzen des herkömmlichen Dogmas der „Verfolgung“ des ursprünglich Erlangten erreicht. Nur in den Ausnahmefällen, in denen es einer solchen Konkretisierung nicht bedarf, weil das Gesamtvermögen insgesamt oder jedenfalls in einem Umfang übertragen wird, der den legalen Vermögensanteil übersteigt, ließe sich der Ansatz noch durchhalten.154 Das müsste allerdings zu einer anderen Auslegung führen. bb) Erforderlichkeit der sicheren Feststellung eines kontaminierten Anteils? Aus dem Vorherigen folgt: Unter dem Dogma der „Verfolgung“ des ursprünglich Erlangten könnten nur Gegenstände erfasst werden, für die sicher festgestellt werden kann, dass sie den rechtswidrigen Vermögensbestandteil tatsächlich „enthalten“. Dies könnte namentlich bei § 73b I 1 Nr. 3 lit. a) StGB nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge noch am ehesten gelingen. Davon abgesehen dürfte dies aber kaum zu begründen sein. Denn zunächst wären hierzu umfassende und komplizierte Feststellungen erforderlich, die das gesamte Vermögen der Ausgangsperson und sämtliche zwischenzeitlich eingetretenen Vermögensbewegungen einbeziehen müssten. Soweit es zwischenzeitliche Bewegungen gegeben hat, wäre die erforderliche Sicherheit der Feststellung wohl schon nicht mehr möglich, weil diese auch den deliktisch erlangten Anteil „enthalten“ haben könnten. Dazu noch einmal das Beispiel 2 von soeben: Hiernach wäre allenfalls die dritte Verfügung relevant, weil erst sie (nimmt man die beiden vorherigen Überweisungen hinzu) das Kontoguthaben unter 1.000 € drückt. Aber es kann nicht mehr willkürfrei beantwortet werden, ob nicht bereits die vorherigen Überweisungen (über insgesamt 1.100 €) den deliktisch erlangten Anteil „enthalten“ haben.

154  Vgl.

NK / Altenhain, § 261 Rn. 83.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Auch sonst würden hypothetische Fragestellungen auftreten, die sich nicht mehr zuverlässig beantworten ließen (z. B. wann hätte derjenige, der durch ein rechtswidriges Steuerdelikt Aufwendungen erspart hat, überhaupt die Steuern bezahlt?).155 All dies würde entsprechende, sichere Feststellungen nicht nur erschweren, sondern teilweise sogar unmöglich machen. Der Ansatz müsste also letztlich weitestgehend im Sand verlaufen. Es erscheint im Übrigen auch zweifelhaft, ob der objektive Wortsinn von „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“ eine entsprechende Deutung (gewissermaßen als „Gegenstand, der das Erlangte enthält“) noch zuließe. Den Vorstellungen des (Reform-)Gesetzgebers dürfte eine derart beschränkte Anwendung von § 73b II Alt. 1 StGB jedenfalls nicht mehr entsprechen. cc) Ergebnis Wie die Wendung „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“ auszulegen sein soll, kann nach alledem nicht vernünftig beantwortet werden. Die erste, vom objektiven Wortsinn her naheliegende, Interpretationsmöglichkeit führt zu ersichtlich willkürlichen Ergebnissen. Der Willkür könnte nur durch die zweite Interpretationsmöglichkeit, die aber bereits zumindest die Grenzen des noch möglichen Wortsinns berührt, und nur um den Preis nahezu praktischer Unanwendbarkeit der Regelung abgeholfen werden. c) Ergebnis Mit der herkömmlichen Dogmatik, wonach es erforderlich ist, den Tatertrag im übertragenen bzw. übergegangenen Gegenstand zu identifizieren, lassen sich die hier erörterten Fälle also nur äußerst eingeschränkt lösen. Die Forderung eines „Entsprechens“ zwischen Gegenstand und Wert des Erlangten in § 73b II Alt. 1 StGB beruht offenbar auf der Fiktion, dass sich ersparte Aufwendungen und andere zum Wertersatz verpflichtende Vermögensvorteile in bestimmten Verfügungen des Betroffenen „wiederfinden“ lassen. Nimmt man diese Vorstellung ernst, ist eine entsprechende Identifikation richtigerweise allenfalls in Ausnahmefällen möglich. Zu befürchten steht, dass die Rechtspraxis sich stattdessen – zur „Rettung“ eines eigentlich unanwendbaren Gesetzes  – wieder gewisser, unsauberer Kompromisse bedienen wird. 155  Dazu anhand des parallelen Problems bei § 261 I 3 StGB Samson, in: FS Kohlmann (2003), S. 263 (273 f.).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

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3. Dogmatische Neukonstruktion: Absicherung der Wertersatzeinziehung Wenn in der Gesetzesbegründung von einer „Zuwendung bzw. Weiterreichung des Wertersatzes“ gesprochen wird,156 deutet dies aber bereits an, dass zur Erfassung dieser Fälle ein anderer, dogmatischer Ansatz gewählt werden könnte bzw. müsste, der im Wortlaut von § 73b II Alt. 1 StGB freilich noch keinen Anhalt findet. Entscheidend ist, dass in den Fällen des § 73b II Alt. 1 StGB auf der Primärebene gegen die Ausgangsperson gerade aufgrund der mangelnden Identifizierbarkeit des Tatertrags in konkreten Vermögensbestandteilen stets die Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) begründet ist und damit (folgerichtig) der Blick vom ursprünglich, gegenständlich Erlangten auf das vollständige (Legal-)Vermögen des Betroffenen gelenkt wird. Das ist auch legitim, denn die Wertersatzhaftung ist zur Ergänzung der generalpräventiven Wirkung der Einziehung von Taterträgen grundsätzlich erforderlich und entspricht dabei dem Gedanken der verschärften Bereicherungshaftung.157 Wenn also bei ersparten Aufwendungen und Vermischung auf der Primär­ ebene ohnehin das vollständige (Legal-)Vermögen des Betroffenen einbezogen ist, erscheint es von vornherein inkonsequent, auf der Sekundärebene zu versuchen, das ursprünglich Erlangte „wiederzufinden“.158 Folgerichtig wäre vielmehr nur eines: Man müsste sich auch auf der Sekundärebene vollständig von der Vorstellung verabschieden, dass es (noch) um eine Übertragung bzw. den Übergang des ursprünglich Erlangten selbst bzw. irgendeines konkreten Surrogats dessen geht. Eine entsprechende Ausweitung der Haftung des Drittbegünstigten müsste stattdessen begründet werden als Absicherung der Wertersatzeinziehung gegen den ursprünglichen Erwerber: Unter den Voraussetzungen von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB müsste man dann konsequenterweise jeden Übergang von „wertersatzbetroffenem“ Vermögen  – natürlich jeweils nur bis zur Höhe des ursprünglich Erlangten  – erfassen. a) Folgen einer solchen Konstruktion Dieser Ansatz würde also bedeuten: Sofern gegen jemanden  – sei es ein Tatbeteiligter oder ein Dritter nach § 73b StGB  – die Voraussetzungen der 156  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 56, 67. grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) bb) (1). 158  Vgl. im Ansatz Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 127 (dagegen aber bereits wieder dortige Fn. 311). Auch Rhode, wistra 2012, 85 (87 ff.) spricht grundsätzlich offen von „Weitergabe von Legalvermögen“. 157  Dazu

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) begründet sind, müsste die Übertragung bzw. der Übergang jeglichen Vermögensbestandteils Gegenstand von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB werden können. Denn es ginge einzig und allein darum, dass das für § 73c StGB zur Verfügung stehende Vermögen geschmälert wird. Darauf, dass der übertragene Vermögensgegenstand in irgendeiner Form dem ursprünglich Erlangten bzw. dessen Wert entspricht, käme es nicht an. Da eine Unterscheidung zwischen deliktisch erlangten und legalen Vermögensbestandteilen von vornherein nicht mehr geboten wäre, würde etwa auch eine klare Abtrennbarkeit der deliktischen Vermögensbestandteile keine Rolle spielen.159 Beispiel: Auf dem Girokonto von Z vermischt sich deliktisch erlangtes mit legalem Vermögen. Anschließend nimmt er eine Verfügung von seinem (nachweisbar „unbemakelten“) Tagesgeldkonto zu Gunsten eines Dritten vor. Variante: Z verbraucht zunächst das (zumindest) „teilkontaminierte“ Guthaben seines Girokontos vollständig, füllt dieses dann durch (nachweisbar „unbemakeltes“) Vermögen wieder auf und nimmt nun eine Verfügung von diesem Konto zu Gunsten eines Dritten vor.

Daraus folgt aber auch, dass man selbst Vermögensverfügungen einbeziehen könnte und vielleicht sogar müsste, die vor Entstehung der Wertersatzschuld vorgenommen wurden, die sich aber letztlich schmälernd auf das später für die Wertersatzeinziehung vorhandene Vermögen auswirken.160 Eine Schwierigkeit bestünde dann natürlich darin, eine zeitliche Grenze hierfür festzulegen. Beispiel: Z räumt zunächst sein Girokonto durch mehrere Überweisungen leer und erlangt dann erst einen deliktischen Vorteil, der gegen ihn die Wertersatzeinziehung begründet.

Eine dieser Konstruktion entsprechende Regelung würde die Haftung Dritter potenziell stark ausweiten. Denkt man nun noch an die von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB ermöglichten „Kettenübertragungen“,161 könnte sich sogar ein regelrechter „Schneeballeffekt“ einstellen. 159  Anders, allerdings auf Grundlage des bisherigen Rechts, Rhode, wistra 2012, 85 (90); zust. Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 127 Fn. 311; NK / Saliger, § 73 Rn. 36a: Der Verbrauch des inkriminierten Teils des Vermögens müsse zu einer Zäsur des „Bereicherungszusammenhangs“ führen, die Weitergabe von (eindeutig) „legalem“ Vermögen soll den Zugriff auf den Drittbegünstigte nicht rechtfertigen können. Das ist ein fauler Kompromiss: Grundsätzlich spielt es keine Rolle, dass möglicherweise Legalvermögen betroffen ist; aber wenn dies eindeutig ist, ist es auf einmal erheblich. 160  Auch insofern anders, allerdings auf Grundlage des bisherigen Rechts, Rhode, wistra 2012, 85 (90); zust. Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 127 Fn. 311; NK / Saliger, § 73 Rn. 36a. 161  Dazu bereits näher unter V.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“249 Beispiel: Die X-GmbH erlangt durch eine rechtswidrige Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen i. H. v. 10 Mio. €. Jeder Vertragspartner, zu Gunsten dessen die X-GmbH in der Folge irgendeine Vermögensverfügung vornimmt, wäre daraufhin grundsätzlich der Anwendung von § 73b I 1 Nr. 2 StGB ausgesetzt. Da sich auch die Einziehung gegen diese von vornherein auf Wertersatz (§ 73c StGB) und damit auf ihr gesamtes Vermögen richtet, wären auch alle Vermögensverfügungen dieser Betroffenen erfasst usw.

Spätestens hier wird das Bedürfnis offenbar, nach den Grenzen dieses Ansatzes zu fragen. b) Grenzen einer solchen Konstruktion Als äußere Grenze des Zugriffs kommt auf Grundlage des neuen Rechts grundsätzlich nur die 30-jährige Verjährungsfrist des § 76b I StGB in Betracht.162 Der Ausschlussgrund für „Kettenübertragungen“ des § 73b I 2 StGB hilft in diesem Bereich dagegen nicht weiter, weil er auf einen Zwischenerwerb des „Erlangten“ zugeschnitten ist und daher die Übertragung von „wertersatzbetroffenen“ Gegenständen nicht einschränken kann. Eine klare Grenze dieser Konstruktion kann aber daraus hergeleitet werden, dass ihr äußerst weitreichender Ansatz nur damit begründet werden könnte, dass diese Ausweitung der Dritthaftung der Absicherung der Wertersatzeinziehung gegen die Ausgangsperson dienen würde. Daraus folgt aber: Ein Bedürfnis für die Ausweitung entsteht erst dann, wenn die Wertersatzeinziehung bei der Ausgangsperson tatsächlich fehlschlägt, namentlich bei dessen Insolvenz oder Tod. Erst wenn man dies als Grenze anerkennt, wird die Konstruktion wirklich verständlich: (Nur) wenn jemand – sei es ein Tatbeteiligter oder ein Dritter nach § 73b StGB  –, gegen den an sich die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz begründet waren, insolvent wird oder stirbt, wären sämtliche seiner in einem gewissen Zeitraum vorausgegangenen Vermögensverfügungen mit Blick auf § 73b I 1 Nr. 2 StGB zu prüfen; im Falle des Todes zuzüglich der Vermögensübergänge des § 73b I 1 Nr. 3 StGB. Der Mechanismus entspräche im Grundgedanken dem der Regelungen des Anfechtungsgesetzes bzw. der Insolvenzordnung, wonach die Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter benachteiligende Verfügungen des (insolvenzbedrohten bzw. insolventen) Schuldners anfechten können.163 162  Dazu

bereits anhand des „Erbfalls“ (§ 73b I 1 Nr. 3 StGB) unter IV. 3. Vergleich (die Regelungen sind jeweils identisch): Nach § 4 I AnfG, § 134 I InsO sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners anfechtbar [vgl. § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB]. Nach § 3 I AnfG, § 133 I InsO sind Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, die mit dem Vorsatz, die Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen wurden, wenn der andere Teil  diesen Vorsatz kannte [vgl. § 73b I 1 Nr. 2 163  Zum

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Diese Grenzziehung würde zum Teil bereits dadurch eingelöst, dass – wie bereits aus anderem Grunde gefordert  – die Haftung des Tatbeteiligten als stets vorrangig geregelt wird und damit letztlich nur bei Insolvenz oder Tod des Tatbeteiligten der Zugriff auf weitere Drittbegünstigte eröffnet wird.164 Allerdings reicht dies noch nicht aus, da auch Dritte die Ausgangsperson von „Wertersatzübertragungen“ sein können. Für diese konnte generell kein Vorrangverhältnis begründet werden. An dieser Stelle müsste allerdings genauso für Dritte als Ausgangspersonen gelten, dass es nur bei ihrem Ausfall gerechtfertigt ist, alle vorangegangenen Vermögensbewegungen zu überprüfen. c) Ergebnis Der Gesetzgeber hätte also im Ansatz mutiger sein müssen: Konsequent wäre es einzig gewesen, in Anknüpfung an § 73c StGB alle Vermögensübergänge einer Person, die der Wertersatzeinziehung unterliegt, zu erfassen. Damit würden auch die von der Geldwäsche her bekannten Probleme der Zuordnung bestimmter Gegenstände zu ungegenständlichen bzw. vermischten Taterträgen von vornherein vermieden. Allerdings müsste man sich dann auch die Frage nach der Notwendigkeit und den Grenzen einer solch potenziell enormen Ausweitung der Haftung stellen und eine Antwort darauf müsste jedenfalls lauten, dass sie erst bei Ausfall der Wertersatzeinziehung gegen die Ausgangsperson eingreifen dürfte. 4. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf Nach den bisherigen Ausführungen sollte zunächst jedenfalls der Regelungsgehalt von § 73b II Alt. 2, III StGB vereinfacht und von § 73b II Alt. 1 StGB getrennt werden.165 § 73b II Alt. 1 StGB müsste dann grundlegend neu gefasst werden, die vorhandene Fassung ist jedenfalls unbrauchbar. Um den hier entwickelten Grundsätzen zu entsprechen, wäre allerdings eine durchaus komplexe Regelung erforderlich, die u. a. regeln müsste, inwieweit auch vorangegangene Verfügungen erfasst werden sollen. lit. b) StGB, wobei es hier allein auf die rechtswidrige Herkunft des Gegenstands und diesbezügliche Bösgläubigkeit des Dritten ankommt]. Die Anfechtung gegenüber Erben und anderen Rechtsnachfolgern (vgl. § 73b I 1 Nr. 3 StGB) wird in § 15 AnfG, § 145 InsO geregelt, s. auch § 5 AnfG. 164  Dazu grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) bb) und hier bereits unter III. 5. 165  Z. B. könnte in Absatz 1 als neuer Satz  2 eingeschoben werden: „Satz  1 Nummer 2 und 3 gelten auch für den Erwerb von Gegenständen nach § 73 Absatz 2 und 3.“



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“251

Allerdings sollte man sich auch fragen, ob man diesen Weg vor dem Hintergrund der hier entwickelten Maßgaben überhaupt noch gehen möchte. Immerhin erhielte § 73b II StGB durch den neuen dogmatischen Ansatz ein gegenüber den Grundfällen des § 73b I StGB ganz eigenes Gepräge; bei konsequenter Anwendung könnte es zu einer immensen Ausweitung der Haftung von Drittbegünstigten kommen. Das kann zwar prinzipiell gerechtfertigt werden, aber auch die Abschläge bei der (Rechts-)Sicherheit des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs sollten bedacht werden.166 Eine ersatzlose Streichung von § 73b II Alt. 1 StGB wäre dagegen praktisch auch durchaus akzeptabel: Zu bedenken ist, dass die Regelung  – so, wie sie ggf. aussehen müsste  – ohnehin stark an bereits bestehende Regelungen „heranrückte“. Vor allem würde es ja darum gehen, zu verhindern, dass ein von der Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) Betroffener sich selbst durch drittbegünstigende Verfügungen in die Insolvenz treibt. In diesem Zusammenhang ist aber zum einen an die Verwirklichung der Straftat des Bankrotts (§ 283 StGB) zu denken, was den übertragenen Gegenstand wiederum nach §§ 73 I, 73b I StGB originär einziehungsbetroffen machen würde. Zum anderen ist auf das Vorgehen nach den bereits angesprochenen, genau auf diese Situationen zugeschnittenen, Regelungen des Anfechtungsgesetzes bzw. der Insolvenzordnung hinzuweisen.167 Die wesentlichen, wenn auch sicherlich nicht alle denkbaren, Fallkonstellationen wären also durchaus abgedeckt. Der Gesetzgeber steht also vor der Wahl: Entweder schafft er eine ganz neue Regelung, die zwar grundsätzlich weiter ansetzen, aber erst bei Ausfall der Wertersatzhaftung gegen die Ausgangsperson greifen dürfte. In der Ausgestaltung könnte diese Regelung sich an den Vorbildern des Anfechtungsgesetzes bzw. der Insolvenzordnung orientieren. Nicht zuletzt im Angesicht dieser bereits vorhandenen Regelungen könnte der Gesetzgeber sich aber auch zu einer ersatzlosen Streichung des § 73b II Alt.  1 StGB entscheiden. 5. Ergebnis Mit § 73b II Alt. 1 StGB berührt der Gesetzgeber ein komplexes Problemfeld. Seine Regelung erweist sich aber als wenig durchdacht. Das liegt 166  Insofern ist insbesondere nochmal an den möglichen „Schneeballeffekt“ zu erinnern, wenn mehrere Wertersatzschuldner in einer „Kette“ miteinander verbunden sind. 167  s. zu beidem auch Rhode, wistra 2012, 85 (90). Sein Vorbehalt, dass die nur abstrakte Möglichkeit des Auffangrechtserwerbs nach § 111i StPO a. F. nicht ausreichend sein dürfte, die Gläubigereigenschaft des Staates nach § 2 AnfG zu begründen, dürfte sich auf Grundlage des neuen Rechts, wodurch diese Konstruktion durch einen (zunächst) umfassenden, staatlichen Erwerb des Eingezogenen beseitigt wird, erledigt haben.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

daran, dass er sich letztlich nicht von der herkömmlichen dogmatischen Konstruktion, die ihn bereits bei der Geldwäsche in eine Sackgasse geführt hat, löst. Insbesondere wie das zentrale Merkmal „Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht“ sinnvoll anwendbar sein soll, erscheint nicht zu beantworten. Konsequenterweise müsste man  – ausgehend davon, dass auf der Primärebene bereits die Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) das vollständige (Legal-)Vermögen der Ausgangsperson einbezieht  – auch auf der Sekundärebene grundsätzlich jede Vermögensbewegung der Ausgangsperson erfassen. Man könnte sich aber auch mit guten Gründen darauf berufen, dass es insoweit einer eigenständigen Regelung im Recht der Abschöpfung von Taterträgen praktisch gar nicht bedarf. Es liegt insofern am Gesetzgeber, eine Marschroute vorzugeben.

VII. Ausschluss bei nachträglicher Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten (§ 73e II StGB) Die bisherige Härtefallvorschrift (§ 73c StGB a. F.) wird durch das Reformgesetz gestrichen.168 Aufgenommen wird allerdings der Regelungsgehalt des bisherigen § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F., wonach die Anordnung des Verfalls unterbleiben konnte, „soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist“. Diese Regelung wird nunmehr je nach Betroffenem aufgespalten.169 Für gutgläubige Drittbegünstigte soll der materielle Ausschlussgrund des § 73e II StGB gelten, der insofern im Unterschied zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. keine Ermessensausübung mehr vorsieht: „In den Fällen des § 73b, auch in Verbindung mit § 73c, ist die Einziehung darüber hinaus ausgeschlossen, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, es sei denn, dem Betroffenen waren die Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten, zum Zeitpunkt des Wegfalls der Bereicherung bekannt oder infolge von Leichtfertigkeit unbekannt.“

Ansonsten ist nur noch eine vollstreckungsrechtliche Lösung vorgesehen: § 459g StPO  – Vollstreckung von Nebenfolgen […] (2) Für die Vollstreckung der Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, gelten die §§ 459, 459a sowie 459c Absatz 1 und 2 entsprechend. […] 168  Begründet wird dies nur indirekt und mit Blick auf die Neugestaltung des Bruttoprinzips, BT-Drucks. 18 / 9525, S. 56: „Eine mit rechtlichen Unsicherheiten behaftete Korrektur möglicher unvertretbarer Ergebnisse über eine Härteklausel ist nicht notwendig.“ 169  s. dazu BT-Drucks. 18 / 9525, S. 47 f., 57, 69, 94.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“253 (5) 1In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist oder die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre. 2Die Vollstreckung wird wieder aufgenommen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach Satz  1 entgegenstehen.

1. Auslegung von „soweit der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“ Entscheidend für das Verständnis und die Bewertung dieser Neuregelung ist die Auslegung der in § 73e II StGB und § 459g V StPO jeweils enthaltenen Wendung „soweit der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“. Diese Formulierung ist aus dem bisherigen § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. übernommen worden. Was darunter zu verstehen ist, war allerdings bereits dort unklar. Wie sich zeigen wird, setzen sich diese auf die Entstehung von § 73c I 2 StGB a. F. zurückführbaren Unklarheiten auch in der Neufassung fort. a) Das Verständnis des Bundestags-Sonderausschusses (zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.) Die Regelung des § 73c I 2 StGB a. F. wurde durch den BundestagsSonderausschuss für die Strafrechtsreform eingefügt. Ausgangspunkt für Alt. 1 war die Frage, ob die Verfallserklärung gegen einen Täter, der den erzielten Gewinn ausgegeben habe, noch in Betracht komme. Göhler erwiderte, hier komme die Härtefallvorschrift in Betracht:170 „Danach habe der Richter zu erwägen, ob die Anordnung des Verfalls gegen den Täter […] zu einer erheblichen Erschwerung seiner Resozialisierung führen würde. Der Richter dürfe danach von der Anordnung des Verfalls nicht in jedem Fall absehen, wenn der Täter keinen Gewinn mehr habe; denn sonst würde der Täter dazu angereizt, den Gewinn alsbald nach der Erlangung auszugeben.“

Als ein Beispiel für den vorgeschlagenen Satz  2 der Härtefallvorschrift nannte Göhler zudem den Fall eines Agenten, der für seine staatsgefährdende Tätigkeit ein Entgelt zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten erhalten und auch verbraucht habe.171 Werde gegen diesen nun Verfall des entsprechenden Wertersatzes angeordnet, könne dies ein Anreiz dafür sein, wieder straffällig zu werden. Obwohl man sich also in den Formulierungen am Bereicherungsrecht orientierte, war das zugrunde gelegte Verständnis von „Entreicherung“ ein 170  Protokolle 171  Protokolle

Sonderausschuss V, S. 545. Sonderausschuss V, S. 1026.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

völlig anderes. Bereicherungsrechtlich führt der Verbrauch von Vermögensgegenständen z. B. zur Bestreitung von Lebenshaltungskosten unstreitig nicht zum Wegfall der Bereicherung (§ 818 III BGB), wenn und soweit dadurch (wie regelmäßig) anderweitige Aufwendungen aus dem sonstigen Vermögen erspart worden sind.172 Entreichernd wirken demzufolge nur sog. „Luxusaufwendungen“, also solche, die man aus dem sonstigen Vermögen nicht getroffen hätte. Hinzu kommt, dass man einem (bösgläubigen) Täter aufgrund der nach §§ 818 IV, 819 BGB verschärften Haftung die Berufung auf eine Entreicherung in diesem Sinne ohnehin versagen müsste. Dagegen ging zumindest Göhler von einem ganz anderen, eher „tatsächlichen“ Verständnis von „Entreicherung“ i. S. v. „Verarmung“ aus. Insbesondere die Anknüpfung an eine Erschwerung der Resozialisierung bzw. die Entstehung eines neuen Tatanreizes deuten darauf hin, dass es weniger auf den (gegenständlichen) Verbleib des konkret Erlangten, sondern vielmehr auf den insgesamt noch vorhandenen Bestand (positiver) Vermögenswerte ankommen sollte.173 Im Folgenden soll insofern von einem „tatsächlichen“ im Gegensatz zu einem „bereicherungsrechtlichen“ Entreicherungsverständnis die Rede sein. b) Das Verständnis des BGH (zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.) An dem von Göhler zugrunde gelegten, tatsächlichen Verständnis hat sich bei der Auslegung von § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. grundsätzlich auch der BGH orientiert. Geld, welches zur allgemeinen Schuldentilgung oder für verbrauchbare Sachen ausgegeben werde, bleibe wertmäßig im Vermögen nicht erhalten.174 Die Abweichung von den bereicherungsrechtlichen Entrei172  Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 28, 35; Larenz / Canaris, Schuldrecht 2 / 2, § 73 I 2 a), 3 a); Staudinger / Lorenz, § 812 Rn. 72, § 818 Rn. 34; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 160, 164 ff.; s. bereits 1.  Kap. C. III. 3. b) aa) (2). 173  In frühen Entscheidungen hat zwar auch der BGH in Zivilsachen einen Wegfall der Bereicherung i. S. d. § 818 III BGB darin gesehen, dass das Aktivvermögen des Schuldners unter den Wert des Erlangten abgesunken ist (BGH MDR 1957, 598; NJW 1958, 1725). Diese Ansicht dürfte aber als überholt anzusehen sein, insbesondere beruht sie noch auf dem traditionellen Verständnis des Bereicherungsrechts [zu diesem und seiner Ablösung durch das moderne Verständnis 1. Kap. B. II. 3. a)], zur Kritik Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 35; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 34; Reuter / Martinek, Bereicherung, S. 594; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 159. 174  BGHSt 38, 23 (25). Anders soll es nur liegen, wenn die Tilgung einer Verbindlichkeit zu einem „konkreten“ Vermögenszuwachs führt, etwa der Entschuldung eines Grundstücks. Bereicherungsrechtlich ist bei Tilgung eigener Verbindlichkeiten stets eine (fortbestehende) Bereicherung in der Befreiung von den Verbindlichkeiten zu sehen, Erman / Buck-Heeb, § 818 Rn. 38; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 34 f.; MKBGB / Schwab, § 818 Rn. 169.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“255

cherungs-Grundsätzen wird erkannt, aber ausdrücklich für unbeachtlich erklärt.175 Im Weiteren ist zwischen den Strafsenaten des BGH eine Auseinandersetzung entbrannt. Zunächst hatte der 2. Senat ausgesprochen, dass § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. bereits dann nicht mehr zur Anwendung kommen könne, „solange und soweit der Angekl. über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallbetrag zurückbleibt.“176 Dabei komme es nicht darauf an, „ob das noch vorhandene Vermögen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten hat.“ Dieser Ansicht hat sich der 1. Senat angeschlossen.177 Diese Auslegung verfolgt konsequent das im Sonderausschuss zugrunde gelegte „tatsächliche“ Entreicherungsverständnis, welches unter „Entreicherung“ den Eintritt einer generellen Verarmung des Betroffenen versteht.178 Demgegenüber hat sich der 4. Senat auf den Standpunkt gestellt, dass die Herkunft des noch vorhandenen Vermögens durchaus eine Rolle spiele, die Auffassung des 1. und 2. Senats sei nur als „widerlegbare Vermutung“ zu verstehen.179 Wenn „zweifelsfrei feststeh[e], daß der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten […] erworben wurde“, sei die Anwendung des § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. eröffnet. Dieser Ansicht hat sich der 5. Senat angeschlossen.180 Damit wurde zwar formal eine Divergenz vermieden, in der Sache stehen die Sicht175  BGHSt 38, 23 (25: „Dort geht es um den gerechten und billigen Ausgleich zwischen dem Entreicherten und dem Bereicherten, wobei Treu und Glauben eine besondere Rolle spielen […]. Mit der Abschöpfung von Gewinnen aus strafbarem Tun, die durch die Verfallsvorschriften des Strafgesetzbuchs erreicht werden soll, ist das nicht zu vergleichen.“) Diese Aussage belegt i.Ü. noch einmal, mit welcher Beliebigkeit der BGH Parallelen des Verfalls zum Bereicherungsrecht mal heranzieht und mal zurückweist. 176  BGH NStZ 2000, 480 (481); NStZ 2005, 455. 177  BGH NStZ-RR 2002, 7 (8); BGHSt 51, 65 (70); 52, 227 (253); anders noch BGH NStZ 1995, 495. 178  Dieser Auslegung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die hiernach ermöglichte Erfassung von „legalem“ Vermögen dem Zweck der Abschöpfung von Taterträgen („Ausgleich einer gestörten Vermögenszuordnung“) nicht mehr entspreche und die Maßnahme daher „strafähnlich“ werde, so aber Dannecker, NStZ 2006, 683 (684); NK / Saliger, § 73c Rn. 4; SK / Wolters, § 73c Rn. 6. Diese Annahme berücksichtigt nicht, dass bereits durch die Regelung des Wertersatzverfalls (§ 73c StGB bzw. § 73a StGB a. F.) stets das ganze „Legalvermögen“ des Betroffenen potenziell erfasst ist, wozu § 73c I 2 StGB a. F. lediglich eine Ausnahmemöglichkeit enthält. 179  BGHSt 48, 40 (42 f.), BGH NStZ-RR 2009, 234 (235). 180  BGH NJW 2012, 92. Die Linie des 3. Senats ist unklar, s. dazu BGH NStZRR 2005, 104 (105).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

weisen aber in klarem Widerspruch zueinander.181 Der 1. Senat hat dem Verständnis des 4. Senats dann auch ausdrücklich (allerdings nur obiter dictum) widersprochen.182 Die Auslegung des 4. Senats ist von einem gegenstandsbezogenen, bereicherungsrechtlichen Entreicherungsverständnis her naheliegend: Einem (gutgläubig) im bereicherungsrechtlichen Sinne „Entreicherten“ kann nicht vorgehalten werden, er verfüge ja sonst noch über ausreichendes Vermögen. Für einen Tatbeteiligten oder bösgläubigen Drittbegünstigten, der sich nach den §§ 818 IV, 819 BGB auf eine Entreicherung in diesem Sinne nicht berufen könnte, erscheint diese Auslegung dagegen zu milde: Obwohl sich die Wertersatzhaftung auf sein ganzes Vermögen richtet, könnte er sich durch „Verschleuderung“ des Tatertrags zumindest die Anwendung von § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. erarbeiten, womit sich das Gewicht auf die Ausübung des darüber hinaus angeordneten Ermessens verschöbe. Vom Wortlaut her waren beide Lesarten der Voraussetzung „wenn der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“ möglich.183 c) Das Verständnis des aktuellen (Reform-)Gesetzgebers In der zwischen gutgläubigen Dritten (§ 73e II StGB) und Tatbeteiligten sowie bösgläubigen Dritten (§ 459g V StPO) differenzierenden Regelungstechnik des Reformgesetzes deutet sich nach den bisherigen Erörterungen ein konzeptioneller Bruch an. Im Sprachgebrauch lehnt sich die Gesetzesbegründung wiederum jeweils stark an § 818 III BGB an,184 sogar im Gesetzestext (§ 73e II a. E.) ist ausdrücklich von „Wegfall der Bereicherung“ die Rede. Da aber eine Berücksichtigung des Wegfalls der Bereicherung im Sinne des Bereicherungsrechts bei bösgläubigen Drittbegünstigten und Tatbeteilig181  Es handelt sich um einen faulen Kompromiss: Eigentlich spielt ein Zusammenhang mit der Tat keine Rolle; aber wenn ein solcher eindeutig fehlt, gilt auf einmal anderes. 182  BGHSt 51, 65 (70): „Der Senat teilt nicht die Auffassung, wonach vorhandenes Vermögen nur nahe lege, dass der Wert des Erlangten beim Verfallsbetroffenen noch vorhanden ist, wobei dies nicht mehr sei als eine widerlegbare Vermutung, die nicht greife, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten […] erworben wurde […].“ Das wiederum quittiert der 4. Senat in BGH NStZ-RR 2009, 234 (235) nur mit dem Vermerk „a. A. (nicht tragend)“. 183  Eingehend dazu SSW / Burghart, § 73c Rn. 4. 184  s. BT-Drucks. 18 / 9525, S. 47, 57, 69, 94 („Wegfall der Bereicherung“, „Entreicherung“).



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ten nicht ernsthaft in Rede stehen kann (vgl. §§ 818 IV, 819 BGB), dürfte zumindest § 459g V StPO anders zu verstehen sein. Ganz offenbar soll es jedenfalls bei dieser Regelung nicht um die Problematik gehen, ob der erlangte Vermögenswert noch konkret im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, sondern – entsprechend der Linie des 1. und 2. Strafsenates zu § 73c I 2 StGB a. F. – einzig darum, ob dem Betroffenen überhaupt noch genügend Vermögenswerte zustehen, um eine Vollstreckung zu ermöglichen. Deutlich wird das auch daran, dass nach § 459g V 2 StPO nachträglich u. a. Umstände eintreten können, die die „Entreicherung“ des Betroffenen wieder entfallen lassen. Die Berücksichtigung einer „Wiederbereicherung“ passt nicht zum bereicherungsrechtlichen Entreicherungsverständnis und ergibt nur Sinn, wenn es hier um die „tatsächliche“ Verarmung des Betroffenen geht. Auf der anderen Seite führt § 73e II StGB bei gutgläubigen Drittbegünstigten zwingend zu einem endgültigen Ausschluss der Haftung. Dazu würde es wiederum nicht passen, auch hier das „tatsächliche“ Entreicherungsverständnis zugrunde zu legen. Warum sollte dem gutgläubigen Drittbegünstigten zwingend eine zwischenzeitlich eingetretene Verarmung ohne Berücksichtigung der Gründe zugute zu halten sein? Und warum sollte hier die Vermögenslosigkeit ausgerechnet zum (recht zufälligen) Anordnungszeitpunkt entscheidend und dann die weitere Entwicklung nicht mehr relevant sein? Die Sonderregelung für gutgläubige Drittbegünstigte ergibt vielmehr nur dann Sinn, wenn hier das bereicherungsrechtliche Entreicherungsverständnis anzuwenden ist. Denn dieses führt bei Vorliegen von (gutgläubiger) „Entreicherung“ konsequent zu einem zwingenden und endgültigen Ausschluss der Haftung. d) Folgerung: Trennung der beiden Entreicherungs-Varianten Die Differenzierung des Reformgesetzes und die Kontroverse innerhalb des BGH zur Auslegung von „wenn der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“ bei § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F. fördern zutage, dass man es mit zwei voneinander zu trennenden Formen von „Entreicherung“ zu tun hat, die auch das Gesetz getrennt voneinander behandeln sollte. Die Vermengung dieser beiden Problemkreise war das grundlegende Problem der Anwendung von § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.,185 185  Die Vorläuferregelung des § 7 III / 16 V PreistreibereiVO 1918 / 1923 enthielt im letzten Satz im Übrigen noch die klare Bestimmung: „Der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Zuwendung haftet nur insoweit, als er durch sie noch bereichert ist.“; s. 2. Kap. A. I. 2. Im Sonderausschuss wurde dann jedoch, wie gezeigt, die Verarmung des Täters zum Ausgangspunkt gemacht und damit ein völlig anderes Problem beigemengt.

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ihre Trennung der Schlüssel zu einer sinnvollen Anwendung von § 73e II StGB und § 459g V StPO. Da ist zum einen die „tatsächliche“ Entreicherung („Verarmung“) im Sinne des 1. und 2. Strafsenates zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F., d. h. der Betroffene verfügt insgesamt nur (noch) über Vermögenswerte, die wertmäßig hinter dem einzuziehenden Betrag zurückbleiben. Diese Situation kann beim Tatbeteiligten, sowie beim bös- oder auch gutgläubigen Drittbegünstigten eintreten. Hier kann es geboten sein, von der Einziehung i. E. abzusehen. Der (Reform-)Gesetzgeber macht aber zu Recht darauf aufmerksam, dass bei späterer „Wiederbereicherung“ die Anordnung nach dieser Begründungslinie grundsätzlich wieder aufgenommen werden muss. Daher ist es überzeugend, wenn diese Situation mit § 459g V StPO unter Ermöglichung der „Wiederaufnahme des Verfahrens“ in das Vollstreckungsrecht verlegt wird. Zum anderen kann die Situation einer Entreicherung „im bereicherungsrechtlichen Sinne“ auftreten. Sie kann von vornherein nur einem gutgläubigen Drittbegünstigten zugutekommen (vgl. §§ 818 IV, 819 BGB). Wenn dieser im gegenständlichen Sinne den ihm zugewandten Vermögenswert entreichernd verbraucht hat (d. h. insbesondere ohne Ersparnis von Aufwendungen aus seinem sonstigen Vermögen), ist er ebenso schutzwürdig wie der in der gleichen Situation befindliche Bereicherungsgläubiger. Deshalb ist es letztlich sogar verfassungsrechtlich geboten, die gutgläubige Entreicherung (im bereicherungsrechtlichen Sinne) bei der Abschöpfung von Taterträgen zu berücksichtigen.186 Es ist daher grundsätzlich überzeugend, dass in dieser Situation über die vollstreckungsrechtliche Lösung hinaus die (endgültige) Regelung des § 73e II StGB zur Anwendung kommen soll. Die Reform bewegt sich also mit ihrer systematischen Differenzierung in die richtige Richtung, vollständig zufriedenstellend gelöst wurde das Problem jedoch noch nicht. Das liegt daran, dass in § 73e II StGB und § 459g V StPO jeweils die gleiche Formulierung („soweit der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“) verwendet wird, was eine jeweils gleichbedeutende Auslegung nahelegt. Sinnvoll wäre nach dem Gesagten jedoch einzig, bei § 73e II StGB ein „bereicherungsrechtliches“ und bei § 459g V StPO ein „tatsächliches“ Entreicherungsverständnis zugrunde zu legen. Zur Klarstellung sollte daher (zumindest) eine der beiden Vorschriften umformuliert werden.187

186  Grundlegend

dazu 1.  Kap. C. III. 3. b) aa). könnte es in § 459g V StPO heißen: „[…] soweit der Betroffene nicht über ausreichendes Vermögen verfügt […]“. 187  Z. B.



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e) Ergebnis Die Voraussetzung „soweit der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“ sollte also in § 73e II StGB in Anlehnung an § 818 III BGB ausgelegt werden. Konkret bedeutet dies: Ein „Wegfall der Bereicherung“ des gutgläubigen Drittbegünstigten ist namentlich bei Luxusaufwendungen anzunehmen, da hier keine sonstigen Aufwendungen erspart werden.188 In allen anderen Fällen einer bloß „tatsächlichen“ Entreicherung („Verarmung“) etwa durch Verbrauch für den täglichen Lebensbedarf ist dagegen auch für den gutgläubigen Drittbegünstigten auf § 459g V StPO zurückzugreifen. 2. Erfassung aller Varianten des § 73b StGB durch § 73e II StGB? § 73e II StGB bezieht sich zwar ausdrücklich insgesamt auf § 73b StGB, ob die Regelung ihrem Wortlaut nach allerdings tatsächlich alle Varianten dieser Vorschrift erfasst, ist nicht ganz klar. Das folgt daraus, dass in § 73e II StGB die Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten auf die „Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten“ bezogen wird. Die komplizierte, konjunktivische Formulierung legt nahe, dass die Einziehung gegen den Tatbeteiligten bei Eingreifen von § 73b StGB stets ausgeschlossen ist. Das ist aber nur bei § 73b I 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB wirklich der Fall. In den Fällen des § 73b I 1 Nr. 2 StGB richtet sich die Einziehung nach § 73 I StGB zunächst gegen den Tatbeteiligten und wird durch die Verschiebung lediglich in Haftung auf Wertersatz (§ 73c StGB) umgewandelt. Das Wort „ansonsten“ könnte allerdings auch so verstanden werden, dass nur Fälle gemeint wären, in denen die Einziehung des Originalgegenstandes grundsätzlich beim Tatbeteiligten möglich war und dies erst durch das Hinzukommen des Drittbegünstigten vereitelt worden ist. Dann wären aber nur noch die Fälle des § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB angesprochen, denn bei § 73b I 1 Nr. 1 StGB ist die Einziehung des Originalgegenstandes beim Tatbeteiligten von vornherein ausgeschlossen. Die Schwierigkeiten ließen sich durch eine zugleich einfachere Formulierung beseitigen, die die Bösgläubigkeit des Drittbegünstigten auf die Umstände bezieht, welche die Anordnung der Einziehung gegen ihn selbst be188  Danach ist auch die Feststellung entbehrlich, ob der Drittbegünstigte bestimmte Aufwendungen aus dem ihm zugewandten Vermögen oder seinem sonstigen Vermögen bestritten hat (wenn sich dieses etwa auf einem Konto „vermischt“ hat). Denn entreichernd wirken ohnehin nur Luxusaufwendungen, also solche, die man aus seinem sonstigen Vermögen nicht getroffen hätte.

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gründen, also die Erfüllung eines Tatbestandes des § 73b I StGB („Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen ihn begründen“). 3. Ergebnis § 73e II StGB regelt die nachträgliche Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten erfreulicherweise als zwingenden Ausschlussgrund. Das entspricht einer richtigerweise sogar verfassungsrechtlich fundierten Forderung. Obwohl diese Unterscheidung leider noch nicht in letzter Konsequenz verfolgt wird, legt die Neufassung zumindest die Grundlage dafür, in Zukunft sauber zwischen „tatsächlicher“ Entreicherung i. S. v. Verarmung (wirkt vorübergehend vollstreckungshemmend; für alle) und „bereicherungsrechtlicher“ Entreicherung (wirkt endgültig ausschließend; nur für gutgläubige Drittbegünstigte) zu unterscheiden.

VIII. Neuregelung des Bruttoprinzips (§ 73d I StGB) Mit § 73d I StGB wird das Bruttoprinzip wie folgt neu konkretisiert: „1Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. 2Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.“

Nicht weiter vertieft werden kann hier die Frage, wie sich diese Neuregelung zur bisherigen Diskussion u. a. zwischen den Strafsenaten des BGH zur Anwendung des Bruttoprinzips im Allgemeinen verhält.189 Stattdessen sollen ausschließlich die Auswirkungen dieser Regelung auf § 73b StGB beleuchtet werden. 1. Abzug von Aufwendungen des Drittbegünstigten (§ 73d I 1 StGB) Nach § 73d I 1 StGB sind also Aufwendungen grundsätzlich abzuziehen. Erfasst sind auch solche „des anderen“, womit Drittbegünstigte i. S. d. § 73b StGB gemeint sind.190 Das betrifft insbesondere Fälle des § 73b I 1 Nr. 1 StGB, in denen sowohl der Tatbeteiligte als auch der Drittbegünstigte selbst Aufwendungen (aus dem Vermögen des Drittbegünstigten) vornehmen können. Diese Varianten werden in der Neufassung richtigerweise gleich behandelt. 189  Dazu BT-Drucks. 18 / 9525, S. 55 f., 67 ff.; Nachweise zur bisherigen Diskussion bereits unter 1.  Kap. A. II. 3. c) bb) (2). 190  Beschlussempfehlung BT-Rechtsausschuss, BT-Drucks. 18 / 11640, S. 80 (auf den die Ergänzung zurückgeht).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“261

2. Zurechnung von Aufwendungen des Tatbeteiligten (§ 73d I 2 StGB) Wichtiger ist allerdings, dass durch die Passivkonstruktion von § 73d I 2 StGB im Bereich von § 73b I 1 Nr. 1 StGB Aufwendungen stets außer Betracht bleiben, die ein Tatbeteiligter aus dem Vermögen des Drittbegünstigten für die Tatbegehung oder ihre Vorbereitung getätigt hat.191 Damit wird die Linie des bisherigen Rechts, nämlich der uneingeschränkten Geltung des Bruttoprinzips (auch) gegenüber Dritten, fortgesetzt. Es wurde bereits grundlegend ausgeführt, dass die hierin liegende Nichtberücksichtigung der (anfänglich) fehlenden Bereicherung eines gutgläubigen, unmittelbar empfangenden Drittbegünstigten gleichzeitig der Maßnahme Strafcharakter beilegt und sie mit Blick auf Art. 14 GG unverhältnismäßig werden lässt.192 Auch wurde bereits im Zusammenhang mit § 73b I 1 Nr. 2 StGB darauf hingewiesen, dass das dort in der Sache verfolgte Konzept der Berücksichtigung der (gutgläubigen) anfänglich fehlenden Bereicherung beim mittelbaren Erwerb nicht dazu passt, diese beim unmittelbaren Erwerb des Dritten nicht zu berücksichtigen.193 Schließlich muss § 73e II StGB so verstanden werden, dass hier die (gutgläubige) nachträgliche Entreicherung (im bereicherungsrechtlichen Sinne) des Dritten zwingend zu berücksichtigen ist.194 Wie der Gesetzgeber sich damit gewissermaßen selbst in die Ecke drängt, zeigt noch einmal die Zusammenstellung der wesentlichen Entreicherungskonstellationen: Anfängliche Entreicherung

Nachträgliche Entreicherung

Unmittelbarer Erwerb (§ 73b I 1 Nr. 1)

Aufwendungen zur Begehung der Tat (vgl. § 73d I 2)

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen (vgl. § 73e II)

Mittelbarer Erwerb (§ 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3)

Aufwendungen als Gegenleistung zum Erwerb

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen (vgl. § 73e II)

Daran wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 73d I 2 StGB für § 73b I 1 Nr. 1 StGB unhaltbar eine Sonderbehandlung einer der vier wertungs191  Ausdrücklich Beschlussempfehlung BT-Rechtsausschuss, BT-Drucks. 18 /  11640, S. 80 (zur Regierungsbegründung noch sogleich im Haupttext). 192  Dazu 1.  Kap. B. II. 3., C. III. 3. b) aa). 193  s. unter III. 1. c). 194  Dazu VII. 1.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

mäßig gleichliegenden Kategorien verfolgt. Nur wenn auch hier die Gutgläubigkeit des Drittbegünstigten berücksichtigt wird, ist das gesetzgeberische Gesamtkonzept in sich schlüssig. Die anzulegenden Zurechnungsmaßstäbe, wenn ein Tatbeteiligter aus dem Vermögen des (persönlich gutgläubigen) Drittbegünstigten Aufwendungen für die Tatbegehung oder ihre Vorbereitung getätigt hat, wurden in Anlehnung an zivilrechtliche Grundsätze ebenfalls bereits entwickelt:195 Erforderlich ist zumindest, dass der Dritte den Tatbeteiligten mit der eigenverantwortlichen Erledigung seiner Angelegenheiten betraut hat und die Straftat in Ausführung dieser Tätigkeit begangen worden ist. Wenn sich der Tatbeteiligte dagegen eigenmächtig bzw. unter Überschreitung der Grenzen seines Aufgabenbereiches des Vermögens des Dritten bemächtigt und es für Straftaten einsetzt, kann dies dem Dritten nicht entgegengehalten werden. In der Gesetzesbegründung lässt sich der gedankliche Kurzschluss, der zur Nichtberücksichtigung der Rechte gutgläubiger Drittbegünstigter bei § 73d I 2 StGB führt, nachvollziehen. Zur Begründung von § 73d I 2 StGB wird einmal mehr entscheidend auf den Rechtsgedanken des § 817 S. 2 BGB abgestellt:196 „Was in ein verbotenes Geschäft investiert worden ist, muss unwiederbringlich verloren sein“. Es spricht auch nichts dagegen, aus § 817 S. 2 BGB den allgemeinen Gedanken einer „Selbstschädigung“ durch die Vornahme von gesetzes- bzw. sittenwidrigen Aufwendungen herzuleiten.197 Erfreulicherweise berücksichtigt der Gesetzgeber dann grundsätzlich auch, dass dieser Rechtsgedanke nur greift, wenn der Betroffene sich „bewusst und willentlich“ außerhalb der Rechtsordnung stellt.198 Daher soll § 73d I 2 StGB etwa nicht anzuwenden sein, wenn der Tatbe­ teiligte das Verbotene des Geschäfts bei der Vornahme seiner Aufwendungen lediglich fahrlässig verkannt hatte.199 Wenn also selbst beim Tatbeteiligten diesbezügliche Fahrlässigkeit für die Anwendung des Bruttoprinzips nicht ausreicht, wäre doch eigentlich zu erwarten, dass bei Drittbegünstigten Fahrlässigkeit ihrerseits allermindestens erforderlich ist. Aber weit gefehlt:200 „[…] was der Täter oder Teilnehmer willentlich und bewusst für die Begehung einer Straftat oder für ihre Vorbereitung aufwendet oder einsetzt, [darf] weder ihm noch dem Drittbegünstigten […] abschöpfungsmindernd zugutekommen.“ 195  s.

grundlegend 1.  Kap. B. II. 3. d) bb). 18 / 9525, S. 55, 67 f.; s. bereits Regierungsbegründung zur Einführung des Bruttoprinzips, BT-Drucks. 12 / 1134, S. 12. 197  Eingehend dazu, insbesondere zur verbreiteten, aber verfehlten Literaturkritik daran, bereits unter 1.  Kap. B. II. 3. b). 198  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 55, 67 f. 199  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 69. 200  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 55, Hervorhebungen durch den Verfasser. 196  BT-Drucks.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“263

Nach der eingeschlagenen Begründungslinie müsste es bei Betroffenheit eines Dritten aber grundsätzlich darauf ankommen, dass dieser sich willentlich und bewusst außerhalb der Rechtsordnung gestellt hat. Die Formulierung des Gesetzgebers könnte hiernach allenfalls als „Vereinfachung“ in dem Sinne verstanden werden, dass angenommen wird, das Wissen des Tatbeteiligten sei dem Drittbegünstigten ohnehin stets zurechenbar.201 Im Ergebnis mag dies zwar nach den insofern anzulegenden Maßstäben tatsächlich häufig der Fall sein. Aber die Regelung des § 73b I 1 Nr. 1 StGB reicht eben auch viel weiter, insbesondere entfaltet das „Merkmal“ des „Handelns für den anderen“ keine entsprechend einschränkende Wirkung.202 Letztlich ist es auch schlicht widersprüchlich, wenn bei § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB (anfängliche Entreicherung beim mittelbaren Erwerb) für die Wissenszurechnung (zutreffend!) auf die „allgemeinen Regeln (§§ 31, 166, 278 BGB)“ verwiesen wird,203 während bei § 73d I 2 StGB (anfängliche Entreicherung beim unmittelbaren Erwerb) eine Zurechenbarkeit gleichsam stets unterstellt wird. 3. Regelungsvorschlag Die Regelung des § 73d I 2 StGB müsste also in diesem Sinne geändert werden, z. B. könnte folgender Satz  3 angefügt werden: „Im Falle von § 73b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt Satz 2 nur, wenn der Betroffene die Aufwendungen selber getätigt hat, die Tätigung durch den Täter oder Teilnehmer und ihren Zweck im Zeitpunkt ihrer Vornahme gekannt oder leichtfertig verkannt hat oder der Täter oder Teilnehmer in Ausführung einer Aufgabe des Betroffenen gehandelt hat.“

4. Ergebnis Wie bereits bei der ursprünglichen Einführung des Bruttoprinzips wurden auch bei der Neuregelung in § 73d I StGB die Auswirkungen auf (gutgläubige) Drittbegünstigte nicht hinreichend bedacht. Es ist eine Einschränkung zum Schutz von Dritten geboten, aus deren Vermögen unverschuldet und nicht zurechenbar Aufwendungen zur Begehung von Straftaten getätigt wurden. Das ist richtigerweise sogar ein verfassungsrechtliches Gebot, jeden201  Die Formulierung könnte sich allerdings auch auf die Begründung des Bruttoprinzips gegenüber Drittbegünstigten durch den BGH stützen, s. BGHSt 47, 369 (374: „Soweit der Täter oder Teilnehmer für den Dritten handelt, soll er das für den Dritten nicht risikolos tun können.“). Zur Sackgasse, in die dieser Gedanke führt, aber bereits 1.  Kap. C. III. 1. b) aa). 202  s. dazu II. 1. b). 203  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 66; dazu auch bereits unter III. 4. b).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

falls ist es aber auch zur internen Stimmigkeit des Gesetzes  – gegenüber § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB einerseits und § 73e II StGB andererseits  – erforderlich.

IX. Erweiterte und selbständige Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 73b i. V. m. § 73a, § 76a IV StGB) Die gesetzliche Neufassung enthält zwei Erweiterungen der Einziehung von Taterträgen aus nicht abgeurteilten Taten: Mit § 73a StGB wird die „erweiterte“ Einziehung vom Erfordernis einer bestimmten (Katalog-)Anlasstat befreit und mit § 76a IV StGB wird eine von einer Anlassverurteilung gänzlich abgekoppelte, allerdings auf bestimmte (Katalog-)Anlassverfahren begrenzte, „selbständige“ Einziehung geschaffen. Auf die erweiterte Einziehung wird nun auch in der Regelung der Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 73b StGB) verwiesen; die neue, selbständige Einziehung stellt erst gar keine Anforderungen an die Person des Betroffenen. Ein näherer Blick darauf, inwieweit diese beiden Neuregelungen die Einziehungshaftung von Drittbegünstigten erweitern, erscheint daher angezeigt. Es sei aber noch einmal betont, dass hier nicht der Ort ist, um das gemeinsame Grundproblem von §§ 73a, 76a IV StGB – wie es bereits von der bisherigen Regelung des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB a. F.) her bekannt ist  – zu erörtern, nämlich die Frage nach Reichweite und Zulässigkeit der Beweiserleichterung, die damit einhergeht, dass jedenfalls keine konkrete, rechtswidrige Herkunftstat mehr nachgewiesen werden muss. Für die Zwecke der folgenden Erörterungen wird die Legitimität dieses gesetzgeberischen Grundkonzepts daher unterstellt. 1. Erweiterte Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 73b i. V. m. § 73a StGB) Die bisherige Regelung des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB a. F.) war ausschließlich auf die Anwendung gegenüber Tatbeteiligten zugeschnitten, eine Erweiterung auf Drittbegünstigte (§ 73 III StGB a. F.) war nicht vorgesehen. Hierin ist ein Grund dafür gesehen und entsprechende Abhilfe gefordert worden, dass der erweiterte Verfall in der Praxis nur selten zur Anwendung komme:204 Das dem erweiterten Verfall unterliegende Vermögen werde in der Praxis rechtzeitig auf Dritte übertragen und damit effektiv der Abschöpfung entzogen. Der Forderung nach Abhilfe scheint der Gesetzge204  Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung, S. 97; s. dazu auch Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 150 mit Fn. 353.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“265

ber nun durch den Verweis auch auf § 73a StGB in § 73b StGB nachzukommen. Allerdings macht diese Verweisungstechnik nicht offensichtlich erkennbar, welche Fallkonstellationen hierdurch tatsächlich erfasst werden können. Es kann zwischen zwei möglichen Fallgruppen unterschieden werden. a) Die anderen, rechtswidrigen Taten sind demselben Tatbeteiligten zuzuordnen Die naheliegende Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass die anderen Taten, auf deren Erträge § 73a StGB die Einziehung erstreckt, demselben Tatbeteiligten zuzuordnen sind, gegen den auch die Anlassverurteilung ausgesprochen wird. Dies sind die Fälle, für die auch aus der Praxis die Forderung der Ausweitung des erweiterten Verfalls aufgestellt worden ist. Beispiel: T wird wegen eines Drogendelikts verurteilt, aus dem er zunächst selbst einen Ertrag erzielt hatte. Festgestellt wird, dass er kurz vor seiner Festnahme Vermögensverschiebungen an seine Freundin F vorgenommen hatte, wobei die Überzeugung gewonnen werden kann, dass alle verschobenen Mittel aus (z. T. anderen, nicht näher konkretisierbaren) Drogendelikten des T stammten. § 73b I 1 Nr. 2 StGB wäre nun, z. T. in Verbindung mit § 73a StGB, in Bezug auf alle verschobenen Mittel anwendbar.

Entsprechende Beispiele lassen sich auch für § 73b I 1 Nr. 1, Nr. 3 StGB bilden. Beispiel für Nr. 1: T wird wegen eines Drogendelikts verurteilt, dessen Ertrag unmittelbar dem Drogenboss B zugutegekommen war. Festgestellt wird, dass T weitere, nicht näher konkretisierbare Delikte, ebenfalls zugunsten von B, begangen hat. Auch hier kann gegen B im Ergebnis in Bezug auf alle festgestellten Taterträge § 73b I 1 Nr. 1 StGB angewendet werden. Beispiel für Nr. 3: Während der Prozess gegen T vorbereitet wird, bei dem sowohl Einziehung als auch erweiterte Einziehung gegen ihn angeordnet werden sollen, verstirbt T plötzlich. Gegen die Erben des T kann nun ebenfalls in Bezug sowohl auf die zunächst der Einziehung, als auch der erweiterten Einziehung unterfallenden Vermögensgegenstände im Ergebnis § 73b I 1 Nr. 3 lit. a) StGB angewendet werden.

Diese Erweiterungen sind, die Legitimation des Konzepts der erweiterten Einziehung unterstellt, folgerichtig: Wenn die „einfache“ Einziehung nicht dadurch unterlaufen werden soll, dass der Tatertrag an einen Dritten übertragen wird, warum sollte dasselbe dann bei der „erweiterten“ Einziehung möglich sein? Das bisherige Recht war hier tatsächlich inkonsequent.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

b) Die anderen, rechtswidrigen Taten sind einem anderen zuzuordnen Es sind allerdings auch Fälle denkbar, in denen die anderen, rechtswidrigen Taten einem anderen zuzuordnen sind. Beispiel: T wird wegen eines Drogendelikts verfolgt, aus dem er zunächst selbst einen Ertrag erzielt und anschließend auf seine Freundin F übertragen hatte. Im Zuge der Ermittlungen fallen bei F weitere, verdächtige Vermögenswerte auf. Diese lassen sich zwar nicht als weitere, von T verschobene Drogenerträge erklären. Es kann aber die Überzeugung gewonnen werden, dass sie aus anderen, rechtswidrigen Delikten stammen müssen.

Das Beispiel verdeutlicht, wie sich hier der Blickwinkel wandeln würde: Nicht mehr das Vermögen des Tatbeteiligten stünde im Vordergrund, sondern das Vermögen des  – einmal als Drittbegünstigter i. S. d. § 73b StGB identifizierten  – Anderen könnte ggf. vollständig auch auf den Erwerb von Taterträgen aus anderen Quellen durchleuchtet werden. Ob § 73b i. V. m. § 73a StGB auch hier eine erweiterte Einziehung beim Drittbegünstigten zulässt, ist allein aus dem Gesetzestext heraus nicht klar zu beantworten, da der Umfang der (nur) „entsprechenden“ Anwendung des § 73a StGB, die § 73b StGB anordnet, unbestimmt ist.205 In seiner originären Anwendung erfordert § 73a StGB, dass der Tatbeteiligte „unmittelbar“ durch oder für andere, rechtswidrige Taten etwas erlangt hat; darunter dürften auch nur eigene Taten des Tatbeteiligten zu verstehen sein. Es wäre nun aber seltsam, wenn die erweiterte Einziehung bei Drittbegünstigten weiter reichen würde als bei Tatbeteiligten. Beispiel: Bei T, der wegen eines Drogendelikts verfolgt wird, selbst werden weitere Vermögenswerte festgestellt, bezüglich derer die Überzeugung gewonnen werden kann, dass sie aus rechtswidrigen Taten anderer stammen und zu ihm verschoben worden sein müssen. § 73a StGB ist hier weder originär (keine eigene, andere Tat; jedenfalls kein „unmittelbares“ Erlangen durch oder für eine andere Tat) noch über § 73b StGB (er ist „Täter oder Teilnehmer“ und nicht „anderer“) anwendbar.

Deutlich wird hier, dass es sich um eine zentrale Voraussetzung von § 73a StGB handelt, dass hierdurch die Einziehung nur für weitere Straftaten des von der Anlassverurteilung Betroffenen erweitert wird. Auf diesen Konnex zur Anlassverurteilung kann daher auch bei der über § 73b StGB entsprechenden Anwendung nicht verzichtet werden.

205  Klar ist nur, dass die anderen Vermögensgegenstände jedenfalls auch unter den Voraussetzungen des § 73b StGB erworben worden sein müssen, d. h. eigene Taterträge des Dritten können nicht „bei Gelegenheit“ mitabgeschöpft werden. Das wäre bereits eine eigentümliche Differenzierung.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

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c) Ergebnis Von § 73b i. V. m. § 73a StGB sind also nur Fälle erfasst, in denen der Drittbegünstigte einen Gegenstand, der aus einer anderen Tat des Tatbeteiligten stammt, erworben hat. Insofern ist der Verweis von § 73b StGB auf § 73a StGB auch folgerichtig. 2. Selbständige Einziehung bei Drittbegünstigten (§ 76a IV StGB) Das neue Institut des § 76a IV StGB ermöglicht die Einziehung von rechtswidrig erlangten Gegenständen nun in bestimmten Fällen auch selbständig, d. h. ohne eine Anlassverurteilung. An die Person des Betroffenen werden grundsätzlich keine Anforderungen gestellt, die Regelung knüpft vielmehr unmittelbar an den Gegenstand an („Ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand […] soll […] selbständig eingezogen werden […]“). Diese äußerst weit gefasste Regelung macht zunächst einige allgemeine Ausführungen zu ihrer Reichweite erforderlich, bevor speziell auf die Bedürfnisse Drittbegünstigter als Betroffener einzugehen ist. a) „Aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand“ Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass man sich für die Auslegung von „herrühren“ an der Rechtsprechung zu dem entsprechenden Begriff bei § 261 StGB orientieren könne:206 Danach soll grundsätzlich nur ein Kausalzusammenhang zur Tat erforderlich sein; für Fälle der Vermischung mit Legalvermögen wird ausdrücklich auf die Lehre von der Teilkontamination verwiesen. Das hilft  – gelinde gesagt  – kaum weiter.207 Angesichts der von § 261 StGB bekannten Schwierigkeiten kann hier nicht weiter vertieft werden, wie „herrühren“ in § 76a IV StGB im Einzelnen auszulegen sein wird. In einem generellen Sinne ist aber anzumerken, dass durch diese Regelungstechnik für dieses Abschöpfungsinstitut eine eigentümliche „Paralleldogmatik“ geschaffen wird. § 73 StGB unterscheidet grundsätzlich zwischen „unmittelbar“ erlangten Originalgegenständen (§ 73 I StGB) und „mittelbar“ erlangten Nutzungen und Surrogaten (§ 73 II, III StGB); aus letzterem folgt 206  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 73. Problematik der Auslegung von „herrühren“ bei § 261 StGB und insbesondere dazu, warum die Lehre von der Teilkontamination letztlich nicht weiterhilft, s. bereits VI. 2. a) aa). 207  Zur

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

im Umkehrschluss, dass andere „mittelbar“ mit dem Erlangten erwirtschaftete Erträge nicht abzuschöpfen sind.208 Diese Unterscheidungen werden nun durch die bloße Voraussetzung eines „Herrührens“ bei § 76a IV StGB mit klarer Ausweitungstendenz eingeebnet. Da es sich um ein „eigenständige[s] Einziehungsinstrument“ handelt,209 muss etwa in § 76a IV 2 StGB die Wirkung der Maßnahme zum Teil  mit Verweis auf § 75 StGB speziell geregelt werden. Bemerkenswerter ist allerdings, worauf das „eigenständige Instrument“ alles nicht verweist: § 73b StGB, welchen Voraussetzungen unterliegt bei diesem Instrument insbesondere die Einziehung bei mittelbaren Drittbegünstigten?210 § 73c StGB, eine Wertersatzeinziehung scheint hier also ausgeschlossen. § 73d StGB, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sind dem Betroffenen bei diesem Instrument Aufwendungen zugute zu halten? § 73e StGB, was gilt, wenn ein Verletztenanspruch auf den Gegenstand bestand, aber erloschen ist (§ 73e I StGB)?211 Diese Eigenbrötelei bei § 76a IV StGB, die scheinbar ohne Not die genannten Fragen aufwirft, ist nicht zuletzt deshalb erstaunlich, weil die Reform ähnliche Komplikationen des bisherigen erweiterten Verfalls gerade behebt: Auch § 73d StGB a. F. war bislang regelungstechnisch als eigenständiges Institut ausgestaltet, dementsprechend mussten der Vorschrift vielfältige Verweise auf die Grundregelung angehängt werden (s. § 73d I 3, II, IV StGB a. F.). All dies erledigt sich durch die Reform, da die erweiterte Einziehung nun mit § 73a StGB nahtlos in das System der Einziehung eingegliedert wird.212 Dessen ungeachtet beschreitet man mit § 76a IV StGB erneut den steinigen Weg des eigenständigen Instituts und ruft insbesondere durch fehlende Verweise auf die Grundregelung neue Fragezeichen hervor. Die eigenständige, an die Geldwäsche angelehnte, Regelungstechnik des § 76a IV StGB erscheint also äußerst bedenklich. Die Abkopplung von der Grunddogmatik der Einziehung von Taterträgen muss geradezu Verwerfungen mit dieser provozieren.

208  Näher

dazu 2.  Kap. A. V. 2. b) bb) (1). 18 / 9525, S. 73. 210  Dazu noch eingehend unter d). 211  § 73e II StGB dürfte dagegen selten in Betracht kommen, wenn von vornherein auf Wertersatzhaftung für nicht mehr vorhandene Gegenstände verzichtet wird. 212  Mit einer Ausnahme: § 73a I StGB bezieht sich (nur) auf Gegenstände, die „durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind“ und damit (nur) auf die Voraussetzungen von § 73 I StGB. Die erweiterte Einziehung scheint sich danach nicht auf Nutzungen und Surrogate zu beziehen (§ 73 II, III StGB, vgl. den bisherigen Verweis auf den entsprechenden § 73 II StGB a. F. in § 73d I 3 StGB a. F.). 209  BT-Drucks.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“269

b) Subsidiarität des § 76a IV StGB Das praktische Bedürfnis für § 76a IV StGB wird in der Gesetzesbegründung recht anschaulich benannt:213 „Insbesondere bei polizeilichen Flughafen- und Verkehrskontrollen stellen die Zoll- und Polizeibehörden nicht selten erhebliche Bargeldbeträge sicher, die allem Anschein nach aus Straftaten der organisierten Kriminalität herrühren. Nicht zuletzt aufgrund der in diesen Fällen regelmäßig vorliegenden Auslandsbezüge lässt sich die konkrete Herkunft des Geldes allerdings praktisch nicht nachvollziehen. Kann jedoch eine konkrete Straftat nicht nachgewiesen werden, muss das Bargeld nach dem geltenden Recht regelmäßig dem letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden. Das gilt selbst dann, wenn aufgrund der Gesamtumstände kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass das Geld aus (irgend-)einer Straftat herrührt.“

Es stellt sich aber die Frage, was die Strafverfolgungsbehörden davon abhalten würde, das Vorgehen über § 76a IV StGB  – jedenfalls in den einschlägigen Deliktsbereichen  – zum praktischen Regelfall zu machen und damit das reguläre Strafverfahren zurückzudrängen. Dies soll offenbar der letzte Halbsatz des § 76a IV 1 StGB („wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann“) verhindern, womit der Gesetzgeber eine umfassende Subsidiarität des neuen Instituts regeln möchte:214 „Sowohl die Einziehung und die erweiterte Einziehung von Taterträgen nach den §§ 73 bis 73c StGB-E als auch die selbständige Einziehung nach § 76a Absatz 1 bis 3 StGB-E gehen dem Abschöpfungsinstrument des § 76a Absatz 4 StGB-E vor.“

Das hat weitreichende Konsequenzen. Das Gericht wird daher in einem selbständigen Verfahren nach § 76a IV StGB stets zu prüfen haben, ob der betroffene Gegenstand nicht doch aus einer verfolgbaren Straftat stammen könnte und muss dann ggf. auf die Durchführung eines gesonderten Verfahrens verweisen. Nimmt man die ausdrücklich auch gegenüber der erweiterten Einziehung ausgesprochene Subsidiarität ernst, müsste das Gericht sogar nach anderen Straftaten Ausschau halten, wegen derer ein Strafverfahren durchgeführt und dann die erweiterte Einziehung des betroffenen Gegenstands angeordnet werden könnte. Beispiel: Gegen T wird wegen Straftaten nach dem BtMG i. S. d. § 76a IV 3 Nr. 6 StGB ermittelt. Dabei werden Geldmittel aufgefunden, die aus solchen Betäubungsmittelgeschäften stammen könnten. Zur Anwendbarkeit des § 76a IV StGB dürften nicht nur keine konkreten Betäubungsmitteldelikte des T feststellbar sein. Die Anwendung des Instituts müsste auch ausgeschlossen sein, wenn wegen einer 213  BT-Drucks. 214  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 48. 18 / 9525, S. 73.

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

weiteren Straftat (die völlig unverbunden sein kann, z. B. eine Körperverletzung) ein Strafverfahren gegen T durchgeführt werden könnte, im Rahmen dessen dann § 73a StGB zur Anwendung kommen könnte.

Ob hierin eine sinnvolle Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 76a IV StGB liegt, kann man bezweifeln.215 Jedenfalls wäre die Subsidiarität  – sofern sie in der Praxis entsprechend streng gehandhabt wird  – dazu geeignet, die Begrenzung des Instituts des § 76a IV StGB auf die ihm spezifisch zugedachten Konstellationen sicherzustellen. c) Beschränkung auf Straftatenkatalog Die Gesetzesbegründung betont, dass das Abschöpfungsinstrumentarium nur für „schwere Straftaten aus dem Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität“ erweitert werde und insoweit einem kriminalpolitischen Bedürfnis Rechnung trage.216 Betrachtet man die Regelung allerdings näher, tritt zu Tage, wie wenig diese Behauptung wirklich eingelöst wird. Erforderlich ist nämlich nur ein verfahrensmäßiger Zusammenhang zu einer der Katalogtaten: Der einzuziehende Gegenstand muss „in einem Verfahren wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellt worden“ sein. Schon der Anfangsverdacht einer solchen Straftat und die Einleitung eines entsprechend bezeichneten Verfahrens eröffnen also die Anwendung von § 76a IV StGB für alles im Rahmen dieses Verfahrens Aufgefundene. Der einzuziehende Gegenstand selbst muss nämlich nur aus (irgendeiner) „rechtswidrigen Tat“ herrühren.217 Beispiel: Gegen T wird wegen Straftaten nach dem BtMG i. S. d. § 76a IV 3 Nr. 6 StGB ermittelt. Bei einer Hausdurchsuchung werden bei ihm aber nur Vermögensgegenstände aufgefunden, die aus nicht näher konkretisierbaren Diebstählen o. ä. Delikten herrühren könnten. § 76a IV StGB ist insoweit anwendbar.

Die betroffene Person muss auch nicht die verdächtigte sein. 215  Welchen Vorteil bringt die Anlassverurteilung für die Einziehung von aus ggf. völlig unverbundenen Delikten stammenden Gegenständen? Hier deutet sich an, dass es an einem qualitativen Unterschied zwischen „erweiterter“ und „selbständiger“ Einziehung mangeln könnte. Das würde letztlich dafür sprechen, dass das Gesetz eine Trennung zwischen diesen beiden Instituten ganz aufgeben sollte, dazu noch unter e). 216  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 73. 217  s. bereits die unter b) ausführlich zitierte Begründung des praktischen Bedürfnisses für § 76a IV StGB, BT-Drucks. 18 / 9525, S. 48: Zunächst ist noch von Bargeldbeträgen die Rede, die „allem Anschein nach aus Straftaten der organisierten Kriminalität herrühren“, nur wenige Sätze haben sich diese in Geld verwandelt, hinsichtlich dessen kein vernünftiger Zweifel daran bestehe, dass es „aus (irgend-) einer Straftat herrührt.“



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

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Fortsetzung des Beispiels: Werden in die Ermittlungen gegen T auch die finanziellen Verhältnisse seiner Freundin F einbezogen und dabei festgestellt, dass sie einen Teil  ihres Vermögens durch nicht näher konkretisierbare Diebstähle o. ä. Delikte erlangt hat, ist § 76a IV StGB auch insoweit anwendbar.

§ 76a IV StGB ermöglicht also über den Hebel der Führung eines Verfahrens wegen einer Katalogtat, was nach § 73b i. V. m. § 73a StGB noch nicht möglich war: Die Durchleuchtung des Vermögens (auch) anderer auf jegliche, (irgendwie) deliktisch erlangte Gegenstände. Zu beachten bliebe freilich die Subsidiarität des § 76a IV StGB: Sofern die Einleitung eines gesonderten Strafverfahrens zumindest möglich ist, soll dies Vorrang haben. Umgekehrt bedeutet die Verknüpfung mit einem Verfahren wegen des Verdachts einer Katalogtat aber auch: Wird ein Verfahren wegen einer Nicht-Katalogtat geführt und werden dabei Gegenstände sichergestellt, von denen anzunehmen ist, dass sie aus einer nicht näher konkretisierbaren Katalogtat herrühren, ist § 76a IV StGB nicht anwendbar. Beispiel: Gegen T wird wegen Diebstahls ermittelt. Bei einer Hausdurchsuchung werden bei ihm aber nur Vermögensgegenstände aufgefunden, die aus nicht näher konkretisierbaren Straftaten nach dem BtMG i. S. d. § 76a IV 3 Nr. 6 StGB herrühren könnten. § 76a IV StGB ist insoweit nicht anwendbar.

Diese etwas seltsamen Ergebnisse könnten einem von der bisherigen Regelung des erweiterten Verfalls her bekannt vorkommen. Bemerkenswerterweise schafft die Reform nämlich insofern bei § 76a IV StGB (erneut) Probleme, die sie dort erkennt und beseitigt. Auch bei § 73d StGB a. F. war es nämlich bislang so, dass nur die Anlasstat aus einem Katalog von Straftatbeständen stammen musste und die „andere“ Tat jede Straftat sein konnte, was zu entsprechend seltsamen Ergebnissen führte.218 Damit wurde bereits dort der Vortrag des Gesetzgebers zum Lippenbekenntnis, die Einführung von § 73d StGB a. F. diene nur der Bekämpfung von „schweren, […] besonders gefährlichen Kriminalitätsformen“, insbesondere der „wirksamen Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“.219 Der (Reform-)Gesetzgeber macht sich die eigene, bisherige Willkürlichkeit nun spitzfindig zum Argument: Gerade weil die „andere“ Straftat bislang ohnehin schon keine Katalogtat sein musste, sei es doch eigentlich konsequent, auf dieses Erfordernis bei der erweiterten Einziehung ganz zu verzichten. Die Ziele der (erweiterten) Einziehung könnten nur erreicht werden, „wenn in allen 218  s. nur BT-Drucks. 18 / 9525, S. 65 mit hierauf gemünzten Varianten (Anlassverurteilung statt Anlassverfahren) der beiden soeben gebrauchten Beispiele. 219  Begründung des Bundesrats, BT-Drucks. 12 / 989, S. 23; s. auch die Entwurfsbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 11 / 6623, S. 6 („Da es sich bei dem neuen Institut des Erweiterten Verfalls um eine besonders schwerwiegende Eingriffsbefugnis handelt, bedarf es für seine Anwendung in einem bestimmten Kriminalitätsbereich jeweils einer besonderen Rechtfertigung.“).

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

Fällen, in denen Vermögensgegenstände aufgefunden werden, die aus rechtswidrigen Taten stammen, diese auch eingezogen werden können.“220 Das wäre – unterstellt man die Legitimität des beweiserleichternden Grundkonzepts  – in der Sache auch konsequent. Warum das dann aber bei § 76a IV StGB wieder nicht mehr gelten soll, ist unerfindlich. Der einzige Unterschied zwischen § 76a IV StGB und § 73a StGB ist das Vorliegen einer (ggf. zufälligen) Anlassverurteilung; entscheidend für die Rechtfertigung der Maßnahmen sind aber die jeweils gleichen Beweisanforderungen an die Herkunft des betroffenen Gegenstands.221 Bei Licht besehen war die „erweiterte“ Einziehung also nichts anderes als das rechtspolitische Äquivalent einer Brückentechnologie, die im Absehen vom Erfordernis einer Anlassverurteilung durch § 76a IV StGB nun ihre logische Fortentwicklung findet. Die vom Gesetzgeber behauptete Beschränkung von § 76a IV StGB auf „schwere Straftaten aus dem Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität“ und die Begründung mit einem dementsprechenden kriminalpolitischen Bedürfnis entpuppen sich also als genauso inkonsequent durchgeführt und letztlich genauso vorgeschoben, wie es bereits von der Einführung des erweiterten Verfalls her bekannt ist. d) Berücksichtigung der gutgläubigen Entreicherung eines Drittbegünstigten Für den Schutz des gutgläubig entreicherten Drittbegünstigten folgt aus der angesprochenen Ausgestaltung des § 76a IV StGB als „eigenständiges Einziehungsinstrument“, dass die Einschränkungen, die an den §§ 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3, 73d I, 73e II StGB festzumachen sind, nicht greifen. Denn der Tatbestand des § 76a IV StGB ebnet alle diese Differenzierungen grundsätzlich ein. Zum Überblick noch einmal die Zusammenstellung der Konstellationen, in denen ein gutgläubiger Dritter schutzwürdig ist:

220  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 65. Dass man zuvor noch die Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsbereiche zur Begründung der Maßnahme für erforderlich erklärt hatte, wird nun freilich diskret verschwiegen. 221  So auch Rönnau / Begemeier, NZWiSt 2016, 260 (264). § 76a IV StGB für eine intensivere Maßnahme halten dagegen Gebauer, ZRP 2016, 101 (104: Bei der erweiterten Einziehung könne die Anlasstat immerhin noch ein Indiz für die illegale Herkunft der anderen Gegenstände liefern) und Löffelmann, recht + politik, 6 / 2016, S. 5 (das Verfahren hinsichtlich der Anlasstat könne Erkenntnisse auch zur Herkunft der anderen Gegenstände liefern). Diese rechtstatsächlich gelegentlich zutreffenden Einwände haben jedoch kein grundsätzliches Gewicht, insbesondere da bei der erweiterten Einziehung keinerlei innere Verbindung der „anderen“ Gegenstände zur Anlasstat erforderlich ist.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ Anfängliche Entreicherung

Nachträgliche Entreicherung

Unmittelbarer Erwerb (§ 73b I 1 Nr. 1)

Aufwendungen zur Begehung der Tat (vgl. § 73d I 2)

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen (vgl. § 73e II)

Mittelbarer Erwerb (§ 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3)

Aufwendungen als Gegenleistung zum Erwerb

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen (vgl. § 73e II)

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Den Schutz gutgläubiger Dritter thematisiert die Gesetzesbegründung dann aber doch noch, allerdings erst im Zusammenhang mit der durch § 76a IV StGB angeordneten (gelenkten) Ermessenausübung („soll“). Dazu heißt es zunächst:222 „Die Ausgestaltung als „Soll“-Vorschrift vermeidet im Einzelfall unverhältnismäßige Einziehungsanordnungen. Sie greift Anforderungen auf, die der EGMR für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit solcher Einziehungsmaßnahmen aus Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleitet hat. Danach muss im konkreten Einzelfall insbesondere das Verhalten des Betroffenen und das Ausmaß seiner Bösgläubigkeit berücksichtigt werden, um die Verhältnismäßigkeit des mit der Einziehung verbundenen Vermögenseingriffs zu gewährleisten […].“

Verwiesen wird dazu auf zwei recht aktuelle Entscheidungen des EGMR zu selbständigen Einziehungsverfahren.223 Klarzustellen ist allerdings, dass sich diese Anforderungen auf die Einziehung als solche beziehen und dass auch nach dem EGMR die Bösgläubigkeit des Betroffenen keinesfalls eine zwingende Voraussetzung, sondern nur einen von vielen in die Betrachtung einzubeziehenden Umständen darstellt.224 Die Maßgaben gelten also auch für die §§ 73 ff. StGB; namentlich in § 73b I 1 Nr. 2 lit. a), Nr. 3 StGB, wo 222  BT-Drucks.

18 / 9525, S. 73. Urteil vom 24.07.2012  – Nr. 55167 / 11 (Nowakowski v. Poland), Rn. 50; Urteil vom 10.04.2012  – Nr. 20496 / 02 (Silickiene v. Lithuania), Rn. 66. 224  Beides wird besonders in der grundlegenden Entscheidung deutlich, auf die die beiden angegebenen Urteile verweisen: EGMR, Urteil vom 24.10.1986  – Nr. 9118 / 80 (AGOSI v. The United Kingdom), Rn. 54 (im englischen Original: „It is first to be observed that although there is a trend in the practice of the Contracting States that the behaviour of the owner of the goods and in particular the use of due care on his part should be taken into account […] different standards are applied and no common practice can be said to exist. For forfeiture to be justified […] it is enough that […] the State has struck a fair balance between the interests of the States and those of the individual […]. The striking of a fair balance depends on many factors and the behaviour of the owner of the property, including the degree 223  EGMR,

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3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

es aufgrund der Unentgeltlichkeit des Erwerbs im Ergebnis keiner Bösgläubigkeit des Betroffenen bedarf, liegt danach (ohne weiteres) auch kein Verstoß gegen diese Rechtsprechung. Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich damit nicht mehr, aber auch nicht weniger folgern, als dass jedenfalls eine zwingende Anwendung des § 76a IV StGB unter seinen (wenigen) Voraussetzungen tatsächlich nicht gerechtfertigt wäre. Im Anschluss wird die Begründung konkreter:225 „Zur Abgrenzung des Regelfalls („soll“) von einem Ausnahmefall kann ferner auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterscheidung des „Verschiebungs“- vom „Erfüllungsfall“ bei der Vermögensabschöpfung nach § 73 Absatz 3 StGB (§ 73b StGB-E) zurückgegriffen werden. Danach ist die Vermögensabschöpfung bei einem gutgläubigen Drittbegünstigten ausgeschlossen, wenn dieser den betreffenden Gegenstand in Erfüllung einer nicht bemakelten entgeltlichen Forderung erlangt, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusammenhang mit der Tat stehen […]. Diese Fallkonstellation begründet einen Ausnahmefall, in dem die Einziehung nach § 76a Absatz 4 StGB-E trotz ihrer Ausgestaltung als „Soll“Vorschrift nicht angeordnet werden darf.“

Das ist bemerkenswert: Der hier noch einmal beschriebene „Erfüllungsfall“ ist nichts anderes als ein typischer Fall, in dem die Voraussetzungen von § 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB nicht erfüllt sind.226 Umgekehrt bedeutet das, dass diese Voraussetzungen über den Umweg der Ermessensausübung letztlich doch auch bei § 76a IV StGB gelten sollen.227 Das erfolgt zwar nur verklausuliert und nur als ungeschriebene Ausnahme einer „Soll“-Vorschrift, aber die Berücksichtigung der gutgläubigen, anfänglichen Entreicherung beim mittelbaren Erwerb ist im Ergebnis zumindest erfreulich. Hierdurch tritt aber auch hervor, was an dieser Stelle (wiederum) nicht bedacht wurde: Was ist insbesondere mit der gutgläubigen, anfänglichen Entreicherung beim unmittelbaren Erwerb, also dem Bruttoprinzip (vgl. § 73d I StGB)? Es wurde bereits angemerkt, dass aufgrund eines fehlenden Verweises auf § 73d I StGB unklar ist, wie dieses Problem im Zusammenhang mit § 76a IV StGB zu lösen ist. of fault or care which he has displayed, is one element of the entirety of circumstances which should be taken into account.“). 225  BT-Drucks. 18 / 9525, S. 73 f. 226  Grundlegend dazu 2.  Kap. C. III. 3. b). 227  Aus der Formulierung der Gesetzesbegründung ergibt sich im Übrigen auch, dass jedenfalls hier im Anschluss an die Grundsätze des BGH der Zeitpunkt der „Entstehung“ der Forderung, also des Abschlusses des Geschäfts, maßgeblich sein soll. Das ist ein zusätzlicher Beleg dafür, dass die Formulierung von § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB unbedacht ist, soweit sie im Anschluss an die Vermögensab­ schöpfungs-Richt­linie offenbar auf den Zeitpunkt der Übertragung abstellt; s. dazu bereits III. 4. c).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

275

Die Gesetzesbegründung stellt sich also an dieser Stelle als schwacher Schritt in die richtige Richtung dar. Nur, aber immerhin, im Ansatz wird erkannt, dass sich das Institut des § 76a IV StGB im Ergebnis nicht von den konkreten Maßgaben der §§ 73 ff. StGB lösen kann. e) Schlussfolgerungen Es hat sich herauskristallisiert, dass die Anwendung des § 76a IV StGB vor allem deshalb zu Schwierigkeiten führen wird, weil die selbständige Einziehung ohne Not als „eigenständiges Einziehungsinstrument“ nach eigenen, von der Dogmatik der §§ 73 ff. StGB losgelösten Regeln ausgestaltet worden ist. Der gesetzgeberische Verweis auf die „Erfüllungsfälle“ beim Ermessen deutet bereits an, dass die Verhinderung von Verwerfungen zur Grundsystematik der Einziehung nur mühsam über die (immerhin) angeordnete Ermessenausübung möglich sein wird. Auf der anderen Seite wird die erweiterte Einziehung (§ 73a StGB), die qualitativ nichts anderes als eine selbständige Einziehung anlässlich einer (ggf. zufälligen) Verurteilung darstellt, in die Grundsystematik der Einziehung aufgenommen. Was der Gesetzgeber dadurch dort an Komplikationen beseitigt, schafft er in widersprüchlicher Weise bei § 76a IV StGB gleichsam wieder neu. Man sollte jedenfalls nicht überrascht sein, wenn auch hier der Einführung eines „Sonderinstituts“ mit (angeblicher) Beschränkung auf schwere Deliktsbereiche, um dieses mit einem besonderen, kriminalpolitischen Bedürfnis begründen zu können, später die Eingliederung in die Grundsystematik unter Ignorierung dieser Begründung und Berufung auf die eigene, bisherige Willkürlichkeit folgen wird. Konsequent wäre aus Sicht des Gesetzgebers nur eines: Auch § 76a IV StGB müsste von vornherein von seinem Katalog befreit, in die Grundsystematik der Einziehung aufgenommen und dort mit dem ihm grundsätzlich gleichwertigen § 73a StGB verschmolzen werden. Einfacher ausgedrückt: § 76a IV StGB müsste gestrichen und § 73a StGB von dem Erfordernis irgendeiner Anlassverurteilung befreit werden. Die Einziehung von Taterträgen aus nicht abgeurteilten Taten wäre dann unter gleichen Voraussetzungen sowohl in einem selbständigen Verfahren als auch anlässlich eines bereits geführten Verfahrens möglich. Dadurch wären einerseits auf einen Streich alle soeben angesprochenen Probleme beseitigt. Andererseits würde die zentrale Problematik dieser Regelungen, nämlich Umfang und Zulässigkeit der mit ihnen verbundenen Beweiserleichterung, endlich unmaskiert hervortreten und könnte als solche, unabhängig von vorgeschobenen, kriminal­ politischen Scheinbegründungen, sauber diskutiert werden.

276

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

3. Ergebnis Während die Anwendbarkeit der erweiterten Einziehung (§ 73a StGB) auch auf § 73b StGB also eine folgerichtige Konsequenz aus der Eingliederung dieser Regelung in die Gesamtsystematik der Einziehung darstellt, sprengt das neue „eigenständige Einziehungsinstrument“ des § 76a IV StGB in der vorliegenden Fassung die bestehende Systematik völlig. Der Gesetzgeber ist insoweit dazu aufgefordert, klar Farbe zu bekennen: Hält er die Beweiserleichterung der erweiterten und selbständigen Einziehung tatsächlich für legitim und geboten, dann sollte er sich auch umfassend zu ihr bekennen.

X. Gesamtbewertung und Übersicht der vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen Die vorangegangene Analyse hat ein Sammelsurium von Punkten hervorgebracht, an denen das Vorgehen des (Reform-)Gesetzgebers mal für überzeugend und mal für weniger überzeugend erklärt wurde. Dem systematischen Gang der Darstellung geschuldet wurden dabei zuweilen wesentliche, konzeptionelle und eher unwesentliche, handwerkliche Punkte zusammen, sowie miteinander im Zusammenhang stehende, konzeptionelle Punkte getrennt voneinander erörtert. Um die Übersicht zu wahren und insbesondere die wesentlichen Linien des Lobes und der Kritik an der Reform besser hervortreten zu lassen, werden die Einzelergebnisse des vorangegangenen Abschnitts im Folgenden noch einmal neu zusammengestellt. 1. Behandlung der beiden Grundprobleme des § 73 III StGB a. F. Die Schwierigkeiten der Anwendung des § 73 III StGB a. F. konnten letztlich auf zwei Problemquellen aus der Entstehungsgeschichte der Norm zurückgeführt werden:228 Den zweifelhaften Verzicht auf eine Regelung von Fällen nachträglicher Verschiebung des Tatertrages an einen Dritten adressiert das Reformgesetz insbesondere mit § 73b I 1 Nr. 2 StGB. Der Formulierungsfehler des historischen Gesetzgebers, ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal des „Handelns für einen anderen“ zu schaffen, wird jedoch in § 73b I 1 Nr. 1 StGB fortgesetzt.229 Die überflüssige Wendung ist schlicht zu streichen, ansonsten wird sie (weiterhin) nur scheinbar eigenständig als 228  s. 229  s.

dazu grundlegend 2.  Kap. A. V. 2. dazu II. 1. b).



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

277

„Handeln im Interesse des anderen“ ausgelegt werden und es wird richtigerweise (weiterhin) eine Gesetzeskorrektur durch den Rechtsanwender erforderlich sein. 2. Die überzeugende Grundkonzeption des § 73b I StGB Ansonsten überzeugt die Konzeption des neuen Grundtatbestandes der Einziehung von Taterträgen bei Drittbegünstigten in § 73b I StGB. Hervorzuheben ist die klare Trennung zwischen „Vertretungsfällen“ (Nr. 1) und „Verschiebungsfällen“ (Nr. 2) anhand des Kriteriums des Durchgangserwerbs.230 Überzeugend sind auch die Voraussetzungen, unter denen die Einziehung in „Verschiebungsfällen“ zugelassen wird: Die beiden Untertatbestände [lit. a) und lit. b)] erklären sich aus der Heranziehung der bereicherungsrechtlichen Wertungen der §§ 818 III, IV 819 BGB.231 Zu Recht wird dabei auf das Erfordernis einer bestimmten Vermeidungs- bzw. Verschleierungsabsicht des Verschiebenden verzichtet.232 Wertungsmäßig als Parallele zum unentgeltlichen „Verschiebungsfall“ folgerichtig ist weiter die Erfassung der „Erbfälle“ (Nr. 3).233 Zumindest im Ergebnis überzeugt auch die durch § 73b I 2 StGB gezogene Grenze der Einziehung bei gutgläubigem, entgeltlichem Zwischenerwerb.234 3. Konzeptioneller Bruch hinsichtlich der Berücksichtigung der gutgläubigen Entreicherung Inkonsequent wird dagegen die gutgläubige Entreicherung eines Drittbegünstigten behandelt. Es ist letztlich aus dem Grundrecht des Art. 14 GG mit seiner besonderen Ausprägung des Vertrauensschutzes herzuleiten, dass gutgläubig getroffene, zu einer „Entreicherung“ führende Vermögensdispositionen bei der staatlichen Einziehung von Taterträgen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.235 Dabei lassen sich grob folgende Konstellationen unterscheiden, die wertungsmäßig gleich behandelt werden müssten:

230  Zum 231  s. 232  s. 233  s. 234  s. 235  s.

darin liegenden Fortschritt gegenüber den Grundsätzen des BGH s. II. 2. dazu III. 1. dazu III. 2. dazu IV. 2. dazu V. 2. dazu grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) aa).

278

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen Anfängliche Entreicherung

Nachträgliche Entreicherung

Unmittelbarer Erwerb

Aufwendungen zur Begehung der Tat

Verlust o. ä., Luxus­ aufwendungen

Mittelbarer Erwerb

Aufwendungen als Gegenleistung zum Erwerb

Verlust o. ä., Luxusaufwendungen

Die zwischen unentgeltlichem und entgeltlichem, aber bösgläubigem Erwerb unterscheidenden Tatbestände des § 73b I 1 Nr. 2 lit. a), lit. b), Nr. 3 StGB sind nicht anders zu erklären, als dass hier die (gutgläubige) anfängliche Entreicherung beim mittelbaren Erwerb berücksichtigt wird.236 Allerdings zeigt sich bei Nr. 2 lit. b) insofern auch schon wieder ein Versehen: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit müsste hiernach der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts sein.237 Das Erfordernis der Bösgläubigkeit im Übertragungszeitpunkt erinnert dagegen an die Straftatbestände der §§ 257–261 StGB; der Gedanke quasi-strafrechtlicher Verhaltensverantwortlichkeit wird vom Gesetzgeber bei der Einziehung von Taterträgen ansonsten aber, ausdrücklich und belegt durch die Tatbestände der Nr. 2 lit. a) und Nr. 3, gerade nicht verfolgt. Ganz im Sinne des hiesigen Prinzips wird in § 73e II StGB die (gutgläubige) nachträgliche Entreicherung des Drittbegünstigten als zwingender Ausschlussgrund geregelt.238 Darin liegt ein entscheidender Fortschritt gegenüber dem bisherigen § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F., der nur eine Ermessensvorschrift darstellte und zugleich die anders liegende Problematik zwischenzeitlich eingetretener „Verarmung“ (auch und insbesondere des Tatbeteiligten) erfasste. Der entscheidende, konzeptionelle Bruch zeigt sich bei der Behandlung der verbleibenden Konstellation, nämlich der (gutgläubigen) anfänglichen Entreicherung bei unmittelbarem Erwerb des Dritten: Hier gilt nach § 73d I 2 StGB (nach wie vor), dass dem Drittbegünstigten Aufwendungen des Tatbeteiligten für die Tatbegehung aus seinem Vermögen ohne weitere Voraussetzungen entgegengehalten werden (Bruttoprinzip). Das ist vor dem Hintergrund der letztlich aus verfassungsrechtlichen Gründen heranzuziehenden, bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgenwertungen so nicht zu recht236  s.

dazu III. 1. c) und IV. 2. dazu III. 4. c). 238  Zumindest, wenn man die Vorschrift so auslegt, s. dazu VII. 1. 237  s.



B. „Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“

279

fertigen.239 Es ist aber auch innerhalb der Systematik der Neuregelung eine nicht einsichtige Sonderbehandlung dieser Fallkonstellation.240 Das Reformgesetz enthält hinsichtlich der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der gutgläubigen Entreicherung eines Drittbegünstigten also wichtige Fortschritte, allerdings auch noch Abweichungen. Zu einem schlüssigen Gesamtkonzept lassen sich die vorhandenen Regelungen nicht zusammenfügen. In sich schlüssig und (vollends) mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz vereinbar wird die Gesamtregelung nur, wenn der maßgebliche Zeitpunkt der Bösgläubigkeit bei § 73b I 1 Nr. 2 lit. b) StGB angepasst und in § 73d I 2 StGB Rücksicht auf (gutgläubige) Drittbegünstigte genommen wird.241 4. Fehlende bzw. völlig unzureichende Regelungen In mehrerlei Hinsicht ist dem Gesetzgeber der Vorwurf zu machen, eine (zureichende) Regelung versäumt zu haben. An den folgenden, drei Stellen werden ohne weiteres Tätigwerden des Gesetzgebers (unnötig) schwierige Probleme für die Rechtsanwendung entstehen: Es fehlt an einer Regelung, die das durch die Erfassung der „Verschiebungsfälle“ (§ 73b I 1 Nr. 2 StGB) aufgeworfene Problem des Haftungsverhältnisses zwischen Drittbegünstigtem und Tatbeteiligtem löst.242 Richtigerweise darf die Haftung des Drittbegünstigten nur subsidiär angeordnet werden, aufgrund der fehlenden Regelung droht aber eine Fortsetzung der bisherigen Praxis, nämlich der Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung. Die Problematik, ob bzw. inwiefern ein „Verschiebungs-“ oder „Erbfall“ (§ 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB) auch möglich ist, wenn gegen die Ausgangsperson nur (noch) die Einziehung von Wertersatz begründet ist, wird durch § 73b II Alt.  1 StGB völlig unzureichend geregelt.243 Der Rechtsanwender wird deshalb letztlich vor die Wahl gestellt, die Anwendung der Norm als unmöglich zu verweigern oder sich eines unsauberen Kompromisses zu bedienen. Zudem erscheint das neue, selbständige Einziehungsinstitut des § 76a IV StGB von Grund auf überdenkenswert.244 Schwierigkeiten für die Rechtsanwendung werden ansonsten vor allem dadurch entstehen, dass diese Rege239  s.

dazu auch schon 1.  Kap. B. II. 3. dazu VIII. 2. 241  Vorschlag einer entsprechenden Ergänzung des § 73d I StGB unter VIII. 3. 242  s. dazu III. 5. und grundlegend 1.  Kap. C. III. 3. b) bb). 243  s. dazu VI. 244  s. dazu IX. 2. 240  s.

280

3. Kap.: Das neue Recht der Abschöpfung von Taterträgen

lung eine Fülle an Fragen, die bei den §§ 73 ff. StGB im Einzelnen geregelt sind, auf die Ermessensausübung verschiebt. 5. Handwerkliche Fehler bzw. Ungenauigkeiten Schließlich haben sich einige eher handwerkliche Fehler bzw. Ungenauigkeiten eingeschlichen, die idealerweise (zumindest klarstellend) beseitigt werden sollten: Die Alternative „oder ohne rechtlichen Grund“ in § 73b I 1 Nr. 2 lit. a) StGB ist unbedacht.245 Sie dürfte allenfalls als Klarstellung des unentgeltlichen Erwerbs („unentgeltlich, mit oder ohne rechtlichen Grund“) formuliert werden, könnte aber auch ganz gestrichen werden. In § 73b I 1 Nr. 2 lit. b), 2 StGB ist unter „hätte erkennen müssen“ Leichtfertigkeit zu verstehen, was in Anlehnung an § 73e II StGB klargestellt werden sollte.246 „Erbfälle“ (§ 73b I 1 Nr. 3 StGB) dürfen auch bei Mord nicht ad infinitum möglich sein, daher bedarf § 76b II StGB in der derzeitigen Fassung einer teleologischen Reduktion.247 Der Regelungsgehalt von § 73b II Alt.  1 StGB befindet sich nicht auf derselben Ebene wie der von § 73b II Alt.  2, III StGB, weshalb die Regelungen getrennt werden sollten.248 Unglücklich ist, dass in § 73e II StGB und § 459g V StPO dieselbe Formulierung verwendet wird („soweit der Wert des Erlangten […] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist“), obwohl diese Voraussetzung im jeweiligen Zusammenhang richtigerweise unterschiedlich verstanden werden muss.249 Potenziell missverständlich ist auch die Formulierung „Umstände, welche die Anordnung der Einziehung gegen den Täter oder Teilnehmer ansonsten zugelassen hätten“ in § 73e II StGB.250

C. Zusammenfassung Der Gesetzgeber ist also tätig geworden. Wie im zweiten Kapitel herausgearbeitet wurde, war dies aufgrund der mit § 73 III StGB a. F. verbundenen 245  s.

dazu III. 3. dazu III. 4. a) und V. 247  s. dazu IV. 3. 248  s. dazu VI. und VI. 4. mit entsprechendem Regelungsvorschlag. 249  s. dazu VII. 1. d) mit Vorschlag einer entsprechenden Neuformulierung des § 459g V StPO. 250  s. dazu VII. 2. mit Vorschlag einer entsprechenden Neuformulierung. 246  s.



C. Zusammenfassung

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Probleme auch dringend nötig. Hinzu kommen die entsprechenden Vorgaben der Vermögensabschöpfungs-Richtlinie. Das gröbste Defizit der bisherigen Rechtslage wird dabei auch beseitigt: Das Gesetz ermöglicht ausdrücklich die Erfassung von „Verschiebungsfällen“ (§ 73b I 1 Nr. 2 StGB). Zentrale Folgefragen bleiben allerdings noch unbeantwortet (Wie ist das Haftungsverhältnis zwischen Empfänger und Ausgangsperson; inwiefern ist eine „Verschiebung von Wertersatz“ möglich?). Zudem wurde das zweite Grundproblem der bisherigen Regelung, das eigenständige Erfordernis eines „Handelns für einen anderen“ (nun in § 73b I 1 Nr. 1 StGB), nicht gesehen. Hinzu kommt, dass man mit der (weiterhin) strikten Geltung des Bruttoprinzips gegenüber Drittbegünstigten (§ 73d I 2 StGB) einen Wertungswiderspruch zu §§ 73b I 1 Nr. 2, Nr. 3, 73e II StGB schafft. Das Reformgesetz bietet dennoch insgesamt gute Ansätze. Es kann als solide Basis angesehen werden, auf der allerdings noch aufgebaut werden müsste. Unter Berücksichtigung der hier entwickelten Vorschläge könnte so eine vollständige und stimmige Regelung der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten geschaffen werden.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Der in der Einleitung geäußerte Verdacht, Gesetzgeber und Rechtsprechung könnten in ihrem jeweiligen, kriminalpolitischen Eifer die Berücksichtigung schützenswerter Interessen unbeteiligter Drittbegünstigter als Adressaten der staatlichen Abschöpfung von Taterträgen zu kurz gekommen lassen haben, hat sich grundsätzlich bewahrheitet. Der Gesetzgeber hat sich insbesondere bei der Thematik des Bruttoprinzips dazu verleiten lassen, zu stark zulasten von gutgläubigen Drittbegünstigten zu pauschalisieren. Die Rechtsprechung hat die gutgläubige Entreicherung von Drittbegünstigten bei ihrer Fallgruppenbildung zu § 73 III StGB a. F. zwar in der Sache (durch den Ausschluss der „Erfüllungsfälle“) berücksichtigt, dabei hat sie aber verschleiert, dass sie sich damit gleich in mehrerlei Hinsicht gegen das geltende Gesetz gestellt hat. In dieser Gemengelage ist jedenfalls bislang nicht klar und konsequent beantwortet worden, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen der Zugriff auf Drittbegünstigte zu rechtfertigen ist. Mit der vorliegenden Untersuchung wurde der Versuch unternommen, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Auf dieser Grundlage konnte festgestellt werden, dass Gesetzgeber und Rechtsprechung sich in manchen Punkten (zumindest in der Sache) bereits überzeugend positioniert haben. Umso deutlicher trat dann allerdings auch hervor, in welchen Punkten die Rechtslage noch unbefriedigend ist. Im Einzelnen lassen sich die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung wie folgt zusammenfassen: Im ersten Kapitel wurden die theoretischen Grundlagen gelegt. Es hat sich gezeigt, dass die Diskussion um den Rechtsgrund der Abschöpfung von Taterträgen bislang dogmatische Klarheit weitgehend vermissen lässt. Insbesondere die Annahme einer (quasi-kondiktionellen) „Ausgleichsfunktion“ führt in die Irre. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wurde deutlich, dass aufgrund der verbreiteten, zumindest impliziten Zugrundelegung dieser Prämisse manche der anhand etwa von § 817 S. 2 BGB und § 822 BGB geführten Diskussionen zur legitimen Reichweite der Abschöpfung (bei Drittbegünstigten) schlicht in der Luft hängen. Eine solide Grundlage für punktuelle Vergleiche mit Wertungen des Bereicherungsrechts bildet dagegen der hier befürwortete generalpräventive Rechtsgrund der staatlichen Abschöpfung der Taterträge. Auch die bisherige Diskussion um die Rechtsnatur der Maßnahme verläuft aus hiesiger Sicht in schiefen Bahnen. Die Einführung des Bruttoprinzips ist zwar nicht so unproblematisch, wie insbesondere



Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

283

Gesetzgeber und Rechtsprechung es erscheinen lassen möchten. Aber auch die pauschale Annahme eines Strafcharakters der Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip ist so nicht schlüssig. Man muss sich davon lösen, solche Fragen im Bereich des Strafrechts stets mit dem Erfordernis von „Schuld“ beantworten zu wollen und sich offen für andere, rechtliche Maßstäbe zeigen: Dogmatisch sauber begründen lässt sich hier (nur), dass es auf die Bösgläubigkeit des Adressaten ankommt. Das führt zu differenzierten und stimmigen Ergebnissen. Zugleich wird dadurch anstelle des Schuldprinzips eine andere, verfassungsrechtliche Schranke in das Zentrum gerückt, nämlich die Verhältnismäßigkeit mit Blick auf das Eigentums-Grundrecht aus Art. 14 GG. Diese hat sich auch als durchaus fruchtvoll erwiesen, für die Vereinbarkeit der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten mit Art. 14 GG konnten zwei Grenzen hergeleitet werden: Erstens ist stets die Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigten im bereicherungsrechtlichen Sinne in all ihren Erscheinungsformen (das betrifft unter anderem auch wieder das Bruttoprinzip) zu berücksichtigen und zweitens muss ein Vorrang der Abschöpfung beim Tatbeteiligten gegenüber dem Zugriff auf einen mittelbaren Drittbegünstigten bestehen. Im zweiten Kapitel wurde dann die Problematik der Anwendung des bislang geltenden § 73 III StGB a. F. behandelt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Verwirrungen sich auf die Entstehung dieser Regelung zurückführen lassen: Zum einen hatte der Gesetzgeber die Formulierung „Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt“ nur noch veranschaulichend verstanden, aber objektiv als eigenständiges Tatbestandsmerkmal geregelt. Zum anderen hatte er darauf verzichtet, eine Regelung für Fälle mittelbaren Erwerbs des Tatertrages durch Drittbegünstigte zu schaffen. Das Verkennen bzw. Überspielen dieser beiden Punkte durch den BGH hat dann zu einer Fallgruppenbildung geführt, deren Verhältnis zum Gesetz kaum noch zu durchschauen war. Die vorliegende Untersuchung hat an dieser Stelle zunächst versucht, die Rechtsprechung soweit wie möglich in methodisch handhabbare Grundsätze zu „übersetzen“. Anschließend wurde herausgearbeitet, dass die Wendung „für einen anderen gehandelt“ im Wege der Gesetzeskorrektur tatsächlich nur im klarstellenden Sinne gelesen werden kann und muss. Die erweiternde Auslegung von „dadurch … erlangt“ zu einem Kriterium des „Bereicherungszusammenhangs“ dagegen hat sich zwar als theoretisch möglich, aber zu ihrem Zweck, der Erfassung von „Verschiebungsfällen“, letztlich als untauglich erwiesen. Der Ausmerzung auch dieses Versäumnisses des historischen Gesetzgebers durch den Rechtsanwender stand letztlich entgegen, dass der Gesetzgeber seine Nichtregelung dieser Fälle dadurch im Gesetzeswortlaut verankert hat, dass (immer noch) stets „für einen anderen gehandelt“ worden sein muss und darunter nur die Tatbegehung verstanden werden kann.

284

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Im dritten Kapitel wurde sich dann der aktuellen Reform der entsprechenden Regelungen zugewendet. Durch die Schaffung detaillierter Tatbestände beseitigt der Gesetzgeber zwar die gröbsten der zuvor bestehenden methodischen Schwierigkeiten und insbesondere erfasst er (endlich) ausdrücklich auch die „Verschiebungsfälle“. Trotz vieler guter Ansätze hat sich die Regelung aber teilweise noch als unschlüssig bzw. unvollständig erwiesen: So wird wiederum unreflektiert ein eindeutig eigenständiges Tatbestandsmerkmal des „Handelns für einen anderen“ normiert. Zentrale Folgefragen aus der grundsätzlichen Erfassung der „Verschiebungsfälle“ (Wie ist das Haftungsverhältnis zwischen Empfänger und Ausgangsperson; inwiefern ist eine „Verschiebung von Wertersatz“ möglich?) bleiben unbeantwortet. Zudem soll das Bruttoprinzip nach wie vor auch gutgläubige Drittbegünstigte ohne weiteres betreffen. Die Diskussion um die Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten wird also durch die gesetzliche Neufassung nicht beendet, sondern sie wird unter veränderten Vorzeichen weitergehen müssen. Die vorliegende Untersuchung mag insofern als Wegweiser bei der Beantwortung der Fragen dienen, die Rechtswissenschaft und -praxis beschäftigen werden: Welche Probleme haben sich durch die Neufassung erledigt, welche sind noch immer nicht gelöst und welche sind neu hinzugekommen? Wie müssten in den letzten beiden Bereichen mögliche Lösungen des Gesetzgebers bzw. des Rechtsanwenders ansetzen? Es steht zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich insofern der Kritik stellt und die Bereitschaft zeigt, noch einmal Hand anzulegen. Ansonsten wird das Recht der Abschöpfung von Taterträgen bei Drittbegünstigten teilweise unstimmig bleiben und es wird in einigen Punkten (weiterhin) das Bedürfnis für Rechtsfortbildungen durch den Rechtsanwender bestehen. Auf der anderen Seite wurde zugleich herausgearbeitet, an welchen Punkten der Gesetzgeber überzeugend von den bisherigen Rechtsprechungs-Grundsätzen abgewichen ist und wo er gegen bisherige Kritik aus der Rechtswissenschaft (zumindest im Ergebnis) in Schutz zu nehmen ist. Insofern steht zu hoffen, dass die Rechtsprechung ihr bisheriges Vorgehen in diesem Bereich nicht unreflektiert fortsetzen wird und dass zugleich ein bescheidener Beitrag zu einer treffsichereren rechtswissenschaftlichen Kritik geleistet worden ist.

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Sachregister Absicht der Gläubigerbenachteiligung bzw. Tatverschleierung  121, 152, 158, 161, 164, 174, 200, 218, 230, 240, 277 Alternativ-Entwurf 1966 (AE 1966)  133 Ausgleichsfunktion  siehe Quasi-kondiktionelle Ausgleichsfunktion Auslegungstheorie –– Objektive und subjektive Auslegung  148, 160, 183, 186 –– Wortsinn als Grenze  146, 181, 208, 246 Bemakelung  93, 158, 161, 164, 168, 201, 214, 225, 234, 274 Bereicherungsverständnis, traditionelles und modernes  69, 254 Bereicherungszusammenhang  153, 157, 163, 166, 172, 173, 185, 187, 195, 200, 207, 209 Bösgläubigkeit  73, 77, 117, 155, 278, 283 –– bei § 73b I 1 Nr. 2 StGB  212, 225 –– bei § 73e II StGB  256 –– bei § 817 S. 2 BGB  76 –– bei §§ 818 III, IV, 819 BGB  69, 254 –– beim EGMR  273 –– beim Erbfall  234 –– beim Verschiebungsfall  168 –– Grad und Zeitpunkt  78, 226, 228 –– in der EU-Richtlinie  200 –– und Art. 14 GG  105, 107 –– und Bemakelung  169 –– Wissenszurechnung  siehe Wissenszurechnung Bruttoprinzip –– Einführung  19

–– Generalpräventive Wirkung  53 –– Neuregelung  260 –– Rechtsnatur  56, 68 –– und Art. 7 I EMRK  83 –– und Art. 14 GG  105, 109 –– und die neue selbständige Einziehung  268, 274 –– und Verschiebungsfall  216 Compliance, Criminal  102 Durchgangserwerb  168, 172, 186, 209, 217, 277 Eigentums-Grundrecht  65, 85, 261, 277, 283 Entreicherung –– bei § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.  253 –– bei § 73d I 2 StGB  261 –– bei § 73e II StGB, § 459g V StPO  252 –– bei § 76a IV StGB  272 –– beim Erbfall  234 –– beim Verschiebungsfall  216 –– Bereicherungsrechtliches und tatsächliches Verständnis  253 –– in der PreistreibereiVO  121 –– Konstellationen beim gutgläubigen Drittbegünstigten  108, 216, 261, 277 –– Maßstab  78, 227 –– ratio  107 –– und Art. 14 GG  110 –– und die Rechtsnatur des Bruttoprinzips  69, 77 Entwurf 1962 (E 1962)  132, 134, 147, 152, 155, 186 Erbfall  218, 233, 277, 280

298 Sachregister Erfüllungsfall  159, 165, 167, 171, 201, 217, 237, 274, 282 Erlangen, faktisch-wirtschaftlicher oder rechtlicher Begriff  180, 189, 232 Ersparte Aufwendungen  41, 202, 221, 239 Erweiterter Verfall bzw. Einziehung  20, 30, 32, 93, 205, 271 –– bei Drittbegünstigten  264 –– im Verhältnis zur neuen selbständigen Einziehung  268, 275 EU-Richtlinie  20, 31, 199, 203, 211, 218, 223, 225, 228, 239, 243, 245 Fallgruppen  siehe Vertretungsfall, Verschiebungsfall, Erfüllungsfall, Erbfall Fallgruppenbildung des BGH  157, 160, 209, 210, 212, 217 Fiskalische Interessen  30, 31 Formulierungsfehler  139, 145, 150, 154, 183, 195, 207, 276 Geldwäsche  169, 220, 222, 238, 241, 267 Generalprävention  29, 46, 58, 100, 215 –– Abwägung mit Art. 14 GG  110 –– Empirische Belegbarkeit  48, 104 –– gegenüber Drittbegünstigten  101, 106, 139 –– negative  47 –– positive  48 –– und § 73b I 2 StGB  238 –– und § 817 S. 2 BGB  75 –– und das Absichtserfordernis  222 –– und Erbfall  234 –– und Haftungsverhältnis  114, 230 –– und Wertersatzhaftung  113, 247, 249 –– Wirkung der Abschöpfung von Taterträgen  51, 66 Gerechtigkeit  28, 45, 49, 52, 122 Gesamtschuld  siehe Wertersatz, Abschöpfung von Haftungsverhältnis

Gesetzeskorrektur bzw. -fortbildung  146, 149, 160, 162, 175, 182, 194, 195, 197, 208, 277 Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 II GG)  58, 146, 181 Große Strafrechtskommission  125, 142, 143 Handeln im Interesse des Drittbegünstigten  135, 150, 157, 161, 164, 167, 173, 175, 178, 207, 277 Handeln im Zusammenhang mit der Tat  157, 161, 173, 179, 192 Insolvenz  115, 249, 251 Juristische Personen  22, 80, 82, 102, 104, 125, 126, 128, 131, 170, 187, 228 Kettenproblem  233, 235, 238, 248 Nettoprinzip –– Abschaffung  19 –– gegenüber Bösgläubigen  77, 106 –– Rechtsnatur  54, 65 Nutzungen und Surrogate  142, 204, 239, 267 Preistreiberei-Verordnung  120, 129, 143, 152, 233 Quasi-kondiktionelle Ausgleichsfunk­ tion  27, 33, 45, 55–57, 66, 76, 117, 176, 215, 282 Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs (§ 73b I 1 Nr. 2 lit. a Alt. 2 StGB)  223, 280 Redaktionsversehen  siehe Gesetzeskorrektur bzw. -fortbildung Scheingeschäft  180, 188, 223, 231 Schuldprinzip  26, 57, 61, 77, 82, 283 Selbständige Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft (§ 76a IV StGB)  205, 267, 279

Sachregister299 Sonderausschuss für die Strafrechtsreform –– und das Merkmal „dadurch … erlangt“  140, 151, 185, 195 –– und das Merkmal „für einen anderen gehandelt“  137, 145, 150, 182 –– Verständnis des BGH  155, 158, 181 –– zu § 73c I 2 Alt. 1 StGB a. F.  253 –– zu § 73 I 2 StGB a. F.  35 –– zu § 822 BGB  140, 213 –– zur Rechtsnatur des Verfalls  28, 135 Sozialethisches Unwerturteil  61, 68 Spezialprävention  30, 32, 68 Strafähnliche Maßnahme  siehe Strafe Strafe –– Abschöpfung über Geldstrafe  66, 123, 126 –– Begriff  47, 58 –– bei Abschöpfung nach dem Bruttoprinzip  68 –– bei Abschöpfung nach dem Nettoprinzip  66 –– i. S. d. Art. 7 I EMRK  83 –– Verfall als Nebenstrafe  127, 134, 136 Subsidiarität der Haftung  siehe Wertersatz, Abschöpfung von Haftungsverhältnis Überindividuelle Rechtsgüter  36, 38, 52 Unmittelbarkeitszusammenhang  140, 151, 153, 154, 156–158, 164, 185, 195, 208, 209, 237

Verjährung der Abschöpfung  236, 249 Vermischtes Vermögen  202, 220, 240, 259, 267 Vermögensabschöpfungs-Richtlinie  siehe EU-Richtlinie Verschiebungsfall  158, 164, 168, 171, 174, 179, 188, 194, 200, 204, 207, 210, 211, 240, 277 Vertrauensschutz  71, 73, 77, 105, 107, 227, 277 Vertretungsfall  158, 164, 167, 171, 173, 178, 180, 204, 206, 210, 277 Wertersatz, Abschöpfung von  128, 143, 186, 205 –– Begründung  113 –– bei selbständiger Einziehung nach neuem Recht  268 –– Haftungsverhältnis  114, 201, 213, 230, 279 –– Übertragung bzw. Übergang von Wertersatz  201, 239, 279 –– und § 73c I 2 Alt. 1 a. F.  253 –– und Art. 14 GG  96 –– und Scheingeschäfte  232 Wiederherstellung des Rechts  29, 44, 45, 56, 57, 66, 100, 115 Wirtschaftsstrafgesetz  21, 124, 127 Wissenszurechnung  78, 228, 262, 263 Zurückgewinnungshilfe  19, 20, 34, 171