Die Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters und des hierbei eingeschalteten Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 ff. StGB: Eine Behandlung der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Problematik des Tatbestandsmerkmals »ohne behördliche Erlaubnis« und deren strafrechtliche Wirkung [1 ed.] 9783428581788, 9783428181780

Die Diskussion um die strafrechtlichen Aspekte der Veranstaltung von Online-Glückspielen beschäftigt sowohl die Wissensc

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Die Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters und des hierbei eingeschalteten Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 ff. StGB: Eine Behandlung der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Problematik des Tatbestandsmerkmals »ohne behördliche Erlaubnis« und deren strafrechtliche Wirkung [1 ed.]
 9783428581788, 9783428181780

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Schriften zum Strafrecht Band 368

Die Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters und des hierbei eingeschalteten Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 ff. StGB Eine Behandlung der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Problematik des Tatbestandsmerkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ und deren strafrechtliche Wirkung

Von

Christoph Bauernschmitt

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH BAUERNSCHMITT

Die Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters und des hierbei eingeschalteten Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 ff. StGB

Schriften zum Strafrecht Band 368

Die Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters und des hierbei eingeschalteten Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 ff. StGB Eine Behandlung der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Problematik des Tatbestandsmerkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ und deren strafrechtliche Wirkung

Von

Christoph Bauernschmitt

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D29 Alle Rechte vorbehalten © 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18178-0 (Print) ISBN 978-3-428-58178-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2020 von der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Insbesondere die Wirren der Corona-Pandemie haben jedoch zu einer gewissen Verzögerung bis zur Veröffentlichung der Arbeit geführt. Stand der Arbeit ist der bis zum Jahresende 2019 geltende Glücksspielstaatsvertrag der Länder. Bereits bei Entstehung der Arbeit wurden die für das Jahr 2020 beschlossenen Änderungen im Rahmen der Online-Sportwetten berücksichtigt, ebenso wichtige Rechtsprechungen bis zum September 2020. Jedoch wäre diese Arbeit nicht ohne Mitwirkung vieler Personen möglich gewesen, wobei nachfolgende Aufzählung nicht abschließend sein soll, sondern aufgrund der Kürze eines Vorworts lediglich einen Auszug der Personen darstellt, die die Arbeit mit gefördert haben. Dennoch gilt unabhängig von der konkreten namentlichen Nennung im Vorwort allen an der Arbeit Beteiligten mein besonderer Dank. Besonders danken und hervorheben möchte ich dennoch Herrn Prof. Dr. Kudlich. Zum einen stand mir dieser als Betreuer der Arbeit in fachlichen Fragen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und ermöglichte mir daher perfekte Betreuungsbedingungen. Zum anderen war dieser für mich sowohl in allen Angelegenheiten des Studiums aber auch in persönlichen Dingen immer ein geschätzter Ansprechpartner. Bereits zu Beginn des Studiums hat dieser mich gefördert und gefordert und entschieden meine juristische Laufbahn mitgeprägt und diese Förderung hat bis zum Ende meiner Dissertation nie nachgelassen. Auch hoffe ich über die Dissertation hinaus auf ein ungebrochenes gutes Verhältnis zueinander in Zukunft. Eine angemessene Würdigung seines Einsatzes ist aufgrund der Kürze des Vorwortes jedoch kaum möglich. Ebenso geht ein besonderer Dank an Herrn Prof. Dr. Jäger für dessen schnelles und konstruktives Zweitgutachten. Insbesondere seien dabei die Umstände gewürdigt, in denen dieser das Zweitgutachten im Rahmen der Corona-Pandemie fertigte, obwohl er zugleich seine Tätigkeiten in mehreren Ethikräten wahrnehmen musste. Der Studienstiftung des deutschen Volkes möchte ich für die großzügige Förderung durch ein Promotionsstipendium danken. Auch hat mich das ganze Lehrstuhlteam in Erlangen jederzeit bei meiner Arbeit unterstützt und mir sowohl in fachlicher Hinsicht als auch in der Zer-

6 Vorwort

streuung um die Arbeit herum immer zur Seite gestanden; diesen gilt ebenso meine Dankbarkeit. Ein besonderer Dank gilt meinen Eltern Werner und Martina Bauern­ schmitt für die uneingeschränkte, liebevolle und vielseitige Unterstützung, die mir erst das Studium und dadurch die anschließende Promotion ermöglicht haben. Insbesondere sei meiner Mutter in diesem Zusammenhang für die unzähligen Korrekturabzüge gedankt, die diese für mich gegenlas, wobei etwaig verbleibende Fehler selbstverständlich allein auf mich zurückzuführen sind. Als letztes, aber dafür umso mehr, möchte ich meiner Frau Marlena danken, die mich sowohl im Studium, bei der anschließenden Dissertation als auch im Rahmen meiner beruflichen Laufbahn im Notardienst des Freistaats Bayern, jederzeit liebend unterstützte und mir bei allem immer vollumfänglich zur Seite steht. Das vorliegende Buch ist deshalb ihr sowie dem Andenken meines Vaters gewidmet, der mich erst zum Studium der Rechtswissenschaft motiviert hat, aber den Studienabschluss aufgrund seines frühen und unerwarteten Todes leider nicht mehr miterleben konnte. Bamberg, im Oktober 2020

Christoph Bauernschmitt

Inhaltsübersicht

Einleitung 

23

Teil 1

Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB 

28

A. Öffentliches Glücksspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Die Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Veranstalten, § 284 I Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Halten, § 284 I Var. 2 StGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bereitstellen von Einrichtungen, § 284 I Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . IV. Werben für illegale Glücksspiele, § 284 IV StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 31 31 32

C. „Ohne behördliche Erlaubnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Darstellung des Meinungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Teil 2

Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Online-Glücksspiele 

41

A. Innerdeutsche Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Angebote mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Vorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . 52 Teil 3

Die Vereinbarkeit des Glücksspielverwaltungsrechts mit höherrangigem Recht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate  116

A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Genehmigungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich des GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Genehmigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anforderungen durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 118 120 124 132

B. Online-Sportwetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

8 Inhaltsübersicht

I. Definition der Sportwette, Unterscheidung der Tatmodalitäten . . . . . . . . 187 II. Vereinbarkeit des Konzessionserfordernisses mit höherrangigem Recht . 191 C. Online-Lotterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I. Unterscheidung der „Lotterien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker . . . . . . . . . . . . 367 I. Vereinbarkeit des Onlinevertriebsverbots mit höherrangigem Recht . . . . 368 E. Endergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . 431 Teil 4

Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung 

435

A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des Geltungsbereichs des GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 I. Zählt eine Erlaubnis aus Schleswig-Holstein als Erlaubnis im Rahmen des § 284 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 II. Berücksichtigung einer Erlaubnis aus dem EU-Ausland? . . . . . . . . . . . . 438 B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts für das Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konsequenzen eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequenzen eines Verstoßes gegen Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderregime für Sportwetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

444 445 456 464 467

C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fallgruppen und Anwendung der Ergebnisse auf diese . . . . . . . . . . . . . . II. Fallgruppe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallgruppe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fallgruppe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fallgruppe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

467 467 468 471 472 474 475

Teil 5

Die Verantwortlichkeit von Zahlungsdienstleistern im Rahmen von Online-Glücksspielen 

478

A. Definition Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB . . . . . . . . . . . 479 I. Vorliegen des objektiven Tatbestandes einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB . . . . . . . . 507 I. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508

Inhaltsübersicht9

II. Taugliche Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 III. „Herrühren“ des Buchgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 IV. Einschränkung im Rahmen des berufstypischen Verhaltens auf objektiver Ebene?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 V. Tatbestandseinschränkung auf subjektiver Ebene?  . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 VI. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 D. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Teil 6

Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse 

534

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 



Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB 

23

Teil 1 28

A. Öffentliches Glücksspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Die Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Veranstalten, § 284 I Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Halten, § 284 I Var. 2 StGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bereitstellen von Einrichtungen, § 284 I Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . IV. Werben für illegale Glücksspiele, § 284 IV StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 31 31 32

C. „Ohne behördliche Erlaubnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darstellung des Meinungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlautargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgutargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spielbankenentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2000 und darauffolgende höchstrichterliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 33 35 35 37 38 40

Teil 2

Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Online-Glücksspiele 

41

A. Innerdeutsche Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Angebote mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen Unionsrecht durch §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrang des Herkunftslandprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . 1. Tatort der Tatmodalitäten gemäß § 284 I und § 287 I StGB . . . . . . . . a) Territorialprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbegriff des § 9 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tathandlung im Inland, § 9 I Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Handlungsort als Ort der tatbestandsmäßigen Handlung . . . .

42 43 43 45 52 53 53 53 55 55

12 Inhaltsverzeichnis

bb) Erweiterung des Handlungsorts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (1) Erweiterung des Handlungsortes unter dem Aspekt der mittelbaren Täterschaft auf den Serverstandort . . . . . . . . 57 (2) Erweiterung hinsichtlich der „Wahrnehmbarkeit“ . . . . . . 59 (3) Tathandlung des „Veranstaltens“ (auch) im Inland . . . . . 60 (4) Fiktion einer „Virtuellen Anwesenheit“ . . . . . . . . . . . . . . 62 (5) Beurteilung der Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (a) Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 63 (b) Serverstandort zugleich Handlungsort  . . . . . . . . . . . 64 (c) Handlungsort ist Ort, an dem Angebot wirkt bzw. wahrnehmbar ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (aa) Widerspruch zum Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (bb) Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz . . . 68 (cc) Völkerrechtliche Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (dd) Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (ee) Absurditätsargument: Erweiterung der Strafgewalt anderer Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (ff) Wortlautargument hinsichtlich § 287 I StGB und § 3 IV GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 d) Erfolgsort im Inland § 9 I Var. 3 StGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Deliktsnatur des § 284 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 bb) Kein Erfolg bei abstrakten Gefährdungsdelikten . . . . . . . . . . 77 cc) „Erfolg“ des abstrakten Gefährdungsdeliktes i. S. d. § 9 I Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Ort, an dem abstrakte Gefahr besteht, als Erfolgsort . . . . 81 (2) Umschlagen der abstrakten Gefahr in die konkrete Gefahr als Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (3) Ort eines stabilen Zwischenerfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (4) Tathandlungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (5) Handlungsort liegt am „virtuellen Firmensitz“ . . . . . . . . 89 (6) Ansicht des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (a) Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Entscheidung zum Verjährungsbeginn . . . . . . . . . . . . 90 (c) Entscheidung zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (d) Fall Töben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (e) Entscheidungen nach der Töben-Entscheidung . . . . . 94 dd) Eigene Auslegung des zum Tatbestand gehörenden Erfolges . 99 (1) Auslegung des § 9 StGB hinsichtlich des Merkmals „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Auslegung „zum Tatbestand gehörend“ . . . . . . . . . . . . . . 105 (a) Abstrakte Gefahr als Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Inhaltsverzeichnis13

(aa) Rechtshistorisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Völkerrechtliches Argument . . . . . . . . . . . . . . . (b) Umschlagen als Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Rechtshistorisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Völkerrechtliches Argument . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatort bei der Tatmodalität des Werbens gem. § 284 IV StGB bzw. § 287 II StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 107 109 111 111 112 112 113 113 114

Teil 3

Die Vereinbarkeit des Glücksspielverwaltungsrechts mit höherrangigem Recht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate  116

A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Genehmigungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich des GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Genehmigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wer kann eine Lizenz erhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wie darf das Glücksspiel vertrieben werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsverständnis von „Glücksspiel im Internet“ . . . . . . . . . . . . aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erlaubnismöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis für die strafrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . IV. Anforderungen durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen hinsichtlich des Grundgesetzes; Entwicklung der Rechtsprechung bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erster Spielbankenbeschluss des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzbereichsbeurteilung des Art. 12 GG durch das BVerwG . . . c) Jedoch keine Änderung der Regulierungssituation als solche . . . . d) Sportwettenentscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Entwicklung der obergerichtlichen Entscheidungen nach der Sportwettenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Entscheidung des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 118 120 124 124 127 127 127 128 129 129 130 132 132 132 133 135 138 139 139 140 144 146 149

14 Inhaltsverzeichnis

f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Anforderungen hinsichtlich des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Rechtssache Gambelli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Rechtssache Placencia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Rechtssache Liga Portuguesa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 d) Rechtssache Marcus Stoß u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 e) Rechtssache Carmen Media Group und Winner-Wetten . . . . . . . . 166 f) Rechtssache Dickinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 g) Rechtssache Pfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 h) Rechtssache Digibet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 i) Rechtssache Ince . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 j) Rechtssache Admiral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 k) Rechtssache Online Games . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 l) Rechtssache Unibet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 m) Rechtssache Gmalieva/Rechtssache Stanley International Betting  178 n) Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemein­ interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (3) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 B. Online-Sportwetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Definition der Sportwette, Unterscheidung der Tatmodalitäten . . . . . . . . 187 1. Live Wetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Wetten ohne feste Gewinnquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Differenzierung zwischen den Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Vereinbarkeit des Konzessionserfordernisses mit höherrangigem Recht . 191 1. Aktuelle Situation der Konzessionsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Verfassungsmäßigkeit des Konzessionserfordernisses . . . . . . . . . . . . . 194 a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, insb. Verletzung des Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (1) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (a) Deutschengrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (b) Juristische Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (2) Sachlicher Schutzbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Rechtfertigung, insb. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Inhaltsverzeichnis15

(1) Einordnung des Konzessionserfordernisses in die DreiStufen-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (a) Die Drei-Stufen-Theorie und ihre Voraussetzungen . 207 (b) Einordnung der Konzessionsregelung der §§ 4a ff. 10a II GlüStV in diese Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (2) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (3) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (a) Starker Schwarz- bzw. Graumarkt . . . . . . . . . . . . . . . 216 (b) Preisargument bzgl. Konzessionsabgabe . . . . . . . . . . 217 (c) Zahlenmäßige Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (d) Geeignetheit zur Betrugs- und Manipulationsvorbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (e) Geeignetheit zum Jugend- und Spielerschutz . . . . . . 226 (f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (4) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (a) Erforderlichkeit des Konzessionsmodells im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (b) Erforderlichkeit der zahlenmäßigen Begrenzung . . . . 230 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (5) Angemessenheit, u. a. konsequente Zielverfolgung . . . . . 233 (a) Vergleich zu den Pferdewetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (b) Konkreter Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (c) Inkonsequent aufgrund Verstoßes gegen das „Gebot der Folgerichtigkeit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (d) Konsequente Ausrichtung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (aa) Konsequenz in rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . 245 (bb) Konsequenz in tatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . 249 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (e) Allgemeine Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 dd) Verwaltungsverfahren zur Erlaubnis hin, insb. Glücksspielkollegium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (1) Bundesstaatliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (2) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (a) Glücksspielkollegium sei mit dem Demokratieprinzip vereinbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (b) Glücksspielkollegium sei Verstoß gegen Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (c) Vermittelnde Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (3) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

16 Inhaltsverzeichnis

(5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europarechtlicher Bestand des Konzessionserfordernisses . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Horizontale Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vertikale Kohärenz, insb. Vollzugskohärenz . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 271 271 273 273 274 276 277 278 283 284 285

C. Online-Lotterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterscheidung der „Lotterien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Primärlotterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweitlotterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fremder Spielplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwingend eigener Spielplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorzugswürdige Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigene Kreation der Onlineanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsmäßigkeit des Lotteriemonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereich, Eingriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigung, insb. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einordnung des Lotteriemonopols in die Drei-StufenTheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verhinderung der Suchtgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kriminalitätsbekämpfung bzw. Vorbeugung von Manipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Suchtbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Rechtliche Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (α) Öffnung des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . (β) Erweiterung der Werbung . . . . . . . . . . . . . . (γ) Ausgestaltung der Werberichtlinien . . . . . . (δ) Einführung des Eurojackpots . . . . . . . . . . .

286 287 288 288 289 291 292 296 297 298 298 299 301 301 302 303 304 307 312 314 315 320 321 321 323 325 326 327

Inhaltsverzeichnis17

(ε) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Tatsächliche Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . (α) Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (β) Einführung von Sofortlotterien . . . . . . . . . . (γ) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bekämpfung der Kriminalität und der Betrugsvorbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Folgen dieser Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europarechtskonformität des Lotteriemonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Horizontale Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vertikale Kohärenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtliche Ausgestaltung des Lotteriemonopols . . . . (b) Tatsächliche Handhabung des Lotteriemonopols . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenz der Divergenz von Verfassungs- und Unionsrecht? . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

330 330 331 338 341

D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit des Onlinevertriebsverbots mit höherrangigem Recht . . . . 1. Verfassungsmäßigkeit des Onlinevertriebsverbots gem. § 4 IV, V GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einordnung des Internetvertriebsverbots in die DreiStufen-Theorie des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Suchtgefahr durch Online-Casinospiele bzw. Online-Poker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Spezifische Gefahr durch Vertriebsweg Internet . . . . (aa) Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Anonymität und Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . (cc) Höherer Abstraktionsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Fehlende soziale Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Verbraucherschutz und Gefahr des Betrugs durch Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367 368

341 343 347 347 347 348 349 350 351 352 352 357 361 364 365 366

368 368 371 371 371 372 373 375 378 379 381 382 383 384 385

18 Inhaltsverzeichnis

(ff) Gefahr der Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (gg) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Angemessenheit, u. a. konsequente Zielverfolgung . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europarechtskonformität des partiellen Internetvertriebsverbots . . . . a) Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kohärenz der Regelungen des Vertriebswegs Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Widerspricht die Öffnung für Lotterien im Internet der Kohärenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Widerspricht die Öffnung für Sportwetten der Kohärenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (α) Kanalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (β) Suchtpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (γ) Gefahr der Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Horizontale Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Heranziehung des gewerblichen Automatenspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Durchgängiger Verstoß der Landeslotterie­ gesellschaften gegen § 4 IV GlüStV . . . . . . . . . (cc) Werbemaßnahmen des DTLB . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

387 388 388 393 398 403 404 404 406 406 407 410 413 413 417 418 418 420 422 426 427 428 429 429 431

E. Endergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . 431 Teil 4

Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung 

435

A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des Geltungsbereichs des GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 I. Zählt eine Erlaubnis aus Schleswig-Holstein als Erlaubnis im Rahmen des § 284 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 II. Berücksichtigung einer Erlaubnis aus dem EU-Ausland? . . . . . . . . . . . . 438 1. Erlaubnis aus dem EU-Ausland ist immer behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

Inhaltsverzeichnis19

2. Erlaubnis aus dem EU-Ausland genügt nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Differenzierende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

439 440 442 443

B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts für das Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 I. Konsequenzen eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 445 1. Altfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 2. Fälle nach der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 3. Übertragung auf den GlüStV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 a) Heranziehung der Erkenntnisse aus den Umweltdelikten? . . . . . . 448 b) Besonderheiten Glücksspiel: „Durchschlagen“ des Verstoßes gegen höherrangiges Recht auf § 4 I 1 GlüStV? . . . . . . . . . . . . . . 450 c) Notwendigkeit einer Erlaubnisbeantragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 II. Konsequenzen eines Verstoßes gegen Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 2. Reichweite der Unanwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 3. Weitere Notwendigkeiten für Strafbarkeitausschluss? . . . . . . . . . . . . . 462 III. Sonderregime für Sportwetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 1. Strafbarkeit vor dem 01.01.2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 2. Strafbarkeit ab 01.01.2020 bis Abschluss erste Konzessionsvergabe . 466 3. Strafbarkeit ab erster Konzessionsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fallgruppen und Anwendung der Ergebnisse auf diese . . . . . . . . . . . . . . II. Fallgruppe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallgruppe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fallgruppe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fallgruppe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

467 467 468 470 471 472 473 474 475

Teil 5

Die Verantwortlichkeit von Zahlungsdienstleistern im Rahmen von Online-Glücksspielen 

478

A. Definition Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB . . . . . . . . . . . 479 I. Vorliegen des objektiven Tatbestandes einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . 480

20 Inhaltsverzeichnis

1. Auswirkungen des Verstoßes gegen höherrangiges Recht auf die Beurteilung des Vorliegens einer Haupttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenzen des § 9 II 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nichtberücksichtigung der ausländischen Genehmigung . . . . bb) Berücksichtigung der ausländischen Genehmigung . . . . . . . . (1) Einwand der Absurdität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wortlaut des § 9 II 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Grenze der Anerkennung fremder Erlaubnisse . . . . . . . . . (4) Vergleich mit dem Fall des Embryonenschutzes . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung der Grundsätze über die neutrale Beihilfe . . . . . . . a) Vorliegen und Behandlung der Fälle der neutralen Beihilfe . . . . . b) Übertragung auf Zahlungsdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorliegen einer neutralen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung . . . . . . . . . . (1) Vorwurf der Eröffnung der Zahlungsmöglichkeit . . . . . . (2) Vorwurf des Unterlassens einer Sicherung hinsichtlich unerlaubter Glücksspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Garantenpflicht aus Ingerenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Garantenpflicht aus KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Garantenpflicht aus GwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Garantenpflicht aus GlüStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Vergleich mit Providerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

480 481 481 484 485 485 487 488 489 490 491 491 494 494 495 496 497 499 500 501 502 505 506

C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB . . . . . . . 507 I. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 II. Taugliche Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 1. Auswirkungen des Verstoßes gegen höherrangiges Recht . . . . . . . . . . 509 2. Auswirkung der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 a) Hypothetische rechtswidrige Katalogtat im Inland . . . . . . . . . . . . 510 b) Strafbarkeitsbedrohung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 III. „Herrühren“ des Buchgeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 1. Spiele ohne Bankhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 a) Einzahlung auf das Spielkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 b) Tätigung eines Spieleinsatzes und Gewinngutschrift . . . . . . . . . . . 515 c) Anschließende Gewinngutschrift auf Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 2. Spiele mit Bankhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 a) Einzahlung auf das Spielkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 b) Tätigung eines Spieleinsatzes und Gewinngutschrift . . . . . . . . . . . 519 c) Anschließende Gewinngutschrift auf Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520

Inhaltsverzeichnis21

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einschränkung im Rahmen des berufstypischen Verhaltens auf objek­ tiver Ebene?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tatbestandseinschränkung auf subjektiver Ebene?  . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ZAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. GwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Allgemeine Sorgfaltsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

523 523 525 526 527 527 529 531 533

D. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Teil 6

Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse 

534

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559

Einleitung Die vorliegende Untersuchung richtet ihren Blick unter Berücksichtigung des heute gängigen Online-Glücksspiels auf den § 284 I StGB, der einerseits zwar eine schlichte Norm des Strafrechts ist, jedoch durch seinen Verweis auf das Verwaltungsrecht ebenso auch von dessen Voraussetzungen abhängig ist. Immer mehr nimmt die Zahl der sog. „Online-Casinos“ oder „OnlineSportwetten“ zu, auch im deutschen Fernsehen wird ungeniert Werbung für diese Angebote gemacht, z. B. mit bekannten Gesichtern wie Oliver Kahn für Tipico. Nicht nur die privaten Anbieter verdienen beim Glücksspiel viel Geld1, auch der Fiskus hat im Jahr 2016 über die Rennwett- und Lotteriesteuer Einnahmen in Höhe von 1.809 Mio. € erzielt, was wiederum eine Steigerung von 5,6 % zum Vorjahr war.2 Bereits im 2. Quartal 2017 stieg die Steuereinnahme erneut um 5,2 % im Vergleich zum 2. Quartal im Vorjahr.3 Hiervon entfallen auf die Sportwettsteuer 2016 alleine 306,7 Mio. €.4 Der Trend ebbt jedoch nicht ab, auch im 3. Quartal 2019 stiegen die Steuereinnahmen erneut um 2,3 % im Gegensatz zum 3. Quartal 2018.5 1  Der Jahresumsatz 2016 betrug bei Tipico 500 Mio. €, vgl. Edler, Milliardenschwerer Markt: Wer schnappt sich den Sport-Wetten-Anbieter Tipico?, abrufbar unter: http://www.focus.de/finanzen/experten/christian_edler/branchenkonzentration-nimmtfahrt-auf-milliardenschwerer-markt-wer-schnappt-sich-den-sport-wetten-anbieter-tipi co_id_5365777.html; abgerufen am: 06.10.2020. 2  Bundesfinanzministerium, Steuereinnahmen-Kalenderjahr-2016, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/ Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2017-01-27-steuereinnahmen-kalender jahr-2016.pdf?__blob=publicationFile&v=3; abgerufen am: 06.10.2020. 3  Bundesfinanzministerium, Steuereinnahmen 2. Vierteljahr-2017, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/ Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2017-07-20-steuereinnahmen-2-viertel jahr-2017.pdf?__blob=publicationFile&v=2; abgerufen am: 06.10.2020. 4  Bundesfinanzministerium, Steuereinnahmen-Kalenderjahr-2016, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steu ern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2017-01-27-steuereinnahmen-kalen derjahr-2016.pdf?__blob=publicationFile&v=2; abgerufen am: 06.10.2020. 5  Bundesfinanzministerium, Steuereinnahmen im 3. Quartal 2019, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steu ern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2019-10-21-steuereinnahmen1-3-vierteljahr.pdf?__blob=publicationFile&v=3; abgerufen am: 06.10.2020.

24 Einleitung

Dies mag insoweit verwundern, da nach § 4 IV des Glücksspielstaatsvertrags in der Form des Glücksspieländerungsstaatsvertrages von 2012 (ab sofort GlüStV) „Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet […] verboten“ ist. Zwar sieht hierbei § 4 V GlüStV eine Ausnahme für „die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet“ vor, diese Ausnahme erfasst aber eben aufgrund ausdrücklichen Wortlauts keine Online-Casinos, hier herrscht ein staatliches Monopol. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Anbieter solcher Online-Glücksspielangebote wegen der unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels gem. § 284 I StGB strafbar macht, wenn dieser „ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt“. Aber die Frage nach der Strafbarkeit stellt sich nicht nur für die Anbieter des Glücksspiels selbst. Für ihre Aktivitäten sind sie auf Kooperationen mit verschiedenen Dienstleistern angewiesen. Zum reibungslosen und komfortablen Ablauf eines Online-Glücksspiels zählen hierzu insbesondere Zahlungsdienstleister, die den Geldfluss vom Spieler zum Glücksspielanbieter abwickeln, sodass der Spieler erst „Geld auf dem Spielkonto“ einsetzen kann. Genauso bedarf es der Zahlungsdienstleister zur Auskehr von mög­ lichen Gewinnen. Sollte das Online-Glücksspiel als solches bereits strafbar sein, so knüpft hieran wiederum die Problematik an, ob sich die eingeschalteten Finanzdienstleister, die den Geldfluss der Online-Glücksspielanbieter bewerkstelligen, nicht ebenso strafbar machen, z. B. wegen der Beihilfe zur unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels. Insbesondere in Hinblick auf die veröffentlichen „Paradise Papers“ stand auch die Staatsanwaltschaft vor dem Problem, ob sich die Geldhäuser strafbar machten, indem sie Geldtransfers für die Online-Glücksspielanbieter abwickelten.6 Mit Blick auf die Website von z. B. bwin, dem Platzhirsch der OnlineSportwetten, wird ersichtlich, dass „bwin“ lediglich über eine gibraltische Lizenz7 bzw. eine des Landes Schleswig-Holstein8 verfügt.

6  Vgl. exemplarisch Strozyk/Willmroth, Glücksspiel und Geldwäsche versetzen Banken in Aufruhr, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/paradisepapers-gluecksspiel-und-geldwaesche-versetzen-banken-in-aufruhr-1.3772589; abgerufen am: 06.10.2020. 7  Vgl. https://www.bwin.com/de, wobei es sich wiederum um die Seite handelt, auf die man geleitet wird, wenn man „bwin.de“ öffnen möchte. Es fällt also auf, dass eine Weiterleitung auf eine nicht in Deutschland befindliche Domain erfolgt, die Seite dann aber wiederum auf Deutsch gehalten wird. 8  Vgl. https://www.sh.bwin.de/, abgerufen am: 06.10.2020.

Einleitung25

Andere Angebote, wie z. B. „onlinecasino.de“, sind sich ebenfalls dieser Problematik bewusst. Sie werben im Fernsehen einerseits großflächig mit ihrem Angebot in ganz Deutschland, versuchen Vertrauen zu schaffen mit der Aussage „OnlineCasino-Deutschland wird mit einer offiziellen deutschen Konzession Nummer: IV 36-212-21.6.10 vom 19.12.2012 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten/Glücksspielwesen des Landes Schleswig-Holstein betrieben“, um in einem letzten Halbsatz dann aber da­ rauf hinzuweisen, dass „(d)ie Nutzung unseres Onlinecasinos (…) im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes von Schleswig-Holstein erlaubt (ist). Spielberechtigt sind derzeit nur Spieler mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Schleswig-Holstein.“ Dies verwundert bei OnlineCasinoDeutschland bereits dahingehend, da der GlüStV überhaupt keine Erlaubnismöglichkeit hinsichtlich eines Online-Casinos eröffnet, § 4 V GlüStV erlaubt eine Lockerung lediglich hinsichtlich „Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet“. Auch mit Blick in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik fällt auf, dass § 284 StGB ein Schattendasein fristet. Im Jahr 2016 wurden 436 Fälle der unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels erfasst, im Jahr 2015 3729, wobei im Jahr 2015 lediglich 31 Personen verurteilt wurden,10 im Jahr 2016 gerade einmal 19.11 Auch in den Jahren 2017 und 2018 stagnierte die Zahl der registrierten Fälle der unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels auf 414 im Jahr 2017 und 442 im Jahr 2018;12 eine Verurteilung erfolgte aber auch gerade mal in einem niedrigen zweistelligen Bereich.13 In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, wieso bei einer derartig hohen Fallzahl von im Internet angebotenen Glücksspielen und zugleich bei einer hierzu fehlenden Erlaubnismöglichkeit, die strafrechtliche Relevanz des Straftatbestandes des § 284 StGB in all seinen Absätzen als nicht vorhanden zu sehen ist. Grund für diese seltene Verurteilung unter Anwendung des § 284 StGB ist die rechtliche Unsicherheit, die seit mehreren Jahren über dessen Anwendbarkeit unter Berücksichtigung des mit der Norm einhergehenden Glücksspielverwaltungsrechts besteht. Die Norm des § 284 StGB fordert eine Veranstaltung eines Glückspiels ohne behördliche Erlaubnis.14 Doch der Weg zu dieser notwendigen Erlaubnis gestaltet sich schwierig. In

9  Bundesministerium

des Inneren, PKS 2016 – IMK-Bericht, S. 115. Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3, 2015, S. 142. 11  Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3, 2016, S. 106. 12  Bundeskriminalamt, PKS 2018 – BKA Übersicht Falltabellen, Tabelle 01, Fallschlüssel 661010. 13  Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3, 2017, S. 74. 14  Das gleiche gilt auch für den Straftatbestand des § 287 I StGB. 10  Statistisches

26 Einleitung

fast allen Bundesländern15 fußt die Erteilung dieser Erlaubnis auf den Vorschriften des GlüStV, vgl. § 4 I GlüStV. Ein Veranstalten von Glücksspiel ohne diese Erlaubnis ist ausdrücklich gem. § 4 I 2 GlüStV verboten. Insoweit unterscheidet sich der im Glücksspielrecht geregelte Erlaubnisvorbehalt nicht von der Erlaubnisbedürftigkeit anderer gewerblicher Tätigkeiten, z. B. in der GewO. Die Besonderheit des Glücksspielrechts ist hingegen, dass die Erlaubnis als solche grundsätzlich nur staatlichen Akteuren erteilt wird, private Unternehmer sind faktisch von diesem „Geschäftszweig“ ausgeschlossen; es herrscht zum Großteil ein Staatsmonopol. Jedoch steht dieses Monopol aufgrund verfassungsrechter- und unionsrechtlicher Vorgaben nicht derart sicher, wie man vermuten mag. Ob dieser Erlaubnisvorbehalt und die diesen ­flankierenden Maßnahmen mit höherrangigem Recht vereinbar sind ist genauso umstritten, wie die Frage, was denn die Konsequenz hiervon wäre. Insbesondere ist hierbei die Verzahnung des Glücksspielverwaltungsrechts auf der einen Seite, das die Erteilung der Erlaubnis regelt, mit dem Strafrecht auf der anderen Seite, das die Sanktionierung einer Veranstaltung eines unerlaubten Glückspiels normiert, zu beachten. Die in diesem Zusammenhang bestehenden Unsicherheiten will die Arbeit herausarbeiten und einer Lösung zuführen. Jedoch ist hinsichtlich des § 284 I StGB nicht nur das Merkmal der behördlichen Erlaubnis forschungs­ relevant. Darüber hinaus bestehen viele weitere Stellschrauben, die über die Strafbar- oder Straflosigkeit entscheiden, deren sich die Arbeit ebenso widmet. Die Arbeit stellt daher in Teil 1 zunächst einen kurzen Überblick über die Vorschrift des § 284 I StGB an die Spitze und geht speziell auf das in der Forschung umstrittene Tatbestandsmerkmal der fehlenden behördlichen Erlaubnis ein. Zu diesem Zweck werden die verschiedenen Streitstände mit den jeweiligen Konsequenzen dargestellt. Auf diesem Merkmal aufbauend wird auf die Strafbarkeit des OnlineGlücksspielanbieters als solches eingegangen. In diesem Zusammenhang wird vor die Klammer gezogen in Teil 2 die Frage untersucht und beantwortet, ob und wann überhaupt deutsches Strafrecht für das Anbieten von Online-Glücksspiel gilt. Anschließend ist Thema der Arbeit, ob sich die Anbieter von Online-Glücksspiel in der Bundesrepublik Deutschland strafbar machen. Zunächst ist daher in Teil 3 anhand der verfassungs- und unionsrechtlichen Rechtsprechung zu untersuchen, wie weit eine staatliche Regelung gehen darf und ob überhaupt ein staatliches Monopol auf Glücksspiel im Grundsatz zulässig sein kann. 15  Eine

det.

Ausnahme hat zwischenzeitlich das Bundesland Schleswig-Holstein gebil-

Einleitung27

Nach der grundsätzlichen Darstellung der jeweiligen Kriterien des Unionsund Verfassungsrechts ist im Anschluss zu untersuchen, ob die momentan geltenden Regelungen des GlüStV den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien genügen. Diese Beurteilung erfolgt hierbei insoweit, dass zwischen den verschiedenen Angebotsformen des Online-Glücksspiels unterschieden wird. Hierzu erfolgt eine schwerpunktmäßige Untersuchung des Merkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ und der Vereinbarkeit dieses Erlaubnisvorbehaltes mit höherrangigem Recht. Auf Grundlage dieser Ergebnisse soll dann in Teil 4 eine Übertragung dieser öffentlich-rechtlichen Ergebnisse auf die anschließende strafrechtliche Beurteilung vorgenommen werden. Beruhend auf dieser Prüfung einer Täterstrafbarkeit wird in Teil 5 eine mögliche Strafbarkeit der beim Zahlungsverkehr der Glücksspielanbieter involvierten Finanzdienstleister, die den jeweiligen Online-Glücksspielanbietern ihre Dienste anbieten und Buchungen für diese durchführen, untersucht. In diesem Zusammenhang erfolgt die Untersuchung beschränkt auf die praktisch am ehesten gegebenen Fälle einer Beihilfestrafbarkeit gem. § 284 I, 27 StGB und eine Geldwäschestrafbarkeit gem. 261 I 2 Nr. 4a) StGB. Schwerpunkte dieses Teils sind die erneute Frage der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts, die Frage der Vorwerfbarkeit welchen Verhaltens (Tun oder Unterlassen mit Bezug auf dann notwendige Garantenstellung) und die Möglichkeit der Einschränkung einer Strafbarkeit durch die Grundsätze der neu­ tralen Beihilfe. Die von der Arbeit vorgenommen Untersuchungen erfolgen in rechtsdogmatischer und rechtssystematischer Weise.

Teil 1

Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB Maßgebliche Bedeutung für die nachfolgende Untersuchung hat der § 284 des Strafgesetzbuches. Dieser normiert: „Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ § 284 StGB ist der erste Straftatbestand im fünfundzwanzigsten Abschnitt des Strafgesetzbuches unter der Abschnittsüberschrift des strafbaren Eigennutzes. Die heutige Ausgestaltung des § 284 StGB als eine Sanktionierung des öffentlichen Glücksspiels unter Erlaubnisvorbehalt basiert auf der am 23. Dezember 1919 vorgenommen Gesetzesnovelle („Gesetz gegen das Glücksspiel“).1

A. Öffentliches Glücksspiel § 284 I StGB fordert im Rahmen seines objektiven Tatbestandes zunächst ein öffentliches Glücksspiel. Die Norm erfasst nur das Glücksspiel als solches, hiervon aber abzugrenzen sind die (straflosen) Wetten und Unterhaltungs- und Geschicklichkeitsspiele.2 Hinsichtlich der Abgrenzung von Spiel zur Wette ist nach überwiegender Ansicht das heranzuziehende Kriterium der jeweils verfolgte Zweck.3 Entscheidendes Motiv ist beim Spiel die Unterhaltung bzw. der Gewinn, wohingegen bei der bloßen Wette Gegenstand die Bekräftigung eines Meinungsstreits ist.4 Die Unterscheidung zwischen Glücksspiel auf der einen, Geschicklichkeitsspiel auf der anderen Seite findet am Kriterium des Zufalls statt. Ein Glücksspiel im Sinne des § 284 I StGB liegt dann vor, wenn die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesent1  RGBl. I 1919, S. 2145  ff.; vgl. weiter zur Entstehungsgeschichte Belz, Das Glücksspiel im Strafrecht, S. 5 ff. und LK/Krehl, Vor § 284. 2  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 5; Fischer, §  284 Rn. 3; Sch/Sch/Heine/­ Hecker, § 284 Rn. 6. 3  Vgl. MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 6 m. w. N. 4  So erstmals RG Urteil vom 30. Juni 1882 – 1470/82 –, RGSt 6, 421 (425); siehe auch MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 5; Lackner/Kühl/Heger, § 284 Rn. 6.



A. Öffentliches Glücksspiel29

lich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler, sondern allein oder jedenfalls hauptsächlich vom Zufall abhängt.5 Im Rahmen des GlüStV6 erfolgt gem. § 3 I 1 eine für diesen (jedoch nicht für die strafrechtliche Auslegung) maßgebliche Begriffsbestimmung, wonach ein Glücksspiel vorliegt, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Bei einem Unterhaltungsspiel hingegen ist das Spielergebnis zwar vom Zufall abhängig. Jedoch scheiden diese aus dem strafrechtlichen Begriff des Glücksspiels aus, da ein Glücksspiel zusätzlich erfordert, dass es bei dem vereinbarten Gewinn nicht um einen ganz unbedeutenden Vermögenswert geht bzw. dass der Einsatz nicht völlig unbeträchtlich ist.7 Ein derartiger „unbeträchtlicher“ Einsatz wird von der Rechtsprechung bis zu einer Summe von 0,50 € angenommen8, was insbesondere Anbieter auch dazu nutzen, online die Teilnahme an Fernsehgewinnspielen gegen einen Einmalbetrag von 0,50 € pro Gewinnspiel zu ermöglichen, in der Annahme, dass es sich hierbei noch um kein Glücksspiel handele.9 Ein unbedeutender Gewinn liegt z. B. dann vor, wenn der Gewinn schlicht darin besteht, dass man weiterspielen kann (Freispiel), ohne erneut einen „Einsatz“ tätigen zu müssen.10 Der objektive Tatbestand des § 284 I StGB fordert zusätzlich, dass das Glücksspiel öffentlich ist. Ein Glücksspiel ist öffentlich, wenn es einem nicht fest geschlossenen Personenkreis möglich ist an dem Spiel teilzunehmen.11 Es kommt demnach nicht auf die Öffentlichkeit des Ortes des Glücksspiels an, sondern darauf, ob das Spiel lediglich einem durch persönliche Beziehungen verbundenem Personenkreis zugänglich ist.12 Gem. § 3 II GlüStV liegt ein öffentliches Glücksspiel vor, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um ge-

5  BGH NJW 1987, 851 (852); BGH NJW 1989, 919 (920); MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 6; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 8. 6  Sollte in der Arbeit von GlüStV die Rede sein, so ist mit dem ohne Zahlenzusatz der Glücksspielstaatsvertrag in seiner aktuellen Fassung zum Ende des Jahres 2019 gemeint. 7  BVerwG NVwZ 2014, 889 (891); Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 8. 8  Vgl. BGH BeckRS 2011, 27467 Rn. 66; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 16. 9  Siehe hierzu die von RTL und VOX erstellte Seite https://www.winario.de/, bei die Sender nun neben der telefonischen Teilnahme an Fernsehgewinnspielen auch eine Teilnahme online ermöglichen; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 10  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 11. 11  Fischer, § 284 Rn. 22; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 12. 12  BGH NJW 1956, 639 (640); NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 15; Sch/Sch/Heine/ Hecker, § 284 Rn. 12.

30

Teil 1: Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB

wohnheitsmäßig veranstaltete Glücksspiele in Vereinen oder sonstigen geschlossenen Gesellschaften handelt.

B. Die Tathandlungen § 284 I StGB unterscheidet zwischen drei Tathandlungen. Ohne auf die problematischen Grenzen der jeweiligen Tatvarianten einzugehen, soll zunächst der allgemeine Konsens Grundlage der Untersuchung sein.

I. Veranstalten, § 284 I Var. 1 StGB Das in § 284 I Var. 1 StGB sanktionierte Veranstalten eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis wird von der überwiegenden Ansicht derart definiert, dass der „ein Glücksspiel veranstaltet, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung eines Glücksspiels schafft und dem Publikum Gelegenheit zur Beteiligung daran gibt.“13 Stellenweise wird auch die Definition herangezogen, „Veranstalten ist das Unternehmen, ein Glücksspiel […] ins Werk zu setzen“,14 wobei auch hier die Schaffung einer Gelegenheit zur Beteiligung nötig ist.15 Eine Beteiligung am Spiel selbst ist bei beiden Ansichten gerade nicht nötig.16 Bezogen auf OnlineGlücksspiel erfolgt diese Schaffung der Beteiligungsmöglichkeit bereits mit dem Hochladen des Online-Glücksspielangebots auf den jeweiligen Server, wenn dadurch das Angebot im Internet abrufbar und spielbar wird.17 Hingegen ist die Vorverlagerung einer Veranstalterstrafbarkeit schon auf die Phase des Erwerbs eines Serverplatzes oder auf die Erstellung einer Spielsoftware bzw. Applikation18 zu weitgehend. Dies stellt eine rein straflose Vorbereitungshandlung dar.19

13  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 23; BGH NJW 1958, 758 (759); vgl. Lackner/Kühl/Heger, § 284 Rn. 11, der ebenso die Eröffnung einer Spielgelegenheit und die Ermöglichung der Spielaufnahme fordert; Fischer, § 284 Rn. 18; LK/Krehl, § 284 Rn. 18; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 17; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 15. 14  Fischer, § 284 Rn. 18. 15  Fischer, § 284 Rn. 18. 16  Fischer, § 284 Rn. 18; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 15; Lackner/Kühl/­ Heger, § 284 Rn. 11; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 18; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 45. 17  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 49; Duesberg, JA 2008, 270 (272). 18  So aber Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 52. 19  Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 127; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 49.



B. Die Tathandlungen31

II. Halten, § 284 I Var. 2 StGB Die Definition des Begriffs „Halten“ ist umstritten. Zum Teil wird hierunter derjenige verstanden, der als Unternehmer die Spieleinrichtungen zur Verfügung stellt.20 Gegen diese Ansicht besteht jedoch großer Widerspruch. Überwiegend wird als „Halter“ derjenige angehsehen, der das Spiel leitet und bzw. oder den äußeren Ablauf des Spiels eigenverantwortlich überwacht; das Spiel muss bereits begonnen haben.21 Dies ist auch vorzugswürdig, da sonst ein Überschneiden mit anderen Begehungsmodalitäten des § 284 I StGB droht.22 Bezogen auf den Onlinesektor ist Halter des Glücksspiels der Anbieter, der durch Computerbefehle den Spielablauf überwacht und den Spielbetrieb leitet.23

III. Bereitstellen von Einrichtungen, § 284 I Var. 3 StGB Mit der Sanktionierung der Bereitstellung wird eine Vorbereitungshandlung unter Strafe gestellt, ein Spielbeginn ist gerade nicht notwendig.24 Die Modalität findet in den Fällen zumeist Anwendung, in denen eine Veranstalterstrafbarkeit gem. Var. 1 nicht nachgewiesen werden kann.25 Spieleinrichtungen sind zunächst alle Gegenstände, die ihrer Natur nach geeignet oder dazu bestimmt sind, zu Glücksspielen benutzt zu werden.26 Hinsichtlich der Spieleinrichtungen unterscheiden Stimmen in der Literatur zwischen eigentlichen und uneigentlichen Spieleinrichtungen: Eigentliche Spieleinrichtungen sind Einrichtungen, die keinen anderem Zweck dienen können als dem Glücksspiel27. Uneigentliche Spieleinrichtungen, wie Würfel und Karten, die auch erlaubten Spielen dienen können, fallen nur dann unter den Begriff der 20  RGSt 29, 376 (378); RGSt 56, 246; BayObLG NJW 1979, 2258; Füllkrug, Kriminalistik 1990, 101 (103); Gülzow, Jura 1983, 102 (102); Janz, NJW 2003, 1694 (1697). 21  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 25; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 18; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 19; LK/Krehl, § 284 Rn. 19; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 26. 22  So auch LK/Krehl, § 284 Rn. 19; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 50. 23  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 50 ff. 24  BayObLG NJW 1993, 2820 (2822); MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 26; LK/ Krehl, § 284 Rn. 20. 25  LK/Krehl, § 284 Rn. 20; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 50. 26  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 20; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 26; Fischer, § 284 Rn. 21. 27  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 20 mit dem Beispiel des Roulettetisches; ebenso MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 26.

32

Teil 1: Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB

Spieleinrichtigung, wenn sie zur Verwendung für Glücksspiele bestimmt sind.28 Bereitgestellt ist die Spieleinrichtung dann, wenn sie den Spielern zur Benutzung beim Spiel zur Verfügung stehen, wobei es auf einen Beginn des Spiels nicht ankommt.29

IV. Werben für illegale Glücksspiele, § 284 IV StGB Eine zusätzliche Tatvariante bildet die in § 284 IV StGB sanktionierte Handlung des Werbens. Durch die zusätzliche Sanktionierung des Werbens wird bereits eine Verhaltensweise im Vorfeld der Tathandlung mit einem ­eigenständigen deliktischen Unrecht versehen.30 Unter Werbung ist jede Aktivität zu verstehen, die darauf abzielt, einen anderen zur Beteiligung am Spiel zu bewegen31 bzw. jedes planmäßige Vorgehen mit dem für den Durchschnittsadressaten erkennbaren Ziel, andere für ein illegales Glücksspiel zu gewinnen.32 Es kommt gerade nicht darauf an, dass durch das Werben ein Spielvertrag geschlossen wird.33 Notwendige Voraussetzung ist alleinig, dass für das angeworbene Spiel auch eine Spielbeteiligung vom Inland aus möglich ist.34

C. „Ohne behördliche Erlaubnis“ Wichtigster Punkt des objektiven Tatbestandes des § 284 I StGB, auf den sich die vorliegende Untersuchung auch im Großteil bezieht, ist das Tatbestandsmerkmal der fehlenden behördlichen Erlaubnis. Das Merkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ stellt nach h. M. ein sog. negatives Tatbestandsmerk28  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 20; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 20; MüKoStGB/Hohmann, § 284 Rn. 26; a. A. OLG Rostock HRR 1929 (23) Nr. 2056; Lampe, JuS 1994, 737 (739 f.); Merkel, JW 1921, 1333; Petropoulos, wistra 2006, 332 (335); Schmidt ZStW 41 (1920) 609 (612). 29  BayObLG NJW 2820 (2822); NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 20; Sch/Sch/Heine/ Hecker, § 284 Rn. 19; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 26; Lackner/Kühl/Heger, § 284 Rn. 11. 30  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 28; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 47; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 25. 31  SK-StGB/Hoyer, § 284 Rn. 38; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 48. 32  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 34; Streinz/Liesching/Hambach, § 284 Rn. 101. 33  In diesem Fall wäre bereits ein Veranstalten zu bejahen, denn für dessen Einschlägigkeit genügt bereits das Anbieten des Abschlusses eines Spielvertrages, also erst recht der Abschluss des Spielvertrages als solches; vgl. hierzu S. 30 f. 34  Fischer, §  284 Rn. 24; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 48; NK-StGB/ Gae­de, § 284 Rn. 25; weitergehender SK/Hoyer, § 284 Rn. 39, der es bereits genügen lässt, wenn Werbung für Glücksspiel im Ausland geworben wird, selbst wenn hieran aus dem Inland keine Teilnahmemöglichkeit besteht.



C. „Ohne behördliche Erlaubnis“33

mal dar, die Erlaubnis darf zur Begründung einer Strafbarkeit gerade nicht vorliegen.35 Wie das Erfordernis dieser Erlaubnis, also die Verwaltungsakzessorietät, zu bestimmen ist, ist umstritten und soll an diesem Punkt kurz dargestellt werden, da er von maßgeblicher Bedeutung für die hier zu untersuchende Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters ist.36

I. Darstellung des Meinungsstandes Der Meinungsstand spaltet sich in gewisser Weise in zwei Lager, nämlich in eines, das § 284 I StGB als verwaltungsaktakzessorische Strafvorschrift sieht. Und in eines, das die die Norm als verwaltungsrechtsakzessorisch begreift.37 Die Vertreter einer Verwaltungsaktakzessorietät fordern das bloße Fehlen einer Erlaubnis einer deutschen Behörde.38 Dies folge aus der Tatsache, dass es sich bei § 284 I StGB nicht um einen Blankettstraftatbestand handele.39 Ein Blankettstraftatbestand liege aber nur vor, wenn erst das Zusammenlesen von Tatbestand und Ausfüllungsnorm den eigentlichen Tatbestand ergibt. Dies sei bei § 284 I StGB aber gerade nicht der Fall.40 Hier ist das Gesetz, aufgrund dessen die Erlaubnis ergeht, nicht Teil des Tatbestandes, sondern das Merkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ stellt nur auf die Erlaubnis als solche ab.41 Dass die Erlaubnis erlangbar sein muss, ist gerade nicht Bestandteil des Wortlautes des Tatbestandes. § 284 I StGB verlange im Gegensatz zu z. B. §§ 327 I, 328 I StGB kein Handeln „ohne erforderliche Erlaubnis“, das Fehlen der Erlaubnis – egal aus welchem Grund – genügt daher zu Tatbestandsverwirklichung.42 Es handele sich um reine Pönalisierung von Verwaltungsungehorsam.43 Dies hat zur Folge, dass eine etwaige Verfassungswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrags und der damit korrespondierenden Landesregelungen 35  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 23; Fischer, § 284 Rn. 13; LK/Krehl, § 284 Rn. 22; Steegmann, Die Haftung der Basisinfrastruktur, S. 80 ff. 36  Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 22 bezeichnet es als die „zentrale Weichenstellung“. 37  Vgl. hierzu Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 16  f.; Fischer, § 284 Rn. 14; Beckemper/Janz, ZIS 2008, 31 (37). 38  Vgl. Mosbacher, NJW 2006, 3529 (3533 f.); Beckemper/Janz, ZIS 2008, 31 (37); Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362). 39  Mosbacher, NJW 2006, 3529 (3533 f.); Beckemper/Janz, ZIS 2008, 31 (37). 40  Mosbacher, NJW 2006, 3529 (3533 f.); Beckemper/Janz, ZIS 2008, 31 (37). 41  Beckemper/Janz, ZIS 2008, 31 (37); Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362). 42  So Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362). 43  Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362).

34

Teil 1: Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB

nicht auf die Strafbarkeit gem. § 284 I StGB Einfluss hat. Vielmehr sei der Straftatbestand des § 284 I StGB als „Nicht-Blankett“ unabhängig von der Vereinbarkeit der verwaltungsrechtlichen Regelungen des Glücksspielrechts mit der Verfassung einschlägig.44 Es komme weder auf die Erlaubnispflichtigkeit, noch auf die Erlaubnisfähigkeit an, eine bestehende Erlaubnis lasse nur den Tatbestand entfallen.45 Auch im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit des GlüStV soll § 284 I StGB weiterhin anwendbar sein.46 Eine andere Auffassung sieht hingegen in § 284 I StGB und dem Merkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ eine Verwaltungsrechtsakzessorietät.47 Die Strafbarkeit richtet sich demnach nicht nach der Erlaubnis als solche, sondern ist abhängig von dem in Bezug genommenen Glücksspielrecht ins­ gesamt.48 Auch die Rechtsprechung geht seit dem Sportwettenurteil des BVerfG49 und der darauf erfolgten Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH50 – das wiederum die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Gambelli51 und Placanica52 mit einbezieht – von einer Verwaltungsrechtsakzessorietät aus.53 Auch wenn die Rechtsprechung nicht das Wort „Verwaltungsrechtsakzessorietät“ sondern von bloßer „Verwaltungsakzessorietät“ spricht, ist damit die Verwaltungsrechtsakzessorietät gemeint, da der Bestand und die Anwendung des § 284 StGB von der Vereinbarkeit der darin geforderten Erlaubnis mit höherrangigem Recht abhängig gemacht wird.54 Auch der Großteil der strafrechtlichen Kommentarliteratur geht von einer Verwaltungsrechtsakzessorietät aus.55 Die Annahme einer Verwaltungsrechtsakzessorietät hat zur Folge, dass die Strafbarkeit des § 284 I StGB auch dann zu verneinen ist, wenn das, der nötigen Erlaubnis zugrundeliegende, Verwaltungsrecht mit höherrangigem 44  Mosbacher,

NJW 2006, 3529 (3533 f.); Beckemper/Janz, ZIS 2008, 31 (37). wistra 2008, 361 (362). 46  Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 59 (65); Meyer, JR 2004, 447 (452) mit Verweis auf BGH NJW 2002, 2175 (2176). 47  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 30; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 23. 48  So zusammengefasst von Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 17. 49  BVerfG NJW 2006, 1261. 50  BGH NJW 2007, 3078. 51  EuGH NJW 2004, 139. 52  EuGH NJW 2007, 1515. 53  Vgl. OLG München NJW 2008, 3151; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 372; AG Tiergarten 25.7.2011 – (249Ds) 14 Js 2738/10; AG Kempten 28.4.2014 – 411 Js 14452/14 (2 Gs 937/14). 54  Ebenso Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 17. 55  Siehe Fischer, § 284 Rn. 14  ff.; LK/Krehl, § 284 Rn. 22; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 21; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 30; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 21; SSW-StGB/Rosenau, § 284 Rn. 16. 45  Dehne-Niemann,



C. „Ohne behördliche Erlaubnis“35

Recht unvereinbar ist. So entschied der BGH mit seinem Urteil zu sog. „Altfällen“ nach dem Sportwettenurteil des BVerfG grundlegend, dass der Glücksspielanbieter (von in diesem Fall Sportwetten), dann nicht nach § 284 I StGB strafbar ist, „wenn die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der seinerseits die Rechte des Betreibers von Glücksspielen in verfassungswidriger Weise verletzt.“56 Für eine Strafbarkeitsbegründung ist nach Ansicht des BGH nicht nur die fehlende Erlaubnis strafrechtlich relevant, sondern auch die Frage, ob die Erlaubnis überhaupt in gesetzmäßiger Weise erlangbar war.

II. Stellungnahme Vorliegend stellt sich die Ansicht der Verwaltungsrechtsakzessorietät als vorzugswürdig dar, weshalb sie im Folgenden auch zugrunde gelegt werden wird. 1. Wortlautargument Zwar ist der Ansicht von der Verwaltungsaktakzessorietät insoweit zuzustimmen, dass der Wortlaut des § 284 I StGB und der des § 327 I bzw. § 328 I StGB sich durch das Fordern einer erforderlichen Genehmigung unterscheidet. Jedoch führt der Wortlaut nicht allein zu dem zwingenden Schluss, dass diesbezüglich gesetzgeberisch etwas Anderes gewollt war. Von Gesetzes wegen wird vorliegend auch zwischen „Erlaubnis“ bei § 284 I StGB und „Genehmigung“ bei §§ 327 I, 328 I StGB vom Wortlaut her unterschieden. Dass der Gesetzgeber aber trotz unterschiedlichen Wortlautes bei beiden Voraussetzungen schlicht eine behördlich ausgestellte Akzeptierung (und nicht nur Duldung) des jeweils unter einen Vorbehalt gestellten Verhaltens fordert, ist bereits aus der Tatsache ersichtlich, dass der Gesetzgeber in § 327 I, II StGB und § 328 I StGB die amtliche Überschrift mit dem Wort „Unerlaubtes/r“ einleitet, dann aber in Absatz 1 ein Handeln ohne Genehmigung fordert. Die Genehmigung stellt also einen Unterfall der Erlaubnis dar, weil sie das „Unerlaubte“ und damit die Strafbarkeit entfallen lässt. Es zeigt sich bereits hier, dass der Gesetzgeber bei der Wortwahl keine Unterscheidung zwischen Verwaltungsakts- und Verwaltungsrechtsakzessorietät treffen wollte. Ebenso kann man dem Wortlautargument entgegenhalten, dass der Begriff der erforderlichen Genehmigung nur ein Hinweis des Gesetzgebers darauf sein kann, dass eine Strafbarkeit nur dann in Betracht kommt, wenn das 56  BGH

NJW 2007, 3078 (3081).

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Teil 1: Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB

Handeln genehmigungsbedürftig ist, also, wenn überhaupt eine Genehmigung erst erforderlich ist. Das Vorliegen einer Genehmigungsbedürftigkeit ist Bestandteil des Tatbestands, dies ergibt sich auch e contrario aus der Tat­ sache, dass eine Unkenntnis über die umweltrechtliche Genehmigung einen Tatbestandsirrtum gem. § 16 I StGB nach sich zieht.57 Die §§ 327 I, 328 I StGB beziehen sich jeweils auf die im AtG normierte Genehmigungsbedürftigkeit. Im Rahmen des § 327 II 1 Nr. 2 StGB normiert der Gesetzgeber aber auch eine Sanktion für denjenigen, der „eine genehmigungsbedürftige Anlage oder eine sonstige Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, deren Betrieb zum Schutz vor Gefahren untersagt worden ist (..) ohne die nach dem jeweiligen Gesetz erforderliche Genehmigung oder Planfeststellung oder entgegen einer auf dem jeweiligen Gesetz beruhenden vollziehbaren Untersagung betreibt.“ Auch hier verwendet der Gesetzgeber erneut das Merkmal der „erforderlichen Genehmigung“. Der Gesetzgeber bezweckt hier durch den Passus der „erforderlichen“ Genehmigung bewusst nur eine Sanktion in den Fällen, in denen überhaupt eine Genehmigungspflicht besteht.58 Das Merkmal der erforderlichen Genehmigung begrenzt die Strafbarkeit nur auf die Fälle, in denen von Gesetzes wegen eine Genehmigung erforderlich ist, denn hinsichtlich der nichtgenehmigungsbedürftigen Anlagen – den sonstigen – kommt eine Strafbarkeit nur bei Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung i. S. d. § 25 BImSchG in Betracht, vgl. § 327 II 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB.59 Hingegen ist beim Glücksspiel die Situation eine gänzlich andere. Grundsätzlich steht jedes Glücksspiel unter einem durch das StGB flankiertem Totalverbot. Es gibt keine Unterscheidung zwischen öffentlichem Glücksspiel, für das es einer Erlaubnis bedarf und öffentlichem Glücksspiel, für das es keine Erlaubnis braucht. Vielmehr ist Glücksspiel insgesamt verboten und eine Erlaubnis ist immer nötig, § 4 I GlüStV. Eine Begrenzung auf die Fälle, in denen eine Erlaubnis „erforderlich“ ist, ist daher von Gesetzes wegen sinnlos. Die Annahme einer Pönalisierung bloßen Verwaltungsungehorsams aus der Formulierung zu ziehen, scheint daher verfehlt.60 Der Gesetzgeber hatte mit der Formulierung gerade nicht vor Augen, ein Handeln unabhängig von einer Erlaubnispflicht zu sanktionieren, vielmehr kommt durch die „Erforderlichkeit“ in §§ 327, 328 StGB nur zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber 57  Vgl. BeckOK-StGB/Witteck, § 327 Rn. 28 mit Verweis auf OLG Braunschweig NStZ-RR 1998, 175 (177). 58  Vgl. hierzu BGH NJW 2014, 91 (93). 59  BeckOK-StGB/Witteck, § 327 Rn. 17; Lackner/Kühl/Heger, § 327 Rn. 3; NKStGB/Ransiek, § 327 Rn. 11. 60  Wie dies Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362) annimmt.



C. „Ohne behördliche Erlaubnis“37

erkannt hat, dass nicht jede Tätigkeit im umgrenzten Bereich einer öffentlichrechtlichen Genehmigung bedarf. Dies ist beim öffentlichen Glücksspiel aber gerade der Fall. Dem zwingenden Schluss auf eine Verwaltungsaktakzesso­ rietät ist daher nicht zu folgen. 2. Rechtsgutargument Auch scheint vorliegend die Ansicht überzeugend, dass die Annahme einer reinen Verwaltungsaktakzessorietät dem von § 284 I StGB verfolgten Rechtsgüterschutz missachtet.61 Die Annahme, dass § 284 I StGB von dem bloßen Nichtbestehen einer Erlaubnis abhängt, egal ob diese verfassungswidrig versagt wird oder nicht, stellt eine Pönalisierung reinen Verwaltungsungehorsams dar.62 Jedoch rechtfertigt ein rein formeller Verwaltungsungehorsam keine Straftat, vielmehr ist dem mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht beizukommen.63 Auch spiegelt sich eine Pönalisierung des reinen Verwaltungsungehorsams nicht in der allgemeinen Rechtsgutsbestimmung des § 284 StGB wieder. So nimmt die Rechtsprechung als Rechtsgut die staatliche Kontrolle über die kommerzielle Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft an, wohingegen der Großteil der Literatur als Schutzgut die Gewährleistung einer manipulationsfreien Spielchance und der Schutz vor heimlicher Manipulation sieht.64 Die genaue Ausdifferenzierung des geschützten Rechtsguts kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, da zumindest festzustellen ist, dass ein reiner Schutz vor Verwaltungsungehorsam nicht Schutzgut des § 284 StGB ist, vielmehr verfolgt die Norm (auch) einen materiellen Schutzzweck.65 Auch der Gesetzgeber sieht in § 284 StGB vom Staat getrennte materielle Schutzwecke, indem er formulierte: „Zweck […] ist es 1. eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern, 2. durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, 3. eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder gewerb­lichen Gewinnzwecken zu verhindern und

ausdrücklich Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 19. Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362); vgl. darüber hinaus Hund, NStZ 1993, 571; Lange, FS Dreher, S. 573 (579). 63  Kretschmer, ZfWG 2006, 52 (53); angedeutet von OLG Hamburg BeckRS 2007, 12554; Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 19. 64  BeckOK-StGB/Hollering, §  284 Rn.  5 f. m. w. N. 65  Siehe Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S.  19; Sch/Sch/Heine/­ Hecker, § 284 Rn. 3. 61  So

62  Ausdrücklich

38

Teil 1: Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB

4. einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen (mindestens 25 %) zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke heranzuzie­ hen.“66

Der Bundesgesetzgeber sieht hinsichtlich des § 284 I StGB demnach dieselben Schutzzwecke wie die Länder im Rahmen des GlüStV, vgl. § 1 GlüStV. Es besteht augenscheinlich ein Zusammenhang zwischen § 284 I StGB und dem verwaltungsrechtlichen Glücksspielrecht, von dessen Erlaubnis § 284 I StGB spricht. Es ist daher zuzustimmen, dass § 284 StGB an den materiellen Schutzzwecken des Glücksspielverwaltungsrechts teilnimmt und daher auch ein „Teil der Gesamtregelung zum Glücksspielrecht“67 ist, mit der Folge, dass Verwaltungsrechtsakzessorietät vorliegt.68 3. Spielbankenentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2000 und darauffolgende höchstrichterliche Entscheidungen Das BVerfG erklärte im Jahr 2000 das baden-württembergische Spielbankengesetz für mit der Verfassung unvereinbar und nichtig.69 Zugleich wurde das Land Baden-Württemberg verpflichtet bis zum 31.12.2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Für den Übergangszeitraum erließ das Gericht eine Anordnung gem. § 35 BVerfGG, dass die bisherige Gesetzeslage bis spätestens 31.03.2002 aufrechterhielt. Hierbei handelt es sich um kein untypisches Vorgehen des Gerichts. Für Aufregung sorgte aber der Passus „(v)erstreicht dieser Termin, ohne dass eine Entscheidung über neue Spielbankerlaubnisse bekannt gegeben worden ist, kann der Betrieb der beiden Spielbanken nicht fortgeführt werden (vgl. § 284 StGB).“70 Aus diesem Verweis auf § 284 StGB wird der Schluss gezogen, das BVerfG selbst habe angeordnet, dass das Betreiben einer Spielbank auch dann strafbar sei, wenn es keine gesetzliche Grundlage gibt, auf der die Genehmigung erteilt werden kann.71 Jedoch ist nicht zwingend ersichtlich, dass das BVerfG mit der vorliegenden Formulierung Position beziehen wollte, insbesondere da es nur ein kurzer Klammerzusatz ist. Dass der Verweis auf § 284 I StGB lediglich 66  BT-Drs.

13/8587, S. 67. Neutralisiertes Strafrecht, S. 19. 68  Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 19; Kretschmer, ZfWG 2006, 52 (53); Hambach/Berberich, ZfWG 2015, 150 (153 f.); Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, 126 (127 f.); SK-StGB/Hoyer, § 284 Rn. 3; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 21; SSW-StGB/Rosenau, § 284 Rn. 21, der auf den EuGH verweist. 69  BVerfGE 102, 197. 70  BVerfGE 102, 197 (223 f.). 71  Beckemper/Janz, ZIS 2008, 37 (37 f.); aus dem Zivilrecht BGH NJW 2002, 2175 (2175 f.); aus dem Verwaltungsrecht VGH Kassel NVwZ 2004, 99 (104). 67  Saliger/Tsambikakis,



C. „Ohne behördliche Erlaubnis“39

eine bloße Druckausübung für die Einhaltung der Frist ist,72 lässt sich genauso gut hören, wobei dogmatisch viel für die vorgetragenen Ansichten spricht. Jedenfalls ist die Entscheidung aus dem Jahr 2000 bereits durch mehrere Entscheidungen des BVerfG überholt.73 Spätestens seit der sog. „Sportwettenentscheidung“ des BVerfG74 ist das Verfassungsgericht nicht mehr dieser Ansicht. Im Rahmen seiner Entscheidung ordnete das Gericht ausdrücklich an, dass die Entscheidung, ob eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB vorliegt, den Strafgerichten unterliegt.75 Das Gericht geht also gerade nicht von einer Strafbarkeit allein aufgrund der fehlenden Erlaubnis aus.76 Vielmehr bestätigt das BVerfG in einem späteren Beschluss ausdrücklich, dass „(d)as Entfallen des staatlichen Strafanspruchs […] von Verfassung wegen geboten (ist)“.77 Dies begründet das BVerfG damit, dass die Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses der Vermittlung von Sportwetten in der maßgeblichen Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) der deutschen beziehungsweise in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) der ausländischen privaten Sportwettenvermittler darstellt, weshalb die Anwendung von § 284 I StGB insoweit mit der Verfassung unvereinbar ist.78 Das BVerfG geht also im Ergebnis von einer Verwaltungsrechtsakzessorietät aus.79 Diese Ansicht entspricht auch der Rechtsauffassung des EuGH. Der EuGH bestätigte in mehreren Entscheidungen, dass das Unionsrecht einer strafrechtlichen Ahndung entgegensteht, wenn das verwaltungsakzessorische Glücksspielrecht gegen Unionsrecht verstößt.80 Nach Ansicht des EuGH besteht also bereits aufgrund des Unionsrechts ein Zusammenhang zwischen dem verwaltungsrechtlichen Glücksspielrecht und § 284 I StGB, der sich auch darin niederschlägt, dass eine Unionsrechtswidrigkeit des Verwaltungs-

Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 21. auch Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 21. 74  BVerfG NJW 2006, 1261. 75  BVerfG NJW 2006, 1261 (1267 Rn. 159). 76  Weitergehender Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 21, die hier eine implizite Unterstellung sehen. 77  BVerfG Beschl. v. 15.4.2009 – 2 BvR 1496/05, BeckRS 2009, 34070. 78  BVerfG Beschl. v. 15.4.2009 – 2 BvR 1496/05, BeckRS 2009, 34070. 79  Ebenso Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 22. 80  EuGH NJW 2007, 1515 – Placanica; EuGH NVwZ 2010, 1409 – Stoß u. a.; EuGH EuZW 2012, 275 – Costa u. a.; EuGH MMR 2012, 54 – Dickinger; EuGH GRUR Int. 2016, 365 – Ince; siehe hierzu vertiefend die Ausführungen ab S. 456 ff. 72  So 73  So

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Teil 1: Einführung in die Normsystematik des § 284 StGB

rechts einer Ahndung durch das Strafrecht verbietet. Für eine Verwaltungs­ aktakzessorietät ist daher von Gesetzes wegen kein Raum.81 Nichts anderes ergibt sich aus einer jüngeren Entscheidung des BGH.82 In dieser stellte er zwar klar, dass es im Rahmen des § 284 I StGB lediglich darauf ankäme, dass keine Erlaubnis vorliegt und nicht auf die Frage, ob denn eine Erlaubnis hätte erteilt werden müssen.83 Für die hier aber entscheidende Frage, ob eine Verfassungswidrigkeit des Erlaubnissatzes zu einem Strafbarkeitausschluss im Rahmen des § 284 I StGB führt, enthält die Entscheidung aber keine Aussage, denn das zugrundeliegende Verwaltungsrecht – in diesem Fall § 33c I GewO – wurde in der Entscheidung gerade nicht als vermeintlich verfassungswidrig gesehen bzw. wurde diese Möglichkeit überhaupt nicht in Erwägung gezogen.84 4. Resümee Nach dem oben Gesagten bildet die vorzugswürdige (und auch herrschende) verwaltungsrechtsakzessorische Ansichtsweise hinsichtlich § 284 I StGB den Grundstein der Untersuchung und Herausarbeitung. Das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ ist daher verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen und abhängig von dem zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrecht.

81  So auch Saliger/Tsambakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 22; vgl. Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, 126 (127). 82  BGH NStZ-RR 2018, 214. 83  BGH NStZ-RR 2018, 214 (214). 84  Vgl. BGH NStZ-RR 2018, 214 (214).

Teil 2

Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Online-Glücksspiele Online-Glücksspiel stellt aber nicht ein lediglich deutsches Phänomen dar, vielmehr erfolgt das Angebot von Online-Glücksspielanbietern meist über Ländergrenzen hinweg; die meisten Anbieter haben nicht einmal ihren Sitz in Deutschland. Vor die Klammer gezogen stellt sich daher, bevor eine strafrechtliche Beurteilung von Onlineformaten überhaupt möglich ist, die allgemeine Frage, ob das deutsche Strafrecht überhaupt Anwendung findet. Die Frage der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf ausländische OnlineGlücksspielangebote stellt für sich genommen eine umfassend diskutierte Fragestellung dar1, die im Folgenden dargestellt werden soll. Es handelt sich hierbei um einen der wichtigsten Punkte hinsichtlich der Beurteilung der Strafbarkeiten der Anbieter, weshalb der Aspekt im Rahmen der Untersuchung nicht vollständig ausgeklammert werden soll und daher zunächst nachfolgend behandelt werden soll.

A. Innerdeutsche Fallgruppen Hinsichtlich innerdeutscher Fallgruppen (sowohl der Anbieter als auch der Spieler befinden sich in Deutschland) findet unstreitig das deutsche Strafrecht Anwendung.2 Gem. § 3 StGB gilt das deutsche Strafrecht für Taten die im Inland begangen werden. Gem. § 9 StGB ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder, im Falle des Unterlassens, hätte handeln müssen oder an dem der „zum Tatbestand gehörende Erfolg“ eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Die Rechtsnatur des § 284 I StGB dahingestellt, liegt zumindest der Handlungsort in diesen Fallgruppen im Inland. Der Handlungsort eines Begehungsdehierzu z. B. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. Kudlich, HRRS 2004, 278 (279); Hilgendorf/Valerius, Rn. 145; Rath, JA 2007, 26 (28); Duesberg, JA 2008, 270 (272); LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 78; SSWStGB/Satzger, § 9 Rn. 16; Satzger, Jura 2010, 108 (115); Busching, MMR 2015, 295 (296); Fischer, § 9 Rn. 5b; Marberth-Kubicki, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 49; Safferling, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 26; Wörner, ZIS 2012, 458 (462). 1  Vgl. 2  Vgl.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

liktes wie es § 284 I StGB eines ist, ist jeder Ort, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Handlung vornimmt oder versucht.3 Tathandlungen des § 284 I StGB sind das Veranstalten oder Halten eines Glücksspiels oder die Bereitstellung von Einrichtungen hierzu. Vorausgesetzt es handelt sich bei der jeweiligen Fallgruppe um Glücksspiel4, so erfolgen die Tathandlungen im Inland, da der Onlinezugang zu den Angeboten, also die Handlung, in Deutschland erfolgt.5

B. Angebote mit Auslandsbezug Bei grenzüberschreitenden Angeboten ist hingegen die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts diskutabel, da meist sowohl der Sitz als auch der Server, der jeweils das Angebot anbietenden Gesellschaft, außerhalb der Bundesrepublik liegt. Im Rahmen dieser Fallgruppen steht und fällt die Frage nach einer Strafbarkeit bereits mit der vorgelagerten Frage der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. Denn nur bei einer Anwendung deutschen Strafrechts ist es überhaupt einem Anbieter vorwerfbar, ein derartiges Angebot auch in Deutschland zum Abruf zu stellen. Das Fehlen der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts und damit das Ausbleiben deutscher Strafgewalt hat prozessrechtlich ein Verfahrenshindernis zur Folge, das von Amts wegen zu berücksichtigen ist.6 Ein Fehlen dieser Verfahrensvoraussetzung hat zur Folge, dass ein eingeleitetes Strafverfahren einzustellen ist. Genauer gesagt, ist das das Ermittlungsverfahren gem. § 170 II StPO, das Zwischenverfahren durch Nichteröffnungsbeschluss gem. §§ 204 I, 203 StPO und das Hauptverfahren je nachdem, ob vor oder während der Hauptverhandlung, gem. § 206a StPO durch Einstellungsbeschluss oder gem. § 260 III durch Prozessurteil einzustellen.7 Dem wiederum ist die Frage vorgelagert, ob die § 3 ff. StGB in den Fällen des Online-Glücksspiels überhaupt Anwendung finden. Dies 3  MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 8; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 2; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; Sch/Sch/Eser/Weißer, § 9 Rn. 4. 4  Siehe hierzu später in der spezifischen Besprechung der Fallgruppen auf S. 467 ff. 5  Kudlich, HRRS 2004, 278 (279); Hilgendorf/Valerius, Rn. 145; Rath, JA 2007, 26 (28); Duesberg, JA 2008, 270 (272); LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 78; SSW-StGB/ Satzger, § 9 Rn. 16; Satzger, Jura 2010, 108 (115); Busching, MMR 2015, 295 (296); Fischer, § 9 Rn. 5b; Marberth-Kubicki, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 49; Safferling, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 26; Wörner, ZIS 2012, 458 (462). 6  BGH NStZ 1986, 320; BGH NJW 1995, 1844 (1845); OLG Saarbrücken NJW 1975, 506 (506 f.); OLG Celle BeckRS 2007, 10172; LG Frankfurt NJW 1977, 508 (509); MüKo-StGB/Ambos, Vorb. § 3, Rn. 4 m.  w.  N.; Sch/Sch/Eser/Weißer, Vor §§ 3–9, Rn. 9; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 58 f. 7  LR-StPO/Kühne, Einl. Abschn. K, Rn. 42.



B. Angebote mit Auslandsbezug43

könnte zu verneinen sein, wenn das Unionsrecht die Anwendung deutschen Strafrechts auf Anbieter von Onlineangeboten in anderen Mitgliedstaaten verhindert. Widersprächen die §§ 3 ff. StGB Unionsrecht, so wäre zwingend eine unionsrechtskonforme Auslegung dahingehend vorzunehmen, dass der Widerspruch beseitigt wird. Ist dies nicht möglich, so wäre aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts die nationale Regel im konkreten Fall nicht anwendbar.8

I. Vorrang des Unionsrechts Hinsichtlich des Vorrangs des Unionsrechts gibt es zwei diskutable Punkte. Zum einen, ob allein die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB als solche gegen Unionsrecht verstößt und zum anderen, ob das in Art. 3 der E-Commerce Richtlinie enthaltene und in § 3 des Telemediengesetzes umgesetzte Herkunftslandprinzip vor den §§ 3 ff. StGB Vorrang hat. 1. Verstoß gegen Unionsrecht durch §§ 3 ff. StGB Bereits Probleme bereitet die Frage, ob eine mögliche Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf in anderen EU-Mitgliedstaaten befindliche OnlineGlücksspielanbieter eine Unionsrechtswidrigkeit zu begründen vermag. Diesbezüglich kommt insbesondere ein Verstoß gegen das Primärrecht, genauer gegen Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) und Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) in Betracht. Art. 56 AEUV verbietet jegliche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Art. 49 AEUV untersagt darüber hinaus jegliche Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats. Fraglich in diesem Zusammenhang ist, ob bereits die bloße Anwendbarkeit deutscher Strafgewalt auf im Ausland befindliche Glücksspielanbieter eine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellt. Hierzu müssten die Anbieter in den persönlichen, räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich des AEUV fallen und die reine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechtes müsste für sich genommen bereits eine Beschränkung darstellen.9

8  Duesberg,

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 67 m. w. N. Calliess/Ruffert/Korte, Art. 49 AEUV Rn. 5 und Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Forsthoff, Art. 57 AEUV Rn. 16 ff. 9  Vgl.

44

Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Die Anbieter von Online-Glücksspielen mit Sitz in Malta und Gibraltar10 unterfallen dem räumlichen Geltungsbereich des AEUV. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Beschränkung jede (staatliche) Maßnahme, die „die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen“ könnte.11 Maßgebliches Kriterium ist demnach, ob durch die bloße Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Internetsachverhalte als solches bereits eine in den Verträgen normierte Grundfreiheit unterbunden, behindert oder weniger attraktiv gemacht wird. Dies ist aber hinsichtlich der §§ 3 ff. StGB zu verneinen.12 Die bloße Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf einen ausländischen Anbieter begründet für diese keinerlei Beschränkungen oder Verbot. Vielmehr erfolgt die Einschränkung der Grundfreiheit erst durch die im besonderen Teil des StGB geregelten Strafnormen, die eine bestimmte Verhaltensweise sanktionieren. Nur die Strafnorm als solche zeigt dem Anbieter auf, was ihm verboten ist und was nicht. Ebenso erfährt der Anbieter auch erst durch die Strafnorm die jeweilige Konsequenz eines verbotenen Verhaltens. Die vollständige Beurteilung, ob überhaupt eine Beschränkung einer Grundfreiheit gegeben ist und, ob diese Beschränkung auch gerechtfertigt ist, ist erst durch die Kombination aus der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts und der Strafnorm als solche möglich.13 Die §§ 3 ff. StGB begründen für sich nur die abstrakte Aussage, dass überhaupt deutsche Straftatbestände auf Sachverhalte im Inland anwendbar sind und dass eine entsprechende Strafverfolgungszuständigkeit gegeben ist.14 Eine weitergehende Aussage, woraus sich eine oben genannten Beschränkung ergeben könnte, wird durch die §§ 3 ff. StGB gerade nicht getroffen.15

10  Bei Gibraltar handelt es sich um eine dem vereinigten Königreich angehörende Kronkolonie, die gem. Art. 355 III AEUV dem Geltungsbereich des AEUV unterliegt, vgl. Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 355 AEUV Rn. 9; Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Jaeckel, Art. 355 AEUV Rn. 14. 11  EuGH NJW 1996, 579 Rn. 37 – Gebhard; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/ Forsthoff, Art. 57 AEUV Rn. 100; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff, Art. 49 AEUV Rn.  94 f. 12  Dies gilt unabhängig von der Einordnung der § 3 ff. StGB als materiell-recht­ liche objektive (Vor-)Bedingung der Strafbarkeit oder als objektives Tatbestandsmerkmal der Verbotsnorm selbst, vgl. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 69. 13  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 68. 14  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 68. 15  Hinsichtlich der §§ 5 und 6 StGB, in deren Fällen eine konkrete Aussage zur Verbotsnorm selbst erfolgt, ist ebenso zu beachten, dass die Beurteilung der Unionsrechtswidrigkeit und damit die vorgelagerte Frage einer Rechtfertigung nur mit Blick



B. Angebote mit Auslandsbezug45

Diese Aussage erfolgt erst durch den in § 284 I StGB und mit § 4 IV GlüStV korrespondierenden angeordneten strafbewehrten Erlaubnisvorbehalt hinsichtlich des Online-Glücksspiels, weshalb sich die Frage der Unionsrechtswidrigkeit nicht in Bezug auf die §§ 3 ff. StGB stellt, sondern erst hinsichtlich der Sanktion in § 284 I StGB.16 2. Vorrang des Herkunftslandprinzips Ebenso stellt sich die Frage, ob im Falle des Online-Glücksspiels die §§ 3 ff. StGB unter Berücksichtigung des Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie (ECRL)17 und der hierdurch erfolgten nationalen Umsetzung in § 3 Telemediengesetz (TMG)18 anwendbar sind oder zumindest eingeschränkt werden. § 3 TMG könnte eine Spezialregelung darstellen, die die §§ 3 ff. StGB verdrängt.19 Gem. § 3 II TMG wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die in der Bundesrepublik Deutschland von Diensteanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 89/552/EWG niedergelassen sind, nicht eingeschränkt. Das Online-Glücksspielangebot unterfällt dem Begriff der Telemediendienste gem. § 1 I 1 TMG, da es sich bei diesem um eine elektronische, via Internet bereitgestellte, Interaktion zwischen Anbieter und Nutzer handelt, die unter Verwendung von Kommunikationsdiensten erfolgt.20 Praktisch umfasst der Begriff der Telemedien jeden Online-Auftritt, wie er eben auch bei den Online-Glücksspielanbietern vorzufinden ist.21 Konsequenz des Herkunftslandprinzips ist, dass der jeweilige geschäfts­ mäßige Anbieter von Telemediendiensten im Anwendungsbereich der ECRL auf die Verbotsnorm selbst erfolgen kann, vgl. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 68 f. Fn. 264. 16  Siehe hierzu umfassend Teil 2. 17  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), OJ L 178, 17.7.2000, S. 1–16. 18  In Kraft getreten am 01.03.2007 durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26.02.2007 (BGBl. I S. 179), in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen vom 01.04.2015 (BGBl. I S. 434), in Kraft getreten am 01.01.2016; durch das TMG wurde das zu vorige Teledienstgesetz vom 22.08.1997, BGBl. I 1997, S. 1870, und der Mediendienste-Staatsvertrag vom 31.01.1997, GV.NW 1997, S. 158, ersetzt. 19  So zur Debatte gestellt von Kudlich, HRRS 2004, 278. 20  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 71. 21  NK-TMG/Müller-Broich, § 1 Rn. 6.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

seine Dienstleistung nicht jeweils am Recht der einzelnen Mitgliedstaaten ausrichten muss, sondern dass für diesen nur das Recht an seinem Niederlassungsstandort maßgeblich ist.22 Für die in Malta oder Gibraltar befindlichen Anbieter, die dort ihren Geschäftssitz haben, hätte dies zur Folge, dass sich die Legalität und die Strafbewehrung des Online-Glücksspiels nicht nach deutschem Recht, sondern lediglich nach dem Recht des von ihnen gewählten Sitzstandortes ausrichten würde.23 Insbesondere im Bereich des OnlineGlücksspiels kann dies zur Folge haben, dass sich die Anbieter dieser Formate in „Rechtsoasen“24 innerhalb Europas niederlassen und von diesen aus ihre Angebote vertreiben können, ohne dass sie hohen Anforderungen, z. B. hinsichtlich des Spielerschutzes, unterfallen und daher auch keine Sanktionen fürchten müssen. Die vorgenannte Problematik stellt sich nicht nur im Bereich des OnlineGlücksspiels, sondern ist grundsätzlich bei Straftatbeständen relevant, die über das Internet begangen werden können. Bestandteil vieler Diskussionen ist daher auch die Frage, ob das in § 3 TMG normierte Herkunftslandprinzip überhaupt auf das Strafrecht als solches Anwendung findet.25 Diesbezüglich wird zum einen von einer generellen Anwendung des Herkunftslandprinzips ausgegangen und die Anwendung jeglicher Ausnahmetatbestände verneint.26 Andererseits schließt eine andere Ansicht die Geltung des Herkunftslandprinzips für das Strafrecht mit Berufung auf § 3 V Nr. 1 TMG vollständig aus.27 Ebenso wird eine Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Strafrecht mit der Begründung verneint, dass sowohl die Systematik des Art. 3 ECRL als auch die Erwägungsgründe zur Richtlinie das Strafrecht aus dem Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausschließen.28 Darüber hinaus wird 22  NK-TMG/Müller-Broich,

§ 3 Rn. 1. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 71. 24  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 71. 25  Vgl. hierzu exemplarisch Dombrowski, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung im Internet, S. 111 ff. 26  So Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal/Altenhain, S. 107 (120) hinsichtlich der früheren inhaltsgleichen Rechtslage im Rahmen des § 4 Teledienstegesetz und des § 5 Mediendienste-Staatsvertrag, aber im Ergebnis auf S. 124 dann dennoch ablehnend; Spindler, NJW 2002, 921 (926); Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633 (681 ff.); Spindler/ Schmitz/Liesching, §  3 TMG Rn.  69  f.; Spindler/Schuster/Nordmeier, § 3 TMG Rn. 15, der von einer Modifikation der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch das Herkunftslandprinzip spricht. 27  Vgl. Kudlich, HRRS 2004, 278 (284); Kudlich, JA 2002, 798 (799); Nickels, CR 2002, 302 (304 Fn. 28); Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 53; Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 20; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633 (635). 28  Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal/von Bubnhoff, S. 83 (101); siehe Dombrowski, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung im Internet, S. 111. 23  Duesberg,



B. Angebote mit Auslandsbezug47

ein Unterbleiben der Verdrängung der Strafrechtsanwendung durch das Herkunftslandprinzip mit der fehlenden Regelungs- und Anwendungskompetenz des Richtliniengebers für den Bereich des Strafrechts begründet.29 Vorzugswürdig, spezifisch auf Online-Glücksspielangebote, erscheint aber folgende Meinung: § 3 IV TMG enthält in § 3 IV Nr. 4 TMG eine abstraktgenerelle Ausnahme vom Herkunftslandprinzip30 für „Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten“. Diese Ausnahme hat der Gesetzgeber wörtlich aus der deutschen Fassung der E-Commerce-Richtlinie, genauer aus Art. 1 V lit. d Spiegelstrich 3 ECRL, übernommen.31 Dies hat zur Konsequenz, dass das Herkunftslandprinzip in Fällen von Gewinnspielen mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten, gerade keine Anwendung findet und daher auch keine Verdrängung der §§ 3 ff. StGB gegeben sein kann. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass § 3 IV Nr. 4 TMG eine Ausnahme darstellt,32 jedoch ist die Reichweite dieser Ausnahme häufig uneindeutig.33 Insbesondere fehlt es diesbezüglich an einer einheitlichen Definition der von der Ausnahme erfassten Begriffe „Glücksspiel“ und „Gewinnspiel“.34 Die Problematik des Geltungsbereichs ergibt sich aus der Frage über die Reichweite der Begriffe „Gewinnspiel“ und „Glücksspiel“. Insbesondere das Begriffsverständnis und die Abhängigkeit der beiden Begriffe ist problematisch, da „Gewinnspiele“ zum einen der allgemeine und „Glücksspiele“ der spe­ ziellere Begriff sein könnten,35 genauso aber umgekehrt der Begriff „Glücksspiele“ der allgemeinere und der Begriff „Gewinnspiele“ der speziellere sein könnte.36 Das jeweilige Verständnis ist entscheidend für die Reichweite der Ausnahme:

29  Poenig,

Die strafrechtliche Haftung des Linkanbieters, S. 107 f. § 3 TMG Rn. 18. 31  Vgl. Spindler/Schmitz/Liesching, §  3 TMG Rn. 4, 35  ff.; Streinz/Liesching/ Hambach/Bolay, § 3 TMG Rn. 25; Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, 321 (323 f.). 32  Spindler/Schuster/Nordmeier, § 3 TMG Rn. 24; NK-TMG/Müller-Broich, § 3 Rn. 17; MüKo-StGB/Altenhain, § 3 TMG Rn. 45. 33  Siehe hierzu Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 74 der darauf verweist, dass der Regelungsgehalt des Ausnahmetatbestandes „alles andere als deutlich“ ist. 34  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 74. 35  So. z. B. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay, § 3 TMG Rn. 25. 36  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 74 f. m. w. N. 30  Spindler/Schuster/Nordmeier,

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Sieht man Glücksspiele als Unterfall der Gewinnspiele an, so erfasst der Ausnahmetatbestand an sich alle „Spiele mit Gewinnmöglichkeit“.37 Dies umfasst alle entgeltlichen und unentgeltlichen Spiele, ebenso Geschicklichkeits- und Glücksspiele. Eingeschränkt wird dieses weite Begriffsverständnis wiederum durch § 3 IV Nr. 4 TMG selbst, der den Bereich auf einen „mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen“ beschränkt, also die unentgeltlichen ausschließt und nur die geldwerten Gewinnspiele stehen lässt.38 Ein derartiges Normverständnis hat zur Folge, dass die durch § 284 I StGB tatbestandlich erfassten Glücksspiele vollumfänglich unter dem Ausnahmetatbestand des § 3 IV Nr. 4 TMG fallen.39 Ebenso besteht aber die Möglichkeit den Begriff des „Glücksspiels“ als den Allgemeinen und den des „Gewinnspiels“ als den Spezielleren zu sehen. Hinsichtlich des Begriffs des Glücksspiels wären dann nur die Spiele erfasst, bei denen der Geschicklichkeitsfaktor nicht im Vordergrund steht.40 „Gewinnspiele“ wären dann ein Unterfall der „Glücksspiele“, nur für diese würde der Ausschluss vom Herkunftslandprinzip gelten.41 Der Begriff des „Gewinnspiels“ könnte dann als Spiel verstanden werden, „bei denen Teilnehmern für eine bestimmte Tätigkeit, etwa für die bloße Teilnahme ein Preis […] in Aussicht gestellt wird, ohne diesen bindend zu versprechen“ oder als „Spiel, bei dem man durch richtige Beantwortung einer oder mehrerer Fragen gewinnt bzw. gewinnen kann“.42 Dies hätte aber zur Folge, dass die allgemein als Glücksspiel begriffenen Spiele wie Roulette oder Sportwetten gerade nicht unter den Begriff des „Gewinnspiels“ fallen, da der Preis bindend an ein Ereignis geknüpft ist bzw. es bei diesen Spielen auch keine Fragen zu beantworten gibt.43 Auch wäre ein Verständnis dahingehend möglich, dass ein Gewinnspiel ein Spiel ist, bei dem „eine Gewinnchance eröffnet wird, der Spielausgang überwiegend vom Zufall abhängt und die Teilnehmer keinen erheblichen geldwerte Einsatz erbringen“.44 Dies 37  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 74 mit Verweis auf Backu/Karger, ITRB 2007, 13 (16) und Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Bruhn, 3. Auflage 2013, § 4 Vor Nr. 5 Rn. 4 ff.; wobei dieser die Kommentierung auf die aktuelle Gesetzeslage angepasst hat, vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/ Bruhn, Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG („Schwarze Liste“), Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 16, Rn.  12 ff. 38  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 75. 39  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 75. 40  BGHSt 2, 274 (276); 36, 74 (80); BGH NJW 1987, 851 (852); BGH NJW 1989, 919 (920); MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 6; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 8. 41  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 75. 42  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 75. 43  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 76. 44  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 75.



B. Angebote mit Auslandsbezug49

wäre aber konträr zur Sanktionierung des § 284 I StGB, da hinsichtlich der Glücksspieldefinition im Rahmen der Strafnorm in Abgrenzung zum Unterhaltungsspiel gerade der eingesetzte Vermögenswert nicht ganz unerheblich sein darf.45 Der Ausnahmetatbestand des § 3 IV Nr. 4 TMG würde gerade nicht greifen.46 Vorzugswürdig erscheint daher die von Duesberg vorgenommene Auslegung des § 3 IV Nr. 4 TMG unter Heranziehung von Art. 1 V lit. d 3. Spiegelstrich ECRL dahingehend, dass die Ausnahmeregelung des Telemediengesetztes sämtliche entgeltlichen Glücksspiele vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausschließt.47 Die Auslegung der nationalen Vorschrift anhand des Richtlinientextes ist vorliegend folgerichtig, da sowohl der Text der nationalen Vorschrift wörtlich aus der deutschen Fassung der Richtlinie übernommen wurde,48 als auch die Gesetzesbegründung zur Vorgängervorschrift des § 4 III Nr. 4 TDG nahezu wörtlich mit dem Erwägungsgrund 16 der ECRL übereinstimmt.49 Zum einen deutet der Wortlaut der Richtlinie auf ein Verständnis des Begriffs „Gewinnspiel“ als Allgemeinbegriff und „Glücksspiel“ als speziellere Form des Gewinnspiels hin. In Erwägungsgrund 16 der ECRL heißt es „Die Ausklammerung von Gewinnspielen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie betrifft nur Glücksspiele, Lotterien und Wetten mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz.“50 Eine derartige Erwägung macht hinsichtlich der Einschränkung „betrifft nur“ ausschließlich Sinn, wenn das Glücksspiel einen Unterfall des Gewinnspiels darstellt, denn mit der Erwägung kommt zum Ausdruck, dass nicht alle Gewinnspiele vom Ausnahmetatbestand erfasst werden sollen, sondern nur u. a. die Glücksspiele als Unterfall der Gewinnspiele.51 Zum anderen gebietet die Ratio der ECRL eine solche Auslegung. Die Regulierung des Glücksspielsektors stellt grundsätzliche eine Sache der ein45  BGH BeckRS 2017, Rn. 12; SK-StGB/Hoyer, §284 Rn. 11; NK-StGB/Gaede § 284 Rn. 13; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 11. 46  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 76. 47  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 83. 48  Vgl. Spindler/Schmitz/Liesching, § 3 TMG Rn. 4; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay, § 3 TMG Rn. 25. 49  Siehe BT-Drs. 14/6098, S. 19 und Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), OJ L 178, 17.7.2000, S. 1–16. 50  ECRL, OJ L 178, 17.7.2000, S. 1 (3). 51  So überzeugend Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 77 ff.

50

Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

zelnen Mitgliedstaaten dar.52 Diese sollen die Möglichkeit haben ihr Glücksspielrecht den Anbietern im EU-Ausland, die im Inland Glücksspiele spielbar machen, vorzuschreiben.53 Eine partielle Anwendung des Herkunftslandprinzips würde dem aber entgegenstehen, denn es wäre den Mitgliedstaaten dann nur möglich internationale Regelungen bzgl. „Gewinnspielen“ zu treffen, wohingegen „Glücksspiele“, die aufgrund der zweiten Auslegungsvariante nicht unter die Richtlinienausnahme fallen würden, dem Zugriff der Mitgliedstaaten entzogen wären, wenn der Sitz des Anbieters im EU-Ausland ist.54 Ebenso überzeugt eine Auslegung unter dem Aspekt der Verhinderung von „forum shopping“55 und „race to the bottom“56. Würde man eine Ausnahme des Herkunftslandprinzips zwar hinsichtlich von Preisausschreibungen oder Verlosungen bejahen, hinsichtlich aber anderer Online-Glücksspielangebote wie z. B. Online-Sportwetten in Konsequenz der zweiten Auslegungsvariante verneinen, hätte dies die widersprüchliche Konsequenz, dass den Mitgliedstaaten eine nationale Glücksspielregulierung hinsichtlich umsatz- und gewinnschwacher Glücksspieldienstleistungen offensteht, hingegen aber hinsichtlich der Bereiche, in denen es um viel Geld geht, diese Möglichkeit verwehrt bleibt.57

52  EuGH NJW 2004, 139 (Gambelli); EuGH NJW 2007, 1515 (Placanica); EuGH NVwZ 2010, 1409 (Markus Stoß); MüKo-StGB/Altenhain, § 3 TMG Rn. 46. 53  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 79 f. 54  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 79 f. 55  „forum shopping“ bezeichnet die Tatsache, dass sich Anbieter einer Dienstleistung grundsätzlich das für ihn am besten geeignete „Forum“ wählt, bezogen auf Onlineglücksspiel also den Staat, der die niedrigsten Regulierungsvorschriften hat; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 80 f. 56  „race to the bottom“ beschreibt das Phänomen, dass sich zwei Konkurrenten immer weiter unter- bzw. überbieten, um Vorteile gegenüber dem Konkurrenten zu haben. Bezogen auf Onlineglücksspiel bedeutet dies, dass EU-Mitgliedsstaaten in Erwartung auf die Ansiedlung von Onlineglücksspielanbietern und den damit einhergehenden Steuereinnahmen die innerstaatlichen Glücksspielregulierungen besonders niedrig halten, damit der Standort für den Onlineglücksspielanbieter attraktiv ist, vgl. Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal/Altenhain, S. 107 (116); Kudlich, HRRS 2004, 278 (283); Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 80 f. 57  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 82; dass dieses Argument nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis seine Gültigkeit hat, zeigt die Tatsache, dass die Anbieter „Lottoland“ und „Lottohelden“ ihren Standort von Gibraltar nach Malta verlagert haben, wobei man hier über die Hintergründe nur Vermutungen anstellen kann; der drohende Brexit scheint hier aber am wahrscheinlichsten; vgl. hierzu Macho, Flucht vom Affenfelsen, abrufbar unter: https://www.wiwo.de/unter nehmen/dienstleister/gluecksspielfirmen-flucht-vom-affenfelsen/24376156.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.



B. Angebote mit Auslandsbezug51

Im Ergebnis ist daher eine Auslegung des § 3 IV Nr. 4 TMG unter Heranziehung von Art. 1 V lit. d 3. Spiegelstrich ECRL dahingehend, dass die Ausnahmeregelung des Telemediengesetztes sämtliche entgeltlichen Glücksspiele vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausschließt,58 vorzugswürdig. Dies hat zur Konsequenz, dass das in § 3 II TMG verankerte Herkunftslandprinzip einer Strafbarkeit eines EU-ausländischen Anbieters nach § 284 StGB gerade nicht entgegensteht.59 Dies entspricht auch der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht, dass ausländische Anbieter grds. den Anforderungen des deutschen Rechts unterfallen.60 Im Hinblick auf die Untersuchung der Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters hat dies zur Folge, dass eine Sanktionierung nach § 284 I StGB nicht bereits unter dem Gesichtspunkt des § 3 II TMG und der dem zugrundeliegenden ECRL ausscheidet. Vielmehr richtet sich die Strafbarkeit auch im Rahmen eines Auslandsbezugs vollständig nach deutschem Sachrecht, eine Einschränkung der §§ 3 ff. StGB findet gerade nicht statt.61 Diese sind einschränkungslos auf Glücksspiele anwendbar.62 Eine Befassung mit der Frage, ob es sich bei der ECRL um eine Kollisionsnorm oder eine angeordnete Korrektur des Sachrechts handelt,63 bedarf es daher bei der Frage des Online-Glücksspiels gerade nicht. 58  Duesberg,

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 83. OLG Hamburg NJW-RR 2003, 760, 761; OLG Hamburg MMR 2004, 752 (753) „nach den Regelungen der E-Commerce-Richtlinie sind in § 4 Abs. 4 Nr. 4 Glücksspiele ausdrücklich von dem ansonsten geltenden Herkunftslandprinzip ausgenommen“; Spindler/Schmitz/Liesching, § 3 TMG Rn. 53 der jedoch zusätzlich eine Ausrichtung auf deutsche Kunden fordert; Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, 321, (323 f.); Kudlich, HRRS 2004, 278 (284); NK-TMG/Müller-Broich, § 3 Rn. 17; Spindler/Schuster/Nordmeier, § 3 TMG Rn. 24; MüKo-StGB/Altenhain, § 3 TMG Rn. 45. 60  BGH MMR 2004, 529 (531) in seiner Grundsatzentscheidung zu „Schöner Wetten“: „Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr v. 8.6.2000 (ABl. Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. 1), die in ihrem Art. 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (Erwgrd. 16, Art. 1 Abs. 5 lit. d dritter Spiegelstrich; a. A. Buschle, ELR 2003, 467, 472).“ 61  Etwas Anderes gilt aber für die den Begriff des Glücksspiels nicht unterfallenden Geschicklichkeitsspiele und für Spiele mit nur unerheblichem Einsatz, Streinz/ Liesching/Hambach/Bolay, § 3 TMG Rn. 37 ff. 62  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 83; Dombrowski, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung im Internet, S. 130, die zwar eine grundsätzliche Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips bejaht, im Rahmen seiner Ausnahmen aber als „zweiten Schritt“ die Prüfung „ob nach nationalem Strafanwendungsrecht deutsches Recht anwendbar ist“ fordert; Kudlich, HRRS 2004, 278 (283) der abschließend bei einer Verneinung des Herkunftslandprinzips zu einer „Anwendung des Territorialitätsgrundsatzes“ kommt. 63  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kindereit, Die Tatortregel bei Internetdelikten, S.  140 ff. 59  Vgl.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

II. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. §§ 3 ff. StGB Nach dem oben Gesagten richtet sich eine mögliche Strafbarkeit nach dem nationalen (also dem deutschen) Recht. Die Frage der Anwendbarkeit der Normen des StGB richtet sich nach den §§ 3 ff. StGB. Wie bereits verdeutlicht hat das Fehlen deutscher Strafgewalt grundsätzlich im Ergebnis eine Straflosigkeit (in Deutschland) zur Folge.64 Hinsichtlich der in § 284 StGB und § 287 StGB verankerten Delikte soll zwischen den verschiedenen Tatmodalitäten unterschieden werden. § 284 I StGB sanktioniert das Veranstalten oder das Halten von Glücksspielen ohne Erlaubnis bzw. die Bereitstellung von Einrichtungen hierzu, wohingegen § 287 I StGB die Veranstaltung öffentlicher Lotterien ohne Erlaubnis sanktioniert. Alle Tatmodalitäten richten sich dahingehend auf das unerlaubte Glücksspiel und dessen Durchführung. Daneben sanktioniert der Gesetzgeber aber auch gem. § 284 IV StGB und gem. § 287 II StGB die Werbung zu derartigen unerlaubten Glücksspielen, also eine bloße Vorfeldhandlung.65 Der Abschluss eines Spielvertrages ist für diese Tathandlung gerade nicht notwendig.66 Die Tatmodalitäten gemäß des Absatzes 1 erfolgen zumeist zeitlich und räumlich getrennt von der späteren oder vorgeschalteten Werbung zum ausgerichteten Glücksspiel, weshalb sich auch die jeweiligen Tatorte der Modalitäten unterscheiden könnten. Um diesen Umstand genauer zu betrachten soll auf der einen Seite der Tatort der Tatmodalitäten des jeweiligen Absatzes 1 und auf der anderen Seite der Tatort der Schaltung von Werbung unterschieden und untersucht werden.

64  Das Fehlen der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts und damit das Ausbleiben deutscher Strafgewalt hat prozessrechtlich ein Verfahrenshindernis zur Folge, das von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Ein Fehlen dieser Verfahrensvoraussetzung hat zur Folge, dass das eingeleitete Strafverfahren einzustellen ist. Genauer gesagt ist das das Ermittlungsverfahren gem. § 170 II StPO, das Zwischenverfahren durch Nichteröffnungsbeschluss gem. §§ 204 I, 203 StPO und das Hauptverfahren je nachdem, ob vor oder während der Hauptverhandlung, gem. § 206a StPO durch Einstellungsbeschluss oder gem. § 260 III durch Prozessurteil einzustellen; BGH NStZ 1986, 320; BGH NJW 1995, 1844 (1845); OLG Saarbrücken NJW 1975, 506 (506 f.); OLG Celle BeckRS 2007, 10172; LG Frankfurt NJW 1977, 508 (509); MüKo-StGB/Ambos, Vorb. § 3, Rn. 4 m. w. N.; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S.  58 f.; LR-StPO/Kühne, Einl. Abschn. K, Rn. 42. 65  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 47; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 28. 66  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 28.



B. Angebote mit Auslandsbezug53

1. Tatort der Tatmodalitäten gemäß § 284 I und § 287 I StGB Zunächst soll daher der Tatort des Veranstaltens und Haltens von Glücksspielen ohne Erlaubnis bzw. die Bereitstellung von Einrichtungen hierzu untersucht werden. a) Territorialprinzip Vorrangige Bedeutung und meist Grundlage aller Auseinandersetzung für die Frage, ob deutsches Strafrecht anwendbar ist, ist das in den §§ 3, 9 StGB verankerte Territorialprinzip. Hierzu bedarf es, wie oben ausgeführt, einer Tathandlung im Inland, § 9 I Var. 1 StGB oder eines Taterfolges im Inland, § 9 I Var. 3 StGB. Da § 284 I StGB für jede Begehungsmodalität ein Tätigwerden des Veranstalters voraussetzt, scheidet § 9 I Var. 2 regelmäßig aus. Ebenso kann auch nicht auf § 9 I Var. 4 StGB abgestellt werden, da § 284 StGB weder ein Verbrechen ist noch eine Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich normiert, wie es nötig wäre, vgl. § 23 I StGB. b) Tatbegriff des § 9 StGB Diesbezüglich ist aber erst zu untersuchen, was der Begriff der „Tat“ im Detail bedeutet. Gem. §§ 3, 9 I StGB muss gerade diese im Inland begangen worden sein. § 9 I StGB spricht lediglich von der „Tat“, wie dieser Begriff aber auszulegen ist, ist noch nicht umfassend geklärt.67 Hinsichtlich dieses Begriffes bietet sich aber ein prozessuales Verständnis dahingehend an, dass das Gesetz mit dem Begriff der Tat den Begriff der prozessualen Tat meint.68 Demnach unterfällt ein einheitlicher, zusammengehöriger Lebenssachverhalt in jeder Hinsicht deutscher Strafgewalt, wenn auch nur ein Teil dieses untrennbaren Gesamtgeschehens – sei es die Handlung, sei es der Erfolg – in Deutschland zu verorten ist.69 Findet deutsches Strafrecht auf eine materielle Tat im Rahmen des § 9 I StGB Anwendung, so erstreckt sich die deutsche Strafgewalt über §§ 3, 9 StGB auf die ganze prozessuale Tat als solche.70 67  Siehe hierzu die Untersuchung von Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB. 68  Siehe hierzu Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 251 f. 69  Siehe hierzu umfassend Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 252. 70  Vgl. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 252; MüKo-StGB/ Ambos, § 3 Rn. 6, § 9 Rn. 6; Lackner/Kühl/Heger § 9 Rn. 4; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 24.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Hinsichtlich der oben genannten Beispiele ist festzustellen, dass der ganze Geschehensablauf als solcher um den Lebenssachverhalt „Online-Glücksspielangebot“ stattfindet.71 Alle Handlungen sind von einer einheitlichen Zielsetzung getragen, das Werben wiederum dient dazu, dem bereits veranstaltenden Glücksspiel Teilnehmer zu verschaffen, um hierdurch einen höheren Gewinn zu erzielen.72 Auch die Tatsache, dass zwischen den Handlungen im Zweifel erhebliche Distanzen liegen, ändert an der Beurteilung der Einheitlichkeit nichts, da sich derartige Entfernungen im Zeitalter der Globalisierung und der Fernkommunikation ohne Probleme überwinden lassen.73 Ferner stellen auch die zeitlichen Unterbrechungen, wie sie zwangsweise z. B. durch Reisezeiten eintreten, keine Unterbrechung des Prozesses des Anbietens eines virtuellen Glücksspiels dar. Denn alle Handlungen beziehen sich, trotz zeitlicher Unterbrechungen, auf ein einheitliches Glücksspielgeschehen, das im Rahmen des online zur Verfügung gestellten Angebots über längere Zeit stattfindet. Nach einmaligem Hochladen auf den Server ist das Angebot durchgängig erreichbar, wiederum auf dieses Angebot beziehen sich dann die später stattfindenden weiteren Handlungen. Es handelt sich daher auch um eine einheitliche prozessuale Tat, weshalb auch für den im Ausland stattfindenden Part deutsches Strafrecht über §§ 3, 9 StGB Anwendung finden könnte.74 Jedoch stellt diese Feststellung der prozessualen Tat das jeweilige Tatgericht vor schwierige Probleme, insbesondere wenn der Täter nie deutsches Hoheitsgebiet aufsucht. Wichtiger wäre daher, dass bereits deutsches Strafrecht auf körperlich ausschließlich im Ausland stattfindende Sachverhalte Anwendung finden würde.

71  Duesberg,

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 259. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 259; diesbezüglich zieht auch der EuGH das Kriterium des „einheitlichen Zwecks“ zur Beurteilung, ob grenzüberschreitende Sachverhalte einen einheitlichen Geschehensablauf darstellen, heran; vgl. EuGH NJW 2006, 3403 (3405 Rn. 56); EuGH NJW 2007, 3412 (3413 Rn. 34); ebenso BGH NJW 2008, 2931 (2932 f.). 73  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 259 f. m. w. N. 74  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 260; der auch zu treffenderweise auf einen „Wettlauf der Strafverfolgungsbehörden“ hinweist, der sich dann ergibt, wenn ein weiterer Vertragsstaat der Art. 50 GRCh, 54 SDÜ die Strafverfolgung hinsichtlich der prozessualen Tat aufnimmt und diese dann aburteilt, denn gem. Art. 50 GRCh, 54 SDÜ tritt hierdurch im Geltungsbereich der Verträge ein Strafklageverbrauch ein. 72  Duesberg,



B. Angebote mit Auslandsbezug55

c) Tathandlung im Inland, § 9 I Var. 1 StGB In Fällen des Online-Glücksspiels mit Auslandsbezug ist bereits umstritten, wo die Tathandlung als solche stattfindet, da das Medium Internet grundsätzlich überall abrufbar ist. Durch das Hochladen einer Glücksspielseite auf einem Server ermöglicht der Anbieter grundsätzlich in allen Ländern den Zugriff auf dieses Angebot per Internet. aa) Handlungsort als Ort der tatbestandsmäßigen Handlung Wie oben bereits dargestellt veranstaltet derjenige ein Glücksspiel im Sinne des § 284 I Var. 1 StGB, der „verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung eines Glücksspiels schafft und dem Publikum Gelegenheit zur Beteiligung daran gibt“.75 Ein Spielvertragsabschluss oder eine Spielbeteiligung selbst ist keine Voraussetzung für ein Veranstalten.76 Nach der überwiegend in Rechtsprechung77 und Literatur78 vertretenen Meinung ist der Handlungsort gem. § 9 I Var. 1 StGB überall dort, wo der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit im Ausführungsstadium der Tat erbringt, wobei das jeweilige Handeln bereits zur Tatausführung zählen muss.79 Eine Handlung vor dem Versuchsbeginn und nach der Vollendung genügt nicht.80 Der Handlungsort wird in diesem Fall vom Aufenthaltsort des Täters bestimmt.81 In Bezug auf die praktisch häufigsten Fälle des ausländischen Anbieters ist maßgeblich, wo der jeweilige Anbieter in Person seine jeweiligen Inhalte auf 75  BeckOK-StGB/Hollering,

§ 284 Rn. 23; vgl. S. 30 der Arbeit. 61, 12 (15); BayObLG NJW 1993, 2820 (2821); Fischer, § 284 Rn. 18; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 18; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 24; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 49; a. A. Mintas, Glücksspiel im Internet, S.  196 ff. m. w. N. 77  BGH NJW 1987, 1152 (1153); BGH NJW 1975, 1610 (1611); BGH NStZ 2016, 81 (82); BGH NStZ 2018, 2742 (2743); BGH BeckRS 2017, 131398 Rn. 3; BGH NStZ-RR 2013, 253. 78  NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 8; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 2; Sch/Sch/Eser/ Weißer, § 9 Rn. 4. 79  NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 8; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 2; Sch/Sch/Eser/ Weißer, § 9 Rn. 4. 80  NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 8; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 2; Sch/Sch/Eser/ Weißer, § 9 Rn. 4. 81  MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 8; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 5; Sieber, NJW 1999, 2065 (2070); Fischer, § 9 Rn. 3. 76  RGSt

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

den Server hochgeladen hat und hierdurch das Angebot für die Allgemeinheit freigeschalten wird82 bzw. wo der Anbieter den Befehl für die Überwachung und Leitung des Spielbetriebs in seinen Computer eingibt83.84 Auffallend ist, dass der Großteil der Anbieter sowohl ihren Firmensitz als auch ihren Serverstandort nicht in Deutschland haben. Auch eine .de Domain trifft keine Aussage über den Standort eines Servers. Der „Domainname“, also die www.-Adresse, unter der man eine Website im Browser erreicht, stellt eine auf einer Buchstabenfolge beruhende Kennung dar, die einer IP-Adresse zugewiesen wird.85 Diese Domain besteht zwingend aus zwei hierarchischen Ebenen, der „Top Level Domain“ und der „Second Level Domain“.86 Die „Top Level Domain“ bildet hierbei die Endung der Webadresse, in Deutschland z. B. die Endung „.de“. Jedoch besteht keinerlei geographische Bindung hinsichtlich der „Top Level Domain“, weshalb auch ausländische Server unter einer deutschen „Top Level Domain“ erreichbar sind, obwohl der Server sich nicht in Deutschland befindet.87 Trotz .de-Top-Level-Domain befindet sich der Server z. B. der Website „www.lottohelden.de“ auf einem Server in den Vereinigten Staaten von Amerika, der wiederum vom Internetdienstanbieter Cloudflare Inc. betrieben wird.88 Auch der Server, auf der die Website „www.sh.bwin.de“ betrieben wird, befindet sich nicht – wie man vermuten mag – in Schleswig-Holstein, sondern in Österreich.89 Wie oben bereits ausgeführt, ist aber der Aufenthaltsort des Anbieters entscheidend, an dem er die Inhalte auf den Server lädt und daher den Spielern die Spielmöglichkeit eröffnet. Der Serverstandort als solcher ist diesbezüglich nachrangig. Übertragen auf die Fallgruppen mit Auslandsbezug bedeutet dies, dass grundsätzlich nicht der Standort des Servers über den Handlungsort im Sinne des § 9 I Var. 1 StGB entscheidet, sondern an welchem Ort der Anbieter sein Angebot auf den jeweiligen Server geladen hat. Dies kann (und wird wahr82  Dann

liegt ein Veranstalten vor, s. o. S. 30 liegt ein Halten vor, s. o. S. 31. 84  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 104; Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 73; Streinz/Liesching/ Hambach/Brenner/C. Hambach, §§ 3, 9 StGB Rn. 4. 85  Hoeren/Sieber/Holznagel/Viefhues, Multimedia-Recht, Teil 6 A. II. 1. Rn. 3. 86  Hoeren/Sieber/Holznagel/Viefhues, Multimedia-Recht, Teil 6 A. II. 1. Rn. 4. 87  Hoeren/Sieber/Holznagel/Viefhues, Multimedia-Recht, Teil 6 A. II. 1. Rn. 4. 88  https://iplookup.flagfox.net/?ip=104.20.38.91&host=www.lottohelden.de; abgerufen am: 06.10.2020. 89  https://iplookup.flagfox.net/?ip=195.72.134.51&host=www.sh.bwin.de; abgerufen am: 06.10.2020; der Anbieter ist hier die bwin.party services (Austria) GmbH. 83  Dann



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scheinlich sogar regelmäßig) das Ausland sein, weshalb auch der Handlungsort gem. § 9 I Var. 1 StGB im Ausland liegt und daher keine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 I Var. 1 StGB begründen kann. bb) Erweiterung des Handlungsorts Über das Kriterium der körperlichen Anwesenheit des Handelnden hinaus wird eine Erweiterung des Handlungsorts anhand mehrerer Begründungsmodelle vorgenommen, die vorliegend aufgezeigt und abschließend kommentiert werden sollen. (1) E  rweiterung des Handlungsortes unter dem Aspekt der mittelbaren Täterschaft auf den Serverstandort Besonderer Bedeutung hinsichtlich der Bestimmung des Handlungsortes kommt einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1880 zu.90 Sachverhalt dieser Entscheidung war, dass ein Glücksspielanbieter aus dem Ausland91 an eine Person im Inland Preußens einen Brief geschickt hatte, in dem für den Erwerb von Losen geworben wurde, die aber in Preußen verboten waren.92 Das Reichsgericht hatte zu entscheiden, ob auch in Preußen ein „Gerichtsstand der begangenen strafbaren Handlung“ begründet ist.93 Erwähnenswert ist diese Entscheidung, da das Reichsgericht klarstellte, dass die Handlung nicht mit der persönlichen Tätigkeit des Angeschuldigten abschließt.94 Vielmehr sah das Reichsgericht auch den Ort als Ort der strafbaren Handlung an, an dem die Wirksamkeit der Handlung mit dem Willen des Täters in Erscheinung tritt.95 Diese sog. „Theorie der langen Hand“96 entwickelte das Reichsgericht im Rahmen seiner darauffolgenden Rechtsprechung immer weiter fort und interpretierte auch durchgehend den Begriff der Handlung sehr weit.97

90  RGSt

1, 274. „Ausland“ war in diesem Fall Hamburg, denn Hamburg war nicht Bestandteil Preußens, vgl. Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 129 Fn. 92; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 105 Fn. 450. 92  RGSt 1, 274. 93  RGSt 1, 274. 94  RGSt 1, 274 (276). 95  RGSt 1, 274 (276). 96  So ist ausdrücklich von „langer Hand“ in RGSt 13, 337 (339) die Rede. 97  RGSt 3, 316 (318); RGSt 10, 420 (422); RGSt 11, 20 (21 f.); RGSt 13, 337 (338); RGSt 19, 147 (148 f.); RGSt 23, 155 (156); RGSt 25, 424 (426). 91  Das

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Dogmatische Grundlage dieser Theorie war eine Anknüpfung an eine der (heute strafbaren) mittelbaren Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 StGB vergleichbaren Konstellation.98 So rechnete das Reichsgericht die Handlungen einer Mittelsperson im Inland dem Angeklagten, der zuvor im Ausland tätig wurde, mehrfach zu.99 Dadurch, dass diese Mittelsperson im Inland dann handelte, sei ein Handlungsort im Inland gegeben, was wiederum eine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechtes begründete, da sich die Wirkung der Handlung durch das ausgelöste Handeln im Inland, z. B. durch einen Post­ boten, zeigt. Hinsichtlich des Online-Glücksspielangebots wird basierend auf dieser Argumentation auch ein Handlungsort im Inland stellenweise bejaht. Im Rahmen der mittelbaren Täterschaft ist allgemein anerkannt, dass im Rahmen eines ländergrenzenübergreifenden Sachverhalts der gem. § 9 I Var. 1 StGB maßgebliche Handlungsort (auch) jeder Ort ist, an dem der Tatmittler handelt.100 Im Hinblick auf Onlineangebote wird daher auch ein Handlungsort dort gesehen, an dem sich die Täterhandlung „manifestiert“, also dem Ort der Datenspeicherung, selbst wenn der an sich Handelnde in Person nicht anwesend ist.101 Der Ort der Datenspeicherung wird insoweit eingegrenzt, dass automatische Vorgänge, wie z. B. das Weiterleiten durch Verbindungsrechner, nicht dem Handlungsbegriff unterfallen, da sie außerhalb der Kontrolle und Einflussmöglichkeit des Nutzers liegen.102 Begründet wird der Handlungsort am Ort der Datenspeicherung damit, dass die Unrechtsverwirklichung hauptsächlich erst mit dem durch den Täter erfolgten Einsatz eines Hostservers103 erfolgt.104 Der Hostserver stellt in die98  Das damalige RStGB kannte gesetzestechnisch die mittelbare Täterschaft nicht, diese fand erst zum 01.01.1975 in das nun geltende StGB, vielmehr ging das Reichsgericht von einer einfachen Täterstrafbarkeit aus. Sachverhalt der Entscheidungen war zumeist die Übermittlung oder die Versendung von Schriftstücken über unwissende oder wissende Mittelsmänner in Deutschland, was nach Ansicht des Reichsstrafgerichtes genügte, um eine Handlung in Deutschland zu bejahen, da die Mittelsperson Bestandteil der Handlung des im Ausland Befindlichen ist. 99  RGSt 3, 316 (318). 100  BGH BeckRS 1991, 31084935; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 7; MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 10; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; NK-StGB/ Böse, § 9 Rn. 5. 101  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn.  18; Matt/Renzikowski/ Basak, § 9 Rn. 13; Cornils, JZ 1999, 394 (397). 102  Cornils, JZ 1999, 394 (397); ebenso Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 19, der nur die gezielte Speicherung auf einem Server als die handlungsortbegründende Handlung sieht. 103  Der Leistungsbereich der Host-Provider ist gekennzeichnet durch die Bereitstellung von Speicherplatz für die seitens des Kunden zur Veröffentlichung im Inter-



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sem Fall ein „Werkzeug“ des Täters dar, durch dessen Benutzung erst die vom Täter hochgeladenen Elemente Teil des Internet-Angebots werden.105 Der Täter „fernbedient“106 diese unmittelbar verwendeten Werkzeuge und handelt daher auch am Ort des jeweiligen Servers.107 Die Handlung findet gleichzeitig räumlich getrennt am PC des Anbieters und am Server-PC statt.108 Der jeweilige Host-Provider stellt, da er meistens ohne Kenntnis und daher ohne Vorsatz bzgl. der hochgeladenen Inhalte handelt, einen Tatmittler mit Werkzeugqualität dar.109 Dies führt nach dieser Ansicht zu dem Ergebnis, dass einerseits ein inländischer Handlungsort ab dem Zeitpunkt gegeben ist, ab dem der Täter aus Deutschland heraus seine Website gestaltet (dann liegt per se der Handlungsort in Deutschland), andererseits aber auch, wenn der jeweilige Server, dessen sich der Glücksspielanbieter bedient, seinen Standort in Deutschland hat, ohne dass der Anbieter selbst in Deutschland anwesend sein muss.110 Begründet wird jene Ansicht damit, dass erst durch die Einspeisung auf dem jeweiligen Server, der Täter das Geschehen aus der Hand gibt; ab diesem Zeitpunkt ist erst die soziale Schädlichkeit und die tatbestandliche Gefährlichkeit geben.111 (2) Erweiterung hinsichtlich der „Wahrnehmbarkeit“ Insbesondere eine Entscheidung des Kammergerichts bildete den Anstoß für eine Erweiterung des Handlungsortes. In der im Jahr 1999 getroffenen Entscheidung des Kammergerichtes hat dieses eine Erweiterung des Begriffs der Tathandlung im Sinne des § 9 I Var. 1 StGB vorgenommen.112 Ausgangsfall war, dass ein Fußballfan während eines Länderspiels zwischen Polen und Deutschland den „Hitlergruß“ zeigte und dies auch aufgrund von Fernsehaufnahmen in Deutschland direkt und auch nachträglich in Nachrichtensendunnet bestimmten Inhalte (Web-Hosting), Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 21 Rn. 37. 104  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 18. 105  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 18. 106  Matt/Renzikowski/Basak, § 9 Rn. 3. 107  So noch Sch/Sch/Eser, 29. Auflage 2014, § 9 Rn. 4, 7b; Eser in Leipold, Rechtsfragen des Internet und der Informationsgesellschaft, S. 303 (317 f.); Cornils, JZ 1999, 394 (396); Matt/Renzikowski/Basak, § 9 Rn. 13. 108  Cornils, JZ 1999, 394 (396). 109  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 18. 110  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 19. 111  Sch/Sch/Eser, 3. Auflage 2014, § 9 Rn. 4, 7b; Eser in Leipold, Rechtsfragen des Internet und der Informationsgesellschaft, S. 303 (317 f.); Cornils, JZ 1999, 394 (399); Matt/Renzikowski/Basak, § 9 Rn. 13. 112  KG NJW 1999, 3500.

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gen und Interviews weiterhin zu sehen war. Das Zeigen des „Hitlergrußes“ erfüllt den objektiven Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a I Nr. 1 StGB.113 Problematik des vom Kammergericht zu entscheidenden Falles war, dass sich der Angeklagte beim Zeigen des Hitlergrußes in Polen aufhielt, denn das Länderspiel erfolgte in Polen. Stellt man auf die herkömmliche Definition des Handlungsortes ab, dass sich dieser am Aufenthaltsort des Täters befindet, während er die Handlung tätigt,114 so wäre im vorliegenden Fall eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Basis des § 9 I Var. 1 StGB zu verneinen gewesen. Das Kammergericht begründet aber mit Verweis auf die Tathandlung der Kundgabe, dass sich diese Kundgabehandlung nicht auf den Standort des Handelnden beschränkt, sondern auch den Bereich mitumfasst, innerhalb dessen eine Wahrnehmung ermöglicht wird.115 Im Hinblick auf moderne Übertragungstechniken (in diesem Fall dem Fernsehen) bedeutet dies nach Ansicht des Kammergerichts, dass der Anwendungsbereich von § 9 I Var. 1 StGB insoweit erweitert wird, soweit die Kundgabehandlung „wirkt“.116 Erfolgt die Kundgabe im Ausland, ist aber im Inland eine Wahrnehmung dieser Kundgabe möglich, so sei ein inländischer Handlungsort gem. § 9 I Var. 1 StGB gegeben.117 Überträgt man diese Rechtsprechung vom Medium Fernsehen auf das Medium Internet118 ergäbe sich folgendes Ergebnis: Es wäre selbst dann ein inländischer Handlungsort gegeben, wenn sich die relevanten Handlungen im Ausland vollziehen, da das Angebot dann sowohl in Deutschland abrufbar ist als auch über das Medium Internet nach Deutschland hin „wirkt“.119 (3) Tathandlung des „Veranstaltens“ (auch) im Inland Zum Teil wird anhand der Tatmodalität des § 284 I Var. 1 StGB auch angenommen, dass ein „Veranstalten“ im Sinne der Norm nicht nur im Ausland stattfindet, indem hier durch Mausklick die Spielbeteiligungsmöglichkeit er113  Vgl.

BeckOK-StGB/Ellbogen, § 86a Rn. 5, 21 ff. § 9 Rn. 8; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 5; Sieber, NJW 1999, 2065 (2070); Fischer, § 9 Rn. 3. 115  KG NJW 1999, 3500 (3502). 116  KG NJW 1999, 3500 (3502). 117  KG NJW 1999, 3500 (3502); abstellend auf die Wirkung Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35 (39). 118  Laut Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 74 ist dies unproblematisch möglich. 119  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 74. 114  MüKo-StGB/Ambos,



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öffnet wird. Vielmehr findet auch ein „Veranstalten“ im Inland statt, wenn sich (unter anderem) in Deutschland die Spielbeteiligungsmöglich eröffnet.120 Bereits zum damals geltenden § 286 StGB aF, der dem nun geltenden § 287 StGB sehr ähnlich ist121, entschied der 1. Strafsenat des BGH in diese Richtung.122 Zugrunde lag ein Fall, in dem ein Anbieter per Post von Berlin aus Sonderzahlkarten, Werbeschreiben und Musterlosscheine an Adressen in Baden-Württemberg sendete, wobei der Anbieter in Berlin zwar eine Lotteriegenehmigung besaß, nicht jedoch in Baden-Württemberg. Nach Ansicht des erkennenden Senates kann ein Veranstalten „insbesondere durch das Erbieten zum Abschluß von Lotterieverträgen geschehen“.123 Dieses Veranstalten erfolgte nach Ansicht des Senats aber nicht in Berlin, von wo aus die Sendung erfolgte, sondern die Lotterie sei in Baden-Württemberg veranstaltet, da dort die Postsendungen ankamen und hier das Erbieten dann stattfand.124 Ferner wird als Argument hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum Begriff des Veranstaltens in der Neufassung des § 287 I StGB eine Aussage zur Thematik des Internets getroffen hat.125 So hat der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren erläutert, dass es für ausländische Anbieter aufgrund des technischen Fortschrittes „nicht mehr erforderlich [ist], im Inland Einrichtungen wie z. B. eine Annahmestelle, Agentur o. ä. zu schaffen, um Einsätze von Spielteilnehmern aus Deutschland entgegenzunehmen. Von daher kann es fraglich sein, ob das Verhalten der Anbieter mit

120  So Lesch, wistra 2005, 241 (242); MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 36; SKStGB/Hoyer, § 284 Rn. 39, der aber wiederum eine Berücksichtigung ausländischer Genehmigungen mit einbeziehen will; i. E. auch Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 53 in Bezug auf das Strafrecht; vgl. auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darin begründet sieht, dass ein Verstoß gegen § 284 I StGB vorliegt, wobei das deutsch Strafrecht ausdrücklich für anwendbar erklärt wird, VG Potsdam BeckRS 2011, 47369; VG Chemnitz 9.1.2008 – 3 K 995/07, Rn 15 (juris), i. E. auch Marberth-Kubicki, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 212, die aber von einem Erfolg im Inland spricht. 121  Die Änderung sowohl der Nummerierung als auch inhaltlich erfolgte wiederum durch das 6. StrRG, BT-Drs. 13/8587 S. 10, S. 67, die damals geltende Fassung des § 286 I StGB lautete: „Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche Lotterien veranstaltet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft.“ 122  BGH ZfWG 2007, 16 = JurionRS 1957, 13063. 123  BGH JurionRS 1957, 13063 Rn. 11. 124  BGH JurionRS 1957, 13063 Rn. 12; siehe auch Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 110. 125  Lesch, wistra 2005, 241 (242).

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dem Begriff „veranstalten“ noch richtig erfaßt wird.“126 Sinn der Regelung in Bezug auf ausländische Anbieter soll es sein, dass derjenige, der die genannten Handlungen gegenüber Spielteilnehmern in Deutschland vornimmt, strafbar ist, „weil er damit sein Vertriebsgebiet ohne behördliche Erlaubnis nach Deutschland ausweitet.“127 In der darauf erfolgten Stellungnahme des Rechtsausschusses wird diesbezüglich ausgeführt: „[Die] Vorschläge des Bundesrates […] werden mit der […] vorgelegten Fassung des § 284 Abs. 4 und des § 287 Abs. 1 neu aufgegriffen. § 287 Abs. 1 […] hebt typische Begehungsformen des ‚Veranstaltens‘ hervor.“128 In der aus dem Gesetzgebungsverfahren entstanden Fassung des § 287 I StGB nennt die Norm namentlich als Veranstalten das Anbieten von Spielvertragsabschlüssen bzw. die Annahme eines Angebots auf Spielvertragsabschluss. Der Begriff des Veranstaltens in § 287 I StGB sei nach dem Willen des Gesetzgebers demnach auch dann durch ausländische Anbieter verwirklicht, wenn diese eine der im Tatbestand namentlich genannten Handlungen gegenüber einem in Deutschland befindlichen Spielintressenten vornehmen und dadurch ihr ­Vertriebsgebiet nach Deutschland ausdehnen.129 Diese Interpretation des Begriffs des „Veranstaltens“ im Rahmen des § 287 I StGB sei auch auf den in § 284 I StGB verankerten Begriff des Veranstaltens zu übertragen.130 Daher sei auch im Rahmen des § 284 I StGB ein Veranstalten in Deutschland selbst gegeben und daher ebenfalls ein Handlungsort gem. § 9 I Var. 1 StGB. Weiter wird die Ansicht auf den Wortlaut des GlüStV gestützt, nach dem gem. § 3 IV GlüStV ein Glücksspiel dort veranstaltet wird, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird.131 (4) Fiktion einer „Virtuellen Anwesenheit“ Sehr weitreichend wird auch vertreten, dass der jeweilige Anbieter von Inhalten im Internet in jedem Land der Erde „virtuell anwesend“ ist, an dem ein Abruf der hochgeladenen Daten möglich ist.132 In Hinblick auf die strafrechtliche Beurteilung des Handlungsortes hat diese „virtuelle Anwesenheit“ zur Folge, dass der Handlungsort auch in Deutschland begründet ist, selbst 126  BT-Drs.

13/8587, S. 67. 13/8587, S. 67. 128  BT-Drs. 13/9064, S. 21. 129  Lesch, wistra 2005, 241 (242); LK/Krehl, § 287 Rn. 20; Lackner/Kühl/Heger, § 287 Rn. 6. 130  Lesch, wistra 2005, 241 (242). 131  LK/Krehl, § 284 Rn. 18. 132  Kuner, CR 1996, 453 (455 f.). 127  BT-Drs.



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wenn der Täter im Ausland gehandelt hat, wenn seine Handlung eine Auswirkung auf deutsches Staatsgebiet hatte, was bei ins Internet eingespeicherte Daten, die in Deutschland abrufbar und nach deutschem Recht strafbar sind, der Fall sein soll.133 (5) Beurteilung der Ansichten Insgesamt erscheint eine Erweiterung des Handlungsortes nach den aufgezeigten Meinungen wenig überzeugend. (a) Rechtsprechung des Reichsgerichts Bereits eine Anknüpfung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts vermag nicht zu überzeugen. Zu beachten ist, dass sich die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf eine nun nicht mehr gegebene Rechtslage bezog. Die für das Reichsgericht damals maßgebliche Gesetzesfassung des § 3 RStGB134 traf keine Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsort, vielmehr war für die Beurteilung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ausschließlich entscheidend, wo die strafbare Handlung begangen wurde. Inwieweit dieses „Begehen“ den Erfolg im strafrechtlichen Sinne mitumfasste, war nicht gesetzlich geregelt, sondern oblag der Rechtslehre.135 Die Ausweitung des Handlungsbegriffes durch das Reichsgericht war zum einen eine Konsequenz der Tatsache, dass § 3 RStGB keine saubere Trennung zwischen Handlung, Wirkung und Erfolg vornahm, zum anderen aber der Tatsache geschuldet, dass § 67 IV RStGB136 für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung abstellte.137 Das Reichsgericht sah sich daher gezwungen, mögliche Zwischenwirkungen unter den Begriff der „begangenen strafbaren Handlungen“ gem. § 3 RStGB zu fassen und eben nicht unter den Begriff des Erfolgs, da sonst die nicht nachvollziehbare Konsequenz gewesen wäre, dass ein strafbares Verhalten bereits zu dem Zeitpunkt 133  Kuner, CR 1996, 453 (455 f.); Cornils, JZ 1999, 394 (396) bezeichnet diese Fiktion als richtige Richtung. 134  Siehe RGBl. 1871, S. 127: „Die Strafgesetze des Deutschen Reichs finden Anwendung auf alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer ist.“ 135  Heinrich, FS Weber, S. 91 (101). 136  § 67 IV RStGB lautete: „Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges.“ 137  Heinrich, FS Weber, S. 91 (103); Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 130; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 106.

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verjährt gewesen wäre, bevor irgendeine unerwünschte Wirkung eingetreten ist.138 Eine derartige Interpretation des Handlungsbegriffes bedarf es nach der Einfügung des § 78a StGB n. F. aber nicht mehr. Gem. § 78a S. 1 StGB beginnt die Verjährungsfrist, sobald die Tat beendet wurde. Tritt aber der Tat­ erfolg erst nach der Tatbeendigung ein, so ist gem. § 78a S. 2 StGB maßgebliche Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn der Erfolgseintritt und nicht der Zeitpunkt der Tathandlung, weshalb die Gefahr einer Verjährung vor dem Eintritt einer „Wirkung“ nicht mehr besteht.139 Eine argumentative Heranziehung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu einer Erweiterung des Handlungsbegriffs über die körperliche Anwesenheit hinaus ist daher aus diesem Grund heute nicht mehr überzeugend.140 (b) Serverstandort zugleich Handlungsort Unabhängig von der Reichsgerichtsrechtsprechung ist ebenso nicht überzeugend, dass der Täter sowohl an seinem Nutzer-PC als auch am Server­ standort gleichzeitig handelt, was an beiden Punkten einen Handlungsort begründen soll. Die Meinung ist bereits aus praktischen Gründen abzulehnen. Der jeweilige Anbieter kann zumeist überhaupt nicht wissen, wo sich der Server überhaupt befindet. Zumeist findet eine Datenübertragung nicht gezielt „mit einer Kugel vergleichbar“ auf direktem Weg ins Ziel statt, vielmehr erfolgt zunächst eine Übertragung über mehrere unterschiedliche Server, bis eine abschließende Speicherung erfolgt.141 Außerdem kommt es zumeist zu einer Spiegelung der übertragenen Daten, was zu einer „unüberschaubaren Inflation von Handlungsorten“ führen kann.142 Die Frage des anzuwendenden Strafrechts wäre gänzlich von technischen Zufällen abhängig, was einer notwendigen Rechtssicherheit bereits im Grunde widerspricht.143 138  Heinrich, FS Weber, S. 91 (103); Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 130; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 106. 139  Ebenso Heinrich, FS Weber, S. 91 (103); Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 106. 140  Heinrich, FS Weber, S. 91 (103); Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 130; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 106. 141  Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (665 f.); Koch, GA 2002, 703 (711). 142  Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (666); vgl. LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 80; Heinrich, FS Weber, 91 (99). 143  Vgl. Heinrich, FS Weber, 91 (99); Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (665 f.); LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 80; Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwetten­ anbieter gemäß § 284 StGB, S. 102; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S.  123 ff.



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Ebenso ist dogmatisch eine Anknüpfung an der Figur der mittelbaren Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 StGB abzulehnen. § 25 I Alt. 2 StGB fordert die Tatbegehung „durch einen anderen“. Ein anderer im Sinne der Vorschrift kann aber nur ein menschliches Werkzeug sein. Dies ergibt sich sowohl aus dem Gesetzeswortlaut als solchen als auch aus der Systematik.144 Der Server als solcher stellt gerade nicht einen anderen Menschen dar, dieser ist vielmehr eine technische Einrichtung und ist daher auch nicht als Tatmittler geeignet.145 Einzig als Tatmittler käme daher eine natürliche Person in Betracht, die hinter dem Providerunternehmen steht und den automatisch ablaufenden Datenspeicherungsvorgang zuvor in die Wege geleitet hat.146 Jedoch wäre in diesem Fall folgerichtig nicht der „Ort der Datenspeicherung“147 der maßgebliche Handlungsort des Tatmittlers, sondern der Ort, an dem der Providermitarbeiter diesen Vorgang in die Wege geleitet hat.148 Dieser Ort ist nicht unbedingt zwingend der Ort des Serverstandorts, sondern kann bei den international tätig werdenden Providerunternehmen überall liegen (und ist im Regelfall auch nicht bekannt).149 Auch hat die Zufälligkeit der Speicherung bzw. des Providermitarbeiters, der den Vorgang in die Wege leitet, zur Folge, dass der Täter meist nicht weiß, wo überhaupt die Speicherung erfolgt bzw. wo sich der Mitarbeiter befindet. Es kann dahingestellt bleiben, ob die §§ 3 ff. StGB Elemente des objektiven Tatbestandes sind150 und sich daher der Vorsatz auch auf diese beziehen muss, oder ob die §§ 3 ff. StGB lediglich objektive Strafbarkeitsbedingungen151 ohne korrespondierendes Vorsatzerfordernis sind.152 144  Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 135; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. 145  Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 136; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. 146  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. 147  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 18. 148  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. 149  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. 150  Matt/Renzikowski/Basak, Vor §§  3  ff. Rn.  2; NK-StGB/Böse, Vor §§  3 ff. Rn. 52; Neumann, FS Müller-Dietz S. 589 (604 f.); Pawlik, FS Schroeder, S. 357 (373); Burchard, HRRS 2010, 132 (136 Fn. 27). 151  BGHSt 27, 30 (34); MüKo-StGB/Ambos, Vor § 3 Rn. 3; LK/Werle/Jeßberger, Vor § 3 ff Rn. 472; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 3 Rn. 9; Sch/Sch/Eser/ Weißer, Vor §§ 3–9 Rn. 85; Fischer, Vor §§ 3–7 Rn. 30. 152  Hierbei handelt es sich wiederum um die materielle Einordnung der Normen des §§ 3 ff. StGB, prozessual führt diese materielle Einordnung zu den oben geschilderten prozessualen Konsequenzen, da das Ausbleiben deutscher Strafgewalt prozessrechtlich ein Verfahrenshindernis zur Folge hat, das von Amts wegen zu berücksichtigen ist, MüKo-StGB/Ambos, § 3 Rn. 3; Vorb § 3 Rn. 2 ff.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Nimmt man einen Bestandteil des objektiven Tatbestandes an, so fehlt dem Nutzer meist schon der gem. §§ 15, 16 I StGB nötige Tatbestandsvorsatz, da dieser keinerlei Kenntnis hat, wo der Serverstandort ist bzw. Providermitarbeiter vorher tätig wurde.153 Nimmt man hingegen einen bedingten Vorsatz des Täters an oder vertritt die Meinung, dass es sich bei den §§ 3 ff. StGB lediglich um eine objektive Strafbarkeitsbedingungen handelt, so fehlt im Zeitpunkt der Handlung des mittelbaren Täters die nötige Tatherrschaft über den Providermitarbeiter.154 Wichtiges Kriterium der mittelbaren Täterschaft ist die Begehung „durch“ den Vordermann, was generalisierend voraussetzt, dass beim Vordermann ein Strafbarkeitsdefizit vorliegt, dass diesem eine Werkzeugqualität verleiht, was wiederum der Hintermann planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt.155 Zwar handelt der Providermitarbeiter grundsätzlich unvorsätzlich, was gem. § 10 Nr. 1 TMG zur Folge hat, dass dieser subjektiv tatbestandslos handelt, was eine Werkzeugqualität im Sinne eines Strafbarkeitsdefizits begründen könnte.156 Jedoch handelt der Täter nicht „durch“ den Providermitarbeiter. Hierzu wäre nötig, dass der Täter das Strafbarkeitsdefizit des Mitarbeiters bewusst ausnutzt, um durch diesen als seine „Marionette“, ohne die Fäden aus der Hand zu geben, die Tat zu begehen.157 Der Providermitarbeiter wird aber nicht aufgrund einer Einwirkung des Täters tätig, vielmehr wird dieser bereits vor jeglicher Inanspruchnahme des Providerdienstes durch den Nutzer tätig, indem er den Datenspeicherungsvorgang bereits zuvor in die Wege leitet.158 Das spätere Laden der Inhalte auf den Server erfolgt aber, unabhängig159 von einer Mitwirkung eines Providermitarbeiters, vollständig automatisch. Der Täter nutzt gerade nicht ein Defizit des Providermitarbeiters aus und handelt „durch“ diesen beim Hochladen der Inhalte, sondern er nutzt einen bereits bestehenden Zustand aus, der ohne seine Mitwirkung bereits gegeben war.160 153  Duesberg,

Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 109 spricht von bewusster tatbeherrschender Steuerung. 155  BeckOK-StGB/Kudlich, § 25 Rn. 20; vgl. Fischer, § 25 Rn. 5; NK-StGB/ Schild, § 25 Rn. 75; Lackner/Kühl, § 25 Rn. 2; MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 54. 156  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108. 157  MüKo-StGB/Joecks, § 25 Rn. 54. 158  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 108 f. 159  Ausnahme wäre, dass zuvor eine „Inhaltskontrolle“ der hochgeladenen Dateien stattfindet, dies ist aber aufgrund der großen Masse an Daten, die auf Server hochgeladen werden, praktisch kaum möglich. 160  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 109; ebenso scheitert eine Begründung einer Zurechnung gem. § 25 I Alt. 2 StGB unter dem Aspekt eines Unterlassens des Providermitarbeiters. 154  Duesberg,



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Eine Begründung eines weiteren Handlungsortes am Ort des Serverstandortes bzw. am Ort der Tätigkeit des Providermitarbeiters scheidet daher nach dem oben Gesagten aus. (c) Handlungsort ist Ort, an dem Angebot wirkt bzw. wahrnehmbar ist Auch eine Erweiterung des Handlungsortes über das Kriterium der Wahrnehmbarkeit ist aus mehreren Gründen abzulehnen. In konsequenter Fortführung des Gedankengangs des Kammergerichts auf das Medium des Internets161, das ebenso eine angesprochene „moderne Übertragungstechnik“ darstellt, wäre ein Handlungsort überall dort gegeben, wo eine optische Wahrnehmung der Internetseite möglich ist, was de facto überall wäre, mit der Konsequenz, dass auch überall Handlungsorte gegeben wären.162 Dies führt deckungsgleich zu dem gleichen Ergebnis wie die „Theorie der virtuellen Anwesenheit“.163 Dieses Ergebnis ist jedoch aufgrund mehrere Umstände abzulehnen: (aa) Widerspruch zum Wortlaut Es widerspricht bereits dem gängigen Wortlaut der Norm des § 9 I Var. 1 StGB, genauer dem Begriff „handelt“, eine Wirkung als Teil des Handelns anzunehmen.164 Hinsichtlich des Strafrechts wird als „Handlung“ die Vornahme einer willensgesteuerten Körperbewegung verstanden.165 Hingegen ist die Wirkung nicht die Körperbewegung selbst, sondern deren Folge.166 Eine Gleichstellung würde gerade die Differenzierung des § 9 I StGB hinsichtlich zweier unterschiedlicher Anknüpfungspunkte verwischen.167 Handlung ist daher nur die willensgesteuerte Körperbewegung, die darauf, evtl. zeitlich versetzte Wahrnehmung dieser, ist, wenn überhaupt, die Folge dieser Handlung, aber nicht die Handlung selbst. In Bezug auf die Serverproblematik ist zu beachten, dass die ursächliche Handlung im Mausklick zu sehen ist. Die Wirkung dieses Mausklicks, und nicht der Mausklick selbst, setzt computerintern einen Datenübermittlungsvorgang in Gang, der per Internet auf den 161  Was laut Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gem. § 284 StGB, S. 74 unproblematisch möglich ist. 162  Mintas, Glücksspiele im Internet, S. 131. 163  Ebenso Mintas, Glücksspiele im Internet, S. 131. 164  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 116. 165  Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 136 ff.; vgl. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 116 m. w. N. 166  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 116 m. w. N. 167  Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633 (635).

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Server übertragen wird und auf diesem dann zu einer Änderung dessen Festplattenspeichers führt, indem die Daten binärisch per Magnetkopf auf die Festplatte geschrieben werden. Die Datenübertragung ist nicht die Handlung selbst, sondern bereits deren Wirkung.168 Auch wäre Folge eines derartigen Verständnisses, dass es zu „einer unüberschaubaren Inflation von Handlungsorten“ kommen würde.169 Denn die Inhalte werden meist nicht nur auf einem Server gespeichert, sondern vielmehr meist mehrmals auf einer Vielzahl von Servern, um Ladezeiten zu verkürzen. Es wäre dann an jedem Serverstandort ein Handlungsort gegeben, obwohl einzig der Mausklick die Ursache hierfür setzte. (bb) Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz Einen weiteren Punkt greift Saliger zurecht auf:170 Die Verwässerung der Begriffe von Handlung und Erfolg, die vorstehende Ansichten im Ergebnis herbeiführen, stellt einen Verstoß gegen das in Art. 103 II GG enthaltene Verschleifungsverbot als Aspekt des Gesetzlichkeitsprinzips dar. Die Anforderungen des Verschleifungsverbots wurden in einer Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2010 dargestellt, nach diesem dürfen einzelne Tatbestandsmerkmale „innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden“.171 Auch die Normen über die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. der §§ 3 ff. StGB stellen eine Frage der „Strafbarkeit“ im Sinne des Art. 103 II GG dar.172 Es ist daher den Gerichten im Rahmen der Gesetzesauslegung gerade auch im Rahmen des Strafanwendungsrechts verwehrt einen Begriff so weit auszulegen, dass diese Auslegung dazu führt, dass ein Tatbestandsmerkmal in einem anderen mit aufgeht. Gerade dies wäre aber durch die vorgestellten Ansichten der Fall: Würde man den Begriff des Handlungsortes derart weit auslegen, dass dieser überall dort ist, wo man den Inhalt online abrufen kann, so führt 168  Vgl. Hilgendorf/Valerius, Rn. 150; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 4; Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, Rn. 80; Hörnle, NStZ 2001, 309 (310); Sieber NJW 1999, 2065 (2070); Koch, GA 2002, 703 (711). 169  Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (665). 170  Allgemein hierzu zunächst Saliger, FS Fischer, S. 523; speziell mit Bezug auf die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts unter Berücksichtigung des Straftatbestands des § 284 StGB, Saliger, in: Engelhart/Kudlich/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Sieber, im Erscheinen 2021. 171  BVerfG NJW 2010, 3209 (3211); Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 85; vgl. Sachs/Degenhart, Art. 103 Rn. 69. 172  Vgl. hierzu BVerfG NJW 1995, 1811 (1813); Maunz/Dürig/Remmert, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 68; Saliger, FS Fischer, S. 523 (533, 541).



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dies zu einer Auslegung des Begriffs der „Handlung“, die nichtmehr vom Begriff des „Erfolgs“ zu unterscheiden wäre, beide Begriffe werden komplett verwässert und sind nichtmehr zu unterscheiden. Dies wäre aber mit dem im Bestimmtheitsgrundsatz mitenthaltenen Verschleifungsverbot nicht zu vereinbaren.173 (cc) Völkerrechtliche Konflikte Darüber hinaus hat ein derartig weites Verständnis des Handlungsbegriffs eine nicht tragbare Ausweitung der deutschen Strafgewalt zur Folge.174 Zum einen zieht eine derartige Erweiterung der deutschen Strafgewalt völkerrechtliche Konsequenzen nach sich. Insbesondere läge durch ein derartig weites Verständnis ein Verstoß gegen allgemeine völkerrechtliche Prinzipien vor. Eine Ausweitung deutscher Strafgewalt auf jegliche abrufbare Internetpräsenz würde zu einer Missachtung von Souveränitätsrechten anderer Staaten führen, die ebenfalls von der Tat betroffen sind.175 Dies würde einen Konflikt mit dem völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz176 bedeuten.177 Keinem Staat ist es völkerrechtlich erlaubt ohne die Zustimmung eines anderen Staates auf dessen Gebiet Hoheitsakte zu setzen.178 Sinn und Zweck des Nichteinmischungsgrundsatzes ist es, die jeweilige staatliche Autonomie einzelner Staaten bei der Ausgestaltung ihrer politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Ordnung vor willkürlichen bzw. rechtsmissbräuchlichen Eingriffen zu schützen.179 Dieser bildet die „völkerrechtliche Grenze staatlicher Strafgewalt“.180 Bei Annahme einer Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem der Inhalt auch in Deutschland abrufbar ist, sind Ausländer bereits, bevor sie ei173  Daher ist Saliger, in: Engelhart/Kudlich/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Sieber, im Erscheinen 2021, zuzustimmen. 174  Vgl. Roggan, KJ 2001, 337 (339). 175  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1874); Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (660); Palm, Pornographie im Internet, S. 58; Sieber, NJW 1999, 2065 (2067) merkt zutreffend an, dass sich dann die strengste Strafrechtsordnung weltweilt durchsetzen würde, wenn sich ein Onlineangebot an allen messen müsste; vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 47; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 118. 176  Vgl. diesbezüglich die umfassenden Ausführungen in Ambos, Internationales Strafrecht, § 2. 177  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 118. 178  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1874). 179  Herdegen, Völkerrecht, § 35 Rn. 3; Graf Vitzthum/Proelß/Kau, Völkerrecht, 3. Abschnitt Rn. 83; Ipsen/Heintschel-Heinegg, Völkerrecht, § 55 Rn. 41 ff. 180  Ambos, Internationales Strafrecht, § 2 Rn. 4.

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nen Inhalt ins Internet stellen, dazu gezwungen eine mögliche Strafbarkeit in der Bundesrepublik zu prüfen.181 Im Ergebnis würde es sich bei einer Annahme eines Handlungsortes in Deutschland um „eine versteckte Erweiterung des Weltrechtsprinzips“ handeln.182 Eine Ausnahme besteht nach der „LotusEntscheidung“ des StIGH vom 7.9.1927183 hinsichtlich der strafrechtliche Erfassung von Geschehnissen außerhalb des Staatsgebiets nur dann, wenn ein „sinnvoller Anknüpfungspunkt“184 zum eigenen Staat besteht. Als derartige sinnvolle Anknüpfungspunkte sind neben dem Territorialprinzip des § 3 StGB, auch das Flaggenprinzip des § 4 StGB, das aktive Personalitätsprinzip gem. §§ 5 Nr. 3a, 5b, 8, 9, 12, 13 StGB), das Schutzprinzip gem. §§ 5 Nr. 2, 3b, 4, 5a, 10, 12, 13 StGB), das Universalitäts- oder Weltrechtsprinzip gem. § 6 Nr. 2 – 8 StGB und das passive Personalitätsprinzip gem. § 7 I StGB anerkannt.185 Ebenso findet sich ein derartige „genuine link“ in § 1 VStGB.186 Hingegen bildet die bloße Abrufbarkeit der Inhalte keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt, der eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatzes rechtfertigen könnte. Im Gegensatz zu den in den §§ 3 ff. StGB geregelten Fällen findet in den Fällen der bloßen Abrufbarkeit des Internetinhalts kaum bis fast überhaupt keine Berührung mit dem nun die Strafgewalt proklamierenden Staat statt. Würde man die bloße Abrufbarkeit als völkerrechtlichen sinnvollen Anknüpfungspunkt genügen lassen, so hätte dies überspitzt zur Folge, dass selbst ein Staat, in dem kein Staatsangehöriger ein Online-Glücksspielangebot nutzt, die völkerrechtliche Legitimation dazu hätte, das weltweit abrufbare, auf einen anderen Staat zugeschnittene Online-Glücksspielangebot unter eine Strafbewährung zu stellen und dadurch den jeweiligen Anbieter im Falle seiner Erreichbarkeit der Justiz zuzuführen.187 Dieses Ergebnis widerspräche aber klar dem Sinn und Zweck des Nichteinmischungsgrundsatzes und verletzt daher evtl. sogar das Interventionsverbot188, da es durch diese Annahme einem einzelnen Staat ermöglicht werden würde, für alle weltweit abrufbare Internetseiten Regeln aufzustellen, selbst 181  Roggen,

KJ 2001, 337 (340). Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 157. 183  StIGHE 5, 71. 184  In der englischen Fassung des Urteils bezeichnet als „genuine link“; vgl. Schiemann, JR 2017, 339. 185  Hilgendorf, NJW 1997, 1873; vgl. Schiemann, JR 2017, 339. 186  Schiemann, JR 2017, 339. 187  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 119. 188  Vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, § 2 Rn. 3; vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 4. 182  Hilgendorf/Valerius,



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wenn die Internetpräsenz nicht auf den Staat, der diese Regeln setzt, zugeschnitten ist.189 Die bloße Abrufbarkeit stellt daher keinen „sinnvollen Anknüpfungspunkt“ dar. (dd) Praktische Konsequenzen Des Weiteren sind die praktischen Auswirkungen einer Annahme einer faktischen Allzuständigkeit deutscher Strafgewalt zu beachten: Wäre die deutsche Strafgewalt für Internetsachverhalte bereits in dem Zeitpunkt zuständig, in dem der Sachverhalt in Deutschland abrufbar ist, so wären die Ermittlungsbehörden auf Basis des in § 152 II StPO verankerten Legalitätsprinzips auch dazu verpflichtet, diese Sachverhalte zu ermitteln.190 Eine derartig umfassende Verpflichtung zu Ermittlungen würde aber den praktisch zumutbaren Umfang an Arbeitsaufwand bei jeder Staatsanwaltschaft bei weitem übersteigen. Die hierzu stellenweise vorgebrachte Einschränkung191 dieser Ermittlungspflicht durch § 153c StPO vermag auch nichts an dieser Problematik zu ändern. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass § 153c StPO nach seinem Wortlaut auf die Konstellation überhaupt nicht anwendbar wäre, da nach der vertretenen Meinung ein inländischer Handlungsort durch die Abrufbarkeit des Inhalts gegeben wäre. Die Handlung und damit die Tat, vgl. § 9 I Var. 1 StGB, wäre nach dieser Meinung im Geltungsbereich der StPO begangen, weshalb § 153c I 1 Nr. 1 StPO192 keine Anwendung findet. Ebenso ändert § 153c II193 StPO mangels Bestrafung im Ausland hieran

189  Im Ergebnis ebenso Dombrowski, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung im Internet, S. 86; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (660 f.), LK/Werle/Jeßberger, Vor. § 3 ff Rn. 243; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 119. 190  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1874); Palm, Pornographie im Internet, S. 58; Sieber, NJW 1999, 2065 (2067); Cornils, JZ 1999, 394 (396); Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 157; Markowski, MMR 2002, 552; Streinz/ Liesching/Hambach/Brenner/C. Hambach, §§ 3, 9 StGB Rn. 6. 191  Jofer, Strafverfolgung im Internet, S. 118 f.; Sieber, NJW 1999, 2065 (2067), der zwar eine weltweise Verfolgungspflicht deutscher Behörden als Problem sieht, aber in der Fn. 15 auf § 153 c StPO verweist. 192  §153c I 1 Nr. 1 StGB lautet: „Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung von Straftaten absehen, 1. die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat,“. 193  § 153c II StPO lautet: „Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn wegen der Tat im Ausland schon eine Strafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im Inland zu erwartende Strafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht fiele oder der Beschuldigte wegen der Tat im Ausland rechtskräftig freigesprochen worden ist.“

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nichts. Selbst § 153c III StPO194 vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da der klare Wortlaut der Norm fordert, dass die Tat im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine außerhalb dieses Bereichs ausgeübte Tätigkeit begangen werden müsste. Hiermit war vom Gesetzgeber der Fall eines Handlungsortes im Ausland und eines Erfolgsortes im Inland gem. § 9 I Var. 3 StGB ins Auge gefasst worden.195 Hingegen erfasst aber § 153c III StPO nicht den nach diesen Meinungen vorgesehen Handlungsort in Deutschland, da die Tätigkeit nicht außerhalb, sondern innerhalb des räum­ lichen Geltungsbereiches des Strafanwendungsrechts begangen wurde.196 Selbst wenn man § 153c III StPO als anwendbar sehen würde, so wäre Vo­ raussetzung, dass die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder dass der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Bereits aus dieser abschließenden Aufzählung und der Berufung auf überwiegende öffentliche Interessen wird deutlich, dass es sich bei § 153c III StPO um einen Ausnahmetatbestand handelt, der auf die Vielzahl an Internet­ angeboten pauschal überhaupt nicht angewendet werden kann, wodurch es bei der Ermittlungspflicht der Strafverfolgungsbehörden bleibt.197 Selbst bei der Annahme einer Ermessensmöglichkeit der Staatsanwaltschaft ist dennoch ein nicht praktisch stemmbarer Verwaltungsaufwand nötig, da die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen immer zuerst den Sachverhalt abarbeiten müsste, selbst wenn sie diesen dann einstellt. (ee) Absurditätsargument: Erweiterung der Strafgewalt anderer Länder Des Weiteren wird diesbezüglich auch eine Art Absurditätsargument he­ rangezogen: Eine derartige Erweiterung des Handlungsortes könnte im Umkehrschluss auch eine Erweiterung der Strafgewalt anderer Staaten ermöglichen. Falls eine bloße Abrufbarkeit der Homepage in einem Staat genügt, um die Strafgewalt dieses Staates zu begründen, so bestünde auch für Deutsche die Gefahr für Äußerungen in anderen Staaten strafrechtlich belangt zu wer194  § 153c III StPO lautet: „Die Staatsanwaltschaft kann auch von der Verfolgung von Straftaten absehen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine außerhalb dieses Bereichs ausgeübte Tätigkeit begangen sind, wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.“ 195  Meyer-Goßner/Schmitt, § 153c Rn. 13. 196  So auch i. E. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 120. 197  So auch Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1874), wobei dieser von § 153c II StPO spricht, dieser aber in der damals geltenden Fassung wörtlich dem jetzigen Absatz III entspricht.



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den, die sie von Deutschland aus auf ihrer deutschen Homepage tätigen.198 Insbesondere seien hier Staaten mit einem von uns abweichenden Rechtsund Moralverständnis genannt. Würde der deutsche Staat aus der bloßen Abrufbarkeit einer Homepage in Deutschland die Begründung eines deutschen Strafanspruches ableiten, so stünde auch diesen Ländern – z. B. nach einer online veröffentlichten Kritisierung der fehlenden Einhaltung von Menschenrechten – die Möglichkeit offen, Deutsche beim Besuch ihrer Länder wegen des Verstoßes gegen ein Staatsschutzdelikt durch diese Veröffentlichung zu verhaften und anschließend zu verurteilen.199 Endgültige Konsequenz wäre, dass im Internet nur noch das veröffentlicht werden dürfte, was sämtliche Rechtsordnungen als erlaubt ansehen, was de facto die Meinungsäußerung im Internet auf ein Minimum beschränken könnte.200 Jedoch ist bei diesem Argument bereits vorweg anzumerken, dass dies eher aus moralischen Gesichtspunkten zu überzeugen vermag, jedoch es hierfür keine tiefergehende rechtliche Grundlage gibt. (ff) Wortlautargument hinsichtlich § 287 I StGB und § 3 IV GlüStV Auch die Auslegung anhand der Klarstellung des Veranstaltungsbegriffes im Rahmen des § 287 I StGB vermag nicht zu überzeugen. Zwar ist dogmatisch zuzustimmen, dass es gesetzestechnisch verfehlt ist, einen Begriff mit unterschiedlichen Verständnissen zu belegen. Nichts desto trotz ist dies leider auch im Rahmen des StGB der Fall, insbesondere sei hier an den Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ in § 250 StGB erinnert, der sogar im gleichen Tatbestand unterschiedlich definiert wird.201 Eine Erweiterung des Handlungsortes des Veranstaltens scheitert aber bereits an den oben genannten Gründen, dass der Ort des Handelns nur der Ort der körperlichen Anwesenheit des Täters sein kann.202 Auch eine Anknüpfung am Willen des Gesetzgebers diesbezüglich, dass der Begriff des Ver­ anstaltens in § 287 I StGB ebenso wie in § 284 I StGB zu definieren ist, erscheint unter Begutachtung der Bundestagsdrucksachen fragwürdig. Im ­ Rahmen der Gesetzesänderung des 6. StrRG unternahm der Gesetzgeber 198  Roggan, KJ 2001, 337 (340); Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 158. 199  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1874); Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 120; vgl. Roggan, KJ 2001, 337 (340). 200  Ebenso Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 158. 201  Vgl. hierzu BeckOK-StGB/Wittig, Lexikon des Strafrechts, Gefährliches Werkzeug. 202  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 121; Baron/ Gercke/Janssen, wistra 2004, 321 (322); Dietlein/Woesler, K&R 2003, 458 (460); Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 81.

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nicht nur eine Änderung des § 287 I StGB, sondern auch des § 284 StGB. Sowohl bei § 287 StGB in Abs. II als auch bei § 284 in Abs. IV wurde die Werbung für ein nicht erlaubtes öffentliches Glücksspiel unter Strafe gestellt.203 Begründet wird die Sanktionierung der Werbung mit der praktischen Schwierigkeit, die Strafvorschrift des Absatzes I gegenüber ausländischen Anbietern durchzusetzen.204 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesetzgeber aber beide Normen im selben Atemzug änderte, ist nicht ersichtlich, wieso sich aus der bewussten Nichtänderung des § 284 I StGB hinsichtlich des Begriffs des Veranstaltens ein aus § 287 I StGB hergeleitetes Verständnis entwickeln soll, das argumentatorisch mit dem gesetzgeberischen Willen hergeleitet wird.205 Hätte der Gesetzgeber ein anderes Verständnis des Begriffs des Veranstaltens erwünscht – so wie dies bei § 287 I StGB der Fall war – so hätte er auch § 284 I StGB um namentliche Beispiele ergänzt. Des Weiteren ist der Schluss von einem Tatbestandsmerkmal auf den Handlungsort verfehlt. Die Frage des Tatortes gem. §§ 3, 9 StGB und dementsprechend die Frage des Handlungsortes stellt eine dem objektiven Tatbestand des § 284 I StGB vorgelagerte Frage dar.206 Eine Ausnahme bestünde, wenn der vom Gesetzgeber in § 287 I StGB vorgenommene Einschub eine speziellere strafanwendungsrechtliche Regelung darstellen würde, die die §§ 3 ff. StGB verdrängt.207 Würde man jedoch genügen lassen, dass bereits ein irgendwie gearteter Bezug des BT-Tatbestandes zu einem Ort, eine den §§ 3 ff. StGB speziellere Strafanwendungsregel nach sich ziehen würde, so hätte dies eine systemwidrige Untergrabung der AT-Regelungen der §§ 3 ff. StGB zu Folge.208 Die differenzierende Regelungen der §§ 3 ff. StGB würde durch die Schaffung eines normativen Handlungsortes im Rahmen der ­BT-Delikte „umgangen“ werden.209 Des Weitern wäre eine derart weite Auf203  BT-Drs.

13/8587, S. 67 f. 13/8587, S. 68; wiederum spricht die Gesetzesbegründung nicht von rechtlichen Problemen der Strafbarkeit, so wie dies aber Baron/Gercke/Janssen, ­wistra 2004, 321 (322) und Dietlein/Woesler, K&R 2003, 458 (460) schrieben, sondern es ging lediglich um praktische Ermittlungsprobleme, Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 121 f. Fn. 554. 205  Ebenso in diese Richtung Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwetten­ anbieter gemäß § 284 StGB, S. 81 Fn. 45; vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Brenner/ C. Hambach, §§ 3, 9 StGB Rn. 5. 206  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 82; Dietlein/Woesler, K&R 2003, 458 (460 Fn. 15). 207  So aufgeworfen durch Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 122. 208  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 122. 209  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 82; ähnlich Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 122. 204  BT-Drs.



B. Angebote mit Auslandsbezug75

fassung des Begriffs des Veranstaltens ebenso den oben genannten Bedenken ausgesetzt.210 Ferner ist zu berücksichtigen, dass das bloße Ablegen von Inhalten auf einem Server bereits den Tatbestand des Veranstaltens erfüllt. In diesem Zustand warten aber die Inhalte noch auf eine Kontaktaufnahme durch den Nutzer. Vergleicht man dies mit einen grenzüberschreitenden Telefongespräch, so muss erst der Nutzer die Kommunikation anstoßen, um am Glücksspiel teilzunehmen. Der Veranstalter befindet sich hier aber nie in der Bundesrepublik, vielmehr verlässt der Nutzer – digital – diese zur Spielteilnahme im Ausland.211 Gleiches gilt für eine Heranziehung der Definition des § 3 IV GlüStV auf den Begriff des Veranstaltens im Rahmen des § 284 I StGB. Zusätzlich ist hierbei auch zu beachten, dass die Norm des § 3 IV GlüStV nicht durch den für die Interpretation des Gesetzgebers maßgeblichen Bundesgesetzgeber erlassen wurde, sondern § 3 IV GlüStV ist das Ergebnis eines Staatsvertrags zwischen Landesgesetzgebern. Im Grundsatz ist daher die landesrechtliche Regelung nicht per se geeignet die bundesrechtliche Regelung auszulegen.212 (d) Resümee Eine Erweiterung des Handlungsortes über den Ort der Tastatureingabe beim Hochladen auf den Server hinaus ist aufgrund der oben genannten Gründe nicht angezeigt. Der Handlungsort liegt im Falle der vom Ausland aus operierenden Glücksspielanbieter demnach ausschließlich im Ausland, weshalb § 9 I Var. 1 StGB nicht die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründet. Es kommt daher einzig eine Anwendbarkeit über § 9 I Var. 3 StGB in Betracht. Hinsichtlich der oben genannten Fallgruppen mit Auslandsbezug ist daher zunächst festzuhalten, dass, soweit weder ein Veranstalten noch eine sonstige Tathandlung im Inland im Sinne einer körperlichen Anwesenheit des Handelnden stattfindet, sich aus §§ 3, 9 I Var. 1 StGB keine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt. d) Erfolgsort im Inland § 9 I Var. 3 StGB Ebenso wie die Frage, ob sich der Handlungsort im Falle des OnlineGlücksspiels in Fällen mit Auslandsbezug im Inland befindet, ist die Frage auch Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 122. Hambach, §§ 3, 9 StGB Rn. 7. 212  Hier schärfer SSW-StGB/Rosenau § 284 Rn. 12, Regelung des Landesgesetzgebers sei „ohne Relevanz“. 210  Vgl.

211  Streinz/Liesching/Hambach/Brenner/C.

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umstritten, ob sich im Rahmen des § 284 I StGB der „Erfolgsort“ im Inland befindet. Gem. § 9 I Var. 3 StGB ist eine Tat an dem Ort begangen, „an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist“. Im Hinblick auf § 284 I StGB stellen sich diesbezüglich zwei Fragen, die nacheinander untersucht werden sollen. Zum einen stellt sich vorgeschaltet die Frage nach der Deliktsnatur des § 284 I StGB, genauer, ob es ein Erfolgs- oder Gefährdungs­ delikt ist. Basierend auf der Antwort dieser Frage wird dann untersucht, ob im Rahmen des § 284 I StGB im Falle von im Ausland angebotenen OnlineGlücksspiels im Inland ein „zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten ist“. aa) Deliktsnatur des § 284 StGB Diesbezüglich ist zunächst entscheidend, welche Rechtsnatur überhaupt das Delikt des § 284 I StGB aufweist. Im Groben unterscheiden sich die Ansichten diesbezüglich dahingehend, dass die eine Ansicht in § 284 I StGB ein Erfolgsdelikt sieht, wohingegen die andere Ansicht in ihm ein abstraktes Gefährdungsdelikt sieht, was wiederum auf einem unterschiedlichen Verständnis des jeweilig geschützten Rechtsgutes und der jeweiligen Tatbestandsmerkmale des § 284 I StGB beruht.213 Im Falle der Annahme eines Erfolgsdeliktes214 stellt sich keine größere Problematik im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB, da der Erfolgsort bei einer Spielteilnahme eines Deutschen dann unstreitig in Deutschland wäre. Dies hätte zur Folge, dass hierdurch der Tatort gem. §§ 3, 9 I Var. 3 StGB begründet werden würde, was die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zur Folge hätte. Gegenstand der hier durchgeführten Untersuchung soll auch eine Unterstützung der Rechtspraxis sein. Richtigerweise handelt es sich bei § 284 I StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt in der Form eines schlichten Tätigkeitsdelikts.215 Die Norm des § 284 I StGB pönalisiert nicht das Glücksspiel als solches, sondern vielmehr findet eine Pönalisierung erst statt, wenn dies unerlaubt im Sinne einer fehlenden behördlichen Erlaubnis erfolgt. § 284 StGB pönalisiert aber gerade nicht die bloße Verwaltungsrechtswidrigkeit, vielmehr ergibt sich die Pönalisierung aus dem Umstand, dass das Glücksspiel als solches gewisse Gefahren in sich birgt, die ohne vorherge213  Siehe hierzu die umfassenden Ausführungen zu Schutzzweck, Tatbestand und Deliktsnatur in Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 30–56. 214  Vgl. statt vieler MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 2. 215  SSW-StGB/Rosenau § 284 Rn. 2; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 5; SKStGB/Hoyer, § 284 Rn. 4; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 8; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 5; LK/Krehl, Vor § 284 Rn. 11.



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hende staatliche Kontrolle noch einmal potenziert werden könnten.216 Insbesondere ist unter diesem Gesichtspunkt der Schutz des § 284 StGB – zumindest auch – in der Gewährleistung und späteren Absicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs mit der Folge, dass auch der Einzelne hierdurch vor der Gefahr von Manipulationen beim Glücksspiel und damit einhergehender Schäden seines Vermögens geschützt wird.217 Die Gefahr der Manipulation besteht aber nur abstrakt, diese soll bereits von Beginn an verhindert werden, § 284 StGB sanktioniert demnach als abstraktes Gefährdungsdelikt218 die abstrakte Gefahr, dass es später im Rahmen des unerlaubten Glücksspiels zu Betrugshandlungen kommt.219 Die diesbezüglich entscheidende Weichenstellung ist die Frage, ob ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wie es bei § 284 I StGB im Rahmen dieser Untersuchung angenommen wird, über einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB verfügt. Insbesondere spricht § 9 I Var. 3 StGB nicht mehr wie zuvor vom bloßen „Erfolg“, sondern seit dem 2. Strafrechtsreformgesetz220 ausdrücklich vom „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“. bb) Kein Erfolg bei abstrakten Gefährdungsdelikten Das Vorliegen eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges wird aufgrund der Deliktsnatur des § 284 I StGB als reines abstraktes Gefährdungsdelikt auf Basis der allgemeinen Tatbestandslehre verneint. Im Gegensatz zu Erfolgsdelikten setzen abstrakte Gefährdungsdelikte weder einen Erfolg noch eine konkrete Gefahrenlage zur Tatbestandsverwirklichung voraus, vielmehr ist die Tatbestandsverwirklichung vollkommen unabhängig von einer im Einzelfall bestehenden Gefahr, sei es für eine Person oder eine Sache.221 Diese weisen lediglich einen Tätigkeits-, aber keinen Erfolgsort auf.222 § 9 I Var. 3 StGB hingegen setzt eine von der Handlung losgelöste Außenweltverände216  Vgl.

Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 5. §  284 Rn.  5; vgl. BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn.  5 f.; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 4, 5. 218  SSW-StGB/Rosenau, § 284 Rn. 2; Sch/Sch/Heine/Hecker § 284 Rn. 5; SKStGB/Hoyer, § 284 Rn. 4; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 8; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 5; LK/Krehl, Vor § 284 Rn. 11. 219  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 5; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 5 f. 220  BGBl. I 1969, S. 717 ff.; BGBl. I 1983, S. 909. 221  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1875); Satzger, NStZ 1998, 112 (114); Roxin, AT I, § 10 Rn. 124; Sch/Sch/Heine/Bosch, Vorb. 306 ff. Rn. 4; Gallas in: FS Ernst Heinitz, S. 171 (180); Schröder, ZStW 81 (1969), 7 (14 f.). 222  Cornils, JZ 1999, 394 (395); Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1875); Barton/ Gercke/Janssen, wistra 2004, 321 (322 f.). 217  Sch/Sch/Heine/Hecker,

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rung voraus in Form einer konkreten Gefährdung oder sogar einer Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes.223 Dies ist bei abstrakten Gefährdungsdelikten aber gerade nicht der Fall.224 Die Gefahr von Schäden ist bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht Tatbestandsmerkmal, sondern lediglich das gesetzgeberische Motiv hinter der Strafandrohung.225 Aus dieser Tatsache ergibt sich auch, dass die Verwirklichung der Gefahr nicht den „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB darstellen kann. Denn entwickelt sich die tatbestandsbegründende abstrakte Gefahr anschließend in eine konkrete Gefahr, so ist dies kein Erfolg, der einen Tatort begründen kann.226 Im Gegensatz zu § 3 III aF StGB227 fordert der nun bestehende § 9 StGB in Abweichung nicht nur einen Erfolg, sondern dieser muss auch zum Tatbestand gehören, was aber hierbei nicht der Fall wäre.228 Nach dieser restriktiven Ansicht vermag es § 9 I Var. 3 StGB bei § 284 I StGB nicht eine Anwendbarkeit deutschen Strafrecht zu begründen. cc) „Erfolg“ des abstrakten Gefährdungsdeliktes i. S. d. § 9 I Var. 3 StGB Ebenso wird aber auch der Begriff des Erfolges im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB weiter als im Rahmen der allgemeinen Tatbestandslehre vertreten, was eine Einbeziehung der abstrakten Gefährdungsdelikte in § 9 I Var. 3 223  Cornils, JZ 1999, 394 (395); Klengel/Heckler, CR 2001, 243 (248 f.); Leupold/ Bachmann/Pelz, MMR 2000, 648 (653); Pelz, ZUM 1998, 530 (531); Ringel, CR 1997, 302; Satzger, NStZ 1998, 112 (114 f.); Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 127; vgl. Dombrowski, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung im Internet, S.  75 ff. 224  Cornils, JZ 1999, 394 (395); Klengel/Heckler, CR 2001, 243 (248 f.); Leupold/ Bachmann/Pelz, MMR 2000, 648 (653); Pelz, ZUM 1998, 530 (531); Ringel, CR 1997, 302; Satzger, NStZ 1998, 112 (114 f.); Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 127; Dombrowski, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung im Internet, S.  75 ff. 225  Vgl. BGHSt 26, 121 (123); 43, 8 (12); Fischer, Vor § 13 Rn. 19. 226  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1875); OLG Saarbrücken NJW 1975, 506 (507); Sch/Sch/Eser, § 9 Rn. 6; Von der Horst, ZUM 1993, 227 (228); Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; Fischer, Vor § 13, Rn. 19. 227  Dieser lautete zuvor seit dem 06.05.1940 (RGBl. 1940 I, S. 754): „(3) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte“. Die Änderung in die nun geltende die Fassung erfolgte durch das 2. StrRG vom 07.04.1969 (BGBl. 1969, S. 717), in Kraft getreten am 01.01.1975 (BGBl. 1973 I, S. 909); siehe hierzu auch die Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. V/4095, S. 7, die wiederum auf BT-Drs. IV/650, S. 113 verweist. 228  Vgl. Heinrich, GA. 1999, 73 (76) m. w. N.



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StGB zur Folge hat. Diesbezüglich unterscheiden sich die Meinungen in ihren Silhouetten, die nachfolgend kurz dargestellt werden sollen. Grundsätzlich besteht Einigkeit im Rahmen der einzelnen Ausgestaltungen hinsichtlich des Begründungsansatzes. Erfolgsort sei der „gesamte Gefahrenkreis um die Gefahrenquelle“.229 Dies ergäbe sich bereits daraus, dass nicht ersichtlich sei, wieso von der zuvor herrschenden Meinung, dass auch der Ort des Umschlagens der abstrakten in die konkrete Gefahr ein zum Tat­ bestand gehörender Erfolg ist, nach der Änderung des § 3 III a. F. StGB abgewichen werden sollte.230 Die Beschränkung des Normtextes durch den 2. StrRG eingefügten Passus „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ hatte nach der mit der Reform beauftragen Großen Strafrechtskommission nur Klarstellungsfunktion dahingehend „daß der Eintritt des Erfolges in eine(r) enge(n) Beziehung zum Straftatbestand“ steht.231 Ebenso war vom Gesetzgeber keinerlei Einschränkung der bis dahin geltenden herrschenden Meinung232 gewünscht, dass der Erfolgsort dort liegt, wo die abstrakte in die konkrete Gefahr umschlägt. Dies ergäbe sich bereits aus der Begründung des Gesetz­ gebers, in der es heißt: „Absatz 1 verdeutlicht das geltende Recht lediglich in der Fassung“.233 Dass auch abstrakte Gefährdungsdelikte über einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ verfügen, ergibt sich bereits aus einem arg. e. § 13 StGB. Nach dem Wortlaut des § 13 I StGB ist für eine Unterlassungstäterschaft nötig, dass es der Täter „unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand […] gehört“. Im Rahmen des § 13 I StGB wird aber durchaus anerkannt, dass auch ein abstraktes Gefährdungsdelikt durch Unterlassen verwirklicht werden kann.234 Gleiches gilt auch für die Norm des § 8 OWiG.235 Es wäre daher widersprüchlich, im Rahmen des § 13 I StGB ein Unterlassen einer Abwendung eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges anzunehmen, 229  Martin,

ZRP 1992, 19 (20). GA 1999, 72 (79); ebenso Martin, ZRP 1992, 19; LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 33; Gercke, Rechtswidrige Inhalte im Internet, S. 22 f.; Sieber, Gutachten C, C 76. 231  Sieber, NJW 1999, 2065 (2069) unter Verweis auf Kielwein, in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission IV, AT, 38.–52. Sitzung, 1958, S. 20. 232  Siehe hierzu Heinrich, GA 1999, 72 (77) m. w. N. 233  Siehe diesbezüglich die Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. V/4095, S. 7, die wiederum auf BT-Drs. IV/650, S. 113 verweist. 234  Lackner/Kühl/Heger, § 13 Rn. 6; Satzger, NStZ 1998, 112 (117); Sch/Sch/ Bosch, § 13 Rn. 3; Heinrich, GA 1999, 72 (77); BeckOK-StGB/Heuchemer, § 13 Rn. 4; hierauf auch abstellend Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 55 ff. 235  Hecker, ZStW (115) 2003, 880 (887). 230  Heinrich,

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gleichzeitig aber im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB eine Einschlägigkeit mangels Erfolges zu verneinen.236 Vielmehr müsste man, wenn man im Rahmen des § 13 StGB einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ annimmt, diesen auch im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB annehmen.237 Ebenso zeigt ein Vergleich mit den konkreten Gefährdungsdelikten dieses Ergebnis. Es bedarf nicht zwingend einer Veränderung der Außenwelt, um einen „Erfolg“ zu begründen. Grundsätzlich sanktioniert der Gesetzgeber in Verletzungsdelikten238 die tatsächliche Rechtsgutsverletzung, die sich regelmäßig in einer Außenweltsveränderung zeigt. Sieht sich der Gesetzgeber aber bereits dazu veranlasst, nicht nur die Verletzung als solche zu sanktionieren, sondern verlagert dieser den strafrechtlichen Schutz insoweit vor, dass er bereits ein bestimmtes Verhalten und die damit einhergehende konkrete oder abstrakte Gefährlichkeit als strafwürdig erachtet, so bestehe kein Bedürfnis den Begriff des „zum Tatbestand gehörenden Erfolges“ auf Fälle zu beschränken, in denen eine Außenweltsveränderung vorliegt, da diese eben gerade nicht vom Tatbestand gefordert wird.239 Dies zeigt sich auch bei einem Vergleich mit konkreten Gefährdungsdelikten bei denen in der konkreten Gefährdung ein „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ überwiegend angenommen wird.240 Auch bei diesen ist keine Außenweltsveränderung dringend notwendig, vielmehr reicht zu deren Verwirklichung aus, dass sich die Intensität einer Gefahr insoweit verdichtet hat, dass die Möglichkeit eines Verletzungserfolges wesentlich wahrscheinlicher ist.241 So besteht auch der strafrechtliche Unterschied im Rahmen einer Fahrt im alkoholbedingten Zustand der Fahruntüchtigkeit zwischen § 316 I StGB und § 315c I Nr. 1 a) StGB allein in der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, im Hinblick auf die Frage, ob ein „Beinaheunfall“ passiert ist, oder nicht.242 Der Eintritt eines Schadens hingegen ist gerade nicht Voraussetzungen des konkreten Gefährdungsdeliktes. Der Unterschied zwischen abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt ist 236  Martin,

ZRP 1992, 19; Heinrich, GA 1999, 72 (78). GA 1999, 72 (78); ähnlich Hecker, ZStW (115) 2003, 880 (887). 238  Heinrich, GA 1999, 72 (73 Fn. 6) definiert diese als Delikte, bei denen der zum Tatbestand gehörende Erfolg gerade in der Verletzung, also Schädigung, des jeweiligen Rechtsguts besteht. 239  Heinrich, GA 1999, 72 (78). 240  BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 10; Sch/Sch/Eser/Weißer § 9 Rn. 6a; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 10; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; MüKo-StGB/ Ambos, § 9 Rn. 19. 241  Heinrich, GA 1999, 72 (78) Martin, ZRP 1992, 19 (20) spricht vom geschafften Risiko. 242  Vgl. statt vieler MüKo-StGB/Pegel, § 315c Rn. 98. 237  Heinrich,



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allein die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Es sei daher nicht ersichtlich, wieso für abstrakte Gefährdungsdelikte etwas anderes als für konkrete gelten sollte. Vielmehr ist der „zum Tatbestand gehörende Erfolg in der Wirkung des Verhaltens zu sehen, das der Gesetzgeber im Rahmen des Delikts unter Strafe stellte.243 Die Wirkung des Verhaltens, also die abstrakte Gefährdung als solche, stellt den gem. § 9 I Var. 3 StGB zu Tatbestand gehörenden Erfolg dar.244 Dies entspräche auch der in § 9 I StGB verankerten Trennung zwischen Handlung und Erfolg, da die abstrakte Gefährdung nicht zwingend Folge der Handlung ist, sondern auch trotz Handlung ausbleiben kann.245 Dies zeigt ein Blick auf § 306a I Nr. 1 StGB und dessen vorgenommene teleologische Reduktion im Falle, dass sich der Täter durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert hat, dass die durch das Gesetz verbotene Gefährdung mit Sicherheit nicht eintreten könne.246 Bei § 306a I Nr. 1 StGB handelt es sich nach fast allgemeiner Meinung um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.247 Die Reduktion im Rahmen dieses abstrakten Gefährdungsdeliktes zeigt, dass im Rahmen von abstrakten Gefährdungsdelikten neben die Tathandlung eine zu trennende Risikoschaffung tritt.248 Denn nur dann sei überhaupt eine teleologische Reduktion möglich, da nur etwas überhaupt reduziert werden kann, was ein Tatmerkmal ist.249 In diesem Fall liegt eine tatbestandliche Handlung ohne (abstrakten Gefährdungs)Erfolg vor.250 Das strafbare Unrecht liege demnach nicht nur in der formellen Erfüllung des Tatbestandes.251 Im Umkehrschluss ist daher die abstrakte Gefahr als solche der zum Tatbestand gehörende Erfolg des § 9 I Var. 3 StGB. Hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen ergeben sich dann jedoch Unterschiede. (1) Ort, an dem abstrakte Gefahr besteht, als Erfolgsort Sehr weitgehend ist die Meinung, dass bereits die Schaffung der abstrakten Gefahr und die damit einhergehende mögliche Realisierung der Gefahr 243  Heinrich,

GA 1999, 72 (79). GA 1999, 72 (79); Martin, ZRP 1992, 19 (20). 245  Heinrich, GA 1999, 72 (79). 246  So BGH NJW 1982, 2329; vgl. hinsichtlich der Thematik der teleologischen Reduktion statt vieler Sch/Sch/Heine/Bosch, § 306a Rn. 2. 247  MüKo-StGB/Radtke, § 306a Rn. 3; NK-StGB/Kargl, § 306 Rn. 2; Lackner/ Kühl/Heger, § 306a Rn. 1; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 306a Rn. 6. 248  Heinrich, GA 1999, 72 (79). 249  Vgl. Heinrich, GA 1999, 72 (79). 250  Heinrich, GA 1999, 72 (79). 251  Hecker, ZStW (115) 2003, 880 (887). 244  Heinrich,

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ gem. § 9 I Var. 3 StGB darstellt. Entscheidend ist, wo sich die Gefahr realisieren könnte, ohne dass es auf eine tatsächliche Realisierung dieser ankommt.252 Der „zum Tatbestand gehörende Erfolg“ des abstrakten Gefährdungsdeliktes ist daher die Schaffung des von der Tathandlung zu trennenden Risikos, das wiederum überall dort ist, wo sich die Handlung auswirken kann.253 Befindet sich die Gefahrenquelle zwar im Ausland, befindet sich die von der Gefahrenquelle ausgehende Gefahrenzone aber im Inland, so begründet dies eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. § 9 I Var. 3 StGB.254 Erfolgsort des abstrakten Gefährdungsdelikts ist jeder Ort, an dem die abstrakt gefährliche Handlung konkret fremde Rechtsgüter gefährden könnte.255 Übertragen auf Online-Glücksspiel führt dies zu folgender Konsequenz: Der Ort der abstrakten Gefährdung und damit der Ort des tatbestandsmäßigen Erfolges gem. § 9 I Var. 3 StGB läge an jedem Ort, an dem eine Spielbeteiligungsmöglichkeit hinsichtlich des Online-Glücksspiel bestünde, da sich dort die abstrakte Gefahr realisieren könnte.256 Im Ergebnis hätte dies zur Folge, dass alle Online-Glücksspielanbieter, deren Angebot auch in Deutschland abrufbar und nutzbar ist, deutschem Strafrecht unterlägen, was de facto fast alle Online-Glücksspielanbieter weltweit einschließen würde.257

252  So Heinrich, GA 1999, 72 (79); Martin, ZRP 1992, 19 (19 f.); Hecker, ZStW (115) 2003, 880 (886 f.); Lehle, Der Erfolgsbegriff, S. 101 ff., 134; Mintas, Glücksspiele im Internet, S. 154 f.; Jofer, Strafverfolgung im Internet, S. 119. 253  Heinrich, GA 1999, 72 (81 f.). 254  So ausdrücklich Martin, ZRP 1992, 19 (21); so i. E. auch Stögmüller, K&R 2002, 27 (32), der einen Erfolg des „Veranstaltens“ im Inland sieht und auch Voßkuhle, VerwArch (87) 1996, 395 (430), der in der Einsatzvornahme im Inland einen Erfolg sieht. 255  Hombrecher, JA 2010, 637 (640); Rengier, AT, § 6 Rn. 17. 256  So auch schlussfolgernd Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 57 f.; so offensichtlich vertreten von BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 25, der nur fordert, dass die „die Beteiligung im Inland möglich ist“. 257  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 87; Mintas, Glücksspiele im Internet, S. 155; Bertrand, Aktuelle Betrachtung des Glücksspielstrafrechts, S. 290; a. A. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 130, der einen Erfolgsort in Deutschland für die Aktivitäten annimmt, die sich „auf ein in Deutschland spielbares virtuelles Glücksspiel beziehen“; dies ist aber dahingegen abzulehnen, da nach der Meinung bereits die Möglichkeit der Verwirklichung der abstrakten Gefahr einen Erfolgsort begründet. Ob der Anbieter sein Angebot auf Deutschland bezieht ist zweitrangig und erst auf Ebene einer objektiven Einschränkung zu diskutieren, da sich die Gefahr auch dann realisieren kann, wenn kein bewusster Bezug seitens des Anbieters besteht, aber die Spielteilnahme dennoch möglich ist, siehe auch Dietlein/Woesler, K & R 2003, 458 (462) und auch folgerichtig Sieber, NJW 1995, 2065 (2067); ob der Anbieter Kenntnis von der Spielteilnah-



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Da dieses Ergebnis aber von vielen als völkerrechtlich und praktisch problematisch gesehen wird, bemühen sich auch viele der Vertreter um eine Einschränkung des weiten Geltungsbereiches deutschen Strafrechts. Zum einen erfolgt eine Einschränkung in subjektiver Hinsicht. Diesbezüglich wird verlangt, dass der Täter auch „wirklich über das Internet in Deutschland wirken will“, sein Vorsatz muss sich gerade also auch auf Deutschland beziehen.258 Diesbezüglich wird von manchen Literaturmeinungen ein „finale[s] Interesse“ des Täters gefordert, was sich wiederum in einem direkten Vorsatz des Täters wiederspiegeln müsse.259 Von anderen hingegen wird ein billigendes in Kauf nehmen für ausreichend erachtet.260 Übertragen auf Online-Glücksspielangebote ergibt sich die Beschränkung dahingehend, dass nur dann eine Strafbarkeit des Anbieters anzunehmen ist, wenn der Anbieter gerade (auch) darauf abzielt deutsche Staatsangehörige als Kunden zu gewinnen. Im Ergebnis führt diese „Beschränkung“ aber im Rahmen des Online-Glücksspiels zu keinem befriedigenden Ergebnis. Der Anbieter hat grundsätzlich die Absicht mit seinem Spielangebot so viele Menschen per Internet, wie möglich zu erreichen.261 Das Angebot dient grundsätzlich der Gewinnerzielung, dieser wird durch die Teilnehmerzahl potenziert. Eine Erreichung alle Spieler weltweit entspricht daher grundsätzlich auch dem Interesse des Anbieters, weshalb dieser auch ebenso die Absicht hat, Spieler in Deutschland zu erreichen.262 Etwas Anderes gilt nur, wenn der Anbieter bewusst Spieler aus Deutschland ausschließt263. Zum anderen erfolgt auch eine Einschränkung anhand objektiver Kriterien. Diesbezüglich wird ein spezifischer territorialer Bezug der Tat zur Bundesrepublik Deutschland gefordert.264 Dieser objektiv erkennbare Anknüpfungsmemöglichkeit von Ausländern hatte, ist wenn dann eine Frage des Vorsatzes, falls man §§ 3 ff. StGB als objektives Tatbestandsmerkmal sieht. 258  Collardin, CR 1995, 618 (621); Conradi/Schlömer, NStZ 1996, 366 (369); vgl. Derksen, NJW 1997, 1878 (1880); Engel, AfP 1996, 220 (226); Hinterseh, JurPC 1996, 460 (463); Stögmüller, K&R 2002, 27 (32); Spindler, MMR 2000, 278 (280). 259  Collardin, CR 1995, 618 (621); Conradi/Schlömer, NStZ 1996, 366 (369). 260  Siehe Heinrich, GA 1999, 72 (81 f.) m. w. N. 261  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 132; Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 67; a.A Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 165, die auf ein gezieltes Gewinnen von deutschen Staatsangehörigen als Kunden abstellt, wobei diese als Indiz einen direkter Versand von Info- und Werbematerial an deutsche E-Mailadressen, die Sprache der E-Mails und den Gegenstand einer Oddset-Wette als Indizien heranziehen möchte. 262  Ebenso Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 67. 263  Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 67. 264  So z. B. Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 35; Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, 599 (601); Spindler, MMR 2000, 278 (280); Schulte, KJ 2001, 341 (342); Gercke/

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punkt im Sinne der genannten spezifischen territorialen Spezifizierung kann wiederum in verschiedenen Punkten liegen. Zum einen wird ein derartiger Anknüpfungspunkt anhand des Kriteriums der deutschen Sprache265 vorgenommen, als auch am Kriterium, dass sich das Angebot speziell auf deutsche Sachverhalte266 oder Personen bezieht bzw. das aus anderen Gründen besondere Anknüpfungspunkte an Deutschland gegeben sind, die hinsichtlich anderer Länder nicht vorliegen.267 Auch die bloße Möglichkeit des Anklickens einer deutschen Fahne solle genügen.268 Hierbei werden z. B. die Verwendung einer deutschen .de Top-Level-Domain269 oder das Angeben einer deutschen Bankverbindung270 genannt. Ebenso können derartige Anknüpfungspunkte sein, dass die angebotenen Spiele einen besonderen Bezug zu Deutschland haben – z. B. bei Sportwetten –, dass diese Glücksspiele in Deutschland speziell beworben werden oder auch, ob das Spielangebot hauptsächlich von Deutschen wahrgenommen wird.271 Ferner werden ein fester Wohnsitz in Deutschland oder die Intention in Deutschland zu wirken, genannt.272 Ebenso wird als Anknüpfungspunkt eine Anlehnung an den § 7 StGB vorgeschlagen, mit der Folge, dass nur dann eine Inlandstat vorliegt, „wenn sich die Tat gegen einen Deutschen richtet (arg. e § 7 Abs. 1 StGB), der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war bzw. es nach der Tat geworden ist (arg. e § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder der Täter zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wird (arg. e. § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB).“273 Darüber hinaus wird das in § 7 StGB verankerte „Prinzip der identischen Norm“ analog herangezogen und daher eine Anwendung deutschen Strafrechts dann ausgeschlossen, „wenn am Ort der Handlung keine Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, Rn. 401; Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1876 f.) in Bezug auf Erfolgsdelikte, da eine Anwendung des § 9 I Var. 3 StGB auf abstrakte Gefährdungsdelikte seiner Meinung nach ausscheidet. 265  Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, 599 (601). 266  Postel, WRP 2006, 703 (706). 267  Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1876 f.); als derartige objektive Anknüpfungspunkte sind die in Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 165, ausgezählten Indizien hinsichtlich eines direkten Versandes von Info- und Werbematerial an deutsche E-Mailadressen, die Sprache der E-Mails und den Gegenstand einer Oddset-Wette möglich. 268  Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306). 269  Vgl. Fischer, Das Recht der Glücksspiele, S. 56 m.  w. N.; Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306); Postel, WRP 2006, 703 (706). 270  Vgl. Fischer, Das Recht der Glücksspiele, S. 56 m. w. N.; Postel, WRP 2006, 703 (706). 271  Vgl. Dietlein/Woesler, K&R 2003, 458 (462); Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306); Stögmüller, K&R 2002, 27 (32). 272  Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (670). 273  Breuer, MMR 1998, 141 (144).



B. Angebote mit Auslandsbezug85

korrespondierende Norm existiert, die entsprechend dem deutschem Straftatbestand bei uneingeschränkter Anwendung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB das strafbare Verhalten erfaßt. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß eine Tat, die am Ort der Handlung straffrei ist, nicht nach § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB vom deutschen Strafrecht erfaßt wird, auch wenn der Erfolg der Handlung hier eingetreten ist.“274 Ebenso werden auch oben genannte objektive und subjektive Kriterien miteinander kombiniert.275 Darüber hinaus erfolgt die Bestimmung des Vorsatzes im Rahmen der subjektiven Einschränkung meist anhand der oben genannten objektiven Kriterien. Auf diese wird als Indizien zurückgegriffen, weshalb die jeweiligen Theorien auch meist zu den gleichen Ergebnissen kommen.276 (2) Umschlagen der abstrakten Gefahr in die konkrete Gefahr als Erfolg Des Weiteren wird der „zum Tatbestand gehörende Erfolg“ im Falle eines Umschlagens der abstrakten in die konkrete Gefahr gesehen. Auch die konkrete Gefahr ist zum Tatbestand gehörend, da die Gefahr der Schädigung als solche gerade der Grund für die Schaffung des Tatbestands war. Diese ist daher dem abstrakten Gefährdungsdelikt immanent und darf bei der Beurteilung des „Erfolgsortes“ nicht außer Acht bleiben.277 Auch wäre die Konsequenz nicht nachvollziehbar: Der Gesetzgeber würde durch die gesetzestechnische Vorverlagerung der Strafbarkeit und der damit bezweckten Erhöhung des Rechtsgüterschutzes im Ergebnis zu einer „Schwächung“ dieses Rechtsgüterschutzes kommen, da er hierdurch den Anwendungsbereich gem. §§ 3, 9 StGB einschränken würde.278 Dem kann man aber unter Umständen entgegen halten, dass dann der Gesetzgeber auch den Erfolgseintritt als solches gesondert hätte sanktionieren können. Vom Sinn und Zweck ist aber hiergegen einzuwenden, dass der Gesetzgeber bereits von Beginn an die zu einer Rechtsgutsverletzung möglicherweise führenden Begebenheiten so früh wie möglich unterbinden wollte; er wollte also erst recht den Schadenseintritt als solches verhindern. Der Eintritt einer Schädigung oder eine konkrete Gefährdung ist immer zwingend die Folge einer zuvor dort befindlichen abstrakten 274  Kienle,

Internationales Strafrecht und Straftaten im Internet, S. 173. z. B. Lehle, Der Erfolgsbegriff im Internet, S. 171, 174 ff. im Rahmen eines eigenen Ansatzes.; Jeßberger, JR 2001, 432 (435). 276  Ebenso Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 88. 277  Heinrich, GA 1999, 72 (81). 278  Heinrich, GA 1999, 72 (81); LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 34; Beisel/Heinrich, JR 1996, 95 (96); Hecker, ZStW (115) 2003, 880 (888). 275  So

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Gefahr279; die abstrakte Gefahr ist das zwingende Durchgangsstadium zur konkreten Gefahr bzw. zum Schadenseintritt. Die ratio legis erfordert es daher, den Erfolgsbegriff im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB unabhängig von der allgemeinen Tatbestandslehre auszulegen.280 Dies hat zur Folge, dass im Zeitpunkt des Umschlagens von abstrakter zu konkreter Gefahr ein Erfolgsort begründet wird. Konkret bezogen auf § 284 I StGB hat dies zur Folge, dass ein Tatort nicht bereits mit der Schaffung der Spielbeteiligungsmöglichkeit als solche besteht (dadurch entsteht erst die abstrakte Gefahr), sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem ein Spieler in der Bundesrepublik tatsächlich die Spielbeteiligungsmöglichkeit wahrnimmt.281 (3) Ort eines stabilen Zwischenerfolgs Nach einer weiteren vertretenen Ansicht ist im Rahmen der abstrakten Gefährdungsdelikte eine durch die Handlung verursachte Veränderung der Außenwelt im Sinne eines „Zwischenerfolgs“ tatortbegründend, da dieser „Zwischenerfolg“ der durch § 9 I Var. 3 StGB geforderte Erfolg ist.282 Neben der bloßen Handlung als solche verfügen abstrakte Gefährdungsdelikte noch über ein weiteres tatbestandsmäßiges Ereignis.283 Dies zeigt sich auch an § 306 a I Nr. 1 StGB, bei dem der Ort des durch den Brand beschädigten oder zerstörten Objekts als Erfolgsort anzusehen ist, da sich dort die Wirkung des „Inbrandsetzens“ in einer stabilen Zwischenlage verwirklicht. Stattdessen begründet aber die zugleich meist mitgeschaffene Gefahr für an das brennende Haus angrenzenden Gebäude keinen Erfolgsort.284 (4) Tathandlungserfolg Eine Sonderrolle im Rahmen der Auslegung des § 9 I Var. 3 StGB nimmt die Ansicht Siebers ein.285 Hinsichtlich der zuvor vorgetragenen Theorien weißt dieser darauf hin, dass diese bereits aus dogmatischen Gründen abzulehnen seien, da es für abstrakte Gefährdungsdelikte charakteristisch sei, dass deren Tatbestand keinen „Erfolg“ im herkömmlichen Sinne aufweist.286 Viel279  Heinrich,

GA 1999, 72 (82). § 9 Rn. 34. 281  Vgl. diesbezüglich Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 143. 282  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 28; NK-StGB/ Böse, § 9 Rn. 10; SK/Hoyer, § 9 Rn. 7. 283  SK/Hoyer, § 9 Rn. 7. 284  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 28. 285  Sieber, NJW 1999, 2065. 286  Sieber, NJW 1999, 2065 (2068). 280  LK/Werle/Jeßberger,



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mehr verstehe dieser unter dem Begriff des Erfolgs in § 9 I Var. 3 StGB einen sog. „Tathandlungserfolg“.287 Dieser Tathandlungserfolg im Inland und damit eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach § 9 I Var. 3 StGB sei demnach gegeben, wenn der Täter zwar im Ausland handelt, sich aber die vom Tatbestand beschriebene Handlung im Inland realisiert.288 Diesbezüglich vollzieht Sieber hinsichtlich des Mediums Internet eine Einschränkung dahingehend, dass er zwischen sog. „Push-Technologien“, die sich dadurch auszeichnen, dass die Daten vom Ausland aktiv auf einen Computer in Deutschland übermittelt werden289, und „Pull-Technologien“, bei denen die Daten von Deutschland aus, aus dem Ausland „geholt“ werden, unterscheidet.290 Hinsichtlich der Anwendung von „Push-Technologien“ geht Sieber von einem Tathandlungserfolg und damit einen Erfolg im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB aus, wenn dieser „Push“ nach Deutschland erfolgt, z. B. durch das Versenden einer E-Mail an einen deutschen Nutzer. Hingegen ist der Tathandlungserfolg im Ausland gegeben, wenn eine „Pull-Technologie“ Anwendung findet. Eine derartige „Pull-Technologie“ ist nach Ansicht Siebers gegeben, wenn der jeweilige Inhalt „nur auf einem ausländischen InternetServer gespeichert und dann von einem selbständig handelnden Nutzer in Deutschland abgerufen“ wird.291 Zu beachten ist jedoch, dass sich die Ansicht Siebers speziell auf Verbreitungs- und Äußerungsdelikte im Internet bezieht und die Frage des „Zugänglichmachens“ von Inhalten.292 Hinsichtlich der Strafnorm des § 284 I StGB wird aber überwiegend ebenso die Möglichkeit der Übertragung dieser Gedanken bejaht.293 Diesbezüglich wird die Parallelität der Äußerungs- und Verbreitungsdelikte mit § 284 I StGB betont. § 284 I StGB setze wie auch andere abstrakte Gefährdungsdelikte in seiner Tatbestandsumschreibung eine Begehungsmodalität mit einen Wirkungseintritt voraus.294 Dies wird hinsichtlich der Tatvariante des „Veranstaltens“ gem. § 284 I Var. 1 StGB daraus gezogen, dass es sich bei der Tatvariante ebenso um ein „Zugänglichmachen“ 287  Sieber,

NJW 1999, 2065 (2068 f.). NJW 1999, 2065 (2068 f.). 289  Als Beispiel wurden hier E-Mail oder Mailinglisten genannt, Sieber, NJW 1999, 2065 (2071). 290  Sieber, NJW 1999, 2065 (2070). 291  Sieber, NJW 1999, 2065 (2071). 292  Vgl. hierzu die Ausführungen in Sieber, NJW 1999, 2065 (2070 f.). 293  Volk, Glücksspiel im Internet, S. 207 f.; Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 91; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 138; a.A Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 64 „Das Glücksspielstrafrecht hat eine andere Struktur“, jedoch ohne weitere Begründung; Falk, Über die Strafbarkeit von Online-Poker, S. 254. 294  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 138. 288  Sieber,

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von Webinhalten für Dritte handelt.295 Die Begehungsmodalität des Veranstaltens setzt das Bestehen einer Spielbeteiligungsmöglichkeit als Folge eines Handlungsvollzuges voraus, der sich z. B. durch den Hochladebefehl des Glücksspielangebots auf einen Server ergeben kann.296 Eine Spielteilnahme hingegen ist gerade nicht Voraussetzung der Tatbestandsvariante.297 Auf das Online-Glücksspiel übertragen erfolgt die Ermöglichung der Spielteilnahme und damit das Veranstalten grundsätzlich nur via der genannten „Pull-Technologien“. Die Glücksspielanbieter laden zumeist vom Ausland ihr Angebot auf Server hoch, eine direkte Kontaktierung hinsichtlich der Eröffnung der Spielteilnahme der User findet aber gerade nicht statt. Vielmehr rufen diese den hochgeladenen Inhalt von sich aus auf, handeln also gerade selbstständig.298 Nach dieser Ansicht ist daher nur dann ein Erfolgsort in Deutschland im Rahmen eines Tathandlungserfolges gegeben, wenn der jeweilige Server, auf dem der Glücksspielinhalt geladen wird und wodurch die Spielbeteiligungsmöglichkeit geschaffen wird, sich in Deutschland befindet. Denn die Eröffnung der Spielbeteiligungsmöglichkeit stellt den von Sieber geforderten „Tathandlungserfolg“ und demnach den nach § 9 I Var. 3 StGB nötigen Erfolg dar. Ein Abstellen auf die Frage, ob in Deutschland eine Spielbeteiligungsmöglichkeit besteht299, was aufgrund der weltweiten Abrufmöglichkeit von Onlineinhalten bei Online-Glücksspielen immer zu bejahen wäre, ist hingegen abzulehnen. Hierbei wird verkannt, dass es sich bei einem „Veranstalten“ um die Schaffung der Spielbeteiligungsmöglichkeit handelt.300 Diese Schaffung als solche stellt den Tathandlungserfolg im Sinne von Sieber dar, ansonsten wäre eine Unterscheidung zwischen „Push-“ und „PullTechnologie“ in dessen Fallbeispielen überflüssig, da auch ein Verbreiten von Schriften im Internet die Abrufmöglichkeit voraussetzt, nicht aber den Abruf selbst.301. Bezogen auf Online-Glücksspiel erfolgt diese Schaffung der 295  Vgl. Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 91. 296  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 138. 297  Fischer, § 284 Rn. 18; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 15; Lackner/Kühl/ Heger, § 284 Rn. 11; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 18. 298  Vgl. Sieber, NJW 1999, 2065 (2070 f.). 299  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 139; dann aber einschränkend auf S. 141. 300  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 23; BGH NJW 1958, 758 (759); vgl. Lackner/Kühl/Heger, § 284 Rn. 11, der ebenso die Eröffnung einer Spielgelegenheit und die Ermöglichung der Spielaufnahme fordert; Fischer, § 284 Rn. 18; LK/Krehl, § 284 Rn. 18; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 17; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 15. 301  So ausdrücklich Sieber, NJW 1999, 2065 (2071) „Es liegt nach h. M. auch dann vor, wenn der Adressat (auch ohne Verfügung über ein verkörpertes Exemplar der Schrift) die Möglichkeit hat, sich vom Inhalt der Schrift Kenntnis zu verschaffen“.



B. Angebote mit Auslandsbezug89

Beteiligungsmöglichkeit bereits mit dem Hochladen des Online-Glücksspiel­ angebots auf den jeweiligen Server, wenn dadurch das Angebot im Internet abrufbar und spielbar wird.302 Diese Schaffung erfolgt demnach nicht überall, sondern mit dem physikalischen Vorgang auf dem jeweiligen Server, indem digital die Inhalte auf diesen übertragen werden. Die darauffolgende Abrufmöglichkeit hingegen ist bereits Folge des „Tathandlungserfolgs“ der Schaffung der Beteiligungsmöglichkeit und nicht dieser selbst. Maßgebliches Kriterium ist demnach der Belegenheitsort des Servers.303 (5) Handlungsort liegt am „virtuellen Firmensitz“ Ferner richtet sich Mintas bei der Frage nach dem maßgeblichen Handlungsort nach einer Konstruktion des „virtuellen Auslands“. Nach deren Ansicht bestimmt sich der Handlungsort des Täters bei Taten über das Internet nach dem „virtuellen Firmensitz“ des Täters. Die Handlung läge demnach dort vor, wo der Täter, der aus gewerblichen Gründen Internetseiten ins Netz stellt, seinen „virtuellen Geschäftsbereich“ hat. Dies sei bei einem Glücksspielanbieter der Ort der steuerlichen Anmeldung, der sich wiederum aus dem Impressum des jeweiligen Anbieters ergäbe. Dass dies dazu führen könnte, dass sich Glücksspielveranstalter bewusst im Ausland niederlassen, um sich dem deutschen Strafrecht zu entziehen, sieht Mintas als zwar unerwünschtes, aber nicht zu vermeidendes Ergebnis. Jedoch korrespondiert nach Ansicht Mintas der Erfolgsort mit dem Handlungsort. Aufgrund einer von ihm vorgenommen Parallelwertung zwischen Offline- und Onlinesachverhalt handelt ein Glücksspielteilnehmer nur in diesem virtuellen Ausland, ein Erfolgseintritt hinsichtlich des durch § 284 StGB sanktionierten unerlaubten Glücksspiel sei daher auch nur im (virtuellen) Ausland gegeben, weshalb kein Erfolgsort im Inland begründet sei. (6) Ansicht des BGH Auch die Ansicht des Bundesgerichtshofes zu abstrakten Gefährdungs­ delikten befand sich immer wieder im Wandel und befeuerte daher auch die Verschiedenheit der einzeln vertretenen Meinungen.

302  So Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 49; Duesberg, JA 2008, 270 (272). 303  Ebenso Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 91.

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(a) Die Anfänge Ihren Anfang nahm die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu der Frage des Erfolgsortes bei abstrakten Gefährdungsdelikten im Jahr 1964. Diesbezüglich stellte sich hinsichtlich des damaligen § 3 III StGB a. F. die Frage, ob auch bei Delikten, die keinen Erfolg voraussetzten, ein Erfolgsort gegeben ist. Hierzu äußerte der Senat, dass „als Begehungsort (§ 3 III StGB) in der Regel nur der Ort in Betracht kommen [wird], an dem der Täter gehandelt hat“304, um hieran anschließend aber darauf hinzuweisen, dass es in dem ihm vorgelegten Fall keiner Entscheidung bedarf, weshalb er von einer abschließenden Prüfung dieser Frage absah.305 (b) Entscheidung zum Verjährungsbeginn Im Jahr 1989 wiederum traf der BGH eine Entscheidung hinsichtlich des Verjährungsbeginns beim Delikt der unbefugten Abfallablagerung gem. § 326 I StGB, bei dem es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelte.306 Bedeutung erlangte die Entscheidung, da gem. § 78a S. 2 StGB die Verjährung abweichend von S. 1 nicht mit der Beendigung der Tat beginnt, sondern erst später, wenn ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später eintritt. Umstrittene Thematik der Entscheidung war, ob ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wie es § 326 I StGB eines ist, über einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im Sinne des § 78a S. 2 StGB verfügt. Diesbezüglich verneinte der BGH eine Anwendung des § 78a S. 2 StGB mit der Begründung, dass „[b]ei diesen Delikten [also abstrakten Gefährdungsdelikte] […] mit der Begehung zugleich der Erfolg der Tat ein[tritt]“.307 Diese Entscheidung kann u. a. so verstanden werden, dass ein abstraktes Gefährdungsdelikt einen Erfolg besitzt, dieser aber im Rahmen des § 78a S. 2. StGB ohne Belang war, da der Erfolgseintritt zeitgleich mit der bloßen Begehung und damit nie nach der Beendigung der Tat eintritt. (c) Entscheidung zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit Ebenso Beachtung verdient eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1996.308 Zugrunde lag ein Fall, in dem ein dänischer Staatsangehöriger in den Niederlanden hohe Mengen an Alkohol konsumierte. In diesem stark 304  BGHSt

20, 45 (52). 20, 45 (52). 306  BGH NJW 1990, 194; siehe statt vieler MüKo-StGB/Alt, § 326 Rn. 5. 307  BGH NJW 1990, 194 (196). 308  BGH NJW 1997, 138. 305  BGHSt



B. Angebote mit Auslandsbezug91

alkoholisierten Zustand, der sowohl zu einer absoluten Fahruntüchtigkeit als auch zur Schuldunfähigkeit führte, überquerte dieser mit seinem PKW die deutsch-niederländische Grenze und verletzte auf der deutschen Seite der Grenze zwei Grenzbeamte tödlich. Im Grundsatz ging es um die Frage, ob im Rahmen des § 323a StGB hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts lediglich auf die Tathandlung des Sich-Berauschens gem. § 9 I Var. 1 StGB abzustellen ist, oder ob die Rauschtat als solche, die eine objektive Bedingung der Strafbarkeit des § 323a StGB darstellt309, ein Erfolg im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB ist. Bedeutung erlangt die Entscheidung daher, da der Vollrauschtatbestand überwiegend als abstraktes Gefährdungsdelikt gesehen wird.310 Hinsichtlich des Erfolgsbegriffs im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB stellt der BGH in seiner Entscheidung klar, dass auch am Ort der Rauschtat ein Erfolg im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB vorliegt.311 Beiläufig erwähnt diesbezüglich der BGH, dass „der (Gefährdungs-) Erfolg des § 323a StGB bereits mit dem Beginn des Rausches“ eintritt,312 was durchaus so verstanden werden könnte, als verfüge auch ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wie hier § 323a StGB, über einen Erfolg. Außerdem ging der erkennende Senat auf das Merkmal „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ ein und stellte hinsichtlich dessen Begriffsverständnisses fest, dass dieser Begriff „nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden“ kann.313 Vielmehr sei eine Interpretation des Merkmals nach dem Grundgedanken des § 9 StGB vorzunehmen, wonach „deutsches Strafrecht – auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland – Anwendung finden [soll], sofern es im Inland zu der Schädigung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist.“314 Ein tiefergehendes Eingehen auf die Frage des Erfolgsortes des abstrakten Gefährdungsdeliktes unterblieb aber seitens des BGH, vielmehr begründete er diesen über den Ort der Rauschtat.

309  MüKo-StGB/Geisler, § 323a Rn. 3; BeckOK-StGB/Dallmeyer § 323a Rn. 2; NK-StGB/Paeffgen, § 323a Rn. 7. 310  BeckOK-StGB/Dallmeyer §  323a Rn. 2; NK-StGB/Paeffgen, § 323a Rn. 7; MüKo-StGB/Geisler, § 323a Rn. 3. 311  BGH NJW 1997, 138 (140). 312  BGH NJW 1997, 138 (140). 313  BGH NJW 1997, 138 (140). 314  BGH NJW 1997, 138 (140).

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

(d) Fall Töben Besondere Bedeutung erlangte die Entscheidung des BGH im sog. Fall Töben315. Der dem Fall zugrundeliegende Sachverhalt war folgender: Ein australischer Staatsbürger hat von Australien aus auf einen australischen Server mehrfach Inhalte hochgeladen, in denen er bestritt, dass unter der Herrschaft des Nationalsozialismus eine Ermordung der Juden erfolgte, und stellte diese als Erfindung „jüdischer Kreise“ dar, die damit finanzielle Forderungen durchsetzen und Deutsche politisch diffamieren wollten.316 Insbesondere befasst sich das Urteil hinsichtlich einer Revision der Staatsanwaltschaft mit der Frage, ob auf diesen Internetsachverhalt das deutsche Strafrecht Anwendung findet.317 Diesbezüglich stellte der erkennende Senat zunächst fest, dass die vom Angeklagten getätigten Äußerungen im Internet den Straftatbestand der §§ 130 I Nr. 1, 2, 130 III StGB erfüllen. Auch bejahte dieser trotz der körperlichen Anwesenheit und des ausschließlich in Australien stattgefunden Sachverhalts eine Anwendung deutschen Strafrecht. „Seine Anwendbarkeit ergibt sich aus § 3 i. V. mit § 9 StGB. Denn hier liegt eine Inlandstat (§ 3 StGB) vor, weil der ‚zum Tatbestand gehörende Erfolg‘ in der Bundesrepublik eingetreten ist (§ 9 I Alt. 3 StGB).“318 Dies begründet der Senat damit, dass die Auslegung des Merkmals „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ anhand der ratio legis des § 9 StGB erfolgen müsse. Grundgedanke des § 9 StGB sei, dass „deutsches Strafrecht – auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland – Anwendung finden [soll], sofern es im Inland zu der Schädigung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist.“ Hieraus folgert der erkennende Senat, „dass das Merkmal ‚zum Tatbestand gehörender Erfolg‘ i. S. des § 9 StGB nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden kann.“319 Dies begründet er mit der gleichen Argumentation wie die Anhänger eines Erfolgs bei abstrakten Gefährdungsdelikten damit, dass sowohl im Rahmen der damaligen Gesetzesänderung keine Änderung des geltenden Rechts beabsichtigt war sowie dass auch im Rahmen des § 78a S. 2 StGB und des § 13 StGB zwar ein „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ gefordert wird, dieser aber auch im Rahmen von abstrakten Gefährdungsdelikten anerkannt wird.320

315  BGH 316  BGH 317  BGH 318  BGH 319  BGH 320  BGH

NJW NJW NJW NJW NJW NJW

2001, 2001, 2001, 2001, 2001, 2001,

624. 624. 624 (625). 624 (627). 624 (627). 624 (627 f.).



B. Angebote mit Auslandsbezug93

Nichtdestotrotz erweckt der erkennende Senat eine besondere Deliktskategorie zum Leben, indem er nicht an der Unterscheidung zwischen konkretem und abstrakten Gefährdungsdelikt festhält, sondern er auch eine Deliktskategorie dazwischen sieht, das sog. „abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikt“.321 Dieses sei nach seiner Ansicht im vorliegenden Fall gegeben, da der Straftatbestand der §§ 130 I, III StGB eine Eignung zur Friedensstörung voraussetzt. Diese setzte zwar keine konkrete Gefahr als solche voraus, jedoch geht diese Eignung über die bloße abstrakte Gefahr hinsichtlich der Friedensstörung hinaus, es müsse vielmehr „eine konkludente Eignung zur Friedenstörung“ vorliegen, die auch vom Tatrichter konkret festzustellen sei.322 Die nach dieser Feststellung getroffenen Ausführungen behandeln dann nicht das abstrakte Gefährdungsdelikt als solches, sondern beziehen sich nur auf das sog. abstrakt-konkrete, wie der Senat mit der Aussage „abstraktkonkrete Gefährdungsdelikte stehen zwischen konkreten und rein abstrakten Gefährdungsdelikte“ und der damit erfolgende Klarstellung „[o]b bei rein abstrakten Gefährdungsdelikten ein Erfolgsort jedenfalls dann anzunehmen wäre, wenn die Gefahr sich realisiert hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden“ ausdrücklich herausarbeitet.323 Die Aussage dahingehend, dass die Entscheidung des BGH für alle abstrakten Gefährdungsdelikte insgesamt gilt324, ist daher verfehlt. Vielmehr ist eine Unterscheidung zwischen abstrakten und abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten im Rahmen des § 9 StGB vorzunehmen.325 Nur hinsichtlich genannter abstrakt-konkreter Gefährdungsdelikte hat der Senat im Urteil entschieden, dass „ein Erfolg i. S. des § 9 StGB dort eingetreten [ist], wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann.“326 Diese Ansicht wiederum schränkte der Senat dann mit den Erfordernis eines völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunktes ein, den er aber im vorliegenden Fall als gegeben ansah, „[d]enn die Tat betrifft ein gewichtiges inländisches Rechtsgut, das zudem objektiv einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufweist“.327

321  BGH

NJW 2001, 624 (626). NJW 2001, 624 (626). 323  BGH NJW 2001, 624 (627). 324  So z. B. Marberth-Kubicki, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 49, die in dem Urteil eine abschließende Entscheidung über eines der meistdiskutierten mate­ riell-rechtlichen Probleme aus dem Internet-Strafrecht sieht. 325  BGH NJW 2001, 624 (627). 326  BGH NJW 2001, 624 (627). 327  BGH NJW 2001, 624 (628). 322  BGH

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Hinsichtlich der in der Literatur vorgebrachten Meinungen, dass auch ein Handlungsort in Deutschland gegeben sei, wenn ein inländischer InternetNutzer die Seiten aufgerufen und die Dateien nach Deutschland heruntergeladen hat, äußerte der Senat Bedenken. Die Konstruktion eines dem Täter zurechenbaren Werkzeuges in Form der Rechner einschließlich der ProxyServer, der Datenleitungen und der Übertragungssoftware des Internets zur physikalischen „Beförderung“ der Dateien ins Inland sieht dieser bei einer Datenübertragung im Internet als eher fernliegend an.328 Die Entscheidung löste anschließend viel Zuspruch329, aber auch Ablehnung330 im Rahmen der Literatur aus. (e) Entscheidungen nach der Töben-Entscheidung Nach der Entscheidung im Fall Töben herrschte insgesamt weitestgehend Unsicherheit hinsichtlich der Einordnung von abstrakten Gefährdungsdelikten im Rahmen der Systematik des § 9 I Var. 3 StGB. So wurde zum einen eine Übertragbarkeit der Grundsätze der Entscheidung auch auf abstrakte Gefährdungsdelikte bejaht331, zum anderen aber auch verneint.332 Im Jahr 2013 sah sich wiederum der 2. Strafsenat des BGH dazu gezwungen, eine Entscheidung hinsichtlich eines abstrakten Gefährdungsdeliktes zu treffen.333 Zugrundeliegender Sachverhalt, auf den sich der Beschluss des 2. Strafsenats bezog, war eine durch den Angeklagten in Spanien vorgenommene Überweisung einer nicht unbeträchtlichen Geldsumme, bei dem es sich diesen hätte aufdrängen müssen, dass die Gelder aus einer rechtswidrigen Vortat i. S. des § 261 I StGB herrühren.334 Es stand diesbezüglich daher der 328  BGH

NJW 2001, 624 (628). MMR 2001, 232; Hörnle, NStZ 2001, 309; Vassilaki, CR 2001, 262. 330  Koch, GA 2002, 703 (707); Lagodny, JZ 2001, 1198; Jeßberger, JR 2001, 432. 331  Schwarzenegger, Sic! 2001, 240 (249); Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306). 332  Clauß, MMR 2001, 232; Klengel/Heckler, CR 2001, 243 (246 f.); Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, 321 (323); Streinz/Liesching/Hambach/Brenner/C. Hambach, §§ 3, 9 StGB Rn. 14. 333  BGH NStZ-RR 2013, 253. 334  Die Problematik im zugrundeliegenden Fall stellte sich daher, da nicht nachweisbar war, dass der Angeklagte auch Täter eines zuvor stattgefundenen PhishingAngriffs war. Wäre dies nachweisbar gewesen, so wäre der Angeklagte des Computerbetrugs gem. § 263a I StGB schuldig und der tatortbegründende Erfolgsort gem. § 9 I Var. 3 StGB wäre auch unproblematisch in Deutschland gewesen, da der Datenverarbeitungsvorgang, der zur Vermögensschädigung des Opfers geführt hat, in Deutschland stattgefunden hätte. Da aber nur die fragliche Überweisung nachweisbar war, kam allein eine Strafbarkeit gem. § 261 II Nr. 1 StGB in Betracht. 329  Clauß,



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Vorwurf einer Strafbarkeit gem. § 261 II Nr. 1 StGB im Raum, und maßgebliche Frage war, ob es sich um eine Inlandstat- oder um eine Auslandstat handelte. Der in § 261 II Nr. 1 StGB verankerte Isolierungstatbestand ist nach herrschender Meinung von seiner Deliktsnatur her ein abstraktes Gefährdungsdelikt.335 Unter Berücksichtigung dieser Deliktsnatur verneinte der Senat eine Inlandstat gem. §§ 3, 9 I Var. 3 StGB, denn der „§ 261 II Nr. 1 StGB weist als abstraktes Gefährdungsdelikt […] keinen inländischen Erfolgsort i. S. von § 9 I 2. Alt. StGB auf. […] Tatort ist daher alleine der Ort in Spanien, an dem der Besch. gehandelt hat (§ 9 I 1 Alt. StGB).“336 Auch wenn der BGH hierbei von der „2. Alt.“ spricht, so meinte er doch die 3. Var. des § 9 I StGB, da dieses sich auf den Erfolg bezieht. Eine Begründung für diese Ansicht findet sich aber nicht. Eine begründete Entscheidung hinsichtlich eines abstrakten337 Gefährdungsdeliktes, genauer in Hinsicht auf § 86a I Nr. 1 StGB, erfolgte darüber hinaus durch den 3. Strafsenat im Jahr 2014.338 Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte hatte von einem Computer in Tschechien aus auf dem Internet-Videoportal YouTube eine Plattform mit der Bezeichnung „Arische Musikfraktion“ gegründet. Auf diese lud er u. a. Abbildungen von Hakenkreuzen hoch. Während der Betriebsdauer von mindestens 3 Monaten, während der der Angekl. als Betreiber eine ständige Zugriffsmöglichkeit auf die Plattform hatte, wurden durch mindestens 2 Personen von Deutschland aus deren Inhalte abgerufen. Zu entscheidendes Problem im Rahmen der Entscheidung war, ob eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 I Var. 3 StGB gegeben ist, wenn der Täter im Ausland Inhalte auf einen Server lädt, die zwar in Deutschland abrufbar sind, aber bereits das Hochladen als solches zur Verwirklichung des abstrakten Gefährdungsdeliktes genügt. Diese Frage verneinte der erkennende Senat im Rahmen seiner Entscheidung.339 Hinsichtlich des abstrakten Gefährdungsdeliktes des § 86a StGB verneint der Senat einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, was in der Konsequenz dazu führte, dass keine Inlandstat über § 9 I Var. 3 StGB begründet werden 335  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 14; BeckOK-StGB/Ruhmansseder, § 261 Rn. 30; Fischer, § 261 Rn. 37. 336  BGH NStZ-RR 2013, 253. 337  Es handelte sich bei § 86a I Nr. 1 StGB gerade nicht um ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt wie im zuvor genannten Fall Töben; vgl. BVerfG NJW 2006, 3050 (3051); BGHSt 47, 354 (359); KG NJW 1999, 3500 (3502); Hecker JuS 2015, 274; BeckOK-StGB/Ellbogen, § 86a Rn. 1. 338  BGH NStZ 2015, 81. 339  BGH NStZ 2015, 81 (82).

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

könne.340 Selbst, wenn man den Begriff des Erfolgs im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB nicht im Sinne der allgemeinen Deliktslehre verstehe, weil man den Erfolgsort im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB normspezifisch am Schutzzweck der jeweiligen Strafvorschrift ausrichte, so sei „an dem Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete umgeschlagen ist oder gar nur umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten“.341 Der Senat sah vielmehr die Notwendigkeit einer „von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsverän­ derung“.342 Ferner erteilte der Senat dem Argument eine Absage, dass es in sich widersprüchlich sei, einerseits die Strafbarkeit mit dem Konstrukt des abstrakten Gefährdungsdeliktes vorzuverlegen, aber andererseits dadurch den Anwendungsbereich der §§ 3, 9 StGB einzuschränken. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs sei vielmehr bereits in Hinblick auf völkerrechtliche Fragen, die sich aus der Strafbarkeitsvorverlagerung ergeben, geboten.343 Ebenso greife die Ansicht nicht, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 3 III StGB a. F. keine Einschränkung der bis dahin herrschenden Auffassung zum Begehungsort bei abstrakten Gefährdungsdelikte habe erreichen wollen, da „dieser etwaige Gesetzgeberwille im diametralen Widerspruch zu der mit der Neufassung eingefügten Voraussetzung, dass der Erfolg zum Tatbestand der Strafnorm gehören muss“, stehe.344 Ebenso verneint der erkennende Senat einen Handlungsort im Inland i. S. des § 9 I Var. 1 StGB. Handlungsort bei aktivem Tun sei alleinig der Aufenthaltsort des Täters bei Ausführung der Handlung.345 Es sei daher weder auf den Ort abzustellen, wo „die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet“, noch auf den Standort des vom Täter ausgewählten Servers, denn der Radius der Wahrnehmbarkeit sei nicht Teil der Handlung selbst, sondern deren Wirkung.346 Ferner lehnt der erkennende Senat indirekt die „Theorie der langen Hand“ in Bezug auf Onlineinhalte ab, indem er ausführt, es sei „[e]benfalls eine Frage der Wirkung der tatbestandlichen Handlung […], wenn man in dem Abruf der vom Angekl. bereitgestellten Inhalte von Deutschland aus“ den 340  BGH

NStZ 2015, 81 (82). NStZ 2015, 81 (82). 342  BGH NStZ 2015, 81 (82). 343  Vgl. BGH NStZ 2015, 81 (82). 344  BGH NStZ 2015, 81 (82). 345  BGH NStZ 2015, 81 (82). 346  BGH NStZ 2015, 81 (82); hiermit widerspricht der erkennende Senat auch ausdrücklich der häufig in der Literatur herangezogenen Rechtsprechung des KG in KG NJW 1999, 3500. 341  BGH



B. Angebote mit Auslandsbezug97

Abschluss der Tathandlung sehen würde, „[d]enn anders als bei der Beförderung durch andere Personen fehlt es bei der rein technischen Übertragung im Internet an der Möglichkeit, Handeln Dritter und damit deren Handlungsort selbst dem Täter gemäß § 25 I Alt. 2 bzw. § 25 II StGB zuzurechnen.“347 Es fehle demnach bei der rein technischen Übertragung an der für die § 25 I Alt. 2 bzw. § 25 II StGB nötigen zweiten menschlichen Person. Der erkennende Senat stellt zuletzt ausdrücklich klar, dass er die durch seine Entscheidung bestehende Rechtsunsicherheit erkennt, die dadurch entsteht, dass zukünftige Täter bewusst die Grenze überqueren könnten, um der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts bei der Veröffentlichung von Online-Inhalten zu entgehen, es sei „jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, diese Strafbarkeitslücke zu schließen, falls er dies für erforderlich erachtet“348 Diese Auffassung wurde dann auch in den darauffolgenden Entscheidungen des BGH des Öfteren bestätigt. Im Rahmen eines Beschlusses im Jahr 2018 verneinte der 2. Strafsenat (erneut) einen inländischen Erfolgsort bei einem im Ausland getätigten abstrakten Gefährdungsdelikt (in diesem Fall der Geldwäsche in der Variante des Isolierungstatbestandes gem. § 261 II StGB).349 Im Jahr 2016 knüpfte der 3. Strafsenat an sein zuvor gesprochenes Urteil erneut an.350 Zugrundeliegender Sachverhalt war, dass die Angeklagte in der Schweiz im Rahmen einer Veranstaltung eine Rede gehalten hat, in der sie sich mit dem Holocaust auseinandergesetzt und diesen dabei geleugnet hat. Unter den Zuhörern waren auch Deutsche. Zwar hatte die Entscheidung keinen Online-Sachverhalt zur Grundlande, ist jedoch für die Beurteilung der abstrakten Gefährdungsdelikte auch für dieses Umfeld richtungsweisend. Maßgebliche Frage war, vergleichbar der Töben-Entscheidung, ob im Rahmen des Tatbestandes des § 130 III StGB ein zum Tatbestand gehörender Erfolg im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB gegeben ist. Diesbezüglich entschied, wie oben ausgeführt, der 1. Strafsenat im Jahr 2000, dass es sich bei § 130 III StGB um ein sog. abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt handelt und „ein Erfolg i. S. des § 9 StGB dort eingetreten [ist], wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann.“351 347  BGH

NStZ 2015, 81 (82). NStZ 2015, 81 (83). 349  BGH NJW 2018, 2742; auffällig ist hierbei die Wortlautgleichheit zum Beschluss BGH NStZ-RR 2013, 253, was sich auch in der erneuten Verwendung der (wohl fehlerhaften, da genauer Alt. 3) Bezeichnung „§ 9 I 2. Alt. StGB“ verdeutlicht, was wiederum auf keine tiefergehende Befassung mit der Thematik schließen lässt. 350  BGH NStZ 2017, 146. 351  BGH NJW 2001, 624 (627). 348  BGH

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

Dieser Ansicht folgte der 3. Strafsenat im Jahr 2016 nun aber nicht mehr, vielmehr stellt dieser ausdrücklich fest, dass „das Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB, das zur Einstufung der Vorschrift als einem potentiellen, abstraktkonkreten Gefährdungsdelikt […] führt, […] keinen ‚zum Tatbestand gehörenden Erfolg‘ [umschreibt], so dass eine Inlandstat über § 9 Abs. 1 Var. 3 oder 4 StGB nicht begründet werden kann.“352 Es sei vielmehr eine „von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsveränderung“ notwendig; diese sei aber in Fällen einer bloßen potentiellen Gefahr gerade nicht nötig, weshalb eine solche auch kein Tatbestandsmerkmal und daher auch nicht zum Tatbestand gehörend ist.353 Der Ort, an dem die abstrakte Gefahr in eine konkrete Gefahr lediglich umschlagen kann, sei kein zum Tatbestand gehörender Erfolg.354 Diese Ansicht begründet der Senat wiederum mit der gleichen Argumentation wie im Jahr 2014.355 Nachdem der 3. Strafsenat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 noch die Entscheidung im Fall Töben nur beiläufig mit dem Klammerzusatz „offengelassen für den Fall, dass sich die abstrakte Gefahr realisiert hat, von BGH, Urt. v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221“356 erwähnte, hat er sich im Rahmen dieser Entscheidung bewusst gegen die Ansicht des 1. Strafsenats im Falle Töben gestellt, wie aus dem Klammerzusatz „aA BGH Urt. v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221“357 ausdrücklich klar wird. Der Senat leitet im Abschluss dann aber die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts über § 7 II Nr. 1 StGB her, da der Angeklagte Deutscher ist und die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht war.358 Die darauffolgende Übertragung auf Onlinesachverhalte vollzog der 3. Strafsenat des BGH indirekt im Jahr 2018.359 In dem, dem Beschluss zugrundeliegenden, Fall hat der Angeklagte von der Schweiz aus einen Onlineradiosender unterhalten, der in Deutschland abrufbar war und gehört wurde, der u. a. Lieder spielte, die den Straftatbestand des § 130 StGB erfüllten. Da sich der Angeklagte zur Zeit der Radiosendung in der Schweiz aufhielt, ­erfolgte seine Handlung gem. § 9 I Var. 1 StGB im Ausland. Jedoch ging der 352  BGH

NStZ 2017, 146 (147). NStZ 2017, 146 (147). 354  BGH NStZ 2017, 146 (147); hiermit setzt sich der erkennende Senat auch bewusst gegen die Ansicht des 1. Strafsenats im Falle Töben ein, wie dieser mit dem Klammerzusatz „aA BGH Urt. v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, 212, 221“ ausdrücklich klarstellt. 355  Vgl. BGH NStZ 2015, 81. 356  BGH NStZ 2015, 81 (82). 357  BGH NStZ 2017, 146 (147). 358  BGH NStZ 2017, 146 (147). 359  BGH BeckRS 2018, 33419. 353  BGH



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BGH in seinem Beschluss mit keinem Wort auf die Möglichkeit einer Inlands­tat – und damit auf § 9 I Var. 3 StGB – ein, sondern ging von Beginn an von einer Auslandstat aus, wie aus der Formulierung „Deutsches Strafrecht ist anwendbar; dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB“ ersichtlich wird.360 Im Umkehrschluss wird daraus ersichtlich, dass der BGH auch bei Internetsachverhalten keinen Erfolgsort in Deutschland sieht und er damit an seiner zuvor eingeschlagenen Linie hinsichtlich der Unanwendbarkeit der §§ 9 I Var. 3 und 4 StGB bei abstrakten Gefährdungsdelikten auch bei Internetsachverhalten festhält. In Konsequenz dieser Entscheidungen haben auch verschiedene Ober­ gerichte die Rechtsprechung des BGH übernommen.361 Man muss in diesem Zusammenhang zur Vollständigkeit sagen, dass die Rechtsprechung des 2. und 3. Strafsenats nicht bindend für die Frage der Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf Taten gem. §§ 284 ff. StGB ist, da nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan362 keine Spezialzuständigkeit für die Taten aus unerlaubtem Glücksspiel besteht, weshalb durchaus eine Abweichung theoretisch möglich ist. Dennoch ist zumindest eine „mittelbare Bedeutung“ für die Entscheidung anderer Strafsenate zu beachten, da diese „zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beitragen sollen (vgl. § 132 Abs. 4 GVG)“, weshalb die Ansicht zum Erfolgsort eines abstrakten Gefährdungsdelikts im Zweifel auch von anderen Strafsenaten nicht anders beantwortet werden sollte.363 dd) Eigene Auslegung des zum Tatbestand gehörenden Erfolges Wie gezeigt, handelt es sich auch bei der Thematik des Erfolgsortes von abstrakten Gefährdungsdelikten um ein vielschichtiges und umfassend diskutiertes Problem. Es scheint daher notwendig abschließend eine zusammenfassende Würdigung des Problems vorzunehmen. Jedoch ist zu beachten, dass Kern der Problematik das Verständnis des § 9 StGB darstellt. Auch im Rahmen der Gegenansicht ist meist Quintessenz der argumentativen Begründung eine Auslegung des § 9 I Var. 3 StGB hinsicht360  BGH

BeckRS 2018, 33419 Rn. 12. exemplarisch OLG Hamm, NStZ-RR 2018, 292, das mit der gleichen Begründung wie der BGH eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts über § 9 StGB auf das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 130 StGB ablehnt. 362  Siehe hierzu https://www.bundesgerichtshof.de/DE/DasGericht/Geschaeftsver teilung/Geschaeftsverteilungsplan2020/Strafsenate2020/strafsenate2020_node.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 363  Saliger, in: Engelhart/Kudlich/Vogel (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Sieber, im Erscheinen 2021. 361  Vgl.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

lich des Merkmals „zum Tatbestand gehörender Erfolg“. Diesbezüglich auffällig ist, dass der Passus meist zusammenhängend Bestandteil von Ausführungen ist, wohingegen eine Auslegung der Wortbestandteile seltener erfolgt. Eine Auslegung des § 9 I Var. 3 StGB ist aber anhand zweier Schritte vorzunehmen. Semantisch setzt § 9 I Var. 3 StGB zunächst einen „Erfolg“ vo­ raus. Dieser Erfolg muss dann wiederum „zum Tatbestand gehörend“ sein, der Gesetzestext nimmt diesbezüglich eine Einschränkung dahingehend vor, dass „[n]icht zum Tatbestand gehörende Erfolge der Tat […] einen Tatort nicht“ begründen können.364 Ein Verständnis des § 9 I Var. 3 StGB ist daher nur im Rahmen dieses Zweischritts vollständig möglich. Es ist daher zunächst zu fragen, was überhaupt ein „Erfolg“ im Sinne der Norm ist, und im zweiten Schritt, ob dieser dann auch zum Tatbestand gehörend ist. (1) A  uslegung des § 9 StGB hinsichtlich des Merkmals „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ Diese Auslegung geht meist dahin, dass der Begriff „Erfolg“ losgelöst von der Bestimmung der allgemeinen Tatbestandslehre bestimmt werden muss. Dass eine Bestimmung des Begriffs des Erfolgs im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB losgelöst von der allgemeinen Tatbestandslehre möglich ist, hat der BGH zunächst sogar ausdrücklich bejaht und in seinen bisher stattgefundenen Entscheidungen auch nicht weiter verneint, sondern ausdrücklich offengelassen.365 Bereits in seiner Entscheidung zum Tatort bei Vorliegen einer objektiven Tatbestandsbestimmung ging der erkennende Senat auf das Merkmal „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ ein und stellte hinsichtlich dessen Begriffsverständnisses fest, dass dieser Begriff „nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden“ kann.366 Vielmehr sei eine Interpretation des Merkmals nach dem Grundgedanken des § 9 StGB vorzunehmen, wonach „deutsches Strafrecht – auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland – Anwendung finden [soll], sofern es im Inland zu der Schädigung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist.“367 Auch stützte sich die vielbeachte Töben-Entscheidung auf ein losgelöstes Begriffsverständnis hinsicht364  BT-Drs.

IV/650 S. 113. BGH NStZ 2015, 81 (82) und BGH NStZ 2017, 146 (147). 366  BGH NJW 1997, 138 (140). 367  BGH NJW 1997, 138 (140). 365  Vgl.



B. Angebote mit Auslandsbezug101

lich des Erfolgs.368 Im Rahmen der jüngeren Entscheidungen klammerte der BGH wiederum die Auslegung des Begriffs des „Erfolgs“ im Rahmen des 9 I Var. 3 StGB aus und richtete eher seinen Blick auf den Zusatz „zum Tatbestand gehörende“.369 Eine höchstgerichtliche Klärung hinsichtlich des Begriffs „Erfolg“ ist demnach gerade nicht erfolgt, weshalb sich eine Auslegung dieses Begriffs weiterhin anbietet. Im herkömmlichen Sinne wird Erfolg als „positives Ergebnis einer Bemühung; Eintreten einer beabsichtigten, erstrebten Wirkung“ definiert.370 Feldmann stellt hinsichtlich des Begriffs auf den allgemeinen Wortsinn ab und fragt nach der Bedeutung des Wortes Erfolg im vorliegenden Zusammenhang.371 Der Erfolg sei begriffslogisch immer die Folge von irgendetwas. Was dieses „irgendetwas“ ist, ist wiederum anhand des § 9 I StGB zu beantworten. Die Handlung und der Erfolg sind zwei für sich nebeneinanderstehende Begriffe, die voneinander zu trennen sind. Dennoch stehen diese insoweit miteinander in Wechselwirkungen, dass der Erfolg eine – wenn auch nur minimale – Folge der (Tat)Handlung darstellt.372 Aus der Unterscheidung zwischen Handlung und Erfolg ergibt sich des Weiteren, dass der Erfolg nicht zugleich die Handlung darstellen kann. Vielmehr ist der Erfolg ein über die bloße Handlungsausführung und deren Wirkung als solcher hi­ nausgehende Zustand; ansonsten würde der Erfolg im Lichte des § 9 I StGB kein zusätzliches Kriterium rechtfertigen, das einen inländischen Begehungsort rechtfertigen könnte.373 Zutreffend wird daher im Rahmen der Rechtsprechung des BGH und auch in der Literatur gefordert, der Erfolg sei „insoweit 368  BGH NJW 2001, 624 (627): „Daraus folgt, dass das Merkmal ‚zum Tatbestand gehörender Erfolg‘ i. S. des § 9 StGB nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden kann.“ 369  Vgl. BGH NStZ 2015, 81 (82): „wenn man der Ansicht zustimmen wollte, dass die Frage nach dem Erfolgsort im Sinne des § 9 I StGB normspezifisch am Schutzzweck der jeweiligen Strafvorschrift ausgerichtet werden muss […], die Regelung mithin nicht nur auf Erfolgsdelikte im Sinne der allgemeinen Deliktslehre abstellt, ist jedenfalls […] kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten“; und vgl. BGH NStZ 2017, 146 (147), dessen Ausführungen zum Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 III StGB sich darauf beziehen, dass „unabhängig von der Frage, ob die Regelung nicht nur auf Erfolgsdelikte im Sinne der allgemeinen Deliktslehre abstellt, […] jedenfalls an dem Ort, an dem – wie hier – die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten [ist]“. 370  https://www.duden.de/rechtschreibung/Erfolg; abgerufen am: 06.10.2020. 371  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 96. 372  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 97. 373  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 97.

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vielmehr eine von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsveränderung“374, ohne dass es aber auf die Deliktsnatur als solche ankommt. Es ist daher auch folgerichtig, bei dem „abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt“ des § 130 I, III StGB einen „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB nach neuer Rechtsprechung zu verneinen, wenn lediglich eine Tatbestandsverwirklichung vorliegt. Der zunächst in der Töben-Entscheidung angenommene Erfolg im Sinne der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens stellt gerade keine räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsveränderung dar. Vielmehr stellt die Eignung zur Friedensstörung ein bloßes Attribut der Tathandlung dar, mit der Folge, dass die Eignung zur Friedensstörung nicht von der Tathandlung als solche trennbar ist.375 Durch die konkrete Eignung zur Friedensstörung werden gerade „die Umstände der Tathandlung, nicht aber ein von dieser gedanklich lösbarer Erfolg in der Außenwelt beschrieben“.376 Es ist daher folgerichtig, die Eignung nicht als „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB zu verstehen, denn durch ein derartiges Verständnis würde die Unterscheidung zwischen Handlung und Erfolg aufgelöst werden. Hieraus lässt sich aber im Umkehrschluss nicht ziehen, dass es einem a­ bstrakten Gefährdungsdelikt per se an einem „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB mangelt.377 Vielmehr ist „Erfolg“ im Sinne der in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Meinung als „eine von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenweltsverände rung“378 zu sehen. Aufgrund dieses Begriffsverständnisses ist es auch folgerichtig, die schlichte Verwirklichung eines abstrakten Gefährdungsdeliktes und die damit einhergehende Verursachung einer abstrakten Gefahr nicht als Erfolg im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB zu sehen. Abstrakte Gefährdungsdelikte zeichnen sich dadurch aus, dass die typische Gefährlichkeit der Handlung an sich bereits den Grund für die Pönalisierung darstellt, auf eine konkrete Verwirk­ lichung dieser Gefahr kommt es hingegen nicht an.379 Eine sichtbare Wirkung 374  BGH NStZ 2017, 146 (147); BGH NStZ 2015, 81 (82); Hilgendorf, NJW 1997. 1873 (1876). 375  Zimmermann, HRRS 2015, 441 (443); vgl. auch MüKo-StGB/Schäfer, § 130 Rn. 86 „Die Tathandlung muss wie bei Abs. 1 in einer Weise geschehen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“ (Hervorhebung nur hier). 376  Kudlich, StV 2001, 395 (399). 377  Ob dieser dann wiederum zum Tatbestand gehört ist eine andere Frage. 378  BGH NStZ 2017, 146 (147); BGH NStZ 2015, 81 (82); Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1876). 379  Roxin, AT I, § 10 Rn. 124.



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der Tathandlung für konkrete Schutzobjekte ist gerade nicht nötig.380 Im Vergleich zu konkreten Gefährdungsdelikten ist bei abstrakten Gefährdungsdelikten der strafrechtliche Schutz vorverlagert, indem keine konkrete Gefahr als solche vom Tatbestand verlangt wird, sondern nur die Ausführung eines als gefährlich eingeschätzten Verhaltens.381 Konsequenz dieser Konstruktion ist, dass es des Beweises einer konkreten Gefährdungssituation, der stellenweise auch schwer zu führen ist382, nicht bedarf.383 Auf die Definition des Begriffs des „Erfolgs“ im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB bezogen, der wie oben dargestellt abgetrennt von der Handlung als deren Folge gesehen werden muss, ist daher festzustellen, dass die abstrakte Gefahr als solche keine von der (Tat)Handlung losgelöste Folge ist; sie ist vielmehr „nur Attribut der gesetzlich umschriebenen Handlung“.384 Die abstrakte Gefahr entsteht bereits durch die Handlung selbst, es fehlt daher bei ihr an einer äußerlich abtrennbaren Wirkung, die einen Erfolg darstellen könnte.385 Würde man in der Verwirklichung der abstrakten Gefahr als solches einen Erfolgsort im gesamten „Gefahrenkreis um die Gefahrenquelle“386 sehen, so hätte dies zum einen zur Folge, dass man sich über den Wortlaut des § 9 I StGB hinwegsetzt, da dieser ausdrücklich eine Trennung von Handlung und Erfolg vornimmt.387 Zum Anderen wäre Konsequenz einer derartigen Auffassung, dass der Erfolgsort schlicht überall wäre, da sich die abstrakte Gefahr und dieser innewohnend die Rechtsgutsverletzungsmöglichkeit sich nicht auf einen umgrenzten Raum beschränken lässt; eine abgrenzbare Tatortbestimmung ist daher gar nicht möglich.388 Es ist daher festzuhalten, dass die Verwirklichung der abstrakten Gefahr als solche keinen von der Handlung losgelösten „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB darstellt. Etwas Anderes könnte aber für den Fall gelten, dass die abstrakte Gefahr in eine konkrete Gefahr oder sogar in eine Verletzung umschlägt. Hinsicht380  Rengier,

AT, § 10 Rn. 11. NStZ 1998, 112 (114). 382  Achenbach/Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 21; vgl. Heghmanns, Grund­ züge einer Dogmatik, S. 161. 383  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 132; Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 161. 384  Satzger, NStZ 1998, 112 (116); ebenso Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98. 385  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 133; Falk, Über die Strafbarkeit von Online-Poker, S. 239. 386  So Martin, ZRP 1992, 19 (20). 387  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 132; vgl. Achenbach/ Ransiek/Rönnau/Heghmanns, 6. Teil Rn. 24. 388  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 133. 381  Satzger,

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lich der Thematik, ob das Umschlagen der abstrakten in die konkrete Gefahr einen Erfolg darstellt, hat der BGH bereits in seinem Urteil Stellung bezogen. So ist nach dessen Ansicht „jedenfalls an dem Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete umgeschlagen ist oder gar nur umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten. […] Dieser muss vielmehr in einer von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsveränderung bestehen.“389 Dem ist – wie oben ausgeführt – hinsichtlich des Ortes, an dem die abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, aber nicht umgeschlagen ist, zuzustimmen. Ohne Eintritt einer konkreten Gefahr hat sich an der Qualität der abstrakten Gefahr nichts geändert, diese ist weiterhin „nur Attribut der gesetzlich umschriebenen Handlung“.390 Hinsichtlich des Ortes, an dem ein Umschlagen der abstrakten in die konkrete Gefahr stattfindet, ist dies aber diskutabel. Der 3. Strafsenat begründet seine Ansicht, dass es zur Annahme eines Erfolgs in Abgrenzung zur Handlung „einer von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsveränderung“391 bedarf. Jedoch müsste nach der Rechtsprechung des BGH das Umschlagen einer abstrakten in die konkrete Gefahr als eine derartige Außenweltsveränderung zu sehen sein. Nach ständiger höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt dort, wo die konkrete Gefahr eingetreten ist, ein Erfolgsort gem. § 9 I Var. 3 StGB vor.392 Erst recht liegt daher auch ein Erfolg im Sinne des Paragrafen § 9 I StGB vor. Jedoch setzt auch eine konkrete Gefahr nicht zwingend eine „von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsveränderung“393 voraus.394 Der pauschale Ausschluss des abstrakten Gefährdungsdeliktes hinsichtlich des Erfolgsbegriffs ist daher auch nicht mit der Argumentation des BGH in der Entscheidung zwingend abzulehnen.395 Der Unterschied zwischen abstrakter und konkreter Gefahr in tatsächlicher Hinsicht liegt darin, dass eine konkrete Gefahr eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit des Gefah-

389  BGH

NStZ 2015, 81 (82). NStZ 1998, 112 (116); ebenso Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98. 391  BGH NStZ 2015, 81 (82). 392  BGH, NJW 1991, 2498; vgl. BayObLG NJW 1957, 1327 (1328) hinsichtlich des damals ähnlich gehaltenen § 3 III StGB aF; KG NJW 1991, 2501; Satzger, NStZ 1998, 112 (114); BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 10; MüKo-StGB/ Ambos, § 9 Rn. 19. 393  BGH NStZ 2015, 81 (82). 394  Ebenso Valerius, HRRS 2016, 186 (187 f.); vgl. Zimmermann, HRRS 2015, 441 (443). 395  Valerius, HRRS 2016, 186 (187 f.); vgl. Zimmermann, HRRS 2015, 441 (443). 390  Satzger,



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reneintritts verlangt, im Gegensatz zur abstrakten Gefahr.396 Ein Gefahreneintritt als solcher und damit ein Erfolg im Sinne der Tatbestandslehre ist aber gerade nicht nötig.397 Entwickelt sich nun die abstrakte Gefahr zu einer konkreten Gefahr398, so muss dies unter Zugrundelage der Annahme, dass eine konkrete Gefahr im Rahmen des § 9 I Var. 3 StGB einen Erfolg darstellt, auch gelten, wenn die abstrakte Gefahr sich zu einer konkreten Gefahr verdichtet.399 Sieht man hingegen die konkrete Gefahr als solche als eine vom BGH geforderte Außenweltsveränderung, so ist zu beachten, dass daher im Ergebnis die konkrete Gefährdung als solche nicht Attribut der Handlung ist. Diese ist dann vielmehr von der Handlung gedanklich abtrennbar, da der konkrete Gefahreneintritt nicht der Handlung als solches immanent ist: Nicht jede Handlung führt zu einer konkreten Gefahr, vielmehr kann sich die durch die Handlung verursachte abstrakte Gefahr zu einer konkreten entwickeln, muss dies aber nicht.400 Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass das Umschlagen der abstrakten Gefahr in eine konkrete401 einen „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB darstellen kann.402 (2) Auslegung „zum Tatbestand gehörend“ Des Weiteren ist der Passus „zum Tatbestand gehörend“ zu untersuchen. Diesbezüglich ist hinsichtlich der Ansicht, dass bereits die abstrakte Gefahr als solche zum Tatbestand gehört, und der Ansicht, dass das bloße Umschlagen erst den Erfolg begründet, zu unterscheiden. 396  Zimmermann, HRRS 2015, 441 (443); Martin, ZRP 1992, 19 (20 Fn. 18) mit Verweis auf Martin, Strafbarkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen; a. A. Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1876). 397  Dies ist auch der entscheidende Unterschied zwischen dem Verletzungsdelikt und dem Gefährdungsdelikt, vgl. Roxin, AT I § 10 Rn. 123. 398  Was typisch ist für konkrete Gefährdungsdelikte, vgl. z. B. § 315c I StGB: Die Entwicklung der abstrakten Gefahr der Trunkenheit, die von § 316 I StGB erfasst ist, wird strenger sanktioniert, wenn sich diese abstrakte Gefahr in eine konkrete im Rahmen des § 315c I StGB entwickelt. 399  Auf einem anderen Blatt steht wiederum, ob die konkrete Gefahr dann „zum Tatbestand gehörend“ hinsichtlich des abstrakten Gefährdungsdeliktes ist. 400  Ebenso im Rahmen ihrer Erwägungen Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 144 und Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98 f. 401  Dies gilt erst recht, wenn sich die abstrakte Gefahr in eine Rechtsgutsverletzung entwickelt. 402  Dies bedeutet aber noch nicht, dass dieser Erfolg „zum Tatbestand gehörend“ ist, dies ist in einem weiteren Schritt zu klären.

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(a) Abstrakte Gefahr als Erfolg Diesbezüglich ist zunächst auf die häufig erwähnte Ansicht, dass die abstrakte Gefahr selbst der tatbestandsmäßige Erfolg ist, einzugehen. (aa) Rechtshistorisches Argument Dem BGH ist insoweit zuzustimmen, dass aus der Neufassung des § 9 StGB durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4.7.1969 (BGBl. I, S. 717) durchaus eine Einschränkung der bis dahin zu § 3 III StGB a. F. herrschenden Auffassung zum Begehungsort abstrakter Gefährdungsdelikte anzunehmen ist.403 Des Weiteren ist zu beachten, dass im Rahmen der hierzu vor­ gebrachten Argumentation der Literatur lediglich eine unvollständige Wiedergabe der Gesetzesmaterialien erfolgt.404 Im Rahmen der 38. Sitzung der Großen Strafrechtskommission hieß es wörtlich: „Eine weitere Klarstellung liegt darin, daß der Eintritt des Erfolgs in eine enge Beziehung zum Straftatbestand gebracht wird. Es soll zum Ausdruck kommen, daß nur ein tatbestandlicher und nicht auch ein darüberhinausgehender möglicher weiterer Erfolg für die Bestimmung des Tatorts Bedeutung hat.“405 Dass der Gesetzgeber auch dieser Auffassung ist und dieser abstrakte Gefährdungsdelikte als solche nicht bereits durch § 9 I Var. 3 StGB erfasst sieht, zeigt sich auch anhand des aktuellen Gesetzesentwurfs zur Verbreitung und Verwendung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen bei Handlungen im Ausland.406 Der Bundesrat, der den Gesetzesentwurf einbrachte, sah sich zu diesem aufgrund der Entscheidung des BGH im Jahr 2014 veranlasst, da nach dieser „das deutsche Strafrecht nicht auf Handlungen angewendet werden [kann], bei denen Täter im Ausland Propagandamittel oder Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in das Internet einstellen, selbst wenn die Verbreitung oder Verwendung dieser Inhalte in Deutschland strafbar wäre und die Täter sich mit den entsprechenden Internetseiten gezielt an inländische Adressaten richten. Dies birgt die Gefahr, dass Personen aus Deutschland gezielt ins Ausland reisen, um dort entsprechende Inhalte hochzuladen. Auch andere Formen des innerhalb Deutschlands öffentlich wahrnehmbaren Verbreitens und Verwendens entsprechender Propagandamittel und Kennzeichen im und aus dem Ausland kann das deutsche Strafrecht derzeit nicht erfassen.“407 403  Vgl.

BGH NStZ 2015, 81 (82). Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 97; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 146. 405  Kielwein, in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission IV, AT, 38.–52. Sitzung, 1958, S. 20. 406  BT-Drs. 19/1595. 407  BT-Drs. 19/1595, S. 1. 404  Feldmann,



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Dies begründet der Bundesrat insoweit: „Das deutsche Strafrecht findet – vorbehaltlich ausdrücklicher abweichender Regelungen – nur dann Anwendung auf Handlungen, die im Ausland begangen werden, wenn ein zum gesetzlichen Tatbestand gehörender Erfolg in Deutschland eingetreten ist (§ 3 und § 9 Absatz 1 StGB). Bei dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB handelt es sich jedoch um einen abstrakten Gefährdungstatbestand, bei dem es wegen der damit verbundenen Gefahren für den demokratischen Rechtsstaat bereits ausreicht, dass ein Täter die entsprechenden Kennzeichen öffentlich verwendet. Eines bestimmten zusätzlichen Erfolgs bedarf es gerade nicht. Daher fehlt es bei Taten nach § 86a StGB an einem inländischen Erfolgsort als einem Anknüpfungspunkt für die Anwendung deutschen Strafrechts.“408

Die Lösung für dieses Problem sieht der Bundesrat wiederum in einer Änderung des § 5 StGB und einer Aufnahme des § 86a StGB in den dort genannten Straftatenkatalog. Zu beachten ist aber, dass es, wäre nach der Ansicht des Gesetzgebers ein abstraktes Gefährdungsdelikt bereits mit einem tatbestandsmäßigen Erfolgsort als solches versehen und könnte dieses demnach einen Tatort in Deutschland gem. §§ 3, 9 I Var. 3 StGB begründen, der durch den Gesetzesentwurf geplanten Änderung des § 5 StGB409 nicht bedürfte. Denn der Katalog des § 5 StGB erfasst nur Auslandstaten410, wohingegen §§ 3, 9 I Var. 3 StGB eine Inlandstat begründet. Arg. e. contrario ergibt sich daher aus der gewünschten Aufnahme des § 86a StGB in diesen Katalog, dass die blanke abstrakte Gefährdung bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht für eine Tatortbegründung im Sinne des § 86a StGB ausreicht. Eine Entscheidung über den Antrag erfolgte bisher nicht.411 (bb) Gesetzessystematik Hierbei handelt es sich aber nicht um die ersten Gefährdungsdelikte, die sich im Katalog des § 5 StGB wiederfinden würden. Ferner ist im Rahmen des Katalogs des § 5 StGB anderweitig ersichtlich, dass der Gesetzgeber generell nicht von einem zu Tatbestand gehörenden Erfolgsort bei schlichter Verwirklichung eines abstrakten Gefährdungsdeliktes ausging. Gem. § 5 Nr. 10 StGB findet deutsches Strafrecht in den Fällen der §§ 153 ff. StGB 408  BT-Drs.

19/1595, S. 6. BT-Drs. 19/1595, S. 5. 410  BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, § 5 Rn. 1. 411  Siehe http://dipbt.bundestag.de/dip21.web/bt?rp=http %3A %2F %2Fdipbt.bun destag.de%2Fdip21.web%2FsearchProcedures%2Fsimple_search_list.do%3FselId% 3D232170%26method%3Dselect%26offset%3D0%26anzahl%3D20%26sort%3D3%2 6direction%3Ddesc%26showAllDesc%3Dall; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 409  Vgl.

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Anwendung, in denen in einem Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich des StGB bei einem Gericht oder einer anderen deutschen Stelle anhängig ist, vor einem ausländischen oder zwischenstaatlichen Gericht bzw. vor einer zur Entgegennahme von eidesstattlichen Versicherungen zuständigen Stelle eine den Straftatbestand erfüllende Aussage getätigt wird.412 Bei den Aussagedelikten der §§ 153 ff. StGB handelt es sich ebenso um abstrakte Gefährdungsdelikte.413 Würde man aber eine abstrakte Gefahr als solche als ausreichend betrachten, um einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB zu begründen, so wäre eine Norm wie § 5 Nr. 10 StGB nicht notwendig.414 Denn die abstrakte Gefahr für die innerstaatliche Rechtspflege würde immer mit der Tätigung der Aussage bestehen, was im Ergebnis dann auch einen Erfolgsort in Deutschland zur Folge haben würde.415 Würde man aber diesen Erfolgsort annehmen, so wäre bei den von § 5 Nr. 10 StGB erfassten Fällen, in denen eine Falschaussauge vor einer zuständigen Stelle im Ausland, die wiederum im Rahmen eines Verfahrens vor einer inländischen Stelle getätigt wird, immer eine Inlandstat über §§ 3, 9 I Var. 3 StGB begründet.416 § 5 Nr. 10 StGB, der nur auf Auslandstaten Anwendung findet und auch von deren Vorliegen ausgeht, wäre nie anwendbar.417 Selbiges gilt für § 5 Nr. 3 a) StGB und das darin genannte Delikt des § 89 StGB. Auch bei § 89 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.418 Geschütztes Rechtsgut dieses abstrakten Gefährdungsdeliktes ist die Verlässlichkeit der Bundeswehr und der öffentlichen Sicherheitsorgane.419 Würde man aber bereits in der abstrakten Gefahr, die durch eine Einwirkung 412  MüKo-StGB/Ambos,

§ 5 Rn. 32. § 153 Rn. 2; MüKo-StGB/Müller, Vor § 153 Rn. 18;

413  BeckOK-StGB/Kudlich,

BGH NJW 1999, 2380. 414  Satzger, NStZ 1998, 112 (116); Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 135. 415  Satzger, NStZ 1998, 112 (116); Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 135. 416  Satzger, NStZ 1998, 112 (116); Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 135. Satzger, NStZ 1998, 112 (116); Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 135. 417  Satzger, NStZ 1998, 112 (116); Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 98; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 135. 418  MüKo-StGB/Steinmetz, § 89 Rn. 2; NK-StGB/Paeffgen, § 89 Rn. 2. 419  MüKo-StGB/Steinmetz, § 89 Rn. 2; vgl. NK-StGB/Paeffgen, § 89 Rn. 2.



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ausgeht, einen Erfolg sehen, so wäre dieser zwangsweise immer in Deutschland gegeben, da dort diese Sicherheitsorgane tätig sind. Auch § 5 Nr. 3 a) StGB wäre daher ohne Regelungswirkung, da dieser immer von einer Auslandstat abhängig ist.420 Es ist daher festzuhalten, dass die abstrakte Gefahr als solche bereits aus der Gesetzessystematik nicht zum Tatbestand gehörend ist. (cc) Völkerrechtliches Argument Jedoch ist der Aussage des 3. Strafsenats, dass die durch abstrakte Gefährdungsdelikte erzeugte Vorverlagerung der Strafbarkeit Anlass sein könne, diese – schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen – nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken,421 nicht vollständig zuzustimmen. Vielmehr sind die Frage des zum Tatbestand gehörenden Erfolgsortes und die Frage der völkerrechtlichen Einschränkung von diesem getrennt zu behandeln.422 Zunächst wäre die Frage zu behandeln gewesen, wie der Passus „zum Tatbestand gehörender Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB unter Beachtung des völkerrechtlichen Charakters des Strafanwendungsrechts zu interpretieren ist.423 Erst nachdem diese Frage beantwortet ist und dann im Zweifel eine Anwendung deutschen Strafrechts auf einen Fall mit Auslandsbezug über § 9 I Var. 3 StGB erfolgen könnte, ist in einem zweiten Schritt zu fragen, ob eine Begrenzung der nationalen Strafgewalt, insbesondere unter Berücksichtigung des völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatzes, nötig ist.424 Die Anerkennung eines zum Tatbestand gehörenden Erfolgsortes eines abstrakten Gefährdungsdeliktes ist daher nicht per se durch die Tatsache eines internationalen Bezuges ausgeschlossen.425 Vielmehr ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung notwendig, ob der völkerrechtliche Nichteinmischungsgrundsatz einer Anwendung deutschen Strafrechts entgegensteht. Erneut ist diesbezüglich zwischen der Möglichkeit der Realisierung der abstrakten Gefahr und dem Umschlagen der abstrakten Gefahr in die Konkrete zu differenzieren.

Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 135. BGH NStZ 2017, 146 (147). 422  Vgl. Valerius, HRRS 2016, 186 (188). 423  Valerius, HRRS 2016, 186 (188). 424  Valerius, HRRS 2016, 186 (188); vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, § 2 Rn. 5. 425  Valerius, HRRS 2016, 186 (188); vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, § 2 Rn. 5. 420  Ebenso 421  Vgl.

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Sähe man bereits die bloße Realisierung der abstrakten Gefahr als zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so hätte dies eine unüberschaubare Ausweitung deutschen Strafrechts auf internationale Sachverhalte zur Folge.426 Die Ansicht sieht sich demnach den gleichen Bedenken ausgesetzt, wie die Annahme eines Handlungsortes am Ort der Abrufbarkeit.427 Richtigerweise ist aber eine derartige Ausweitung nur völkerrechtlich zulässig, wenn ein sog. „sinnvoller Anknüpfungspunkt“ vorliegt.428 Die von vielen daher angenommen Reduktion des § 9 I Var. 3 StGB ist daher auch folgerichtig, verkennt aber, wie oben gezeigt, bereits im Ausgangspunkt, dass die abstrakte Gefährdung als solche keinen Erfolg darstellt. Auch sind die von den Reduktionsvorschlägen vorgenommenen Eingrenzungskriterien wenig geeignet, einen geforderten sinnvollen Anknüpfungspunkt zur deutschen Strafgewalt zu bilden.429 Bereits die subjektive Einschränkung hinsichtlich eines finalen Interesses des Täters ist praktisch kaum umsetzbar. Wie bei allen subjektiven Merkmalen wäre auch bei diesem im Zweifel die Nachweisbarkeit mit erheblichen Schwierigkeiten versehen.430 Drüber hinaus stellt diese Beschränkung hinsichtlich des Online-Glücksspiels überhaupt keine dar.431 Vielmehr besteht grundsätzlich immer die Absicht, so viele Menschen per Internet zu erreichen, wie möglich, weshalb es bei den völkerrechtlichen Problemen bleiben würde.432 Ferner gestaltet sich eine objektive Einschränkung als schwierig. Bereits ein Anknüpfen an die Sprache verbietet sich, da deutsch nicht ausschließlich 426  Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1874); Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (660); Palm, Pornographie im Internet, S. 58; Sieber, NJW 1999, 2065 (2067); vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 47; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 118; so auch Kudlich/Hoven in: Zehn Jahre ZIS, S.  165 (180 f.). 427  Siehe hierzu S. 67 ff. 428  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 47; so fordert auch schon BGH NJW 2001, 624 (628) im Fall Töben einen „völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt“. 429  Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, 648 (654); Mintas, Glücksspiel im Internet, S.  162 ff. 430  Bertrand, Aktuelle Betrachtung des Glücksspielstrafrechts, S. 293, 296; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650 (661); Leupold/Bachmann/Pelz, MMR 2000, 648 (654); Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 167; vgl. Volk, Glücksspiel im Internet, S. 223. 431  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 132; Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 67. 432  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 132; Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 67.



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in Deutschland, sondern auch in Österreich, Schweiz und auch in Teilen anderer Länder433 gesprochen wird.434 Ein sinnvoller Anknüpfungspunkt, dass die deutsche Strafgewalt hier anzuwenden ist, ist daher gerade nicht gegeben. Darüber hinaus ist zu beachten, dass „Englisch als die Sprache des Internets betrachtet werden kann“.435 Denn englische Webseiten oder Mitteilungen sind weder zwingend an die Einwohner eines englischsprachigen Staates gerichtet, noch ist dadurch gesagt, dass sich die Inhalte nicht gerade an deutschsprachige Internetnutzer richten.436 In Bezug auf das vorliegend untersuchte Online-Glücksspiel ist darüber hinaus zu bedenken, dass der Großteil der Online-Glücksspiele in vielen verschiedenen Sprachen abgehalten wird und die Sprache auf der Seite frei wählbar ist. Es fehlt daher auch an dem nötigen spezifischen Bezug zu Deutschland, da derartige Seiten einen Bezug zu jeder Sprache aufweisen und eben nicht – wie gefordert – spezifisch zu Deutschland.437 (b) Umschlagen als Erfolg Auch die Ansicht, dass das Umschlagen der abstrakten in die konkrete Gefahr einen Erfolg darstellt, der zusätzlich zum Tatbestand gehört, vermag nicht zu überzeugen. (aa) Rechtshistorisches Argument Hinsichtlich des Umschlagens der abstrakten Gefahr in die konkrete ist anzumerken, dass dem eindeutigen Wortlaut des § 9 I Var. 3 StGB widerspricht, die konkrete Gefahr als zum Tatbestand gehörend zu sehen.438 Der jetzt geltende § 9 I Var. 3 StGB ist auf den damaligen § 3 III StGB a. F. zurückzuführen, wobei es in § 3 III StGB a. F. noch „der Erfolg“ war und in § 9 I Var. 3 StGB nun vom „zum Tatbestand gehörende[n] Erfolg“ die Rede ist. Hiermit sollte klargestellt werden, dass „nur ein tatbestandlicher und nicht auch ein darüber hinausgehender möglicher weiterer Erfolg für die Bestim433  So ist z. B. deutsch auch Amtssprache in der zu Italien gehörenden Region Südtirol. 434  Bertrand, Aktuelle Betrachtung des Glücksspielstrafrechts, S. 296; Breuer, MMR 1998, 141 (144); Klam, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet, S. 68. 435  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 49. 436  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 49. 437  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 136. 438  So ausdrücklich Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 99; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 145; auch Sieber, Gutachten C, C 76.

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Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

mung des Tatorts Bedeutung hat.“439 Da aber abstrakte Gefährdungsdelikte unabhängig von der Verwirklichung eines konkreten Erfolges aufgrund ihrer Tatbestandsstruktur sind, ist auch in der konkreten Gefährdung kein zum Tatbestand gehörender Erfolg gegeben.440 Aus dieser Tatsache ergibt sich auch, dass die Verwirklichung der Gefahr nicht den „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB darstellen kann.441 (bb) Gesetzessystematik Ein Abstellen auf das Umschlagen der abstrakten in die konkrete Gefahr lässt sich mit dem Argument der Gesetzessystematik nicht ablehnen. Nicht zwingend muss die abstrakte Gefahr sich zu einer konkreten entwickeln, weshalb unter diesem Gesichtspunkt § 5 StGB dahingehend Sinn macht, Bestrebungen im Ausland, die keine konkrete Gefahr im Inland nach sich ziehen, ebenfalls unter die Strafgewalt zu stellen. (cc) Völkerrechtliches Argument In Bezug auf die vertretene Ansicht, dass erst das Umschlagen in eine konkrete Gefahr den „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ darstellt, ist zumindest im Hinblick auf die möglichen völkerrechtlichen Probleme anders zu beurteilen. Im Gegensatz zur Annahme, dass die abstrakte Gefahr den maßgeblichen Erfolg darstellt, ist bei einem Abstellen auf die konkrete Gefahr eine völkerrechtswidrige Ausweitung deutscher Strafgewalt nicht immanent.442 Vielmehr handelt es sich bei dem Abstellen auf die konkrete Gefahr um einen sinnvollen Anknüpfungspunkt, der den Strafanspruch der Bundesrepublik Deutschland angemessen begrenzt.443 Denn das Fordern einer konkreten Gefahr im Inland stellt einen spezifischen Tatbezug zum Inland dar, der sowohl von der Tathandlung als solches trennbar wäre und der auch nicht im Gefahrenkreis als solches überall gegeben wäre, sondern der um einiges besser lokalisiert werden könnte.444 439  Kielwein, in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission IV, AT, 38.–52. Sitzung, 1958, S. 20. 440  Statt vieler Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 99; Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 145; a. A. Martin, ZRP 1992, 19 (20). 441  Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1875); OLG Saarbrücken NJW 1975, 506 (507); Sch/Sch/Eser/Weißer, § 9 Rn. 6 f.; Von der Horst, ZUM 1993, 227 (228); Lackner/ Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; Fischer, Vor § 13, Rn. 19. 442  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 136. 443  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 144. 444  Ebenso Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 144.



B. Angebote mit Auslandsbezug113

(c) Ergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, dass abstrakte Gefährdungsdelikte über keinen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ verfügen, weder wenn allein die abstrakte Gefahr besteht, noch wenn sich diese zu einer konkreten Gefahr oder sogar einer Verletzung wandelt. In Bezug auf im Ausland befindliche Online-Glücksspielanbieter hat dies zur Folge, dass deren Onlineangebot, selbst wenn Deutschen hierdurch die Teilnahme ermöglicht wird, nicht dem Strafanspruch der Bundesrepublik Deutschland unterfallen.445 Die Tatmodalitäten des § 284 I StGB bzw. § 287 I StGB verfügen demnach nicht per se über einen Tatort im Inland, wenn das jeweilige Angebot von Deutschland aus abrufbar ist. 2. Tatort bei der Tatmodalität des Werbens gem. § 284 IV StGB bzw. § 287 II StGB Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob sich eine andere Sichtweise hinsichtlich des Tatortes bei der Modalität der Werbung ergibt. Unter Werbung ist jede Aktivität zu verstehen, die darauf abzielt, einen anderen zur Beteiligung am Spiel zu bewegen446 bzw. jedes planmäßige Vorgehen mit dem für den Durchschnittsadressaten erkennbaren Ziel, andere für ein illegales Glücksspiel zu gewinnen.447 Es kommt gerade nicht darauf an, dass durch das Werben ein Spielvertrag geschlossen wird.448 Notwendige Voraussetzung ist alleinig, dass für das angeworbene Spiel auch eine Spielbeteiligung vom Inland aus möglich ist.449 Damit begegnen aber der Deliktsstruktur des Werbens erneut die gleichen Bedenken, wie dies bei den Tatmodalitäten gem. § 284 I StGB bzw. § 287 I StGB der Fall war. Da das Werben keinen Erfolg voraussetzt, handelt es sich auch hier um ein bloßes unechtes Unternehmensdelikt in der Form eines

Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633 (637 f.). § 284 Rn. 38; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 48. 447  Sch/Sch/Heine/Hecker, §  284 Rn.  34; Streinz/Liesching/Hambach, § 284 Rn. 101. 448  In diesem Fall wäre bereits ein Veranstalten zu bejahen, denn für dessen Einschlägigkeit genügt bereits das Anbieten des Abschlusses eines Spielvertrages, also erst recht der Abschluss des Spielvertrages als solches; vgl. hierzu S. 30 f. 449  Fischer, § 284 Rn. 24; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 48; NK-StGB/ Gae­de, § 284 Rn. 25; weitergehender SK/Hoyer, § 284 Rn. 39, der es bereits genügen lässt, wenn Werbung für Glücksspiel im Ausland geworben wird, selbst wenn hieran aus dem Inland keine Teilnahmemöglichkeit besteht. 445  Ebenso

446  SK-StGB/Hoyer,

114

Teil 2: Anwendbarkeit des dt. Strafrechts auf Online-Glücksspiele

abstrakten Gefährdungsdeliktes.450 Mangels Erfolgs bzw. mangels Erfolgs, der zum Tatbestand gehört, ist eine Tatortbegründung daher nach oben gesagtem ebenso bei der Werbung zu verneinen.451 Auch handelt es sich bei der Sanktionierung des Werbens um kein in Deutschland einen Erfolgsort habendes abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt. Im Gegensatz zu abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten ist bei der Alternative des Werbens keinerlei „Zwischenerfolg“ notwendig, wie bei der Töben-Entscheidung eine Eignung zur Friedensstörung. Hinsichtlich der Modalität der Werbung ist weder notwendig, dass durch diese ein Spielvertrag zustande kommt, noch, dass die Werbung zu irgendeiner Reaktion des Werbungsempfängers führt, vielmehr ist der Straftatbestand, nach dem oben Gesagten, auch bei einer gänzlich erfolglosen Werbung verwirklicht. Mangels Erfolgsortes kommt es damit aber wieder ausschließlich auf den Ort der Tathandlung gem. § 9 I Var. 1 StGB an. Im Rahmen der Werbung also der Ort, von dem aus die Werbung geschaltet wird.452 Das Ergebnis hinsichtlich der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist also bei allen Tatmodalitäten gleich. 3. Ergebnis Im Ergebnis ist daher sowohl bei den Tatmodalitäten der §§ 284 I und 287 I StGB als auch bei der Sanktionierung der Werbung gem. der §§ 284 IV und 287 II StGB der gleiche Maßstab anzusetzen. Eine eng begrenzte Ausnahme ist nur in den Fällen denkbar, in denen der Glücksspielanbieter einen Teil der Tathandlungen im Inland vornimmt.453 Es sind durchaus Sachverhalte denkbar, in denen der Anbieter zwar vom Ausland aus sein Angebot auf einen Server lädt und dadurch die Tatmodalität des Veranstaltens im Sinne des § 284 I Var. 1 StGB erfüllt, dieser aber dann anschließend wieder in das Inland zurückkehrt, um dann im Inland Werbung für sein Glücksspiel zu schalten (284 IV StGB) oder dieses von Deutschland aus zu unterhalten (§ 284 I Var. 2 StGB). Ebenso sind Fälle denkbar, in denen der Anbieter zunächst vom Ausland aus sein Glücksspiel gem. 284 I Var. 1 StGB schaltet, dann aber im Rahmen dieser Betreiberstellung das Spiel hinsichtlich der Gewinnmöglichkeiten zu seinen Gunsten manipuliert, was wiederum eine Strafbar-

450  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 47; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 34; vgl. NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 25, es kommt gerade nicht auf die tatsächliche Durchführung des Glücksspiels an. 451  Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 75 ff.; a.  A. Streinz/Liesching/Hambach, § 284 Rn. 103, die den Tatort an dem Ort sehen, an dem das Interesse geweckt werden soll. 452  Vgl. diesbezüglich umfassend die Ausführungen auf S. 55 ff. 453  Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 252; vgl. S. 53 f.



B. Angebote mit Auslandsbezug115

keit gem. § 263 I StGB mit einem Erfolgsort in Deutschland begründet.454 Daher ist insoweit eine Erweiterung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts durch die Einfügung der §§ 284 IV und 287 II StGB zu bejahen,455 soweit der jeweilige Veranstalter bzw. Halter des unerlaubten Glücksspiels von Deutschland aus anschließend für dieses wirbt.456 Mit Ausnahme dieser Sonderfälle ist aber eine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf ausländische Online-Glücksspielangebote zu verneinen. Ferner stellt sich dann – zumindest hinsichtlich der Sonderfälle – die Frage, ob sich überhaupt der Glücksspielanbieter gem. § 284 bzw. § 287 StGB strafbar macht, wenn er über das Internet in Deutschland Glücksspiele anbietet oder für diese wirbt. Dies soll folgend in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Regulierungssituation untersucht werden.

454  Vgl. Duesberg, Der Tatbegriff in §§ 3 und 9 Abs. 1 StGB, S. 263 ff. hinsichtlich der detaillierten Betrugsprüfung. 455  Dies war der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 67 f. 456  Dann wäre die Tathandlung i. S. d. § 9 I Var. 1 StGB in Deutschland begangen und damit gem. §§ 3, 9 I Var. 1 StGB deutsches Strafrecht anwendbar.

Teil 3

Die Vereinbarkeit des Glücksspielverwaltungsrechts mit höherrangigem Recht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate Für die später zu klärende Frage der Strafbarkeit verschiedener Anbieter von Online-Glücksspielen ist aufgrund der verwaltungsrechtsakzessorischen Natur des negativen Tatbestandsmerkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ auch das für die Erlaubnis maßgebliche Glücksspielverwaltungsrecht und dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht für den Untersuchungsgegenstand von zentraler Bedeutung. Im Rahmen der weiteren Untersuchung erfolgt eine Unterscheidung der Anbieterstrafbarkeit anhand der unterschied­ lichen Angebotsformate, die im Internet zur Verfügung gestellt werden. Da die Arbeit sich auf die Thematik des Online-Glücksspiels beschränkt, erfolgt in dieser auch kein vertieftes Eingehen auf die in den Bundesländern befindlichen Spielhallen. Auch diese unterfallen eines Erlaubnisvorbehalts im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages, vgl. §§ 24 ff. GlüStV. Stattdessen soll sich nachfolgend die Arbeit auf die Angebotsformate der Online-Sportwetten, der Online-Lotterien und der Online-Casinos konzentrieren, wobei eine genaue Bestimmung, welche Angebote unter die jeweiligen Formate fallen, im Rahmen des jeweiligen Punktes erfolgen wird. Die Dreiteilung in Sportwette, Lotterie und Casino im Internet erfolgt nicht zufällig. Vielmehr gibt diese Herangehensweise der Glücksspielstaatsvertrag als solche vor. Bevor daher auf die Angebotsformate und deren strafrechtliche Relevanz als solche eingegangen werden kann, ist zunächst der rechtliche Rahmen des GlüStV kurz darzustellen.

A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland in seiner Fassung nach Art. 1 des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15.12.20111 bildet das zentrale verwaltungsrechtliche Regularium zur Erlaubniserteilung im Glücksspielbereich. 1  Siehe

GVBl. BY 2012 S. 318, 392.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV117

Dieser wurde zunächst nicht von allen Bundesländern ratifiziert, vielmehr erlies Schleswig-Holstein am 20.01.2011 ein eigenes Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels2, das ab dem 01.01.2012 neben dem bestehenden GlüStV Geltung hatte. In dessen Umfang wurden wiederum auch Genehmigungen erteilt, wobei das in Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein – im Gegensatz zu den sonst geltenden Regelungen in den anderen Bundesländern – gem. § 19 GlSpielG‑SH z. B. eine Erlaubnis für Online-Casinos ermöglichte, welche auch tatsächlich erteilt wurde3. Nach einer Änderung der Regierungsmehrheiten in Schleswig-Holstein trat das Land dann am 24.01.2013 aber auch dem nun geltenden Glücksspielstaatsvertrag bei.4 Das bis dahin geltende GlSpielG‑SH wurde mit Wirkung zum 8. Februar 2013 durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze vom 1. Februar 2013 aufgehoben.5 Hinsichtlich der bis dahin von Schleswig-Holstein erteilten Genehmigungen ordnete das Land aber eine partielle Weitergeltung des ­GlSpielG-SH an.6 Alle seitdem neu zu erteilenden Genehmigungen richten sich aber seitdem nach dem nun geltenden GlüStV. Ziele des Staatsvertrags sind nach seiner eigenen Aussage in § 1 GlüStV: „1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, 2. durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, 3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten, 4.  sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt, die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden und 5. Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen.“

2  GVOBl.

S-H 2011, 280.

3  https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/G/gluecksspiel/_documents/

onlineCasinospiele.html; abgerufen am: 06.10.2020. 4  Art. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Ersten Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster GlüÄndStV AG), GVOBl. S-H 2013, S. 64. 5  GVOBl. S-H 2013, S. 64, 69. 6  So lautet Art. 4 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze vom 1. Februar 2013 (GVOBl. S-H 2013), S. 69: „§ 31 Glücksspielgesetz gilt fort. Das Glücksspielgesetz findet mit Ausnahme der § 20 Abs. 7 und § 23 Abs. 7 Satz 4 und 5 weiter Anwendung, soweit auf seiner Grundlage bereits Genehmigungen erteilt worden sind.“

118 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Ob die in der Gesetzesfassung herangeführten Ziele auch wirklich durch die staatlichen Organe verfolgt werden, oder ob diese lediglich vorgeschoben werden, soll folgend im Laufe dieser Arbeit (auch) mit untersucht werden.

I. Genehmigungsbedürftigkeit § 4 GlüStV bildet im Rahmen des Staatsvertrages die „zentrale und tragende Grundnorm“.7 Gem. § 4 I 1 GlüStV dürfen „[ö]ffentliche Glücksspiele […] nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden.“ Im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages liegt ein Glücksspiel gem. § 3 I 1 GlüStV vor, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.“. Dieses ist gem. § 3 II GlüStV öffentlich, „wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um gewohnheitsmäßig veranstaltete Glücksspiele in Vereinen oder sonstigen geschlossenen Gesellschaften handelt.“ Im Gegensatz zum Strafrecht8 ist der glücksverwaltungsrechtliche Begriff des Veranstaltens so auszulegen, dass eine Veranstaltung oder eine Vermittlung dort vorliegt, „wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird.“ Diesen Erlaubnisvorbehalt flankiert der Staatsvertrag wiederum mit einem Verbot aller nicht genehmigten öffentlichen Glückspiele gem. § 4 I 2 GlüStV, wonach „[d]as Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel […] verboten“ sind. Dieses Verbot wiederum wird durch eine Strafandrohung unterstrichen, die sich ihrerseits im, hier in der Untersuchung maßgeblichen, § 284 I StGB befindet, der ein Tätigwerden „ohne behördliche Erlaubnis“ voraussetzt.9 Im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages ist ferner zu unterscheiden: § 4 I 1 GlüStV ordnet für alle unter die Definition des § 3 GlüStV fallenden öffentlichen Glücksspiele, soweit gem. § 2 GlüStV der Anwendungsbe-

7  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel,

§ 4 GlüStV Rn. 1. Veranstalten ist im Strafrecht bereits mit der Handlung, die sich auf die Eröffnung der Teilnahmemöglichkeit bezieht, gegeben, weshalb nicht der Ort der Möglichkeitseröffnung maßgeblich ist, sondern der Ort, an dem die Handlung vorgenommen wird, die dieser Möglichkeitseröffnung vorausgeht, siehe oben S. 30 f. 9  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 32; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 18 f.; Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 14. 8  Ein



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV119

reich eröffnet ist,10 ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt an.11 Diesbezüglich ist es irrelevant, ob das Glücksspiel stationär oder im Internet veranstaltet wird. Ebenso ist irrelevant, ob das Glücksspiel einem Veranstaltermonopol gem. § 10 I, II GlüStV unterliegt.12 Der Erlaubnisvorbehalt als solcher ist eine für sich genommene, nicht monopolspezifische Regelung. Die Wirksamkeit des Erlaubnisvorbehalts hängt gerade nicht davon ab, dass die staatliche Monopolregelung wirksam ist, vielmehr handelt es sich hierbei um zwei verschiedene, voneinander unabhängige Regelungsmechanismen.13 Der Erlaubnisvorbehalt ist gerade nicht „monopolakzessorisch“.14 § 4 I GlüStV regelt, dass (fast) immer eine Erlaubnis nötig ist, dies gilt sowohl für staat­liche Anbieter als auch für private.15 Die Regelung des § 10 GlüStV regelt hingegen, wer die nötige Erlaubnis erteilt bekommen kann, ist also erst die Folge des Erlaubnisvorbehalts.16 Oder in verwaltungsrechtlichen Termini gesprochen normiert § 4 I 1 GlüStV die Genehmigungsbedürftigkeit, wohingegen sich die Genehmigungsfähigkeit u. a. nach § 10 GlüStV richtet. Gem. § 4 I 1 GlüStV ist wiederum sowohl das Veranstalten als auch das Vermitteln eines Glücksspiel erlaubnispflichtig. Veranstalter ist, wer die planmäßige Ausführung des gesamten Unternehmens selbst oder durch andere ins Werk setzt und danach in erster Linie derjenige, der als Inhaber der entsprechenden Erlaubnis zur Veranstaltung Schuldner des Gewinnanspruchs ist, als solcher durch die ihm erteilte Erlaubnis die Abhaltung des Glücksspiele ermöglicht und dabei das Spiel- oder Wettgeschehen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht maßgeblich gestaltet.17 Vermittler ist hingegen, wer le10  Seine Grenze findet der in § 4 I GlüStV geregelte Befreiungsvorbehalt in dem in § 2 GlüStV normierten Anwendungsbereich. § 4 I GlüStV findet demnach keine Anwendung auf Gaststätten (Schank- und Speisewirtschaften und Beherbergungsbetriebe) und Wettannahmestellen der Buchmacher, soweit sie Geld- oder Warenspiel­ geräte mit Gewinnmöglichkeit bereithalten (§ 2 IV GlüStV), auf Pferdewetten im Sinne des § 3 I 5 GlüStV (§ 2 V GlüStV) und auf Gewinnspiele im Rundfunk (§ 2 VI GlüStV). 11  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 1; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 10. 12  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 10; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 12. 13  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 10; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 12. 14  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 10; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 12. 15  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 10; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 12; BVerwG NVwZ 2011, 549 (552). 16  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 12. 17  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 28; OVG Münster Beschluss vom 30. Juni 2010 – 13 B 645/10 –.

120 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

diglich die Spielverträge zwischen Veranstalter und Spieler weiterleitet und in diesem Zusammenhang Dienstleistungen erbringt.18 Die Erlaubnis des § 4 I 1 GlüStV bildet sozusagen die „Grunderlaubnis“19, die um weitere zusätzliche Erlaubnisse erweitert werden kann.20 Im Rahmen der späteren Untersuchung ist daher zunächst festzuhalten, dass die Erlausnisbedürftigkeit als solche in gleicher Weise für alle Glücksspiele gilt. Eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Glücksspiel­ arten findet gerade nicht statt. Erst im Rahmen der Erlaubnisfähigkeit unterscheiden sich dann jedoch die verschiedenen Anforderungen an die Erlaubnisfähigkeit des jeweiligen Glücksspielangebots und damit einhergehend auch die Eingriffstiefe.

II. Anwendungsbereich des GlüStV In der hier vorgenommenen Untersuchung von Onlineangeboten mit Auslandsbezug stellt sich zudem die Frage, ob ein ausländischer Anbieter, dessen Onlineangebot auch in Deutschland abrufbar ist, sich überhaupt an das deutsche Glücksspielverwaltungsrecht halten muss, oder ob dieses überhaupt keine Geltung für diesen hat. Der räumliche Geltungsbereich des GlüStV richtet sich nach dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip, wonach die Hoheitsgewalt eines Staates grundsätzlich lediglich auf sein eigenes Staatsgebiet beschränkt ist.21 Eine Bindung außerhalb des Staatsgebiets oder eine Erstreckung hierauf ist gerade grundsätzlich nicht der Fall.22 Kein Staat darf Hoheitsgewalt auf dem Gebiet eines anderen Staates ausüben.23 Hierbei gilt im Grundsatz das Gleiche wie für die Frage der Reichweite des durch §§ 3, 9 StGB normierten Strafanwendungsrechts. Die Geltung einer Erlaubnis gem. § 4 I 1 GlüStV und damit korrespondierend auch die dadurch angeordnete Erlaubnispflicht sind daher nur imstande, Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen auf deutschen Hoheitsgebiet zu berechtigen bzw. zu verpflichten.24 Jedoch ist im Rahmen des Glücksspielverwaltungsrechts der Anknüpfungspunkt des Territorialitätsprinzips ein anderer: Im Rahmen der §§ 3, 9 18  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 28; vgl. Erl. zum GlüStV a. F. S. 12; BVerfG NVwZ 2007, 1297 (1298 f.); BVerfG EuR 2008, 558. 19  Becker/Hilf/Nolte/Uwer/Koch, § 4 GlüStV Rn. 24. 20  So z. B. die Internet-Erlaubnis nach § 4 IV, V GlüStV und die Erlaubnis für Live-Wetten gem. § 21 IV 3 Hs. 1 GlüStV, siehe auch im Anschluss. 21  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 18. 22  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 18. 23  Stelkens/Bonk/Sachs, Europäisches Verwaltungsrecht, Rn. 246. 24  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 18.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV121

StGB ist dann eine Inlandstat und damit die Anwendung deutscher Strafgewalt gegeben, wenn die Handlung oder der Erfolg im Inland stattfindet. Im Rahmen des GlüStV ist der Anknüpfungspunkt aber nicht der Handlungsort des Veranstalters – der wie oben gezeigt meist im Ausland liegt – sondern der Anknüpfungspunkt des § 4 I 1 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages, also grob gesagt, das Veranstalten oder Vermitteln innerhalb der Bundesrepublik.25 Wie oben gezeigt, ist im Rahmen des Strafrechts ein Veranstalten eines Glücksspiels gegeben, wenn der Veranstalter „verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung eines Glücksspiels schafft und dem Publikum Gelegenheit zur Beteiligung daran gibt.“26 Das Strafrecht macht aber seine Anwendbarkeit lediglich vom Handlungs- bzw. Erfolgsort gem. §§ 3, 9 StGB abhängig, wie oben bereits ausgeführt. Jedoch weichen die Vertragsgeber diesbezüglich von dem Anknüpfen an den Handlungs- und Erfolgsort ab. Vielmehr ist für diese ein dritter Ort, nämlich der Veranstaltungsort, für die Anwendbarkeit des § 4 I GlüStV entscheidend. Gem. § 3 IV GlüStV ist ein Glücksspiel dort veranstaltet oder vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird.27 Jedoch ergeben sich auch bei der Auslegung des § 3 IV GlüStV erneut zwei Auslegungsmöglichkeiten. „Dort, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird“ könnte sowohl der Ort sein, von dem die Möglichkeit der Spielteilnahme als solche eröffnet wird, also der Ort, an dem der Inhalt ins Internet gespielt wird. Zugleich besteht aber auch die Möglichkeit, dass damit der Ort gemeint ist, an dem der Spieler die Möglichkeit hat, mitzuspielen, also dessen PC. Es stellt sich also erneut die Frage, ob hier der Belegenheitsort des PCs des Glücksspielanbieters, oder der des Users maßgeblich ist. Sinn und Zweck des § 3 IV GlüStV war es aber gerade, eine klare Regelung dahingehend zu treffen, welches Rechtsregime Anwendung findet, wenn die Spielmöglichkeit über Bundeslandgrenzen hinaus eröffnet wird.28 § 3 IV GlüStV stellt nach überwiegender Ansicht gerade auf den Ort ab, von dem 25  Vgl.

Dietlein/Hecker/Ruttig/Dietlein/Postel, § 4 GlüStV Rn. 30. § 284 Rn. 23; BGH NJW 1958, 758 (759); vgl. Lackner/Kühl/Heger, § 284 Rn. 11, der ebenso die Eröffnung einer Spielgelegenheit und die Ermöglichung der Spielaufnahme fordert; Fischer, § 284 Rn. 18; LK/Krehl, § 284 Rn. 18; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 17; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 15. 27  Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 GlüStV Rn. 13 spricht diesbezüglich von einer klarstellenden Regelung; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 45 spricht vom Motiv der Rechtsklarheit, wohingegen Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV, Rn. 27 von einer Festlegung spricht. 28  Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 GlüStV Rn. 13; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 45. 26  BeckOK-StGB/Hollering,

122 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

der Spieler Zugriff erhält, also den User-Ort.29 Es ist daher gerade für die Anwendbarkeit des Glücksspielverwaltungsrechts nicht entscheidend, von wo aus das Angebot veranstaltet oder organisiert wird bzw. wo der Anbieter seinen Sitz hat30, sondern der Gesetzgeber knüpft an den Ort der Teilnahmemöglichkeit an.31 Ebenso ist irrelevant, wo der Vermittler die Spielverträge oder die Spielbeteiligungen zuleitet.32 Relevanz erfährt § 3 IV GlüStV insbesondere in den hier untersuchten Internetsachverhalten, in denen der Sitz des Veranstalters und der Aufenthaltsort des Spielers auseinanderfallen. Veranstaltungs- bzw. Vermittlungsort ist demnach gem. § 3 IV GlüStV der Ort, an dem dem Spieler die Teilnahmemöglichkeit eröffnet wird. Stellt man daher lediglich auf die Möglichkeit der Spielteilnahme ab, so ist ein Online-Glücksspiel gem. § 3 IV GlüStV in einem Bundesland bereits dann veranstaltet oder vermittelt, wenn aus diesem die Spielteilnahme möglich ist. Die bloße Teilnahmemöglichkeit33 im Inland begründet daher eine Anwendbarkeit des GlüStV und damit auch des in § 4 I GlüStV enthaltenen Erlaubnisvorbehalts.34 Jedoch sieht sich ein Abstellen auf die bloße Abrufbarkeit einer Website in Deutschland zur Begründung einer Teilnahmemöglichkeit den gleichen Bedenken ausgesetzt, wie die strafrechtliche Ansicht, dass die Abrufbarkeit in Deutschland allein bereits einen Tatort in Deutschland begründet. Die bloße Abrufbarkeit genügen zu lassen, hätte zur Folge, dass jedes Angebot im World Wide Web, das in Deutschland abrufbar ist, sich auch automatisch an deutsche Spieler richten würde, mit der Konsequenz, dass alle diese Anbieter einer Erlaubnis gem. § 4 I GlüStV bedürften.35 Es erscheint daher auch unter Berücksichtigung des oben bereits erwähnten Territorialitätsprinzips und des völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatzes geboten, insoweit eine Einschränkung vorzunehmen, dass das Angebot zumindest auch auf den deutschen Markt ausgerichtet sein muss.36 29  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 GlüStV Rn. 13; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 46. 30  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 46; a.A Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 GlüStV Rn. 18 „nicht abschließende Regelung zum Veranstaltungsort“ und daher sei auch der Sitz mitumfasst. 31  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 46. 32  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 46. 33  Die bloße Möglichkeit ist bereits dann gegeben, wenn einem Spieler im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes es möglich ist, ohne eine Sperre an dem Onlineangebot teilzunehmen, vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 GlüStV Rn. 14. 34  So Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 GlüStV Rn. 17; OVG Münster Beschluss vom 22. Februar 2008 – 13 B 1215/07 –, juris. 35  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV, Rn. 28. 36  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV, Rn. 28.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV123

Als Maßstäbe bieten sich hier die gleichen Kriterien an, die hinsichtlich einer objektiven Einschränkung des Erfolgsortes im Rahmen des. § 9 I Var. 3 StGB vorgebracht wurden, wie z. B. das Kriterium der deutschen Sprache37, ob sich das Angebot speziell auf deutsche Sachverhalte38 oder Personen bezieht bzw., dass aus anderen Gründen besondere Anknüpfungspunkte an Deutschland gegeben sind, die hinsichtlich anderer Länder nicht vorliegen.39 Auch die bloße Möglichkeit des Anklickens einer deutschen Fahne solle genügen.40 Hierbei wird z. B. die Verwendung einer deutschen .de Top-LevelDomain41 oder das Angeben einer deutschen Bankverbindung42 genannt. Ebenso können derartige Anknüpfungspunkte sein, dass die angebotenen Spiele einen besonderen Bezug zu Deutschland haben – z. B. Sportwetten –, dass diese Glücksspiele in Deutschland speziell beworben werden oder auch, ob das Spielangebot hauptsächlich von Deutschen wahrgenommen wird.43 Jedoch sind auch hier die gleichen Bedenken wie oben anzubringen.44 Zu berücksichtigen ist hier aber, dass § 3 IV GlüStV fordert, dass der Anbieter dem Spielteilnehmer die Möglichkeit zur Teilnahme „eröffnet“ haben muss. Eine „Eröffnung“ des Spielangebots setzt kein Zutun des Spielers voraus, denn die Eröffnung erfolgt allein durch den Anbieter. Es ist daher irrelevant, wo der Wohnsitz des Spielers liegt und wo der Spieler das Angebot tatsächlich annimmt.45 Jedoch genügt die bloße tatsächliche Möglichkeit im Sinne einer Abrufbarkeit nach dem Wortlaut des § 3 IV GlüStV gerade nicht.46 Der Vertragsgeber spricht nach dem Wortlaut der Norm von „dort, wo die Möglichkeit Fritzemeyer/Rinderle, CR 2003, 599 (601). Postel, WRP 2006, 703 (706). 39  Vgl. Hilgendorf, NJW 1997, 1873 (1876 f.); als derartige objektive Anknüpfungspunkte sind die in Mintas, Glücksspiel im Internet, S. 165, ausgezählten Indizien hinsichtlich eines direkten Versandes von Info- und Werbematerial an deutsche E-Mailadressen, die Sprache der E-Mails und den Gegenstand einer Oddset-Wette möglich. 40  Vgl. Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306); so nun auch ausdrücklich für § 3 IV GlüStV Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV, Rn. 31. 41  Vgl. Fischer, Das Recht der Glücksspiele, S. 56 m.  w.  N.; Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306); Postel, WRP 2006, 703 (706). 42  Vgl-Fischer, Das Recht der Glücksspiele, S. 56 m. w. N.; Postel, WRP 2006, 703 (706). 43  Vgl. Dietlein/Woesler, K&R 2003, 458 (462); Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 301 (306); Stögmüller, K&R 2002, 27 (32); Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV, Rn. 30 stellt schwerpunktmäßig auf die Werbung ab. 44  Deutsch wird z. B. auch in anderen Ländern gesprochen, außerdem sind viele Seite auch auf Englisch. 45  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 46. 46  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 48. 37  Vgl.

38  Vgl.

124 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

eröffnet wird“, er verwendet also das Verb des Eröffnens, wohingegen dieses Eröffnen erst die Möglichkeit der Spielteilnahme bereitet. Würde es dem Vertragsgeber lediglich auf die Möglichkeit der Teilnahme als maßgeblichen Veranstaltungsort ankommen, so würde der Vertragstext vielmehr lauten „Veranstaltet und vermittelt wird ein Glücksspiel dort, wo die Möglichkeit zur Teilnahme besteht.“47 Stattdessen wählte er die Begrifflichkeit „eröffnet wird“. Die Umschreibung „eröffnet wird“ ist aber nur vollständig dahingehend, dass etwas von jemandem eröffnet wird. Es handelt sich hierbei um eine bewusste Handlung einer Person, dieser eröffnet etwas. Es genügt daher auch nicht die bloße Abrufmöglichkeit, sondern es ist vielmehr entscheidend, wo dieser jemand, in diesem Fall der Spielanbieter, dem Spieler etwas (bewusst) eröffnet. Ein Glücksspiel wird daher im Sinne des § 3 IV GlüStV folgerichtig nur dort eröffnet, wo der Veranstalter oder der Vermittler dem Spieler diese Möglichkeit gerade zugänglich machen will.48 Mit Blick auf die bekannten grenzüberschreite Onlineangebot, die auch in Deutschland abrufbar sind, ist ein Bezug zu Deutschland zu bejahen. Die Seiten sind immer auf Deutsch gehalten, beziehen sich auch textlich häufig auf Deutschland oder dort stattfindende Ereignisse49, verfügen über eine deutsche Top-Level-Domain (bzw. von dieser Adresse erfolgt dann eine Weiterleitung) oder schalten z. B. Empfehlungen auf Deutsch. Auch erfolgt der Kundenservice auf Deutsch bzw. stellenweise wird sogar eine Telefonhotline innerhalb Deutschlands genannt.50

III. Genehmigungsfähigkeit Auch die Frage der Genehmigungsfähigkeit richtet sich nach verschiedenen Faktoren. 1. Wer kann eine Lizenz erhalten? Gem. § 10 I GlüStV obliegt es als „ordnungsrechtliche Aufgabe“ den Ländern, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. Gem. § 10 II 47  So

folgerichtig Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 48. Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 3 GlüStV Rn. 46. 49  So steht z. B. auf https://casino.bwin.com/de folgender Text: „Egal ob Slots, Tischspiele oder Black & Yellow Roulette – alles beginnt hier bei bwin Casino, Ihrer Top-Adresse für Online-Casinospiele in Deutschland!“, zuletzt abgerufen am: 06.10. 2020. 50  So ist der Kundenservice von Lottohelden.de unter der (040) 228 660 76 erreichbar, wobei die Vorwahl auf Hamburg schließen lässt, https://www.lottohelden.de/ kontakt/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 48  Ebenso



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV125

GlüStV kann diese Aufgabe nur durch die Länder selbst, durch eine von allen Vertragsländern gemeinsam geführte öffentliche Anstalt, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllt werden. Eine Erlaubnis an andere als die in § 10 II, III GlüStV Genannten ist nach ausdrücklicher Normierung des § 10 VI GlüStV nur in bestimmten Bereichen möglich. Mit einfachen Worten ausgedrückt bestimmen sich die Länder selbst als verpflichtet zur Sicherstellung eines Glücksspielangebots. Dieses Glücksspielangebot darf auch nur durch die Länder (oder von diesen beherrschte Gesellschaften) erfolgen, was zu einem Monopol der Länder auf das Glücksspiel führt, da Privaten (ohne maßgeblicher Länderbeteiligung) die Möglichkeit des Erhalts einer Erlaubnis verwehrt ist.51 Eine Ausnahme hierzu sieht aber bereits § 10 VI GlüStV vor, der eine Erlaubnis an „andere“, als staatlich kontrollierte Akteure für die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts ermöglicht.52 Die §§ 12 ff. GlüStV wiederum regeln die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung hinsichtlich derartiger Lotterien. Eine nach dem dritten Abschnitt erlaubnisfähige Lotterie zeichnet sich unter Zugrundelegung eines Umkehrschlusses zu § 13 II GlüStV dadurch aus, dass die Bekanntgabe der Ziehungsergebnisse maximal zweimal wöchentlich erfolgt, der Höchstgewinn maximal einen Wert von 2 Millionen Euro beträgt und, dass nicht Teile des vom Spieler zu entrichtenden Entgeltes zu dem Zweck angesammelt werden, Gewinne für künftige Ziehungen zu schaffen (planmäßiger Jackpot). Ebenso darf keine interaktive Teilnahme in Rundfunk und Telemedien mit zeitnaher Gewinnbekanntgabe ermöglicht werden.53 Zu beachten ist, dass die hierdurch erfolgte Aufweichung des Staatsmonopols nicht die sehr bekannten Jackpotlotterien umfasst, wie z. B. das Lotto 6 aus 49.54 Lediglich Lotterien „mit geringem Gefährdungspotenzial“ sind daher privaten Akteuren offen gestellt.55 Eine weitere Ausnahme vom Staatsmonopol bildet die in § 10a I GlüStV neu geschaffene Experimentierklausel für Sportwetten. Abweichend von § 10 VI GlüStV, der eine Erlaubniserteilung an Private nur hinsichtlich der 51  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Dietlein/Postel, §  10 GlüStV Rn.  1; Streinz/ Liesching/Hambach/W. Hambach/Brenner, § 10 GlüStV Rn. 8. 52  Aus diesem Umkehrschluss ergibt sich, dass auch private Anbieter daher eine Erlaubnis erlangen können, Dietlein/Hecker/Ruttig/Dietlein/Postel, § 10 Rn. 30. 53  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 141. 54  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Dietlein/Postel, §  10 GlüStV Rn.  1; Streinz/ Liesching/Hambach/W. Hambach/Brenner, § 10 GlüStV Rn. 8. 55  Dietlein/Hecker/Ruttig/Dietlein/Postel, § 10 GlüStV Rn. 30.

126 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

kleineren Lotterien vorsieht, ordnet § 10a I GlüStV die Unanwendbarkeit des § 10 VI GlüStV hinsichtlich Sportwetten an, wobei diese Klausel zunächst nur vom 01.07.2012 bis zum 01.07.2019 Anwendung fand. Gem. § 3 I 4 GlüStV sind Sportwetten „Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen“. Im Rahmen der Experimentierklausel findet demnach eine (vormals zeitlich begrenzte) Abkehr vom in §§ 10 II, VI GlüStV verankerten Staatsmonopol statt.56 Vielmehr ist es gem. § 10a II, III GlüStV nun privaten Sportwettenanbietern möglich, im Rahmen einer gem. §§ 4a bis 4e GlüStV zu erteilenden Konzession, deren Zahl gem. § 10a III GlüStV auf 20 begrenzt ist, eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten zu erhalten. § 10a II GlüStV ordnet (neben § 4a I GlüStV) im genannten Zeitraum eine Konzessionspflicht an, ein Veranstalten ohne die nötige Erlaubnis ist daher gem. §§ 4a I 2, 4 I 2 GlüStV unerlaubtes Glücksspiel und verboten.57 Dafür beinhaltet die Konzession sowohl das Recht Sportwetten im Internet zu veranstalten, als auch dasjenige, solche zu vermitteln, § 10a IV 1 GlüStV. Ein bloßer Sportwettenvermittler hingegen bedarf im Grundsatz lediglich einer Erlaubnis nach §§ 4 I 1, 19 GlüStV und einer gem. § 4 V GlüStV, falls er die Wetten über das Internet vermitteln möchte. Auch eine Vermittlung von Sportwetten an Wettvermittlungsstellen58 der gem. §§ 4a ff. GlüStV konzessionierten privaten Stellen ist möglich, bedarf aber gem. §§ 10a V 2 Hs. 1 GlüStV, 4 I 1GlüStV einer zusätzlichen gesonderten Erlaubnis.59 Hierfür zuständiges Bundesland im Rahmen des nach § 9a GlüStV geregelten ländereinheitlichen Verfahrens ist sowohl für die Konzessionserteilung als auch für die Erlaubnis des § 10 a V 2 Hs. 1 GlüStV gem. § 9a II 1 Nr. 3 GlüStV das Land Hessen.60 Im Ergebnis ist daher für die weitere Untersuchung festzuhalten, dass mit begrenzten Ausnahme im Bereich der geringen Lotterien und im Bereich der Sportwetten, ein staatliches Glücksspielmonopol gem. § 10 II, III, IV GlüStV besteht. Sowohl hinsichtlich von Casinospielen als auch hinsichtlich der größeren Lotterien ist es daher privaten Anbietern nicht möglich, eine benötigte 56  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

Vorb § 10a GlüStV, Rn. 21. § 10a GlüStV Rn. 25 ff. 58  Hierbei handelt es sich um besondere Geschäftsräume der Konzessionsnehmer zur Vermittlung ihres Sportwettenangebots, also sog. Wettbüros, Becker/Hilf/Nolte/ Uwer, § 10a GlüStV Rn. 47. 59  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 10a GlüStV Rn. 46. 60  Im Gegensatz hierzu findet beim Verfahren des § 4 V GlüStV kein ländereinheitliches Verfahren statt, sondern es gelten die allgemeinen Vorschriften der Ausführungsgesetzte der Länder, denn § 9a II GlüStV enthält keine Aussage zur Vermittlung von Sportwetten über das Internet, vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 81; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 140. 57  Becker/Hilf/Nolte/Uwer,



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV127

Erlaubnis zu erlangen, weshalb ein etwaiges von ihnen durchgeführtes Angebot verwaltungsrechtlich verboten und daher auch im Grundsatz gem. § 284 I StGB strafbewehrt ist. 2. Wie darf das Glücksspiel vertrieben werden? Der Glücksspielstaatsvertrag unterscheidet wiederum zwischen den verschiedenen Vertriebswegen des Glücksspiels, genauer zwischen dem stationären Glücksspiel und dem „Glücksspiel im Internet“. Im Hinblick auf die hier untersuchten Formate im Internet ordnet der Staatsvertrag rigoros gem. § 4 IV GlüStV an, dass „[d]as Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet […] verboten“ ist. Eine Erlaubniserteilung für Internetformate scheidet also im Grundsatz bereits von Anfang an aus, weshalb auch im Grundsatz jeder Anbieter, der dennoch Online Glücksspielangebote anbietet, ohne Erlaubnis handelt, weshalb auch eine Strafbarkeit gem. § 284 I StGB im Raum steht. Die Regelung gilt auch unabhängig davon, ob der Glücksspielanbieter sein Angebot in der realen oder in der virtuellen Welt vertreibt. a) Begriffsverständnis von „Glücksspiel im Internet“ Zu beachten ist, dass § 4 IV GlüStV „[d]as Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet“ verbietet, jedoch ist nicht im Staatsvertrag definiert, was „Glücksspiel im Internet“ ist.61 aa) Grammatikalische Auslegung Unter Berücksichtigung einer grammatikalischen Auslegung ist genauer zu würdigen, dass der Gesetzgeber von Glücksspiel im Internet spricht, also gerade nicht über Glücksspiel über das Internet. Auch zuvor wurde vom den Begrifflichkeiten zwischen Glücksspiel „über das Internet“ im Sinne eines alternativen Verkaufs- und Kommunikationsdienstes z. B. zur Bestellung von Losen, und Glücksspiel „im Internet“ unterschieden, in dessen Rahmen durch den Spieler z. B. ein softwaregesteuerter Prozess mit einem – regelmäßig sehr kurz darauffolgenden – Ergebnis in Gang gesetzt wird.62 So wären von diesem engen Verständnis des Begriffs nur Vorgänge erfasst, die ausschließ61  So definiert § 3 GlüStV ausschließlich den Begriff „Glücksspiel“ in § 3 I 1 GlüStV. 62  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 78.

128 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

lich im Internet stattfinden63, wohingegen jegliches Angebot mit irgendeinem terrestrischen Bezug, z. B. Sportwetten, bei denen nur die Wette über das Internet abgegeben wird, aber das Sportereignis in der realen Welt stattfindet, oder sog. „Live-Casino Spiele“, in denen z. B., der Croupier beim Roulette per Webcam übertragen wird, nicht von § 4 IV GlüStV erfasst wäre. bb) Teleologische Auslegung Jedoch spricht das Telos gegen ein derart enges Begriffsverständnis. Der Gesetzgeber hat das bereits im vorherigen Staatsvertrag aufgenommene Internetverbot beibehalten. Insbesondere begründet er dies damit, dass die Ziele des § 1 GlüStV eine Einschränkung der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen würden.64 Im Hinblick auf das Internet gilt dies „insbesondere in Anbetracht der Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind“.65 Der Gesetzgeber hatte also nicht nur das im Internet als solches stattfindende Glücksspiel im Auge, sondern das insgesamt über das Medium des Internet stattfindende.66 Es handelt sich im Rahmen des Staatsvertrages lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit, vielmehr sollte damit (auch) „Glücksspiel über das Internet“ erfasst sein.67 Der Gesetzgeber begründete im Rahmen des zunächst 2008 eingeführten Staatsvertrages – auf dem das Internetverbot beruht –, dass das Verbot nötig sei, da die „Anonymität des Spielenden und das Fehlen jeglicher sozialen Kontrolle es unter dem Aspekt der Vermeidung von Glücksspielsucht als notwendig erscheinen lassen, den Vertriebsweg ‚Internet‘ über den Sportwettenbereich hinaus in Frage zu stellen“68. Dem Gesetzgeber kam es ausdrücklich auf den „Vertriebsweg Internet“ an, also auf jegliches Glücksspiel über das Medium Internet, weshalb die weite Auslegung zu favorisieren ist.69

63  So

z. B. „Slotmachine“-Spiele im Rahmen von Online-Casinos. LT-Drs. 16/11995, S. 22. 65  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 22 (Hervorhebung nur hier). 66  I. E. ebenso Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 78. 67  Vgl. Berberich, Das Internet-Glücksspiel, S. 125, der darauf verweist, dass es sich bei der Beurteilung des Internets als blankes Medium um eine Selbstverständlichkeit handelt, weshalb auf besondere sprachliche Betonung verzichtet werden könne. 68  Begründung zum GlüStV 2008. S. 15; abrufbar unter https://gluecksspiel.unihohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Staatsvertrag/GlueStV_Begruen dung.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 69  Ebenso Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 78. 64  Bay.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV129

cc) Ergebnis Unter Berücksichtigung des Telos des § 4 IV GlüStV ist daher eine Beschränkung des Glücksspiels dahingehend bezweckt worden, jeglichen Vertrieb über das Internet zu verbieten. Es ist daher auch angezeigt, nicht auf die Nutzung einer bestimmten Technik als solches abzustellen, sondern vielmehr eine gefahrenorientierte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „im Internet“ vorzunehmen.70 Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung71 ist daher jegliche Variante als von „im Internet“ mitumfasst anzusehen, bei der im Rahmen des World Wide Webs eine Interaktion zwischen Glücksspielanbieter und dem heimischen Computer stattfindet, soweit bereits hierdurch die Beteiligungsmöglichkeit am Glücksspielangebot eröffnet wird.72 Dann vollzieht sich das Veranstalten „im Internet“ im Sinne des § 4 IV GlüStV. b) Erlaubnismöglichkeiten Jedoch vollzog der Gesetzgeber auch im Rahmen des ab 2012 geltenden Staatsvertrages eine Lockerung dieses Totalverbots. Der Glücksspielstaatsvertrag unterscheidet hinsichtlich der Internetangebote zwischen verschiedenen Angebotsformaten,73 weshalb sich auch die Untersuchung an dieser Aufteilung orientieren wird. Mit Änderung des zuvor geltenden Glücksspielstaatsvertrages – in dem auch ein Internettotalverbot enthalten war74 – erfolgte eine Öffnung des Onlinesegments gem. § 4 V GlüStV. Unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen sollte es den Marktteilnehmern gem. § 4 V GlüStV möglich sein, eine Erlaubnis für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet zu erlangen. Zu beachten ist jedoch, dass die Erlaubnis nach § 4 V GlüStV nur eine Erlaubnis hinsichtlich des Vertriebswegs Internet darstellt, es also nur über das in § 4 IV GlüStV angeordnete Totalverbot für Glücksspiel im Internet hinweghilft. Darüber hinaus bedarf der Anbieter aber weiterhin einer Erlaubnis nach § 4 I GlüStV dahingehend, dass er überhaupt – also unabhängig vom Vertriebsweg – ein Glücksspiel öffentlich veranstalten oder vermitteln 70  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 78; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2012, 47254. 71  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 78; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2012, 47254. 72  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 87. 73  Vgl. hierzu Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 24. 74  Siehe hierzu den wortgleichen § 4 IV des Glücksspielstaatsvertrags in der vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, GVBl. BY I 2007, S. 906 ff.

130 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

darf.75 Im Umkehrschluss ist der Vertriebsweg des Internets auch nicht schon immer dann eröffnet, wenn eine Erlaubnis gem. § 4 I GlüStV besteht. Vielmehr bedarf es darüber hinaus der weiteren Erlaubnis nach § 4 V GlüStV. Das Verbot nach § 4 IV GlüStV ist, wie der Erlaubnisvorbehalt nach § 4 I GlüStV, weder „monopolakzessorisch“, noch sind diese akzessorisch zueinander.76 Dies hat zur Folge, dass sich „niemand […] der Gültigkeit eines Verbots mit der Begründung entziehen [kann], er sei schon aus anderen Gründen nicht berechtigt, die verbotene Tätigkeit auszuüben.“77 Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass verwaltungsrechtlich ein Online-Glücksspielanbieter sowohl die Erlaubnis nach § 4 I GlüStV benötigt, als auch eine, die über das Internetverbot des § 4 IV GlüStV hinweghilft. Eine Erlaubnis für den Internetvertrieb kann sich, wie oben gezeigt, aus § 4 V GlüStV ergeben. Darüber hinaus verleiht die auf Basis der Experimentierklausel nach § 10a II GlüStV erlangte Konzession gem. § 10a IV 1 GlüStV nicht nur die Erlaubnis nach § 4 I GlüStV zur öffentlichen Veranstaltung der Sportwette, sondern darüber hinaus auch die Erlaubnis, „abweichend vom Verbot des § 4 Abs. 4 Sportwetten im Internet zu veranstalten und zu vermitteln“. Eine darüberhinausgehende Regelung hinsichtlich einer Öffnung des Internettotalverbots in Bezug auf Online-Casinospiele erfolgte seitens des Gesetzgebers hingegen bewusst nicht; diese unterstellte er weiterhin ausdrücklich einem Totalverbot.78 3. Zwischenergebnis für die strafrechtliche Beurteilung Wie soeben gezeigt, bedarf es sowohl einer Erlaubnis für die Veranstaltung des öffentlichen Glücksspiels als solche gem. § 4 I GlüStV als auch einer Erlaubnis dahingehend, dass vom Internetvertriebsverbot des § 4 IV GlüStV abgewichen werden darf. § 284 I StGB fordert u. a. ein Veranstalten „ohne behördliche Erlaubnis“. Wie oben gezeigt,79 ist das negative Tatbestandsmerkmal als verwaltungsrechtsakzessorisch zu sehen. Es ist daher das Vorliegen und die Gültigkeit des jeweiligen Glücksspielverwaltungsrechts maßgeblich. 75  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, §  4 GlüStV Rn.  77; Streinz/Liesching/ Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 84. 76  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 GlüStV Rn. 77; Streinz/Liesching/Hambach/ Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 84. 77  BGH GRUR 2012, 201 (203). 78  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 141. 79  S. 40.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV131

Fraglich ist jedoch, ob bereits eine Erlaubnis genügt, um den Tatbestand des § 284 I StGB entfallen zu lassen, da § 284 I StGB nur von „ohne Erlaubnis“ spricht, ohne dass er von einer Mehrzahl von Erlaubnissen ausgeht oder differenziert. Zu beachten ist aber der Sinn und Zweck des § 284 I StGB. Wie oben gezeigt stellt § 284 I StGB einen „Teil der Gesamtregelung zum Glücksspielrecht“80 dar. Eine Strafbarkeit gem. § 284 I StGB kommt daher im Grundsatz immer dann in Betracht, wenn die glücksspielverwaltungsrechtliche Erlaubnis hierfür fehlt. Übertragen auf die Frage, ob eine Erlaubnis für den Ausschluss des negativen Tatbestandsmerkmals genügt, ist festzuhalten, dass dies dem Sinn und Zweck der Norm widerspräche. Gemäß der Gesetzesbegründung ist es unter anderem Zweck des § 284 I StGB „durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten“.81 Diese staatliche Kontrolle spiegelt sich sowohl im Rahmen des § 4 I GlüStV als auch im § 4 IV GlüStV wider. Auch ist „die Erlaubnis“ nicht unbedingt mit einem Verwaltungsakt gleichzusetzen, vielmehr setzt sich ein Erlaubnisbescheid zumeist aus mehreren Verwaltungsakten zusammen, die wiederum meist mit Inhalts- und Nebenbestimmungen versehen werden. Erlaubnis im Sinne des § 284 I StGB meint daher nicht den einzelnen Verwaltungsakt, sondern mit Erlaubnis ist das gesamte Regelungskonstrukt gemeint, das den Glücksspielsachverhalt als solchen verwaltungsrechtlich genehmigt. Dies zeigt sich auch daran, dass der Täter auch dann „ohne behördliche Erlaubnis“ handelt, wenn er zwar eine Erlaubnis besitzt, er dann aber etwaige ihm erteilte Auflagen82 oder Beschränkungen missachtet oder er von dem genehmigten Spielplan abweicht.83 Hieraus folgt, dass der gesamte Geschehensablauf als solcher genehmigt sein muss. Ist das Glücksspiel dem Anbieter zwar an sich gem. § 4 I GlüStV erlaubt, ist ihm aber der Vertriebsweg gem. § 4 IV GlüStV hinsichtlich des Internets verwehrt, so handelt er ohne Erlaubnis, sobald er sein Angebot über das Internet vertreibt. Mit Blick auf die hier untersuchte Strafbarkeit des Anbieters und unter Zugrundelegung der Verwaltungsrechtsakzessorietät des § 284 I StGB ist daher sowohl die Norm des § 4 I GlüStV einerseits und die des § 4 IV GlüStV andererseits das zu prüfende zugrundeliegende Glücksspielverwaltungsrecht, von dessen Bestand eine Strafbarkeit gem. § 284 I StGB abhängt. 80  Saliger/Tsambikakis,

Neutralisiertes Strafrecht, S. 19. 13/8587, S. 67. 82  Vgl. hierzu BGH NJW 1956, 231 (232) und dies bestätigend BGH NJW 1967, 1660 (1661), wonach die fehlende behördliche Erlaubnis bereits dann vorliegt, wenn Lose entgegen der „Genehmigungsbedingungen“ verkauft werden. Hierbei handelt es sich vielmehr um den Verstoß gegen eine Auflage als gegen den einer Bedingung, da im vorliegenden Fall die Genehmigung bereits erteilt wurde, aber unter den „Bedingungen“, die dabei aufgezählten Regelungen einzuhalten. 83  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 18; NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 21. 81  BT-Drs.

132 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Diesbezüglich ist differenzierend zwischen Sportwetten, Lotterien und Online-Casinospielen bzw. Online-Poker und Online-Zweitlotterien zu untersuchen, ob die Regelungen hinsichtlich deren Genehmigungsfähigkeit überhaupt mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Auf Basis dieser Ergebnisse soll dann die Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung geprüft werden.

IV. Anforderungen durch die Rechtsprechung Jedoch sind die gesetzlich normierten Voraussetzungen zur Erlaubnis­ bedürftigkeit und Erlaubnisfähigkeit nicht unumstritten. Vielmehr müssen die gesetzlichen Regelungen mit höherrangigem Verfassungs- bzw. Europarecht vereinbar sein, damit diese überhaupt Geltung entfalten können. Da es sich bei der Thematik des Glücksspiels um kein neues Problem handelt, sondern diese Thematik schon des Öfteren Gegenstand der Rechtsprechung war, soll zunächst die Rechtsprechung hinsichtlich des Glücksspiels im Allgemeinen (vor die Klammer gezogen) dargestellt werden und aus der Rechtsprechung dann anschließend die maßgeblichen Maßstäbe gezogen werden, an denen sich dann wiederum die einzelnen Glücksspielsektoren (Sportwetten, Lotterien, Online-Glücksspiel im Allgemeinen) messen müssen. Sind diese Maßstäbe bekannt, so ist die jeweilige Regulierung pro Glücksspielsektor auf dessen verfassungs- und unionsrechtlichen Bestand hin zu untersuchen. 1. Anforderungen hinsichtlich des Grundgesetzes; Entwicklung der Rechtsprechung bis heute Über die Thematik des Glücksspiels findet sich bereits jetzt eine umfassende u. a. verfassungsrechtliche Rechtsprechung der letzten Jahre, die kurz chronologisch dargestellt werden soll. a) Erster Spielbankenbeschluss des BVerfG Wohl als den Anfang der „neueren“ Rechtsprechung hinsichtlich der Thematik des Glücksspiels, kann man den Spielbankenbeschluss des BVerfG aus dem Jahr 1970 bezeichnen.84 Grund der Entscheidung waren Meinungsverschiedenheiten über die Fortgeltung des Spielbankenrechts als Bundes- oder Landesrecht nach Art. 126 GG.85 In diesem Zusammenhang urteilte der Senat, dass eine Spielbank kein „Gebilde des wirtschaftlichen Lebens und ihr

84  BVerfG

NJW 1970, 1363. VerwArch (87) 1996, 395 (408).

85  Voßkuhle,



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV133

Betrieb […] nicht wirtschaftliche Betätigung“ sei86, was auch einen Ausschluss des Glücksspielveranstalters aus dem Schutzbereich des Art. 12 I GG nahe legte, da dieser sich auf den ersten Blick nicht wirtschaftlich betätigt. Darüber hinaus entschied der erkennende Senat, dass das Spielbankenrecht weder der ausschließlichen noch der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterfällt, weshalb es gem. Art. 30, 70 GG bei der Gesetzgebung der Länder verbleibt.87 Insbesondere gehöre das Spielbankenrecht nicht zum Recht der Wirtschaft gem. Art. 74 Nr. 11 GG, nicht zum Arbeitsrecht gem. Art. 74 Nr. 12 GG und auch nicht zum Steuerrecht gem. Art. 105 II GG.88 Vielmehr unterfalle das Spielbankenrecht dem Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.89 Jedoch ist im Rahmen der Entscheidung zu beachten, dass der Senat lediglich eine Aussage zum Thema der Gesetzgebungskompetenz und nicht zu Art. 12 GG treffen wollte, wie er auch selbst verdeutlicht, indem er urteilt „[o]b der Betrieb einer Spielbank bei anderer, etwa steuerrechtlicher, Betrachtungsweise als Gewerbe anzusehen ist, kann dahin­ stehen“.90 Auch ist zu beachten, dass sich die Entscheidung auf ein vorkon­ stitutionelles Gesetz bezog, das den Betrieb einer Spielbank außerhalb von Kur- und Badeorten – wo Spielhallen ausnahmsweise zulässig waren – verboten hat.91 b) Schutzbereichsbeurteilung des Art. 12 GG durch das BVerwG Ebenso Beachtung verdienen mehrere Entscheidungen des BVerwG92 im Jahr 1994. Im Grundsatz ging es darum, dass mehrere „am Glücksspielmarkt Beteiligte“93 bei der jeweils zuständigen Landesregierung eine Genehmigung für ihre Tätigkeit beantragten, die dann jedoch jeweils von der entsprechenden Landesregierung versagt wurde. Knackpunkt der Entscheidungen war jeweils, ob sich ein Glücksspielanbieter überhaupt auf die in Art. 12 I GG verankerte „Berufsfreiheit“94 berufen kann.

86  BVerfGE

28, 119 (146). 28, 119 (146 ff.). 88  BVerfGE 28, 119 (146 ff.). 89  BVerfGE 28, 119 (148 f.). 90  BVerfGE 28, 119 (149).; vgl. Voßkuhle, VerwArch (87) 1996, 395 (408). 91  Weidemann, DVBl 2016, 665 (667). 92  BVerwG NVwZ 1995, 475; NVwZ 1995, 478; NVwZ 1995, 481. 93  In BVerwG NVwZ 1995, 475 ging es um den Betrieb eines Sportwettunternehmens, in BVerwG NVwZ 1995, 478 um den Betrieb einer Spielbank und in BVerwG NVwZ 1995, 481 um die Erlaubnis als Buchmacher. 94  Genauer gesagt handelt es sich bei der Berufsfreiheit um die Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit, die Berufsfreiheit als solche bildet aus diesen zwei Elemen87  BVerfGE

134 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Dieser Aspekt wurde von den Vorinstanzen mit der Argumentation und unter Verweis auf den Spielbankenbeschluss des BVerfG verneint, da das Spielbankenrecht nicht dazu diene, eine grundrechtlich geschützte wirtschaftliche Betätigung des Spielbankunternehmers und der Beschäftigten zu ermöglichen, vielmehr werde diese Tätigkeit erst durch die genau geregelte und begrenzte Zulassung des Glücksspiels ermöglicht.95 Mit anderen Worten beginnt unter dem Aspekt, dass § 284 I StGB unerlaubtes Glücksspiel verbietet, nach dieser Ansicht der Schutzbereich der Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG erst dann, wenn eine Erlaubnis hinsichtlich der Tätigkeit vorliegt. Hingegen sei die Berufsfreiheit nicht tangiert, solange sich die Tätigkeit außerhalb dieses erlaubten Rahmens befindet. Die einfachgesetzliche Erlaubnis würde also den Begriff des „Berufs“ und damit den Schutzbereich bestimmen. Es handelt sich dann nämlich nicht um eine erlaubte wirtschaftliche Betätigung.96 Entgegen dieser Ansicht hat das BVerwG in seinen Entscheidungen anerkannt, dass sich auch der Glücksspielbetreiber im Grundsatz auf Art. 12 I GG berufen kann. Der Glücksspielanbieter als solcher übt einen „Beruf“ im Sinne des Art. 12 I GG aus, denn der Begriff ist weit auszulegen, weshalb grundsätzlich jede auf die Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung als Beruf anzusehen ist, was auch auf den Glücksspielanbieter als solchen zutreffe.97 Es ist in diesem Zusammenhang für die Einordnung unter den Berufsbegriff des Art. 12 I GG auch ohne Bedeutung, dass sich der Anbieter, falls er sein Angebot ohne die nötige Erlaubnis anbietet, gem. § 284 StGB strafbar macht.98 Denn nur das Grundgesetz kann bestimmen, welche „Betätigungen außerhalb des Grundrechtsschutzes eines ‚Berufs‘ stehen und daher ohne Verletzung des Art. 12 I GG durch Gesetz oder Verordnung jedermann verboten werden dürfen.“99 Dass ein einfaches Gesetz eine Betätigung verbietet bzw. für strafbar erklärt, hat daher keine Auswirkung auf die Qualifizierung einer Tätigkeit als „Beruf“ im Sinne des Art. 12 I GG.100

ten ein einheitliches Grundrecht, BVerfG NJW 1958, 1035 (1037); NJW 1959, 1579 (1579); LKV 1997, 325 (326). 95  BayVerfGH BayVBl. 1990, 526 (528), in diesem Fall bzgl. der allgemeinen Handlungsfreiheit, da die Bayerische Verfassung keine Berufsfreiheit als solche kennt, sondern nur als Aspekt der allgemeinen Handlungsfreiheit. 96  OVG Koblenz NVwZ-RR 1991, 554 (555). 97  Vgl. BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479). 98  Vgl. BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479). 99  BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479). 100  BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV135

Ebenso fällt das gewerbliche Glückspiel nicht aufgrund einer Einstufung als evident sozialschädliches Verhalten aus dem Schutzbereich des Art. 12 I GG.101 Denn bei der Veranstaltung von Glücksspielen zeigt das Grundgesetz selbst, dass die Betätigung nicht evident sozialschädlich ist, denn Art. 106 II Nr. 5 GG setzt Spielbanken und damit Glücksspiel als solches voraus.102 Auch die Entscheidung der Verwaltung darüber, ob eine Ausnahme von einem Repressivverbot (wie es bei der Erlaubniserteilung im Rahmen des GlüStV der Fall ist) möglich und zu erteilen ist, also die Verwaltungsentscheidung als solche, nimmt am Grundrechtsschutz teil; „die Erlaubnis­ voraussetzungen seien im Lichte der Grundrechte zu würdigen.“103 c) Jedoch keine Änderung der Regulierungssituation als solche Die Anerkennung des Grundrechtsschutzes der Glücksspielanbieter hat dennoch zu keiner Öffnung des Glücksspielsektors geführt, vielmehr verblieb es weiterhin ohne Zweifel beim staatlichen Glücksspielmonopol.104 Die Rechtsprechung des BVerwG wurde in Folge auch durch das BVerfG bestätigt. Im Rahmen des zweiten Spielbankenbeschlusses sah auch das BVerfG den Schutzbereich des Art. 12 GG für einen Spielbankenbetreiber, der eine Erlaubnis in Baden-Württemberg begehrte, als eröffnet an.105 Die Rechtslage war mit dem nun geltenden Glücksspielstaatsvertrag vergleichbar, gem. § 1 III BadWürttSpielbankG war eine Erlaubniserteilung an Private nur möglich, wenn deren sämtliche Anteile unmittelbar oder mittelbar vom Land gehalten werden, wobei diese Voraussetzungen während der gesamten Dauer des Bestehens der Erlaubnis gegeben sein mussten.106 Es lag demnach für die Spielbanken ein staatliches Monopol vor. In dieser Monopolausgestaltung sah der erkennende Senat einen Eingriff in die Berufsfreiheit, denn diese „berührt die Freiheit der Berufswahl und damit […] den Schutzbereich des Art. 12 I GG.“107 Dieser Eingriff stelle, da „der Zugang zum Beruf des Spielbankunternehmers insoweit nicht von der Qualifikation der Unternehmen oder von sonstigen Kriterien abhängig ist, auf welche die Bewerber um eine Erlaubnis Einfluss nehmen können, […]

101  Vgl. zum Ausschluss des evident sozialschädlichen Verhaltens, BeckOK-GG/ Ruffert, Art. 12 Rn. 42. 102  BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479). 103  Weidemann, DVBl 2016, 665 (667) mit Verweis auf BVerwGE 97, 12. 104  Vgl. Weidemann, DVBl 2016, 665 (667). 105  BVerfG NVwZ 2001, 790 (792 f.). 106  Vgl. BVerfG NVwZ 2001, 790 (791). 107  BVerfG NVwZ 2001, 790 (792).

136 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

eine objektive Berufszulassungsvoraussetzung“ dar.108 Dieser Eingriff sei daher grundsätzlich nur zu rechtfertigen, wenn er „zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten“ ist.109 Insoweit bleibt der erkennende Senat der üblichen Linie bei der Prüfung einer objektiven Berufszulassungsvoraussetzung treu, jedoch bildet die Entscheidung eine erwähnenswerte Besonderheit. Der erkennende Senat nimmt für den Bereich der Spielbank – und damit stellvertretend für Glücksspielanbieter als solche – eine Einschränkung des Grundrechtsschutzes vor. Einen derart weiten Grundrechtsschutz dahingehend, dass der Eingriff nur gerechtfertigt ist, wenn er zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten ist, gelte nach Ansicht des Senats „nur für Berufe, die ihrer Art nach wie hinsichtlich der Möglichkeiten, den jeweiligen Beruf tatsächlich auch zu ergreifen, nicht durch atypische Besonderheiten gekennzeichnet sind.“110 Diese atypische Besonderheit sah der Senat aber gerade in der Spielbank, denn der Betrieb dieser stelle „eine an sich unerwünschte Tätigkeit“ dar, die der Staat nur erlaubt, um „illegale[s] Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen.“111 Der Senat sieht es daher aufgrund der Besonderheiten des Spielbanken„marktes“ als erforderlich an, den Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu erweitern, da „die Eigentümlichkeiten des Gegenstandes der beruf­ lichen Tätigkeit“ es hier erfordere „einen breiteren Regelungs- und Gestaltungsspielraum des staatlichen Gesetzgebers“ zu haben.112 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung richtet sich daher nur darauf, ob bei der „im Einzelfall beabsichtigten Beschränkung wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden.“113 Nach dieser Rechtsprechung genügen bereits „wichtige Gemeinwohlbelange“, um eine objektive Berufszulassungssperre zu rechtfertigen.114

108  BVerfG

NVwZ 2001, 790 (793). NVwZ 2001, 790 (793). 110  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793). 111  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793), wobei der Senat auf den ersten Spielbankenbeschluss verweist. 112  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793). 113  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793). 114  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793), im Rahmen der Entscheidung bejahte der Senat dann trotz Einschränkung des Schutzes einen unverhältnismäßigen und daher nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff, da nicht ersichtlich war, warum eine Abkehr von dem bisher geltenden Modell, dass auch Private Spielbanken betreiben durften, nötig sei. 109  BVerfG



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV137

Auch das BVerwG erkannte weiterhin in seiner darauffolgenden Rechtsprechung zu glücksspielrechtlichen Themen einen Grundrechtsschutz gem. Art. 12 I GG an.115 In diesen Schutzbereich sei auch eingegriffen worden, indem es gewerblichen Anbietern nicht möglich sei, eine Erlaubnis für die Ausübung der geschützten Tätigkeit zu erlangen, es liegt hierdurch „ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Ausübung des Berufs“ vor.116 Dieser Eingriff sei aber gerechtfertigt. § 284 StGB verbiete selbst dann die gewerbliche Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten, wenn es dem privaten Anbieter überhaupt nicht möglich ist, eine Genehmigung zu erhalten.117 Allein die Verschärfung der §§ 284 ff. StGB durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz zeige, dass die Bewertung der geschützten Rechtsgüter als überragend wichtige Gemeinschaftsgüter der Strafgesetzgebung zugrunde läge.118 Das Strafrecht selbst trifft keine Entscheidung darüber, ob und inwieweit Glücksspiele abweichend von ihrer „grundsätzlichen Unerlaubtheit“ zugelassen werden können, oder nicht.119 Daher habe der Landesgesetz­ geber – in diesem Fall der Freistaat Bayern – insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, dass er eben keine Konzessionen erteilte.120 Aufgrund dieser Entscheidung des Landesgesetzgebers sei „die Veranstaltung oder Vermittlung der in Rede stehenden Glücksspiele gemäß § 284 StGB, der seinerseits auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Strafrecht (Art. 74 Nr. 1 GG) beruht, verboten und mit Strafe be­ droht.“121 Der erkennende Senat leitete demnach aus § 284 I StGB selbst die Rechtfertigung für die Länder ab, dass diese ein staatliches Monopol auf das Glücksspiel festlegen können. Denn § 284 I StGB zeige, dass das Glücksspiel unerwünscht sei und daher eine Einschränkung der Berufsfreiheit dem Schutze überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter dient.122 Auch im ab 2004 geltenden Lotteriestaatsvertrag zogen die Entwurfverfasser die bundesgesetzgeberische Wertung des § 284 I StGB heran und sahen in der Verweisung des § 284 I StGB auf das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ die Obliegenheit der jeweiligen Landesgesetzgebern „die ordnungs-

115  Siehe

hierzu BVerwG NJW 2001, 2648 (2649). NJW 2001, 2648 (2650); im zugrundeliegenden Urteil ging es um die Betätigung als Sportwettunternehmer. 117  Vgl BVerwG NJW 2001, 2648 (2649 f.); Weidemann, DVBl 2016, 665 (667). 118  BVerwG NJW 2001, 2648 (2649). 119  BVerwG NJW 2001, 2648 (2649). 120  BVerwG NJW 2001, 2648 (2649). 121  BVerwG NJW 2001, 2648 (2649). 122  Vgl. Weidemann, DVBl 2016, 665 (667). 116  BVerwG

138 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zulassung von Glücksspielen vor­ zugeben“.123 Auch in weiteren Entscheidungen blieb der Senat seiner Rechtsprechung treu, dass das Repressivverbot selbst dann verfassungsgemäß ist, wenn keine Erlaubnismöglichkeit für den Grundrechtsträger besteht.124 d) Sportwettenentscheidung des BVerfG Eine der bedeutendsten Entscheidungen der nationalen Gerichte im Rahmen des Glücksspiels bildet die Sportwettenentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2006.125 Das Urteil erging auf die vorhergehende Entscheidung des BVerwG126 und hat sich hauptsächlich mit der Frage befasst, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass es nur staatlichen Anbietern vorbehalten ist, Sportwetten zu veranstalten und zu vermitteln, private Anbieter aber außen vor bleiben. Die Verfassungsbeschwerde betraf das bayerische Staatslotteriegesetz vom 29. April 1999.127 Nach dessen Art. 2 IV oblag die Durchführung von Glücksspielen alleinig der Staatlichen Lotterieverwaltung, wobei gem. Art. 2 IV 2 die Staatliche Lotterieverwaltung eine staatliche Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen ist. Eine Übertragung der Durchführung von Glücksspielen auf juristische Personen des Privatrechts war gem. Art. 2 V 1 StLottG zwar möglich, jedoch ausschließlich, wenn der Freistaat Bayern der alleinige Gesellschafter dieser juristischen Person ist (Art. 2 V 2 StLottG). Das Gesetz normierte also, dem nun geltenden GlüStV vergleichbar, ein Staatsmonopol. Das BVerfG urteilte nun in seinem Sportwettenurteil: „Das bayerische Staatslotteriegesetz vom 29. April 1999 ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unver­ einbar“.128 Seine Prüfung vollzieht das Gericht daher auch am Maßstab des Art. 12 I GG und baut sein Urteil im gängigen129 Schema von Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung auf.

123  Erläuterungen zum Lotteriestaatsvertrag, S. 19, abrufbar unter: https://gluecks spiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Rechtssprechung/Lotte riestaatsvertrag.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 124  Siehe BVerwGE 126, 149 Rn. 14; in der der Senat auch seine Wertung aus § 284 StGB zieht. 125  BVerfGE 115, 276. 126  BVerwG NJW 2001, 2648. 127  GVBl. BY 1999, S. 226. 128  BVerfG NJW 2006, 1261 (1261). 129  Siehe hierzu als Beispiel Manssen, Staatsrecht II, Rn. 913 ff.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV139

aa) Schutzbereich In diesem Rahmen bejaht der erkennende Senat zunächst, dass der Sportwettenanbieter, obwohl er ein Glücksspiel veranstalten möchte, das unter ein Staatsmonopol fällt, in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fällt. Unter Beruf ist „jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient […]. Sowohl das Veranstalten als auch das Vermitteln von Sportwetten erfüllen diese Merkmale und stehen somit als berufliche Tätigkeiten unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit.“130 Dem stehe weder entgegen, dass die Tätigkeit einfachgesetzlich verboten ist, noch, dass das Anbieten von Wetten alleine dem Staat vorbehalten ist.131 Der erkennende Senat stimmte inhaltlich den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu, dass das Verbot einer Tätigkeit durch das einfache Recht nicht zu einer Versagung des Grundrechtsschutzes im Rahmen des Art. 12 I GG führt.132 Auch handele es sich bei Sportwetten um keine Tätigkeit, die aufgrund ihrer „Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit“ teilhaben könne, denn das Angebot von Sportwetten sei als Sonderform im Rennwett- und Lotteriegesetz bereits zulässig.133 Auch handele es sich bei der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten nicht um eine Tätigkeit, die von vornherein nur der öffentlichen Hand zugänglich und ihr vorbehalten ist.134 Hierfür prädestiniertes Beispiel wäre z. B. die Polizei als Sicherheitsorgan.135 bb) Eingriff Den Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers sieht der Senat wiederum darin, dass die Fachgerichte eine Auslegung vornahmen, wonach gem. § 284 I StGB grundsätzlich Wetten verboten sind, außer es besteht eine Erlaubnis. Basierend auf dieser Auslegung behält das bayerische Staatslotteriegesetz die Veranstaltung von Wetten ausschließlich dem Staat selbst vor, ohne dass privaten Anbietern eine Erlaubniserteilung möglich ist. Der damit einhergehende Ausschluss gewerblicher Wettveranstaltungen durch private Wettunternehmen sowie der Ausschluss der Vermittlung von Wetten, die 130  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1262). NJW 2006, 1261 (1262). 132  BVerfG NJW 2006, 1261 (1262). 133  BVerfG NJW 2006, 1261 (1262). 134  BVerfG NJW 2006, 1261 (1262). 135  Vgl. BVerwG NVwZ 1995, 478 (479). 131  BVerfG

140 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, stellt im Rahmen dieser Auslegung den rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.136 Der erkennende Senat sah in der vorliegenden Entscheidung den Eingriff in die Berufsfreiheit nicht durch die Annahme des BVerwG, dass bereits § 284 I StGB ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt definiert, was eine Berufsausübung ohne Erlaubnis daher verbietet, sondern er sah vielmehr den Eingriff erst in dem im Staatslotteriegesetz festgeschriebenen Staatsmonopol, das eine Erlaubniserteilung möglich macht.137 Der Eingriff durch das Staatslotteriegesetz sei daher zu rechtfertigen. cc) Rechtfertigung Zu dieser Rechtfertigung war aber der Landesgesetzgeber nicht im Stande. Die Rechtfertigung wiederum prüfte der Senat anhand des gängigen Schemas. „Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 I 2 GG, der auch für Maßnahmen gilt, die die Freiheit der Berufswahl betreffen […], nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende, Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht“.138 Der Senat bejahte die formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, insbesondre bestätigte er eine Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers hinsichtlich eines Wettmonopols, da der Bund „von einer möglichen Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 I Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft), abgesehen vom Bereich des Wettens auf Pferdesportereignisse, jedenfalls keinen Gebrauch gemacht hat (Art. 72 I GG).“139 Damit zeigte der Senat auch, dass er nicht zwingend, wie 1970 bei den Spielbanken, davon ausgeht, dass die Gesetzgebung nicht unter den Kompetenztitel „Recht der Wirtschaft“ des Art. 74 I Nr. 11 GG fällt. Im Hinblick auf die Frage der Verhältnismäßigkeit bejaht der Senat zwar „legitime Gemeinwohlziele“, diese rechtfertigen aber nicht alle Beschrän136  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1262). Weidemann, DVBl 2016, 665 (668), der hier zu Recht von einer „strukturellen Schieflage“ spricht. 138  BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 139  BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 137  Vgl.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV141

kungen der Berufsfreiheit.140 Eine derartig weitgehende Prüfung der Verhältnismäßigkeit am Maßstab einer objektiven Berufszulassungssperre, wie im zweiten Spielbankenbeschluss, vollzog der Senat aber nicht; es erfolgte keinerlei tiefergehende Befassung mit dieser Frage. Der Senat erkannte als legitime Ziele „die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht“, den „Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter“, einen darüber hinausgehenden Verbraucherschutz und die „Abwehr von Gefahren aus mit dem Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität“ an.141 Insbesondere aber erteilt der Senat fiskalischen Interessen des Staates als Rechtfertigung zur Errichtung eines Monopols eine Absage.142 Eine Mittelabschöpfung ist lediglich als Reflex zur Suchtbekämpfung möglich, nicht jedoch als selbstständiges Ziel.143 Darüber hinaus sei ein Monopol sowohl geeignet als auch erforderlich, um die legitimen Ziele zu erreichen.144 Der Gesetzgeber verfügt sowohl bei der Geeignetheit über einen „Einschätzungs- und Prognosevorrang“, als auch bei der Erforderlichkeit über einen „Beurteilungs- und Prognosespielraum“. Diesen Einschätzungs- und Prognosevorrang habe der Gesetzgeber im Rahmen der Geeignetheit nicht überschritten, vielmehr sei es seine Entscheidung, welche Maßnahme er wählt, soweit er unter Beachtung der Sachgesetzlichkeit des betreffenden Sachgebiets diese Entscheidung trifft.145 Insbesondere entfällt eine Eignung nicht alleine dadurch, dass ein staatliches Monopol nur beschränkt durchsetzbar ist.146 Auch sei der Beurteilungs- und Prognosespielraum nicht überschritten. Eine verfassungsrechtliche Beanstandung dieses Spielraums ist nur möglich, „wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen indessen weniger belasten.“147 Diese sind hier aber nicht ersichtlich gewesen. Jedoch verneinte der erkennende Senat im Anschluss die Angemessenheit des Monopols. Ein Ausschluss von Bürgern hinsichtlich der Glücksspieltätigkeit ist „nur dann zumutbar, wenn das bestehende Wettmonopol auch in sei140  BVerfG 141  BVerfG 142  BVerfG 143  BVerfG 144  BVerfG 145  BVerfG 146  BVerfG 147  BVerfG

NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW

2006, 2006, 2006, 2006, 2006, 2006, 2006, 2006,

1261 1261 1261 1261 1261 1261 1261 1261

(1263). (1263). (1263). (1264). (1264). (1264). (1264). (1264).

142 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

ner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient.“148 Die Ausgestaltung des Oddset-Angebots verdeutlicht aber ein Regelungsdefizit, denn die rechtliche Ausgestaltung des „Wettmonopols gewährleistet nicht hinreichend, dass das staatliche Wettangebot konsequent in den Dienst einer aktiven Suchtbekämpfung und der Begrenzung der Wettleidenschaft gestellt ist und ein Konflikt mit fiskalischen Interessen des Staates nicht zu Gunsten dieser ausgeht.“149 Es fehle an den nötigen inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Wettangebots. Auch verdeutliche sich das Regelungsdefizit in tatsächlicher Hinsicht, da das Angebot Oddset nicht aktiv an einer Bekämpfung von Spielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtet ist.150 Vielmehr erweckt das Angebot den Eindruck einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ unter Berücksichtigung der Begleitinformation und des Vertriebsweges.151 Auch die Präsentation des Wettangebots ist „nicht ausreichend am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet.“152 Aus diesem Grund ist das Staatsmonopol auf Sportwettenangebote unverhältnismäßig und materiell verfassungswidrig. Der erkennende Senat gibt daher dem Gesetzgeber mehrere Vorgaben mit: Wolle dieser „an einem staatlichen Wettmonopol festhalten, muss er dieses konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausrichten. Dabei ergeben sich für die verfassungsgemäße Ausgestaltung eines Wettmonopols materiell-rechtliche und organisatorische Anforderungen. Deren Umsetzung im Einzelnen und im Zusammenspiel miteinander obliegt dem Gesetzgeber.“153 Hinsichtlich der erforderlichen Regelungen gibt der Senat dem Gesetzgeber die Ausgestaltung insoweit vor, als zu dieser „inhaltliche Kriterien betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten sowie Vorgaben zur Beschränkung ihrer Vermarktung“ gehören müssen.154 Im Detail bedeutet dies: „Die Werbung für das Wettangebot hat sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale

148  BVerfG 149  BVerfG 150  BVerfG 151  BVerfG 152  BVerfG 153  BVerfG 154  BVerfG

NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW

2006, 2006, 2006, 2006, 2006, 2006, 2006,

1261 1261 1261 1261 1261 1261 1261

(1264). (1265). (1265 f.). (1266). (1266). (1267). (1267).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV143

Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten zu beschränken. Die Einzelausgestaltung ist an dem Ziel der Suchtbekämpfung und damit verbunden des Spielerschutzes auszurichten, auch etwa durch Vorkehrungen wie der Möglichkeit der Selbstsperre […]. Geboten sind Maßnahmen zur Abwehr von Suchtgefahren, die über das bloße Bereithalten von Informa­ tionsmaterial hinausgehen. Die Vertriebswege sind so auszuwählen und einzurichten, dass Möglichkeiten zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt werden. Insbesondere eine Verknüpfung von Wettmöglichkeiten mit Fernsehübertragungen von Sportereignissen würde dem Ziel der Suchtbekämpfung zuwiderlaufen und die mit dem Wetten verbundenen Risiken verstärken. Schließlich hat der Gesetzgeber die Einhaltung dieser Anforderungen durch geeignete Kontrollinstanzen sicherzustellen, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen.“155 Auch äußert sich der Senat kurz zur Gesetzgebungskompetenz. Es obliegt entweder dem Bundes- oder dem Landesgesetzgeber, eine Neuregelung zu schaffen. Der Bundesgesetzgeber verfügt diesbezüglich über eine Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 I Nr. 11 GG, wobei er nur unter den Voraussetzungen des Art. 72 II GG tätig werden dürfe. Insbesondere scheitere eine Bundeskompetenz nicht an dem ordnungsrechtlichen Aspekt der Regelungsmaterie.156 Eine Besonderheit besteht auch darin, dass der Senat eine Weitergeltungsanordnung erlässt, dass die Regelungen weiter bis zum 31.12.2007 gelten.157 Pünktlich am Ende der Weitergeltungsanordnung trat der Erste Glücksspielstaatsvertrag in Kraft.158 Für die weitere Untersuchung sind mehrere Punkte im Rahmen des Urteils zu beachten. Insbesondere hat sich der Senat zur Frage der Gesetzgebungskompetenz und zur Frage des verfassungsrechtlichen Bestands eines Staatsmonopols auf dem Glücksspielsektor geäußert. Auch auffällig an der Entscheidung ist, dass der Senat seine Prüfung nicht anhand der üblichen Unterteilung des Eingriffs im Rahmen der Drei-StufenTheorie vornahm159, vielmehr sind seine Ausführungen sehr allgemein gehal155  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1267). NJW 2006, 1261 (1267). 157  BVerfG NJW 2006, 1261 (1267). 158  GV NRW 2007, S. 445 (454 ff.). 159  Vgl. hierzu BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 93 ff. 156  BVerfG

144 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

ten.160 Auch eine Anknüpfung an die im zweiten Spielbankenbeschluss gesetzten Maßstäbe erfolgte im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht. Ob dem so gefolgt werden kann, ist später zu klären. e) Entwicklung der obergerichtlichen Entscheidungen nach der Sportwettenentscheidung Wichtigste Konsequenz der Sportwettenentscheidung stellte die Einführung des Ersten Glücksspielstaatsvertrages zum 01.01.2008 dar161, der die Basis für den nun Geltenden bildet. Sowohl der Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2008 als auch der aus dem Jahr 2012 war weiterhin Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Bereits kurz nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages im Jahr 2008 hatte das BVerfG im Oktober desselben Jahres über die Verfassungsbeschwerde einer Aktiengesellschaft, die die gewerbliche Spielvermittlung über das Internet an staatliche Lotterien vornahm, gegen Regelungen des GlüStV 2008, zu entscheiden.162 Der erkennende Senat nahm die Verfassungsbeschwerde zwar unter Hinweis darauf, dass die „für den vorliegenden Fall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen […] in der Rechtsprechung des BVerfG geklärt“ seien163, nicht zur Entscheidung an, nutzte aber die Möglichkeit zur grundsätzlichen Klärung mehrerer Fragen. Der Senat bejahte sowohl einen Eingriff in die Berufsfreiheit durch § 4 I, II GlüStV 2008 als auch durch § 4 IV GlüStV 2008164, die den nun geltenden Vorschriften des GlüStV inhaltsgleich sind. Der Eingriff sei aber nach Ansicht des Gerichts gerechtfertigt, die Länder verfügen wohl über die nötige Gesetzgebungskompetenz, die Regelungen genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz und beachte auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.165 Dies gelte sowohl für den repressiven Erlaubnisvorbehalt für den Veranstalter als auch für den des Vermittlers.166 Hinsichtlich des § 4 IV GlüStV 2008 sei auch das Internettotalverbot gerechtfertigt, da die „Besonderheiten des Glücksspiels per Internet, namentlich dessen Bequemlichkeit und Abstraktheit, problematisches Spielverhalten in entscheidender Weise begünstigen“ und daher eine höhere Gefahr vom Vertriebsweg Internet im Gegensatz zu sonstigen VerWeidemann, DVBl 2016, 665 (669 f.). NRW 2007 S. 445 (454 ff). 162  BVerfG NVwZ 2008, 1338. 163  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1338). 164  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1339). 165  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 166  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340 ff.). 160  Ebenso 161  GV



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV145

triebswegen ausgeht, was wiederum ein Totalverbot rechtfertigt.167 Ebenso erging hinsichtlich der Begründung die gleiche Entscheidung erneut im Dezember 2008, in der das Bundesverfassungsgericht eine weitere Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annahm.168 In der Folge äußerte sich auch das BVerwG zur Frage der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit des § 4 IV GlüStV. Das Gericht sah, unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008, zwar einen Eingriff in die durch Art. 12 I GG geschützte Berufsfreiheit, dieser sei aber gerechtfertigt.169 Im Rahmen des Urteils ließ das BVerwG die Frage unbeantwortet, ob nur die Berufsausübungsfreiheit oder ob auch die Berufswahlfreiheit beschränkt sei, da das in § 4 IV GlüStV 2008 normierte Internetverbot dem Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und einem effektiven Jugendschutz diene.170 Dies seien „besonders wichtige Gemeinwohlbelange, die selbst objektive Berufswahlregelungen rechtfertigen“.171 Grund, an der tatsächlichen Verfolgung dieser Ziele zu zweifeln, sah der erkennende Senat nicht, trotz der Tatsache, dass sich der Normgeber innerhalb seines Kompetenzbereiches bei der Verfolgung dieser Ziele widersprüchlich verhielt.172 Auch zum Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung ab 2012173 ergingen mehrere Entscheidungen, wobei zwei aus der jüngeren ­Vergangenheit – dem Jahr 2017 – besonders für die Untersuchung ins Auge gefasst werden sollen. Zum einen ist dies die Entscheidung des BVerfG hinsichtlich mehrerer Verfassungsbeschwerden gegen landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen174, zum anderen die Entscheidung des BVerwG hinsichtlich der Vereinbarkeit des Internetverbots mit höherrangigem Recht.175

167  BVerfG

NVwZ 2008, 1338 (1343). Beschluss vom 17.12.2008 – 1 BvR 3409/08 –. 169  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 170  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 171  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 172  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 173  Dieser löste den Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2008 zum 01.01.2012 ab, da unter anderem der EuGH in seiner Entscheidung zur Rechtssache Carmen Media entschied, dass das verwaltungsrechtliche Verbot der Vermittlung von Sportwetten durch private Anbieter gegen das Recht auf die freie Niederlassung und das Recht auf freie Erbringung von Dienstleistungen nach Art. 43 und 49 EGV (nun Art. 49 und 56 AEUV) verstoße, EuGH NVwZ 2010, 1422; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 19; siehe hierzu auch S. 166 ff. 174  BVerfG NVwZ 2017, 1111. 175  BVerwG ZfWG 2018, 139. 168  BVerfG,

146 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

aa) Die Entscheidung des BVerfG Die Entscheidung des BVerfG im zugrundeliegenden Verfahren bezog sich auf eine Regelung der Landesgesetzgeber hinsichtlich Spielhallen, die den Betreibern mehr Voraussetzungen für die Erteilung einer Spielhallen­ erlaubnis auferlegten. Zum einen äußerte sich der Senat zum „Recht der Spielhallen“ im Sinne des Art. 74 I Nr. 11 GG,176 wobei dieser Aspekt für die die Spielhallen ausklammernde Untersuchung nicht weiter vertieft werden soll. Der erkennende Senat sah vorliegend zu Recht einen Eingriff in die gem. Art. 12 I GG gewährleistete Berufsfreiheit, der nur zu rechtfertigen ist, wenn der Eingriff zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet ist, er nicht weiter geht, als es die Gemeinwohlbelange erfordern und der Eingriffszweck und die Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen.177 Dieses legitime Ziel sieht der Senat in der „Spiel- und Wettsucht, Bekämpfung und weiterer negativer Begleiterscheinungen des Spiel- und Wettbetriebs“.178 Bedeutung über die Thematik der Spielhallen hinaus erlangt die Entscheidung aber, da sich der Senat zum anderen zur Frage äußert, welchen Einfluss es auf eine Grundrechtsprüfung hat, wenn der Staat selbst wirtschaftlich auf dem (Spiel)Markt tätig ist. Ein beim Staat monopolisiertes Sportwettenangebot verlange eine konsequente Ausgestaltung der Maßnahmen zur Vermeidung und zur Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten, „da fiskalische Erwägungen des Staates solche Einschränkungen der Berufsfreiheit nicht tragen können.“179 Auch außerhalb von Staatsmonopolen ist bei „einer Konfliktlage mit staatlicher Beteiligung am Spiel- und Wettmarkt eine Ausrichtung der staatlichen Maßnahmen auf die Bekämpfung der Spielsucht erforderlich.“180 Zunächst ist also aus der Entscheidung festzuhalten, dass der Senat, wie bereits in den vorherigen Entscheidungen, klarstellt, dass ein fiskalisches Interesse kein einen Grundrechtseingriff rechtfertigender legitimer Zweck ist. Vielmehr muss das Angebot hauptsächlich auf die Bekämpfung der Spielsucht gerichtet sein. Besonderheit der Entscheidung ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht zur Thematik der Kohärenzanforderung im Rahmen der Glücksspielregulierung äußert.181 Der Begriff der Kohärenz ist entschei176  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1116 NVwZ 2017, 1111 (1116 178  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 179  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 180  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 181  Vgl. Dietlein, NVwZ 2017, 1667 177  BVerfG

Rn. 97 ff.). Rn. 121). Rn. 122). Rn. 122). Rn. 122). (1668).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV147

dend durch die Unionsrechtsprechung geprägt182 und bedeutet insoweit, dass der jeweilige Gesetzgeber den jeweils vorgebrachten legitimen Zweck in konsequenter Art und Weise verfolgen muss. Diesbezüglich ist unter dem Begriff der „horizontalen Kohärenz“ zu verstehen183, inwieweit die Regulierung eines Glücksspielsektors, hier der Spielhallen, Bedeutung findet für andere Regulierungen, z. B. im Bereich der Sportwetten.184 Der Begriff der vertikalen Kohärenz erfasst im Gegensatz hierzu die konsequente Zielerreichung in einem Glücksspielsektor, wohingegen die horizontale Kohärenz das Gesamtbild der Glücksspielsektoren betrachtet und begutachtet, ob die Regulierung in einem Sektor die Bemühungen in einem anderen Glücksspielsektor konterkariert. Wer in einem Glücksspielsektor tätig wird, also ob der Staat oder auch Private, ist für diese ­Eingruppierung hingegen zunächst irrelevant, entscheidend ist für die Eingruppierung nur der jeweilige Glücksspieltyp als solcher. Oder um das Ganze bildlich darzustellen:

Der Senat erachtet insbesondere dann eine Einbeziehung anderer Glücksspielformen für notwendig, „wenn der Gesetzgeber (auch) eigene fiskalische Interessen verfolgt und die Glücksspielformen potenziell in Konkurrenz zueinander stehen. Denn auch hier kann die legitime Zielsetzung, die Wettleidenschaft zu begrenzen und die Wettsucht zu bekämpfen, in ein Spannungsverhältnis zu den fiskalischen Interessen des Staates geraten“.185 Liegt eine derartige Konkurrenz vor, so darf „die suchtpräventiv ausgerichtete staatliche Regulierung in einem Glücksspielsegment […] nicht durch die fiskalische

182  Siehe

hierzu die Ausführungen auf den S. 153 ff. richten sich laut Dietlein, NVwZ 2017, 1667 (1668) die Ausführungen

183  Hierauf

des BVerfG. 184  Korte, GewArch 2017, 129 (131 f.) spricht von der sog. sachbezogenen Dimension. 185  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 122).

148 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Ausrichtung der Regulierung in einem anderen konterkariert werden.“186 Insbesondere ist dies dann zu beachten, wenn „die Regulierung privater Angebote und staatliche Monopole zusammentreffen“, wie es im vorliegenden Fall z. B. bei Spielbanken und Spielhallen zu bejahen war. Hinsichtlich der anschließend vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unterteilt der Senat wie üblich zwischen legitimem Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.187 Der Senat gesteht dem Gesetzgeber im Rahmen der Beurteilung des legitimen Zwecks einen „Einschätzungs- und Prognosespielraum“ zu, der vom Gericht nur in begrenztem Umfang überprüfbar ist.188 Auch liegt hinsichtlich der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele keine Inkonsequenz vor.189 Diesbe­ züglich vollzieht der Senat sowohl eine Prüfung anhand der rechtlichen190 Voraus­setzungen als auch anhand der tatsächlichen191 Ausgestaltung des An­ gebots. Die folgende Prüfung von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit erfolgt nach bekannten Mustern. Insbesondere gesteht der Senat dem Gesetzgeber einen „Einschätzungs- und Prognosevorrang“ im Rahmen der Geeignetheit und einen „Beurteilungs- und Prognosespielraum“ im Rahmen der Erforderlichkeit zu.192 Zusammenfassend ist für die weitere Untersuchung als Ergebnis aus der Entscheidung zu ziehen, dass unter Umständen auch eine Begutachtung anderer Glücksspielsektoren im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, also eine horizontale Kohärenz notwendig ist, wobei der Gesetzgeber auf mehreren Ebenen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein gewisser Spielraum zusteht, den er lediglich nicht überschreiten darf. Zu beachten ist aber, dass sich in der Entscheidung diese Frage auf das Verhältnis von Spielhallen zu Spielbanken bezog. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass die Spielhallen ein sehr ähnliches Angebot wie die staatlichen Spielbanken haben.193 Jegliche Reglementierung der Spielhallen führt daher im Zweifel dazu, dass die Spielbanken, die auch das Angebot der Spielhallen mit Geldautomatenspielen abdecken, gefördert werden, da hierdurch eine 186  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 122). NVwZ 2017, 1111 (1117 ff.). 188  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 137). 189  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 f.). 190  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 f. Rn. 141 ff.). 191  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1119 Rn. 146 f.). 192  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120 Rn. 153). 193  In den Spielhallen sind die Automatenspiele Haupteinnahmequelle, im Rahmen der Spielbanken stellen diese auch meist einen Teil der Angebotspalette dar. 187  BVerfG



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV149

Kanalisierung auf diese verbleibenden Angebote droht. In dem Rahmen des BVerfG-Urteils schwingt daher auch immer die Gefahr mit, dass die Reglementierung der Spielhallen zu einer Stärkung der Spielbanken führt, was wiederum mit fiskalischen Interessen (die Spielbanken sind staatlich) des Staates verknüpft ist.194 Die Annahme einer horizontalen Kohärenz ist daher weiterhin im Rahmen des Verfassungsrechts als die Ausnahme zu sehen. Lediglich, wenn sich das Produktportfolio einiger Sektoren überschneidet, wie dies in der hier vorliegenden Entscheidung der Fall ist, ist unter Umständen auch eine Prüfung einer derartigen „horizontalen Kohärenz“ nötig. Ob man diesbezüglich dann aber überhaupt von einer „horizontalen Kohärenz“ sprechen kann195, ist aber zweifelhaft, vielmehr verbleibt es wohl bei der aus der Verfassungsrechtsprechung bekannten vertikalen Kohärenz, da die Entscheidung sich hier auf die rechtliche Ausgestaltung beim „Glücksspiel an Automaten beziehungsweise Geräten“ bezieht, also auf den Glücksspielsektor der Automatenspiele, der aber unterschiedlich reglementiert wird.196 Eine Tendenz zu einer (generellen) horizontalen Kohärenz ist daher nicht ersichtlich. bb) Die Entscheidung des BVerwG Eine weitere wichtige obergerichtliche Entscheidung der jüngeren Zeit bildet die des BVerwG vom 26.10.2017. Grundlage des Falles war unter anderem die Klage eines Anbieters, der online Rubellos- und Casinospiele anbot, die auch in Baden-Württemberg abrufbar waren, gegen eine Untersagungsverfügung des Landes Baden-Württemberg auf Grundlage des § 9 I 3 Nr. 3 GlüStV.197 Der erkennende Senat führt hierzu aus, dass die Klägerin für das Veranstalten von Rubbellos- und Casinospielen im Internet einer Erlaubnis gem. „§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GlüStV 2012“ bedürfte, die sie nicht hat und die ihr auch nicht erteilt werden könnte, da die Form des Veranstaltens und Vermittelns dieser Art von öffentlichem Glücksspiel im Internet ausnahmslos verboten ist gem. § 4 IV GlüStV.198 194  In dem Sinne auch Dietlein, NVwZ 2017, 1667 (1669 f.), indem er von einer produktbezogenen Argumentation des BVerfG spricht. 195  So auch Dietlein, NVwZ 2017, 1667 (1668 f.). 196  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118). 197  Gem. § 9 I 2, 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde Anordnungen im Einzelfall treffen, insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele im Sinne des § 4 I 2 GlüStV und die Werbung hierfür untersagen. 198  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 27).

150 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Leider unterscheidet der Senat hierbei nicht zwischen der gem. § 4 I 1 GlüStV nötigen Erlaubnis und der Erlaubnis gem. § 4 V GlüStV, die über das Internetverbot des § 4 IV GlüStV hinweghilft. Vielmehr begnügt sich der Senat mit der (unsauberen) Begründung, dass keine Erlaubnis vorlag und dass mit Rücksicht auf das ausschließliche Onlineangebot der Klägerin199 wegen § 4 IV GlüStV auch keine Erlaubnis zumindest bzgl. des Angebots im Internet möglich ist.200 Die anschließenden Ausführungen beziehen sich lediglich auf das in § 4 IV, V GlüStV verankerte Internetverbot und dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, da bei dessen Bestehen die Betätigung der Klägerin nicht genehmigungsfähig wäre.201 Vor die Klammer gezogen befasst sich der erkennende Senat zunächst mit der Frage des verfolgten Zwecks des Internetverbots. Seine Erkenntnisse zieht das Gericht dabei aus mehreren Entscheidungen anderer Obergerichte.202 Das Internetverbot verfolge „legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkri­ minalität“.203 Insbesondere Glücksspiele im Internet würden diese Ziele „in besonderem Maße gefährden“, weil das Anbieten von Spielen über das Internet – im Gegensatz zu anderen Vertriebswegen – spezifische Gefahren mit sich bringt.204 Zum einen der fehlende unmittelbare Kontakt zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter der Glücksspiele, was wiederum zu „anders geartete[n] und größere[n] Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche“ führe.205 Im Rahmen des Vergleichs mit anderen Vertriebsformen berge das Internet „anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder ent­ wickeln könnten.“206 Zum anderen sei zu beachten, dass der Zugang zu im Internet angebotenen Spielen besonders leicht und ständig möglich sei. Auch „die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und 199  Die

Untersagungsverfügung bezog sich auch nur hierauf. ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 27). 201  Vgl. BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 28). 202  Der Senat verweist hierzu unter anderem auf BVerwG, NVwZ 2011, 1319; BVerfG NVwZ 2008, 1338 und EuGH BeckEuRS 2008, 468564 (Liga Portuguesa); NVwZ 2010, 1409 (Markus Stoß); NVwZ 2010, 1422 (Carmen Media) und NVwZ 2011, 1119 (Zeturf). 203  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 29). 204  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 29). 205  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 29). 206  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 29). 200  BVerwG



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV151

durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet“ sei, sei ein Faktor, der „die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen“ begünstige, was wiederum die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößere.207 Ein Festhalten an diesem „Befund“ begründet der Senat damit, dass „weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich“ ist, dass eine Änderung dieser Ansicht nötig ist.208 Des Weiteren verfolge die partielle Öffnung des Internettotalverbots über § 4 V GlüStV eine Schwarzmarktbekämpfung, da hierdurch die Nachfrage von bereits spielaffinen Personen von den illegalen zu den legalen Angeboten gelenkt werde, was wiederum die „weniger gefahrenträchtigen Spielformen“ seien (sog. „Kanalisie­ rungswirkung“).209 Eine Öffnung bei Casino- und Pokerspielen im Internet sei aber dagegen nicht angezeigt, da „bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden“.210 Die anschließende verfassungsrechtliche Prüfung beschränkt sich auf drei Randnummern. Das Internetverbot verstoße nicht gegen Art. 12 I GG, da dem Gesetzgeber auf Ebene der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu Verfügung stünde.211 Dieser sei erst überschritten, „wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können“.212 Aufgrund dessen sei eine partielle Öffnung des Internetverbots von Verfassung wegen unter dem Gesichtspunkt der Geeignetheit nicht zu beanstanden. Zum einen führe das Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt zu einem Kanalisierungseffekt, zum anderen sei es so der zuständigen Landesbehörde möglich unmittelbar Einfluss auf die Zahl der Veranstalter und Vermittler zu nehmen. Ebenso sei das Internetverbot erforderlich, da so der Spieler gezwungen sei, das Glücksspielangebot in Person (und nicht virtuell) aufzusuchen. Als milderes Mittel komme auch keine komplette Öffnung des Vertriebswegs Internet in Betracht, da Casino- und Pokerspiele eine viel höhere Suchtgefahr 207  BVerwG

ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 29). ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 30). 209  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 30). 210  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 30) mit Verweis auf (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). 211  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 32). 212  BVerwG ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 32). 208  BVerwG

152 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

und eine höhere Gefahr für Geldwäsche mit sich brächten.213 Eine Angemessenheitsprüfung als solche unterbleibt im Rahmen des Urteils, vielmehr begnügt sich der Senat mit einem Erst-Recht-Schluss unter Verweis darauf, dass ein Totalverbot verfassungsgemäß sei, so sei es auch ein partielles Verbot.214 Ebenso entschied der Senat in der Parallelentscheidung215 einer Anbieterin von Online-Casinospielen und Online-Sportwetten und stürzte seine Entscheidung zusätzlich auf die Tatsache, dass die Klägerin weder eine Sportwettenkonzession gem. § 10a I, II, IV GlüStV hatte, noch eine beantragt hat, obwohl dies ihr möglich gewesen wäre.216 f) Zusammenfassung Die in den letzten Jahrzehnten ergangene Rechtsprechung kann man demnach wie folgt zusammenfassen. Zunächst ist es höchstrichterlich anerkannt, dass es sich bei der Tätigkeit des Glücksspielanbieters, selbst wenn dieser aufgrund des Erlaubnisvorbehalts und des Staatsmonopols niemals eine Erlaubnis erlangen kann, um einen in den Schutzbereich des Art. 12 I GG fallenden Beruf handelt. Ebenso ist anerkannt, dass sowohl die Statuierung eines Staatsmonopols als auch das Internetverbot als solches einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt. Welche Qualität der Eingriff wiederum hat, wurde jeweils verschieden gesehen. Zunächst sprach das BVerfG in seinem zweiten Spielbankenbeschluss217 hinsichtlich eines Monopols von einer objektiven Berufszulassungsregel, wohingegen in der jüngeren Rechtsprechung die Frage der Eingriffsqualität unter Berücksichtigung der Drei-Stufen-Theorie nicht weiter aufgegriffen wurde.218 Im Rahmen der Rechtfertigung ist ebenfalls höchstrichterlich anerkannt, dass der Eingriff in das durch Art. 12 I GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage und unter

213  BVerwG

ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 32). ZfWG 2018, 139 (142 Rn. 33). 215  BVerwG ZfWG 2018, 145. 216  BVerwG ZfWG 2018, 145 (150 Rn. 29). 217  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793). 218  So wurde bereits in der Sportwettenentscheidung (BVerfG NJW 2006, 1261) nicht weiter darauf eingegangen; die Frage wurde auch vom BVerwG auch bewusst nicht entschieden (vgl. BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321) und in BVerwG ZfWG 2018, 139 wurde auf die Frage nicht einmal eingegangen. 214  BVerwG



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV153

Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf.219 Der Eingriff muss zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Darüber hinaus muss Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen.220 Ob dies der Fall ist, wird unterschiedlich in Rechtsprechung und Literatur beurteilt und soll anschließend breiter dargestellt werden. Sowohl das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2008 zum inhaltsgleichen Glücksspielstaatsvertrag 2008 als auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 haben im Grundsatz einem Staatsmonopol und dem Internetverbot eine Verfassungsmäßigkeit bescheinigt. Ob dem heute noch gefolgt werden kann, soll im Folgenden erläutert werden. 2. Anforderungen hinsichtlich des Unionsrechts Jedoch unterliegt die jeweilige Glücksspielregulierung nicht nur verfassungsrechtlichen Anforderungen, genauso hat es sich an den Vorgaben des Europarechts zu orientieren. Diese Vorgaben sollen nachfolgend zunächst anhand der Rechtsprechung des EuGH im Rahmen des Glücksspiels herausgearbeitet werden, um an diesen Befund anschließend eine Überprüfung der einzelnen Glücksspielsektoren an diesen Grundsätzen vorzunehmen. Da die unionsrechtliche Auslegung der Grundfreiheiten sehr vom Case Law des EuGH abhängt und diese Entscheidungen erst die Reichweite und Voraussetzungen einer Grundfreiheit erkennen lassen, ist für die Untersuchung eine umfassende Darstellung und Analyse der bisher im Glücksspielbereich erfolgten Rechtsprechungen nötig. Nur unter Beachtung aller wichtigen Entscheidungen des EuGH zu dieser Thematik ist über die einzelnen Glücksspielsektoren hinaus die Bildung eines unionsrechtlichen Maßstabs möglich, anhand dessen sich die unterschiedlichen Regulierungen später zu messen haben. a) Rechtssache Gambelli Erste und zugleich eine der wichtigsten Entscheidungen des EuGH zur Thematik des Glücksspiels bildete die Rechtssache Gambelli.221 Grund für die Vorlage an den EuGH war ein Strafverfahren gegen Herrn Gambelli, in 219  Vgl.

BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 121). BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 121). 221  EuGH NJW 2004, 139. 220  Vgl.

154 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

dem es um den Vorwurf ging, dass dieser widerrechtlich heimlich Wetten organisiert haben soll. Als Vertriebskanal fungierte in diesem Zusammenhang unter anderem das Internet.222 In Italien herrschte ein Staatsmonopol auf diese Art von Online-Glücksspiel. Zuerst zu klärende Frage des Vorlageverfahrens war, ob eine Regelung, die denjenigen, der widerrechtlich Lotterien, Wetten oder Prognosewettbewerbe organisiert, die gesetzlich dem Staat oder konzessionierten Einrichtungen vorbehalten sind, bestraft, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV (damals noch Art. 43 EG) darstellt. Es genügte für eine Strafbarkeit, dass derjenige, der in Italien ohne die erforderliche Konzession, Genehmigung oder Lizenz tätig wurde, dies über Telefon oder durch Datenübertragung tat.223 Diesbezüglich bejahte der EuGH eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, da es einer Gesellschaft mit Sitz in der EU nicht bzw. nur erschwert möglich ist, ihre Tätigkeit in diesem anderen EU-Land auszuüben.224 Auch die Möglichkeit, zwar theoretisch Konzessionen zu erhalten, aber die Ausgestaltung der Regelung dahingehend, dass es praktisch nicht möglich ist, eine Konzession zu erhalten, stellt „eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, und zwar auch dann, wenn diese Beschränkung unterschiedslos allen Kapitalgesellschaften mit Sitz in Italien oder in einem anderen Mitgliedstaat auferlegt ist, die ein Interesse an diesen Konzessionen haben könnten.“225 Als weiteres widmete sich der EuGH der Frage, ob zugleich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV (damals noch Art. 49 EG) vorliegt. Gem. Art. 56 AEUV sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten. Dienstleistungen sind nach Art. 57 AEUV Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.226 Diesbezüglich verwies der EuGH zunächst darauf, „dass die Einfuhr von Werbematerial und Losen in einen Mitgliedstaat zu dem Zweck, die in diesem Staat wohnenden Personen an einer in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterie teilnehmen zu lassen, zu den Dienstleistungen gehört. Ebenso gehört eine Tätigkeit, die darin besteht, die Staatsangehörigen eines 222  Vgl.

EuGH NJW 2004, 139 (139). EuGH NJW 2004, 139 (139). 224  Vgl. EuGH NJW 2004, 139 (139). 225  EuGH NJW 2004, 139 (139). 226  Vgl. EuGH NJW 2004, 139 (140). 223  Vgl.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV155

Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, auch dann zu den Dienstleistungen i. S. des Art. [49 AEUV], wenn es bei den Wetten um in dem erstgenannten Mitgliedstaat veranstaltete Sportereignisse geht.“227 Auch unter die Dienstleistungsfreiheit zu fassende Dienstleistungen seien gegeben, wenn „ein Leistungserbringer potenziellen Leistungsempfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, [diese] telefonisch anbietet“, wobei auch genügt, dass er diese ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist.228 Bezogen auf den Fall, dass ein Unternehmen aus einem Mitgliedstaat ohne Ortswechsel per Internet einem anderen mitgliedstaatansässigen Leistungsempfänger seine Dienstleistung anbietet, stellt jede Beschränkung dieser Tätigkeiten eine Beschränkung der freien Erbringung von Dienstleistungen durch einen solchen Leistungserbringer dar.229 Ebenso erfasst die Dienstleistungsfreiheit aber „auch die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen, ohne durch Beschränkungen beeinträchtigt zu werden“.230 Daher stellen Regelungen, die ein strafbewehrtes Verbot für die Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert werden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig ist, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.231 Ebenso stellt das Verbot einer Vermittlung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem diese Vermittler ihre Tätigkeit ausüben, eine Beschränkung des Rechts des Buchmachers auf freien Dienstleistungsverkehr dar.232 Dies gilt selbst dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen.233 Derartige Beschränkungen sind nur gerechtfertigt, wenn sie nach einer ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelung zulässig sind oder nach der Rechtsprechung des EuGH aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.234 Mangels des Eingreifens ausdrücklicher Ausnahmeregelung kommt nur eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des 227  EuGH 228  EuGH 229  EuGH 230  EuGH 231  EuGH 232  EuGH 233  EuGH 234  EuGH

NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW

2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004,

139 139 139 139 139 139 139 139

(140). (140). (140). (140). (140). (140). (140). (140).

156 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Allgemeininteresses in Frage.235 Diese „müssen geeignet sein, die Verwirk­ lichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Auf jeden Fall müssen sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.“236 Hinsichtlich der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses verweist der EuGH darauf, dass zur Rechtfertigung der Beschränkungen für Glücksspiele und Wetten nicht auf Steuermindereinnahmen verwiesen werden kann. Diese gehören nicht zu den in Art. 52 AEUV genannten Gründen und stellen auch keine zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs angeführt werden können.237 Auch ist nötig, dass „die Beschränkungen jedenfalls wirklich dem Ziel dienen, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein.“238 Jedoch können „die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen“ zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen.239 Insbesondere können Gründe des ­Allgemeininteresses, der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sein.240 Zum europarechtlichen Bestand müssen aber „die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen.“241 Dieses Kriterium der Kohärenz ist aber nicht gegeben, wenn ein Mitgliedstaat die Verbraucher dazu anreizt und ermuntert, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen; eine Rechtfertigung der Beschränkung ist dem Mitgliedstaat in diesem Fall verwehrt.242 235  EuGH 236  EuGH 237  EuGH 238  EuGH 239  EuGH 240  EuGH 241  EuGH 242  EuGH

NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW

2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004, 2004,

139 139 139 139 139 139 139 139

(140). (140). (140). (140). (140). (140). (140 f.). (141).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV157

Falls sich ein Mitgliedstaat zu einem Konzessionsverfahren entschließen sollte, so ist zu dessen Bestand notwendig, dass die Beteiligung an der Ausschreibung nicht so festgelegt wird, dass in der Praxis die Voraussetzungen von den inländischen Wirtschaftsteilnehmern leichter erfüllt werden können als von denjenigen aus dem Ausland. Gegebenenfalls wäre durch diese Vo­ raussetzungen das Kriterium der Nichtdiskriminierung nicht beachtet.243 Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung einer Beschränkung ist wiederum zu beachten, dass die Beschränkungen „nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels erforderlich ist.“244 Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass ein Online-Sportwettenangebot der Dienstleistungsfreiheit unterfällt. Eine Reglementierung dieser Dienstleistung hat europarechtlich nur Bestand, wenn diese zwingende Gründe des Allgemeininteresses verfolgen, wobei finanzielle Interessen hierzu nicht herangezogen werden können. Hierbei kommen der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen, in Frage. Die Beschränkungen müssen zur Erreichung dieser Ziele auch geeignet sein, in dem Sinne, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der unerwünschten Tätigkeit beitragen. Hiermit wäre auch unvereinbar, wenn ein Mitgliedstaat zwar einerseits die Wettsucht bekämpfen will, andererseits aber die Spiele bewirbt. Im Falle eines Konzessionsverfahrens müsste dieses ohne Diskriminierung zwischen In- und Ausländern ausgestaltet sein. Auf letzter Ebene ist die Erforderlichkeit der Beschränkung festzustellen, die Beschränkung darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels erforderlich ist. b) Rechtssache Placencia Die nächste wichtige Entscheidung nach Gambelli stellt die Rechtssache Placencia dar, der ein ähnlicher Sachverhalt wie der Rechtssache Gambelli zugrunde lag.245 Zunächst ist festzustellen, dass der EuGH an seiner bisher in Sachen Gambelli getroffenen Rechtsprechung festhält. Frage der Entscheidung war nun wiederum, ob ein Konzessionserfordernis, insbesondere bei zahlenmäßiger Beschränkung – in Italien war die Anzahl von Konzessionen für die Annahme von Wetten und für die Verwaltung von Wetten über andere Sportwettkämpfe als Reitsportveranstaltungen auf 1.000 begrenzt – mit der

243  EuGH

NJW 2004, 139 (141). NJW 2004, 139 (141). 245  Vgl. EuGH NJW 2007, 1515. 244  EuGH

158 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsverkehrsfreiheit vereinbar ist.246 Hierzu stellte der EuGH zunächst klar, nachdem er mit Verweis auf Gambelli eine Beschränkung der Grundfreiheiten bejahte, dass eine Rechtfertigung sich nicht bereits aus der Zahl der Konzessionen und aus dem Verweis auf eine spezifische Schätzung dahingehend, dass diese Zahl für das gesamte Inland „ausreichend“ sei, ergebe.247 Hinsichtlich der Frage, ob eine kontrollierte Expansion im Bereich der Glücksspiele mit dem Ziel in Einklang stehen kann, Spieler dazu zu veranlassen, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen, bejahte der EuGH diese Frage unter dem Gesichtspunkt, dass „es zur Erreichung dieses Ziels erforderlich [ist], dass die zugelassenen Betreiber eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitstellen, was das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann.“248 Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Konzessionssystem „ein wirksamer Mechanismus sein, um die im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausbeutung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.“249 Ob hingegen unter diesem Aspekt eine Rechtfertigung gegeben ist, ist vom nationalen Gericht zu entscheiden, wobei zu berücksichtigen ist, ob die nationale Regelung tatsächlich dem geltend gemachten Ziel entspricht und ob die Beschränkung den Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit genügt.250 Hinsichtlich der Ausgestaltung des Konzessionssystems bzw. hinsichtlich des Ausschreibungsverfahrens zur Erlangung einer Konzession äußerte sich der Gerichtshof dahingehend, dass die Verfahrensvorschriften so ausgestaltet sein müssen, dass diese zum einen den Schutz der den Wirtschaftsteilnehmern aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten müssen, „wobei diese Vorschriften nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als für entsprechende, nur unter das innerstaatliche Recht fallende Sachverhalte (Äquivalenzgrundsatz), und [dass diese] zum anderen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz)“.251 246  Vgl.

EuGH NJW 2007, 1515 (1517). NJW 2007, 1515 (1518). 248  EuGH NJW 2007, 1515 (1518). 249  EuGH NJW 2007, 1515 (1518). 250  EuGH NJW 2007, 1515 (1518). 251  EuGH NJW 2007, 1515 (1519). 247  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV159

Für die weitere Untersuchung ist demnach festzuhalten, dass ein Konzessionssystem europarechtlich durchaus möglich ist, dieses sich aber an den strengen Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit messen muss und dass auch das Verfahren zur Konzession hin nicht diskriminierend ausgestaltet werden darf. Auch ist im Rahmen der Kohärenz möglich, in gewissem Maße eine kontrollierte Expansion vorzunehmen, um eine Kanalisierung vom illegalen zum legalen Markt zu ermöglichen. c) Rechtssache Liga Portuguesa Weitere Bedeutung im Rahmen der Untersuchung kommt der Rechtssache Liga Portuguesa zu.252 Diese Entscheidung ist insbesondere deshalb für die Untersuchung wichtig, da sie sich auf einen vollständigen Online-Sachverhalt bezieht. Dem Rechtsstreit lag zugrunde, dass in Portugal Glücksspiele allgemein einem grundsätzlichen Verbot unterlagen, jedoch war es dem Staat möglich, den Betrieb eines oder mehrerer Spiele unmittelbar durch eine staatliche Einrichtung oder durch eine staatlich kontrollierte Einrichtung zu genehmigen oder für den Betrieb solcher Spiele Konzessionen im Wege von Ausschreibungen an private Einrichtungen zu vergeben.253 Eine dieser Einrichtungen war die Santa Casa, diese hatte das Monopol u. a. auf Sportwetten im Internet. Da bwin als Online-Spieleveranstalter ohne Niederlassung in Portugal auch Sportwetten online in Portugal anbot, aber aufgrund des Monopols von Santa Casa über keine Lizenz für Portugal verfügte, erging gegen bwin ein Bußgeldbescheid. Im Rahmen des hierauf stattfindenden Verfahrens erging dann die in der Rechtssache zu entscheidende Vorlagefrage.254 Im Rahmen seiner Entscheidung stellte der EuGH zunächst unter Verweis auf die Rechtssache Gambelli fest, dass es sich um eine zu rechtfertigende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit handelt, wenn eine Regelung eines Mitgliedstaats es einem in einem anderen Mitgliedstaat sitzenden Dienstleistungserbringer untersagt, über das Internet seine Dienstleistung in seinem Hoheitsgebiet anzubieten.255 Hinsichtlich der Voraussetzungen der Rechtfertigung wiederholt der Gerichtshof bereits seine in der Gambelli-Entscheidung genannten Voraussetzungen, dass zwar zwingende Gründe des Allgemeininteresses in den Zielen des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung, der Vermeidung von An252  EuGH

NJW 2009, 3221. NJW 2009, 3221 (3221). 254  Vgl. EuGH NJW 2009, 3221 (3221). 255  EuGH NJW 2009, 3221 (3223). 253  EuGH

160 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

reizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen gegeben sind, jedoch die Beschränkungen den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen müssen.256 Besonders widmet sich der EuGH dann der Frage, ob die „Beschränkung des Anbietens von Glücksspielen über das Internet geeignet ist, die Verwirklichung eines oder mehrerer der von dem betroffenen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels oder der Ziele erforderlich ist.“257 Im Rahmen der Geeignetheit erläutert er, wie in der Gambelli-Entscheidung, dass das Kriterium nur erfüllt ist, wenn die nationale Regelung tatsächlich dem verfolgten Anliegen gerecht wird es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.258 Hinsichtlich Santa Casa bejaht der EuGH die Geeignetheit, da die „Verleihung von Ausschließlichkeitsrechten für den Betrieb von Glücksspielen über das Internet an einen einzigen, einer engen Überwachung durch die öffent­ liche Gewalt unterliegenden Wirtschaftsteilnehmer wie Santa Casa […] es […] ermöglichen [kann], den Betrieb dieser Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, und ist geeignet, die Verbraucher vor Betrug durch die Anbieter zu schützen.“259 Im Rahmen der Frage der Erforderlichkeit war anschließend zu klären, ob es eine mildere gleich geeignete Beschränkungsmöglichkeit gäbe. Insbesondere ist die Frage, ob eine effektive Aufsicht genauso gegeben ist, wenn sich das, das Glücksspiel anbietende, Wirtschaftsunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Insbesondere war bei bwin zu berücksichtigen, dass das Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat sitzt und von dort aus rechtmäßig Glücksspiel im Internet anbietet und dort auch den rechtlichen Anforderungen und Kontrollen durch die zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaats unterliegt. Jedoch beanstandete der EuGH die Auffassung nicht, dass dies dennoch keine „hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten“ sei, da auch die Schwierigkeiten zu berücksichtigen seien, „denen sich die Behörden des Sitzmitgliedstaats in einem solchen Fall bei der Beurteilung der Qualitäten und der

256  EuGH

NJW 2009, 3221 (3223). NJW 2009, 3221 (3223). 258  Vgl. EuGH NJW 2009, 3221 (3223). 259  EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 257  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV161

Redlichkeit der Anbieter bei der Ausübung ihres Gewerbes gegenüber sehen können.“260 Des Weiteren sei auch das Medium Internet zu berücksichtigen. Glücksspiele über das Internet bergen, „verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden.“261 Auch sei im Internet nicht auszuschließen, „dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der für manche der Sportwettbewerbe, auf die er Wetten annimmt, sowie für manche der daran beteiligten Mannschaften als Sponsor auftritt, eine Stellung innehat, die es ihm erlaubt, den Ausgang dieser Wettbewerbe unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und so seine Gewinne zu erhöhen.“262 Insbesondere der Anonymisierungsgrad spielt hier eine Rolle. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vorstellt, dass der Sportvorstand des FC Bayern München plötzlich umfassende ODDSET Wetten auf einen Sieg des 1. FC Nürnberg platziert, was sicher nicht nur lokal, sondern auch überregional für Aufsehen sorgen wird. Selbst wenn der Sportvorstand Strohmänner einschalten würde, so ist doch die anonymisierte Kontoeröffnung bei einem ausländischen namhaften Anbieter mit mehr Diskretion und Geheimhaltung verbunden als eine physische Geldübergabe oder eine ohne weiteres nachverfolgbare Giralüberweisung. Aufgrund dieser „Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind“ ist eine Beschränkung dahingehend gerechtfertigt, dass es Anbietern aus anderen Mitgliedstaat verwehrt ist, derartige Angebote online anzubieten.263 Für die weitere Untersuchung ist daher festzustellen, dass vom Vertriebsweg Internet aus Sicht des EuGH besondere Gefahren ausgehen, die eine besondere Behandlung dieses Vertriebswegs rechtfertigen können. Ob dem so ist, soll dann separat begutachtet werden. d) Rechtssache Marcus Stoß u. a. Eine weitere wichtige Entscheidung des EuGH in Bezug auf Glücksspiel stellt die Rechtssache Marcus Stoß dar. Zugrunde lag ein in Deutschland gelegener Sachverhalt, in dem Herr Stoß in Deutschland Sportwetten von Unternehmen vermittelte, die innerhalb der EU niedergelassen waren und auch über eine Lizenz in einem Mitgliedstaat verfügten. Hingegen verfügte 260  EuGH

NJW NJW 262  EuGH NJW 263  EuGH NJW 261  EuGH

2009, 2009, 2009, 2009,

3221 3221 3221 3221

(3224). (3224). (3224). (3224).

162 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Herr Stoß über keine Erlaubnis in Deutschland; hinsichtlich der angebotenen Sportwetten herrschte zu diesem Zeitpunkt auf Basis des Lotteriestaatsvertrages ein Staatsmonopol.264 Unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung bejahte der EuGH eine Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, die zu rechtfertigen ist.265 Maßgebliche Frage war daher, ob die Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann. Diesbezüglich war zunächst zu klären, ob ein Mitgliedstaat bzw. genauer dessen Behörden, in der Lage sein muss, eine Untersuchung vorzulegen, die die Verhältnismäßigkeit von restriktiven Maßnahmen untermauert, bevor diese erlassen werden können. Diesbezüglich stellte der EuGH klar, dass zwar die Pflicht des Mitgliedstaats bestehe, alle Umstände vorzulegen, anhand derer sich das entscheidende Gericht vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt. Hingegen ist es nicht nötig, dass der Mitgliedstaat Untersuchungen vorlegt, die dem Erlass der Regelung zu Grunde lagen, denn allein aus diesem Umstand ist dem Mitgliedstaat nicht die Möglichkeit genommen, die Anforderungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beweisen.266 Hinsichtlich der anschließenden Rechtfertigungsprüfung stellte der EuGH zunächst fest, dass die vom Lotteriestaatsvertrag angebrachten Ziele des Schutzes der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie des Schutzes der Sozialordnung zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die eine Beschränkung rechtfertigen können.267 Auf dem Gebiet der Spiele und Wetten können nationale Rechtsvorschriften gerechtfertigt sein, die darauf abzielen, eine Anregung der Nachfrage zu vermeiden und vielmehr die Ausnutzung der Spielleidenschaft der Menschen zu begrenzen.268 Diesbezüglich steht den Mitgliedstaaten ein gewisses Ermessen bei der Umsetzung dahingehend zu, im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, denn die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Spielen und Wetten einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft rechtfertigen dies.269 264  Vgl.

EuGH MMR 2010, 844 (845). MMR 2010, 844 (845). 266  Vgl. EuGH MMR 2010, 844 (845). 267  EuGH MMR 2010, 844 (846). 268  EuGH MMR 2010, 844 (846). 269  EuGH MMR 2010, 844 (846). 265  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV163

Es steht daher den Mitgliedstaaten frei, „die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und ggf. das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen“, es müssen hierzu aber „die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen gleichwohl den sich aus der Rspr. des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen“.270 Im Rahmen der bereits oben erläuterten Verhältnismäßigkeitsprüfung geht der EuGH dann wiederum auf die Thematik eines Staatsmonopols ein. Zunächst stellt er diesbezüglich klar, „dass ein nationales System, das eine begrenzte Erlaubnis von Geldspielen i. R.v. – bestimmten Einrichtungen gewährten oder zur Konzession erteilten – besonderen oder Ausschließlichkeitsrechten vorsieht, was insb. den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, zur Verwirklichung der o. g., im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung dienen kann.“271 Hinsichtlich der Frage, ob es eines Monopols bedarf oder ob es zur Zielerreichung genügt, privaten Anbietern die Erlaubnis mit Auflagen zu erteilen, steht den Mitgliedstaaten ein Ermessen zu, was wiederum aber nicht unverhältnismäßig ausgeübt werden darf.272 Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit ist gerade nicht notwendig, dass die Auffassung des Mitgliedstaates „einer von allen Mitgliedstaaten geteilten Auffassung in Bezug auf die Modalitäten des Schutzes des fraglichen berechtigten Interesses entspricht.“273 Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Schaffung eines Staatsmonopols im Grundsatz vom Ermessen des Mitgliedstaats gedeckt. Jedoch ist diesbezüglich zu beachten, dass sich die Schaffung eines Monopols nur unter „Gewährleistung eines besonders hohen Verbraucherschutzniveaus rechtfertigen lässt“, weshalb es eines „normativen Rahmens“ bedarf, durch den „der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.“274 Auch äußerte sich der Gerichtshof zum Thema Internet und ob, unter dem Gesichtspunkt der schweren Kontrollier- und Durchsetzbarkeit eines Monopols im Internet, dieses von vornherein ausscheidet oder mit Zweifeln belegt ist. Hierzu stellt der EuGH aber klar, dass „[e]inem Mitgliedstaat […] nicht allein deshalb das Recht versagt werden [kann], die Anwendung einseitiger 270  EuGH

MMR MMR 272  EuGH MMR 273  EuGH MMR 274  EuGH MMR 271  EuGH

2010, 2010, 2010, 2010, 2010,

844 844 844 844 844

(846). (846). (846). (846). (846).

164 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

restriktiver Normen, die er zu legitimen, im Allgemeininteresse liegenden Zielen erlassen hat, auf das Internet zu erstrecken, weil diese technische Übertragungsform ihrem Wesen nach transnational ist.“275 Im weiteren Zusammenhang geht der Gerichtshof auf das Kriterium der Kohärenz im Rahmen eines Monopols ein. Insbesondere stellte sich die Frage, ob die Art der Vermarktung anderer Arten von Glücksspielen dazu beitragen kann, dass ein Monopol – auf Wetttätigkeiten – diese Art von Glücksspiel nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt. Hierzu stellte der EuGH zunächst klar, „dass es Sache jedes Mitgliedstaats ist, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.“276 Auch stellt es eine Frage des Ermessens des Mitgliedstaats dar, auf welche Orte der Mitgliedstaat gewisse Tätigkeiten begrenzt bzw. zulässt.277 Hinsichtlich der unterschiedlichen Ausgestaltungen einzelner Glücksspiele (Monopol oder Konzessionssystem) stellt der EuGH klar, dass – soweit legitime Ziele verfolgt werden – dies für sich genommen nicht dazu führt, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren. Auch wenn die Regelungen sich unterscheiden, so ändert dies nichts an der Eignung eines solchen staatlichen Monopols zur Verwirklichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels.278 Zu beachten ist aber in diesem Fall, dass die Maßnahme nur geeignet ist, wenn sie die Verwirklichung des verfolgten Ziels dadurch gewährleistet, dass sie dazu beiträgt, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.279 Darüber hinaus ist nötig, dass auch die konkreten Anwendungsmodalitäten der restriktiven Regelung tatsächlich dem verfolgten Anliegen entsprechen.280 Problem im Rahmen der Vorlagefrage war, dass der Staat neben dem Sportwettenmonopol auch ein Lotteriemonopol hatte, in diesem Zusammenhang der Staat aber für die Lotterien intensive Werbekampagnen durchführte, was zur Frage führte, ob dies auf den Glücksspielsektor Sportwetten „durchschlägt“. 275  EuGH

MMR 2010, 844 (847). MMR 2010, 844 (847). 277  Vgl. EuGH MMR 2010, 844 (847). 278  EuGH MMR 2010, 844 (847 f.). 279  EuGH MMR 2010, 844 (848). 280  Vgl. EuGH MMR 2010, 844 (848). 276  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV165

Hierzu stellte der EuGH zunächst fest, dass zwar Werbekampagnen an sich zulässig sind, wenn ihr Ziel darin besteht den Spieltrieb der Bürger in „kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen.“281 Wichtig ist aber, dass die „durchgeführte Werbung maßvoll und strikt auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung insb. nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne vorspiegeln.“282 Gehen diese Werbekampagnen aber über dieses Maß hinaus ist wiederum die Frage, ob dies auf andere Glücksspielsektoren durchschlägt, also ob auch eine horizontale Kohärenz283 notwendig ist. Genau diese Frage bejaht der EuGH, „wenn die zuständigen Behörden in Bezug auf andere Glücksspiele […] eine Politik betreiben oder dulden, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“ so hat dies zur Folge, „dass das der Errichtung dieses Monopols zu Grunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, sodass es im Hinblick auf die Art. [49 AEUV] und [Art. 56 AEUV] auch nicht mehr gerechtfertigt werden kann.“284 Das Urteil stellt demnach eine Präzisierung des Kohärenzkriteriums im Rahmen des Gambelliurteils dar. Zu beachten ist, dass zwar einerseits eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Glücksspielsektoren möglich ist, was insbesondere eine differenzierte Regulierung anhand der von dem jeweiligen Sektor ausgehenden Gefahr ermöglicht. Dennoch ist aber andererseits nötig, dass das „große Ganze“, also die ganze Glücksspielregulierung an sich, zusammen auf die jeweilige Zielerreichung der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet sein muss, ein Glücksspielsektor darf demnach nicht die Bemühungen im Rahmen eines anderen Sektors konterka281  EuGH

MMR 2010, 844 (848). MMR 2010, 844 (848). 283  Also eine konsequente Ausrichtung der Glücksspielregulierung auf ein gewisses Ziel in allen Sektoren zusammen. 284  EuGH MMR 2010, 844 (849). 282  EuGH

166 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

rieren, weshalb im Rahmen der Geeignetheit auch aufgrund der Rechtsprechung des EuGH nicht nur – wie im Verfassungsrecht im Rahmen der Angemessenheit – eine vertikale Kohärenz im Rahmen des Glücksspielsektors als solches, sondern auch im Rahmen der europarechtlichen Geeignetheitsprüfung eine horizontale Kohärenz zwischen allen Glücksspielsektoren notwendig ist.285 Auch äußerte sich der EuGH zur, im Rahmen der Untersuchung wichtigen, Frage der Beurteilung der europarechtlichen Geeignetheit, falls aufgrund der neuen Medien ein Monopol faktisch sehr schwer umsetzbar ist. Allein dieser Umstand führt demnach nicht dazu, dass eine Regelung von Beginn an als ungeeignet betrachtet werden muss. Vielmehr ist es auch dem Gesetzgeber möglich, im Rahmen des Internets Regelungen zu erlassen. Hingegen ist die Aussage des EuGH, „dass den Mitgliedstaaten durchaus rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, die es ihnen erlauben, die Beachtung der von ihnen erlassenen Normen ggü. im Internet tätigen und in der einen oder anderen Weise ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Wirtschaftsteilnehmern so wirkungsvoll wie möglich zu gewährleisten“, sehr oberflächlich gehalten und daher nichts weiter als eine „sinnleere Wortkapsel“.286 e) Rechtssache Carmen Media Group und Winner-Wetten Am selben Tag wie die Rechtssache Marcus Stoß erging auch eine Entscheidung in den Rechtssachen Carmen Media Group287 und WinnerWetten,288 wobei der EuGH sich vergleichbar wie in der Rechtssache Stoß äußert. Besonderheit im Fall Carmen Media Group war zunächst, dass das in Gibraltar ansässige Unternehmen nur über eine Lizenz in Gibraltar verfügte, die es dem Unternehmen ermöglichte außerhalb des Hoheitsgebiets von Gibraltar Wetten abzuschließen, wohingegen es dem Unternehmen in Gibraltar verwehrt war.289 Diesbezüglich bejahte der EuGH eine Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit.290 Darüber hinaus war die zu entscheidende Frage, wie im Rahmen einer Beurteilung der Kohärenz der Umstand zu werten ist, dass in einem Mit285  Vgl. hierzu auch Fremuth, NVwZ 2010, 1409 (1417 ff.); Dederer, NJW 2010, 198 (200); BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 33. 286  Mintas, MMR 2010, 844 (850). 287  EuGH NVwZ 2010, 1419. 288  EuGH NVwZ 2010, 1422. 289  Vgl. EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423). 290  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423 f.).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV167

gliedstaat die Regulierung von verschiedenen Glücksspielen in verschiedene Zuständigkeiten fällt, genauer, dass Pferdewetten durch den Bund, das restliche Glücksspiel durch die Länder geregelt wird. Diesbezüglich stellt der EuGH klar, dass sich ein Mitgliedstaat „nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn u. a. nicht davon entbinden, den genannten Verpflichtungen nachzukommen“.291 Das Unionsrecht steht zwar einer Zuständigkeitsteilung nicht entgegen, jedoch verpflichtet diese dann die einzelnen Gesetzgeber im Rahmen des Mitgliedstaats dazu, die Ausübung ihrer Zuständigkeiten dementsprechend zu koordinieren.292 Hinsichtlich der Frage, ob es im Ermessen einer Behörde stehen darf, ob eine Erlaubnis für ein Glücksspiel erteilt wird, stellt der EuGH auch noch klar, dass es nur mit den Verträgen vereinbar ist, wenn die Erlaubniserteilung „auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgen kann“, außerdem muss „ein effektiver gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen.“293 Hinsichtlich der Thematik des Verbots des Vertriebswegs Internet verwies der EuGH wiederum auf das Urteil in der Rechtssache Liga Portuguesa und bejaht die Geeignetheit eines derartigen Verbots.294 Die im Zusammenhang mit der Rechtssache Winner Wetten vorgelegte Frage bezieht sich wiederum auf die Thematik, ob es möglich ist, trotz einer Unionrechtswidrigkeit einer nationalen Vorschrift und einer eventuell durch das nationale Gericht angeordneten Weitergeltungsanordnung im Hinblick auf eine gleichzeitige Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, diese weiter anzuwenden. Dies verneinte der EuGH mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts.295 Wichtige Erkenntnis aus diesen weiteren Entscheidungen ist demnach, dass auch das Internetverbot weiterhin vom EuGH als unionsrechtskonform gesehen wird und dass im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit grundsätzlich keine Weitergeltung von beschränkenden Vorschriften möglich ist.

291  EuGH

NVwZ 2010, 1422 (1425). NVwZ 2010, 1422 (1425). 293  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1427). 294  Vgl. EuGH NVwZ 2010, 1422 (1427 f.). 295  EuGH NVwZ 2010, 1419 (1420 f.). 292  EuGH

168 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

f) Rechtssache Dickinger Präzision erfuhr die Rechtsprechung des EuGH wiederum durch die Rechtssache Dickinger. Zu Beginn stellte der EuGH zunächst mit Blick auf die Rechtssache Gambelli klar, dass Art. 56 AEUV auch dann auf einen Anbieter anwendbar ist, „der in einem Mitgliedstaat ansässig ist und seine Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbietet […], wenn er dafür Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen“.296 Dies gilt erst recht, „wenn der Glücksspielanbieter keine Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, sondern sich bloß eines Erbringers von EDV-Supportleistungen im Aufnahmemitgliedstaat bedient.“297 Des Weiteren widmet sich das Urteil der Thematik der Online-Casinospiele und damit der allgemeinen Thematik von Online-Glücksspiel. Diesbezüglich differenziert der EuGH in mehrere Punkte. Wie oben bereits mehrfach he­ rausgearbeitet, bejaht der EuGH eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Ausgestaltung eines Monopols, die aber gerechtfertigt werden kann.298 Diesbezüglich wiederholt der EuGH erneut seine an die Verhältnismäßigkeit gestellten Voraussetzungen und weist auch darauf hin, dass ein Mitgliedstaat, „der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten“, auch unionsrechtlich in der Lage ist, ein Monopol zu statuieren, wenn er der Annahme ist, „dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, diesen erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen“.299 Diesbezüglich trifft aber den Mitgliedstaat eine Beweispflicht; „dieser hat dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand dere[r] dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt“.300 Auch betont der EuGH mehrfach, dass ein Ziel der Einnahmenmaximierung eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerade nicht rechtfertigen kann.301 Diesbezüglich sind insbesondere der Glücksspielmarkt zu berücksichtigen und die Frage, „ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Inhabers des Monopols gewährleisten kön296  EuGH 297  EuGH 298  EuGH 299  EuGH 300  EuGH 301  EuGH

EuZW EuZW EuZW EuZW EuZW EuZW

2011, 2011, 2011, 2011, 2011, 2011,

841 841 841 841 841 841

(843). (843). (843 f.). (844). (844). (844 f.).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV169

nen, dass dieser tatsächlich in der Lage sein wird, die geltend gemachten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen“.302 Hierbei ist auch die Geschäftspolitik des Monopolisten mit einzubeziehen.303 Die Besonderheit an dem Fall ist, dass der Mitgliedstaat im Rahmen seines Monopols auch Glücksspiele auf einer Internetplattform anbot, die um ein vielfaches höhere Einnahmen abwarf als der stationäre Vertrieb. Problem in diesem Fall ist, dass hierdurch eine Expansion der Glücksspieltätigkeit des Monopolisten erfolgte, was wiederum die Frage stellt, ob eine Expansion ins Onlinesegment dem Kohärenzkriterium entgegensteht. Unter Berücksichtigung einer vom EuGH gebilligten Kanalisierungsfunktion ist unionrechtlich mit dem Kohärenzgebot vereinbar, „dass die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen, was an und für sich das Anbieten einer breiten Palette von Spielen, Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann.“304 Eine Expansion ist aber nur dann mit Unionsrecht zu vereinbaren, wenn im entscheidungserheblichen Zeitraum im Rahmen eines Prozesses „die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht [im Mitgliedstaat] ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können.“305 „Eine solche Politik [kann] nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken.“306 Diesbezüglich ist insbesondere auch entscheidend, ob eine Werbung potenzielle Kunden lediglich über die Existenz des Produkts informiert oder ob die Werbung den natürlich Spieltrieb der Verbraucher fördert und daher zur aktiven Teilnahme am Spiel anregt. Beispiele für Zweiteres wäre, wenn „das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen“.307 302  EuGH 303  EuGH 304  EuGH 305  EuGH 306  EuGH 307  EuGH

EuZW EuZW EuZW EuZW EuZW EuZW

2011, 2011, 2011, 2011, 2011, 2011,

841 841 841 841 841 841

(845). (845). (845). (845). (845 f.). (846).

170 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Auch ist zu berücksichtigen, dass ein Monopol immer auf ein besonders hohes Verbraucherschutzniveau abzielt, weshalb dieses auch immer „mit der Schaffung eines normativen Rahmens einhergehen muss, der gewährleistet, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, die so festgelegten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.“308 Ferner äußerte sich der EuGH erneut zu der Frage, wie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu berücksichtigen ist, dass einem Anbieter bereits in einem anderem Mitgliedstaat Beschränkungen auferlegt werden, die im Grunde die gleichen Ziele verfolgen.309 Dies hat keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit oder der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau, da es Sache jedes Mitgliedstaates ist das von ihnen gewollte Schutzniveau zu bestimmen.310 Auch im Rahmen dieser Entscheidung wiederholt der EuGH bereits mehrere bekannte Aspekte, insbesondere wird er nicht müde, das Kohärenzkriterium zu formulieren. Besonderheit der Entscheidung ist aber die kritische Befassung des EuGH mit der Expansionspolitik eines Mitgliedstaats. Es bedarf zur Bewahrung der Kohärenz, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte – in Bezug auf die Werbung ist eine solche Ausweitung nur in einem Maß zulässig dahingehend, dass sie eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken.311 g) Rechtssache Pfleger Im Anschluss an die Rechtssache Dickinger und die darin angeordneten Voraussetzungen war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Fehlen dieser Voraussetzungen gerügt werden wird, was im Rahmen der Rechtssache Pfleger geschah.312 Hinsichtlich der Rechtfertigung einer hier vorliegenden Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wendet der EuGH seine aus den anderen Entscheidun308  EuGH

EuZW 2011, 841 (846). EuZW 2011, 841 (848). 310  Vgl. EuGH EuZW 2011, 841 (848). 311  EuGH EuZW 2011, 841 (848). 312  Vgl. EuGH EuZW 2014, 597. 309  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV171

gen bekannten Grundsätze an. Einzig neu ist, dass der EuGH anerkennt, dass es sich beim Glücksspielmarkt um einen „sehr spezifischen Markt“ handelt, weshalb ein freier und unverfälschter Wettbewerb, wie in einem traditionellen Markt, nachteilige Folgen haben könnte, da auf diesem die Veranstalter „versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, so dass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden.“313 Im Rahmen der Rechtfertigung ist aber dennoch nötig, dass der Mitgliedstaat dem Gericht alle Umstände darlegt, anhand derer sich das Gericht vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt.314 Nach dieser Darlegung durch den Mitgliedstaat obliegt es dem nationalen Gericht, eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen.315 Kommt das Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass nicht die aus dem Dickinger-Urteil geforderten Voraus­setzungen gegeben sind, so hat es auf eine fehlende Rechtfertigung der Beschränkung zu erkennen.316 Auch bejaht der EuGH eine Anwendbarkeit der Grundfreiheiten nach der europäischen Grundrechtsrechtscharta, da bei jedem Fall, auf den Unionsrecht Anwendung findet, wie dies bei einer versuchten Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der Fall ist, auch die Unionsgrundrechte mit zu berücksichtigen sind.317 Daher kann eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch zugleich eine Einschränkung der in den Art. 15 bis 17 EU-GRCh niedergelegten Berufsfreiheit, unternehmerischen Freiheit und des Eigentumsrechts sein.318 Es bedarf hierbei aber keiner getrennten Prüfung zwischen EU-Grundrechten und Grundfreiheiten, da eine mangelnde Rechtfertigung hinsichtlich einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zugleich auch eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der EU-Grundrechte darstellt.319 Auch im Rahmen der Entscheidung in der Rechtssache Pfleger ergeben sich weitere spezifische Punkte zur anschließenden Prüfung anhand der Grundfreiheiten. Wichtiges Kriterium ist, dass die Mitgliedstaaten eine Darlegungslast dahingehend trifft, dass ihr System dem Gebot der Kohärenz entspricht. Ist dem nicht so und hat das nationale Gericht Zweifel an der 313  EuGH

EuZW 2014, 597 (599). EuZW 2014, 597 (599). 315  EuGH EuZW 2014, 597 (600). 316  Vgl. EuGH EuZW 2014, 597 (600). 317  Vgl. EuGH EuZW 2014, 597 (598 f., 600). 318  EuGH EuZW 2014, 597 (600). 319  EuGH EuZW 2014, 597 (600). 314  EuGH

172 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Kohärenz, so hat es auf eine Verletzung der Grundfreiheiten mit dem Ergebnis einer Unanwendbarkeit der betreffenden Vorschriften zu erkennen. Auch ist zu beachten, dass sich eine Glücksspielregulierung nicht nur an den in der AEUV verankerten Grundfreiheiten messen muss, sondern auch an den EU-Grundrechten, wobei der Rechtfertigungsmaßstab ähnlich ausgestaltet ist. h) Rechtssache Digibet Ein Verfahren unter Berücksichtigung der deutschen Glücksspielregulierung stellt die Rechtssache Digibet dar. Grundlage war eine Wettbewerbsklage der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. OHG gegen die Digibet Ltd., die auf ihrer Internetseite in deutscher Sprache Glücksspiele und Sportwetten gegen Geldeinsatz anbot, auf Unterlassung, da die Digibet mit ihren Onlineangebot gegen den geltenden GlüStV 2008 verstieße und es sich daher um wettbewerbswidriges unerlaubtes Glücksspiel handele.320 Zunächst bestand im Rahmen der Entscheidung Digibet das Problem, dass der GlüStV einen Onlinevertrieb rigoros verbot, wohingegen in SchleswigHolstein ein Onlinevertrieb möglich war (s. o.). Die Frage war aber, ob dies die Gesamtkohärenz der Glücksspielregulierung konterkariere.321 Der EuGH weist darauf hin, dass aufgrund der Besonderheiten des Glücksspielmarktes die Mitgliedstaaten über ein weites Ermessen dahingehend verfügen, welche Anforderungen sie unter Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes stellen.322 Die eigenständige Regelung in Schleswig-Holstein steht aber nicht dem Kohärenzgebot entgegen, da zum einen die Zuständigkeiten zwischen den Ländern nicht in Frage gestellt werden, da sie unter dem Schutz von Art. 4 II EUV stehen, und es zum anderen – im Gegensatz zum Urteil Carmen Media Group – „um das horizontale Verhältnis zwischen den Bundesländern mit eigenen Gesetzgebungsbefugnissen im Rahmen eines föderal strukturierten Mitgliedstaats“ geht.323 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass mit Schleswig-Holstein lediglich ein Bundesland eine andere Regelung traf, die Beeinträchtigung der Kohärenz diesbezüglich also nur räumlich auf ein Bundesland begrenzt ist. „Es lässt sich somit nicht die Auffassung vertreten, dass die abweichende Rechtslage in einem Bundesland die Eignung der in den anderen Bundesländern geltenden Beschränkungen des Glücksspiels zur Erreichung der mit ihnen verfolgten legitimen Ziele des Allgemeinwohls 320  Vgl.

EuGH NVwZ 2014, 1001. EuGH NVwZ 2014, 1001 (1002). 322  EuGH NVwZ 2014, 1001 (1002). 323  EuGH NVwZ 2014, 1001 (1003). 321  Vgl.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV173

erheblich beeinträchtigt.“324 Jedoch weist der EuGH im Anschluss darauf hin, dass trotz dieser Entscheidung dennoch vom nationalen Gericht die Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist.325 Für die weitere Untersuchung ist daher festzuhalten, dass eine abweichende Regelung in einem räumlich getrennten Bereich der Bundesrepublik, auch wenn diese parallel fort gilt, nicht dazu geeignet ist, das Kriterium der Kohärenz von vornherein als nicht erfüllt zu betrachten. Die Streitfrage, ob durch das Abweichen von Schleswig-Holstein allein daher die Kohärenz zu verneinen ist,326 ist demnach bereits vom EuGH negativ beschieden worden. i) Rechtssache Ince Besondere Bedeutung für die europarechtliche Beurteilung des Glücksspielstaatsvertrags in seiner momentanen Fassung bringt das Urteil in der Rechtssache Ince mit sich.327 Frau Ince war eine in Deutschland wohnende türkische Staatsangehörige, die in Bayern Sportwetten im Rahmen einer Sportbar vermittelte, wobei die Vermittlung an einen in Österreich lizenzierten Anbieter erfolgte. Eine Lizenz für eine Veranstaltung von Sportwetten in Deutschland hatte dieser Anbieter wiederum nicht. Deshalb erfolgte eine strafrechtliche Verfolgung von Frau Ince gem. § 284 I StGB, wobei diesbezüglich zum einen die Rechtslage des GlüStV 2008 und zum anderen die des GlüStV 2012 (und daher auch des Konzessionserfordernisses) maßgeblich war.328 Die zunächst zu klärende Frage war, welchen Einfluss es auf die strafrechtliche Ahndung gem. § 284 I StGB hat, wenn das zugrundeliegende Glücksspielverwaltungsrecht vom mitgliedstaatlichen Gericht als unionsrechtswidrig betrachtet wird. Diesbezüglich ist zu differenzieren: Das vorlegende Gericht sah das Sportwettenmonopol auf Basis des GlüStV 2008 als unionsrechtswidrig an, die Problematik hinsichtlich des GlüStV 2012 ergab sich aus der Regelung des § 29 I 3 GlüStV329 und der Problematik, dass aufgrund mehrerer Eilentscheidungen bisher keine Konzessionsvergabe er-

324  EuGH

NVwZ 2014, 1001 (1003). EuGH NVwZ 2014, 1001 (1003). 326  So z. B. Dörr/Janich, K&R 2012, 1 (11); Schorkopf, Gutachten, S. 35. 327  Vgl. EuGH NVwZ 2016, 369. 328  Vgl. EuGH NVwZ 2016, 369. 329  Diese lautet: „Abweichend von § 10a Abs. 2 und 5 ist das gemeinsame Sportwettangebot der Veranstalter nach § 10 Abs. 2 und dessen Vermittlung durch Annahmestellen ein Jahr nach Erteilung der Konzessionen nach § 10a in Verbindung mit § 4c zulässig“. 325  Vgl.

174 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

folgte, was faktisch dazu führt, dass aufgrund der Übergangsregelung das dem GlüStV 2008 entsprechende Staatsmonopol fortbesteht. Hierzu stellte der EuGH zunächst mit Verweis auf die Entscheidung Winner-Wetten klar, dass bei Feststellung einer Unionsrechtswidrigkeit auch eine vorübergehende Weitergeltung der Rechtslage nicht möglich ist.330 Jedoch ist es dem Mitgliedstaat möglich, an einem Monopol weiterhin festzuhalten, wenn er es dementsprechend reformiert und an die Voraussetzungen des Europarechts anpasst.331 Dies sei aber hinsichtlich des GlüStV 2008 nicht der Fall gewesen, was zur Folge hat, „dass ein Mitgliedstaat keine strafrecht­ lichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat.“332 Eine Ahndung gem. § 284 I StGB scheidet daher aus, „wenn die Erlaubnispflicht für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten im Rahmen eines staatlichen Monopols besteht, das die nationalen Gerichte für unionsrechtswidrig befunden haben.“333 Die Unionsrechtswidrigkeit der verwaltungsrechtlich geregelten Erlaubnispflicht schlägt daher auf die Sanktionierung gem. § 284 I StGB durch, weshalb nur bei einer Vereinbarkeit mit Unionsrecht überhaupt eine Bestrafung gem. § 284 I StGB ermöglicht wird. Hinsichtlich der Norm des § 4 IV GlüStV führt der EuGH aus, dass diese als „Vorschriften betreffend Dienste“ qualifiziert werden kann, da sie eine „Dienstleistung der Informationsgesellschaft“ i. S. v. Art. 1 Nr. 2 der RL 98/ 34/EG betreffen. Den Mitgliedstaat trifft diesbezüglich gem. Art. 8 I der RL 93/34/EG eine Notifizierungspflicht, die bei dessen Nichteinhalten dazu führt, dass beim Erlass der Vorschrift ein Verfahrensmangel gegeben ist, der zur Unanwendbarkeit dieser technischen Vorschriften führt, so dass sie dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden können.334 Festzuhalten ist daher, dass das Internetverbot als solches der Notifizierungspflicht unterliegt. Am wichtigsten für die Untersuchung sind aber die Aussagen des EuGH im Rahmen der Beantwortung der dritten Frage335. Hinsichtlich der Vergabe 330  EuGH

NVwZ 2016, 369 (370). NVwZ 2016, 369 (370). 332  EuGH NVwZ 2016, 369 (371). 333  EuGH NVwZ 2016, 369 (371). 334  EuGH NVwZ 2016, 369 (372). 335  Diese bezog sich auf die geltende Regulierungslage im Rahmen des GlüStV 2012 und stellte die Frage, ob es mit Art. 56 AEUV vereinbar ist, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten in seinem Hoheitsgebiet an einen Wirtschafts331  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV175

der Konzessionen weist der EuGH darauf hin, „dass die öffentlichen Stellen, die Dienstleistungskonzessionsverträge schließen, die Grundregeln des Vertrags im Allgemeinen, insbesondere Art. 56 AEUV, sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot im Besonderen zu beachten haben“.336 Diesbezüglich ist aber der Prüfungsmaßstab im Rahmen des Vertragsauslegungsverfahrens zu beachten. Der EuGH ist insoweit an die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts gebunden.337 Er stellt ausdrücklich klar, dass es allein Sache des vorlegenden (nationalen) Gerichts ist, ob die in einem Konzessionsverfahren gegebenen Umstände „jeweils für sich oder zusammen genommen, die Vereinbarkeit eines Verfahrens zur Erteilung von Konzessionen für die Veranstaltung von Sportwetten […] mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsange­ hörigkeit und dem daraus folgenden Transparenzgebot in Frage stellen können.“338 Das Transparenzgebot, „das mit dem Gleichheitssatz einhergeht, soll in diesem Zusammenhang im Wesentlichen gewährleisten, dass alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung über die Teilnahme an Ausschreibungen auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen treffen können und die Gefahr von Günstlingswirtschaft und Willkür seitens der Vergabestelle ausgeschlossen ist. Es verlangt, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, genau und eindeutig formuliert sind, sodass zum einen alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen dem Ermessen der konzessionserteilenden Stelle Grenzen gesetzt werden und diese tatsächteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Lizenz für die Veranstaltung von Sportwetten innehat, zu ahnden, wenn die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten daran geknüpft ist, dass der genannte Wirtschaftsteilnehmer eine Konzession nach einem Konzessionserteilungsverfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erhält und das vorlegende Gericht feststellt, dass dieses Verfahren den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot nicht beachtet und soweit trotz des Inkrafttretens einer nationalen Bestimmung, nach der privaten Wirtschaftsteilnehmern eine Konzession erteilt werden kann, die von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenen Bestimmungen, mit denen ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten eingeführt wurde, faktisch weiter angewandt werden, vgl. EuGH NVwZ 2016, 369 (373). 336  EuGH NVwZ 2016, 369 (373). 337  Vgl. statt vieler ErfK/Wißmann, Art. 267 AEUV Rn. 42; Calliess/Ruffert/Wegener, Art. 267 AEUV Rn. 4. 338  EuGH NVwZ 2016, 369 (373).

176 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

lich überprüfen kann, ob die Gebote der Bieter die für das betreffende Verfahren geltenden Kriterien erfüllen.“339 Wiederum äußert sich der EuGH im Anschluss zu der Frage, was die Folge ist, wenn ein von nationalen Gerichten als unionsrechtswidrig deklarierter Zustand weiter fortbesteht, da die Reformierung dieses Zustands praktisch ausblieb. Er stellte erneut klar, dass eine unionsrechtswidrige Regelung nicht weitergelten dürfe, was wiederum auch eine praktische Weitergeltung miteinschließt. Daher stellt es für sich einen Verstoß gegen Art. 56 AEUV dar, wenn zwar eine Legislativreform durch die Einführung des Konzessionsmodells erfolgte, diese Reform aber praktisch zu keiner Änderung des bis dahin herrschenden als unionrechtswidrig eingestuften Sportwettenmonopols führt. Dieser Verstoß gegen Art. 56 AEUV führt daher auch dazu, dass keine strafrechtliche Ahndung wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität möglich ist.340 Im Rahmen der Entscheidung und damit auch für die Untersuchung wird die „Krux“ der Regulierung im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags besonders ersichtlich. Zum einen ist festzustellen, dass nicht der EuGH über die Unionsrechtswidrigkeit einzelner Vorgaben entscheidet, sondern die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten, indem sie die vom EuGH aufgestellten Rechtssätze bzw. Auslegungen anwenden. Daher ist eine Aussage dahingehend, dass der EuGH eine Regelung für unionsrechtswidrig erklärt, im Grunde falsch. Er legt lediglich die Verträge aus und erklärt abstrakt, ob eine derartige Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Viel wichtiger ist aber zum anderen die Aussage des EuGH dahingehend, was die Konsequenz ist, wenn ein zuvor als unionsrechtlich betrachteter Zustand trotz Reform praktisch fortwirkt. Dies widerspricht demnach ebenfalls Art. 56 AEUV. Dem Staat bleiben demnach im Rahmen einer wirksamen Reformierung im Ergebnis nur zwei Möglichkeiten: Entweder er schafft eine unionskonforme Regelung, die den unionsrechtswidrigen praktischen Zustand ablöst, oder er ändert etwas am praktischen Zustand. Die Unionsrechtswidrigkeit ergibt sich gerade deswegen, da der Staat weiterhin das Monopol hält. Unionsrechtliches Problem ist daher nicht das Konzessionserfordernis als solches, sondern das Verfahren zur Konzessionserteilung hin. Dieses führt aufgrund seiner Stagnation zu einem fortdauernden praktischen Verstoß gegen Art. 56 AEUV.

339  EuGH 340  EuGH

NVwZ 2016, 369 (373). NVwZ 2016, 369 (374).



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV177

j) Rechtssache Admiral Im Rahmen des Rechtssache Admiral äußerte sich der EuGH wiederum zum Prüfungsmaßstab der nationalen Gerichte. Zunächst vollzog der EuGH eine Klarstellung hinsichtlich des Begriffs „tatsächlich“ im Rahmen der Kohärenzprüfung, womit lediglich gemeint sei, dass die Umsetzung auch „wirklich“ stattfinden muss, hingegen bedarf es keiner „empirisch mit Sicherheit festzustellende Auswirkungen“.341 Des Weiteren stellte der EuGH auch klar, dass die nationalen Gerichte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Regelung nicht nur an die Zielsetzung der Regelung zum Zeitpunkt des Erlasses gebunden sind, sondern dass diese auch deren Auswirkungen nach dem Erlass mit einbeziehen können. Es ist nicht nur die Sachlage im Moment des Erlasses der betreffenden Regelung zu betrachten, sondern auch der „Schritt der Durchführung dieser Regelung“ zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den Begriff der Kohärenzprüfung bedeutet dies, dass die Regelung auch nach dem Erlass dem „Anliegen entsprechen muss, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“, was insbesondere anhand der „Entwicklung der Geschäftspolitik der autorisierten Unternehmen“ und anhand dem „Stand der kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen im entscheidungserheblichen Zeitraum zu prüfen“ ist.342 Für die weitere Untersuchung ist demnach für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht nur der Erlasszeitpunkt maßgeblich, sondern auch die Entwicklung danach. k) Rechtssache Online Games Auch die Rechtssache Online-Games bezieht sich auf die Verfahrensausgestaltung und den Prüfungsumfang des nationalen Gerichts. Die zu entscheidende Frage war, ob es dem nationalen Gericht obliegt, von Amts wegen die nötigen Umstände zu ermitteln, die zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit führen können. Der EuGH stellte diesbezüglich klar, dass die nationalen Gerichte zwar verpflichtet sein können, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage von Beweisen zu fördern. Es ergibt sich aber keine Pflicht für diese, anstelle der Behörden Rechtfertigungsgründe vorzubringen. Erfolgt kein Vorbringen von Rechtfertigungsgründen durch die Behörde, ist das nationale Gericht dazu befugt alle Konsequenzen zu ziehen, die sich aus einem solchen 341  EuGH 342  EuGH

NVwZ-RR 2016, 624 (624 f.). NVwZ-RR 2016, 624 (625).

178 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Mangel ergeben, was im Ergebnis zu einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten und damit zu einer Unanwendbarkeit der nationalen Regelungen führt.343 l) Rechtssache Unibet Die nachfolgende Rechtssache Unibet wiederum beschäftigte sich mit der Frage, wie ein Konzessionssystem unionsrechtlich ausgestaltet sein muss, damit es vor den Verträgen Bestand hat. Zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch ein Konzessionssystem ist demnach nötig, dass das Vergabeverfahren auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind, sodass dem Ermessen der natio­ nalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.344 Des Weiteren müssen die öffentlichen Stellen, die die Konzessionen vergeben, das Transparenzgebot beachten. Hieraus ergibt sich zwar nicht zwingend, dass eine Ausschreibung nötig ist, es verpflichtet aber die konzessionserteilende Stelle, „zugunsten der potenziellen Bewerber einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der eine Öffnung der Dienstleistungskonzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind“.345 „Darüber hinaus gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen“.346 m) Rechtssache Gmalieva/Rechtssache Stanley International Betting Auch in jüngster Vergangenheit reißen die Vorlagefragen an den EuGH nicht ab, wie die Rechtssachen Gmalieva347 und Stanley International Betting348 zeigen. Im Rahmen der Rechtssache Gmalieva stellte der EuGH erneut die aus der Rechtssache Pfleger bekannten Rechtssätze heraus und dass das nationale Gericht eine Beschränkung an der kohärenten und systematischen Verfolgung dieser Ziele unter Berücksichtigung dieser Rechtssätze zu 343  Vgl.

EuGH GRUR Int. 2017, BeckRS 2017, 113944 345  EuGH BeckRS 2017, 113944 346  EuGH BeckRS 2017, 113944 347  EuGH BeckRS 2018, 21528. 348  EuGH BeckRS 2018, 32757. 344  EuGH

769 (771 f.). Rn. 41. Rn. 42. Rn. 43.



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV179

prüfen hat.349 Im Rahmen der Rechtssache Stanley International Betting war wiederum die maßgebliche Frage, ob es dem Kriterium der Kohärenz entgegensteht, wenn für andere Glücksspielsektoren ein Mehrkonzessionensystem angewandt wird, für den der Lotterien aber gerade nicht, da hier ein Einkonzessionensystem für einen privaten Anbieter herrschte. Diese Frage beantwortete der EuGH wiederum dahingehend, dass sich aus dieser Tatsache alleine kein derartiger Schluss ergibt, im Übrigen hat aber das Gericht für die Rechtfertigung dieses Systems festzustellen, „dass die Regelung tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise die vom betreffenden Mitgliedstaat angegebenen Ziele verfolgt.“350 n) Zusammenfassung der Ergebnisse Wie aus den vorhergehenden Ausführungen ersichtlich wird, ist die Rechtsprechung des EuGH zu den unionsrechtlichen Anforderungen an das Glücksspielwesen äußerst umfangreich. Insofern sind daher aufgrund der Breite der Rechtsprechung die bisher gewonnenen Erkenntnisse kompakt zusammenzufassen, um anschließend das Konzessionsystem einer unionsrechtlichen Prüfung zu unterwerfen und auch die Ergebnisse für die anderen Glücksspielarten heranzuziehen. aa) Anwendbarkeit In diesem Zusammenhang ist zunächst die Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV auf Online-Glücksspiele durch den EuGH durchgängig bestätigt worden. Es kommt hierbei auch nicht darauf an, ob der jeweilige Anbieter überhaupt die Möglichkeit hätte, eine Lizenz für OnlineGlücksspiele zu erhalten. Die Dienstleistungsfreiheit sei hier sowohl dahingehend gegeben, dass es dem Anbieter erlaubt ist, sein Angebot über die Grenzen eines Mitgliedstaats ohne Ortswechsel per Internet anzubieten, als auch insoweit, dass ein Leistungsempfänger diese Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat empfangen oder in Anspruch nehmen kann.351 Bedient sich der Glücksspielveranstalter eines Vermittlers im Inland, so hat dies keinen Einfluss auf die Beurteilung. Es ist irrelevant für die Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen.352 Erst recht ist es unschädlich für die Bejahung der Dienstleistungsfreiheit, wenn sich der 349  Vgl.

EuGH BeckRS 2018, 21528. Rn. 21 ff. BeckRS 2018, 32757 Rn. 53. 351  EuGH NJW 2004, 139 (140). 352  EuGH NJW 2004, 139 (140). 350  EuGH

180 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

­ nbieter nur eines Erbringers von EDV-Dienstleistungen im Aufnahmestaat A bedient.353 Ferner ist es ohne Einfluss auf die Dienstleistungsfreiheit, wenn der Online-Glücksspielanbieter lediglich über eine Lizenz eines Mitgliedstaats verfügt, die ihm ausschließlich außerhalb dieses Mitgliedstaats OnlineGlücksspiel genehmigt, aber nicht in diesem.354 bb) Beschränkung Es stellt daher immer eine Beschränkung der Grundfreiheiten dar, wenn in einem Mitgliedstaat die Ausübung dieser Dienstleistung beschränkt wird, indem ihre rechtmäßige Ausübung von der Einholung einer Konzession oder einer irgendwie anders gearteten Erlaubnis, egal in welcher Gestalt, abhängig ist oder die Ausübung der Dienstleistung gänzlich für Private untersagt wird. Zu beachten ist, dass sowohl der Erlaubnisvorbehalt als solcher eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt als auch das Online-Vertriebsverbot, das gesondert zu rechtfertigen ist.355 Zu beachten ist, dass es sich um eine Diskriminierung handelt, wenn die Regelung nicht sowohl auf inländische wie ausländische Anbieter gleichermaßen Anwendung findet. Ist der Eingriff als direkte oder indirekte Diskriminierung auszulegen, so ergibt sich hieraus, dass sich der jeweilige Mitgliedstaat lediglich auf die geschriebenen Rechtfertigungsgründe im Sinne des Art. 62 i. V. m. Art. 52 AEUV berufen kann, was eine Rechtfertigung anhand der im Rahmen der zumeist angewandten ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe ausscheiden lassen würde.356 cc) Rechtfertigung Wiederum der häufige Dreh- und Angelpunkt jeder unionsrechtlichen Prüfung glücksspielrechtlicher Regulierungen stellt die Prüfung der Rechtfertigung dar. Mangels einschlägiger ausdrücklicher Ausnahmeregelungen in Art. 62 i. V.m Art. 52 AEUV kommt nach ständiger Rechtsprechung nur eine 353  EuGH

EuZW 2011, 841 (843). NVwZ 2010, 1422 (1423 f.). 355  Vgl. diesbezüglich EuGH NJW 2009, 3221. 356  Diesbezüglich ist der Meinungsstand zumindest hinsichtlich der direkten bzw. unmittelbaren Diskriminierung einheitlich, dass diese nur mit den geschriebenen Rechtfertigungsgründen gerechtfertigt werden kann, hingegen ist im Rahmen der indirekten bzw. mittelbaren Diskriminierung umstritten, ob hier auch die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe zur Anwendung kommen können vgl. diesbezüglich Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff Art. 56, 57 AEUV Rn. 82 f.; so auch Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (23). 354  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV181

Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Frage.357 Diesbezüglich betont der EuGH durchgängig, dass „die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Union ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben“, wobei für die Klärung der Frage, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich verfolgt werden, das nationale Gericht zuständig ist.358 Den Mitgliedstaaten kommt daher ein Ermessen dahingehend zu, wie sie festlegen möchten, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben.359 Es steht daher jedem Mitgliedstaat frei, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen.360 Jedoch müssen Beschränkungen, um durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt zu sein, geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.361 Sie dürfen auch nicht in diskriminierender Weise angewandt werden.362 In diesem Zusammenhang ist auch irrelevant, ob ein anderer Mitgliedstaat ein anderes Schutzniveau gewählt hat; dieses hat keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen.363 357  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (845); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (843 f.); EuZW 2014, 597 (598 f.); NVwZ 2014, 1001 (1001 f.); BeckRS 2017, 113944 Rn. 39; BeckRS 2018, 32757 Rn. 40 ff. 358  EuGH NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (846); EuZW 2011, 841 (844); NVwZ 2014, 1001 (1002). 359  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); EuZW 2011, 841 (844). 360  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); NVwZ 2010, 1422 (1426). 361  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (846); NVwZ 2010, 1422 (1426); NVwZ 2014, 1001 (1002). 362  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NVwZ 2014, 1001 (1002). 363  EuGH NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (846); NVwZ 2010, 1422 (1428); EuZW 2011, 841 (844).

182 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Die Prüfung ist demnach in die drei Schritte aufzuteilen: Das Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Geeignetheit der Regulierung zur Erreichung dieser Interessen und die Erforderlichkeit der Regulierung zur Zielerreichung. Eine zahlenmäßige Begrenzung von Konzessionen ist ausdrücklich nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass sie auf Grund einer spezifischen Schätzung als für das gesamte Inland „ausreichend“ erachtet werden.364 (1) Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses Derartige zwingende Gründe des Allgemeininteresses können nach der Rechtsprechung des EuGH der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen365, die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen366, die Bekämpfung der Kriminalität367, der Jugendschutz368 bzw. der Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie der Schutz der Sozialordnung,369 sein. Die Generierung von Steuereinnahmen bildet hingegen keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und rechtfertigt daher auch keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik eines Mitgliedstaats sein.370

364  EuGH

NJW 2007, 1515 (1517). NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1001); BeckRS 2017, 113944 Rn. 36; BeckRS 2018, 32757 Rn. 43. 366  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36); EuGH NVwZ 2010, 1409 (1413 Rn. 74; EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423 Rn. 45). 367  EuGH NJW 2009, 3221 (3224); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36). 368  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1427). 369  EuGH MMR 2010, 844 (846); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (844). 370  EuGH NJW 2004, 139 (141). 365  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV183

(2) Geeignetheit Die vom Mitgliedstaat ergriffenen Maßnahmen müssten auch zur Erreichung der Allgemeininteressen geeignet sein. In ständiger Rechtsprechung fordert der EuGH diesbezüglich, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Erreichung der verfolgten Allgemeininteressen beitragen müssen.371 Eine Geeignetheit der Regulierung zur Zielerreichung ist nur dann zu bejahen, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.372 Der Begriff „tatsächlich“ im Rahmen der Kohärenzprüfung ist in diesem Zusammenhang mit „wirklich“ zu verstehen, hingegen bedarf es keiner „empirisch mit Sicherheit festzustellende Auswirkungen“.373 Es ist diesbezüglich Sache des nationalen Gerichts, sich „im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“.374 Eine Berufung auf die Notwendigkeit, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern ist daher verwehrt, wenn der Mitgliedstaat gleichzeitig die Verbraucher dazu anreizt und ermuntert, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen.375 Hingegen erkennt der EuGH eine Geeignetheit der Beschränkung der Wirtschaftsteilnehmer zur Bekämpfung der Kriminalität an, da Glücksspiele in Anbetracht der Höhe der Beträge, die mit ihnen eingenommen werden können, und der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, eine erhöhte Gefahr von Betrug und anderen Straftaten in sich bergen.376 Auch bejaht der EuGH eine Geeignetheit hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung dahingehend, dass eine lediglich begrenzte Erlaubnis von Spielen im Rahmen eines Ausschließlichkeitsrechts den Vorteil bietet, den Spielbetrieb in kontrollierte Bahnen zu lenken, was wiederum die Gefahren senke.377 Darüber hinaus sieht der EuGH die Erteilung von Ausschließlichkeitsrechten dahingehend als geeignet an, da dies die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrol-

371  EuGH (1518). 372  EuGH 373  EuGH 374  EuGH 375  EuGH 376  EuGH 377  EuGH

NJW 2004, 139 (141); NJW 2007, 1515 (1518); NJW 2007, 1515 NJW 2009, 3221 (3223). NVwZ-RR 2016, 624 (624 f.). EuZW 2011, 841 (845). NJW 2004, 139 (141). NJW 2009, 3221 (3224). NJW 2007, 1515 NJW 2009, 3221 (3224).

184 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

lierte Bahnen lenkt, im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung zu dienen.378 Auch sieht der EuGH ein allgemeines Internetverbot als grundsätzlich geeignet an, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt.379 Ferner hat sich der EuGH bereits zu der Frage geäußert, ob ein Einkonzessionensystem in einem Glücksspielbereich neben einem Mehrkonzessionensystem in anderen Bereichen Bestand haben kann. Diesbezüglich bejahte er die Geeignetheit der Vergabe nur einer Konzession, wenn das Ziel dieser Regelung auch tatsächlich darin besteht, auf dem spezifischen Markt den Wettbewerb zu reduzieren, da die Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs, wie im Rahmen eines traditionellen Marktes, im „sehr spezifischen Markt für Glücksspiele“ insofern nachteilige Folgen haben kann, „als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, so dass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden.“380 Außerdem ist nötig, dass die Beschränkungen in dem Sinne unterschiedslos anwendbar sind, dass sie in gleicher Weise und mit den gleichen Kriterien für im Inland ansässige Wirtschaftsteilnehmer wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten.381 Die Beurteilung, ob eine nationale Regelung auch wirklich in kohärenter und systematischer Weise das beabsichtigte Ziel verfolgt, obliegt den nationalen Gerichten.382 Diesbezüglich hat das nationale Gericht die Entwicklung des Glücksspielmarkts zu berücksichtigen und auch die Geschäftspolitik der staatlichen Anbieter zu beachten.383 Hinsichtlich der Geschäftspolitik ist insbesondere der Umfang der Werbung als auch die Schaffung neuer Spiele dahingehend zu beurteilen, ob diese als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen angesehen werden können.384 Dies bedeutet insbesondere, „ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrü378  EuGH

MMR 2010, 844 (846). NVwZ 2010, 1422 (1427). 380  EuGH EuZW 2014, 597 (599); BeckRS 2018, 32757 Rn. 48. 381  EuGH NJW 2004, 139 (141). 382  Vgl. EuGH EuZW 2011, 841 (845). 383  EuGH EuZW 2011, 841 (845). 384  EuGH EuZW 2011, 841 (845). 379  EuGH



A. Glücksspielregulierung anhand des GlüStV185

gerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht [im Mitgliedstaat] ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können“ und „die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken“.385 Hierbei besteht die Pflicht des Mitgliedstaats, alle Umstände vorzulegen, anhand derer sich das entscheidende Gericht vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt.386 Hingegen ist es nicht nötig, dass der Mitgliedstaat Untersuchungen vorlegt, die dem Erlass der Regelung zu Grunde lagen, denn allein aus diesem Umstand ist dem Mitgliedstaat nicht die Möglichkeit genommen, die Anforderungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beweisen.387 Kommt der jeweilige Mitgliedstaat vor dem nationalen Gericht nicht seiner Darlegungs- und Beweispflicht nach und erfolgt daher kein Vorbringen von Rechtfertigungsgründen durch die Behörde, so ist das nationale Gericht dazu befugt alle Konsequenzen zu ziehen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben, was im Ergebnis zu einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten und damit zu einer Unanwendbarkeit der nationalen Regelungen führt.388 Nach dieser Darlegung durch den Mitgliedstaat obliegt es dem nationalen Gericht eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen.389 Kommt das Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Kohärenz nicht gegeben sind, so hat es auf eine fehlende Rechtfertigung der Beschränkung zu erkennen.390 (3) Erforderlichkeit Abschließend hat die staatliche Regelung noch erforderlich zu sein. Die Beschränkungen dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels erforderlich ist.391 Sie dürfen zu den mit ihnen verfolgten Zielen nicht außer Verhältnis stehen.392 Der Prüfungspunkt der 385  EuGH

EuZW 2011, 841 (845 f.). MMR 2010, 844 (845); EuZW 2011, 841 (844); EuZW 2014, 597 (599). 387  Vgl. EuGH MMR 2010, 844 (845). 388  Vgl. EuGH GRUR Int. 2017, 769 (771 f.). 389  EuGH EuZW 2014, 597 (600); EuGH BeckRS 2018, 21528 Rn. 30. 390  Vgl. EuGH EuZW 2014, 597 (600). 391  EuGH NJW 2004, 139 (141). 392  EuGH NJW 2004, 139 (141). 386  EuGH

186 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Erforderlichkeit schließt den aus dem Verfassungsrecht bekannten Prüfungspunkt der Angemessenheit mit ein.393 Diesbezüglich äußerte sich der EuGH im Rahmen des Glücksspielrechts eher selten, da der Großteil der Fragen sich auf die Geeignetheit bezog. Im Falle eines Ausschließlichkeitsrechts eines Betreibers für den Onlinevetrieb von Glückspielen hat der EuGH aber die Erforderlichkeit zum Schutz der Verbraucher durch die Anbieter bejaht.394 „Ein Mitgliedstaat darf die Auffassung vertreten, dass der Umstand allein, dass ein Wirtschaftsteilnehmer […] in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist und in dem er grundsätzlich bereits rechtlichen Anforderungen und Kontrollen durch die zuständigen Behörden dieses anderen Mitgliedstaats unterliegt, rechtmäßig über das Internet anbietet, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden kann, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, denen sich die Behörden des Sitzmitgliedstaats in einem solchen Fall bei der Beurteilung der Qualitäten und der Redlichkeit der Anbieter bei der Ausübung ihres Gewerbes gegenüber sehen können.“395 Dies ergibt sich auch aus dem Gesichtspunkt, dass „Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich [tragen], dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden.“396 Ebenso sei nicht auszuschließen, „dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der für manche der Sportwettbewerbe, auf die er ­Wetten annimmt, sowie für manche der daran beteiligten Mannschaften als Sponsor auftritt, eine Stellung innehat, die es ihm erlaubt, den Ausgang dieser Wettbewerbe unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und so seine Gewinne zu erhöhen.“397 Auch ist es unter dem Aspekt der Erforderlichkeit grundsätzlich möglich, dass ein Mitgliedstaat verschiedene Glücksspielsektoren unterschiedlich beurteilt und daher auch unterschiedlich reglementiert. Diesbezüglich entschied der EuGH ausdrücklich: „Die Tatsache, dass das deutsche Monopol manche Glücksspielarten streng reglementiert und andere nicht, ist folglich nicht von vornherein problematisch.“398

393  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff,

Art. 45 AEUV Rn. 377. EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 395  EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 396  EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 397  EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 398  EuGH MMR 2010, 844 (850), damals noch zum Lotteriestaatsvertrag; vgl. EuGH NVwZ 2010, 1422 (1424 f.). 394  Vgl.



B. Online-Sportwetten187

Vielmehr kommt dem jeweiligen Mitgliedstaat ein Ermessensspielraum zu Gute. Es ist „Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten im Glücksspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen.“399 Auch hat die Tatsache, „dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit“.400 Nur wenn von der mitgliedstaatlichen Regelungen vorstehende Voraussetzungen erfüllt worden ist ein Bestand vor dem Unionsrecht möglich. Ob dies der Fall ist, soll nun folgend differenzierend anhand der unterschiedlichen Glücksspielsektoren untersucht werden.

B. Online-Sportwetten Wie oben gezeigt, handelt es sich bei der Sportwette um eine besondere Art des Angebots, da diese im Rahmen eines Konzessionsmodells aufgrund der Experimentierklausel gem. §§ 4a I, 10a I, II GlüStV erlaubnisfähig ist, wobei die Konzessionen auf eine Höchstzahl von 20 gem. § 10a III GlüStV begrenzt sind. Auch findet auf Sportwetten das Online-Totalverbot keine Anwendung, vielmehr ist es gem. § 10a IV 1 GlüStV dem Konzessionsnehmer erlaubt, abweichend von § 4 IV GlüStV Sportwetten im Internet zu veranstalten und zu vermitteln.

I. Definition der Sportwette, Unterscheidung der Tatmodalitäten Wie oben gezeigt, beschränkt sich die Experimentierklausel nach ihrem klaren Wortlaut ausschließlich auf Sportwetten, vgl. § 10a I, II GlüStV. Entscheidend ist daher zunächst, was überhaupt unter den Begriff der „Sportwette“ fällt. Gemäß der gesetzlichen Legaldefinition handelt es sich gem. § 3 I 4 GlüStV bei Sportwetten um Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen. Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind gem. § 3 I 3 GlüStV Glücksspiele im Sinne des Vertrages. Es sind daher sowohl Wetten auf das Endergebnis eines Sportereignisses als auch auf Abschnitts­ 399  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1426); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1002); BeckRS 2017, 113944 Rn. 37. 400  EuGH EuZW 2011, 841 (848).

188 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

ergebnisse (wie z. B. der Halbzeitstand beim Fußball) mitumfasst. Wetten mit festen Gewinnquoten (auch „fixed-odds-bets“) sind Wetten, bei denen bereits vor Tippabgabe feststeht, mit welcher Gewinnquote gespielt wird, weshalb auch schon vor Tippabgabe der mögliche Gewinn feststeht.401 Vorbild der Sportwettendefinition bildet hierbei die vom Deutschen Lotto- und Totoblock angebotene ODDSET-Wette. Eine genauere Differenzierung vollzieht der Gesetzgeber in § 21 GlüStV, demnach sind gem. § 21 I 1 GlüStV sowohl Kombinationswetten als auch Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen erlaubnisfähig.402 1. Live Wetten Eine Besonderheit bilden die sog. „Live-Wetten“, wie sie § 21 IV GlüStV regelt. Diese stellen einen Unterfall der Sportwetten dar. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Wette nicht bereits vor dem Sportereignis platziert wird, sondern dass die Wette erst während der Übertragung des Sportereignisses gesetzt wird, die Veranstaltung bzw. die Vermittlung der Sportwette also mit dem Sportereignis verknüpft wird, vgl. § 21 IV 1 GlüStV.403 Gem. § 21 IV 2 GlüStV sind diese Arten von Wetten grundsätzlich unzulässig. Gem. § 21 IV 3 GlüStV sind aber Live-Wetten auf das Endergebnis, sog. „Endergebniswetten“ erlaubnisfähig, es handelt sich hierbei um ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.404 Hinsichtlich des Sportwettenanbieters genügt es daher nicht – falls dieser Live-Wetten anbieten möchte – lediglich eine Konzession gem. §§ 4a ff. GlüStV zu erlangen, dieser muss darüber hinaus auch eine gesonderte Erlaubnis gem. § 21 I 3 Hs. 1 GlüStV beantragen und auch erhalten haben.405 Hingegen sind Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses, sog. Ereigniswetten, nicht erlaubnisfähig gem. § 21 IV 3 Hs. 2 GlüStV.

401  Vgl.

Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV Rn. 18. der Thematik, was alles unter eine Abschnittswette fällt, vgl. ­Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 21 GlüStV Rn. 19  ff.; Dietlein/Hecker/ Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 25 ff. 403  So bietet auch der Platzhirsch „bwin“ sowohl auf seiner Seite bwin.com, als auch auf seiner Seite sh.bwin.de, zwei verschiedene Arten der Sportwetten an: Zum einen gibt es die Rubrik „Sportwetten“, unter der auf kommende Ereignisse hinsichtlich des Ausgangs, z. B. Sieg einer Mannschaft oder Unentschieden, gewettet werden kann. Daneben bietet „bwin“ auch die Rubrik „Live-Wetten“ an, unter der auf gerade stattfindende Sportereignisse gewettet werden kann, wobei die Website hierzu auch häufig Live-Streams zum Ereignis anbietet, damit man das Ereignis nachverfolgen kann. 404  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 21 GlüStV Rn. 52. 405  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV Rn. 52. 402  Hinsichtlich



B. Online-Sportwetten189

Mit Blick auf die großen Online-Sportwettenanbieter fällt auf, dass diese unter der Rubrik der „Live-Wetten“ nicht nur Wetten auf das Endergebnis bzw. das Zwischenergebnis einer laufenden Partie anbieten. Vielmehr bieten diese auch z. B. im Rahmen eines Fußballspiels eine Wette auf „nächstes Tor“406, „Restzeit“407, die Toranzahl in den nächsten „15 Minuten“408 und „Handicap“-Wetten409 an.410 Diese Art von Wetten ist aber partiell nach dem GlüStV überhaupt nicht erlaubnisfähig, da es sich um sog. „Ereigniswetten“ im Sinne des § 21 IV 3 Hs. 2 GlüStV handelt. Bei der Wette auf das nächste Tor handelt es sich nicht um die Wette auf einen Spielabschnitt, sondern um einen einzelnen Vorgang während des Ereignisses, was gem. § 21 IV 3 Hs. 2 GlüStV nicht erlaubnisfähig ist.411 Fraglich ist aber auch, ob die restlichen Wettarten als Live-Wetten zulässig sind. Der Gesetzgeber hat nach dem Wortlaut des § 21 IV 3 Hs. 1 GlüStV nur eine Ausnahme hinsichtlich „Wetten auf das Endergebnis“ zugelassen. Wetten auf das Endergebnis sind Wetten, die sich auf das Ergebnis am Ende einer einzelnen Veranstaltung beziehen.412 Wichtiges Kriterium ist, dies zeigt auch ein Vergleich zu § 21 I 1 GlüStV, der zwischen Ausgang des Ereignisses als solches und dem Ausgang von Abschnitten unterscheidet, dass nur auf das Endergebnis gewettet werden darf, hingegen sind Ereignisse, die zu diesem Endergebnis führen (z. B. ein Tor im letzten Viertel) zwar für das Endergebnis ursächlich, sie sind aber nicht selbst Bestandteil von diesem (denn der Zeitpunkt des Tors ist für das Ergebnis ohne Belang).413 406  Die

Wette lautet hierbei darauf, welches Team als nächstes ein Tor schießt. Wette lautet hierbei nicht darauf, wer das Spiel am Ende gewinnt, sondern wer die „Restzeit“ gewinnt. Vorausgesetzt Team A führt im Fußball 5:0 gegen Team B, das Spiel läuft noch 10 Minuten, schließt man in diesem Moment eine RestzeitWette auf Team B ab und schießt dieses in der 90. Minute ein Tor, so hat man die Wette gewonnen, obwohl am Ende Team A haushoch gewonnen hat. 408  Hierbei wird unabhängig vom vorherigen Spielverlauf darauf gewettet, wer in den nächsten 15 Minuten die meisten Tore schießt. 409  Im Rahmen der Handicapwette wird einem Team in Höhe des „Handicaps“ eine gewisse Anzahl an entscheidungsrelevanten Punkten, im Fußball z. B. Tore, hinzugerechnet, was wiederum am Spielende dem regulären Endergebnis hinzugerechnet wird. Dieses dann gebildete Ergebnis ist dann für den Wettausgang maßgeblich, vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 23. 410  Vgl. hierzu https://livebetting.bwin.com/de/; https://sports.tipico.de/de/live/de fault; https://www.sportwetten.de/livewetten; https://www.bet-at-home.com/de/sport/ live, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 411  Ebenso Dietlein/Hecker/Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 24; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 21 GlüStV Rn. 51. 412  Nolte, Zulässigkeit von Sportwettenangeboten, S. 5; VG Regensburg, Beschluss v. 17.11.2014 – RN 5 S 14.1494. 413  Ebenso Nolte, Zulässigkeit von Sportwettenangeboten, S. 7. 407  Die

190 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Eine Live-Wette auf „Restzeit“414 und die Toranzahl in den nächsten 15 Minuten ist daher unzulässig.415 Hingegen sind sog. Handicap-Wetten zulässig, da hierbei das Endergebnis zwingend herangezogen wird, das erst dann durch das Handicap angepasst wird.416 In Bezug auf die Angebote der OnlineSportwettenanbieter ist daher zu beachten, dass die von ihnen gewählte Angebotsform hinsichtlich der Ereigniswetten nicht erlaubnisfähig ist. 2. Wetten ohne feste Gewinnquoten Hingegen sind Wetten ohne feste Gewinnquoten keine „Sportwetten“ im Sinne des § 3 I 4 GlüStV. Diese sog. Totalisatorwetten zeichnen sich dadurch aus, dass alle Einsätze eine gemeinsame Masse darstellen, die dann nach Abzug verschiedenster Posten nach einem vordefinierten Gewinnverteilungsplan auf die Gewinner verteilt wird.417 Bekanntester Vertreter dieser Totalisatorenwetten stellt das TOTO dar. Da es bei diesem an einer festen Gewinnquote mangelt, handelt es sich beim TOTO (im Gegensatz zu ODDSET) um keine Sportwette im Sinne des § 3 I 4 GlüStV mit der Konsequenz, dass die in § 10a GlüStV verankerte Experimentierphase privaten Anbietern keinen vereinfachten Zugriff auf das TOTO Angebot gibt. TOTO ist daher nicht dem Begriff der Sportwetten, sondern vielmehr aufgrund des stattfindenden Poolens der Gewinne der Gattung der Lotterien zuzuordnen.418 Dies hat zur Konsequenz, dass hinsichtlich des TOTO weiterhin das gem. § 10 II, III GlüStV normierte Staatsmonopol gilt.419 3. Differenzierung zwischen den Modalitäten Ferner ist zu beachten, dass die §§ 10a I und II GlüStV nur „das Veranstalten von Sportwetten“ umfassen. Die ebenfalls im Anwendungsbereich des 414  Die Wette lautet hierbei nicht darauf, wer das Spiel am Ende gewinnt, sondern wer die „Restzeit“ gewinnt. Vorausgesetzt Team A führt im Fußball 5:0 gegen Team B, das Spiel läuft noch 10 Minuten, schließt man in diesem Moment eine RestzeitWette auf Team B ab und schießt dieses in der 90. Minute ein Tor, so hat man die Wette gewonnen, obwohl am Ende Team A haushoch gewonnen hat. 415  Ebenso OVG Lüneburg, 14.03.2018 – 11 LA 128/17. 416  Ebenso BayVGH, Beschl. v. 1.8.2016 – 10 CS 16.893 –, juris, Rn. 40; OVG Lüneburg, 14.03.2018 – 11 LA 128/17; a. A. Dietlein/Hecker/Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 23. 417  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 18; vgl. Dietlein/ Hecker/Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 11. 418  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 19; Dietlein/Hecker/ Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 11. 419  Ebenso Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 19.



B. Online-Sportwetten191

GlüStV gem. § 2 I GlüStV aufgenommene Durchführung und Vermittlung ist hingegen vom Wortlaut nicht mitumfasst.420 Auf den ersten Blick scheint daher nur eine Konzessionierung für das Veranstalten nötig, also sowohl für den stationären Vertrieb im Rahmen einer Wettannahmestelle als auch für das Betreiben eines Wettangebots im Internet.421 Hingegen gewährt § 10 IV 1 GlüStV dem Konzessionsnehmer abweichend vom Verbot des § 4 IV GlüStV das Recht, nicht nur Sportwetten im Internet zu veranstalten, sondern auch zu vermitteln. Die bloße Vermittlung von Sportwetten an Wettvermittlungsstellen422 – also, ohne selbst die Wette zu veranstalten – ist wie oben ausgeführt möglich, bedarf aber gem. §§ 10a V 2 Hs. 1 GlüStV, 4 I 1GlüStV einer zusätzlichen gesonderten Erlaubnis.423 Ein bloßer Sportwettenvermittler bedarf im Ergebnis daher lediglich einer Erlaubnis nach §§ 4 I 1, 19 GlüStV und einer gem. § 4 V GlüStV, falls er die Wetten über das Internet vermitteln möchte, eine Konzession ist für diesen gerade nicht notwendig. Es ist daher abschließend festzustellen, dass der Veranstalter einer Sportwette gem. §§ 4a I, 10a I, II GlüStV konzessionspflichtig ist. Einer gesonderten Erlaubnis dahingehend, dass er auch online seine Sportwetten anbieten darf, die über § 4 IV GlüStV hinweghilft, benötigt der Veranstalter nicht, da diese Erlaubnis gem. § 10a IV 1 GlüStV bereits in der Konzession mitenthalten ist. Ebenso ist in der Konzession die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten im Internet enthalten. Der Vermittler einer Sportwette ist hingegen nicht konzessionspflichtig, wie ein Umkehrschluss zu § 4a II GlüStV ergibt,424 dieser bedarf daher sowohl der Erlaubnis gem. §§ 4 I 1, 19 GlüStV im Grundsatz als auch einer gem. § 4 V GlüStV, falls er die Sportwetten online vermitteln möchte.

II. Vereinbarkeit des Konzessionserfordernisses mit höherrangigem Recht In diesem Zusammenhang kommt daher die Frage auf, ob sich die momentan im Internet befindlichen Online-Sportwettenanbieter gem. § 284 I StGB strafbar machen. Wie oben gezeigt, kommt eine Anwendbarkeit deut420  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

§ 4a GlüStV Rn. 8. § 4a GlüStV Rn. 8. 422  Hierbei handelt es sich um besondere Geschäftsräume der Konzessionsnehmer zur Vermittlung ihres Sportwettenangebots, also sog. Wettbüros, Becker/Hilf/Nolte/ Uwer, § 10a GlüStV Rn. 47. 423  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 10a GlüStV Rn. 46. 424  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4a GlüStV, Rn. 8 f. 421  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

192 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

schen Strafrechts in gewissen Konstellationen durchaus in Betracht, weshalb die Frage auch praktische Relevanz hat. Auch im Übrigen erfüllen die Seitenbetreiber wie Tipico oder bwin unproblematisch die Tatbestandsmerkmale des § 284 I Var. 1 StGB, da sie über ihre Webseiten eine Spielbeteiligungsmöglichkeit eröffnen. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob diese „ohne behördliche Erlaubnis“ im Sinne des § 284 I StGB handeln. Das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ ist (wie oben gezeigt) verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen und abhängig von dem zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrecht. Sind die, die Erlaubnis fordernden, Normen des GlüStV nicht mit höherrangigem Recht vereinbar, so kann dies auf das Strafrecht durchschlagen. Wie gezeigt unterliegt der Veranstalter einer Online-Sportwette einer Konzessionspflicht gem. §§ 4a I, 10a I, II GlüStV, ohne diese ist ihm das Veranstalten verboten. Eine Unterscheidung zwischen der allgemeinen Erlaubnis gem. § 4 I GlüStV und der „Internet-Erlaubnis“ gem. § 4 V GlüStV ist im Falle von Online-Sportwetten nicht nötig, da die Konzession als solche beide Erlaubnisse umfasst, vgl. § 10a I, II, IV 1 GlüStV. Da, wie oben gezeigt, das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ des § 284 I StGB verwaltungsrechtsakzessorisch ist, ist in diesem Zusammenhang entscheidend, ob das das Konzessionserfordnis anordnende Glücksspielverwaltungsrecht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Im Rahmen des höherrangigen Rechts ist zwischen dem Verfassungsrecht und dem Unionsrecht zu unterscheiden, weshalb die Vorschrift an beiden Maß­ stäben gemessen werden soll und muss. 1. Aktuelle Situation der Konzessionsvergabe Brisanz erhält das Thema der fehlenden Konzession daher, da seit der Geltung der Experimentierklausel im Jahr 2012 keine Konzessionsvergabe durch das gem. § 9a II 1 Nr. 3 GlüStV zuständige Land Hessen erfolgte.425 Die hierzu nötige Ausschreibung des Konzessionsverfahrens erfolgte bereits am 08.08.2012, in das hierauf später folgende Auswahlverfahren gelangten wiederum 35 Bewerber, wobei gem. § 10a III GlüStV die Konzessionszahl auf 20 begrenzt ist. Aufgrund der zu hohen Bewerberzahl erfolgte hinsichtlich der 15 „schlechtesten“ Bewerber am 02.09.2014 ein Ablehnungsbescheid. Gegen diesen Bescheid wurde jedoch von mehreren der unterlegenen Bewerber sowohl Klage als auch ein Eilantrag gestellt.426 Zunächst erging Hilf/Umbach, ZfWG 2018, 368; Hilf/Umbach, ZfWG 2019, 337 (339 f.). exemplarisch VG Wiesbaden, Urteil vom 15. April 2016 – 5 K 1431/14. WI –, juris, Rn. 13, 14. 425  Vgl.

426  Siehe



B. Online-Sportwetten193

daher ein Hängebeschluss vom 18.09.2014, der das Land Hessen verpflichtete, bis zur Entscheidung über den Eilantrag der Antragstellerin das Konzessionsverfahren offen zu halten und zunächst keine Konzessionen an ausgewählte Bewerber zu vergeben.427 Aufgrund der Eilanträge entschied das damit betraute Gericht per Beschluss, das Land Hessen zu verpflichten, bis zur Entscheidung der Kammer im Hauptsacheverfahren die angekündigte Erteilung von Konzessionen an die 20 erfolgreichen Mitbewerber zurückzustel­ len,428 weshalb keine Konzessionserteilung erfolgen durfte. In der darauffolgenden Hauptsacheentscheidung urteilte das erkennende Gericht, dass das Land Hessen verpflichtet sei, Bewerbern, die die Mindestvoraussetzungen erfüllen, eine für sieben Jahre gültige Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten zu erteilen.429 Dies begründete das erkennende Gericht damit, dass die in § 10a III GlüStV verankerte zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionsanzahl die jeweiligen Bewerber in ihrer Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV verletzt, weshalb die Begrenzung auf eine Höchstanzahl unanwendbar ist.430 Eine Entscheidung im momentan anhängigen Berufungsverfahren am VGH Kassel ist weiterhin ausstehend431, weshalb es bei der weiteren Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Konzessionen verbleibt und daher auch bisher kein Anbieter auf dem Online-Sportwettenmarkt über eine nach §§ 4a II, 10a I, II GlüStV nötige Konzession verfügt. Im Grundsatz richten daher alle Sportwettenanbieter gem. §§ 4a I 2, 4 I 2 ein unerlaubtes und daher verbotenes Glücksspiel aus. Aufgrund dieses Stillstands in der Konzessionsvergabe haben sich die Länder in einer Ministerpräsidentenkonferenz wiederum geeinigt ab 01.01.2020 den Glücksspielstaatsvertrag punktuell zu ändern. Wesentlicher Inhalt der Änderungen ist nach dem Entwurf432, dass die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen aufgehoben wird. Das zunächst vorgesehene Auswahlverfahren unter mehreren Bewerbern wird zu einem schlichten Genehmigungsverfahren umstrukturiert, wobei die bisherigen Voraussetzungen der erweiterten Zuverlässigkeit, der Leistungsfähigkeit und der Transparenz und Sicherheit, wie Sie § 4a IV GlüStV bereits kennt, nun nicht Auswahlkriterien darstellen, sondern Genehmigungsvoraussetzungen, die vom jeweiligen Bewerber erfüllt werden müssen. Der ab 2020 geltende § 4a III GlüStV lautet dann schlicht „Die Zahl der Konzessionen wird für die Dauer der Ex427  VG 428  VG

Wiesbaden BeckRS 2015, 50346 Rn. 27. Wiesbaden BeckRS 2015, 45506; BeckRS 2015, 48328; BeckRS 2015,

50346. 429  Vgl. VG Wiesbaden BeckRS 2016, 44844; BeckRS 2016, 110788. 430  VG Wiesbaden BeckRS 2016, 44844; BeckRS 2016, 110788. 431  Siehe hierzu Hilf/Umbach, ZfWG 2018, 368; Hilf/Umbach, ZfWG 2019, 337 (339 f.). 432  LT-Drs. BW 16/5894, S. 3 ff.

194 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

perimentierphase nicht beschränkt.“ Auch die bis dahin noch geltende Übergangsregelung in § 29 I 3 GlüStV, die zu einer weiterhin bestehenden Erlaubnis staatlicher Anbieter führt, wird gestrichen. Ob diese Änderung etwas an der Bewertung ändert, wird sich im Folgenden zeigen. Jedoch ist auch hinsichtlich des momentan geltenden GlüStV 2020 und dessen geplanten Konzessionsvergabe bisher keine Änderung in Sicht, vielmehr wurde die Konzessionsvergabe – erneut – gestoppt433, weshalb nach wie vor der beschriebene Zustand besteht. 2. Verfassungsmäßigkeit des Konzessionserfordernisses Zunächst stellt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Konzessionserfordernisses, diesbezüglich muss sich das Erfordernis am Grundgesetz messen. Maßgeblich sind hier insbesondere die oben434 herausgearbeiteten Ergebnisse. Die in §§ 4a ff., 10a I, II GlüStV verankerte Konzessionspflicht müsste nach dem oben Gesagten mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Dies ist im Rahmen einer objektiven Verfassungsmäßigkeitsprüfung nur der Fall, wenn das jeweilige Gesetz sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß ist. a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Zur formellen Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ist insbesondere notwendig, dass die Regelungen der Konzessionspflicht in die Kompetenz der Landesgesetzgeber fallen. An dem Verfahren und der Form der jeweiligen Landesgesetze, die den Staatsvertrag ratifizieren, besteht hingegen kein Zweifel. Bereits die formelle Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielstaatsvertrags als solches ist in der Literatur umstritten. Zwar bestehen keine Probleme hinsichtlich des Verfahrens und der Form des Glücksspielstaatsvertrags, jedoch besteht Streit hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Wie oben bereits erwähnt, wurde ab dem ersten Spielbankenbeschluss des BVerfG häufig die Meinung vertreten, dass das materielle Glücksspielverwaltungsrecht eine Komponente des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei, weshalb es in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder falle.435 Es herrsche eine „Glücksspielhoheit der Länder“. 433  VG

Darmstadt BeckRS 2020, 5966. S. 152 f. 435  Vgl. Voßkuhle, VerwArch (87) 1996, 395; Weidemann, DVBl 2016, 665 (667); so auch BVerwG hinsichtlich des Staatslotteriegesetzes in Bayern, bei diesem habe 434  Vgl.



B. Online-Sportwetten195

Dieser Ansicht hat das Bundesverfassungsgericht aber in seiner Sportwettenentscheidung eine Absage erteilt. Vielmehr hat der Senat ausdrücklich festgestellt, dass die Regelung des staatlichen Sportwettenmonopols dem Gesetzestitel des Art. 74 I Nr. 11 GG „Recht der Wirtschaf“ unterfällt.436 Dem Bund ist es daher möglich im Bereich des Glücksspiels, „gestützt auf den Gesetzgebungstitel für das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 I Nr. 11 GG, unter den Voraussetzungen des Art. 72 II GG tätig [zu] werden.“437 Sowohl hinsichtlich der Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen438 als auch hinsichtlich der Sportwetten im Internet, da die Sportwetten im Internet nur ein Teilbereich der, der Kompetenz des Art. 74 I Nr. 11 GG unterfallenden, Sportwetten sind, wird dem Bundesgesetzgeber entweder eine Kompetenz zugeschrieben, oder diese Frage offengelassen, diesem aber zumindest bescheinigt, dass er, wenn denn eine bestünde, von dieser keinen Gebrauch gemacht hat.439 Würde der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz (teilweise) Gebrauch machen, so hätte dies (teilweise) sowohl eine zeitliche als auch eine inhaltliche Sperrwirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber zur Folge, soweit der Bundesgesetzgeber die Materie geregelt hat.440 Der Glücksspielstaatsvertrag wäre in diesem Umfang dann formell verfassungswidrig. Bundesgesetzliche Regelungen finden sich sowohl im Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) als auch in der Gewerbeordnung (GewO) und im Telemediengesetz (TMG). Hinsichtlich der Thematik der Sportwetten hat der Bundesgesetzgeber jedenfalls nicht abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht.441 Zwar regelt das Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8.4.1922 (RGBl I, 393), das nach Art. 125 Nr. 1 GG als Bundesrecht fort gilt, mit den Pferdewetten einen Teilbereich der Sportwetten, jedoch trifft das Gesetz keine Regelung über die Sportwetten außerhalb des Pferdesports, weshalb diesbezüglich eine Gesetzgebungskompetenz der Landesgesetzgeber bestehen bleibt.442 der „Landesgesetzgeber von der ihm in Ermangelung einer bundesrechtlichen Vorschrift aus Art. 72 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG oder aus Art. 70 Abs. 1 GG zustehenden Gesetzgebungsbefugnis für das Recht der Wirtschaft oder das Sicherheits- und Ordnungsrecht dahin gehend Gebrauch gemacht […]“, BVerwG ­ NJW 2001, 2648 (2649). 436  Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Sannwald, Art. 74 Rn. 119. 437  BVerfG NJW 2006, 1261 (1267). 438  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 439  Vgl. BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 440  Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Sannwald, Art. 74 Rn. 119. 441  BVerfG NJW 2006, 1261 (1263 Rn. 96); NVwZ 2009, 1221 (1222 Rn. 14). 442  vgl. BVerwG NVwZ 2011, 544 (555 Rn. 25).

196 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Diesen Umstand trägt auch § 27 des GlüStV Rechnung, indem er auf die Erlaubnis nach dem RennwLottG verweist. Auch im Rahmen der GewO hat der Bundesgesetzgeber bzgl. des Veranstaltens von Glücksspielen keinen Gebrauch seiner Gesetzgebungskompetenz gemacht. Zwar hat der Bundesgesetzgeber das gewerbliche Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit (§ 33 c GewO) sowie das gewerbliche Veranstalten anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33 d GewO) unter Erlaubnisvorbehalt gestellt und in §§ 33 c ff. GewO näher geregelt. Diese Regelungen finden jedoch gem. § 33h GewO keine Anwendung auf (1.) die Zulassung und den Betrieb von Spielbanken, (2.) die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen, mit Ausnahme der gewerbsmäßig betriebenen Ausspielungen auf Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen, bei denen der Gewinn in geringwertigen Gegenständen besteht und auf (3.) die Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33 d Abs. 1 Satz 1, die Glücksspiele im Sinne des § 284 des Strafgesetzbuchs sind. § 33h GewO regelt das Verhältnis der gewerberechtlichen Bestimmungen zur landesrechtlichen Glücksspielregulierung.443 Diesbezüglich bildet § 33h Nr. 2 und Nr. 3 GewO fast eine vollständige Ausklammerung der Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen und der Veranstaltung von anderen Spielen, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind. Da der Anwendungsbereich des GlüStV sich auf Glücksspiele im Sinne des § 3 I 1 GlüStV bezieht und der Begriff des Glücksspiels im Rahmen des GlüStV ebenso wie im Rahmen des § 284 StGB einheitlich gesehen wird444, hat dies zur Folge, dass das Veranstalten von Glücksspielen, die dem § 284 I StGB unterfallen zugleich gem. § 33h Nr. 3 GewO aus dem Anwendungsbereich der §§ 33c ff. GewO fallen. Dem Landesgesetzgeber ist deshalb in diesem Rahmen kompetenzrechtlich die Möglichkeit eröffnet, selbst Regelungen zu erlassen.445 Der Bund machte hierdurch deutlich, dass er die dort niedergelegten Mechanismen der Aufnahmeüberwachung nicht anwenden will, er überlässt stattdessen dem Landesgesetzgeber diese Regelungsmaterie.446 Zu beachten gilt aber, dass der Wortlaut des § 33h GewO nur die „Veranstaltung“ von Lotterien, Ausspielungen und anderen Spielen im Sinne des § 33d I 1 GewO, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind, aus dem Anwendungsbereich der §§ 33c ff. GewO nimmt. Nicht geregelt ist hingegen die Vermittlung als solche. Fraglich ist daher, ob der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung zum Vermittler von Wetten getroffen hat. Gleich 443  Erbs/Kohlhaas/Ambs

§ 33h GewO Rn. 1. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 3 GlüStV, Rn. 3, 5 m. w. N. 445  Vgl. BVerwG NVwZ 2014, 889 (891). 446  Glücksspiel/Korte, § 24 Rn. 74; Korte, ZfWG 2018, 507 (510). 444  Vgl.



B. Online-Sportwetten197

dem Wettveranstalter ist auch beim gewerblichen Wettvermittler eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 I Nr. 11, 72 II GG anzunehmen.447 Wie bereits oben verdeutlicht, entfällt die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gem. Art. 72 I GG, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Wie aus der Formulierung „solange“ und „soweit“ ersichtlich wird, entfaltet sich die Sperrwirkung nur, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat und nur in dem Maße, in dem die Bundesvorschriften inhaltliche Reichweite entfalten.448 Eine vollständige Sperrwirkung entsteht daher nur, wenn der Bund eine Materie abschließend regeln wollte.449 Eine abschließende Regelung kann zum einen durch eine Vollregelung gegeben sein, zum anderen aber auch durch eine Teilregelung und damit einhergehendes sog. „beredtes Schweigen“.450 Im Falle einer Teilregelung ist von einer erschöpfenden Regelung mit Folge einer umfassenden Sperrwirkung dann auszugehen, wenn dem Gesetz durch „Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes“ entnommen werden kann, dass es eine erschöpfende oder abschließende Regelung einer bestimmten Materie darstellt.451 Entscheidend ist daher, ob eine derartige Regelung des Bundesgesetzgebers hinsichtlich der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen vorliegt. Hinsichtlich der „Vermittlung“ sind im Rahmen der Gewerbeordnung nicht die §§ 33c ff. GewO die maßgeblichen Vorschriften, diese sprechen ausdrücklich vom „veranstalten“, sondern vielmehr wäre die Vorschrift des § 6 I 2 GewO die zur Vermittlung sachnähere.452 Gem. § 6 I 2 GewO findet die Gewerbeordnung nur insoweit Anwendung, wie diese ausdrückliche Bestimmungen für „den Vertrieb von Lotterielosen“ enthält. Die Gewerbeordnung differenziert bewusst zwischen dem Vertrieb in § 6 I 2 GewO und der Veran447  Vgl. Korte, ZfWG 2018, 507 (510); vgl. Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1225 ff.); auch bezog sich das Urteil des BVerfG, in der das Gericht erstmalig eine Kompetenz des Gesetzgebers nach Art. 74 I Nr. 11 GG bejahte, BVerfG NJW 2006, 1261 (1267), auf die Verfassungsbeschwerde eines Sportwettenvermittlers und nicht eines Sportwettenveranstalters. Da der Senat insgesamt eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes im „Bereich der Sportwetten“ bejahte, ist hiervon auch die in diesem Fall zur Entscheidung führende Vermittlertätigkeit mitumfasst. 448  Vgl. BeckOK-GG/Seiler, Art. 72 Rn. 4; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/Sannwald, Art. 72 Rn. 17. 449  BeckOK-GG/Seiler, Art. 72 Rn. 4; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke/ Sannwald, Art. 72 Rn. 26. 450  Korte, ZfWG 2018, 507 (510); BeckOK-GG/Seiler, Art. 72 Rn. 4. 451  BVerfG NVwZ 2000, 1160 (1160); NJW 2004, 750 (755); NJW 2005, 2603 (2606); Jarass/Pieroth, Art. 72 Rn. 6. 452  Korte, NVwZ 2009, 283 (284); vgl. Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1227).

198 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

staltung in § 33h Nr. 2, 3 GewO, denn der Vertrieb als solcher ist mit spezifischen gewerberechtlich relevanten Fragen verbunden.453 Gem. § 6 I 2 GewO anwendbare Vorschriften sind die Anzeigepflicht des § 14 I, II GewO und die Möglichkeit der Untersagung des Handels mit Losen bei Unzuverlässigkeit gem. § 35 IX GewO.454 Handelt es sich aber bei dieser gewerberechtlichen Regelung um ein abschließende Regelung des Bundesgesetzgebers, so ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, eine eigene Regelung zum Regelungskomplex „Vertrieb von Lotterielosen“ zu schaffen. Entscheidendes Kriterium ist daher, wieweit die bundesgesetzliche Normierung reicht und inwieweit sich hierdurch eine damit einhergehende Sperrwirkung gegenüber den Landesgesetzgeber entfaltet,455 genauer, was unter dem Begriff „Vertrieb von Lotterielosen“ fällt. Auch wenn von Lotterielosen die Rede ist, hat dies ebenso Konsequenzen für den Sportwettenvermittler. So wird vertreten, dass hierunter jeder fällt, der Lose verkauft oder andere Handlungen vornimmt, die auf den Abschluss von Spielverträgen zwischen dem Veranstalter und Spielern gerichtet sind. Insofern seien sowohl Lotterieannahmestellen und Lotterieeinnehmer der Klassenlotterien erfasst456 als auch gewerbliche Spielvermittler457 und Wettannahmestellen.458 Zu beachten ist jedoch, dass §§ 6 I 2, 14 II GewO nach dem Willen des Gesetzgebers zumindest auf die hier vorliegenden Sportwetten mit festen Gewinnquoten keine Anwendung findet. Der Bundesgesetzgeber wollte die Frage der gewerblichen Sportwettenvermittler gerade nicht abschließend regeln. Im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 14 II GewO erläuterte ­ der Bundesgesetzgeber, dass „[d]urch die Formulierung ‚Wettannahmestellen ­aller Art‘ […] auch Annahmestellen für Fußballtoto und ähnliche Lotterie­ unternehmen miterfaßt“ werden sollen.459 Die hieraus hergeleitete Konsequenz, dass jeglicher „Betrieb einer Wettannahmestelle (einschließlich der Vermittlung von Wette[…]) von § 6 I 2 erfasst wird“460 und daher auch die

453  BeckOK-GewO/Holzner,

§ 6 Rn. 56a, 56b. § 6 Rn. 57; vgl. Korte, ZfWG 2018, 507 (510); Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1228). 455  Vgl. Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1228). 456  Tettinger/Wank/Ennuschat, §  6 GewO Rn. 41–43; BeckOK-GewO/Holzner, § 6 Rn. 56b; Korte, NVwZ 2009, 283 (284); Korte, ZfWG 2018, 507 (511). 457  A.A Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1230). 458  Tettinger/Wank/Ennuschat, §  6 GewO Rn. 41–43; BeckOK-GewO/Holzner, § 6 Rn. 56b; Korte, NVwZ 2009, 283 (284); Korte, ZfWG 2018, 507 (511). 459  BT-Drs. III/318, S. 14. 460  Tettinger/Wank/Ennuschat, § 6 GewO Rn. 43. 454  BeckOK-GewO/Holzner,



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Vermittlung von Sportwetten gem. § 14 I, II GewO anzuzeigen ist461, ist jedoch abzulehnen. Der Gesetzgeber hatte nach der Gesetzesbegründung unter anderem das „Fußballtoto“ neben den Lotterien im Auge, dieses ist aber, wie oben erläutert, keine Sportwette im Sinne des GlüStV. Sportwetten sind gem. § 3 I 4 GlüStV Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen. Hingegen zeichnet sich das Fußballtoto durch keine feste Gewinnquote aus, es ist vielmehr aufgrund des stattfinden Poolens der Gewinne der Gattung der Lotterien zuzuordnen, weshalb auch die Gesetzesbegründung mit Blick auf die Thematik Vertrieb von Lotterielosen Sinn macht.462 Die Regelung gem. §§ 6 I 2, 14 I, II GewO soll aber lediglich „Verkaufsstellen für Lotterielose“463 erfassen, nicht jedoch Annahmestellen anderer Gewinnspiele. Die Formulierung sollte lediglich sicherstellen, dass die rechtlich als Verkaufsstellen für Lotterielose anzusehenden Wettannahmestellen für Fußballtoto von § 14 II GewO umfasst sind. Hinsichtlich Sportwetten im Sinne des GlüStV hat der Gesetzgeber aber keine Regelung getroffen, auch hat er hierzu nicht bewusst geschwiegen, vielmehr war sein Blick von Beginn an lediglich auf Lotterien gerichtet, weshalb der Annahme einer abschließenden Regelung hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten im Sinne des GlüStV nicht zu folgen ist. Die Thematik ist daher, wenn überhaupt, im Rahmen der Online-Lotterievermittlung von Belang und soll daher auch erst dort tiefergehend untersucht werden. b) Materielle Verfassungsmäßigkeit, insb. Verletzung des Art. 12 GG Darüber hinaus ist es notwendig, dass die das Konzessionserfordernis anordnenden Regelungen des GlüStV materiell verfassungsmäßig sind. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die Regelungen des GlüStV nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Grundrechte, verstoßen. Dies ist nur der Fall, wenn die Konzessionspflicht, soweit sie ein Eingriff in Grundrechte von Grundrechtsträgern darstellt, ein gerechtfertigter Eingriff ist. Diesbezüglich ist an dem herkömmlichen Aufbau festzuhalten464, dass das Verhalten irgendeines Grundrechtsträgers in den Schutzbereich eines 461  So

i. E. Korte, ZfWG 2018, 507 (511).

462  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

§  4 GlüStV Rn.  19; Dietlein/Hecker/Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 11. 463  BT-Drs. III/318, S. 14. 464  Vgl. statt vieler Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 253  ff. und Hömig/ Wolff/Antoni, Vorbemerkung Grundrechte Rn. 9.

200 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Grundrechts fallen müsste, in dieses Grundrecht durch das Gesetz eingegriffen werden müsste und dass dieser Eingriff gerechtfertigt sein müsste. Wie oben bereits mehrfach genannt, ist das für die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielstaatsvertrags ausschlaggebende Grundrecht die in Art. 12 I GG normierte Berufsfreiheit. aa) Schutzbereich Die in Art. 12 I GG garantierte Berufsfreiheit stellt ein einheitliches Grundrecht dar, das sich aus der Berufswahl und der Berufsausübung zusammensetzt.465 Hinsichtlich des Schutzbereichs ist zwischen dem persönlichen Schutzbereich466 und dem sachlichen Schutzbereich467 zu unterscheiden, wobei für die objektive Verfassungsmäßigkeitsprüfung lediglich der sach­ liche Schutzbereich entscheidend ist. Der Vollständigkeit halber und auch der Tatsache geschuldet, dass im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde auch der persönliche Schutzbereich von Belang ist468, soll dieser dennoch kurz mit dargestellt werden. (1) Persönlicher Schutzbereich Hinsichtlich des Schutzbereichs sind bei den vorliegenden Fällen zwei Besonderheiten zu beachten, die in den Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden immer als selbstverständlich gesehen wurden. Zwar ist die Frage des persönlichen Schutzbereichs für die Frage der objektiven Verfassungsmäßigkeit des Konzessionssystems ohne Belang, soll aber hier aufgrund der häufigen Verfassungsbeschwerden, meist ausländischer juristischer Personen, kurz dargestellt werden. Zum einen muss sich der jeweilige Anbieter, meist eine juristische Person in der Gesellschaftsform einer Limited, überhaupt auf das Grundrecht berufen können, zum anderen muss das Grundrecht überhaupt für ausländische Anbieter gelten.

465  BeckOK-GG/Ruffert,

Art. 12 Rn. 16. die Frage, ob der Grundrechtsträger zu dem Kreis der Personen gehört, der sich auf das Grundrecht berufen kann, Hömig/Wolff/Antoni, Vorbemerkung Grundrechte Rn. 9. 467  Also die Frage, ob das Verhalten des Grundrechtsträgers unter den Schutz des Grundrechts fällt, vgl. Hömig/Wolff/Antoni, Vorbemerkung Grundrechte Rn. 9. 468  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 55 f. 466  Also



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(a) Deutschengrundrecht Hinsichtlich der in Art. 12 I GG verankerten Berufsfreiheit ist zu beachten, dass gemäß des klaren Wortlauts des Art. 12 I GG nur „Deutschen“ das Recht auf freie Berufswahl und -ausübung zuteilwird; es handelt sich um ein sog. „Deutschengrundrecht“.469 Nichtdeutsche könnten sich im Falle eines Rechtsstreits und einer eventuell anschließenden Verfassungsbeschwerde lediglich auf die in Art. 2 I GG statuierte allgemeine Handlungsfreiheit berufen, wobei diesbezüglich der in Art. 2 I GG verankerte Schrankentrias im Rahmen der späteren Rechtfertigung zum Einsatz kommen würde.470 Eine Sonderkonstellation bilden jedoch EU-Ausländer, also Personen, die zwar nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 GG sind, jedoch die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats haben. Aufgrund der im AEUV verbürgten Prinzipien der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45  ff. AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) und als Auffangtatbestand dem in Art. 18 AEUV verankerten Nichtdiskriminierungsgrundsatz ist es auch EU-Ausländern möglich, sich auf Art. 12 GG zu berufen (soweit dies EU-rechtlich geboten ist).471 (b) Juristische Person Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Grundsatz lediglich natürliche Personen Grundrechtsträger sein können. Inländische juristische Personen hingegen können gem. Art. 19 III GG nur Grundrechtsträger sein, soweit das Grundrecht seinem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar ist. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bejaht eine Anwendbarkeit des Art. 12 I GG auf juristische Personen des Privatrechts, da der Begriff des Berufs, trotz eines gewissen Persönlichkeitsbezugs des Grundrechts, nicht eng im Sinne einer persönlichen Berufung zu verstehen ist, sondern dieser weit zu verstehen ist mit Blick auf jede erwerbswirtschaftliche Tätigkeit.472 Jene erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten können auch von juristischen Per469  BeckOK-GG/Ruffert,

Art. 12 Rn. 33. BVerfG NJW 1988, 2290 (2291); NJW 2002, 663; BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 34. 471  Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 GG Rn. 6; Hömig/Wolff, Art. 12 Rn. 2; a. A. dahingehend, dass nur eine Berufung auf EU-Grundfreiheiten möglich ist, nicht jedoch eine Grundrechtsträgerschaft hinsichtlich Art. 12 I GG besteht, Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 633; bzw. dass das Schutzniveau im Rahmen des Art. 2 I GG aufgrund des Europarechts aufgewertet wird, v. Mangoldt/Klein/Stark/Manssen, Art. 12 GG Rn. 267; Streinz/Liesching/Hambach/Berberich, Art. 12 GG Rn. 15. 472  BVerfG NJW 1979, 699 (707 f.); NJW 1998, 1627 (1628); NJW 2002, 2621 (2622); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 38. 470  Vgl.

202 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

sonen des Privatrechts ausgeübt werden.473 Nötig ist lediglich, dass diese eine den Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht.474 Dies ist bei Glücksspiel, insbesondere im Internet, da dort viel technisch möglich ist, zu bejahen, die Tätigkeit hängt gerade nicht an der Person des Tätigwerdenden als solche, sondern kann auch von einer juristischen Person wahrgenommen werden. Erneut zu beachten gilt aber, dass Art. 19 III GG eine Anwendbarkeit der Grundrechte nur für inländische juristische Personen statuiert, e. contrario also ausländische vom Grundrechtsschutz im Grundsatz ausgeschlossen sind. Das Erfordernis der inländischen juristischen Person stellt eine eigenständige Regelung dar, die an Stelle der bei juristischen Personen nicht möglichen Unterscheidung zwischen Jedermann- und Deutschengrundrecht tritt, wobei im Rahmen des Art. 19 III GG maßgebliches Kriterium der Sitz der juristischen Person ist.475 Diesbezüglich ist aber erneut bei einer juristischen Personen mit Sitz in der EU, die Besonderheit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) und als Auffangtatbestand das in Art. 18 AEUV verankerte Diskriminierungsverbots zu beachten. Im Falle einer juristischen Person mit Sitz im EU-Ausland, die aber im deutschen Inland tätig wird, ist der Anwendungsbereich des in Art. 18 AEUV verankerten Diskriminierungsverbots eröffnet. Dieses hat aufgrund seines Anwendungsvorrangs zur Folge, dass einer juristischen Person trotz entgegenstehendem Wortlaut des Art. 19 III GG eine Grundrechtsfähigkeit zukommt und sich diese auf die, auf sie wesensgemäß anwendbaren, materiellen Grundrechte des Grundgesetzes berufen kann.476 Diese „Anwendungs­ erweiterung“ unter Durchbrechung des eindeutigen Wortlauts des Art. 19 III GG ist aufgrund des Anwendungsvorrangs des Art. 18 AEUV geboten und hat zur Folge, dass „juristische Personen mit einem Sitz im EU-Ausland ebenso behandelt [werden] wie inländische juristische Personen“, weshalb diese sich gleich den inländischen juristischen Personen auf Art. 19 III GG berufen können.477

473  BVerfG

NJW 1979, 699 (707 f.); NJW 1998, 1627 (1628). NJW 2002, 2621 (2622). 475  BeckOK-GG/Enders, Art. 19 Rn. 38. 476  BVerfG NJW 2011, 3428 (3430); BeckOK-GG/Enders, Art. 19 Rn. 37. 477  BVerfG NJW 2011, 3428 (3430 f.). 474  BVerfG



B. Online-Sportwetten203

(c) Zwischenergebnis Demnach können sich neben inländischen juristischen Personen auch EUausländische juristische Personen, die Glücksspiele veranstalten, auf Art. 12 I GG berufen. (2) Sachlicher Schutzbereich Die Frage des sachlichen Schutzbereichs wurde in der Rechtsprechung bereits breit behandelt und geklärt. Unter Beruf im Sinne des Art. 12 I GG ist jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient.478 Wie oben bereits herausgearbeitet, fällt auch der Beruf eines Glücksspielbetreibers, selbst wenn dieser an sich durch ein staatliches Monopol von Privaten nicht ausübbar und daher zwingend strafbar ist, unter den Schutzbereich des Art. 12 I GG. Denn nur das Grundgesetz kann bestimmen, welche „Betätigungen außerhalb des Grundrechtsschutzes eines ‚Berufs‘ stehen und daher ohne Verletzung des Art. 12 I GG durch Gesetz oder Verordnung jedermann verboten werden dürfen.“479 Dass ein einfaches Gesetz eine Betätigung verbietet bzw. für strafbar erklärt, hat daher keine Auswirkung für die Qualifizierung einer Tätigkeit als „Beruf“ im Sinne des Art. 12 I GG.480 Ob der Beruf des „Sportwettenanbieters“ ein anderer als der des „Online-Sportwettenanbieters“ ist, ist vorliegend ohne Belang, da das Konzessionserfordernis für beide gleichermaßen gilt und für keinen die Berufsausübung hierdurch mehr oder weniger beeinträchtigt wird, sondern bei beiden insgesamt vollständig unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt wird.481 bb) Eingriff In diesem Zusammenhang ist aber bereits näher zu untersuchen, durch was der Eingriff bzw. die Einwirkung482 auf den Schutzbereich erfolgt. 478  BVerfG NJW 2002, 2621 (2622); NJW 2006, 1261 (1262); NVwZ 2010, 1212 (1214). 479  BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479). 480  BVerwG NVwZ 1995, 475 (476); NVwZ 1995, 478 (479). 481  Diese Unterscheidung ist auf späterer Rechtfertigungsebene im Rahmen eines Internetverbots und der damit korrespondierenden Erlaubnis, außerhalb einer Konzession, nicht zu vernachlässigen, da ein totales Internetverbot beim Sportwettenanbieter als solches lediglich eine Berufsausübungsregel wäre, da ihm der stationäre Markt verbliebe, wohingegen beim Online-Sportwettenanbieter eine objektive Berufszugangsregel gegeben werde, die ihm die Berufsausübung vollständig unmöglich macht. 482  Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 147.

204 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Zum einen könnte der Eingriff in der Norm des § 284 I StGB zu sehen sein, falls dieser das Glücksspiel als solches unter Strafe stellt, soweit es unerlaubt ist, wobei die genauere Bestimmung, was erlaubt ist, den Ländern vorbehalten bleibt.483 § 284 I StGB wäre in diesem Fall ein selbstständiges Repressivverbot. Zum anderen kann der Eingriff erst in der glücksspielverwaltungsrecht­ lichen Vorgabe gesehen werden, dass ein Glücksspiel ohne verwaltungsrechtliche Erlaubnis unerlaubt ist. Jedoch ist zu beachten, dass die Annahme dahingehend, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit ausschließlich durch § 284 I StGB selbst erfolgt, es sich also bei der Norm selbst um selbständiges Repressivverbot handelt, ohne dass es flankierend hierzu zusätzlicher außerstrafrechtlicher Regelungen bedarf, nicht haltbar ist. Ein derartiges Normverständnis484 würde von Beginn an zu einer Verfassungswidrigkeit der Norm selbst führen. Zum einen würde der Bundesgesetzgeber für eine derartige Regelung den Kompetenztitel „Strafrecht“ gem. Art. 74 I Nr. 1 GG überspannen.485 Die Annahme eines Repressivverbotes durch den § 284 StGB als solches stellt einen Verstoß gegen die grundgesetzliches Ordnung der Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Ländern da. Der Kompetenztitel „Strafrecht“ erfasst die „Regelung aller, auch nachträglicher, repressiver oder präventiver staat­ licher Reaktionen auf Straftaten, die an die Straftat anknüpfen, ausschließlich für Straftäter gelten und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat beziehen“.486 Zu beachten ist, dass es sich beim Strafrecht um „sekundäres Schutzrecht“ handelt, das den Verstoß einer Verhaltensnorm sanktioniert.487 Der Kompetenztitel „Strafrecht“ gibt aber im Grundsatz nicht die Befugnis, über die Strafe hinaus eine Regelung aufzustellen, vielmehr ist hierfür ein eigener Kompetenztitel notwendig, wie z. B. im vorliegenden Fall eine Kompetenz für „materielles Glücksspielrecht“.488 Der Bund hat lediglich aus Art. 74 I Nr. 1 GG die Kompetenz, Zuwiderhandlungen gegen Landesrecht, die er als strafwürdig ansieht, mit Strafe oder Bußgeld zu bedrohen. Dies kann er umsetzen, indem er entweder schon bestehende landesrechtliche Vorschriften mit Sanktionen bewehrt oder in Form eines Blankettstrafgesetzes die Zuwiderhandlung gegen eine vom Landesgesetzgeber jeweils zu er483  So

im Grunde BVerwG NJW 2001, 2648. einfach ausgedrückt: § 284 I StGB verbietet schon per se öffentliches Glücksspiel, ohne dass das Verwaltungsrecht hierzu noch irgendetwas regeln müsste. 485  Weidemann, DVBl 2016, 665 (668). 486  BVerfG NJW 2004, 750 (751); BeckOK-GG/Seiler, Art. 74 Rn. 4; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke/Sannwald, Art. 74 Rn. 33. 487  Weidemann, DVBl 2016, 665 (668). 488  Vgl. Weidemann, DVBl 2016, 665 (668). 484  Also



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lassende Regelung mit Strafe bedroht. Nicht aber kann der Bundesgesetzgeber auf dem Umweg über die Kompetenz „Strafrecht“ eine der Länderkompetenz unterliegende Materie selbst sachlich regeln. Dies stünde in Widerspruch zu den Vorschriften der Art. 30, 70 GG.489 Aufgrund dieser Bindung ist aus kompetenzrechtlichen Gründen keine Auslegung des § 284 StGB als selbständiges Glücksspielverbot möglich, vielmehr ist die Norm – wie oben gezeigt – eine verwaltungsrechtsakzessorische Strafnorm, die „die Beschreibung des Straftatbestandes durch die Verweisung eine Ergänzung im gleichen Gesetz oder in anderen – auch künftigen – Gesetzen oder Rechtsverordnungen“ ersetzt, „die nicht notwendig von derselben rechtssetzenden Instanz erlassen werden“ muss.490 Die Auslegung des § 284 StGB als verwaltungsrechtliches Repressivverbot wäre auch mit dem berufsgrundrechtlichen Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG unvereinbar.491 Der verwaltungsrechtliche Teil der Strafnorm mit dem Passus „ohne behördliche Erlaubnis“ stellt kein generelles Verbot auf, sondern er weist auf einen Erlaubnisvorbehalt hin. Der in § 284 I StGB enthaltene Erlaubnistatbestand wäre aber schlicht unvollständig, da dieser „weder die Voraussetzungen für die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis noch die verwaltungsrechtliche Ausgestaltung der Erlaubnis noch die Behördenzuständigkeit für ihre Erteilung noch Verfahrensvorschriften“ enthalten würde.492 Der Verweis aber auf eine Erlaubnis, ohne diese hinsichtlich der Themen zu regeln, in welchem Verfahren Grundrechtsträger die erforderliche Erlaubnis erlangen können und in welcher Form sie zu erteilen ist, ist nicht mit der Schrankensystematik des Art. 12 I 2 GG vereinbar, da für den Grundrechtsträger weder erkennbar ist, wie er zur Grundrechtsausübung berechtigt werden kann, noch wie weit materiell-rechtlich der Grundrechtseingriffs überhaupt geht.493 Die jüngere Rechtsprechung sah, wie oben gezeigt, immer den Eingriff durch das Glücksspielverwaltungsrecht gegeben. Dies ist auch folgerichtig. Die Vorgabe eines Konzessionserfordernisses gem. §§ 4a ff, 10a II GlüStV, dahingehend, dass ein Veranstalten von Sportwetten ohne Konzession un­ erlaubtes Glücksspiel darstellt, ist ein Eingriff in die gem. Art. 12 I GG geschützte Berufsfreiheit. Das Konzessionserfordernis stellt bereits einen sog. „klassischen Grundrechtseingriff“ dar, da der Staat durch das Konzessionserfordernis in imperativer Form, also durch Gesetz in den grundrechtlich ge489  BVerfG

BeckRS 1969, 104921. VerwRspr 1963, 5 (7); Weidemann, DVBl 2016, 665 (669). 491  Weidemann, DVBl. 2016, 665 (669). 492  Weidemann, DVBl. 2016, 665 (669); so auch BVerwG NJW 2001, 2648 (2649), ohne auf die Konsequenzen einzugehen. 493  Weidemann, DVBl. 2016, 665 (669). 490  BVerfG

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schützten Freiheitsbereich eingreift, da er die Ausübung der Freiheit von einer Erlaubnis abhängig macht.494 Auch in der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass das repressive Verbot eines Erlaubnisvorbehalts, wie es im vorliegenden Fall vorliegt, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 I GG darstellt.495 cc) Rechtfertigung, insb. Verhältnismäßigkeit Gem. Art. 12 I 2 GG gilt für die Berufsfreiheit ein einfacher Gesetzesvorbehalt, diese ist „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ einschränkbar. Da es sich bei der Berufsfreiheit in Art. 12 I 1 GG um ein einheitliches Grundrecht auf Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit handelt, gilt der einfache Gesetzesvorbehalt für das gesamte in Absatz I verankerte Grundrecht.496 Das in die Berufsfreiheit eingreifende Gesetz muss in jeder Hinsicht verfassungskonform, also sowohl formell, als auch materiell verfassungsgemäß sein.497 Um in materieller Hinsicht vor der Garantie der Berufsfreiheit (Art. 12 I 1 GG) Bestand haben zu können, ist zu beachten, dass der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 I 2 GG, der auch für Maßnahmen gilt, die die Freiheit der Berufswahl betreffen, nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt ist, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde, was gerade bejaht wurde, und diese Beschränkung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.498. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.499 Daher müssen die Eingriffe zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und dürfen nicht weiter gehen als es die Gemeinwohlbelange erfordern, müssen also auch erforderlich

494  Vgl. Manssen, Staatsrecht II, Rn. 148; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Art. 12 GG Rn. 11; Streinz/Liesching/Hambach/Berberich, Art. 12 GG Rn. 13. 495  Siehe hierzu BVerwG NVwZ 1995, 475. 496  Maunz/Dürig/Scholz Art. 12 GG Rn. 312; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Art. 12 GG Rn. 12. 497  BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 86. 498  So das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung, NJW 2006, 1261 (1263 Rn. 94). 499  BVerfG NJW 1966, 291; NJW 2002, 666 (667).



B. Online-Sportwetten207

sein.500 Die Eingriffsmittel dürfen zudem nicht übermäßig belastend sein501, sodass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (Angemessenheit).502 Zusammengefasst muss die Konzessionierung also in verhältnismäßiger Weise, also in geeigneter, erforderlicher und angemessener Art und Weise, ein legitimes Ziel verfolgen.503 (1) Einordnung des Konzessionserfordernisses in die Drei-Stufen-Theorie Eine „berufsfreiheitsspezifische Strukturierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung“ hat das BVerfG durch die sog. „Drei-Stufen-Lehre“ entwickelt – auch Drei-Stufen-Theorie genannt.504 Ausgangspunkt dieser Unterteilung in mehrere Stufen ist zum einen die Einheitlichkeit des Schutzbereichs ohne Differenzierung zwischen Berufswahl und Berufsausübung und des damit verbundenen einheitlichen Gesetzesvorbehalts gem. Art. 12 I 2 GG und zum anderen die Tatsache, dass sich die Eingriffsintensität je nach Auswirkung auf die bloße Berufsausübung oder schon mit Wirkung auf die Berufswahl, unterscheidet.505 (a) Die Drei-Stufen-Theorie und ihre Voraussetzungen Das BVerfG unterscheidet seine Stufen im groben zwischen sog. Berufsausübungsregeln einerseits und sog. Berufswahlregeln andererseits. Hinsichtlich der Berufswahlregeln unterscheidet das Gericht wiederum zwischen subjektiven und objektiven Berufswahlregeln. Je nach Intensität des Grundrechtseingriffs fordert das BVerfG höherwertige legitime Zwecke. Das niedrigste „Schutzniveau“ genießen die Berufsausübungsregeln, in denen der Gesetzgeber „nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben.“506 Aufgrund des geringen Eingriffs sind Berufsausübungsregeln bereits dann zuläs-

500  BVerfGE

101, 331 [347]; BVerfG NJW 2002, 666 (667). BVerfG NJW 1966, 291 (292 ff.). 502  Vgl. BVerfG NJW 2001, 353 (354); NJW 2003, 879. 503  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 87 ff. 504  Vgl. hierzu das Apothekenurteil in BVerfG NJW 1958, 1035. 505  Vgl. BVerfG, NJW 1958, 1035 (1037 ff.); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 93; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 654 ff. 506  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038). 501  Vgl.

208 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

sig, wenn sie auf Grund vernünftiger Allgemeinwohlerwägungen zweckmäßig erscheinen.507 Hingegen ist bei einer Regelung, die schon die Aufnahme der Berufstätigkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig macht und die damit die Freiheit der Berufswahl berührt, ein strengerer Maßstab anzuwenden.508 Diesbezüglich ist zwischen subjektiven und objektiven Berufswahlregeln zu unterscheiden. Subjektive Berufswahlregeln stellen auf die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, erworbene Abschlüsse oder erbrachte Leistungen ab, knüpfen also an Voraussetzungen oder Eigenschaften in der Person des Berufsbewerbers an.509 Derartige subjektive Berufswahlregeln sind nur verhältnismäßig und daher zulässig, „soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, geschützt werden soll.“510 Den intensivsten Eingriff in die Berufsfreiheit bilden die sog. objektiven Berufswahlregeln. In diesem Fall ist es dem Einzelnen nicht möglich Einfluss auf die Erfüllung dieser Voraussetzungen zu nehmen.511 Die Auswahlkriterien liegen nicht in der Person des Betroffenen, und dieser hat auf diese auch keinen Einfluss.512 Derartige Beschränkungen sind lediglich zur Abwendung einer nachweislichen oder höchstwahrscheinlichen Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zulässig.513 Aufgrund der Schwere dieses Eingriffs – fachlich und moralisch voll geeignete Bewerber werden von einem Beruf ausgeschlossen – sind an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen.514

507  BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 94; BVerfG NJW 1958, 1035 (1038); NJW 1971, 1555 (1558); NJW 1984, 556 (556 f.); NJW 1988, 1899 (1900); NJW 1992, 2341 (2342); NJW 1996, 1882 (1883). 508  Vgl. BVerfG, NJW 1958, 1035 (1038). 509  BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 96; Maunz/Dürig/Scholz Art. 12 GG Rn. 355. 510  BVerfG, NJW 1958, 1035 (1038); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 97. 511  Vgl. BVerfG, NJW 1958, 1035 (1038). 512  BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 97; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 55. 513  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 97; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 55. 514  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038).



B. Online-Sportwetten209

(b) E  inordnung der Konzessionsregelung der §§ 4a ff. 10a II GlüStV in diese Stufen Auch das Konzessionsmodell in seiner in §§ 4a ff., 10a II GlüStV bestehenden Form muss sich an diesen Maßstäben messen. Je nach Eingriffsintensität ist auch an die Rechtfertigung des Eingriffs ein höherer Anspruch zu stellen. Hinsichtlich des Konzessionsmodells ist wiederum zwischen mehreren Teilaspekten zu unterscheiden. Zum einen ist verfassungsrechtlich zu beurteilen, dass dem Anbieter von Sportwetten überhaupt eine Konzessionspflicht auferlegt wird, wobei die Konzessionserteilung an verschiedene Voraussetzungen gebunden ist. So statuiert § 4a IV 1 GlüStV einen Katalog an Voraussetzungen, die der Konzessionär für eine Konzessionserteilung erfüllen muss, wobei hier grob zwischen einer Prüfung der erweiterten Zuverlässigkeit, der Leistungsfähigkeit und der Transparenz und Sicherheit des Glücksspiels unterschieden wird. Die Forderung einer Konzession im Rahmen eines repressiven Erlaubnisvorbehalts stellt eine gängige subjektive Berufszulassungsvoraussetzung dar.515 Es ist hinsichtlich der Einordnung unter anderem auch unbeachtlich, ob es sich um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder – wie hier – um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt.516 Voraus­ setzung ist aber, dass die Konzessionserteilung an die Person des Berufsbewerbers anknüpft bzw. dass die tatbestandlichen Voraussetzungen in dessen Person oder Betrieb liegen.517 Dies ist hinsichtlich der Anforderungen, die an eine Konzessionserteilung gem. § 4a IV 1 GlüStV gestellt werden, zu bejahen. Alle Anforderungen an die Konzessionserteilung im Rahmen des § 4a IV 1 GlüStV knüpfen entweder an die Person des Konzessionsnehmers an bzw. an dessen Betrieb. So stellt die in § 4a IV 1 Nr. 2 GlüStV geforderte finanzielle Leistungsfähigkeit eine gängige subjektive Berufszulassungs­ voraussetzung dar, die sich insbesondere auch im Bankengewerbe häufig findet.518 Darüber hinaus ist auch in der verfassungsrechtlichen Beurteilung die in § 4d GlüStV verpflichtend zu entrichtende Konzessionsabgabe in die Beurteilung mit einzubeziehen. Gem. § 4d I 1, II 1 GlüStV erheben die zuständigen Landesbehörden eine Konzessionsabgabe in Höhe von 5 % des jeweils 515  Maunz/Dürig/Scholz Art. 12 GG Rn. 360; Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 58. 516  Vgl. BayVGH NJW 1981, 2076 (2077). 517  Maunz/Dürig/Scholz Art. 12 GG Rn. 360. 518  Vgl. Maunz/Dürig/Scholz Art. 12 GG Rn. 359; vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/ Birk/Brüggemann, § 4d GlüStV Rn. 16.

210 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

eingesetzten Spieleinsatzes. Es handelt sich bei der Konzessionsabgabe um einen separaten Eingriff in die Berufsfreiheit. Diese weist einen engen Zusammenhang mit der Ausführung des Berufs des Sportwettenanbieters auf und verfügt auch über eine notwendige berufsregelnde Tendenz.519 Die verfassungsrechtliche Einordnung dieser Vorgabe ist jedoch umstritten. Zum einen wird in ihr eine subjektive Berufswahlregel gesehen.520 Dies begründe sich damit, dass die Konzessionsabgabe bereits begrifflich an die Konzession als solche anknüpfe. Die Konzession als solche, die eine subjektive Berufswahlregelung darstellt, ist von der Entrichtung der Konzessionsabgabe abhängig.521 Dies ergebe sich bereits aus § 4a IV 1 Nr. 2 b) GlüStV, wonach die Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Abgabe dargestellt werden muss.522 Außerdem besteht die Möglichkeit des Widerrufs der Konzession gem. § 4e IV 1 Var. 3, S. 2 Nr. 4 GlüStV, wenn der Konzessionsnehmer der Abgabepflicht gem. § 4d I 1 GlüStV nicht nachkommt. Hieraus folge, dass die Abgabe als solche eine subjektive Berufswahlregel sei, da von dieser die Konzession abhängig ist.523 Vorzugswürdig erscheint aber die Eingliederung der Konzessionsabgabe in die Ebene der Berufsausübungsregelungen. Die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als subjektive Zulassungsvoraussetzung und die Frage der Konzessionsabgabe sind zwei zu trennende Regelungskomplexe. Zum einen ist zu beachten, dass § 4a IV 1 Nr. 2 b) GlüStV zwar eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit des beabsichtigten Glücksspielangebots unter Berücksichtigung der Abgaben fordert, dies aber lediglich ein Unterpunkt der Leistungsfähigkeitsprüfung ist. Es geht hierbei schlicht um die wirtschaft­ liche Möglichkeit des Anbieters, sein Angebot aufrechtzuerhalten, wobei dieser auch darzulegen hat, dass er auch mit der Belastung durch die Konzessionsabgabe weiterhin wirtschaftlich leistungsfähig ist. Es handelt sich hierbei um einen schlichten Punkt innerhalb der Wirtschaftlichkeitsprüfung, die Abgabe als solche ist lediglich ein einzubeziehender Posten. Dies gibt ihr aber nicht den Charakter einer subjektiven Berufszulassungsvoraussetzung, da die Konzessionserteilung nicht an deren Entrichtung als solche anknüpft, sondern nur die Konsequenz, dass hierdurch eine Schmälerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Anbieters einhergeht. 519  Dietlein/Hecker/Ruttig/Birk/Brüggemann, §  4d GlüStV Rn. 16; Becker/Hilf/ Nolte/Uwer, § 4d GlüStV Rn. 12; Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 57. 520  Dietlein/Hecker/Ruttig/Birk/Brüggemann, § 4d GlüStV Rn. 16. 521  Dietlein/Hecker/Ruttig/Birk/Brüggemann, § 4d GlüStV Rn. 16. 522  Dietlein/Hecker/Ruttig/Birk/Brüggemann, § 4d GlüStV Rn. 16. 523  Dietlein/Hecker/Ruttig/Birk/Brüggemann, § 4d GlüStV Rn. 16.



B. Online-Sportwetten211

Auch zeigt sich dieses Ergebnis daran, dass im Stadium der Konzessionserteilung noch gar keine Konzessionsabgabe erfolgen kann. Denn die Abgabe gem. § 4d II 1 GlüStV knüpft an die Spieleinsätze an, deren Annahme wird aber erst (legal) mit der Konzessionserteilung ermöglicht.524 Es handelt sich daher folgerichtig um eine Berufsausübungsregelung.525 Ebenso stellen die in § 10a V GlüStV angelegte Beschränkung des Vertriebsnetzes und die in § 5 IV, V GlüStV angelegte Beschränkung der Werbung für das konzessionierte Sportwettenangebot in den Grundrechtsschutz des Art. 12 I GG eingreifende Berufsausübungsregelungen dar.526 Besondere Brisanz hinsichtlich der Eingriffsintensität entfaltet die in § 10a III GlüStV normierte Konzessionshöchstzahl. Diese beträgt weiterhin527 20, ist aber ab dem 01.01.2020 abgeschafft. Konsequenz der Konzessionshöchstzahl ist, dass selbst wenn mehr als 20 Anbieter innerhalb der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen gleich geeignet sind und daher allen unter der Maßgabe des § 4a IV 1 GlüStV eine Konzession erteilt werden dürfte, mehrere „leer ausgehen“. Den Grundrechtsinhabern wäre in diesem Moment die Grundrechtsausübung aufgrund mangelnder Konzession nicht möglich, wobei diese auf diesen Umstand, der außerhalb ihrer Person liegt, auch keinen Einfluss haben. Die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen ist daher als objektive Berufszulassungsbeschränkung zu sehen.528 Da die Grundrechtsträger selbst keinerlei Einfluss auf die Möglichkeit der Grundrechtsausübung haben, ist an die Rechtfertigung derartiger objektiver Berufszulassungsregelungen ein hoher Anspruch zu stellen. Durch die Änderung des GlüStV mit einer Abschaffung der Konzessionshöchstzahl auf eine unbeschränkte Konzessionserteilung ist wiederum eine subjektive Berufswahlregelung gegeben. Zu beachten ist aber, dass dann, wenn bereits die zahlenmäßige Begrenzung gerechtfertigt ist, so erst recht die unbeschränkte Öffnung des Sportwettensektors verhältnismäßig ist.

Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 4d GlüStV Rn. 13. Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 4d GlüStV Rn. 13; Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 59, wobei diese im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bezüglich Onlineanbietern dann den Maßstab einer subjektiven Berufszulassungsbeschränkung anwenden wollen. 526  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 57. 527  Theoretisch steht den Landesgesetzgebern gem. § 4a III 2 GlüStV die Möglichkeit offen, die Zahl der Konzessionen zu verändern, dies bedarf aber eines Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz mit mindestens 13 Stimmen, was bisher nicht erfolgte. 528  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 58. 524  Ebenso 525  Ebenso

212 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(2) Legitimer Zweck Um dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen ist zunächst nötig, dass die jeweiligen Eingriffe in den Grundrechtsschutzbereich einen legitimen Zweck verfolgen. Im Rahmen seiner Sportwettenentscheidung forderte das BVerfG hierzu „tragende Gründe des Gemeinwohls“.529 Auch im Rahmen seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 zu den Spielhallen forderte das BVerfG zur Rechtfertigung von objektiven Berufszugangsvoraussetzungen – wie sie bei der zahlenmäßigen Begrenzung vorliegen – „hinreichende Gründe des Gemeinwohls, wobei diese in diesem Fall „der Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut“ dienen müssen.530 Gem. § 10a I GlüStV ist Zweck der Experimentierklausel, die Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere die Bekämpfung des Schwarzmarktes, besser zu erreichen.531 Nach § 1 GlüStV sind gleichrangige Ziele des Staatsvertrags ‒ die Entstehung von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, ‒ durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, ‒ den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten, ‒ sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt, die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden und ‒ Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen. Zwar spricht der Staatsvertrag vorliegend von der gleichrangigen Verfolgung aller Ziele, jedoch ist in jedem Glücksspielbereich gesondert zu betrachten, welches Ziel im Vordergrund steht und ob dieses überhaupt ein legitimes Ziel ist.532 Hinsichtlich der Bewertung des legitimen Zwecks steht dem Gesetzgeber ein weiter Prognosespielraum zu.533 Dieser ist (verfassungs-)gerichtlich nur 529  BVerfG

NJW 2006, 1261. NVwZ 2017, 1111 (1117 Rn. 132). 531  Vgl. Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 4 GlüStV Rn. 19, wobei „bessere Erreichung“ eher unter dem Aspekt einer ausbalancierten Erreichung zu verstehen ist. 532  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 59. 533  Dietlein/Hecker/Ruttig, § 4 GlüStV Rn. 21. 530  BVerfG



B. Online-Sportwetten213

in begrenztem Umfang überprüfbar.534 Eine für die verfassungsrechtliche Überprüfung ausschlaggebende Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist nur insoweit gegeben, als „die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können.“535 Dieser Einschätzungs- und Prognosespielraum besteht nicht nur im Hinblick auf die Auswirkungen eines Gesetzes, sondern auch bei der Beurteilung einer Bedrohungslage für das Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz er im konkreten Fall tätig wird.536 So steht ihm auch bei objektiven Berufszugangsvoraussetzungen dieser Spielraum bezüglich der Einschätzung der Gefahrenlage und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu.537 Verfassungsrechtliche Grenze dieses Spielraums ist, wenn die vom Gesetzgeber getroffenen Einschätzungen „in einem Maße wirtschaftlichen Gesetzen oder praktischer Erfahrung widersprechen, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können.“538 Zweck der partiellen Teilöffnung im Rahmen eines Konzessionsverfahrens ist es, Spielern geeignete legale Alternativen zum nicht erlaubten Glücksspiel zu schaffen, der hauptsächlich auf dem Schwarzmarkt stattfindet.539 Ziel ist hierdurch eine Kanalisierung der Nachfrage auf legale Angebote.540 Das hierdurch bezweckte private Angebot auf Konzessionsbasis soll die Anforderungen des Glückspielstaatsvertrages zur Prävention und Bekämpfung von Wettsucht (§ 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV) sowie zum Spieler- und Jugendschutz (§ 1 S. 1 Nr. 3 GlüStV) erfüllen.541 Die Begrenzung der Konzessionszahl wiederum soll der Abwehr von Kriminalitäts- und Betrugsgefahren (§ 1 S. 1 Nr. 4 und 5 GlüStV) dienen.542 Durch die geringe Zahl soll zum einen eine effektivere Überwachung „leichter ins Werk gesetzt werden“ und zum anderen auch ermöglicht werden, die Konzessionsnehmer im Konzessionsverfahren genauer zu prüfen und sich besser mit Sicherheitsbehörden abzustimmen.543 Die begrenzte Anzahl soll zu einer Kanalisierungswirkung dahinge534  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 137). NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). 536  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m.w.N). 537  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m.w.N). 538  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m.w.N). 539  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19, wobei hiermit wohl nicht nur der Schwarzmarkt als solcher, sondern auch der Online abrufbare „Graumarkt“ gemeint sein soll, vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 60 Fn. 127. 540  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 541  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 542  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 543  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 535  BVerfG

214 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

hend wirken, dass die Nachfrage in die rechtmäßigen Bahnen gelenkt wird.544 Bei den vorgebrachten Zielen handelt es sich nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung bei der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht im Sinne des § 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV um ein „besonders wichtiges Gemeinwohlziel“, das in der Lage ist, eine objektive Berufszulassungssperre zu rechtfertigen.545 Darüber hinaus erkannte das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung den „Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter“, einen darüber hinausgehenden Verbraucherschutz und die „Abwehr von Gefahren aus mit dem Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität“ als legitime Ziele an.546 In seiner späteren Entscheidung präzisierte er diesbezüglich die Aussage dahingehend, dass das Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen im Sinne des § 1 GlüStV ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel sei, das selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermag.547 Insbesondere die Verhinderung von Glücksspielsucht und die wirksame Suchtbekämpfung seien besonders wichtige Gemeinwohlziele, da die Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen könne.548 Auch wird die Vereinfachung der Überwachung als Grund der begrenzten Konzessionierung ins Feld geführt. Diesbezüglich ist zu beachten, dass eine bloße Kontrollerleichterung nicht genügt, um einen Eingriff in die Grundrechte zu rechtfertigen, es bedarf vielmehr einer hierdurch erst möglichen qualitativ wirksamen Kontrolle.549 Die bloße leichtere staatliche Überwachung entspricht nicht der Auffassung des Grundgesetzes von der grundsätzlichen Stellung des unbescholtenen Bürgers im Staat, weshalb eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit auch nicht hierauf gestürzt werden kann.550 Ebenso muss die Erhebung der Konzessionsabgabe gem. § 4d GlüStV als Berufsausübungsregelung zumindest Gemeinwohlziele verfolgen. Wie bereits oben dargestellt, sind fiskalische Interessen des Staates kein legitimes Ziel 544  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 20. NJW 2006, 1261 (1263); ebenso Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 60. 546  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 547  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 548  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 549  Vgl. BVerfG, NVwZ 2001, 790 (793 f.); Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 41; Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (13); BVerfG NJW 1984, 556 (557); BVerfG NJW 1992, 2621 (2623). 550  BVerfG NJW 1984, 556 (557); BVerfG NJW 1992, 2621 (2623). 545  BVerfG



B. Online-Sportwetten215

zur Einschränkung der Berufsfreiheit.551 Ziel der Konzessionsabgabe ist den durch die Konzession vermittelten Sondervorteil gegenüber all denen, die diesen Markt nach wie vor nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen teilweise abzuschöpfen.552 Die damit verbundene Verteuerung des Angebotes soll „nachfragedämpfend und somit lenkend“ wirken, „ohne jedoch die Attraktivität des legalen Angebots gegenüber der illegalen Konkurrenz in einem mit Blick auf den Kanalisierungsgedanken kontraproduktiv wirkenden Umfang zu schwächen.“553 Ziel sei es auch im Interesse der Marktregulierung Marktabschöpfung vorzunehmen.554 In der damit verfolgten Eindämmung der Spielsucht und des Schwarz-/ Graumarktes durch die damit verbundene Lenkungswirkung zur Vermeidung einer übermäßigen Marktausweitung ist zumindest ein legitimer Zweck zu sehen, der wiederum auch den Regulierungszielen nach § 1 S. 1 Nr. 2 GlüStV entspricht.555 (3) Geeignetheit Die vom Gesetzgeber erlassenen Regelungen müssen zur Erfüllung der Geeignetheit die Erreichung der von den Gesetzgebern verfolgten legitimen Gemeinwohlziele jedenfalls fördern.556 „Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.“557 Dem Gesetzgeber steht bei dieser Entscheidung ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu, weshalb es vornehmlich seine Sache ist, „unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will“.558 Auch ist der Gesetzgeber durch seine bisher praktischen Erfahrungen in einem Bereich gebunden.559 Wie oben gezeigt, soll durch die partielle Teilöffnung im Rahmen eines Konzessionsverfahrens Spielern geeignete legale Alternativen zum nicht erlaubten Glücksspiel geschaffen werden und damit einhergehend eine Kanali551  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1263); BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 122). LT-Drs. 16/11995, S. 25. 553  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 25. 554  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 25. 555  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 55 f.; Becker/Hilf/Nolte/ Uwer, § 4d GlüStV Rn. 14. 556  BVerfG NVwZ 2017, 1111. 557  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 558  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); NVwZ 2017, 1111 (1119). 559  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 61. 552  Bay.

216 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

sierung der Nachfrage auf legale Angebote.560 Das hierdurch bezweckte private Angebot auf Konzessionsbasis soll die Anforderungen des Glückspielstaatsvertrages zur Prävention und Bekämpfung von Wettsucht (§ 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV) sowie zum Spieler- und Jugendschutz (§ 1 S. 1 Nr. 3 GlüStV) erfüllen.561 Die Begrenzung der Konzessionszahl wiederum soll der Abwehr von Kriminalitäts- und Betrugsgefahren (§ 1 S. 1 Nr. 4 und 5 GlüStV) dienen.562 Auch ist Ziel der zahlenmäßigen Begrenzung die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, sowie die Betrugs- und Manipulationsvorbeugung.563 (a) Starker Schwarz- bzw. Graumarkt Zweifel an der Geeignetheit der Konzessionen hinsichtlich der Begrenzung des Glücksspielangebots und der Lenkung des natürlichen Spieltriebs von den legalen zu den illegalen Angeboten ergibt sich bereits daraus, dass der Großteil der Sportwetten bereits auf dem Grau- bzw. Schwarzmarkt564 stattfindet. In den letzten Jahren nahm trotz faktischen staatlichen Monopol in Deutschland, da zwar keine Konzession erteilt wurde (s. o.), aber die Länder weiterhin stationär Oddset-Sportwetten anboten, die Sportwetten im unregulierten Markt immer weiter zu. So belief sich im Jahr 2017 der Bruttospielertrag des unregulierten Sportwettenmarktes insgesamt auf geschätzte 1027 Mio. Euro, wobei der stationäre Vertrieb in rund 4.000–5.000 Wettannahmestellen565 rund 65 % (~ 667 Mio. Euro) dieser Erträge ausmacht, der Onlinevertrieb hingegen 35 % (360 Mio. Euro).566 Hingegen entfällt auf das staatliche Angebot von Sportwetten mit festen Gewinnquoten (Oddset) bei 21571 stationären Annahmestellen567 lediglich ein Bruttospielertrag von 55 Mio. Euro.568 Hinsichtlich der eingesetzten Bruttospielerträge entfallen demnach auf den unregulierten, nicht über eine Konzession verfügenden, Sportwettenmarkt in Deutschland insgesamt 560  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 20. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 562  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 563  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 23. 564  Treffender wäre die Bezeichnung als Graumarkt, da der Großteil der Anbieter zwar über keine deutsche, aber über die Lizenz eines EU-Mitgliedsstaates verfügt. 565  Wobei die Zahl sich zusammensetzt aus der Erhebung der von den Behörden erfassten Wettannahmestellen sowie der Teilerhebung bzw. Schätzung von weiteren Standorten der Sekundäraufstellung, in den Sportwetten, sowohl über OTC (Over-theCounter) als auch über Wett-Terminals angeboten werden, z. B. Gastronomie, Kioske, Internet-Cafés, Schein-Gastronomie, Vereinsräumlichkeiten, Videotheken u. ä. 566  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 567  Ein Onlinevertrieb erfolgt bei Oddset nicht. 568  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 561  Bay.



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95 % der Bruttospielerträge bzw. bei einem Abstellen lediglich auf den stationären Vertrieb immer noch ca. 92 %. An diesem Gesichtspunkt hat sich auch im Jahr 2018 nichts geändert, weiterhin wurden geschätzt 1177 Mio. Euro an Bruttospielerträgen durch konzessionslose Anbieter generiert, wobei rund 70 % auf den stationären und rund 30 % auf den Onlinevertrieb entfallen.569 Auf staatliche Anbieter entfallen lediglich marginale 56 Mio. Euro, was erneut einen Marktanteil der unkonzessionierten Anbieter von mehr als 95 % zu Folge hat.570 Unter diesem Gesichtspunkt ist bereits fraglich, ob überhaupt eine Lenkung vom fast omnipräsenten unregulierten Markt zu einem regulierten konzessionierten Markt möglich ist. Eine Eignung des Konzessionsmodells ist nur dann anzunehmen, wenn durch die Ermöglichung der Abgabe von Wetten bei den 20 konzessionierten Anbietern ein vom Schwarzmarkt weglenkendes konkurrenzfähiges Wettangebot entgegengesetzt wird.571 Zum einen lässt sich sicher der hohe Anteil der illegalen Sportwetten im Vergleich zu den legalen mit einem fehlenden Onlinevertrieb des Angebots begründen, da die Tippabgabe per Internet, sei es am Computer oder als App(lication), dem jeweiligen Spieler eine viel schnellere Möglichkeit der Spielteilnahme eröffnet, als zuvor den stationären Handel aufzusuchen. Jedoch ist auch im stationären Vertrieb ein geschätzter Marktanteil des unregulierten Marktes von ca. 92 % vorzufinden, obwohl die Verfügbarkeit des stationären Oddset Angebots mit rund 21.500 Annahmestellen572 viel weiter ausgeprägt ist als der anderer Anbieter (4.000–5.000 Wettannahmestellen573). Die bloße Legalität des Angebots scheint daher zu keiner überzeugenden Lenkungswirkung zu führen. Vielmehr sind diesbezüglich offensichtlich andere Faktoren für den jeweiligen Spieler von Bedeutung. (b) Preisargument bzgl. Konzessionsabgabe Insbesondere scheint unter diesem Aspekt „kein Qualitätswettbewerb, sondern ein Preiswettbewerb“ zu herrschen.574 Vor allem der Aspekt einer guten 569  Jahresreport

2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6, 12. 571  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 63. 572  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6 bzw. Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 573  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 574  So schon Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 63 im Jahr 2012. 570  Vgl. Jahresreport

218 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Quote und einer damit hohen Gewinnwahrscheinlichkeit ist für den jeweiligen Spieler der Grund, ein Angebot zu wechseln. Auch nutzen viele Sportwettenanbieter im Internet diesen Faktor, insbesondere in dem sie sog. „Freebets“575 anbieten oder dem jeweiligen Spieler für die Anmeldung im Portal einen Willkommensbonus im Sinne eines zu verspielenden (aber nicht auszahlbaren) Geldbetrags zukommen lassen. Da es aber schlicht eine Frage des Geldes zu sein scheint, welcher Anbieter vom Spieler gewählt wird, ergeben sich aus der Konzeption des Konzessionsmodels und damit einhergehend der Konzessionsabgabe große Zweifel dahingehend, ob die Anbieter überhaupt wettbewerbsfähige Angebote gegenüber den ausländischen Anbietern bieten können. Zum einen unterliegen Sportwettenveranstalter gem. §§ 17 II Nr. 2, 19 II 1 RennwLottG einer Steuer in Höhe von 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes, wobei die Steuer auch entsteht, wenn der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes, also in der Bundesrepublik, hat, vgl. § 17 II Nr. 2 RennwLottG. Die Steuerlast entsteht also abhängig vom Spieleinsatz, ist also unabhängig vom Gewinn bzw. Rohertrag des Sportwettanbieters. Diese Tatsache führte zu unterschiedlichen Vorgehensweisen der Wettanbieter: Manche leiten die Steuer auf den Kunden weiter und kürzen hierdurch den Einsatz um 5 %. Andere vollziehen lediglich einen Abzug dieser 5 % des Wetteinsatzes beim Gewinn, wobei je nach Anbieter der Abzug entweder 5 % der Gewinnsumme beträgt – der Anbieter macht demnach versteckt die Quote niedriger –576, oder 5 % des vorigen Einsatzes von einem späteren 575  Der Clou eines sog. „Freebet“ ist, dass dem jeweiligen Spieler ein Wetteinsatz zu einer gewissen Summe geschenkt wird, sollte der Spieler mit dieser Wette gewinnen, so wird der dadurch erlangte Gewinn mit der Summe des Freebets verrechnet, sollte der Spieler verlieren, entstehen diesem keine Kosten. 576  Dies führt mathematisch gesehen zu der Besonderheit, dass der Anbieter im Durchschnitt aufgrund der von ihm durchgeführten Abgabe sogar Gewinn macht. Der Anbieter muss, egal ob die Wette gewonnen oder verloren wird, 5 % des Einsatzes als Steuer abführen. Wenn aber ein Spieler seine Wette gewinnt, so erfolgt der Abzug in diesem Fall nicht in Höhe der Steuerlast beim Anbieter, sondern der Abzug potenziert sich durch die Quote. Folgendes Rechenbeispiel: Ein Spieler setzt 50 € auf eine Wette mit der Quote von 3.0. Die vom Anbieter abzuführende Steuerlast würde 5 % von 50 €, also 2,50 € betragen. Würde der Spieler gewinnen, würde er eigentlich 150 € erhalten, da aber der Anbieter einen Abzug von 5 % des Gewinns vornimmt, behält der Anbieter von den eigentlich geschuldeten 150 € nicht nur die eigentliche Steuer von 2,50 € ein, sondern 7,50 €. Dass der Anbieter im Gegenzug bei einem Verlust keine Steuer „durchreicht“ ist daher wohl nicht als blanke Freundlichkeit zu sehen, da er sowieso den Einsatz in diesem Moment gewinnt, vielmehr steigert er durch diese Vorgehensweise auch seinen Gewinn, indem er den Verlust durch Wettauszahlungen



B. Online-Sportwetten219

Gewinn abgezogen wird. Wiederum andere Anbieter vollziehen keinerlei für den Spieler spürbaren Abzug und zahlen die Steuer aus ihrem eigenen Umsatz.577 Bereits diese Vorgabe sorgte online dazu, dass ein Preiskampf zwischen den Anbietern entstand, der auch durch die jeweiligen Nutzer mit der Generierung von Vergleichswebseiten und Rankings angeheizt wurde.578 Auch entwickelte sich hier bereits ein praktisches Problem, da sich die Eintreibung der Steuern, z. B. bei in Curacao sitzenden Unternehmen, äußerst schwer gestaltet. Die zusätzliche Einführung einer Konzessionsabgabe in Höhe von 5 % des Spieleinsatzes gem. § 4d II 1 GlüStV würde diesen Preiskampf weiter anstacheln. Bereits jetzt ist im Rahmen der Onlinewetten eine sehr geringe Marge angesetzt, um konkurrenzfähig zu sein. Maßgebliches Bemessungskriterium hierfür ist die sog. Rohertragsmarge. Diese ergibt sich aus dem Unterschied, dass der jeweilige Buchmacher niemals 100 % der Spieleinsätze auch auszahlt, vielmehr behält dieser rechnerisch eine durchschnittliche Quote ein, um seinen Betrieb zu finanzieren. Die Rohertragsmarge einer festen Wette berechnet sich bei einer Drei-Faktoren-Wette (Gewinn Mannschaft1/Unentschieden/Gewinn Mannschaft2) Anhand folgender Formel: 1 – 1/[(1/Quote1)+(1/QuoteX)+(1/Quote2)] Dieses Ergebnis verdeutlicht die vom Wettanbieter eingerechnete Marge, in der dieser im Durchschnitt einen Gewinn erzielt. In einer Momentaufnahme579 ergibt sich daher grundsätzlich folgende Marge: ‒ Oddset 10,7 % ‒ Tipico 4,5 % ‒ bwin 5,1 %580 ‒ 888sport 3,9 %581 hierdurch um 5 % minimiert, was bei den täglichen hohen Summen, die gespielt werden, ein beträchtlicher Faktor ist. 577  Vgl. hierzu https://www.sportwette.net/wettsteuer; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 578  Siehe hierzu ausschnittsweise https://www.sportwettentest.net/wetten-ohnesteuer/; https://www.sportwetten24.com/ratgeber/finanzen-bonus/wetten-ohne-steuer. html; https://sportwetten.bild.de/wettanbieter-ohne-steuer/; https://wettsteuer.com/; https://www.sportwette.net/wettsteuer; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 579  Donnerstag, 21.02.2019, 7:40 Uhr, verglichen wird die Marge im Rahmen des Spiels FC Eintracht Frankfurt gegen Schachtar Donezk in der UEFA Europa League. 580  Hier ist aber zu beachten, dass im Falle eines Gewinns 5 % des Gewinnes, und nicht des Einsatzes, einbehalten wird, weshalb die Marge für den Anbieter höher ist. 581  Hier ist aber zu beachten, dass im Falle eines Gewinns 5 % des Gewinnes, und nicht des Einsatzes, einbehalten wird, weshalb die Marge für den Anbieter höher ist.

220 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Deutlich wird zum einen, dass Oddset mit Abstand hier die schlechteste Marge bildet, was zumindest auch als Grund für die geringe praktische Relevanz dieses legalen staatlichen Angebots angesehen wird. Zum anderen wird aber auch ersichtlich, dass die Marge der OnlineSportwettenanbieter sehr gering gehalten ist. Zwar haben diese im Vergleich zum stationären Vertrieb im Zweifel geringere Kosten, die sich aus den Erträgen decken müssen, jedoch generieren diese augenscheinlich ihren Umsatz auch über die große Zahl an Wetten. In diesem Zusammenhang ist die Konzessionsabgabe gem. § 4d II GlüStV kritisch zu sehen. Diese beträgt – wie die Sportwettensteuer582 – 5 % des Spieleinsatzes. Die Konzessionsabgabe ist daher bei ihrer Bemessung komplett unabhängig vom tatsächlich erzielten Gewinn des Sportwettenveranstalters, was zu einer Senkung der wirtschaftlichen Attraktivität für den Konzessionsnehmer führt.583 Konzessionierte Anbieter wären durch die Konzessionsabgabe daher insgesamt verpflichtet 10 % der Spieleinsätze an „den Staat“ abzugeben. Es handelt sich de facto daher nicht um eine Abschöpfung des Vorteils durch die Konzession,584 sondern um eine zusätzliche Abschöpfung des Umsatzes wie im Rahmen der Sportwettensteuer. Da die Konzessionsabgabe auch in ihrer Höhe der Rohertragsmarge entspricht, blieben den Wettanbietern bei der möglichen Konzessionierung nur zwei Möglichkeiten: Entweder diese setzen die Gewinnquoten für den Spieler schlechter, um die Rohertragsmarge zu erhöhen, damit die Konzessionsabgabe überhaupt entrichtbar ist. Mit Blick auf das Beispiel von Oddset ist aber dann zu befürchten, dass diese „schlechten Quoten“, insbesondere im Internet, in dem ein Sportwettenangebot nur einen Mausklick von nächsten entfernt ist, gerade nicht zur gewünschten Kanalisierungswirkung auf legale Angebote und einer Eindämmung des Schwarz- bzw. Graumarktes führt, sondern im Gegenteil diesen weiter beflügelt, da dort die Gewinnchancen aufgrund der besseren Quoten höher sind.585 Zwar geht der Gesetzgeber davon aus, dass „die damit verbundene Verteuerung des Angebotes zugleich nachfragedämp582  Wobei die Sportwettensteuer erst nach dem GlüStV in seiner Fassung aus dem 2012 eingeführt wurde, mangels Konzessionserteilung ist aber die Sportwettensteuer momentan die von beiden alleinig maßgebliche Abgabe für Sportwettenveranstalter im Internet. 583  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 63 f.; Becker/Hilf/Nolte/ Uwer, § 4d GlüStV Rn. 15 ff. 584  So aber die Begründung für die Konzessionsabgabe, Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 25; vorteilhafter wäre ein Anknüpfen an den Rohertrag gewesen, denn nur dieser Ertrag ist der „Vorteil“ aus der Konzession, nämlich die Einnahme. 585  Im Ergebnis ebenso Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 63 f.; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 4d GlüStV Rn. 15 ff.



B. Online-Sportwetten221

fend und somit lenkend wirkt, ohne jedoch die Attraktivität des legalen Angebots gegenüber der illegalen Konkurrenz in einem mit Blick auf den Kanalisierungsgedanken kontraproduktiv wirkenden Umfang zu schwächen“.586 Diese Annahme ist aber im jetzigen Zeitpunkt schwierig haltbar, da die Erfahrung der letzten Jahre verdeutlicht, dass es dem Verbraucher durchaus nicht nur auf die Legalität eines Angebots ankommt, sondern dass augenscheinlich – sonst wäre Oddset Marktführer – andere Faktoren, wie u. a. die Quote587, auch von Bedeutung sind. Als zweite Möglichkeit bleibt den Sportwettanbietern die Möglichkeit, im Graumarkt zu verbleiben und auf die praktisch schwierige Umsetzung von Verwaltungszwangsmaßnahmen zu vertrauen. Im Ergebnis wird es eine wirtschaftliche Entscheidung für einen Wettanbieter sein, ob sich die Konzessionierung wirtschaftlich lohnt. (c) Zahlenmäßige Begrenzung Weiterer Kritikpunkt hinsichtlich der Geeignetheit des Konzessionserfordernisses ist die Limitierung der Konzessionszahl. Zum einen müsste die Limitierung als solche zur Zielerreichung geeignet sein, zum anderen müsste die konkrete Zahl der Konzessionen zur Zielerreichung geeignet sein. Mit Blick auf die Begrenzung der Konzessionen auf 20 Stück erscheint es äußerst fraglich, ob hierdurch eine Suchtbekämpfung und die Eindämmung des Grau- bzw. Schwarzmarktes ermöglicht wird. Die Anzahl der Anbieter und Veranstalter von Sportwetten (meist in Kombination mit Online-Casinos, Poker und Lotterien) beträgt rund 250.588 Eine begrenzte Konzessionszahl auf 20 Anbieter würde daneben 230 unregulierte Anbieter belassen. Der Online-Sportwettenmarkt würde durch die begrenzte Konzessionierung demnach nur durch 8 % legale Anbieter erschlossen werden, wohingegen 92 % der Anbieter illegal bleiben/werden. Es ist aufgrund dieser hohen Anzahl der Anbieter im Graumarkt, insbesondere im OnlineBereich, äußerst zweifelhaft, ob eine bloße Legalisierung von 8 % der Anbieter den Großteil der restlichen Anbieter, die nicht zum Zuge im Rahmen der Konzessionierung kommen, davon abhalten wird, nicht auch deutschen Spielern – wie jetzt – die Möglichkeit ihres Angebots zu eröffnen. Insbesondere die weitere hohe Anzahl an unregulierten Anbietern wird dem einfachen 586  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 25. weitere Faktoren kommen auch die Auswahlmöglichkeit an Sportereignissen, die Aufmachung des stationären Vertriebs und auch die im Graumarkt umfangreichere Möglichkeit für Live-Wetten in Betracht. 588  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 587  Als

222 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Spieler weiterhin den Eindruck vermitteln, sich nicht falsch zu verhalten, wenn er „seinem Anbieter“, auch ohne Konzession, treu bleibt, da er diesbezüglich ein gewisses Vertrauen gefasst hat. Darüber hinaus ist unter dem Gesichtspunkt der Geeignetheit auch zweifelhaft, weshalb die Konzessionsanzahl auf 20 Stück begrenzt wird. Die Zahl der 20 Konzessionen wird damit begründet, dass diese „entsprechend den Feststellungen aus der Evaluierung“ erfolgt.589 Da Ziel der konzessionierten Öffnung nicht die Expansion des Wettmarkts sei, sondern die Bekämpfung des entstandenen Schwarzmarktes, soll die Konzessionszahl auf den Umfang beschränkt werden, der unter Berücksichtigung des bestehenden Schwarzmarktes und „unter Berücksichtigung des bereits bestehenden erlaubten Angebots der staatlichen Lotteriegesellschaften“ erforderlich ist.590 Daher sei aufgrund des maßgeblichen gesetzgeberischen Ermessens für mehr als 20 Konzessionen kein Raum, da sich das überwiegende Marktvolumen der Online-Wettanbieter auf eine überschaubare Zahl von Unternehmen begrenzt, die der Größenordnung der Konzessionsanzahl entspricht.591 Diese These ist bereits aufgrund der nun herrschenden rund 250 Anbieter im Online-Sportwettenmarkt äußerst zweifelhaft. Wie oben bereits ausgeführt, steht dem Gesetzgeber im Rahmen der Geeignetheit aber ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu, der jedoch die Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu beachten hat, worunter aber auch bisherige praktische Erfahrungen fallen.592 Den Gesetzgeber trifft aber dennoch eine Beweis- und Darlegungslast dahingehend, dass der Eingriff zur Zielerreichung geeignet ist.593 Die strittige Frage ist daher verkürzt ausgedrückt, ob eine zahlenmäßige Begrenzung des Angebots auf vereinzelte private Anbieter, die über eine Konzession verfügen, zu einer Lenkung des natürlichen Spieltriebs der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen führt und ob hierdurch der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegengewirkt werden kann. Eine derartige Lenkung ist aus dem Zusammenwirken der einzelnen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags im Ergebnis zu bejahen. Hauptmotiv des Glücksspiels als solches und damit auch der Sportwetten stellt die Mög589  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 29. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 591  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 592  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); NVwZ 2017, 1111 (1119); Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 61. 593  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 62 f.; Becker/Hilf/ Nolte/Uwer, § 10a GlüStV Rn. 31 ff.; Dietlein/Hecker/Ruttig/Gebhardt, § 10a GlüStV Rn. 21. 590  Bay.



B. Online-Sportwetten223

lichkeit eines Geldgewinns dar. Dieses Motiv wird durchgängig von 70 % der befragten Spieler als ein Spielmotiv genannt, wohingegen die Geselligkeit und die Aufregung nur im Schnitt bei 14 % (bei der Geselligkeit) bzw. 31 % (bei der Aufregung) genannt werden.594 Die Motivation zur Sportwette ist demnach unter anderem auch die Möglichkeit hiermit Geld zu gewinnen. An diese Motivation knüpft auch das Konzessionssystem mittelbar an, weshalb seine Geeignetheit unter diesem Gesichtspunkt zu bejahen ist. Gem. §§ 4a I 1, 10a II GlüStV ist die Veranstaltung von Sportwetten während der Experimentierphase nur mit Konzession zulässig. Anbieter ohne Konzession veranstalten entsprechend § 4 I 2 GlüStV gem. § 4a I 2 GlüStV ein unerlaubtes Glücksspiel. Diesbezüglich ist gem. § 4 I 2 GlüStV die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit diesem unerlaubten Glücksspiel verboten, bei Zuwiderhandlung steht der Glücksspielaufsicht gem. § 9 I 3 Nr. 4 die Möglichkeit eröffnet, die am Zahlungsverkehr Beteiligten die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel zu untersagen. Aus diesem Zusammenspiel ergibt sich auch schlussendlich die Geeignetheit der Konzessionierung. Die Spieler nutzen illegale Angebote hauptsächlich aus dem Motiv des Geldgewinns heraus. Besteht aber die latente Gefahr, dass dieser Geldgewinn an den Spieler nicht ausgezahlt werden kann, so verliert das Spiel seinen Reiz. Der Großteil der Spieler wird unter diesem Aspekt auf die konzessionierten Spiele wechseln, da nur so sein Gewinn sicher bei ihm ankommt, weshalb trotz des momentan überwiegenden Graumarktes eine schnelle Kanalisierung zu erwarten ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch eine Geeignetheit zur Suchtbekämpfung zu bejahen. Bereits im Rahmen suchtwissenschaftlicher Untersuchungen ist ein Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit und Sucht festgestellt worden,595 obwohl die Thematik durchaus umstritten ist. Die Einfachheit des Zugangs des Spielers zum Spiel stellt einen Faktor dar, der den Spieler zum Spielen animiert. Je höher die Verfügbarkeit und desto einfacher daher der Zugang zu einem Glücksspielangebot für einen Spieler, desto höher ist (zumindest kurzfristig) die Nachfrage.596 Daher ist eine Kanalisierung auf konzessionierte Anbieter als geeignetes Mittel zur Suchtbekämpfung zu sehen. Bereits aus der Verknappung des Angebots und damit einhergehend niedrigeren Verfügbarkeit, ist eine Nachfrageverringerung – zumindest aus gesetzgeberischen Ermessensgesichtspunkten – vertretbar. 594  BZgA,

Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 121. Spielsucht, S. 90. 596  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 89. 595  Meyer/Bachmann,

224 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Die Konzessionserteilung erfolgt nach § 4b V GlüStV im Falle der Bewerbung mehrerer geeigneter Bewerber – im Rahmen des Konzessionsverfahrens haben sich 72 Unternehmen auf die 20 Konzessionen beworben597 – nach dem Kriterium der Geeignetheit, unter anderem hinsichtlich der Erreichung der in § 1 GlüStV verankerten Ziele. Die Konzession wird also an die Veranstalter erfolgen, die am ehesten den Spielerschutz gewährleisten können. Da aufgrund der Kontrolle der Zahlungsströme eine umfassende Kanalisierung der Spieler auf die konzessionierten Anbieter zu erwarten ist – bei anderen ist aufgrund § 4 I 2 GlüStV eine Auszahlung nicht garantiert – entbrennt zwischen diesen Anbietern wiederum ein Wettbewerb, den Anforderungskatalog des § 4b V GlüStV am besten zu erfüllen, da mit einer Konzessionierung – trotz Konzessionsabgabe – beträchtliche Einnahmen verbunden sein werden.598 Insbesondere ist der Anforderungskatalog des § 4b V GlüStV geeignet, die Suchtgefahr zu verringern. Gem. § 4b V Nr. 1 GlüStV erfolgt die Auswahl nach den Bewerbern, die bei der Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen die Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere den Schutz der Spieler und der Jugendlichen, am besten gewährleisten. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern wird sich daher auch auf eine besonders gute Erfüllung der Ziele des § 1 GlüStV beziehen, was im Ergebnis dazu führen wird, dass die Anbieter, auf die das Sportwettenangebot kanalisiert werden wird, die höchsten Vorgaben zur Suchtbekämpfung haben. Ohne die Höchstzahl der Konzessionen wäre aber ein Wettbewerb zwischen den Teilnehmern hinsichtlich des Spielerschutzes nicht möglich, da in diesem Fall zwar dennoch ein Spielerschutz gewährleistet sein müsste, dieser aber – und das ist der Vorteil hinter der zahlenmäßigen Beschränkung – lediglich erfüllt, aber nicht im Gegensatz zu anderen Anbietern einer der Besten sein müsste. Der Wettbewerb würde dann schlicht nach Marktkriterien stattfinden und nicht anhand der Kriterien des Spielerschutzes.599 Eine Geeignetheit der zahlenmäßigen Begrenzung hinsichtlich der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist daher unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums des Gesetzgebers zu bejahen. Ebenso ist unter diesem Gesichtspunkt die zahlenmäßig unbegrenzte Öffnung ebenso als geeignet zu sehen. Zwar findet diesbezüglich dann kein Wettbewerb hinsichtlich der Ziele des § 1 GlüStV statt, jedoch fördert eine vorherige Kontrolle vor der Konzessionserteilung zumindest die Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, ist also vom Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt und daher auch geeignet.

597  Vgl.

VG Wiesbaden BeckRS 2015, 50346 Rn. 10. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  155 f. 599  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  155 f. 598  Vgl.



B. Online-Sportwetten225

(d) Geeignetheit zur Betrugs- und Manipulationsvorbeugung Als weiteren Punkt zur Rechtfertigung der zahlenmäßigen Begrenzung nennt der Gesetzgeber die Betrugs- und Manipulationsvorbeugung.600 Die Geeignetheit bejaht er, „weil dadurch der entstandene, mit sicherheitsrechtlichen Mitteln allein nicht ausreichend kontrollierbare Schwarzmarkt bekämpft wird“.601 Außerdem ermögliche die Begrenzung eine „effektivere Überwachung“ der Konzessionsnehmer.602 Im Rahmen der Manipulations- und Betrugsgefahr bezieht sich der Gesetzgeber aber darauf, dass „weniger die Wettveranstaltung selbst als vorrangig das bewettete Ereignis“ von Manipulationen bedroht wird. Die Kanalisierung „soll […] die vom Sportwettbetrug ausgehenden Gefahren für die Integrität sportlicher Wettbewerbe“ reduzieren.603 Zur Bekämpfung dieser Ziele hat der Gesetzgeber auch mehrere Vorschriften in den Staatsvertrag aufgenommen, die sich zusammengefasst in § 21 GlüStV wiederfinden. So sind Sportwetten nur als Kombinationswetten oder Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen erlaubt (§ 21 I 1 GlüStV), eine Vermittlung von Sportwetten ist in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befinden, unzulässig (§ 21 II GlüStV). Wichtig zur Vermeidung von Manipulation ist auch die organisatorisch, rechtlich, wirtschaftlich und personelle Trennung des Veranstalters und Vermittlers von Sportwetten von der Veranstaltung oder Organisation von Sportereignissen und dem Betrieb von Einrichtungen, in denen Sportveranstaltungen stattfinden (§ 21 III 1 GlüStV). Ebenso dürfen Beteiligte, die direkt oder indirekt auf den Ausgang eines Wettereignisses Einfluss haben, sowie von diesen Personen beauftragte Dritte, keine Sportwetten auf den Ausgang oder den Verlauf des Sportereignisses abschließen oder Sportwetten durch andere fördern (§ 21 III 2 GlüStV). Auch die mediale Präsenz wird reduziert. Die Verknüpfung der Übertragung von Sportereignissen in Rundfunk und Telemedien mit der Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten ist nicht zulässig (§ 21 IV 1 GlüStV). Auch sind sog. Live-Wetten, wie oben bereits ausgeführt, unzulässig mit Ausnahme der Wetten auf das Endergebnis (§ 21 IV GlüStV). Die Annahme der Geeignetheit dieser Vorgaben zur Vermeidung von Manipulation und Suchtgefahren ist aus gesetzgeberischer Sicht durch dessen Ermessen gedeckt, jedoch ist nicht ersichtlich, wie eine Kontingentierung der 600  Vgl.

Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 23. LT-Drs. 16/11995, S. 23. 602  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19. 603  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 601  Bay.

226 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Konzessionen geeignet sein soll, die Betrugs- und Manipulationsgefahr zu senken. Oben genannte Maßnahmen sind unabhängig von der Konzessionierung eines Anbieters, die zahlenmäßige Begrenzung als solche fördert allein aber nicht diese Ziele bzw. auch ohne die Begrenzung würden die Ziele der Betrugs- und Manipulationsbekämpfung im Sport gem. § 1 S. 1 Nr. 4, 5 GlüStV durch die Vorschriften des § 21 GlüStV gefördert werden. Einzig eine Verknüpfung der zahlenmäßigen Begrenzung der Konzessionen mit dem Ziel der Betrugs- und Manipulationsbekämpfung könnte daher die hierdurch ermöglichte „effektivere Überwachung“ der Konzessionsnehmer604 sein. Einzige Rechtfertigung wäre unter diesem Gesichtspunkt die Reduzierung des Verwaltungsaufwands. Wie oben gezeigt, ist aber die bloße Vereinfachung der Überwachung als Grund der begrenzten Konzessionierung kein vor der Verfassung legitimer Zweck. Die bloße Kontrollerleichterung genügt nicht, um einen Eingriff in die Grundrechte zu rechtfertigen, es bedarf vielmehr einer hierdurch erst möglichen qualitativ wirksamen Kontrolle bzw. diese muss deutlich verbessert werden.605 Es ist nicht ersichtlich, wieso erst eine zahlenmäßig begrenzte Konzessionierung eine wirksame Kontrolle überhaupt ermöglicht bzw. diese erheblich verbessert. Sowohl mit als auch ohne quantitivater Begrenzung der Konzessionierung erfolgt vor der Konzessionserteilung eine Prüfung der Anbieter durch die Verwaltung, weshalb die Kontrolle sowieso stattfindet; diese wird also gerade nicht – wie für die Bejahung der Geeignetheit nötig – gefördert. Es ist lediglich eine Frage der staatlichen Anstrengung, die Aufsicht hierbei ­effektiv durchzuführen, oder überspitzt ausgedrückt: Das Unvermögen des Staates in der Erfüllung einer ihm gebührenden Aufsichtspflicht rechtfertigt es nicht, zur Einsparung seiner Anstrengungen, die Grundrechtsausübung seiner Bürger einzuschränken. (e) Geeignetheit zum Jugend- und Spielerschutz Auch wird als Begründung des Konzessionsmodells der in § 1 S. 1 Nr. 3 GlüStV verankerte Jugend- und Spielerschutz genannt. Hinsichtlich der Begründung des Konzessionsmodells als solches vermag der Jugend- und der Spielerschutz noch im Hinblick auf die Geeignet überzeugen. Im Rahmen der Konzessionierung ist zum einem im Rahmen der erweiterten Zuverlässigkeitsprüfung eine Prüfung der erforderlichen Zuverlässigkeit und Sachkunde im Hinblick auf die Gewähr dafür, dass die Veranstaltung ordnungsgemäß 604  Vgl.

Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19. BVerfG, NVwZ 2001, 790 (793 f.); Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (13). 605  Vgl.



B. Online-Sportwetten227

und für die Spieler sowie die Erlaubnisbehörde nachvollziehbar durchgeführt wird, vorgesehen (vgl. § 4a IV Nr. 1 b)). Darüber hinaus ist ausdrücklich namentlich genanntes Entscheidungskriterium im Rahmen der Konzessionsvergabe gem. § 4b V Nr. 1 GlüStV der Schutz der Spieler und der Jugend­ lichen, weshalb auch wie beim Ziel der Suchtbekämpfung zumindest keine Überschreitung des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers dahingehend vorliegt, dass das Ziel des Jugend- und Spielerschutzes zumindest durch den Qualitätswettbewerb zwischen den Konzessionsanwärtern gefördert wird. Aufgrund der wichtigen Bedeutung des Spieler- und Jugendschutzes für die Auswahlentscheidung des § 4b V GlüStV ist auch der zahlenmäßigen Begrenzung nicht von vornherein eine Geeignetheit abzusprechen, weshalb der Gesetzgeber im Rahmen seiner Entscheidungsprärogative davon ausgehen durfte. Im Rahmen eines durch Konzessionen durchgeführten regulierten Spielbetriebs ist bereits Bestandteil der Auswahlentscheidung jedes Konzessionärs, die Gewährleistung der Vorgaben hinsichtlich des Jugend- und Spielerschutzes. Ausdrücklich ist gem. § 4b II 3 Nr. 3 GlüStV ein Sozialkonzept einschließlich der Maßnahmen zur Sicherstellung des Ausschlusses minderjähriger und gesperrter Spieler vorzulegen. Ohne diese kommt ein Anbieter überhaupt nicht zur Auswahlentscheidung gem. § 4b V GlüStV. Die Höchstzahl der Konzessionen erweckt, wie oben verdeutlicht, einen Wettbewerb zwischen den Teilnehmern hinsichtlich des Spielerschutzes und verhindert einen – wie bei keiner Begrenzung – schlicht nach Marktkriterien stattfindenden.606 (f) Ergebnis Sowohl die Konzessionierung als solche (bei der es ab 2020 lediglich verbleibt) als auch die Kontingentierung dieser ist nicht völlig ungeeignet, die Zielerreichung zu fördern, weshalb die vom Gesetzgeber bei der Fassung des GlüStV zugrunde gelegt Erwägung nicht dessen Einschätzungs- und Prog­ nosevorrang verletzt bzw. überschreitet. Erst recht ist daher auch die unbeschränkte Öffnung als geeignet zu sehen. (4) Erforderlichkeit Jedoch müssten das Konzessionsmodell als solches sowie die zahlenmäßige Begrenzung erforderlich sein. Die Erforderlichkeit ist zu verneinen, wenn es ein milderes, gleich effektives Mittel zur Zielerreichung gäbe.607 606  Vgl.

Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  155 f. NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264).

607  BVerfG

228 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Diesbezüglich verfügt der Gesetzgeber ebenfalls über einen Beurteilungsund Prognosespielraum.608 Die verfassungsrechtliche Grenze des gesetzgeberischen Spielraums, die nicht überschritten werden darf, ist an dem Punkt zu ziehen, an dem für den Gesetzgeber aufgrund bekannter Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, jedoch zugleich die Betroffenen weniger belasten würden.609 Mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Drei-Stufen-Theorie ist die Erforderlichkeit immer dann zu verneinen, wenn eine Regelung auf einer weniger einschneidenden Stufe ebenso geeignet wäre, wie die einer höheren. Oder mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Der Gesetzgeber muß Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 jeweils auf der ‚Stufe‘ vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt, und darf die nächste ‚Stufe‘ erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden Stufe nicht wirksam bekämpft werden können.“610 (a) Erforderlichkeit des Konzessionsmodells im Allgemeinen Hinsichtlich des zunächst im Sportwettenbereich geltenden staatlichen Wettmonopols (als die schwerwiegendste objektive Berufswahlregelung) hat das BVerfG eine Erforderlichkeit bejaht.611 Zwar sah der Senat als weniger einschneidende Maßnahme zur Gewährung des Verbraucher- und Jugendschutzes sowie zur Vermeidung von Folge- und Begleitkriminalität die Möglichkeit einer Normierung entsprechender rechtlicher Anforderungen an private Anbieter, deren Einhaltung wiederum durch Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrolle mit den Mitteln der Wirtschaftsaufsicht sichergestellt werden könnte.612 Der Senat sah aber die Einschätzung mit Blick auf die hohen Suchtgefahren noch vom Ermessensspielraum gedeckt, dass ein „mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Wettmonopols mit staatlich verantwortetem Wettangebot effektiver“ die hiervon ausgehenden Gefahren beherrschen könne, als dies im Wege einer Kontrolle privater Wettunternehmen möglich wäre.613 608  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264). BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342); NJW 1969, 499 (500); NJW 1976, 179 (180 f.); NJW 2006, 1261 (1264). 610  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038). 611  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); vgl. auch BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1338 f.). 612  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 613  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 609  Vgl.



B. Online-Sportwetten229

Mit Blick auf die Aussage des Bundesverfassungsgerichts verbreitete sich in der Zwischenzeit folgende Meinung, die auch vom Gesetzgeber herangezogen wurde: Wenn schon ein vollständiges Staatsmonopol erforderlich ist, so ist dies erst recht eine partielle zahlenmäßig begrenzte Öffnung über ein Konzessionssystem an private Anbieter.614 Jedoch hat diese im Jahr 2011 gefasste Meinung nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass der Gesetzgeber auch die ihm bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die Regelungsmaterie bisher gemachte Erfahrungen mit in die Prüfung der Erforderlichkeit einbeziehen muss, da diese Punkte seinen Ermessensspielraum schmälern.615 Der Gesetzgeber muss sich daher (zumindest) an dem Stand der bisher gemachten Erfahrungen bis in das Jahr 2011 messen lassen. Insbesondere hat in diesem Zeitraum das Land Schleswig-Holstein eine eigene glücksspielrechtliche Regelung erlassen, die das Anbieten von Sportwetten zwar mit einer Geeignetheitsprüfung, aber ohne zahlenmäßige Beschränkung, zuließ.616 Im Hinblick auf die Konzessionierung als solche ist eine Erforderlichkeit immer noch als vom Ermessen des Gesetzgebers gedeckt zu sehen. Eine subjektive Begrenzung der Anbieter dahingehend, dass diese erst (legal) Glücksspiel anbieten dürfen, wenn diese eine Genehmigung nach einer vorhergehenden Prüfung von Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und in Bezug auf Transparenz und Sicherheit des Glücksspiels (vgl. § 4a GlüStV) erhalten haben, ist als vom Ermessen gedeckt zu sehen. Ein milderes Mittel – z. B. im Rahmen einer Berufsausübungsregelung dahingehend, dass zwar jeder den Beruf ausüben darf, aber sich an die Regelungen halten muss, ist im Gegensatz zur damit stattfindenden subjektiven Berufswahlregelung nicht gleich geeignet, die vom Staatsvertrag verfolgten Ziele zu erfüllen. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers handelt es sich beim Glücksspiel um ein an sich gefahrträchtiges Verhalten, das daher nur dann ausgeübt werden soll, wenn der jeweilige Anbieter über die nötige Genehmigung verfügt, es handelt sich, wie auch § 284 I StGB verdeutlicht, um ein repressives Verbot mit Befrei614  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19; so auch Fuchs, Das neue Glücksspielrecht, S. 288 f.; BayVerfGH NJOZ 2015, 1970 (1975); vgl. Diesbach/Ahlhaus, ZUM 2011, 129 (132 f.); Windoffer, DÖV 2012, 257 (264). 615  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342); BVerfG NJW 1969, 499 (500); NJW 1976, 179 (180 f.); NJW 2006, 1261 (1264). 616  Gem. § 22 GlSpielG-SH konnte Unionsbürgern oder diesen nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellte oder juristischen Personen, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder eine Niederlassung im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, eine Erlaubnis erteilt werden, sofern diese die für den beabsichtigten Wettbetrieb erforderliche Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Sachkunde besitzen.

230 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

ungsvorbehalt. Eine völlig von Anforderungen freie Berufswahl würde es für die Verwaltung beinahe unmöglich machen, zuvor die jeweiligen Akteure zu kontrollieren und so die Aspekte wie Spielerschutz etc. in sinnvolle Bahnen zu lenken. (b) Erforderlichkeit der zahlenmäßigen Begrenzung Schwieriger begründbar ist hingegen die Erforderlichkeit der zahlenmäßigen Begrenzung der Konzessionen. Diesbezüglich wird zum einen ausgeführt, dass nicht ersichtlich ist (und auch nicht nachgewiesen wird), wieso neben den qualitativen Restriktionen des § 4a GlüStV auch noch eine quantitative Begrenzung zur effektiven Zielerreichung notwendig ist.617 Insbesondere seien Sportwetten sowieso überall im Internet jederzeit abrufbar und verfügbar.618 Auch müsse der Gesetzgeber sowohl die Einschätzungen des Landes Schleswig-Holstein als auch die Rechtslage im Bereich der Pferderennwetten und die Regelungen durch die DDR-Gewerbeerlaubnisse619 he­ ranziehen.620 In diesem Zusammenhang wird auch des Öfteren die den Glücksspielstaatsvertrag angeblich innewohnende Erwägung mit in die Beurteilung einbezogen, dass von Sportwetten ein geringeres Gefährdungspotenzial als von anderen Glücksspielen ausgehe.621 Dies ergäbe sich sowohl aus der nun stattfindenden Öffnung für konzessionierte private Anbieter als auch aus der Möglichkeit, nun den Vertrieb über das Internet gem. § 10 V GlüStV zu wählen, obwohl dieses als die gefährlichere Vertriebsform eingestuft wird.622 Da nun aber die Gefahr durch Sportwetten als geringer als durch andere Glücksspiele einzustufen sei, sei auch nicht ersichtlich, wieso diese Gefahr nicht auch ohne eine zahlenmäßige Begrenzung gebannt werden könne, also 617  Becker/Hilf/Nolte/Uwer,

§ 10a GlüStV Rn. 36. § 10a GlüStV Rn. 37. 619  Im Rahmen, der damals in der DDR geltenden Gewerbeordnung, war es privaten Anbietern möglich ein Wettbüro für Sportwetten mit einer Genehmigung zu eröffnen, die diese auch unter bestimmten Herausforderungen erhielten. Nach der Wende wiederum war entscheidende Frage, ob sich diese Anbieter weiterhin auf diese DDR-Genehmigungen berufen durften, oder ob diese nun unter ein Staatsmonopol in den jeweiligen neuen Bundesländern fallen. In den darauffolgenden Gerichtsprozessen wurde eine Weitergeltung der DDR-Erlaubnisse auf dem Gebiet der neuen Bundesländer bejaht, was zur Folge hatte, dass es neben dem Staatsmonopol in diesen auch private Anbieter gab, vgl. NK-StGB/Gaede, § 284 Rn. 21; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 23. 620  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 66. 621  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 67. 622  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 66. 618  Becker/Hilf/Nolte/Uwer,



B. Online-Sportwetten231

insbesondere durch eine strenge subjektive Berufswahlregelung, lediglich flankiert mit weiteren Berufsausübungsregelungen.623 Diesbezüglich sei auch das vorübergehend in Schleswig-Holstein geltende Glücksspielgesetz mit einzubeziehen, das eben ein restriktives Erlaubnissystem ohne Limitierung der Anbieter innehatte.624 Auch im Rahmen der Pferderennwetten, die den Sportwetten vergleichbar sind, nahm der Gesetzgeber von einer zahlenmäßigen Begrenzung Abstand.625 Ebenso gelte dies für die DDR-Lizenzen, hier sah der Gesetzgeber bisher auch keine Notwendigkeit zur Unterbindung des Betriebs dieser Anbieter.626 Jedoch ist im Hinblick auf die Frage der Erforderlichkeit Prüfungsgegenstand, ob es ein milderes, gleich effektives Mittel zur Zielerreichung gäbe.627 Wichtiges Kriterium ist nicht nur, ob ein milderes Mittel vorliegt, dies ist unstreitig in einer subjektiven Berufswahlregelung im Verhältnis zu einer objektiven Berufswahlregelung zu bejahen. Ebenso wichtig ist die Frage, ob das Mittel auch zur Zielerreichung gleich effektiv ist. Die entscheidende und zu klärende Frage ist daher: Ist eine zahlenmäßig unbegrenzte Öffnung des Sportwettenmarktes zur Zielerreichung genauso effektiv, wie die zahlenmäßig begrenzte Eröffnung? Wie bereits bei der Geeignetheit ist auch hier folgendes zu beachten: Die Konzessionen werden im Falle der zahlenmäßigen Begrenzung nach dem Kriterium der Geeignetheit vergeben, je mehr der Bewerber die Ziele des § 1 GlüStV erfüllt, die auch legitime Ziele im Rahmen einer Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 I GG darstellen, desto wahrscheinlicher erhält dieser eine Konzession. Ziel ist, dass – wie oben ausgeführt – kein Wettbewerb im klassischen Sinne zwischen den Marktteilnehmern stattfindet, sondern dass sich dieser Wettbewerb hauptsächlich um die Kriterien des § 1 GlüStV dreht. Dieser Wettbewerb wird jedoch erst durch eine künstliche Verknappung dahingehend ermöglicht, dass dieses Kriterium überhaupt ausschlaggebend ist. Würde man die Konzessionserteilung ohne zahlenmäßige Begrenzung durchführen, so würden die Anbieter zwar die Mindeststandards erfüllen, die hierfür nötig sind, aber ein darüberhinausgehendes Bemühen zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere wenn dies mit Einnahmeeinbußen belegt sein könnte628, ist nicht zu erwarten. Auch hinsichtlich der Regulierungslage 623  Papier/Krönke,

Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 67. Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 67; Becker/Hilf/Nolte/ Uwer, § 10a GlüStV Rn. 37. 625  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 67. 626  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 67. 627  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264). 628  Vgl. z. B. die kreativen Interpretationen der SpielV, wonach ein „Spiel“ nicht der Spin am Automaten sei, sondern die Umbuchung des eingezahlten Geldes auf das 624  Papier/Krönke,

232 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

in Schleswig-Holstein, die nach wenigen Jahren durch den Anschluss des Bundeslandes an den GlüStV beendet wurde, ist nicht ersichtlich, ob eine derartige Regulierung gleich dem Konzept des GlüStV ebenso effektiv war, weshalb dies nicht der Einschätzung des Gesetzgebers entgegensteht.629 Es ist daher auch mit Blick auf die Thematik der Erforderlichkeit zu bejahen, dass die Einschätzung, dass eine unlimitierte Marktöffnung weniger effektiv die Ziele des § 1 GlüStV zu erreichen vermag als eine auf den vermeintlichen Wettbewerb zwischen den Anbietern beruhende, begrenzte Konzessionsvergabe, den dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen überlassenen Beurteilungs- und Prognosespielraum nicht überschreitet.630 Der Verweis auf eine angebliche Senkung des Schutzniveaus und damit einhergehend eine Aufwertung des Grundrechtsschutzes631, was im Ergebnis dazu führe, dass sich ein schwerwiegender Eingriff, wie er durch eine objektive Berufswahlregelung erfolgt, nicht „mehr mit dem festgelegten Schutz­ niveau vereinbaren“632 ließe, verkennt den Prüfungsmaßstab des Kriteriums der Erforderlichkeit. Dies ist nämlich nur die Frage, ob ein Mittel ebenso effektiv, aber weniger einschneidend ist. Ob hingegen ein Mittel zwar geeignet ist, aber unter dem Aspekt des beeinträchtigenden Grundrechts und des damit einhergehenden Schutzniveaus von der Intensität im Rahmen der Abwägung nicht mehr vertretbar ist, ist eine Frage der Angemessenheit und daher erst im nächsten Schritt zu prüfen.633 Ob eine zahlenmäßig unbeschränkte Konzessionierung ebenso effektiv ist, ist aber ungewiss, vielmehr ist der Schluss nicht von vornherein abwegig, dass eine unbeschränkte Öffnung des Sportwettenmarktes auf längere Sicht zu einer erheblichen Vermehrung der Sportwettenangebote führen könnte, mit der Folge, dass auch die Suchtgefahr ansteigt.634 Wie bereits kurz angesprochen, wird suchtwissenschaftlich durchaus vertreten, dass eine höhere Verfügbarkeit und ein höheres Angebot auch mit einer höheren Suchtgefahr Spielkonto, vgl. https://www.gamblejoe.com/news/neue-spielverordnung-spielv/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 629  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 158. 630  I. E. ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 158; Kugler/Winter/ Rötzer, BayVBl 2015, 325 (330); Glücksspiel/Klein/Lange, § 20 Rn. 27. 631  So insbesondere Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 66 f. 632  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV, Rn. 66. 633  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120): „Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Eingriffe und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe“ müssen „die gesetzlichen Regelungen […] insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit“ wahren und dürfen die Betroffenen nicht übermäßig belasten. 634  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19; zustimmend BayVerfGH NJOZ 2015, 1970 (1974 f.).



B. Online-Sportwetten233

korrelieren635, weshalb zumindest die Ansicht des Gesetzgebers, dass ein unbegrenztes Angebot weniger die Suchtgefahr eingrenzt als ein begrenztes, nicht von vornherein abwegig ist. (c) Ergebnis Im Ergebnis ist daher die Erforderlichkeit des Konzessionsmodells allgemein und auch hinsichtlich der zahlenmäßigen Beschränkung im Besonderen zu bejahen. Da mit der Änderung des GlüStV wiederum die Limitierung wegfallen würde und daher als milderes Mittel lediglich die Schaffung einer bloßen Berufsausübungsregelung bleiben würde, ist diesbezüglich aber zu sagen, dass – wie oben ausgeführt – die bloße Aufsicht nicht gleich effektiv zur Zielerreichung ist wie eine vorgeschaltete Prüfung der Geeignetheit anhand mehrerer Kriterien. (5) Angemessenheit, u. a. konsequente Zielverfolgung Als letzter Prüfungspunkt des Verhältnismäßigkeitsgebots müsste der Eingriff auch angemessen sein. Im Gegensatz zur früheren Prüfung der Verhältnismäßigkeit hat das BVerfG in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 als Punkt zwischen legitimem Zweck und der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit gefordert, dass die Regelungen „im Blick auf die unter staatlicher Beteiligung betriebenen Spielbanken hinreichend konsequent auf das legitime Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet“ sind.636 Übertragen auf den Bereich der durch das Konzessionsmodell geregelten Sportwetten, bedeutet diese Anforderung, falls der Gesetzgeber selbst in dem Bereich wirtschaftlich tätig wird, dass die von ihm getroffenen Regelungen unter Berücksichtigung dieses Umstandes konsequent auf die Ziel­ erreichung ausgerichtet sind. Die staatliche Regulierung muss der Verfolgung der legitimen Ziele dienen, die suchtpräventiv ausgerichtete staatliche Regulierung in einem Glücksspielsegment darf „nicht durch die fiskalische Ausrichtung der Regulierung in einem anderen konterkariert werden.“637 Diesbezüglich handelt es sich aber systematisch um keine neue Erkenntnis, vielmehr hat das BVerfG auch in seiner Entscheidung zum damals im Rahmen des Wettmonopols eröffneten Sportwettenangebot Oddset eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht gefordert.638 Hierbei sah er aber die Konsequenz nicht als ei635  Meyer/Bachmann,

Spielsucht, S. 89 f. NVwZ 2017, 1111 (1117). 637  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 122). 638  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264 ff.). 636  BVerfG

234 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

genen Prüfungspunkt an, sondern als Element der Angemessenheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, woran auch der Übersichtlichkeit wegen festgehalten werden soll. Der Punkt der Konsequenz ist auch im Rahmen des Sportwettenkonzes­ sionssystems von Belang. Der staatliche Lotto- und Totoblock bietet unter der Dachmarke Oddset auch Sportwetten im Sinne des § 3 I 4 GlüStV an, also Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen.639 Das Spielangebot findet aber lediglich stationär statt, es ist nicht möglich eine Oddset-Wette Online abzugeben, vielmehr muss in der Wettannahmestelle ein Barcode eingescannt werden, um damit erst die Wette zu spielen. Im Rahmen der Angemessenheit ist sowohl eine Prüfung anhand der rechtlichen640 Voraussetzungen, als auch anhand der tatsächlichen641 Ausgestaltung des Angebots vorzunehmen. Diesbezüglich muss eine sog. „vertikale Ko­härenz“ gewahrt sein.642 So hat das BVerfG im Jahr 2006 in seiner Sportwettenentscheidung dem Angebot Oddset sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht ein Regelungsdefizit attestiert und eine konsequente Ausrichtung des Wettangebots verneint.643 Der Begriff der Kohärenz ist entscheidend durch die Unionsrechtsprechung geprägt644 und bedeutet insoweit so viel, dass der jeweilige Gesetzgeber den jeweils vorgebrachten legitimen Zweck in konsequenter Art und Weise verfolgen muss. Mit dem Begriff der horizontalen Kohärenz wiederum ist gemeint, dass die Regelung im Bereich eines bestimmten Glücksspieltyps einheitlich auf die vom Gesetz verfolgten Ziele, sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Art und Weise ausgerichtet sein muss. Das Blickfeld beschränkt sich auf einen Glücksspielsektor.645 So nahm auch das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Entscheidung nur eine Betrachtung des Kriteriums der Konsequenz hinsichtlich des Teilbereichs der Geldspielautomaten vor.646 Übertragen auf den Bereich der Sportwetten hat dies zur Folge, dass im Rahmen der Sportwetten als solche eine einheitliche Regulierung seitens des Gesetzgebers erfolgen müsste, durch den sowohl das staatliche als auch das 639  https://www.oddset.de/de/by/sportwetten/;

zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. NVwZ 2017, 1111 (1118 f. Rn. 141 ff.). 641  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1119 Rn. 146 f.). 642  Zur bereichsübergreifenden horizontalen Kohärenz siehe umfassend S. 422 ff. 643  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1264 ff.). 644  Siehe hierzu die Darstellung der Rechtsprechung auf S. 153 ff. 645  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV, Rn. 57. 646  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 f.). 640  BVerfG



B. Online-Sportwetten235

privatwirtschaftliche Angebot rechtlich und tatsächlich mit der Verfolgung eines legitimen Ziels eingeschränkt wird.647 (a) Vergleich zu den Pferdewetten Im Hinblick auf den Bereich der Sportwetten wird ersichtlich, dass hinsichtlich der Sportwetten die Landesgesetzgeber zwar eine zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen vorschrieben, wohingegen im Bereich der vom Bundesgesetzgeber geregelten Pferdewetten – die nur ein Sonderfall der Sportwetten sind – keine zahlenmäßige Begrenzung gegeben ist, vgl. § 2 RennwLottG. Darüber hinaus ist den privaten Veranstaltern von Pferderennwetten im Übrigen nun – ohne zahlenmäßige Begrenzung – die Möglichkeit gem. § 27 II GlüStV eröffnet, ihren Vertriebsweg auf das Internet zu erweitern, soweit diese die gem. § 27 II 2, 4 V GlüStV hierfür notwendige Erlaubnis erhalten. Hinsichtlich der Pferdewetten ist aber zu beachten, dass diese in gewisser Weise eine Sonderrolle einnehmen, die wiederum historisch bedingt ist. Das RennwLottG ist eine der wenigen bundesrechtlichen Vorschriften im Rahmen des Glücksspiels und geht zurück auf ein im Jahr 1922 erlassenes Reichsgesetz, das wiederum gem. Art. 123 Nr. 1 GG als Bundesrecht fortgalt.648 Besonderheit im Gegensatz zu den sonstigen Sportwetten ist, dass die Tätigkeit des Buchmachers im Rahmen des RennwLottG nicht mit einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt geregelt ist, sondern dass die Erlaubnis auf einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt beruht.649 Zwar unterliegt der Buchmacher gem. § 2 I RennwLottG einer Erlaubnispflicht, daneben bedarf es noch einer gewerberechtlichen Anzeige gem. § 14 I, II GewO.650 Dieser hat aber – dies ist der entscheidende Unterschied zum Sportwettenveranstalter bzw. Vermittler im Rahmen des GlüStV – bei Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis.651 Zwar ist der Beruf des Buchmachers – gleich dem des Sportwettenveranstalters – eine durch Art. 12 I GG geschützte Tätigkeit652, weshalb auch im 647  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

§ 10a GlüStV, Rn. 59. Einl. RennwLottG Rn. 1; Dietlein/Hecker/Ruttig/Ennuschat, Vorb RennwLottG Rn. 4; BVerwG NVwZ 1995, 481. 649  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Einl. RennwLottG Rn. 6; vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Ennuschat, § 2 RennwLottG Rn. 7. 650  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Einl. RennwLottG Rn. 1; Dietlein/Hecker/Ruttig/Ennuschat, § 2 RennwLottG Rn. 3. 651  Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Einl. RennwLottG Rn. 6; Dietlein/Hecker/Ruttig/Ennuschat, § 2 RennwLottG Rn. 3. 652  BVerwG NVwZ 1995, 481. 648  Becker/Hilf/Nolte/Uwer,

236 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Grundsatz ein Anspruch auf Erteilung einer hierfür nötigen Erlaubnis besteht. Jedoch schließt § 4 II 3 GlüStV diesen Grundsatz aus und normiert, dass kein Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags besteht. Im Gegensatz hierzu normiert der GlüStV im Rahmen der Sonderregelungen für Pferdewetten – diese Möglichkeit hat ihm der Bundesgesetzgeber gem. § 25 III RennwLottG eröffnet – zwar einen Verweis gem. § 27 I 3 GlüStV auf § 4 II 1 und III GlüStV, hingegen spart er aber bewusst die Norm des § 4 II 3 GlüStV aus, weshalb im Umkehrschluss ersichtlich wird, dass ein Anspruch auf die Erlaubnis im Rahmen der Pferdewetten gerade besteht.653 Die Unterscheidung zwischen Sportwetten auf der einen und Rennwetten auf der anderen Seite begründet der Gesetzgeber damit, dass „der Anteil der Pferdewetten am deutschen Sportwettenmarkt insgesamt […] gering [ist]. Eine vollständige Parallelisierung der Pferdewette mit den sonstigen Sportwetten ist aus diesem Grunde, sowie wegen der historischen und tatsäch­ lichen Besonderheiten des Sektors nicht geboten, zumal die Buchmacher mittlerweile weit überwiegend als Wettvermittler tätig werden und somit als relevante Wettveranstalter nur noch die zahlenmäßig von Natur aus begrenzten Rennvereine agieren, welche die Totalisatoren betreiben.“654 Dem ist insoweit zuzustimmen, dass die Pferdewetten nur einen geringen Teil des Sportwettenmarktes ausmachen. So machen die Pferdewetten am Gesamtumsatz der Glücksspielanbieter in Deutschland seit Jahren einen geringen unter 1 % liegenden Prozentsatz aus.655 Hingegen ist aber im Vergleich zu den im regulierten Markt stattfindenden Sportwetten (in Gestalt des Oddset) eine Beteiligung von Pferdewetten am gesamten regulierten Sportwettenmarkt von rund 1/3 gegeben.656 Bei einem Blick auf den Gesamtsportwettenmarkt (also regulierten und unregulierten Sportwettenmarkt) ist aber das Ergebnis ein anderes: Zwar werden auch online durch in der EU ansässige Unternehmen Online-Pferdewetten angeboten, jedoch ist hier das Angebot überschaubarer als bei den Online-Sportwetten als solche.657 Auch der Großteil des Umsatzes des unregulierten Marktes entfällt auf die klassischen Sportwetten, die Pferdewetten 653  Becker/Hilf/Nolte/Uwer,

Einl. RennwLottG Rn. 7. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 655  Meyer, Jahrbuch Sucht 2019, S. 108. 656  Vgl. Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 7 und Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 7. 657  Vgl. hierzu die Auswahl an Online-Sportwetten im Vergleich zu Online-Pferdewetten auf https://www.sportwetten24.com/sportwetten-anbieter-vergleich.html und http://www.pferdewetten-online.info/buchmacher-fur-pferdewetten.php, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 654  Bay.



B. Online-Sportwetten237

hingegen nehmen nur einen marginalen Teil dieses Umsatzes ein.658 Die Pferdewetten sind mit Blick auf den Gesamtsportwettenmarkt beinahe bedeutungslos.659 Jedoch ist eine derartige Quantitätsargumentation immer mit Vorsicht zu genießen. Bloß, dass ein Verhalten seltener auftritt als ein anderes, rechtfertigt noch nicht, dass man das eine verbietet, das andere aber nicht. Vielmehr ist dies immer unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes zu betrachten, oder genauer gesagt, eine „Ungleichbehandlung“ ist in diesem Sinne nur kohärent bzw. konsequent, wenn die von Pferdewetten ausgehende Suchtgefahr geringer ist als die von Sportwetten. Die Frage der Suchtgefahr ist aber auch immer eine Frage der Quantität des Spielangebots.660 Das Spielangebot der Pferdewette als solches wird in Deutschland lediglich von den (zahlenmäßig begrenzten) Rennvereinen eröffnet;661 diese veranstalten die Pferdewette. „Unter Veranstalten ist dabei die planmäßige Ausführung des gesamten Unternehmens selbst oder das durch andere ins Werk setzen und dabei das Spiel- und Wettgeschehen maßgeblich zu gestalten, zu verstehen.“662 Grund hierfür ist, dass eine Pferderennwetterlaubnis gerade nur ein derartiger Pferderennverein überhaupt erhalten kann.663 Im Unterschied zu sonstigen Sportwettenveranstaltern ist also die Pferdewettenveranstaltung nur einem eng begrenzten Priviligiertenkreis (Renn- oder Pferdezuchtverein, vgl. § 2 I RennwLottGABest) offenstehend.664 Auch erfasst die Pferderennwette immer die Wette im Rahmen eines Totalisators665, der Wettveranstalter ist also immer gezwungen, einen Mindestanteil der Wetteinsätze auch wieder auszuzahlen. Sinn und Zweck der Pferdewetten ist „die Förderung der Landespferdezucht“ durch die „Veranstaltung von Leistungsprüfungen für Pferde“.666 Die 658  Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Wirtschaftsfaktor Sportwetten – Sportfaktor Lotterien, S. 6, wonach auf Reiten gerade mal 2 % der Wetteinsätze bei Sportwetten entfallen. 659  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 91. 660  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98, 120 ff. 661  Momentan 45 Rennvereine, vgl. Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 662  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 663  Vgl. § 1 I, III RennwLottG i. V. m. § 2 I RennwLottGABest. 664  So auch Fuchs, Das neue Glücksspielrecht, S. 368. 665  Totalisatorwetten zeichnen sich dadurch aus, dass alle Einsätze eine gemeinsame Masse darstellen, die dann nach Abzug verschiedenster Posten nach einem vordefinierten Gewinnverteilungsplan auf die Gewinner verteilt wird; vgl. Streinz/ Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 18; vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 11. 666  Vgl. hierzu § 2 III RennwLottGABest.

238 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

vom Gesetzgeber genannten „historischen und tatsächlichen Besonderheiten des Sektors“667, wobei die Sportwetten aus Sicht des Gesetzgebers als ein eigener Sektor im Sektor Sportwetten gesehen werden, sind gerade aus dieser Wirklichkeit ersichtlich. Die Veranstaltung von Wettkämpfen zwischen verschiedenen Pferden dient gerade deren Leistungsprüfung, lediglich hierdurch ist es überhaupt möglich, die sportliche „Qualität“ eines Pferdes im direkten Vergleich zu beurteilen. Dass diese Wettkämpfe zugleich auch nicht mit der Pferdezucht befasste Personen anziehen, ermöglicht es den Pferdezuchtvereinen überhaupt erst, die kostspielige Pferdezucht und die Aufzucht der Pferde – die den Vereinszweck darstellen – durch die Anbietung von Wetten bei den Leistungsprüfungen und mit dem Gewinn aus dem Totalisator zu bestreiten. Die Pferdewetten stellen im Ergebnis nur einen Nebeneffekt der Hauptaufgabe der Vereine – der Pferdezucht – dar. Dies wird auch dadurch ersichtlich, dass die Rennwetterlaubnis sich nicht generell auf die Veranstaltung von Pferderennwetten in Deutschland erstreckt, sondern dass die erteilte Erlaubnis Rennbahngebunden ist, also der jeweilige Verein für seine jeweilige Rennbahn nur Wetten anbieten darf.668 Die wirkliche „Breitenwirkung“ und damit weitgehende Zugänglichmachung der Pferdewetten, und damit im Ergebnis erst eine Steigerung der Suchtgefahr, erfolgt erst durch die zwischengeschalteten Vermittler.669 Diese unterliegen aber den gleichen Regelungen, wie die Sportwettenvermittler, vgl. § 27 GlüStV. Lediglich der Erlaubnisvorbehalt ergibt sich nicht aus dem GlüStV, sondern aus § 2 I RennwLottG. Hier findet also gerade keine Differenzierung mehr statt, die eine Kohärenz in Frage stellen könnte. Sowohl hinsichtlich der historischen Besonderheiten, den – im Vergleich zu den anderen Sportwetten – geringeren Umsatzzahlen und der geringeren Anbieterzahl ist daher eine Unterscheidung zwischen Sportwette und Pferdewette als solche möglich, ohne dass dies die vertikale Kohärenz, also die konsequente Zielerreichung im selben Glücksspielsektor (Sportwette), gefährdet. Aufgrund der Abschaffung der Limitierung ist aber der Unterschied zwischen Sportwetten und Pferdewetten noch geringer, größter Unterschied bleibt, dass ein Rechtsanspruch auf die Erlaubnis bei den Pferdewetten besteht. Aber auch hier rechtfertigen die historischen Besonderheiten diese Unterscheidung.

667  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 20. § 2 II, 5 RennwLottGABest. 669  Vgl. § 6 RennwLottGABest, die Buchmachererlaubnis ist gerade nicht auf einzelne Rennstrecken begrenzt. 668  Vgl.



B. Online-Sportwetten239

(b) Konkreter Prüfungsmaßstab Im Übrigen ist ein Konzessionsmodell dem Grundrechtsträger nur dann zumutbar, wenn es in seiner konkreten Ausgestaltung sowohl der Spielsuchtprävention als auch der Bekämpfung von Wettbetrug dient.670 Ausgangspunkt jeder Prüfung der Angemessenheit ist eine Abwägung der entgegenstehenden Güter, wobei eine Gewichtung dieser Güter vorausgeht. Nötig ist eine „Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe“.671 „Den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern ist der – strafbewehrte – Ausschluss [seiner durch Art. 12 GG geschützten Tätigkeit] nur dann zumutbar, wenn [die einschränkende Regelung (in diesem Fall war es das bestehende Wettmonopol)] auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient.“672 Wie oben erläutert, handelt es sich bei der Konzessionierung um eine subjektive Berufswahlregelung, bei der zahlenmäßigen Begrenzung dieser Konzessionen wiederum um eine objektive Berufswahlregelung und damit um einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit. Grundsätzlich ist daher eine Rechtfertigung nur möglich, zur Abwendung einer nachweislichen oder höchstwahrscheinlichen Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, nur ein derartiger Belang hat das nötige Gewicht eine objektive Berufswahlregelung zu rechtfertigen.673 Wie aber oben bereits erwähnt, vollzog das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit eine Einschränkung seiner Rechtsprechung für Berufe, die durch „atypische Besonderheiten“ geprägt sind.674 Da das Glücksspiel eine an sich „unerwünschte Tätigkeit“ darstellt, ist auch im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit ein breiterer „Regelungs- und Gestaltungsspielraum des staatlichen Gesetzgebers“ gegeben, weshalb es genügt, dass die „im Einzelfall beabsichtigte Beschränkung wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt“.675 Eine derartige Einschränkung dahingehend, dass weniger gewichtete legitime Ziele bereits eine objektive Berufszulassungssperre rechtfertigen können, ist abzulehnen. Die objektive Berufszulassungssperre stellt den schwerwiegendsten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG eines Grundrechtsträgers dar. Diesem wird – ohne dass dieser irgendwie 670  Janich,

Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 160. NVwZ 2008, 1338 (1342). 672  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 673  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 GG Rn. 99. 674  Vgl. BVerfG NVwZ 2001, 790 (793). 675  BVerfG NVwZ 2001, 790 (793). 671  BVerfG

240 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Einfluss darauf nehmen kann – sein durch Art. 12 I GG grundrechtlich geschütztes Recht zur Berufsausübung hinsichtlich dieses gewissen Berufs verwehrt. Dass ein Beruf – aus Sicht des Staates – unerwünscht ist, ändert nichts an der Tatsache, dass dieser von Verfassung wegen geschützt ist. Vielmehr vermag die bloße „Unerwünschtheit“ keine Minderung des verfassungsrechtlichen Schutzes zu begründen, hierzu fehlt es auch im Rahmen des Grundgesetzes an einer entsprechenden Regelung. Vielmehr muss sich der atypische bzw. unerwünschte Beruf auch irgendwie im Rahmen von Verfassungsgütern niederschlagen. Im vorliegenden Fall begründet das Bundesverfassungsgericht die atypische Besonderheit damit, dass der Beruf des Spielbankunternehmers an sich unerwünscht sei, jedoch gleichwohl erlaubt sei, „um das illegale Glücksspiel einzudämmen, dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen und dadurch die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu schützen“.676 Der Senat zog die Einschränkung der Verhältnismäßigkeitsprüfung demnach aus den möglichen Auswirkungen des Glücksspiels auf die Bevölkerung. Dies vermag aber nicht eine Tätigkeit an sich als unerwünscht zu brandmarken, vielmehr ist im Lichte des Art. 12 I GG – soweit diese Tätigkeit in ihren Schutzbereich fällt677 – jede Tätigkeit von Verfassung wegen erwünscht, oder einfacher gesagt: Was die Verfassung als höchste rechtliche Instanz als von den Grundrechten umfasst ansieht, kann nicht allein aufgrund einer gesellschaftlichen „Unerwünschtheit“ deren Schutzes wieder (partiell) beraubt werden. Vielmehr kann eine Einschränkung der Berufsfreiheit – und damit auch wieder im üblichen Fahrwasser der Drei-Stufen-Lehre – nur dann gerechtfertigt werden, wenn die „Atypik“ als solche zu einer Beeinträchtigung anderer Verfassungsgüter führt, weshalb dann im Rahmen der Verhältnismäßigkeit unter der Prüfung der Angemessenheit eine Abwägung dieser Güter nötig ist. Dabei gilt: Je stärker das vorgebrachte Interesse, das mit dem Eingriff der Berufsfreiheit verfolgt wird, ist, desto eher ist auch der Eingriff in dessen Schutzbereich gerechtfertigt.678 Es verbleibt daher im Ergebnis bei der „herkömmlichen“ Güterabwägung zwischen dem geschützten Interesse auf der einen und der eingeschränkten Berufsfreiheit auf der anderen Seite.

676  BVerfG

NVwZ 2001, 790 (793). hinsichtlich des Ausschlusses von evident sozialschädlichem Verhalten, BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 42. 678  Im Ergebnis ebenso BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 GG Rn. 105. 677  Vgl.



B. Online-Sportwetten241

(c) Inkonsequent aufgrund Verstoßes gegen das „Gebot der Folgerichtigkeit“? Hinsichtlich der Frage der konsequenten Ausrichtung an den Zielen zur Vermeidung und Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht entbrennt wiederum der größte Streitpunkt im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit des Konzes­ sionsmodells. Nachfolgend soll lediglich die vertikale679 Kohärenz im Rahmen des einzelnen Glücksspielsektors „Sportwette“ betrachtet werden. Vorliegend hat der Gesetzgeber im Bereich der Sportwetten vom zuvor geltenden Staatsmonopol Abstand genommen – wenn auch zunächst nur im Rahmen eines „Experiments“ vorübergehend, vgl. § 10a I GlüStV – und hat sich für eine partielle Öffnung des Marktes im Bereich der Sportwetten durch die Vergabe von 20 Konzessionen entschieden. Wiederum wurde dies ab 2020 so modifiziert, dass zwar das „Experiment“ bleibt, die Limitierung aber nicht.680 In dieser Änderung 2012 sehen manche Stimmen in der Literatur, vorrangig gestützt auf ein Gutachten von Papier/Krönke, eine „deutliche Rücknahme des Schutzniveaus gegenüber dem bislang geltenden Regelwerk“.681 Dies ergebe sich zum einen durch die Öffnung des Bereichs der Sportwetten für private Marktteilnehmer, zum anderen aus der Erweiterung der wählbaren Vertriebswege auch auf den Vertriebsweg Internet, dem wiederum eine erhöhte Gefahr zugeschrieben wird.682 Aufgrund dieser Rücknahme des Schutzniveaus sei aufgrund des aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Nichtraucherschutzgesetzen entwickelten „Gebots der Folgerichtigkeit“ der Gesetzgeber auch dazu verpflichtet, die jeweiligen Freiheitsbeschränkungen diesem Schutzniveau anzupassen.683 Die Entscheidung des Gesetzgebers das Schutzniveau hinsichtlich der Sportwetten zu verringern, habe demnach auch zur Folge, dass die gegenläufigen, auch von der Verfassung geschützten Interessen, eine Aufwertung erhalten.684 Aufgrund dieser Aufwertung der Interessen der Grundrechtsträger ist auch im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit diese Gewichtung der Güter entsprechend zu berücksichtigen, mit der Folge, dass die Interessen der Konzessionsbewerber und -nehmer höher zu gewichten seien.685 679  Vgl.

hierzu die Erklärung auf S. 146 ff. LT-Drs. BW 16/5894, S. 3 ff. 681  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 70. 682  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 70 f. 683  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 70 f. 684  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 162. 685  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 71 f. 680  Vgl.

242 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Im Hinblick auf den durch die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen einhergehenden Eingriff im Sinne einer objektiven Berufswahlregelung und der dadurch bestehenden Intensität des Eingriffs stehe dieser außer Verhältnis zum vom Gesetzgeber gewählten Schutzniveau.686 Dies habe im Ergebnis zur Folge, dass die zahlenmäßige Begrenzung der Konzessionen unverhältnismäßig sei.687 Zusammenfassen lässt sich die Ansicht also dahingehend, dass sich der Gesetzgeber aufgrund seiner Öffnung des Sportwettenmarktes sowohl hinsichtlich Privater als auch hinsichtlich der Vertriebsform Internet, selbst dahingehend gebunden habe, dass er in diesem Glücksspielsektor die von ihm als legitime Ziele angebrachten Erwägungen nun als weniger gewichtig einschätze als vor der Öffnung, da er nun die Gefahren der Sportwetten als geringer einschätze als vor der Öffnung. Ein derartiger Schluss vermag aber nicht zu überzeugen. Vielmehr ist zu beachten, dass der Gesetzgeber durch die Änderung seiner Maßnahmen weiterhin den von ihm beabsichtigten Rechtsgüterschutz hinsichtlich u. a. der Suchtbekämpfung im Bereich der Sportwetten aufrechterhält. Es ging dem Gesetzgeber gerade nicht darum, die Sportwetten – aufgrund einer von ihm angenommenen geringeren Gefährlichkeit dieses Angebotsformats – weniger streng zu regulieren. Den Schluss, dass die gesetzgeberische Entscheidung lauten würde, „den Schutz vor den Gefahren der Spiel- und Wettsucht und die übrigen Regelungsziele zu Gunsten einer gewissen Marktöffnung zurückzufahren“, ist daher nicht zuzustimmen. Vielmehr beabsichtigt der Gesetz­ geber weiterhin genau den Schutz dieser Gefahren im gleichen Umfang.688 Die Neuausrichtung im Bereich der Sportwetten beruht hingegen vielmehr auf dem umfangreichen Schwarz- bzw. Graumarkt, der im Rahmen des Staatsmonopols entstand.689 Die Beantwortung der Frage, ob der Gesetzgeber das Schutzniveau im Sportwettenbereich herunterschrauben wollte, ist daher nicht ohne diesen Kontext richtig zu bewerten. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass sich das Staatsmonopol im Zeitpunkt der Gesetzgebung als nicht erfolgsversprechend erwiesen hat. Der Großteil des Sportwettenangebots fand, wie bereits gezeigt, im Grau- bzw. Schwarzmarkt statt. Intention des Gesetzgebers war in diesem Moment nicht, das 686  Papier/Krönke,

Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 72. Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 73 f. 688  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 689  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18: „Vielmehr hat sich, zu Lande wie im Internet, ein Schwarzmarkt herausgebildet, dessen Bekämpfung sich als schwierig erwiesen hat. Angesichts dieses umfangreichen Schwarzmarktes soll auf diesem Gebiet von dem bisherigen Veranstaltungsmonopol abgewichen werden.“ Die Öffnung erfolgt also gerade wegen des Schwarzmarktes. 687  Papier/Krönke,



B. Online-Sportwetten243

Niveau des Gesundheitsschutzes zu senken, vielmehr war dessen Ziel durch die Öffnung überhaupt erst wieder eine Kanalisierung auf regulierte Angebote zu erreichen. Dies bezweckt aber nicht eine Schwächung des Spielerschutzes, sondern im Gegenteil eine Stärkung von diesem, da nur im Rahmen des regulierten Marktes aufgrund staatlicher Anforderungen und Aufsicht erst ein ausreichender Spielerschutz gewährleistet werden kann. Diese Kanalisierung ist daher in die Bewertung des Schutzniveaus mit einzubeziehen, weshalb auch nicht von einer Absenkung von diesem und damit einhergehend einer Aufwertung der entgegenstehenden Interessen ausgegangen werden kann.690 Auch würde die Annahme eines Gebots der Folgerichtigkeit in diesem Fall zu einem Wegfall der gesetzgeberischen Spielräume führen.691 Die Argumentation ist in gewissem Maße –zumindest in dem hier vorliegenden Fall – zirkulär. Wenn der Gesetzgeber von einem Monopol auf staatlicher Seite zu einer partiellen Öffnung im Rahmen eines begrenzten Konzessionsmodells umschwenkt, so ist der hierdurch stattfindende Grundrechtseingriff zwar aufgrund einer weiterhin geltenden objektiven Berufswahlregelung beträchtlich, jedoch nicht derart gravierend, wie ein absolutes Staatsmonopol, in dem eine Grundrechtsausübung völlig unmöglich ist, es sich de facto um die stärkste denkbare objektive Berufswahlregelung handeln würde. Verringert der Gesetzgeber nun die Eingriffsintensität, so ändert dies aber nichts an der Bewertung der Gewichtung des eingegriffenen Grundrechts, dieses ist im Rahmen der Angemessenheit weiterhin gleich zu bewerten.692 Dass dem so sein muss, zeigt sich auch an folgendem Beispiel: Würde man durch die Verringerung des Eingriffs gleichzeitig eine Aufwertung des beeinträchtigten Grundrechts annehmen, so hätte dies folgendes Szenario zur Folge: Da durch die teilweise Öffnung angeblich das Interesse der Grundrechtsträger einerseits höher zu werten ist und das des Gesetzgebers geringer, hätte daher ausschließlich eine zahlenmäßig unbeschränkte Öffnung vor der Verfassung Bestand.693 Würde der Gesetzgeber dann dieser Ansicht folgen und eine zahlenmäßig unbeschränkte Öffnung auf Ebene einer subjektiven Berufswahlregelung vollziehen, käme dies erneut einer durch ihn veranlassten Verringerung des 690  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 162 f.; Glücksspiel/Klein/Lange, § 20 Rn.  26 f.; vgl. Kugler/Winter/Rötzer, BayVBl 2015, 325 (330). 691  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  162 f. 692  Vgl. Glücksspiel/Klein/Lange, § 20 Rn. 27. 693  So das Ergebnis von Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S.  73 f.

244 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Schutzniveaus gleich, wodurch auch wiederum das Interesse der Grundrechtsträger höher zu werten wäre (und seines geringer). Aufgrund dieser Andersgewichtung wäre dann aber auch eine subjektive Berufswahlregelung unangemessen, da auch eine Berufsausübungsregelung möglich wäre und ja das Interesse der Grundrechtsträger höher zu werten ist. De facto würde daher eine Abwärtsspirale entstehen, da immer durch eine Verringerung der Anforderungen, der Gesetzgeber wiederum andererseits das grundrechtlich geschützte Interesse aufwerten würde. Dass dies nicht der Fall sein kann, ist offensichtlich. Vielmehr ist das grundrechtlich geschützte Interesse immer gleich zu bewerten. Ein Grundrechtsträger hat an seiner Grundrechtsausübung immer das gleiche Interesse, im Rahmen der Berufsfreiheit, dass er dieses ausüben möchte. Dieses Interesse ist umso stärker eingeschränkt, je intensiver der Eingriff ist, weshalb an die Angemessenheit höhere Anforderungen zu stellen sind. Hingegen ist aber das Interesse nicht je nach Regulierungssituation anders zu werten, sondern die Regulierungssituation ist verfassungsrechtlich an dem Interesse des Grundrechtsträgers zu messen. Auch das in der zugrundeliegenden Entscheidung des BVerfG angewandte Gebot der Folgerichtigkeit ist dementsprechend für den hier vorliegenden Fall nicht anders zu werten. Diesbezüglich führte der Senat aus: „Hat sich der Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden Spielraums zu einer bestimmten Einschätzung des Gefahrenpotenzials entschlossen, auf dieser Grundlage die betroffenen Interessen bewertet und ein Regelungskonzept gewählt, so muss er diese Entscheidung auch folgerichtig weiterverfolgen. Gefahreinschätzungen sind nicht schlüssig, wenn identischen Gefährdungen in demselben Gesetz unterschiedliches Gewicht beigemessen wird.“694 Wie oben gezeigt, hat der Gesetzgeber das Gefahrenpotenzial der Sportwetten aber nicht anders bewertet, vielmehr sah dieser die Gefahr insbesondere darin, dass sich durch den Schwarzmarkt diese Gefahr erst recht verwirklicht. Um diese Gefahr überhaupt bekämpfen zu können, versucht dieser über eine Umstrukturierung auf ein beschränktes Konzessionsmodell die Spieler auf legale Angebote zu kanalisieren, da nur in diesen der nötige Spielerschutz u. a. gewährleistet werden kann, da nur insoweit eine staatliche Aufsicht überhaupt möglich ist. (d) Konsequente Ausrichtung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht Auch im Übrigen ist die zahlenmäßig begrenzte Konzessionierung konsequent an den hiermit verfolgten Zielen ausgerichtet. Diesbezüglich ist zwi694  BVerfG

NJW 2008, 2409 (2415).



B. Online-Sportwetten245

schen der rechtlichen und der tatsächlichen Ausgestaltung zu unterscheiden.695 (aa) Konsequenz in rechtlicher Hinsicht In rechtlicher Hinsicht ist entscheidend, ob die Länder zur Zielerreichung nicht nur Vorgaben zur Höchstzahl der Konzessionen und des damit zusammenhängenden Vergabeverfahrens gemacht haben, sondern ob diese auch flankierend die von ihnen gewünschte Ausrichtung rechtlich im Staatsvertrag verankert haben.696 Diesbezüglich ist hinsichtlich des Sportwettensektors die Norm des § 21 GlüStV zu beachten. Wie bereits oben ausgeführt, vollzieht der Gesetzgeber im Rahmen des § 21 GlüStV mehrere Berufsausübungsregelungen, die von den Sportwettenveranstaltern und -vermittlern einzuhalten sind. Diese „qualitativen Wettbeschränkungen“ sind ebenso wie die zahlenmäßige Begrenzung auf den Spielerschutz ausgerichtet und flankieren diesen.697 Insbesondere werden die Wetten qualitativ insoweit begrenzt, dass gem. § 21 I 1 GlüStV lediglich Kombinationswetten oder Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen erlaubt sind, jedoch keine darüber hinaus.698 Auch wird gem. § 21 II GlüStV sichergestellt, dass Sportwetten und Spielhallen bzw. Spielbanken nicht im selben Gebäudeoder Gebäudekomplex sind. Dies ermöglicht von vornherein, dass mehrere Glücksspielsektoren nicht kombiniert werden können. Ferner ist der in § 21 V GlüStV verankerte Ausschluss gesperrter Spieler von Wetten unter dem Gesichtspunkt der Suchtprävention bzw. der Bekämpfung der Sucht nicht zu beanstanden. Als kritisch gestaltet sich die Regelung des § 21 GlüStV. Im Rahmen der Sportwetten ist eine Unterscheidung von Sportwetten vor dem Beginn des sportlichen Ereignisses und Wetten während des sportlichen Ereignisses, sog. Live-Wetten, im Rahmen des Gedanken der Suchtprävention durchaus geboten. So geht von Live-Wetten ein höheres Gefährdungspotenzial aus als von den herkömmlichen Sportwetten699, was auch eine Unterscheidung im Rahmen der Suchtprävention erlaubt und fordert. Daher ist auch im Rahmen einer konsequenten rechtlichen Regelung eine grundsätzliche Unzulässigkeit von Live-Wetten gem. § 21 IV 1, 2 GlüStV konsequent. Dieser Grundsatz 695  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1118 f. Rn. 141 ff, 1119 Rn. 146 f.). Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 160. 697  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 160. 698  So werden ausdrücklich nach den Erläuterungen alle Ereigniswetten ausgeschlossen, Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 30. 699  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 696  Vgl.

246 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

wird wiederum gem. § 21 IV 3 GlüStV dahingehend aufgeweicht, dass Endergebniswetten zulässig sind. Hierzu ist jedoch zu beachten, dass sich der Gesetzgeber im Bereich der Sportwetten in der problematischen Lage befand, dass der Großteil des Angebots von Sportwetten auf dem Schwarz- und Graumarkt erfolgte. In dessen Produktportfolio waren unter anderem auch die Live-Wetten enthalten; insbesondere diese sprechen viele Spieler an.700 Unter dem Gesichtspunkt der gewünschten Kanalisierung ist es daher nicht als rechtlich inkonsequent zu sehen, dass der Gesetzgeber auch im staatlich legitimierten Angebot LiveWetten anbieten will, da dieser sonst einen Großteil der Spieler aufgrund mangelnder Attraktivität seines Angebots überhaupt nicht zu kanalisieren vermag. Der Gesetzgeber sieht sich mit der Aufgabe konfrontiert, auf der einen Seite Suchtbekämpfung zu betreiben, auf der anderen Seite aber auch ein attraktives Spielangebot überhaupt erst zu schaffen, damit überhaupt eine Kanalisierung und damit eine Suchtbekämpfung ermöglicht wird.701 Unter diesem Gesichtspunkt ist es daher auch nicht als rechtlich inkonsequent zu sehen, dass der Gesetzgeber zumindest partiell Live-Wetten zulässt. Insbesondere lässt der Gesetzgeber gem. § 21 I 3 Hs. 1 GlüStV nur Live-Wetten auf das Endergebnis zu, er bietet also nur während eines Sportereignisses eine Wette an, die es auch zuvor gegeben hätte, vgl. § 21 I 1 GlüStV. Der Reiz besteht dann lediglich darin, dass man das Spiel währenddessen live sieht und eventuell annimmt, das Wettergebnis besser beurteilen zu können. Die Ereigniswetten hingegen, z. B. wer als nächstes eine rote Karte erhält, wie das nächste Tor verwandelt wird etc., sind gem. § 21 IV 3 Hs. 2 GlüStV weiterhin ausgeschlossen. Insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass Ereigniswetten während des Sportereignisses im Grundsatz unendlich oft gespielt werden könnten (eine gelbe Karte beispielsweise wird ja nicht nur einmal in einem Spiel zu einem festen Zeitpunkt vergeben) und daher auch die Ereignisfrequenz viel höher ist702, als bei einer Endergebnis-Wette, die sich nur auf das Endergebnis (bzw. Zwischenergebnis nach beim Fußball z. B. 90 Minuten) bezieht, weshalb hier eine Wette maximal alle 45 Minuten (auf den Halbzeitstand) gespielt werden kann. Die Öffnung im Rahmen der Sportwetten in Bezug auf 700  So haben im Jahr 2017 in einer Befragung zur 12-Monats-Prävalenz ca. 41 % der befragten Sportwettenspieler Live-Wetten gespielt, BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 74 f. 701  In diese Richtung auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 161. 702  Insbesondere die hohe Ereignisfrequenz und damit einhergehend der kurze Auszahlungsintervall fördern das Suchtpotenzial eines bestimmen Glücksspiels, vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 88 f.



B. Online-Sportwetten247

Live-Wetten ist daher auch aus diesem Blickwinkel zwar im Hinblick auf suchtpräventive Gesichtspunkte nicht gänzlich unproblematisch, aber mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung dahingehend, dass Ereigniswetten weiterhin ausgeschlossen bleiben und der Gesetzgeber versucht, den Schwarzbzw. Graumarkt zu verkleinern, indem er eine Kanalisierung auf legale Angebote vorsieht, dennoch als rechtlich konsequent zu sehen. Unter dem Gesichtspunkt des Kanalisierungsgedankens ist es daher auch rechtlich konsequent, den legalen Glücksspielanbietern im Sportwettenbereich gem. § 5 III 2 GlüStV eine Werbemöglichkeit zu eröffnen, wobei gem. § 5 III 3 GlüStV die gefahrträchtigere703 Art der Werbung kurz vor oder während Sportereignissen verboten bleibt. Insbesondere aufgrund des etablierten Grau- und Schwarzmarktes ist es nötig, die zum Spiel Entschlossenen auf die legalen Angebote hinzuweisen. Eine Kanalisierung auf legale Angebote kann nur stattfinden, wenn überhaupt das legale Angebot dem Spieler bekannt ist.704 Zwar wird durch die Werbung auch ein unentschlossener Spieler angesprochen und eventuell zum Spiel bewegt, dennoch ist die konsequente Bekämpfung der Sucht in diesem Fall weiterhin zu bejahen, da nur so überhaupt der Aufbau eines legalen Angebots gegen die Marktmacht der momentan vorherrschenden Anbieter ermöglicht wird. Insbesondere sind die Anbieter so auch erst im Internet konkurrenzfähig, da die Anbieter aus anderen EU-Staaten Werbung im Internet schalten könnten, ohne dass unbedingt deutsches Strafrecht zur Anwendung kommt, vgl. oben, wohingegen den in Deutschland befindlichen Anbietern dann eine Strafe gem. § 284 IV StGB drohen würde, wenn sie ohne Erlaubnis (da keine Erlaubnismöglichkeit) Werbung im Internet machen. Der Gesetzgeber befindet sich diesbezüglich auf einem schmalen Grat zwischen Prävention und Kanalisierung, den er aber nicht offensichtlich überschritten hat.705 Auch ist die Konzessionsabgabe gem. § 4d GlüStV in diese Beurteilung mit einzubeziehen, die auch konsequent auf die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet sein müsste. Die Konzessionsabgabe ist deshalb problematisch, weil sich bei dieser ein fiskalisches Interesse ergeben kann, da dem Staat aufgrund der Abgabe Einnahmen zufließen werden. Insbesondere durch eine Kanalisierung des Angebots auf diese konzessionierten Anbieter 703  Insbesondere kurz vor oder während des Ereignisses besteht in der Werbung die Gefahr, dass ein nicht Spielgeneigter erst zum Spiel motiviert wird, dies ist aber nicht im Sinne einer Suchtbekämpfung. 704  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 161. 705  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 161.

248 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

kann bei Konzessionsabgabe – der Staat partizipiert hierdurch an 5 % der Spieleinsätze – nicht von Beginn an ausgeschlossen werden, dass mit der Kanalisierung auch indirekt fiskalische Interessen der Länder verfolgt werden. Nicht das fiskalische Interesse darf daher im Vordergrund stehen, sondern die konsequente Verfolgung der legitimen Ziele muss bestimmend sein.706 Ziel der Konzessionsabgabe ist zum einen, einen Sondervorteil der Konzessionsnehmer abzuschöpfen, andererseits durch die Angebotsverteuerung eine Nachfragedämpfung herbeizuführen.707 Bereits im Rahmen der Sportwettenentscheidung musste sich das BVerfG mit der Frage befassen, ob eine reine Abschöpfung zur Nachfragedämpfung bereits zur konsequenten Verfolgung der Ziele genügt. Der Senat stellte hierzu fest, dass sich das Spannungsverhältnis nicht dadurch entschärft, „dass eine gewisse Abschöpfung des auf den Einsätzen der Wettteilnehmer beruhenden Spielkapitals zur Dämpfung der Gewinnquoten erfolgt, um so die Anreizwirkung des Wettangebots von vornherein gering zu halten. Denn ein Interessenkonflikt kann sich bereits daraus ergeben, dass die Veranstaltung von Wetten überhaupt mit fiskalischen Effekten einhergeht. Die Verwendung der Erträge zur Förderung im öffentlichen Interesse liegender Zwecke mindert den fiskalischen Anreiz nicht, sondern kann wegen der dadurch begründeten Abhängigkeit der geförderten gesellschaftlichen Aktivitäten von Einnahmen aus Glücksspielveranstaltungen dazu führen, dass diese Finanzmittel als schwer verzichtbar erscheinen und deshalb ein Anlass besteht, die Wettangebote auszubauen und die Werbung auf das Ziel auszurichten, neue Wettteilnehmer zu gewinnen.“708 Der blanke Effekt durch die Abschöpfung genügt daher nicht, vielmehr muss sich in der Regulierung „positiv ausdrücken“, dass „eine konsequente und wirkliche Ausrichtung an der Bekämpfung und Begrenzung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten“ verfolgt wird.709 Die Vorteilsabschöpfung im Rahmen einer Konzessionsabgabe kann daher durchaus Bestandteil einer konsequenten Regulierung eines Glücksspielsektors sein, hingegen vermag es diese allein nicht eine Konsequenz zu rechtfertigen. Vielmehr muss die Regulierung um die Abgabe herum die nötige Konsequenz aufweisen.710

706  Vgl.

BVerfG NJW 2006, 1261 (1265). LT-Drs. 16/11995, S. 25. 708  BVerfG NJW 2006, 1261 (1265). 709  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1265). 710  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 160. 707  Bay.



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(bb) Konsequenz in tatsächlicher Hinsicht Das Konzessionsmodell müsste daneben auch in seiner tatsächlichen Ausgestaltung konsequent an der Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten sowie der Begrenzung der Spiel- und Wettleidenschaft ausgerichtet sein.711 Mangels Konzessionsvergabe zum heutigen Zeitpunkt ist hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Konzessionsmodells noch keine abschließende Beurteilung möglich. Lediglich eine Beurteilung des parallel stattfindenden Oddset-Angebots ist weiterhin möglich. Oddset bietet momentan lediglich stationär seine Sportwetten zu Festquoten an, hingegen erfolgt bisher kein Vertrieb online. Das Angebot unter dem Namen Oddset erfolgt durch die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern und wird im Rahmen der ODDSET Kooperationsgemeinschaft stationär bundesweit angeboten. Gleichzeit wurde die ODDSET Sportwetten GmbH gegründet, um an dem Konzessionsvergabeverfahren auf Erteilung einer der 20 Konzessionen teilzunehmen, damit auch Sportwetten online angeboten werden können. Ziel wäre es dann gewesen, den stationären Vertrieb zwar weiterhin über Lotto-Toto laufen zu lassen, die Veranstaltung der Sportwette als solche wäre dann aber über die privatwirtschaftliche GmbH gelaufen.712 Seit Beginn des Jahres 2020 läuft das ODDSET-Angebot über diese GmbH.713 Oddset hat in den letzten Jahren starke Umsatzeinbußen verzeichnet, der Umsatz belief sich auf 541 Mio. Euro im Jahr 2002, auf 186,2 Mio. Euro im Jahr 2016 bzw. 165,8 Mio. Euro im Jahr 2017.714 Auch seine Beteiligung am Gesamtvolumen des regulierten Marktes ist verschwindend gering, weshalb auch nicht von einer praktischen Inkonsequenz dahingehend gesprochen werden kann, da sich Oddset an das Onlineverbot des § 4 IV GlüStV hält und auch die sonstigen Regulierungen, wie rechtlich vorgesehen, umsetzt. Ebenso findet sich für Oddset selbst kaum Werbung wieder, die eine Konsequenz am Kriterium der Spielsuchtprävention beeinträchtigen könnte.

711  Vgl.

BVerfG NJW 2006, 1261 (1265 f.). Schumann, Mitteldeutsche Zeitung vom 08.02.16, abrufbar unter: https:// www.mz-web.de/mitteldeutschland/oddset-sportwetten-sachsen-anhalt-zieht-sich-aussportwettenmarkt-zurueck-23584254; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 713  https://www.oddset.de/de/unternehmen/ueber-uns; zuletzt abgerufen am: 06.10. 2020. 714  Meyer, Jahrbuch Sucht 2019, S. 109. 712  Vgl.

250 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(cc) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts715 hinsichtlich der Konsistenz der Regelungen in tatsächlicher und rechtlicher Weise eingehalten hat. (e) Allgemeine Abwägung Aufgrund der bestehenden Konsistenz bleibt es lediglich bei der Interessenabwägung dahingehend, dass die Schwere der Eingriffe und das Gewicht und die Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe der gesetzlichen Regelungen die Grenze der Zumutbarkeit wahren und die Betroffenen nicht übermäßig belasten.716 Diesbezüglich hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits im Rahmen seines Nichtannahmebeschlusses zur verfassungsrechtlichen Angemessenheit im Rahmen des damals geltenden GlüStV 2008 geäußert. Hierzu bejahte das Gericht die Angemessenheit des „generellen Verbots mit Erlaubnisvorbehalts“ hinsichtlich des damals geltenden – aufgrund Fehlens der Experimentierklausel – Staatsmonopols, da die Erlaubnis gem. § 10 II, V GlüStV 2008 nur an die Länder selbst oder von diesen kontrollierten juristischen Personen erteilt werden durfte, also ein Staatsmonopol herrschte.717 „Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Gemeinwohlinteressen, vor allem die Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht mit ihren bedenklichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Betroffenen, sind derart gewichtig, dass sie die mit einem Erlaubnisvorbehalt verbundenen Beschränkungen für Glücksspielveranstalter und -vermittler zu rechtfertigen vermögen. Dies gilt auch für die Regelung des § 4 II 3 715  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1267): „Die Werbung für das Wettangebot hat sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten zu beschränken. Die Einzelausgestaltung ist an dem Ziel der Suchtbekämpfung und damit verbunden des Spielerschutzes auszurichten, auch etwa durch Vorkehrungen wie der Möglichkeit der Selbstsperre […]. Geboten sind Maßnahmen zur Abwehr von Suchtgefahren, die über das bloße Bereithalten von Informationsmaterial hinausgehen. Die Vertriebswege sind so auszuwählen und einzurichten, dass Möglichkeiten zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt werden. Insbesondere eine Verknüpfung von Wettmöglichkeiten mit Fernsehübertragungen von Sportereignissen würde dem Ziel der Suchtbekämpfung zuwiderlaufen und die mit dem Wetten verbundenen Risiken verstärken. Schließlich hat der Gesetzgeber die Einhaltung dieser Anforderungen durch geeignete Kontrollinstanzen sicherzustellen, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen.“ 716  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120). 717  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342).



B. Online-Sportwetten251

GlüStV, wonach auf die Erteilung der Erlaubnis kein Rechtsanspruch besteht.“718 An dieser Bewertung hat sich bisher nichts geändert, der GlüStV in der jetzt geltenden Form verfolgt die gleichen Gemeinwohlinteressen wie zur Zeit der Entscheidung. Jedoch war im Rahmen der Entscheidung die Eingriffsintensität höher, da von Beginn an keinem Grundrechtsträger überhaupt die Ausübung dieses Berufs möglich war, wohingegen momentan zumindest 20 hierzu die Chance erlangen sollen. Da – wie oben gezeigt – keine andere Bewertung der Interessen der Grundrechtsträger geboten ist, ist ein geringerer Eingriff in die Berufsfreiheit wie er nun im Gegensatz zum Staatsmonopol vorliegt erst recht im Rahmen der Abwägung angemessen.719 Auch die vollständige Öffnung ist daher erst recht angemessen. (f) Ergebnis Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die zahlenmäßig beschränkte Konzessionierung der Sportwettenveranstalter mit der Verfassung im Einklang steht.720 Ebenso gilt dies erst recht für die ab 2020 vollständige Öffnung des Sportwettenmarktes dahingehend, dass Konzessionen ohne eine zahlenmäßige Begrenzung herausgegeben werden sollen. dd) Verwaltungsverfahren zur Erlaubnis hin, insb. Glücksspielkollegium Nicht nur die Konzessionierung als solche ist aber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung heranzuziehen, auch das Vergabeverfahren zur Konzession hin muss der Verfassung entsprechen, denn durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird wiederum mittelbar auf die Gewährung der Erlaubnis Einfluss genommen, die erst die von Art. 12 I GG geschützte Berufsausübung ermöglicht.721 Die konkrete Ausgestaltung des Konzessionsmodells muss sich daher auch an der Verfassung messen, um eine gerechtfertigte Einschränkung der Grundrechte zu ermöglichen.722

718  BVerfG

NVwZ 2008, 1338 (1342). Glücksspiel/Klein/Lange, § 20 Rn. 27; vgl. Janich, Verfassungsrecht­ liche Aspekte, S. 167; BayVerfGH NJOZ 2015, 1970 (1975). 720  Ebenso im Ergebnis Fuchs, Das neue Glücksspielrecht, S. 288 ff. 721  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  163 f. 722  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 163 f.; Glücksspiel/Klein/Lange, § 20 Rn. 28. 719  Ebenso

252 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Gem. § 9a II 1 Nr. 3 GlüStV erfolgt die Konzessionsvergabe durch das Land Hessen, dieses ist gem. § 9a III 1 GlüStV für die Ausübung der Glücksspielaufsicht nach § 9 I GlüStV zuständig. Zusätzlich bildeten die Länder das Glücksspielkollegium, das gem. § 9a VI 1 GlüStV aus 16 Mitgliedern besteht, wobei jeweils ein Mitglied pro Bundesland benannt wird, § 9a I 2 GlüStV. Das Glücksspielkollegium besteht gem. § 9a V 1 GlüStV zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 bis 3, also u. a. auch zur Konzessionsvergabe gem. § 9a II 1 Nr. 3 GlüStV. Das Glücksspielkollegium ist gem. § 9a V 2 GlüStV jeweils Organ der zuständigen Behörde. Diesbezüglich vollzog der Gesetzgeber 2020 eine textliche Änderung dahingehend, dass das Glücksspielkollegium den Ländern zur Umsetzung einer gemeinschaftlich auszuübenden Aufsicht der jeweiligen obersten Glücksspielaufsichtsbehörden dient723, wobei sich an den verfassungsrechtlichen Fragen dadurch dennoch wenig ändert. Das Glücksspielkollegium erlässt mit 2/3 Mehrheit seiner Mitglieder seine Beschlüsse gem. § 9a VIII 1, wobei diese Beschlüsse dann gem. § 9a VIII 3 GlüStV für die jeweilige Behörde bindend sind und auch in einer gesetzten Frist zu vollziehen sind. Die Beschlussfassung selbst bzw. das Verfahren hierzu ist gem. § 2 IV VwVGlüStV724 nicht öffentlich. Das Kollegium wiederum erfährt die Unterstützung durch einen Fachbeirat gem. §§ 9 ff. VwVGlüStV, wobei Mitglieder dieses Beirats Experten aus dem Gebiet der Spielsucht und der Kriminologie sind. Darüber hinaus unterstützt ein Sportbeirat das Kollegium gem. §§ 15 ff. VwVGlüStV, wobei die Mitglieder auch aus dem Bereich des Sports kommen. Aufgabe des Glücksspielkollegiums ist gem. § 1 VwVGlüStV die abschließende Beurteilung aller Anträge auf Erlaubnisse und Konzessionen in den ländereinheitlichen Verfahren nach § 9a Abs. 1 und 2 GlüStV und in den gebündelten Verfahren nach § 19 Abs. 2 GlüStV sowie aller Fragen der Glücksspielaufsicht nach § 9a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GlüStV von nicht unerheblicher Bedeutung. Einfacher gesprochen stellt das Glücksspielkollegium den Kopf der jeweiligen Behörde dar, der dann die Entscheidung, z. B. über die Konzessionsvergabe, trifft. Die Behörde hingegen führt dann nur diese Entscheidung aus, das Glücksspielkollegium ist demnach nur intern als beschließendes Organ zuständig, wohingegen die Entscheidung mit Außenwirkung dann durch die zuständige Behörde, also im Fall der Konzessionsvergabe durch das Land Hessen, erfolgt.725

723  LT-Drs.

BW 16/5894, S. 4. Glücksspielstaatsvertrag vom 23.05.2012; ABl./12, [Nr. 48], S. 1791. 725  Vgl. Kirchhof, Kollegium, S. 9. 724  Verwaltungsvereinbarung



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Da das Kollegium der maßgebliche Entscheidungsträger in glücksspielstaatsvertraglichen Fragen ist, werden diesem sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite weite Entscheidungsräume zuteil.726 Insbesondere darüber, dass das Kollegium eigentlich die Entscheidung über die Konzessionsvergabe trifft, forciert sich Widerstand. (1) Bundesstaatliche Ordnung Zum einen wird ein Verstoß des Glücksspielkollegiums gegen die bundesstaatliche Ordnung vertreten. Das Grundgesetz enthält in den Art. 83 ff. GG erschöpfende und grundsätzlich nicht abdingbare Regelungen zu den Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern.727 Eine Abweichung von dieser „Verwaltungsordnung“ durch Bund und Länder ist hingegen nicht möglich, vielmehr gilt der allgemeine Verfassungssatz728, dass es nicht der Disposition des Bundes oder der Länder obliegt, wie über die im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügt wird729. Auch eine Zustimmung der Beteiligten ändert nichts daran, dass Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern nicht zulässig sind.730 Ferner gilt dies für eine Abbedingung von organisatorischen Regelungen; diese ist ebenfalls nicht möglich.731 Es gilt der „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“, wonach der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen worden sind, diese auch durch eigene Verwaltungseinrichtungen wahrzunehmen hat.732 Im Rahmen der horizontalen Beziehungen zwischen den einzelnen Bundesländern ist hingegen der Grundsatz nicht derart streng anzuwenden.733 Eine Zusammenarbeit der Länder ist an sich durchaus möglich, der vertragliche Zusammenschluss nach dem Modell des kooperativen Bundesstaates zur Aufgabenerfüllung ist durchaus gewünscht.734 Die verfassungsrechtliche Grenze der Länderkooperation bildet aber die Schaffung einer dritten Ebene zwischen Bund und Ländern, es ist daher verfassungsrechtlich nicht zulässig Kirchhof, Kollegium, S. 13 f. NJW 1975, 819 (820); NJW 1976, 1443; NVwZ 1983, 537 (541); VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (172). 728  BVerfG NJW 1955, 57 (58). 729  BVerfG BeckRS 1971, 103622; BVerfG NVwZ 1983, 537 (541). 730  BVerfG BeckRS 1971, 103622. 731  BVerfG NVwZ 1983, 537 (541). 732  Vgl. BVerfG NVwZ 1983, 537 (542); BeckOK-GG/Suerbaum, Art. 83 Rn. 22. 733  Vgl. BVerfG NJW 1992, 3285.; NJW 1966, 1282 (1285). 734  Vgl. Maunz/Dürig/Kirchhof, Art. 83 GG Rn. 84; Kirchhof, Kollegium, S. 22. 726  Vgl.

727  BVerfG

254 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

neben dem Bund, sozusagen als dessen Konkurrenz, eine bundeseinheitliche Verwaltung der Länder zu schaffen, die nach außen auch einheitlich auftritt.735 Die Verselbstständigung einer intraföderalen Zusammenarbeit ist gerade nicht mit der Verfassung zu vereinbaren.736 Ansonsten ist eine Ausnahme vom Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrung unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Zum einen sind hierzu rechtfertigende besondere sachliche Gründe nötig737, zum anderen darf die Kooperation nicht weiter gehen, als es die Verfassung erlaubt.738 Der Umstand, dass einzelnen Ländern aber im Bereich der Glücksspielregulierung gem. § 9a II GlüStV zur bundeseinheitlichen Wahrnehmung Aufgaben übertragen werden, ohne dass der Hoheitsakt diesen gänzlich zuzurechnen sei, sei nicht mit der bundesstaatlichen Ordnung vereinbar, da die Entscheidung intern nicht durch das Land selbst, sondern durch das Glücksspielkollegium getroffen werde.739 Das Kollegium sei weder der Ebene Land noch dem Bund zuordenbar, vielmehr stelle das Kollegium eine „vom Grundgesetz nicht vorgesehene dritte Ebene (Gesamt- bzw. Mehrheit der Länder)“ dar.740 Die gesetzliche Normierung dahingehend, dass das Glücksspielkollegium nur ein Organ der dann zuständigen Landesbehörde sei, ändere an dieser Einschätzung nichts, da keine Zurechnung hinsichtlich des Beschlusses des Kollegiums im Zusammenhang mit dem dann ausführenden Land möglich sei.741 Eine Zurechnung sei nur möglich, wenn die Befugnisse übertragen wurden, dies setze aber „nicht nur eine Verschiebung von Zuständigkeiten im Außenverhältnis, sondern auch eine entsprechende Übertragung der damit verbundenen inhaltlichen Entscheidungsbefugnisse [voraus], weil nur dann von einer eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben ausgegangen werden kann“.742 Auch stelle das Glücksspielkollegium kein sog. „dienendes Organ“ dar, wie der Wortlaut des § 9 V 2 GlüStV nahelege743, denn ein Organ setzte voraus, dass es in einen Verwaltungsträger eingegliedert ist und dort lediglich eine organisatorisch selbstständige Einrichtung bildet, die die Zuständigkeiten dieses Verwaltungsträgers wahrzu-

Maunz/Dürig/Kirchhof, Art. 83 GG Rn. 84; Kirchhof, Kollegium, S. 22. Kollegium, S. 36 m. w. N. 737  BVerfG NVwZ 1983, 537 (541); BeckOK-GG/Suerbaum, Art. 83 Rn. 22; Becker, ZfWG 2017, 446 (448). 738  Becker, ZfWG 2017, 446 (448). 739  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173). 740  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173). 741  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173). 742  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173). 743  § 9 V 2 GlüStV lautet: „Dieses dient den nach den Abs. 1 bis 3 zuständigen Behörden als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.“(Hervorhebung nur hier). 735  Vgl.

736  Kirchhof,



B. Online-Sportwetten255

nehmen hat.744 Dies treffe aber auf das Glücksspielkollegium gerade nicht zu, denn dieses ist weder dem Bund noch einem der Länder zuordenbar; wenn überhaupt ist dies der „Gesamtheit der Länder“ zuzuordnen, was wiederum eine unzulässige dritte Ebene darstellen würde.745 Andernorts wird in der Rechtsprechung eine Vereinbarkeit mit der bundesstaatlichen Ordnung bejaht. „Die Übertragung einzelner Verwaltungsaufgaben von den jeweils übrigen 15 Bundesländern auf eine im ländereinheitlichen Verfahren allein ‚federführende‘ und nach außen hin tätig werdende Glücksspielaufsichtsbehörde [stehe] nicht im Widerspruch zur bundesstaat­ lichen Zuständigkeitsverteilung“746. Eine vertraglich vereinbarte Übertragung von Exekutivbefugnissen stelle dann keinen Verstoß gegen den ungeschriebenen Grundsatz der Unverzichtbarkeit verfassungsrechtlich begründeter Kompetenzen dar, wenn diese lediglich temporär erfolgen und damit auch grundsätzlich rückholbar sind.747 Solange sich dieses Zusammenwirken zwischen den Ländern nur auf eng begrenzte Verwaltungsmaterien beschränke, könne auch nicht von einer „Dritten Ebene“ die Rede sein.748 Entscheidend sei vielmehr, dass „die staatliche Aufgabenwahrnehmung im Außenverhältnis einem einzelnen Land zugerechnet werden kann, sodass sich eindeutig bestimmen lässt, welches Landesrecht (einschließlich des Landesverfassungsrechts) jeweils anwendbar ist und wer für die getroffenen Entscheidungen im Verhältnis zu Dritten einzustehen hat“.749 Dies sei beim Glücksspielkollegium der Fall, dieses werde nicht nach außen hin tätig, sondern das jeweilige Land, weshalb jeweils dessen Landesrecht auch zur Anwendung komme.750 Die dargestellten Rechtsprechungen, die wiederum auch die zwei konträren Meinungen darstellen, unterscheiden sich in der Frage, ab wann eine Zurechnung des Glücksspielkollegiums zu einem der Länder möglich ist, wobei es der BayVerfGH genügen lässt, dass die Frage welches Landesrecht anwendbar ist und wer im Außenverhältnis gegenüber Dritten einzustehen

744  VGH

Kassel Kassel 746  BayVerfGH, Rn. 141. 747  BayVerfGH, Rn. 143. 748  BayVerfGH, Rn. 143. 749  BayVerfGH, Rn. 144. 750  BayVerfGH, Rn. 145. 745  VGH

NVwZ 2016, 171 (173). NVwZ 2016, 171 (173). Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris

256 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

hat, eindeutig beantwortet werden kann.751 Der Entscheidung haben sich in Folge mehrere Gerichte angeschlossen.752 Hingegen fordert der VGH Kassel, dass nicht nur die nach außen tätig werdende Behörde dem Land zugeordnet werden kann, sondern auch die Entscheidung auf dessen internen Entschluss durch dessen Organe oder Amtswalter beruht.753 Die vorliegende Problemkonstellation ist demnach von dem Kriterium der Zurechnung geprägt. Die Entscheidung des Glücksspielkollegiums muss dem jeweiligen Land zurechenbar sein. Dagegen ist eine Verselbstständigung einer intraföderalen Zusammenarbeit gerade nicht mit der Verfassung zu vereinbaren. Das Kriterium der „Verselbstständigung“ ist hingegen eine „abstrakte Aussage“, eine Grenzziehung in der Praxis anhand von Tatbestandsmerkmalen ist diesbezüglich aber kaum möglich.754 Zumindest aber muss hinsichtlich einer Verselbstständigung eine gewisse Intensität gefordert werden, diese müsste – damit sie eine Konkurrenz zum Bund und den Ländern darstellt – sowohl qualitativ als auch quantitativ als Gesamtstaat auftreten und wahrgenommen werden.755 Ein derartiges staatsähnliches Gebilde ist aber zu verneinen, weshalb auch kein Verstoß gegen die bundesstaatliche Ordnung anzunehmen ist. Vielmehr stellt die Zuordnung des Glücksspielkollegiums zu einem Land eine Frage der demokratischen Legitimation des Glücksspielkollegiums dar. Die Frage ist daher, ob die Beschlussfassung des Kollegiums dem einzelnen Land in einem demokratischen Willensbildungsprozess zuzurechnen ist. Zwischen dem Volk auf der einen und dem Staatsorgan auf der anderen Seite muss ein demokratischer Legitimationszusammenhang bestehen.756 Die Frage, ob die Entscheidung des Glücksspielkollegiums den Ländern jeweils zuzurechnen ist, ist daher keine Frage der bundesstaatlichen Ordnung, sondern vielmehr eine des Demokratieprinzips757, die im Folgenden ebenso kurz beleuchtet werden soll.

751  Becker,

ZfWG 2017, 446 (448). Hamburg BeckRS 2017, 120686; OVG Koblenz BeckRS 2016, 41540; OVG Lüneburg NVwZ-RR 2018, 522. 753  Becker, ZfWG 2017, 446 (449). 754  Maunz/Dürig/Kirchhof, Art. 83 GG Rn. 85; Kirchhof, Kollegium, S. 38. 755  Dietlein, Verfassungsfragen, S. 23; vgl. Kirchhof, Kollegium, S. 36 f. 756  Vgl. Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 117. 757  Hierüber besteht zumindest Einigkeit, dass hier auch ein Problem des Glücksspielkollegiums liegt, vgl. VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173); BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris; Kirchhof, NVwZ 2016, 124; Kirchhof, Kollegium, S. 38 f. 752  OVG



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(2) Demokratieprinzip Das Demokratieprinzip ist in Art. 20 I GG verankert, es handelt sich hiermit um ein allgemeines Bekenntnis der Verfassung zur Demokratie.758 Dieses demokratische Prinzip enthält wiederum im Rahmen des Art. 20 II GG dahingehend eine Konkretisierung, dass alle Staatsgewalt gem. Art. 20 II 1 GG vom Volke ausgeht. Gem. Art. 20 II 2 GG wird zudem ersichtlich, dass die Volkssouveränität unter anderem dadurch gewahrt wird, dass die Ausübung der Staatsgewalt durch demokratisch legitimierte Staatsorgane erfolgt.759 Art. 20 II 1 GG enthält damit den allgemeinen Grundsatz, dass die gesamte Staatsgewalt zumindest mittelbar vom Volk ausgehen muss.760 Eine nähere Ausgestaltung erfährt diese „Grundentscheidung der Verfassung für die demokratische Staatsform“ in Art. 28 I und Art. 38 I GG.761 Gem. Art. 28 I 1 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern u. a. den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen.762 Der Begriff der „Staatsgewalt“ ist weit zu verstehen, es ist hierdurch nicht nur jegliches „amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“ gemeint,763 sondern die gesamte Tätigkeit der Träger hoheitlicher Gewalt, einschließlich ihrer Organe und unabhängig ihrer Rechtsform, sind hiervon mitumfasst.764 So sind gleichermaßen „Entscheidungen, die unmittelbar nach außen wirken, wie auch […] solche, die nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schaffen“, Ausübung von Staatsgewalt.765 Aufgrund dieser Ausführungen ist daher auch die Tätigkeit und Beschlussfassung des Glücksspielkollegiums als Ausübung von Staatsgewalt zu sehen, dessen Beschluss ist für die ausführende Behörde gem. § 9a VIII 4 GlüStV bindend und auch im Rahmen einer gesetzten Frist auszuführen. Die interne Entscheidung des Kollegiums ist daher maßgeblich für die extern wirkende Entscheidung, ob eine Erlaubnis bzw. Konzession erteilt wird oder nicht. Diese Ausübung von Staatsgewalt müsste mittelbar auf das Volk zurückzuführen sein, diesbezüglich hat sich die Bezeichnung der „ununterbrochenen 758  BeckOK-GG/Huster/Rux,

Art. 20 Rn. 61. Art. 20 GG II. Rn. 12. 760  BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 62. 761  BVerfG NJW 1978, 1967. 762  BVerfG NJW 1978, 1967. 763  BVerfG NVwZ 2003, 974 (975); NJW 1991, 159 (160); NVwZ 1996, 574 (575). 764  BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 62. 765  BVerfG NVwZ 2003, 974 (975); NVwZ 1996, 574 (575); vgl. Maunz/Dürig/ Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 90 f. 759  Maunz/Dürig/Grzeszick,

258 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Legitimationskette“ etabliert.766 Zur Frage, wann eine derartige Legitima­ tionskette vorliegt, also ob die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk legitimiert ist, hat sich eine gewisse Kasuistik dahingehend entwickelt, dass zwischen der institutionellen, funktionellen, sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation unterschieden wird.767 Unter einer personellen demokratischen Legitimation versteht man, „wenn diejenige Person, die Staatsgewalt ausübt, ihre Bestellung zur und ihren eigenständigen Beitrag bei der Ausübung von Staatsgewalt auf das Volk als Legitimationssubjekt zurückführen kann.“768 Die sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation erfolgt wiederum dadurch, dass das Volk ausreichenden Einfluss auf den Inhalt der Ausübung der Staatsgewalt hat, entweder durch die Gesetzgebung des direkt durch das Volk gewählten Parlamentes oder durch die Kontrollrechte des Parlamentes.769 Die institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation hingegen gründet sich auf den Umstand, dass die Verfassung neben dem Parlament auch Organe der vollziehenden Gewalt und die Rechtsprechung vorsieht, weshalb nach dieser Erwägung auch diese zur Ausübung von Hoheitsgewalt bestimmt sind.770 Jedoch haben diese nicht allein für sich Bedeutung, vielmehr kommt es auf das Zusammenwirken dieser Faktoren an. „Aus verfassungsrechtlicher Sicht entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau.“771 Personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation stehen derart in einem wechselseitigen Verhältnis, „dass eine verminderte Legitimation über den einen Strang durch verstärkte Legitimation über den anderen ausgeglichen werden kann, sofern insgesamt ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wird“.772 Je intensiver die in Betracht kommende Entscheidung Grundrechte berührt, desto höher muss das Legitimations­

766  BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 63; BVerfG NJW 1978, 1967 (1968); NVwZ 2003, 974 (975); Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 117 spricht von einem „demokratischen Legitimationszusammenhang“. 767  Vgl. Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 119 ff. 768  Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 121. 769  Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 122. 770  Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 123, ob diese allein im Stande ist eine demokratische Legitimation nach sich zu ziehen, ist zweifelhaft. 771  BVerfG NVwZ 2003, 974 (975); NJW 1991, 159 (160); NVwZ 1996, 574; vgl. Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 119. 772  BVerfG NJW 2012, 1563 (1568); vgl. BVerfG NJW 1991, 159 (160); NVwZ 1996, 574 (575); BVerfGE 107, NVwZ 2003, 974 (975).



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niveau sein.773 Maßgeblich ist demnach die Effektivität der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, diese wird als das „Legitimationsniveau“ bezeichnet.774 Oder um es mit dem vom Bundesverfassungsgericht in jüngster Vergangenheit immer verwendeten Textbaustein zu sagen: „Nach dem Demokratieprinzip (Art. 20 II GG) bedarf alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter, gleich ob unmittelbar außenwirksam oder nicht, der demokratischen Legitimation. Es muss sich auf den Willen des Volkes – der Gesamtheit der Bürger – zurückführen lassen und, sofern nicht das Volk selbst entscheidet, ihm gegenüber verantwortet werden. Der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird vor allem durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt. Ein Amtsträger ist personell uneingeschränkt legitimiert, wenn er sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder durch einen seinerseits personell legitimierten Amtsträger oder mit dessen Zustimmung erhalten hat. Sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch die Bindung an das Gesetz sowie durch Aufsicht und Weisung übergeordneter staat­ licher Stellen vermittelt. Entscheidend ist nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein ­bestimmtes Legitimationsniveau. Für die Beurteilung, ob ein hinreichendes Niveau an demokratischer Legitimation erreicht wird, haben die verschiedenen Formen der Legitimation nicht je für sich Bedeutung, sondern nur in ihrem Zusammenwirken. Das erforderliche Legitimations­ niveau ist abhängig von der Art der zu legitimierenden Entscheidungstätigkeit. Je intensiver die in Betracht kommenden Entscheidungen etwa Grundrechte berühren, desto höher muss das Legitimationsniveau sein.“775

In Bezug auf das Glücksspielkollegium ist demnach für dessen verfassungsrechtlichen Bestand entscheidend, ob dieses über das nötige Legitimationsniveau verfügt. Genau dieser Punkt ist jedoch umstritten. (a) Glücksspielkollegium sei mit dem Demokratieprinzip vereinbar Zum einen wird eine ununterbrochene Legitimationskette mit dem nötigen Legitimationsniveau bejaht. Zwar verfüge das Glücksspielkollegium nur sehr begrenzt über eine personelle demokratische Legitimation, was sich daraus 773  BVerfG NJW 2012, 1563 (1568); NJW 2017, 2744 (2750); NVwZ 2014, 646 (655); NVwZ 2014, 1306 (1313). 774  Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 126. 775  So jeweils beinahe inhaltsgleich in BVerfG NVwZ 2014, 646 (655); NJW 2017, 2744 (2750); NVwZ 2014, 1306 (1313), vorliegend unter Reduzierung der Verweise im Urteilstext.

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ergäbe, dass nach außen nur die Bediensteten der Glücksspielbehörde eines Landes tätig werden, wohingegen die übrigen Bundesländer auf die Bestellung dieser Bediensteten keinen Einfluss haben.776 Aber dafür sei eine sachlich-inhaltliche Legitimation gegeben, die über die bloße gesetzliche Bindung an den Glücksspielstaatsvertrag hinausginge.777 Dem Glücksspielkollegium gehören bis zu 16 Mitglieder an, wobei jeweils eines aus einem den Vertrag angehörenden Bundesland entsendet wird. Da die jeweiligen Mitglieder gem. § 9a VI 2 GlüStV der Weisung der sie ent­sendenden obersten Glücksspielaufsichtsbehörde ihres Landes unterliegen, so könne dies nur als eine gemeinschaftlich auszuübende Fachaufsicht der glücksspielrechtlich zuständigen Landesministerien über die län­ derübergreifend tätigen Vollzugsbehörden verstanden werden.778 Die Vertreter stellen nämlich Bedienstete der jeweiligen Glücksspielaufsichtsbehörden ab, die zum einen die Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht ausübt und zum anderen aber auch ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle durch die jeweiligen Landesparlamente unterliegt.779 Durch diese „mehrstufige Auf­ sichtsbeziehung“ sei „der geforderte parlamentarische Verantwortungszusam­ menhang hergestellt und damit demokratische Legitimation vermittelt.“780 Dies ergebe sich daraus, dass die jeweilige Volksvertretung über den jeweils zuständigen Ressortminister Kontrolle über den Verwaltungsvollzug ausüben könne und daher auch auf ein Abstimmungsverhalten des jeweiligen Landesvertreters im Rahmen des Glücksspielkollegiums Einfluss nehmen könne.781 Die Legitimationskette verliefe also über den jeweiligen Ressortminister dahingehend, dass dieser per Weisung die Entscheidung des Kollegiums (mit)beeinflusst. Problematischer ist hingegen der Fall, dass der jeweilige Landesminister eine Weisung erteilt, diese aber im Rahmen des Kollegiums keinen Einfluss auf die Entscheidung hat, da gem. § 9 VIII 1 GlüStV das Glücksspielkolle776  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, Rn. 149. 777  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, Rn. 149. 778  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, Rn. 151. 779  VG Düsseldorf, Entscheidung vom 21. Juni 2016 – Vf. 3 K 5661/14 –, Rn. 141; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122. 780  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, Rn. 152. 781  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, Rn. 153; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122.

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gium die Beschlüsse nicht einstimmig, sondern mit mindestens zwei Drittel der Stimmen seiner Mitglieder trifft. Der jeweilige Landesminister könnte also im Rahmen des Kollegiums überstimmt werden. Dieser Fall, dass es bei einer „intraföderalen Aufsichtsinstanz“ zu Entscheidungen kommen kann, „denen die Vertreter einzelner Länder etwa aufgrund einer ministeriellen Weisung ausdrücklich widersprochen haben und für die daher gegenüber den dortigen Landesparlamenten keine volle Verantwortung übernommen werden kann“, stelle zwar eine „Schmälerung des demokratischen Legitimationszusammenhangs“ dar, diese begründe aber noch keinen Verfassungsverstoß, da der Zusammenhang dennoch gegeben sei.782 Dies sei vielmehr eine in einem Staatsvertrag hinnehmbare Konsequenz. Aufgrund der Beteiligung aller Länder an Kollegialbeschlüssen nach § 9a VIII GlüStV sei eine vollständige demokratische Legitimation zu einem einzelnen Bundesland im Sinne einer Kontroll- und Weisungsbeziehung nicht möglich.783 Auch die Einräumung eines Vetorechts jedes Bundeslandes wäre nicht zu rechtfertigen, dieses widerspräche zum einen der „lange geübten Staatspraxis“, zum anderen wäre dieses rechtlich nicht überzeugend, da hierdurch der an sich von der Verfassung ermöglichte Weg zur länderübergreifenden Erfüllung einzelner Aufgaben durch Staatsvertrag praktisch versperrt wäre, da die Entscheidungsbefugnis, die für die Ausübung dieser Aufgaben notwendig wäre, immer vom einstimmigen Willen aller Mitglieder abhängen würde. Das Interesse eines Mitglieds würde dann dem aller anderen vorgehen, was schlussendlich auch die Gemeinschaft also solche in Frage stelle.784 Es sei daher insoweit hinnehmbar, dass eine Land überstimmt werden kann und sich daher dem Willen der anderen beugen muss, „wenn es nur um den administrativen Vollzug eines staatsvertraglichen Regelwerks geht, bei dem keine Entscheidungen von erheblichem politischen Gewicht zu treffen sind“.785 Dies sei im Rahmen des Glücksspielkollegiums der Fall.

782  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 153; ebenso OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122; OVG Koblenz, Beschluss vom 28.1.2016, 6 B 11140/15, juris Rn. 8; VG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2016, 3 K 5661/14, juris Rn. 141; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 17.5.2016, 19 K 3334/14, juris Rn. 167. 783  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 155. 784  Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 155; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122. 785  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 156.

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Ferner sei das Zwei-Drittel Quorum im Rahmen der Beschlussfassung des Glücksspielkollegiums durch den Staatsvertrag, der von allen Landesparlamenten ratifiziert wurde, legitimiert.786 Außerdem trete eine Kompensation dieser Schmälerung der Legitimation dadurch ein, dass der jeweilige Mitgliedstaat vertraglich garantiert am kollektiven Willensbildungsprozess mitwirkt, er könne daher nicht das Objekt einer Fremdbestimmung werden.787 Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen des Glücksspielkollegiums durch die durch den Staatsvertrag vorgegebenen Sachnormen sachlich-inhaltlich legitimiert seien, da sich das Glücksspielkollegium an die engen Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrags halten müsse und dieser erlaube – auch wenn dem Kollegium ein gewisses Ermessen zukommt – keinen glücksspielpolitischen Regulierungs- oder Gestaltungsspielraum.788 Auch sei eine völlige Unterbrechung des demokratischen Legitimationszusammenhangs von Beginn an ausgeschlossen, da der Staatsvertrag gem. § 35 II GlüStV grundsätzlich am 30. Juni 2021 außer Kraft tritt, außerdem besteht ab diesem Zeitpunkt auch ein Kündigungsrecht gem. § 35 III GlüStV.789 Auch das Handeln des dann ausführenden Landes unterliege einer demokratischen Legitimation. Dieses hat zwar aufgrund des bindenden Beschlusses des Glücksspielkollegiums den Vollzug zu übernehmen und trägt für die dadurch getroffene Sachentscheidung auch die Verantwortung. Jedoch entfalle diese Bindung dann, wenn der Beschluss des Glücksspielkollegiums rechtswidrig sei, denn von einem rechtswidrigen Innenrechtsakt gehe keinerlei Bindungswirkung aus.790 Dem vollziehenden Land obliege daher diesbezüglich eine Prüf- und Kontrollbefugnis dahingehend, ob der umzusetzende Beschluss rechtmäßig ist.791

786  VG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2016, 3 K 5661/14, juris Rn. 141; vgl. Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 39; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122. 787  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 157. 788  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 157; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 17.5.2016, 19 K 3334/14, juris Rn. 167; Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 38; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122. 789  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 156; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122. 790  OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122; vgl. Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 41 f. 791  OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122; vgl. Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 41 f.



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Selbst, falls man für die Zulässigkeit von intraföderalen Mehrheitsentscheidungen noch eine spezielle Rechtfertigung in Bezug auf den jeweiligen Regelungsgegenstand fordern würde, so sei diese zumindest im Rahmen des Glücksspielrechts gegeben, denn es stelle einen objektiv gewichtigen Sachgrund für ein nicht durch Einstimmigkeitserfordernisse gehemmtes, länder­ übergreifendes Verfahren der Konzessions- und Erlaubniserteilung dar, dass aufgrund der bundesweiten Ausrichtung des Glücksspielmarkts ein „erheb­ licher faktischer Koordinierungsbedarf“ bestehe.792 (b) Glücksspielkollegium sei Verstoß gegen Demokratieprinzip Andererseits verweisen auch mehrere Stimmen darauf, dass das Glücksspielkollegium gerade nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbar sei. Es fehle an der hinreichend demokratischen Legitimation des Glücksspielkollegiums.793 Zum einen sei keine organisatorisch-personelle, demokratische Legitimation gegeben, da zwar jedes Land einen Vertreter in das Glücksspielkollegium ernennt, was wiederum diesen Vertreter hinreichend persönlich legitimiere im Hinblick auf das ihn entsendende Land, jedoch fehle diese Legitimation dem Glücksspielkollegium in seiner Gesamtheit, „weil dessen hoheitliches Tätigwerden sich weder auf das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland noch auf das Staatsvolk eines der Länder zurückführen lässt. Ein Staatsvolk der Gesamt- oder Mehrheit der Länder kennt das Grundgesetz nicht.“794 Zum anderen sei auch keine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation mit Blick auf die Entscheidungskompetenzen des Kollegiums gegeben.795 Das Glücksspielkollegium treffe in grundrechtsrelevanten Bereichen intern Entscheidungen für alle Länder, die verbildlich sind, ohne dass es hierzu „ein damit korrespondierendes System von Kontroll- und Aufsichtsbefugnissen“ gäbe.796 Ein derartiger weisungsfreier Raum sei hier auch nicht ausnahmsweise akzeptabel, dies sei dieser nur in den Fällen, in denen eine Staatsferne eine besondere Entscheidungssituation voraussetzt.797 Auch er792  BayVerfGH, Entscheidung vom 25. September 2015 – Vf. 9-VII-13 –, juris Rn. 158; VG Düsseldorf, Urt. v. 21.6.2016, 3 K 5661/14, juris Rn. 141; Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 39 f.; OVG Hamburg BeckRS 2017, 120686 Rn. 122. 793  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173 Rn. 44). 794  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173 Rn. 45). 795  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173 f. Rn. 46). 796  VGH Kassel NVwZ 2016, 171 (173 f. Rn. 46). 797  Kirchhof, Kollegium, S. 41.

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gäbe sich nichts anderes dadurch, dass jedes Mitglied des Kollegiums für sich demokratisch legitimiert ist, da eine Entscheidung mit zwei Drittel Mehrheit möglich ist und daher auch gegen den Willen eines einzelnen Landes. Die Entscheidung müsste dann in diesen Ländern umgesetzt werden, ohne dass diese durch das Staatsvolk legitimiert sei.798 Die Ansicht, dass es sich bei dem Glücksspielkollegium um eine „Fachaufsicht der glücksspielrechtlich zuständigen Landesministerien über die länderübergreifend tätigen Vollzugsbehörden“ handele, sei abzulehnen, denn das Glücksspielkollegium übe nicht nur die Kontrolle über die den Glücksspielbehörden zugewiesenen Aufgaben aus, sondern es treffe auch die Entscheidungen mit interner Verbindlichkeit, diese Entscheidung vollziehe sich wiederum in einem „aufsichtsfreien Raum“.799 Hierdurch sei die Legitima­ tionskette nicht gegeben und damit der Verfassungsverstoß begründet. Auch sei eine durch die Länder gemeinschaftlich ausgeübte Fachaufsicht nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, eine „demokratische Legitimation kann in einem föderal verfassten Staat grundsätzlich nur durch das Bundes- oder Landesvolk für seinen jeweiligen Bereich vermittelt wer­ den“.800 Außerdem verkenne die Ansicht, dass es nicht auf das politische Gewicht der Entscheidung ankommt, sondern auf die Beeinträchtigung der Grundrechte und den eröffneten Entscheidungsraum.801 Je tiefer der Eingriff und je weiter der Entscheidungsraum, desto höher sei das demokratische Legitimationserfordernis.802 Dieser Eingriff erfolge durch das Kollegium meist im Rahmen der Berufsfreiheit, es entscheidet über die Gewährung der Erlaubnis zur Ausübung eines Berufs, in dessen Rahmen vollziehe das Glücksspielkollegium eine Prüfung der Voraussetzungen des Staatsvertrages, wobei dem Kollegium ein behördliches Ermessen zukomme, außerdem verfüge es auf der Ebene des Tatbestands und bei der Entscheidung über die Rechtsfolgen über weite Entscheidungräume.803 Daher seien die Anforderungen an die demokratische Legitimation hoch anzusetzen, die fehlende Aufsicht über das Kollegium sei daher nicht verfassungsrechtlich hinnehmbar mit der Folge, dass ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip geben sei.804 798  VGH

Kassel NVwZ 2016, 171 (173 f. Rn. 46). Kassel NVwZ 2016, 171 (174 Rn. 47). 800  BVerfG NVwZ 2008, 183 (186); Kirchhof, Kollegium, S. 42 f. 801  Kirchhof, Kollegium, S. 43. 802  Kirchhof, Kollegium, S. 43. 803  Kirchhof, Kollegium, S. 44. 804  Kirchhof, Kollegium, S. 44. 799  VGH



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(c) Vermittelnde Ansicht Der vorliegende Streitpunkt der beiden divergierenden Ansichten stellt daher nicht in Frage, ob überhaupt eine demokratische Legitimation des Glücksspielkollegiums vorliegt, sondern ob diese Legitimation ausreichend ist. Nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns ist entscheidend, sondern deren Effektivität, wobei eine Gesamtbetrachtung mehrerer legitimierender Stränge möglich ist.805 Je nach Intensität des durch die Entscheidung in Betracht kommenden Grundrechtseingriffs, ist dieses Legitimationsniveau in einer unterschiedlichen Höhe notwendig.806 Zutreffend ist, dass das Glücksspielkollegium auch in grundrechtssensiblen Bereichen Entscheidungen trifft, insbesondere ist es auch intern für die Entscheidung über die Konzessionsvergabe zuständig, wozu auch gem. § 4a IV 1 GlüStV die Prüfung der subjektiven Berufszulassungvoraussetzungen der erweiterten Zuverlässigkeit, der Leistungsfähigkeit und der Transparenz und Sicherheit des Glücksspiels gehören. Die Entscheidungen berühren daher die Grundrechtsträger zumeist in ihren Rechten aus Art. 12 I GG. Einerseits wird hieraus der Schluss gezogen, dass aufgrund des damit einhergehenden Grundrechtseingriffs ein hohes Legitimationserfordernis nötig sei.807 Zu beachten ist aber, dass auch im Rahmen anderer Staatsverträge Grundrechtseingriffe stattfinden, insbesondere im Bereich des Rundfunkwesens. Die Rundfunkfreiheit ist „schlechthin konstituierend für die freiheit­ liche demokratische Grundordnung“ und genießt daher im Rahmen der Verfassung einen hohen Rang.808 Zumindest ist daher auch im Vergleich beider Staatsverträge von einer höheren Grundrechtssensibilität des Rundfunkstaatsvertrags im Gegensatz zu dem das Glücksspielkollegium konstituierenden Glücksspielstaatsvertrag auszugehen, der sich nur auf einen bestimmten Bereich beschränkt, nämlich das Glücksspiel, und der als Ziele den Spielerschutz und die Suchtprävention primär hat.809 Jedoch kann aus diesem Vergleich nicht geschlossen werden, dass das Legitimationsniveau hinsichtlich des Glücksspielkollegiums als solches gering sein muss. Dieses muss sich dennoch an dem damit einhergehenden Grundrechtseingriff messen lassen. Dies schränkt eine Kooperation, soweit 805  BVerfG NVwZ 2003, 974 (975); NJW 1991, 159 (160); NVwZ 1996, 574; vgl. Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG II. Rn. 119. 806  BVerfG NJW 2012, 1563 (1568); NJW 2017, 2744 (2750); NVwZ 2014, 646 (655); NVwZ 2014, 1306 (1313). 807  Kirchhof, Kollegium, S. 43 f. 808  Vgl. BVerfG NJW 1988, 329 (330); VerwRspr 1958, 419 (423); NJW 1960, 29 (29); NJW 1966, 1499 (1502 f.); NJW 1973, 1226 (1228); NJW 1982, 1447 (1449). 809  Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 16.

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ist zuzustimmen, nicht von vornherein ein, ist aber dennoch ein zu berücksichtigender Aspekt. Knackpunkt der unterschiedlichen Ansichten ist hingegen, dass ein Beschluss des Glücksspielkollegiums ergehen kann, ohne dass hierzu alle Ländervertreter zugestimmt haben, was wiederum zur Folge haben könnte, dass die Legitimationskette der Länder abreißt, die diesen Beschluss nicht mittragen wollten. Der maßgebliche Kritikpunkt ist, dass aufgrund des Mehrheitsprinzips keine effektive Rechts- und Fachaufsicht gegeben sei, da eine Weisung, die an das entsendete Mitglied ergeht, aufgrund des Mehrheitsprinzips ohne Einfluss sein könnte.810 Die Entscheidungen werden mit einer qualifizierten Mehrheit getroffen und sind für das zuständige Bundesland bindend, es kann daher passieren, dass das Vollzugsland eine Maßnahme gegen den Willen seines in das Glücksspielkollegium Entsandten ausführen müsste. Es ist aber nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine Art „Majorisierung“ gegenüber dem Vollzugsland durch die Mitglieder des Glücksspielkollegiums handelt, die unter Berücksichtigung des Demokratieprinzips als verfassungswidrig einzustufen ist.811 Diesbezüglich ist zum einen auch im Falle einer zwingend notwendigen Einstimmigkeit nicht gewährleistet, dass eine Entscheidung immer nach dem Willen des Entsandten erfolgt. Zwar ist es in diesem Fall, da Einstimmigkeit nötig ist, nicht möglich, dass eine Entscheidung gegen das jeweilige Land ergeht; gleichzeitig ist es aber auch möglich, dass gerade ein Beschluss nicht ergeht, den aber das Land gewünscht hat, es also zu einer „negativen Majorisierung“ kommt.812 Es kann daher auch bei dem unproblematisch demokratisch legitimierten Konsenssystem zu Fällen kommen, in dem sich Wille des Entsandten und späteres Ergebnis des Beschlusses unterscheiden. Weiterhin ist zu beachten, dass das Prinzip der Einstimmigkeit in der Rechtsprechung nicht zwingend im Rahmen der Länderkooperation gefordert wird. So wurde im Rahmen der Entscheidung hinsichtlich der Gebührenfestsetzung im Rahmen des Rundfunkrechts vom erkennenden Senat des BVerfG eine Aussage zum Einstimmigkeitsprinzip getroffen, dieses drohte in der Entscheidung aufgrund des damit einhergehenden Vetopotentials, die Sicherung der rechtzeitigen und programmneutralen Gebührenanpassungen zu gefährden.813 Diesbezüglich erwähnte der Senat, dass ein „von allen Ländern einstimmig vereinbarte[s] Quorum für die laufende Gebührenanpassung […] [der] Eigenstaatlichkeit der Länder jedenfalls nicht von vornherein entgegenKirchhof, Kollegium, S. 39. Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 33. 812  Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 33. 813  Vgl. BVerfG NJW 1994, 1942 (1948). 810  Vgl.

811  Dietlein,



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stehen“ würde.814 Das Gericht äußerte sich bereits zu der Frage, ob im Rahmen eines Staatsvertrages zur Wahrung der jeweiligen Legitimation das Einstimmigkeitsprinzip gelten müsse, was dieser augenscheinlich verneinte, da die Eigenstaatlichkeit der Länder weiterhin auch dann gewahrt wäre, wenn die Länder zuvor – also im Staatsvertrag – einstimmig ein Quorum vereinbaren. Dies ist gerade im GlüStV geschehen, weshalb dies nach der Aussage des BVerfG nicht mit dem Demokratieprinzip kollidiert.815 Auch ist an der vertretenen These der fehlenden staatlichen Aufsicht nicht festzuhalten. Es mag zutreffend sein, dass eine Weisung im Rahmen des Kollegiums überstimmt werden kann, was am Ende einen Beschluss „gegen“ den Willen eines Landes nach sich ziehen kann. Jedoch ist bereits in diesem Sinne zu beachten, dass der Beschluss nicht „gegen“ ein Land ergeht, vielmehr liegt hierin eine gewollte Verwirklichung nach dem parlamentarisch ratifizierten System des Glücksspielstaatsvertrags vor. Vom Glücksspielstaatsvertrag verfolgtes Ziel des Glücksspielkollegiums ist die Sicherung einer zeitnahen Entscheidung des Glücksspielkollegiums durch ein in Verwaltungsvereinbarungen geregeltes Verfahren, wobei insbesondere das Mehrheitsprinzip diese zeitnahen Entscheidungen sichern soll.816 Der von den Gesetzgebern in diesem Falle überlagernde Wille ist demnach die Erreichung einer zeitnahen Entscheidung, unter diesem Gesichtspunkt ist daher auch nicht von „gegen den Willen“ zu sprechen. Vielmehr stellt die Überstimmung Einzelner im Rahmen der Beschlussfassung des Kollegiums ein von den jeweiligen Ländern, ratifiziert und demokratisch legitimiertes, durch die Länderparlamente gewolltes, Instrument zur Erreichung der zeitnahen Entscheidung dar. Es ist daher gerade nicht gewollt, dass ein Entsandter den vollständigen Gesetzesvollzug – wie dies im Rahmen einer Einstimmigkeit möglich wäre – durch seine Vorstellung bzw. durch die Vorstellung des jeweiligen im Landesrecht Weisungsbefugten zu blockieren vermag. Der gewollte Wille ist darin zu sehen, dass im Rahmen des Diskurses eine Lösung gefunden und ein Beschluss getroffen wird, der dem Willen von mindestens zwei Dritteln der Stimmberechtigten entspricht. Die These von einer Entscheidung „gegen den Willen“ ist daher bereits aus diesem Gesichtspunkt abzulehnen, es entspricht gerade auch dem Willen des parlamentarischen Landesgesetzgebers und damit dem des Staatsvolkes, dass auch im Rahmen des Glücksspielkollegiums eine Überstimmung möglich ist, um das höhere Ziel einer Sicherung von zeitnahen Entscheidungen817 zu gewährleisten. Es ist daher nicht von einer Unterbrechung des Legitimationsstrangs auszuge814  BVerfG

NJW 1994, 1942 (1948). Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 33. 816  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 28. 817  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 28. 815  Dietlein,

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hen, stattdessen ist auch eine Überstimmung gerade vom Parlament und damit vom Staatsvolk unter einem höheren Gesichtspunkt gewollt und daher auch demokratisch legitimiert.818 Die demnach nötige „Rückkoppelung“819 ist somit auch im Falle einer Überstimmung anzunehmen, da die Überstimmung als solche, bzw. deren Möglichkeit, bereits antizipiert demokratisch durch die Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrags legimitiert wurde. Auch ist die Entscheidungsfindung des Glücksspielkollegiums nicht frei dahingehend, dass ihm „weite Entscheidungsspielräume eröffnet“ werden.820 Zwar ist zutreffend, dass es sich bei den in § 4b IV GlüStV genannten Voraussetzungen um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt. Bereits diese unterliegen aber einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dahingehend, dass die vom Glücksspielkollegium getroffene Auslegung mit Recht und Gesetz und daher auch den Vorgaben des GlüStV vereinbar ist.821 Es kommt der Behörde bei unbestimmten Rechtsbegriffen gerade kein eigener Entscheidungsspielraum zu.822 Die Entscheidung des Glücksspielkollegium richtet sich daher auf Tatbestandsseite nicht nach Maßgabe eines eigenen Beurteilungsspielraums, der nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegen würde, sondern beschränkt sich auf die Auslegung unbestimmter, vom Gesetzgeber gewählter und damit demokratisch legitimierter Rechtsbegriffe, die vollständig gerichtlich überprüfbar sind.823 Zwar erfolgt die Auswahlentscheidung unter mehreren geeigneten Bewerbern im Rahmen der zahlenmäßig beschränkten Konzessionen nach dem Kriterium, wer am besten geeignet ist, vgl. § 4b V GlüStV. Jedoch obliegt es dem Kollegium wiederum die Geeignetheit objektiv, z. B. anhand einer Bewertungsskala festzulegen, was wiederum dann den Gerichten auch eine Überprüfung ermöglicht. Dieser Punkt wurde aber ab 2020 sowieso hinfällig.824 Ferner ist im Rahmen der Begründung einer demokratischen Legitimation zu beachten, dass die Bindung der einzelnen Bundesländer an den Staatsvertrag nur temporär erfolgt gem. § 35 II GlüStV, außerdem ist den Teilnehmern nach der Befristung jährlich eine Kündigung gem. § 35 III 1 GlüStV möglich, es erfolgt demnach auch hierdurch eine Rückkoppelung auf das Staatsvolk dahingehend, dass die Übertragung im Rahmen des Staatsvertrages nicht dauerhaft, sondern temporär erfolgt und nach Zeitablauf auch wieder Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 35 ff. Kirchhof, Kollegium, S. 42. 820  So aber Kirchhof, Kollegium, S. 43. 821  Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 VwVfG Rn. 147. 822  Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 VwVfG Rn. 147. 823  Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 38 f. 824  Vgl. LT-Drs. BW 16/5994 S. 4. 818  Ebenso 819  So.



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vollständig der Disposition des demokratisch legitimierten Parlaments unterliegt.825 Auch besteht nicht die Gefahr, dass das ausführende Land – gegen seinen Willen – unrechtmäßige Beschlüsse des Glücksspielkollegiums ausführen muss. Das Glücksspielkollegium wird intern als die die Entscheidung treffende Institution tätig, die Beschlüsse sind daher im Rahmen des Gesetzesvollzugs der Verwaltung als Innenrechtsakte zu deklarieren. Sie haben lediglich intern Geltung für die mit dem Vollzug nach außen befasste Behörde, das Glücksspielkollegium wird aber nicht nach außen tätig. Der Begriff des Organs ist insoweit sprachlich missglückt, ist juristisch aber so zu verstehen, dass das Kollegium als solches von der nach außen zuständigen Landesbehörde zu trennen ist.826 Da demnach die Beschlüsse des Kollegiums nur Innenrechtsakte sind, unterliegen diese bei ihrer Rechtswidrigkeit dem Nichtigkeitsdogma; ein durch die Behörde nach außen stattfindender Vollzug ist daher nicht rechtmäßig möglich, da es an dem hierzu notwendigen Innenrechtsakt fehlt.827 Aufgrund dieser Tatsache ist das ausführende Land auch nur dann zum Gesetzesvollzug verpflichtet, wenn der Beschluss des Glücksspielkollegiums rechtmäßig erfolgte, ihm obliegt demnach eine eigenständige Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Glücksspielkollegiums, da sich dieser aufgrund des Charakters als Innenrechtsakts nicht auf das in § 43 II VwVfG (bzw. den entsprechenden Landesverwaltungsgesetzen) verankerte Bestandsprivileg berufen kann.828 Die Wirksamkeit bzw. die Verbindlichkeit der Beschluss­ fassungen des Glücksspielkollegiums hängt demnach entscheidend davon ab, ob diese rechtmäßig ergingen.829 Dies entspricht auch der gängigen Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Untersagungsverfügungen.830 Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 41. Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 19. 827  Vgl. für den Lehrbuchfall eines unwirksamen Gemeinderatsbeschlusses und der darauffolgenden Vollziehung des Bürgermeisters nach außen, VGH München BeckRS 2018, 26940 Rn. 46. 828  Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 42. 829  Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 42. 830  Vgl. jüngst OVG Lüneburg NVwZ-RR 2018, 522 (522 f.): „(1.). Danach ist der Ag. zwar im Außenverhältnis für den Erlass der streitgegenständlichen Untersagungs- und Entfernungsanordnung zuständig (2.). Vor Erlass des Bescheides hätte jedoch ein den Ag. intern bindender Beschluss des Glücksspielkollegiums der Länder eingeholt werden müssen (3.). Ein entsprechender Beschluss war hier auch nicht nach der Geschäftsordnung des Glücksspielkollegiums entbehrlich (a). Das Fehlen eines solchen Beschlusses führt zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (b). Da dieser Fehler auch nicht nachträglich nach § 45 VwVfG geheilt wurde (c) und nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist (d), wird der streitgegenständliche Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich aufzuheben sein.“ 825  Vgl.

826  Dietlein,

270 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Dieser Umstand führt aber zu einer Rechtsaufsicht seitens des ausführenden Landes. Dieses ist nur zum Vollzug des Beschlusses bei dessen Rechtmäßigkeit verpflichtet; erfolgt der Vollzug ohne wirksamen Beschluss, ist auch der Vollzug rechtswidrig. Da die ausführende Behörde im Außenverhältnis den Vollzug zu verantworten hat, obliegt ihr, auch im Zusammenhang mit einer im jeweiligen Land übergeordneten Aufsicht, notwendigerweise auch eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Kolle­giums.831 Das Glücksspielkollegium bzw. dessen Beschlüsse unterliegen demnach durchaus einer Aufsicht des vollziehenden Landes, weshalb diesbezüglich eine Rückkoppelung und damit auch eine demokratische Legitimation gegeben ist.832 Zusätzlich erfolgt diese Aufsicht aber nicht nur im Sinne des vollziehenden Landes, sondern ist auch von den restlichen 15 Ländern, die den Glücksspielstaatsvertrag mitratifiziert haben, gewünscht, weshalb eine Rückkoppelung auch bezüglich dieser Länder zu bejahen ist.833 (d) Ergebnis Aufgrund der Gesamtschau dieser Punkte und der damit einhergehenden verschiedenen Legitimationsstränge ist eine ausreichende Legitimation – auch unter Beachtung der Sensibilisierung anhand der in Art. 12 I GG stattfindenden Grundrechtseingriffe – zu bejahen. Das nötige Legitimationsniveau ist hiermit gewährleistet, weshalb auch kein Verstoß gegen das in Art. 20 II GG verankerte Demokratieprinzip besteht. (3) Rechtsstaatsprinzip Auch ist aufgrund der Tatsache, dass der Beschlussvollzug immer durch eine klar einem Rechtsträger zurechenbaren Behörde erfolgt – im Falle der Konzessionen eine Behörde des Landes Hessen, vgl. § 9a II 1 Nr. 3 GlüStV – für den betroffenen Bürger klar ersichtlich, gegen welches Land er sich mit einem Rechtsschutz richten muss. Daher ist das vom Rechtsstaatsprinzip herrührende Postulat einer klaren Aufgabenzuordnung mit konkret festgeschriebenen Rechtsschutzmöglichkeiten eingehalten.834

831  Dietlein,

Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 42. Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 45. 833  Vgl. Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 45. 834  Dietlein, Verfassungsfragen des Glücksspielkollegiums, S. 28. 832  Dietlein,



B. Online-Sportwetten271

(4) Zwischenergebnis Aus den genannten Gründen ist gerade kein Verstoß des Glücksspielkollegiums gegen die Verfassung ersichtlich, vielmehr verfügt dieses über die notwendige, u. a. demokratische, Legitimation. (5) Ergebnis Das Konzessionserfordernis stellt sich demnach als gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar, es verstößt demnach nicht gegen die Verfassung. Der jeweilige Online-Sportwettenanbieter ist daher im Grundsatz nach deutschem Glücksspielverwaltungsrecht dazu verpflichtet, gem. §§ 4a ff., 10a GlüStV eine Konzession zu beantragen und dieser ist im Grundsatz auch nur mit dieser Konzession befugt, ein Online-Glücksspiel zu veranstalten. 3. Europarechtlicher Bestand des Konzessionserfordernisses Neben der Verfassungsmäßigkeit des Konzessionserfordernisses stellt sich aber auch genauso die Frage, ob diese ebenso mit dem Unionsrechts vereinbar ist. Nachfolgend soll aus den abstrakten Rechtssätzen des EuGH, die herausgearbeitet wurden,835 eine konkrete Aussage zum unionsrechtlichen Bestand des Konzessionserfordernisses getroffen werden. Diesbezüglich muss – um in den Termini des EuGH zu bleiben – der Anwendungsbereich einer Grundfreiheit eröffnet sein, diese Grundfreiheit müsste zumindest durch eine mitgliedstaatliche Regelung beschränkt worden sein und diese Beschränkung müsste wiederum gerechtfertigt sein. a) Anwendungsbereich Wie bereits mehrfach durch den EuGH bestätigt, liegt in dem Angebot von Sportwetten eine Dienstleistung im Sinne des Art. 57 AEUV vor, weshalb auch der sachliche Anwendungsbereich der in Art. 56 AEUV normierten Dienstleistungsfreiheit eröffnet ist.836 Darüber hinaus müsste der sog. „räumliche Anwendungsbereich“ eröffnet sein. Art. 56 AEUV erfasst lediglich Dienstleistungen, die grenzüberschrei-

835  Vgl.

S. 179 ff. allgemein zum sachlichen Anwendungsbereich Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 13 ff. 836  Vgl.

272 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

tend in der EU erbracht werden.837 Dies ergibt sich bereits aus der textlichen Festsetzung des Art. 56 AEUV, der fordert, dass der Dienstleistende „in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig“ ist.838 Fehlt es an diesem grenzüberschreitenden Element, so handelt es sich um reines Binnenrecht, das nicht der Gewährleistung des Art. 56 AEUV unterfällt.839 Das grenzüberschreitende Element ist gegeben, wenn die Dienstleistung einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist, wobei zwischen drei840 Formen unterschieden wird841: Der aktiven Dienstleistungsfreiheit842, der passiven Dienstleistungsfreiheit843 und den sog. Korrespondenzdienstleistungen844. Dieser grenzüberschreitende Bezug im Sinne einer Korrespondenzdienstleistung ist bei den Sportwetten über das Internet gegeben, da das Angebot zum einen über die Grenzen eines Mitgliedstaats ohne Ortswechsel per Internet angeboten wird, zum anderen aber auch, da ein Leistungsempfänger diese Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat empfangen oder in Anspruch nehmen kann.845 Diesbezüglich ist es auch unschädlich, wenn sich der Veranstalter innerhalb des Mitgliedstaats des Dienstleistungsempfängers zunächst eines Vermittlers bedient.846 Erst recht ist es unschädlich für die Bejahung der Dienstleistungsfreiheit, wenn sich der Anbieter nur eines Erbringers von EDV-Dienstleistungen im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers bedient.847

837  Streinz/Müller-Graff,

Art. 56 AEUV Rn. 31; FK/Haltern/Stein, Art. 56 Rn. 15. Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 31. 839  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 32 m. w. N.; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 25. 840  Wobei FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 31 ff. noch die Auslandsdienstleistungen mit einbeziehen. 841  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 33; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 26. 842  Der Leistende überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um seine Dienstleistung zu erbringen, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 34; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 27. 843  Der Leistungsempfänger überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um eine Dienstleistung zu erhalten, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 37; FK/Haltern/ Stein, Art. 57 Rn. 28. 844  Weder Dienstleister noch Leistungsempfänger überqueren die zwischenstaat­ liche Grenze, aber die Dienstleistung erfolgt über die Grenze hinweg, Streinz/MüllerGraff, Art. 56 AEUV Rn. 40; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 37. 845  EuGH NJW 2004, 139 (140). 846  EuGH NJW 2004, 139 (140). 847  EuGH EuZW 2011, 841 (843). 838  Vgl.



B. Online-Sportwetten273

Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit ist zu beachten, dass gem. Art. 62, 54 AEUV die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleichstehen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind. Dies hat zur Folge, dass sich auch Kapitalgesellschaften auf die Dienstleistungsfreiheit berufen können.848 b) Beschränkung Es stellt daher – wie oben gezeigt849 – immer eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, wenn in einem Mitgliedstaat die Ausübung dieser Dienstleistung beschränkt wird, indem ihre rechtmäßige Ausübung von der Einholung einer Konzession oder einer irgendwie anders gearteten Erlaubnis, egal in welcher Gestalt, abhängig ist oder die Ausübung der Dienstleistung gänzlich für Private untersagt wird.850 Auf Basis der in Deutschland geltenden Experimentierphase für Sport­ wetten, worunter auch die Online-Sportwetten fallen, ist gem. §§ 10a II, 4a I GlüStV die Veranstaltung (und Vermittlung, s. o.) von Sportwetten nur mit einer Konzession möglich. Die Ausübung der Dienstleistung ist demnach von einer Konzession abhängig, was wiederum eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt, da die Konzessionspflicht unabhängig von der Staatsangehörigkeit gilt. c) Rechtfertigung Mangels einschlägiger ausdrücklicher Ausnahmeregelungen in Art. 62 i. V.m Art. 52 AEUV kommt nach ständiger Rechtsprechung nur eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Frage.851 Wie oben herausgearbeitet, steht es jedem Mitgliedstaat frei, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen.852 Die Mitgliedstaaten haben 848  Vgl.

Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 56. S. 180. 850  EuGH NJW 2009, 3221. 851  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (845); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (843 f.); EuZW 2014, 597 (598 f.); NVwZ 2014, 1001 (1001 f.); BeckRS 2017, 113944 Rn. 39; BeckRS 2018, 32757 Rn. 40 ff. 852  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); NVwZ 2010, 1422 (1426). 849  Vgl.

274 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

daher ein Ermessen dahingehend, wie sie festlegen möchten, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben.853 Eine dieser Möglichkeiten stellt auch das von Deutschland im Bereich der Experimentierklausel gewählte Konzessionsmodell dar.854 Zu beachten ist aber, dass eine zahlenmäßige Begrenzung von Konzessionen ausdrücklich nicht allein deshalb gerechtfertigt ist, dass sie auf Grund einer spezifischen Schätzung als für das gesamte Inland „ausreichend“ erachtet werden,855 weshalb die Aussage, dass Maß und Umfang der Öffnung des Sportwettenmarktes „auf das beschränkt werden, was angesichts des festgestellten Schwarzmarktes und unter Berücksichtigung des bereits bestehenden erlaubten Angebots der staatlichen Lotteriegesellschaften erforderlich ist“856 nicht für sich bereits eine Rechtfertigung der Beschränkung nach sich ziehen kann. Vielmehr muss die Beschränkung als solche den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen, wobei die Prüfung, wie oben ausgeführt857, in drei Schritte zu unterteilen ist, dem Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Geeignetheit der Regulierung zur Erreichung dieser Interessen und die Erforderlichkeit der Regulierung zur Zielerreichung. aa) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Wie bereits oben herausgearbeitet858, können zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen859, die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen860, die Bekämpfung der Kriminalität861, der Jugendschutz862 bzw. der Schutz der 853  EuGH

(844).

854  Vgl.

NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); EuZW 2011, 841

EuGH NJW 2007, 1515 (1517 f.). NJW 2007, 1515 (1517). 856  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19 f. 857  Vgl. S. 180. 858  Vgl. S. 182. 859  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1001); BeckRS 2017, 113944 Rn. 36; BeckRS 2018, 32757 Rn. 43. 860  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36); EuGH NVwZ 2010, 1409 (1413 Rn. 74); EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423 Rn. 45). 861  EuGH NJW 2009, 3221 (3224); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36). 855  EuGH



B. Online-Sportwetten275

Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie der Schutz der Sozialordnung863 sein. Gem. § 1 GlüStV sind die Ziele des Staatsvertrags, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Dies soll durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot, das den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen lenken soll, erfolgen. Auch soll der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegengewirkt werden, der Jugend- und der Spielerschutz gewährleistet sein und sichergestellt sein, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt, die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt und Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorgebeugt werden. Der Glücksspielstaatsvertrag entspricht daher in seinen Grundzielen im Großteil auch den vom EuGH gebilligten Allgemeinwohlzielen. Sowohl die Verhinderung des Entstehens von Glücksspielsucht und Wettsucht (§ 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV), als auch der Jugend- und der Spielerschutz (§ 1 S. 1 Nr. 3 GlüStV) sind, allgemeiner gesprochen, Ziele, die auf den Verbraucherschutz gerichtet sind, bzw. der Schutz der Jugend und der Dienstleistungsempfänger, also Spieler, wurde, wie oben gezeigt, ausdrücklich durch die Rechtsprechung des EuGH als Allgemeininteressen anerkannt864. Auch die aufgrund der Glücksspielsucht und Wettsucht einhergehenden Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen stellen Allgemeininteressen dar, die eine Beschränkung rechtfertigen können.865 Hingegen stellen die Ziele des § 1 S. 1 Nr. 2 und 4 GlüStV nicht vorrangig den Verbraucherschutz vorne an, dieser ist, wenn dann, eine Begleiterscheinung, sondern die Ziele richten sich eher auf eine Kanalisierung auf den ­legalen Markt und damit auch auf einen einhergehenden Schutz vor Folgeund Begleitkriminalität. Wie bereits oben erläutert, stellt auch die Bekämp-

862  EuGH 863  EuGH

(844).

NVwZ 2010, 1422 (1427). MMR 2010, 844 (846); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841

864  Vgl. EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1001); BeckRS 2017, 113944 Rn. 36; BeckRS 2018, 32757 Rn. 43. 865  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36); NVwZ 2010, 1409 (1413 Rn. 74); NVwZ 2010, 1422 (1423 Rn. 45).

276 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

fung der Kriminalität ein zur Rechtfertigung heranziehbares Allgemeininte­ resse dar.866 Ein Novum stellt hingegen die Erwägung des § 1 S. 1 Nr. 5 GlüStV dar und das Ziel, den Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen. Begründet wird dieses Ziel durch den Gesetzgeber im Hinblick auf die zuvor bekannt gewordenen Wettskandale, in denen Fußballspiele von Angehörigen der ­organisierten Kriminalität, z. B. über des Schmieren eines Schiedsrichters, derart manipuliert wurden, dass dann das Spiel so ausgeht, wie zuvor die Wette gesetzt wurde.867 Im Ergebnis zielt daher die Sicherung der Integrität des Sports ebenfalls auf eine Kriminalitätsbekämpfung, genauer auf eine Verhinderung von Wettbetrug, ab, was daher aufgrund des Oberbegriffs der Kriminalitätsbekämpfung ein heranziehbares Allgemeininteresse ist.868 Dementsprechend stellen die niedergeschriebenen Ziele des Staatsvertrags zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Beschränkung, wie das Konzessionssystem im Sportwettenbereich, rechtfertigen können. bb) Geeignetheit Wichtigstes Kriterium und meist Grund für die Annahme einer Unionsrechtswidrigkeit ist die Prüfung der Geeignetheit. Wie oben herausgearbeitet, fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Erreichung der verfolgten Allgemeininteressen beitragen müssen.869 Eine Geeignetheit der Regulierung zur Zielerreichung ist nur dann zu bejahen, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.870 Der Begriff „tatsächlich“ im Rahmen der Kohärenzprüfung ist in diesem Zusammenhang mit „wirklich“ zu verstehen, hingegen bedarf es keiner „empirisch mit Sicherheit festzustellenden Auswirkungen“.871 Zu untersuchen ist daher, ob durch die Regelung des Konzessionserfordernisses im Bereich der Sportwetten wirklich die vom Staatsvertrag formulierten Ziele verfolgt werden. Dies866  EuGH NJW 2009, 3221 (3224); EuZW 2009, 689 (691 f.); NJW 2009, 3221 (3224); NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36). 867  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 21 f. 868  Vgl. EuGH NJW 2009, 3221 (3224); EuZW 2009, 689 (691 f.); NJW 2009, 3221 (3224); NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36). 869  EuGH NJW 2004, 139 (141); NJW 2007, 1515 (1518); NJW 2007, 1515 (1518). 870  EuGH NJW 2009, 3221 (3223). 871  EuGH NVwZ-RR 2016, 624 (624 f.).



B. Online-Sportwetten277

bezüglich ist hinsichtlich der verschiedenen Ausprägungen der Kohärenz zu unterscheiden. Es bietet sich in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Begriffen dahingehend an, dass man in die sog. „horizontale Kohärenz“ und die „vertikale Kohärenz“ unterteilt. Wie bereits oben erläutert, verlangt die horizontale Kohärenz eine konsequente Ausrichtung der gesamten Regulierung auf die von ihr verfolgten Ziele, hingegen verlangt die vertikale Kohärenz, dass die jeweiligen Glücksspielsektoren für sich konsequent auf ein Ziel ausgerichtet sind. (1) Horizontale Kohärenz Zur Thematik der horizontalen Kohärenz äußerte sich der EuGH, wie oben bereits dargestellt, hinsichtlich Deutschlands in seiner Entscheidung Carmen Media dahingehend, dass die Zuständigkeitsverteilung im Rahmen eines föderalen Staates nichts daran ändert, dass die Regulierung insgesamt systematisch und kohärent zur Zielerreichung beitragen muss, weshalb die Gliedstaaten hier zu einer Koordination angehalten sind.872 Die bloße föderale Situation Deutschlands erlaubt keine Aufteilung der Glücksspielregulierung anhand der Zuständigkeitsverteilung. Zu beachten ist auch, was insbesondere unter dem Gesichtspunkt der partiellen Öffnung des Sportwettenmarktes, weg vom Staatsmonopol hin zum Konzessionsmodell, wichtig ist, dass eine unterschiedliche Ausgestaltung einzelner Glücksspielsektoren (also z. B. Monopol und Konzessionsmodell) für sich genommen nicht dazu führen, dass unter dem Aspekt der Geeignetheit eine Rechtfertigung nicht mehr möglich ist.873 Insbesondere kann aber daher die Werbung und Angebotsausweitung in einem anderem Glücksspielsektor auch die Geeignetheit eines Sektors beeinflussen, auf den sich die Werbung nicht bezieht.874 Da für die Thematik der horizontalen Kohärenz demnach eine Begutachtung aller Glücksspielsektoren nötig ist, soll dieser Punkt im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchung nach hinten gesetzt werden, um die Erkenntnisse im Rahmen der einzelnen Sektoren heranzuziehen.

872  EuGH

NVwZ 2010, 1422 (1425). NVwZ 2010, 1409 (1415). 874  Vgl. EuGH NVwZ 2010, 1409 (1416). 873  EuGH

278 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(2) Vertikale Kohärenz, insb. Vollzugskohärenz Daneben bedarf es einer vertikalen Kohärenz, auch stellenweise „innere Kohärenz“ genannt.875 Zusammengefasst fordert die vertikale Kohärenz, dass die von einem Mitgliedstaat gewählte Regulierung auch tatsächlich, also wirklich, zwingende Gründe des Allgemeininteresses verfolgt und eben nicht – was häufig auch kritisiert wird – fiskalische Interessen.876 Der Mitgliedstaat soll gerade nicht unter dem Deckmantel einer Verfolgung von Allgemeininteressen in Wirklichkeit nicht zur Rechtfertigung geeignete Ziele – wie z. B. fiskalische Interessen – verfolgen.877 Durchaus treffend ist daher der häufig herangezogene Begriff des „hypocrisy test“, also des Scheinheiligkeitstests.878 Die vertikale Kohärenz fordert demnach eine Stimmigkeit der Regulierung im Zusammenhang mit dem Sportwettensektor, diese muss konsequent auf die damit verfolgten Allgemeininteressen ausgerichtet sein.879 Dieses Kriterium der konsequenten Ausrichtung ist in zweierlei Hinsicht notwendig. Zum einen bedarf es einer konsequent auf die Zielerreichung ausgerichteten rechtlichen Gestaltung; der normative Rahmen der Regulierung im Sportwettensektors muss stimmig sein.880 Jedoch ist nicht nur der rechtliche, normative Regulierungsrahmen heranzuziehen, sondern es ist darüber hinaus auch eine Betrachtung der staatlichen Vollzugspolitik nötig, weshalb diesbezüglich auch von einer Vollzugskohärenz gesprochen werden kann.881 Unter der Vollzugskohärenz ist wiederum die Frage zu beantworten, ob auch der Vollzug der rechtlichen Regelungen in der Praxis konsequent auf die Zielerreichung ausgerichtet ist.882 Diesbezüglich offensichtlich ist die Annäherung des BVerfG an die Rechtsprechung des EuGH: wie oben gezeigt, fordert auch das BVerfG eine Prü-

875  Vgl.

Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 22.

876  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

§ 10a GlüStV Rn. 59. 877  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f. 878  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f. 879  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 59. 880  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 59. 881  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/ Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 22. 882  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 22, wobei die Bearbeiter den Begriff „tatsächliche Kohärenz“ wählen.



B. Online-Sportwetten279

fung sowohl anhand der rechtlichen883 Voraussetzungen, als auch anhand der tatsächlichen884 Ausgestaltung des Angebots. Größter Kritikpunkt hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Konzessionsmodells ist, wie oben gezeigt,885 die zahlenmäßige Beschränkung des GlüStV. Diese Problematik entfällt aber mit der unbeschränkten Änderung.886 Hinsichtlich der Frage der Vollzugskohärenz hat insbesondere die jeweilige Geschäftspolitik der staatlichen Akteure Bedeutung.887 Die Regulierung muss auch nach dem Erlass dem „Anliegen entsprechen […], die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen“, was insbesondere anhand der „Entwicklung der Geschäftspolitik der autorisierten Unternehmen“ und anhand dem „Stand der kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen im entscheidungserheblichen Zeitraum zu prüfen“ ist.888 Für die vorliegende Prüfung bedeutet dies demnach, nachdem der Staat im Bereich der Sportwetten auch mit der Marke Oddset tätig ist, zu untersuchen, wie sich die Geschäftspolitik geändert hat und wie sich der „Stand der kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen im entscheidungserheblichen Zeitraum“ zu Erlass der Regelung darstellte und wie er sich nun darstellt. Hinsichtlich der Vollzugskohärenz vermag die Sportwettenregulierung bis jetzt nicht zu überzeugen. Der Staatsvertrag entfaltet seit 2012 seine Wirkung, seitdem erfolgte aber keine Konzessionsvergabe, da das Staatsmonopol aufgrund der Übergangsbestimmung in § 29 I 3 GlüStV weiterhin faktisch fortwirkt. Es kommt im Rahmen der Vollzugskohärenz in diesem Zusammenhang nicht auf die rechtliche normative Regulierung an, sondern für die Entscheidung über die Vollzugskohärenz ist allein maßgeblich, wie sich die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung darstellt. Wie auch bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH im Jahr 2016 erfolgte auch bisher keinerlei Konzessionsvergabe, die konzessionserteilende Stelle hat bisher von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.889

883  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1118 f. Rn. 141 ff.). NVwZ 2017, 1111 (1119 Rn. 146 f.). 885  Vgl. S. 221 ff., 230 ff. 886  LT-Drs. BW 16/5894, S. 3 ff. 887  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 46. 888  EuGH NVwZ-RR 2016, 624 (625). 889  Vgl. hierzu EuGH NVwZ 2016, 369 (373 f.). 884  BVerfG

280 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Aufgrund dieser Tatsache besteht das staatliche Monopol auf Sportwetten weiterhin fort.890 Maßgeblich ist daher, ob das faktisch geltende Sportwettenmonopol weiterhin als unionsrechtswidrig zu beurteilen ist.891 Gem. der Entscheidung des EuGH kann dann ein Monopol – das hier faktisch weiterhin gegeben ist – als nicht geeignet gesehen werden, wenn festgestellt werden kann, „– dass die Werbemaßnahmen des Inhabers eines solchen Monopols für andere, ebenfalls von ihm angebotene Arten von Glücksspielen nicht auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum Angebot des Monopol­ inhabers hinzulenken und sie damit von anderen, nicht genehmigten Zugangskanälen zu Spielen wegzuführen, sondern darauf abzielen, den Spieltrieb der Verbraucher zu fördern und sie zwecks Maximierung der aus den entsprechenden Tätigkeiten erwarteten Einnahmen zu aktiver Teilnahme am Spiel zu stimulieren, als auch, – dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch, – dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben oder dulden, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,“892

Insbesondere war das Problem der damaligen Glücksspielregulierung, dass das gewerbliche Automatenspiel überhand nahm und auch die Werbemaßnahmen der staatlichen Lotteriegesellschaften über die reine Information hinausgingen. Hinsichtlich des gewerblichen Automatenspiels hat sich aber durch die Neuauflage des GlüStV nichts geändert. Die Umsatzzahlen der Spielhallen und des Betriebs von Spielautomaten haben sich seit 2008 stetig vergrößert. Auch die Neuauflage des GlüStV im Jahr 2012 hat an diesem Trend nichts geändert, obwohl eine strengere Regulierung zu einem Umsatzeinbruch (weniger Spiele, weniger Gewinn) hätte führen müssen.893 Auch die Zahl der in Deutschland aufgestellten Geldspielgeräte ging in den letzten Jahren nicht

890  § 29 I 3 GlüStV ermöglicht hier eine weitere Veranstaltung von Sportwetten ohne Konzession. 891  Vgl. hierzu EuGH NVwZ 2010, 1409, der dem GlüStV 2008 eine Unionrechtswidrigkeit „attestiert“. 892  So die Leitsätze, vgl. EuGH MMR 2010, 844. 893  Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235734/umfrage/umsatz-vonspielhallen-und-im-betrieb-von-spielautomaten/ zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.



B. Online-Sportwetten281

zurück, sondern stagnierte beinahe.894 Hingegen gingen die Bruttospiel­ erträge der Geldspielgeräte in den letzten Jahren nicht zurück, sondern stiegen weiterhin.895 Dies ist insbesondere unter dem Aspekt problematisch, dass von Geld- und Glücksspielautomaten das mit Abstand höchste Gefährdungspotenzial ausgeht, das auch beträchtlich höher ist als das der Sportwetten.896 Auch unterstehen die Geldspielgeräte keinem Monopol oder einer zahlenmäßigen Konzessionierung, vielmehr ist das Automatenspiel durch eine Zusammenschau von GewO und SpielV auf Basis der Gesetzgebung des Bundes geregelt.897 Lediglich hinsichtlich der Spielhallen steht den Ländern ein Kompetenztitel gem. Art. 70, 74 I Nr. 11 a. E. GG zu, von dem diese in ihrer Landesgesetzgebung auch Gebrauch gemacht haben. Dennoch ist seit 2012 kein Rückgang des Geldautomatengewinnspiels gegeben, weshalb unter diesem Aspekt eine wirksame Regulierung weiterhin fragwürdig ist. Auch steht weiterhin das Betreiben einer Spielhalle unter einer Erlaubnispflicht gem. § 24 I GlüStV, ist also im Gegensatz zum faktischen Sportwettenmonopol Privaten möglich. Hinsichtlich des Werbeumfangs ist hingegen die Tätigkeit des Staates im Bereich der Lotterien äußerst zweifelhaft. Seit der Einführung des Glücksspielstaatsvertrags 2012 haben sich die Werbeausgaben für Lotterien stark erhöht. Seit dem Jahr 2011/2012 stiegen die Werbeausgaben des Deutschen Lotto- und Toto-Blocks um 229 %, absolut betrugen die Werbeausgaben im Jahr 2015/2016 31 Mio. Euro.898 Daneben erfolgten durch die gemeinsamen Klassenlotterien Werbeausgaben in Höhe von 26,2 Mio. Euro.899 Zwar ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass auf Zweitlotterien ebenfalls 2015/2016 Werbeausgaben in Höhe von 31 Mio. Euro entfielen900, jedoch offenbart sich hier insgesamt ein faktisches Problem dahingehend, dass die praktische Umsetzung des GlüStV und seiner Vorgaben zum Thema Werbung in § 5 GlüStV offensichtlich nicht geeignet sind, die bereits zuvor extensiven Werbungen 894  Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/166424/umfrage/anzahl-derunterhaltungsautomaten-und-sportspielgeraete-seit-2006/ zuletzt abgerufen am: 06.10.2020; Vieweg, ifo-Forschungsbericht, S. 2. 895  Vgl.  Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6: 5.900 Mio. Euro; Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6: 5.850 Mio. Euro; Jahresreport 2016 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6: 5.600 Mio. Euro; Jahresreport 2015 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6: 5300 Mio. Euro. 896  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 897  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 14. 898  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69. 899  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69. 900  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S.  69 f.

282 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

für Glücksspiel zu regulieren.901 Auch das Ziel der Lenkung in geordnete Bahnen ist daher kaum umsetzbar, da die regulierten Anbieter momentan mit denen aus dem Graumarkt in der Werbung konkurrieren. Nach dem Gesagten gab es trotz der Reform des GlüStV im Sinne des GlüStV 2012 keinerlei Änderung der faktischen Regulierung. Der bis dahin bestehende Zustand, der eine Unionsrechtswidrigkeit auslöste, ist demnach weiterhin gegeben, weshalb faktisch schwerwiegende Zweifel an der Vollzugskohärenz bestehen. Solange aber faktisch eine Legislativreform, wie sie durch den GlüStV 2012 erfolgte, keine Wirkung entfaltet und daher weiterhin faktisch der Verstoß gegen das Unionsrecht bestehen bleibt, solange liegt auch ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV vor.902 Vorliegend erfolgte bisher keinerlei Konzessionsvergabe, die Entscheidung im momentan anhängigen Berufungssverfahren am VGH Kassel ist weiterhin ausstehend, weshalb es bei der weiteren Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Konzessionen verbleibt und daher auch bisher kein Anbieter auf dem OnlineSportwettenmarkt über eine nach §§ 4a II, 10a I, II GlüStV nötige Konzession verfügt. Dem Gesetzgeber bleiben daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verzichtet auch auf seine Ausübung der Sportwetten, dann wäre praktisch das Staatsmonopol und damit auch der Unionsrechtsverstoß nicht gegeben oder er bringt die Konzessionierung zum Laufen, damit überhaupt ein Vollzug des GlüStV stattfindet. Solange dies nicht der Fall ist, ist aufgrund der Weitergeltung der alten Regulierungslage ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV gegeben. Die Geeignetheit ist demnach – als Schritt vor diesem Ergebnis – im Hinblick auf die fehlende Vollzugskohärenz zu verneinen. Dieser Kritik versucht der Gesetzgeber auch im Hinblick auf den Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag entgegenzutreten.903 Da ab dem Zeitpunkt des 01.01.2020 die Übergangsregelung des § 20 I 3 GlüStV entfällt, ist auch den staatlichen Sportwettenanbietern ein Angebot ohne Konzession nicht möglich, das faktische Staatsmonopol würde also entfallen. Ob dem wirklich so ist und nicht eine Konzessionsvergabe an staatliche Akteure erfolgt, hingegen an private nicht, bleibt abzuwarten und ist dann in diesem Zeitpunkt auch maßgeblich für eine spätere Beurteilung der Frage, ob die Unionsrechtswidrigkeit entfallen ist. Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 70. NVwZ 2016, 369 (374). 903  Vgl. LT-Drs. BW 16/5894, S. 3 f. 901  Ebenso 902  EuGH



B. Online-Sportwetten283

cc) Erforderlichkeit Darüber hinaus bedarf die Sportwettenregulierung im Rahmen eines Konzessionsmodells einer Vereinbarkeit mit dem Kriterium der Erforderlichkeit. Die Beschränkungen dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels erforderlich ist.904 Sie dürfen zu den mit ihnen verfolgten Zielen nicht außer Verhältnis stehen.905 Der Prüfungspunkt der Erforderlichkeit schließt den aus dem Verfassungsrecht bekannten Prüfungspunkt der Angemessenheit mit ein.906 Eine Beschränkung der in Art. 56 AEUV verbürgten Freiheit ist daher noch möglich, wenn das zwingende Allgemeininteresse nicht genauso wirksam durch eine Maßnahme verwirklicht werden kann, die den freien Dienstleistungsverkehr weniger beschränkt.907 Auch muss die die Behinderung auslösende Maßnahme zur Verwirklichung des zwingenden Allgemeininteresses in einem angemessenen Verhältnis stehen.908 Insofern ist zu beachten, dass dem jeweiligen Mitgliedstaat ein Ermessensspielraum zu Gute kommt, es ist „Sache jedes Mitgliedstaats […], zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten im Glücksspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen.“909 Auch hat die Tatsache, „dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erfor­ derlichkeit“.910 Diesbezüglich sei auf die Erwägungen im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit verwiesen, es ist kein milderes, gleich effektives Mittel ersichtlich.911 Wenn sich die Landesgesetzgeber zu einer zahlenmäßig unbegrenzten Öffnung entscheiden, so ist dies erst recht als dem Kriterium der Erforderlichkeit genügend anzusehen.

904  EuGH

NJW 2004, 139 (141). NJW 2004, 139 (141). 906  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff, Art. 45 AEUV Rn. 377. 907  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 111. 908  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 115; EuGH GRUR Int. 1997, 913 (917); EuGH EuZW 2017, 102 (104 f.). 909  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1426); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1002); BeckRS 2017, 113944 Rn. 37. 910  EuGH EuZW 2011, 841 (848). 911  Vgl. S. 227 f. 905  EuGH

284 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

dd) Ergebnis Mit Blick auf die momentan faktische Aufrechterhaltung des als unionsrechtwidrig zu beurteilenden Zustandes eines Sportwettenmonopols ist daher mangels Vollzugskohärenz eine Geeignetheit des bis 31.12.2019 geltenden Sportwettenkonzessionsmodells zu verneinen. Dies stellt bereits einen Verstoß gegen Art. 56 AEUV dar, da die Beschränkung nicht gerechtfertigt wer­ den kann. Dies führt darüber hinaus im Ergebnis zu einem (weiteren) Verstoß gegen Art. 56 AEUV, denn faktisch erfolgt durch die praktische Nichtvergabe der Konzessionen und damit einhergehend die Aufrechterhaltung des Sportwettenmonopols eine Weiteranwendung einer unionsrechtswidrigen Regelung. Die Legislativreform des § 10a GlüStV entfaltet keinerlei Wirkung hinsichtlich des bereits bestandenen unionsrechtswidrigen Zustandes. Demnach liegt in dem momentan tatsächlich (nicht) erfolgenden Vollzug des Konzessionsmodells eine Weiteranwendung des damaligen Sportwettenmonopols auf Basis des § 29 I 3 GlüStV vor. Die Weiteranwendung dieser alten unionsrechtswidrigen Regelung stellt den Verstoß gegen das Unionsrecht, genauer gegen Art. 56 AEUV dar.912 Das im Rahmen des GlüStV geregelte Konzessionserfordernis auf Basis des §§ 4a I, 10 a I, II GlüStV ist demnach unionsrechtswidrig und daher aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts913 nicht anwendbar. Dieser Befund könnte sich aber wiederum ab dem 01.01.2020 ändern, da der Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag ratifiziert wurde.914 Aufgrund der Aufhebung des § 29 I 3 GlüStV ist die Weitergeltung des Staatsmonopols nicht mehr rechtlich verankert, die momentanen staatlichen Anbieter müssten zur Wahrung einer Vollzugskohärenz daher ihren Betrieb einstellen. Rechtlich bleibt zwar im Rahmen des GlüStV weiterhin normiert, dass es gem. § 10 II GlüStV den Ländern ermöglicht ist, das Glücksspielangebot auch selbst zu stellen, jedoch findet gem. § 10a I GlüStV § 10 VI GlüStV keine Anwendung, weshalb auch privaten Anbietern die Möglichkeit eröffnet ist, Sportwetten zu veranstalten. Gem. § 10a II GlüStV benötigen hierzu sowohl die privaten als auch die staatlichen Akteure eine Konzession, deren Vergabe sich nach den §§ 4a ff. GlüStV richtet.

912  Vgl.

EuGH NVwZ 2016, 369 (374). statt vieler Streinz, Art. 4 EUV Rn. 35 ff. 914  Vgl. LT-Drs. BW 16/5892 bzw. für Bayern die Ratifizierung in GVBl. 2019 S. 538 und die Webseite des zuständigen Regierungspräsidiums Darmstadt, abrufbar unter: https://rp-darmstadt.hessen.de/sicherheit/gl %C3 %BCcksspiel/sportwetten, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 913  Vgl.



B. Online-Sportwetten285

Für die Beurteilung der Unionswidrigkeit wird aber insbesondere der praktische Vollzug im Sinne der Vollzugskohärenz entscheidend sein. Stellen die staatlichen Akteure dann ihr Sportwettenangebot vollständig ein? Nur, falls von diesen keinerlei Angebote und Werbung mehr für Sportwetten ausgeht, ist dem Staat nicht vorwerfbar, das Monopol weiter aufrecht zu erhalten. Auch wird die Zukunft zeigen, ob die staatlichen Akteure bei der Konzessionsvergabe dahingehend bevorzugt werden, dass diese sehr schnell eine Konzession erhalten, wohingegen die privaten Akteure an ein endloses Genehmigungsverfahren gebunden werden. Auch dies würde faktisch das Monopol aufrechterhalten, da es dann auf den Staat erneut zurückzuführen wäre, dass es keinen Marktzugang für private Wirtschaftsteilnehmer gibt. Wenn diese Verzögerung wiederum dann derart fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr mit allgemeinen Erwägungen erklärbar ist, so ist wiederum die Vollzugskohärenz in diesem Zeitpunkt anzuzweifeln und damit die Geeignetheit der Beschränkung und schlussendlich im Ergebnis auch die Rechtsfertigung der Beschränkung. Ob dem so ist, bleibt abzuwarten. Bis zum Jahr 2020 stellt sich aber mangels Vollzugskohärenz die Regelungen der Sportwetten als unionsrechtswidrig dar. Mangels bisher erfolgte Konzessionsvergabe915 ist auch keine Änderung der tatsächliche Situation eingetreten. 4. Endergebnis Im Ergebnis ist daher das Konzessionserfordernis zwar mit der Verfassung vereinbar, es scheitert jedoch an den von der unionsrechtlichen Rechtsprechung aufgestellten Hürden. Bis zu einer Änderung der Vollzugskohärenz sind daher die Regelungen über die Erlaubnisfähigkeit von Sportwetten unionsrechtswidrig.916

915  VG

Darmstadt BeckRS 2020, 5966. hinaus stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob nicht das nationale Gericht seine Rechtsprechung insoweit an die unionsrechtliche Rechtsprechung anpassen müsste, dass es bei einer Unionsrechtswidrigkeit zugleich eine Verfassungswidrigkeit bejahen müsste. Insoweit ist aber zunächst festzustellen, dass durchaus eine Divergenz zwischen den verschiedenen Ausgestaltungen der Schutzniveaus bestehen kann und die nationalen Gerichte schlicht beide mit Ihren jeweiligen Konsequenzen zu berücksichtigen haben. Zu der Frage hingehen, ob ein Verfassungsgericht seinen Prüfungsmaßstab als solches an das Unionsrecht anpassen muss, vgl. die Ausführungen auf S. 365 ff. 916  Darüber

286 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

C. Online-Lotterien Die rechtliche Grundlage für die Veranstaltung einer Lotterie findet sich zunächst in dem allgemeinen Erlaubnistatbestand des GlüStV gem. § 4 I 1 GlüStV. Hinsichtlich der Lotterien – im Gegensatz zu den Sportwetten, in denen per Konzessionssystem eine Öffnung stattfindet – sind diese gem. § 10 II, III GlüStV den staatlichen oder zumindest staatlich kontrollierten Akteuren vorbehalten, nur diese können eine Erlaubnis gem. § 4 I 1 GlüStV erhalten. Einzige Ausnahme bildet § 10 VI GlüStV, der eine Erlaubnis an „andere“ als staatlich kontrollierte Akteure, für die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts ermöglicht.917 Die §§ 12 ff. GlüStV wiederum regeln die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung hinsichtlich derartiger Lotterien. Eine nach dem dritten Abschnitt erlaubnisfähige Lotterie zeichnet sich unter Zugrundelegung eines Umkehrschlusses zu § 13 II GlüStV dadurch aus, dass die Bekanntgabe der Ziehungsergebnisse maximal zweimal wöchentlich erfolgt, der Höchstgewinn maximal einen Wert von 2 Millionen Euro beträgt und dass nicht Teile des vom Spieler zu entrichtenden Entgeltes zu dem Zweck angesammelt werden, Gewinne für künftige Ziehungen zu schaffen (planmäßiger Jackpot). Ebenso darf keine interaktive Teilnahme in Rundfunk und Telemedien mit zeitnaher Gewinnbekanntgabe ermöglicht werden.918 Zu beachten ist, dass die hierdurch erfolgte Aufweichung des Staatsmonopols nicht die sehr bekannten Jackpotlotterien umfasst, wie z. B. das Lotto 6 aus 49.919 Lediglich Lotterien „mit geringem Gefährdungspotenzial“ sind daher privaten Akteuren offen gestellt.920 Darüber hinaus ist aber zu beachten, dass für Lotterien – im Gegensatz zu den oben genannten Konzessionen – die Erlaubnis nicht per se die Gewährung eines Internetvertriebs ermöglicht, vielmehr gilt hier der in § 4 IV GlüStV verankerte Grundsatz, dass öffentliche Glücksspiele im Internet verboten sind. Gem. § 4 V GlüStV ist hiervon eine Befreiung zwar möglich, aber nur für „den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien“. Zu beachten ist jedoch, dass die Erlaubnis nach § 4 V GlüStV nur eine Erlaubnis hinsichtlich des Vertriebswegs Internet darstellt, es also nur über 917  Aus diesem Umkehrschluss ergibt sich, dass auch private Anbieter daher eine Erlaubnis erlangen können, Dietlein/Hecker/Ruttig//Postel, § 10 Rn. 30. 918  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 141. 919  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig//Postel, §  10 GlüStV Rn. 1; Streinz/Liesching/ Hambach/W. Hambach/Brenner, § 10 GlüStV Rn. 8. 920  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 10 GlüStV Rn. 30.



C. Online-Lotterien287

das in § 4 IV GlüStV angeordnete Totalverbot für Glücksspiel im Internet hinweghilft. Darüber hinaus bedarf der Anbieter aber weiterhin einer Erlaubnis nach § 4 I GlüStV dahingehend, dass er überhaupt – also unabhängig vom Vertriebsweg – ein Glücksspiel öffentlich veranstalten oder vermitteln darf.921 Im Umkehrschluss ist der Vertriebsweg des Internets auch nicht eröffnet, wenn eine Erlaubnis gem. § 4 I GlüStV besteht, vielmehr bedarf es darüber hinaus der nach § 4 V GlüStV. Das Verbot nach § 4 IV GlüStV ist wie der Erlaubnisvorbehalt nach § 4 I GlüStV weder „monopolakzessorisch“, noch sind diese akzessorisch zueinander.922 Dies hat zur Folge, dass sich „niemand […] der Gültigkeit eines Verbots mit der Begründung entziehen [kann], er sei schon aus anderen Gründen nicht berechtigt, die verbotene Tätigkeit auszuüben.“923 Für einen Anbieter von Online-Lotterien ist daher zum einen entscheidend, ob der Erlaubnisvorbehalt gem. § 4 I 1 GlüStV für diesen Wirkung entfaltet, zum anderen aber auch, ob für ihn das in § 4 IV GlüStV verankerte Vertriebsverbot im Internet gilt, was wiederum anschließend behandelt werden soll.

I. Unterscheidung der „Lotterien“ Zu beachten ist aber, dass nicht jede den Anschein einer Lotterie vermittelnde Veranstaltung auch gleich eine Lotterie im rechtlichen Sinne darstellt. Im Rahmen des § 3 III 1 GlüStV legaldefiniert der Staatsvertrag den Begriff der Lotterie. Hierbei handelt es sich um ein Glücksspiel im Sinne des § 3 I 1 GlüStV, bei dem einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet wird, nach einem bestimmten Plan gegen ein bestimmtes Entgelt die Chance auf einen Geldgewinn zu erlangen, wobei gem. § 3 III 2 GlüStV dem Geldgewinn auch Sachgewinne oder geldwerte Vorteile gleichstehen. Eine Lotterie zeichnet sich demnach durch einen vom Veranstalter festgelegten Spielplan aus, der die möglichen Gewinne und Verluste nach Zahl und Höhe und deren Verteilung an die Mitspieler festlegt.924

921  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, §  4 GlüStV Rn. 77; Streinz/Liesching/ Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 84. 922  Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, §  4 GlüStV Rn.  77; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV, Rn. 84. 923  BGH GRUR 2012, 201 (203). 924  BeckOK-StGB/Hollering, § 287 Rn. 6; MüKo-StGB/Hohmann, § 287 Rn. 22; NK-StGB/Gaede, § 287 Rn. 3; Fischer, § 287 Rn. 6.

288 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

1. Primärlotterien Unproblematisch erfüllen die vom Deutschen Lotto- und Totoblock veranstalteten Zahlenlotterien die in § 3 III 1 GlüStV verankerten Voraussetzungen für die Annahme einer Lotterie. Typisches Beispiel und der Musterfall für Lotterien sind die in Deutschland bekannte Zahlenlotterie „6 aus 49“ des Deutschen Lotto- und Totoblocks.925 Unproblematisch liegt daher eine erlaubnispflichtige Veranstaltung einer Lotterie bei den Landeslotteriegesellschaften vor. 2. Zweitlotterien Problematischer ist hingegen die Einordnung der später in der Fallgruppe 3926 behandelten Online-Zweitlotterien und die damit zusammenhängende Frage, ob diese als „Lotterien“ im Sinne des GlüStV anzusehen sind. Die Besonderheit dieser „Zweitlotterien“, auch „schwarze Lotteriewetten“ genannt, liegt in der Tatsache, dass keinerlei Vertrag zwischen dem Spieler und der die Lotterie veranstaltenden Landeslotteriegesellschaft stattfindet.927 Stattdessen vermittelt die hinter der Website befindliche Gesellschaft den Tipp an einen im Ausland (meist Malta) ansässigen Buchmacher. Dieser passt wiederum die nötigen Einsätze und auch Auszahlungen an die Summen der „Primärlotterie“ der Landeslotteriegesellschaft an. Es erfolgt in diesem Fall gerade keine eigene Gewinnberechnung, sondern die Gewinnberechnung der Landeslotteriegesellschaften wird von der Buchmacherin der Zweitlotterien schlicht übernommen.928 Die Buchmacher-Veranstaltergesellschaft ist also die (juristische) Person, an die die Einsätze gezahlt und von der auch die möglichen Gewinne ausgezahlt werden bzw. gegen die dann der Auszahlungsanspruch zumindest besteht.929 Die jeweiligen Gewinnklassen der Buchmacher werden wiederum nicht – wie dies bei den Zahlenlotterien des Deutschen Lotto- und Totoblocks der Fall ist – durch die Einnahmen aus einem „Lottototalisator“ gesichert, sondern die Absicherung der Buchmacher erfolgt durch Rückversicherungen, sog. „Contractual Trust ArrangementsCTA“ oder über Finanzmarktprodukte.930

925  Vgl. Sch/Sch/Heine/Hecker, § 287 Rn. 6; Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 Rn. 11. 926  S. 472 f. 927  So auch Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (83). 928  Vgl. Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, 7 (9 f.). 929  Vgl. Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (82 f.). 930  Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (83).



C. Online-Lotterien289

Gem. § 3 III 1 GlüStV ist für eine Lotterie im Sinne des GlüStV entscheidend, dass das Glücksspiel nach einen bestimmten Spielplan gegen ein bestimmtes Entgelt erfolgt. Kritischer Punkt ist diesbezüglich, ob die bloße „Kopie“ des Spielplans eines staatlichen Lotterieveranstalters (bzw. eines sonstigen Veranstalters) dazu genügt, das Merkmal der Lotterie gem. § 3 III 1 GlüStV zu erfüllen. Bedeutung erlangt die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt, dass eine Lotterie gem. § 4 V GlüStV hinsichtlich eines Onlinevertriebs erlaubnisfähig ist, wohingegen eine Wette (womit nicht die Sportoder Pferdewette gemeint ist) gem. § 4 V GlüStV keine Erlaubnismöglichkeit besitzt, weshalb es bei dem in § 4 IV GlüStV verankerten Grundsatz bliebe.931 Auch beachtlich ist der Unterschied im Rahmen der strafrechtlichen Wertung: Die Beteiligung im Sinne eines Mitspielens932 ist lediglich bei unerlaubten Glücksspielen im Sinne des § 284 I StGB gem. § 285 StGB mit Strafe bedroht, die Beteiligung an einer Ausspielung oder Lotterie im Sinne des § 287 StGB ist hingegen straflos.933 a) Fremder Spielplan Manche Stimmen der Literatur lassen eine bloße Kopie eines anderen Spielplans genügen. Bereits der Wortlaut des § 3 III 1 GlüStV setzt lediglich einen „bestimmten Plan“ voraus, hingegen lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass der Plan einmalig oder autonom sein müsse.934 Zweitlotterien hätten wie die Primärlotterien daher einen Spielplan, denn dieser ist ebenfalls durch die vertragliche Regelung bindend vorgegeben, da diese bestimmt, wann eine Gewinnauszahlung erfolgt und in welcher Höhe der Gewinnanspruch entsteht.935 Auch sprächen für ein derartiges Verständnis teleologische und systematische Überlegungen, denn zur Wahrung der Rechtsordnung ist notwendig, dass sowohl Primär- als auch Zweitlotterien ordnungsrechtlich als „Lotterien“ einzuordnen sind. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Begriff der Lotterie in § 3 III 1 GlüStV nicht anders verstanden werden dürfe als der in der bundesrechtlichen Norm des § 287 I StGB, denn dies gelte ebenso für den Begriff des Glücksspiels in § 3 I 1 GlüStV und damit korrespondierend § 284 I StGB.936 Dies ergebe sich „[a]ufgrund der Verwaltungsakzessorietät der Strafvorschriften, des Bestimmtheitsgrundsatzes und zur 931  Dünchheim,

ZfWG 2018, 82 (83). § 285 Rn. 4. 933  BeckOK-StGB/Hollering, § 285 Rn. 3; MüKo-StGB/Hohmann, § 285 Rn. 8. 934  Koenig, ZfWG 2017, 335 (335). 935  Koenig, ZfWG 2017, 335 (335). 936  Vgl. Koenig, ZfWG 2017, 335 (335 f.) mit Verweis auf BVerwG NVwZ 2014, 889. 932  BeckOK-StGB/Hollering,

290 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Wahrung der Einheit der Rechtsordnung.“937 Im Strafrecht sei auch diejenige Person Veranstalter einer Lotterie, obwohl sie lediglich die Lotterielose vermittelt, wenn diese schuldrechtliche Ansprüche auf Auszahlung im Gewinnfalle nur gegen sie selbst begründet.938 Ein eigener Spielplan sei in diesem Fall gerade auch nicht notwendig, vielmehr genügt, dass ein Spielplan irgendwie vorgegeben wird, aus dem wiederum im Falle eines Gewinnes ein Auszahlungsanspruch des Spielkunden besteht.939 Dies sei daher auch auf die glücksspielverwaltungsrechtliche Beurteilung von Zweitlotterien zu übertragen.940 Auch ergebe sich dieses Ergebnis aus einer systematischen Auslegung. Gem. § 9 V GlüStV ist es den staatlichen Monopolträgern möglich, ihr Glücksspielangebot zu erweitern, einerseits durch die Einführung neuer Glücksspielangebote, andererseits, vgl. § 9 V 2 GlüStV, durch die Einführung neuer oder die erhebliche Erweiterung bestehender Vertriebswege. Da die Zweitlotterien eng mit den angebotenen Glücksspielformen verwandt seien und die staatliche Monopolstellung aufgrund der Erweiterungsmöglichkeit des § 9 V GlüStV auch nicht auf die konkret zum jetzigen Zeitpunkt angebotenen Lotterieprodukte beschränkt seien, sei es zumindest auch möglich, dass Zweitlotterien durch die staatlichen Monopolträger selbst auf Basis des § 9 V GlüStV hätten angeboten werden können, da diese unter den Lotterietatbestand fielen.941 Ferner sprächen wirtschaftlich-teleologische Gründe für eine Einbeziehung der Zweitlotterien unter den Begriff der Lotterien. Ziel des GlüStV, verankert in § 1 GlüStV, sei primär der Spielerschutz bzw. eine Adressierung an den Spielkunden.942 Zwischen Primärlotterie und Sekundärlotterie bestehe aber ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis, weshalb auch wettbewerbsrechtlich und regulatorisch eine Marktabgrenzung dahingehend vorzunehmen sei, beide von der Regulierung des Glücksspielstaatsvertrags zu erfassen, da sonst Regelungen hinsichtlich der einen Spielart nicht die andere betreffen würde und damit der Spielerschutz nicht umfassend gewährleistet wäre.943

937  Koenig,

ZfWG 2017, 335 (336). ZfWG 2017, 335 (336). 939  Koenig, ZfWG 2017, 335 (336). 940  Koenig, ZfWG 2017, 335 (336). 941  Koenig, ZfWG 2017, 335 (336). 942  Koenig, ZfWG 2017, 335 (336). 943  Vgl. Koenig, ZfWG 2017, 335 (336). 938  Koenig,



C. Online-Lotterien291

b) Zwingend eigener Spielplan Hingegen wird in der Rechtsprechung zumeist die Ansicht vertreten, dass eine Zweitlotterie keine Lotterie im Sinne des GlüStV darstellt, da es hierzu eines eigenen Spielplans bedarf. Die in § 3 III 1 GlüStV geforderte Voraussetzung eines „bestimmten Plans“ sei nicht gegeben. Eine Lotterie setze voraus, dass der Spielplan vom Veranstalter selbst festgesetzt werde.944 Es handele sich bei den Zweitlotterien um bloße „Trittbrettfahrer“ einer von einem anderen veranstalteten Lotterie.945 Die nötige Selbstfestsetzung sei aber bei den Veranstaltern von Zweitlotterien gerade nicht gegeben, denn dieser übernehme in seinen wesentlichen Gestaltungsmerkmalen den Spielplan des Veranstalters der Primärlotterie, sie hängen also von diesem ab und haben auch auf dessen Gestaltung keinen Einfluss946. „Bestimmt“ sei nicht lediglich als Adjektiv insoweit zu verstehen, dass der erforderliche Plan inhaltlichen Anforderungen an die Regelungstiefe genügen müsse.947 Unter bestimmt sei auch ein „Element der Zurechnung des betreffenden Planes zu dessen Urheber im Sinne einer Widmung“ enthalten. Maßgeblich für die Einordnung einer Lotterie gem. § 3 II 1 GlüStV sei daher, dass sich der Spielablauf nach einem Plan richtet, „der gerade auch von dem Veranstalter der Lotterie einseitig und selbstständig vorgegeben ist“.948 Diesem Kriterium genüge es auch nicht, wenn der Veranstalter der Zweitlotterie den Plan der Primärlotterie übernimmt, da eine Übernahme nur dann als eigener Plan anzusehen sei, wenn dem Veranstalter danach „die Möglichkeit zur autonomen Veränderung des übernommenen Planes“ offen stünde.949 Die sei aber bei Zweitlotterien im Grundsatz gerade nicht der Fall, diese führen die Auslosung nicht selbst durch, sondern sind abhängig von der Auslosung durch die Primärlotterie, weshalb der Zweitlotterie keinerlei Einfluss hinsichtlich ihres derzeitigen Spielangebotes möglich ist, was wiederum daher auch eine Annahme eines eigenen Spielplans verhindere.950 Dies zeige insbesondere, dass eine Zweitlotterie immer vom Angebot einer Erstlotterie abhängig sei.951 Auch ist der Gewinn und der Verlust nicht vom Veranstalter

944  VG

Saarlouis BeckRS 2016, 41318. Saarlouis BeckRS 2016, 41318. 946  VG Saarlouis BeckRS 2016, 41318; OVG Saarlouis ZfWG 2019, 362 (366). 947  VG Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 28. 948  VG Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 28. 949  VG Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 29. 950  VG Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 29; OVG Saarlouis ZfWG 2019, 362 (366). 951  VG Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 29. 945  VG

292 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

bestimmt, was nötig sei, sondern dieser richtet sich nach den anderen Lotterien.952 Vielmehr handele es sich bei den Zweitlotterien in Wirklichkeit um Wetten im Sinne des § 3 I 3 GlüStV, denn die Spieler würden im Rahmen der Zweitlotterien gegen Entgelt auf den Ausgang einer Lotterieziehung als zukünftiges Ereignis wetten.953 Auch sei bei einer Lotterie zwingend die Existenz eines Totalisators und damit einhergehend die Absicherung des Gewinns durch diesen nötig.954 Prinzip eines Totalisators ist, dass die Spieler nicht gegen den Veranstalter, sondern gegeneinander spielen, mit dem Effekt, dass der auszuschüttende Gewinn niemals höher sein kann als der im Totalisator konkret eingespielte Betrag abzüglich der Ausgaben, was zur Folge hat, dass eine Gewinnauszahlung für die Spieler immer garantiert ist, da weder den Veranstalter noch die Spielteilnehmer ein wirtschaftliches Ausfallrisiko trifft.955 Dies sei aber bei den Zweitlotterien gerade nicht der Fall. Diesbezüglich s­ichert nicht der Totalisator den Gewinn ab, sondern Finanzmarktprodukte, weshalb auch ­ durchaus – im Gegensatz zum Totalisator – eine Ausfallwahrscheinlichkeit bei Verkalkulieren des Zweitlotterieveranstalters droht. c) Vorzugswürdige Ansicht Zunächst ist hierzu klarzustellen, dass der Totalisator keine zwingende Voraussetzung einer Lotterie darstellt. Hierzu zeigt sich auch der Verweis von Dünchheim auf Krehl als wenig ergiebig, da sich dort keine Aussage zum Totalisator findet. Vielmehr ist im Rahmen der mit den Lotterien korrespondierenden Materie des Lotterievertrags, der zivilrechtlich jeder Lotterieteilnahme zugrunde liegt956, vgl. § 763 BGB, auch anerkannt, dass die Totali­ satorwette zwar ein Unterfall der Lotterie ist, nicht jedoch, dass der Begriff der Lotterie und der Totalisatorwette gleichbedeutend sind.957 Dennoch ist dem insoweit zuzustimmen, dass der Großteil aller staatlichen Lotterien in Deutschland auf einem Totalisator beruhen. Ausnahme bildet lediglich die 952  Vgl. OVG Hamburg BeckRS 2017, 113753 Rn. 27; OVG Saarlouis ZfWG 2019, 362 (366). 953  BVerwG BeckRS 2015, 43496 Rn. 23; OVG Hamburg BeckRS 2017, 113753 Rn. 27; vgl. insoweit auch VG Saarlouis BeckRS 2016, 41318; OVG Saarlouis ZfWG 2019, 362 (366). 954  Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (84) mit Verweis auf LK/Krehl, § 287 Rn. 4. 955  Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (84); vgl. zum System des Totalisators auch Erbs/ Kohlhaas/Wache/Lutz § 1 RennwLottG Rn. 1 ff. 956  Vgl. hierzu MüKo-BGB/Habersack, § 763 Rn. 1 f. 957  Vgl. MüKo-BGB/Habersack, § 763 Rn. 6.



C. Online-Lotterien293

„GlücksSpirale“, hierbei ist der Gewinn grundsätzlich eine Festsumme, wobei eine Verminderung stattfindet, wenn mehr als eine bestimmte Anzahl Gewinner in eine Gewinnklasse fallen. Hingegen ist ein „Mehr-Gewinn“ bei mehr Spielern ausgeschlossen, die „Mehreinnahme“ kommt dann dem Veranstalter zugute.958 Andererseits ist der Aussage nicht zuzustimmen, dass der Begriff der Lotterie im Rahmen des GlüStV zwingend nicht anders ausgelegt werden darf als der Begriff der Lotterie im Rahmen des § 287 StGB.959 Dies ist bereits aus dem Grund zweifelhaft, da beide Begriffe in die Zuständigkeiten verschiedener Gesetzgeber fallen. Auch der Begriff des Glücksspiels im Rahmen des § 284 I StGB und im Rahmen des § 3 I 1 GlüStV wird zumindest unterschiedlich definiert, einerseits sei ein Einsatz, andererseits ein Entgelt notwendig.960 Ob dies wiederum zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, ist wiederum umstritten961, weshalb sich zumindest ein zwingender Schluss vom Strafrecht auf den GlüStV verbietet. Zwar wird aufgrund der Verwaltungsakzessoriät häufig ein Gleichlauf der beiden Begriffe angenommen, dieser ist jedoch nicht zwingend, vielmehr obliegt es dem Willen des jeweiligen Gesetzgebers, wie er einen Begriff ausgestalten will.962 Maßgeblich ist also nicht der strafrechtliche Begriff der Lotterie als solcher, sondern zunächst, ob der Gesetzgeber eine Adaption von diesem überhaupt wünschte. Ein zwingender Schluss, dass die Landesgesetzgeber bei ihrer Begriffsbestimmung in ihrer ordnungsrechtlichen Regelung per se nicht weiter gehen dürfen als der Bundesgesetzgeber, ist in der von Koenig zitierten Entscheidung gerade nicht enthalten, vielmehr vollzieht auch das BVerwG eine Auslegung des Begriffs des Glücksspiels.963 Die in § 3 III 1 GlüStV enthaltene Definition geht auf den Lotteriestaatsvertrag zurück, der in § 3 III 1 LottStV964 den gleichen Wortlaut hatte.965 Im Rahmen der Erläuterungen äußern sich die Gesetzgeber aber lediglich zu § 3 II GlüStV, jedoch wird hieraus ersichtlich, dass der Gesetzgeber bewusst 958  Vgl. hierzu https://www.lotto.de/gluecksspirale/spielregeln, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 959  So aber Koenig, ZfWG 2017, 335 (335 f.). 960  Vgl. BeckOK-StGB/Hollering, § 284 Rn. 9. 961  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Hüsken, § 3 Rn. 5 m. w. N. 962  Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2009 – OVG 1 S 203.08 –, juris Rn. 6; und BVerwG NVwZ 2014, 889 (891), die nicht zwingend von dem Einen auf das Andere schließen, sondern schlicht den Begriff nach dem Willen des Gesetzgebers auslegen. 963  Vgl. BVerwG NVwZ 2014, 889 (890). 964  Bay- GVBl. 2004, S. 230. 965  Wobei die ordnungsrechtliche Definition der Lotterie noch viel weiter bis ins Jahr 1794 zurückreicht, vgl. hierzu Palm/Gaibler, ZfWG 2019, 330 (333).

294 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten mehr vom Begriff der öffentlichen Lotterie erfassen wollte als dies beim § 287 StGB der Fall war.966 So formuliert er: „Während § 287 StGB wegen Fehlens einer dem § 284 II StGB entsprechenden Gleichstellungsklausel nicht öffentliche Lotterien in einem Verein oder einer sonstigen geschlossenen Gesellschaft auch dann nicht unter Strafe stellt, wenn sie gewohnheitsmäßig betrieben werden, stellt der Staatsvertrag diese unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten gleich.“967 Diese Erwägung des Gesetzgebers hat auch immer noch Bestand, da alle Ausführungen der Staatsverträge danach auf den Lotteriestaatsvertrag verweisen.968 Dem Gesetzgeber kam es demnach also darauf an, die ordnungsrechtliche Regulierung anhand des GlüStV im Bereich der Lotterien zumindest vom Umfang her anders zu fassen als dies im Rahmen der strafrechtlichen Sanktionierung im Rahmen des § 287 StGB der Fall ist, weshalb eine Auslegung allein anhand des Begriffs der Lotterie im Rahmen des § 287 StGB unter diesem Gesichtspunkt zumindest nicht gänzlich möglich ist.969 Auch ist sie aus der Forderung eines „bestimmten Plans“ im Rahmen des § 3 III 1 GlüStV durchaus von einer eigenen Entscheidung des Veranstalters abhängig, ein bloßes Kopieren genügt daher nicht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Begriff des „Plans“ in gewisser Weise einen geistig-schöpferischen Kreationsakt bzw. zumindest einen technisch generierten voraussetzt.970 So ist auch nach dem allgemeinen Sprachverständnis ein Plan als eine Vorstellung von der Art und Weise, in der ein bestimmtes Ziel verfolgt, ein bestimmtes Vorhaben verwirklicht werden soll bzw. als Absicht bzw. Vorhaben zu verstehen.971 Diesbezüglich kann durchaus der Plan von jemanden aufgestellt werden und dann von jemanden anderes umgesetzt werden, alltägliches Beispiel ist, dass ein Architekt ein Haus plant und diesen Plan dann an den Bauunternehmer übergibt, der diesen Plan dann ausführt. auch verweisend Palm/Gaibler, ZfWG 2019, 330 (332). zum Lotteriestaatsvertrag, S.  24  f., abrufbar unter: https:// gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Rechtssprechung/Lotteriestaatsvertrag.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 968  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 21 erläutert lediglich die Erweiterung der Defini­ tionen, die Begründung zum GlüStV a. F. S. 11; abrufbar unter https://gluecksspiel. uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Staatsvertrag/GlueStV_Be gruendung.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020, stellt wiederum klar, dass die bisherigen Absätze 1 bis 3 des Lotteriestaatsvertrags übernommen werden. 969  Im Ergebnis bedeutet dies, dass Zweitlotterien durchaus „Lotterien“ im Sinne des § 287 StGB sein können, wohingegen diese aber im Rahmen des GlüStV vielmehr nicht als Lotterie im Sinne des § 3 III GlüStV zu sehen sind. 970  Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (84). 971  Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Plan_Vorhaben_Entwurf_Karte, zu­ letzt abgerufen am: 06.10.2020. 966  Hierauf

967  Erläuterungen



C. Online-Lotterien295

Der Plan im Sinne des § 3 III 1 GlüStV muss aber wiederum nach der Legaldefinition „bestimmt“ sein.972 Diese bestimmte Vorstellung von der Art und Weise, in der ein bestimmtes Ziel verfolgt, ein bestimmtes Vorhaben verwirklicht werden soll, kann aber lediglich der Veranstalter der Lotterie als solcher haben. Nur dieser kann durch seine Entscheidungen den Spielplan bestimmen. Hingegen ist der Anbieter der Zweitlotterie von dem Spielplan der Primärlotterie abhängig, die Zweitlotterie läuft gerade nicht nach einem bestimmten Plan des Zweitlotterieveranstalters ab. Oder, um das Architekten bzw. Bauunternehmerbeispiel zu bemühen: Der Bauunternehmer baut lediglich nach dem Plan des Architekten, dieser bestimmt aber gerade, was wie wann gebaut werden muss. Ändert der Architekt den Plan, so muss der Bauunternehmer folgen, andrerseits droht das Bauunternehmen sich aufgrund nicht aufeinander abgestimmter Gewerke zu verzögern bzw. ganz zu scheitern. Auch der Verweis auf eine systematische Erwägung dahingehend, dass es den Lotterieunternehmen offenstände über die Vorschrift des § 9 V GlüStV selbst Zweitlotterien anzubieten, überzeugt nicht. Bei § 9 V GlüStV handelt es sich lediglich um eine Fachbeiratspflicht, die im aufsichtsbehördlichen Kontext zu sehen ist, hingegen lässt sich hieraus aber nicht ableiten, dass eine Zweitlotterie eine Lotterie im Sinne des § 3 III 1 GlüStV ist.973 Die Fachbeiratspflicht des § 9 V GlüStV dient dazu, den Aufsichtsbehörden die notwendige fachliche Unterstützung bei der Beurteilung einer Vereinbarkeit eines neuen Glücksspielangebots mit den Zielen des § 1 GlüStV zu geben.974 Jedoch ergibt sich hieraus keine Auslegung des Lotteriebegriffs, ein „neues Glücksspielangebot“ kann alles sein, was unter § 3 I GlüStV fällt, genauso wäre also eine Fachbeiratspflicht gegeben, wenn man die Zweitlotterie als Wette im Sinne des § 3 I 3 GlüStV einstufen würde. Die von Koenig herangezogene Schlussfolgerung vermag daher nicht zu überzeugen. Auch ist die Anwendung einer wirtschaftlich-teleologischen Auslegung bereits kritisch neben dem anerkannten Auslegungsquartett von Wortlaut, Systematik, Telos und Historie zu sehen. Darüber hinaus ist eine derartige Auslegung auch nicht möglich. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen vom Gesetzgeber zu berücksichtigenden Faktor im Rahmen der Gesetzgebung.975 Darüber hinaus ist zu beachten, dass nie ein Wettbewerb eintreten wird, der als „fair“ zu bezeichnen wäre, da der inländische Anbieter an die Regularien des GlüStV gebunden wäre, der aus dem Ausland sich aber im 972  Palm/Gaibler,

ZfWG 2019, 330 (334). ZfWG 2018, 82 (85). 974  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig/Oldag, § 9 GlüStV Rn. 57; Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 27. 975  Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (85). 973  Dünchheim,

296 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Zweifel nicht daran hält, was diesem einen wirtschaftlichen Vorteil bringen würde.976 Die Auslegung eines bestehenden Gesetzes dahingehend, wie es im aktuellen Zeitpunkt am wirtschaftlich effektivsten ist, ist aber gerade nicht möglich, da sich die Auslegung mit dem Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse mit wandeln würde, also das jeweilige Merkmal je nach Zeitpunkt der Betrachtung anders zu beurteilen wäre; dies wäre mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren.977 Im Ergebnis sind daher Zweitlotterien nicht vom Begriff der Lotterien im Rahmen des § 3 III 1 GlüStV erfasst, da es bei diesen an einem vom Veranstalter bestimmten Spielplan fehlt. Es handelt sich vielmehr um Wetten auf den Ausgang einer Primärlotterie im Sinne des § 3 I 3 GlüStV. 3. Eigene Kreation der Onlineanbieter Jedoch ist für die nachfolgende Untersuchung dennoch zu berücksichtigen, dass die Gleichstellung von „staatliche Lotterie = Primärlotterie“ und „Zweitlotterie = Wette“ nicht abschließend ist. Zu beachten ist, dass die im Internet vertretenen Akteure „Lotterien“ anbieten, die von diesen selbst kreiert wurden. Prominentestes Beispiel ist das von Lottohelden ins Leben gerufene Angebot der „WorldMillions“, wobei je nach Spielscheineinsatz, der fest vorgegeben ist, jeweils eine Chance auf einen fest vorgegebenen Gewinn zwischen 50 – 150 Mio. Euro besteht, wobei 8 Zahlen gespielt werden.978 Die Ziehung der jeweiligen Zahlen erfolgt nicht durch Lottohelden selbst, sondern die Gewinnzahlen basieren auf den Gewinnerlosnummern im Rahmen der staatlich kontrollierten Ziehungen der KENO Zusatzlotterie Plus5 und der französischen KENO-Zusatzlotterie Joker+. Die ersten 4 Stellen der Gewinnzahl entsprechen stets den letzten vier Ziffern von Plus5 und die letzten vier Stellen jeweils den letzten vier Ziffern von Joker+.979 Die maßgebliche Frage ist in diesem Zusammenhang erneut, ob der Spielplan diesmal vom Veranstalter stammt oder, ob der Spielplan wiederum lediglich kopiert wird.

976  Palm/Gaibler,

ZfWG 2019, 330 (334). hierzu Maunz/Dürig/Grzeszick Art. 20 GG VII. Rn. 50 ff. 978  Vgl. https://www.lottohelden.de/worldmillions/ zuletzt abgerufen am: 06.10. 2020. 979  Vgl. https://www.lottohelden.de/hilfe/worldmillions/ zuletzt abgerufen am: 06.10.2020; gleiches gilt für Lottoland, hierbei handelt es sich lediglich um eine weitere Tochter im Konzernverbund, wie auch an den gleichen maltesischen Adressen sichtbar wird. 977  Vgl.



C. Online-Lotterien297

Nicht gegen eine Lotterie spricht der Umstand, dass es dem Spieler möglich ist, auf unterschiedliche Gewinne zu setzen, soweit – wie hier – der Gewinn und der Verlust von Beginn an bekannt ist.980 Jedoch ist erneut eine Abhängigkeit des Online-Lottoanbieters von den Primärlotterien gegeben, denn mangels eigener Durchführung der Auslosung ist eine Abhängigkeit von den Erstlotterien insoweit gegeben, „dass eine Modifizierung des Spielplanes durch die Erstlotterie dem Veranstalter der Zweitlotterie zwingend eine Reaktion auf diese Veränderung abverlangt.“981 Nach Ansicht des VG Ansbach schließt „dieses konzeptionell angelegte […] Abhängigkeitsverhältnis […]“ ein auf einem eigenen Plan beruhendes Spiel­ angebot aus.982 Besonderheit ist aber, dass diese Abhängigkeit lediglich partiell besteht, alle anderen Modalitäten werden vom Online-Anbieter geregelt, lediglich die Ziehung der Gewinnzahlen erfolgt „extern“. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass die Bestimmung eines Spielplans auch beträchtlich davon abhängt, wann die Gewinnzahlen gezogen werden. Nach diesem Kriterium richten sich auch Folgekriterien, wie z. B. der Zeitraum der Losabgabe etc. Hinsichtlich dieses Kriteriums ist aber der Online-Anbieter gänzlich von Primäranbietern abhängig, es ist ihm gerade nicht möglich im Rahmen „seines“ Spielplans eine Lotterie für sich abzuhalten, vielmehr hängt die Lotterie wieder von externen Faktoren ab, auf die der jeweilige Anbieter keinen Einfluss hat. Es handelt sich demnach nicht gänzlich um „seinen“ Spielplan, weshalb es sich um keinen bestimmten Plan des Veranstalters im Sinne des § 3 III 1 GlüStV handelt, vielmehr handelt es sich auch im Rahmen der „WorldMillions“ um eine Wette im Sinne des § 3 I 3 GlüStV. 4. Ergebnis Vorliegend ist also zu beachten, dass momentan lediglich das Angebot der staatlich zugelassenen Lotterien im Rahmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks als Lotterie im Sinne des § 3 III 1 GlüStV einzustufen sind. Jedoch bestehen diesbezüglich bereits Bestrebungen, an dieser Tatsache etwas zu ändern.983 Die maßgebliche Frage ist daher, ob es überhaupt per OnlineVertrieb möglich wäre, ohne die Konsequenz einer strafrechtlichen Sanktion, online in Deutschland Primärlotterien anzubieten. Ebenso stellt sich die 980  MüKo-StGB/Hohmann,

§ 287 Rn. 9; BeckOK-StGB/Hollering, § 287 Rn. 7. Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 28 f. 982  VG Ansbach BeckRS 2016, 114274 Rn. 28 f. 983  Vgl. Willmroth, Angriff auf ein heiliges Monopol, abrufbar unter: https://www. sueddeutsche.de/wirtschaft/gluecksspiele-angriff-auf-ein-heiliges-monopol-1.3420589; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 981  VG

298 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Frage, welche strafrechtliche Konsequenz Anbietern von den oben dargestellten Zweitlotterien droht, wenn diese ihre Wetten ohne Erlaubnis in Deutschland anbieten.

II. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Schlussendlich ergibt sich die Beantwortung dieser Frage aus der Beurteilung zweier Vorfragen: Ist das Lotteriemonopol in Deutschland, so wie es in §§ 4 I 1, 10 II, III GlüStV geregelt ist, mit höherrangigem Recht vereinbar? Und ist darüber hinaus das hiervon losgelöste Internetvertriebsverbot in §§ 4 IV, V GlüStV ebenso mit höherrangigem Recht vereinbar? Darüber hinaus ist hinsichtlich der Zweitlotterien zu beachten, dass diese, sollte man sie richtigerweise als Wette und nicht als Lotterie einordnen, gem. § 4 I 1 GlüStV zwar erlaubnispflichtig sind, da sie als Wetten gem. § 3 I 1, 3 GlüStV Glücksspiele sind. Jedoch besteht für private Veranstalter keine Möglichkeit der Erlaubnisfähigkeit dieser Wetten, denn gem. § 10 II, III GlüStV besteht auch auf diese Wetten ein Staatsmonopol, denn die Zweit­ lotterien als Wetten fallen nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 10 VI GlüStV und es ergibt sich auch keine Abweichung von § 10 VI GlüStV, wie im Rahmen der Sportwetten. Daher ähneln Zweitlotterien im Rahmen ihrer rechtlichen Regulierung ohne anwendbare Sondervorschriften im Rahmen des GlüStV eher den Online-Casinos als den Lotterien, da deren Erlaubnis hauptsächlich von den Erlaubnissen nach § 4 I 1 GlüStV und § 4 IV,V GlüStV abhängt. Daher sollen diese auch getrennt geprüft werden. Wie auch im Rahmen des Sportwettenkonzessionssystems ist eine Überprüfung der Vereinbarkeit des Lotteriemonopols mit dem höherrangigen Recht sowohl anhand des Kriteriums der Verfassungsmäßigkeit als auch anhand des Kriteriums der Unionsrechtskonformität vorzunehmen. 1. Verfassungsmäßigkeit des Lotteriemonopols Zunächst ist daher der Aspekt der Verfassungsmäßigkeit zu betrachten. Maßgeblicher Prüfungsmaßstab ist hierbei erneut die in Art. 12 I GG garantierte Berufsfreiheit. Diesbezüglich ist, wie bereits zuvor herausgearbeitet wurde, zunächst zwischen der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit zu unterscheiden. Im Rahmen der materiellen Verfassungsmäßigkeit ist wiederum der herkömmliche Prüfungsaufbau von Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung heranzuziehen.



C. Online-Lotterien299

a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Im Gegensatz zur Thematik der Sportwetten erfolgte bisher keine klare Aussage der Rechtsprechung zur Frage der Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich des Lotterierechts, insofern kommen sowohl eine ausschließliche Länderkompetenz mangels Kompetenztitel des Bundes als auch eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes aufgrund des Rechts der Wirtschaft gem. Art. 74 I Nr. 11 GG in Betracht.984 Eine Klarstellung des BVerfG erfolgte – im Gegensatz zu den Sportwetten – bisher nicht. Ob auch Lotterien der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz unterfallen, ließ das Gericht bisher dahingestellt, da „der Bund jedenfalls nicht in der Weise [von einem Kompetenztitel] Gebrauch gemacht [hat], dass den Ländern der Erlass der angegriffenen Vorschriften verwehrt wäre.“985 Insbesondere zeige sich dies am Ausschluss der Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen aus den Regelungen der §§ 33c ff. GewO gem. § 33h GewO.986 Wie bereits oben erläutert987, könnte sich in der GewO aber eine Regelung des Bundesgesetzgebers zur Vermittlung von Lotterieleistungen befinden. Hinsichtlich der „Vermittlung“ sind im Rahmen der Gewerbeordnung nicht die §§ 33c ff. GewO die maßgeblichen Vorschriften, diese sprechen ausdrücklich vom „veranstalten“, sondern vielmehr wäre die Vorschrift des § 6 I 2 GewO die zur Vermittlung sachnähere.988 Gem. § 6 I 2 GewO findet die Gewerbeordnung nur insoweit Anwendung, wie diese ausdrückliche Bestimmungen für „den Vertrieb von Lotterielosen“ enthält. Die Gewerbeordnung differenziert bewusst zwischen dem Vertrieb in § 6 I 2 GewO und der Veranstaltung in § 33h Nr. 2, 3 GewO, denn der Vertrieb als solcher ist mit spezifischen gewerberechtlich relevanten Fragen verbunden.989 Gem. § 6 I 2 GewO anwendbare Vorschriften sind die Anzeigepflicht des § 14 I, II GewO und die Möglichkeit der Untersagung des Handels mit Losen bei Unzuverlässigkeit gem. § 35 IX GewO.990 Handelt es sich aber bei dieser gewerberechtlichen Regelung um ein abschließende Regelung des Bundesgesetzgebers, so ist es dem Landesgesetzgeber genommen, eine eigene Regelung zum Regelungskomplex „Vertrieb von Lotterielosen“ zu 984  Janich,

Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 44. NVwZ 2008, 1338 (1340). 986  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 987  Vgl. S. 194 f. 988  Korte, NVwZ 2009, 283 (284); vgl. Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1227). 989  BeckOK-GewO/Holzner, § 6 Rn. 56a, 56b. 990  BeckOK-GewO/Holzner, § 6 Rn. 57; vgl. Korte, ZfWG 2018, 507 (510); Pieroth/ Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1228). 985  BVerfG

300 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

schaffen. Entscheidendes Kriterium ist daher, wieweit die bundesgesetzliche Normierung reicht und wieweit sich hierdurch eine damit einhergehende Sperrwirkung gegenüber den Landesgesetzgebern entfaltet.991 So wird vertreten, dass hierunter jeder fällt, der Lose verkauft oder andere Handlungen vornimmt, die auf den Abschluss von Spielverträgen zwischen dem Veranstalter und Spielern gerichtet sind. Insofern seien sowohl Lotterieannahmestellen als auch Lotterieeinnehmer der Klassenlotterien erfasst.992 Jedoch seien auch gewerbliche Spielvermittler993 und Wettannahmestellen mit umfasst.994 Dennoch ist diesbezüglich keine Sperrwirkung der Regelungen der GewO hinsichtlich einer eigenen Gesetzgebungskompetenz der Landesgesetzgeber zur Thematik der Lotterievermittlung gegeben, weshalb es auf die vorgelagerte Frage, ob das „Lotterierecht“ eine ausschließliche Landeskompetenz ist,995 nicht ankommt. § 6 I 2 GewO regelt im Grundsatz, dass die Gewerbeordnung gerade nicht anwendbar ist, weshalb, wie oben gezeigt, daher lediglich die §§ 14 I, II und 35 IX GewO Anwendung finden. Der in § 1 GewO verankerte Grundsatz der Gewerbefreiheit findet aus diesem Grund gerade auch keine Anwendung. Aufgrund dieser lediglich partiellen Erfassung der Lotterievermittlung und der Abkehr vom Grundsatz der Gewerbefreiheit ist auch keine abschließende Regelung des Bundesgesetzgebers hinsichtlich des „ob“ der Vermittlungstätigkeit gegeben.996 Da daher kein Erlaubnistatbestand bzw. auch kein bewusster Verzicht auf diesen im Sinne eines „beredeten Schweigens“ seitens des Bundesgesetzgebers erfolgte, ist es dem Landesgesetzgeber möglich, selbst einen Erlaubnistatbestand für die Vermittlung von Lotterien zu schaffen, was dieser mit § 4 I 1 GlüStV auch tat.997 Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass GlüStV und GewO sich insoweit unterscheiden, als die Gewerbeordnung sich auf personenbezogene Verhaltens­ defizite des „Gewerbetreibenden“ bezieht, wohingegen die auf den GlüStV gestützten Verfügungen sich darauf beziehen, dass bereits die Tätigkeit selbst bzw. als solche verboten ist, die Gefahr also bereits entsteht, ohne dass es

Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1228). § 6 GewO Rn. 41–43; BeckOK-GewO/Holzner, § 6 Rn. 56b; Korte, NVwZ 2009, 283 (284); Korte, ZfWG 2018, 507 (511). 993  A.A Pieroth/Görisch, NVwZ 2005, 1225 (1230). 994  Tettinger/Wank/Ennuschat, §  6 GewO Rn. 41–43; BeckOK-GewO/Holzner, § 6 Rn. 56b; Korte, NVwZ 2009, 283 (284); Korte, ZfWG 2018, 507 (511). 995  Vgl. zu diesem Aspekt umfassend Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 43. 996  So aber Korte, ZfWG 2018, 507 (511). 997  Vgl. Tettinger/Wank/Ennuschat § 6 GewO Rn. 42. 991  Vgl.

992  Tettinger/Wank/Ennuschat,



C. Online-Lotterien301

zusätzlich auf ein Verhalten des konkreten „Gewerbetreibenden“ ankommt; die Anknüpfungspunkte unterscheiden sich also.998 Mangels entgegenstehender Bundesgesetzgebung oder ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz des Bundes sind daher die das Lotteriemonopol anordnenden Vorschriften formell verfassungsgemäß, wobei die Frage, ob es sich um eine ausschließliche Länderkompetenz oder um eine konkurrierende Bundeskompetenz gem. Art. 72 I Nr. 11 GG handelt, dahinstehen kann. b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Auch müssten die Regelungen materiell verfassungsgemäß sein, wobei maßgeblicher Prüfungsmaßstab erneut ist, ob eine Verletzung des Art. 12 I GG vorliegt. aa) Schutzbereich, Eingriff Hinsichtlich der Thematik des Schutzbereichs ergeben sich keinerlei ­ weifel. Die Tätigkeit des Lotterieanbieters bzw. das Anbieten von Lotterien Z stellt, genauso wie das Berufsbild des Sportwettenveranstalters, ein eigenes Berufsbild dar, weshalb der sachliche Schutzbereich auch eröffnet ist.999 Hinsichtlich der Thematik des persönlichen Schutzbereichs im EU-Ausland sitzender Unternehmen sei auf die Ausführungen im Rahmen der Sportwetten verwiesen.1000 Der Eingriff ist wiederum darin zu sehen ist, dass es den Grundrechtsträgern aufgrund eines Staatsmonopols hinsichtlich der großen Jackpotlotterien rechtlich unmöglich gemacht wird, ihr aus Art. 12 I GG verbürgtes Grundrecht auszuüben. Jedoch ist erneut insoweit zu fragen, in welcher gesetz­ lichen Formulierung der eigentliche Eingriff überhaupt enthalten ist, denn dieser Eingriff muss sich wiederum dann in einem nächsten Schritt rechtfertigen. Wie oben gezeigt,1001 erfolgt der Eingriff nicht selbst durch § 284 I StGB bzw. bei Lotterien als lex specialis § 287 I StGB, denn dieser ist verwaltungsakzessorisch zum Glücksspielverwaltungsrecht. Dieses ordnet wiederum die Beschränkung des Grundrechtsträgers dahingehend an, ob und wie 998  In diese Richtung auch Korte, ZfWG 2018, 507 (511) und BVerwG DÖV 2007, 119 (120). 999  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 127. 1000  Vgl. S. 200 ff. 1001  Vgl. S. 203 ff.

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er sein Grundrecht ausüben darf. Die Normen des StGB hingegen bewehren diese Vorgabe bei einer Zuwiderhandlung lediglich mit einer Strafe, ohne selbst ein Ob und Wie vorzugeben. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich das „Staatsmonopol“ nicht aus einer einzigen Norm ergibt, vielmehr ergibt sich dieses aus einer Zusammenschau der Norm des § 4 I 1 GlüStV, die einen Erlaubnisvorbehalt anordnet, und § 10 I, II GlüStV. Das eigentliche Staatsmonopol wiederum ergibt sich aus § 10 I, II GlüStV der hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit vorschreibt, dass eine Erlaubniserteilung nur an die Länder oder an die von den Ländern beherrschten privatrechtlichen Gesellschaften möglich ist. Der Eingriff dahingehend, dass jeglicher privater Akteur von der Ausübung des Grundrechts im Rahmen der Lotterien – bis auf die in § 10 VI GlüStV statuierte Ausnahme – ausgeschlossen wird, da ihm keine Erlaubniserteilung ermöglicht wird, findet demnach gerade erst durch § 10 I, II GlüStV statt, weshalb der Eingriff durch diese Regelung der Erlaubnisfähigkeit als gesonderter, schwerwiegender Eingriff neben dem in § 4 I 1 GlüStV enthaltenen Eingriff im Rahmen eines Erlaubnisvorbehalts gesehen werden muss. Die Untersuchung soll sich daher zunächst auf den Eingriff durch § 10 I, II GlüStV begrenzen. bb) Rechtfertigung, insb. Verhältnismäßigkeit Wie oben gezeigt, gilt für die Berufsfreiheit ein einfacher Gesetzesvorbehalt, diese ist „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ einschränkbar, wobei das eingreifende Gesetz in jeder Hinsicht verfassungskonform, also sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß sein muss.1002 Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde, was gerade bejaht wurde, und diese Beschränkung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.1003. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.1004 Daher müssen die Eingriffe zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und dürfen nicht weiter gehen als es die Gemeinwohlbelange erfordern, müssen also auch erforderlich sein.1005 Die 1002  BeckOK-GG/Ruffert, 1003  So

Art. 12 Rn. 86. das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung, NJW 2006, 1261 (1263

Rn. 94). 1004  BVerfG NJW 1966, 291; NJW 2002, 666 (667). 1005  BVerfGE 101, 331 [347]; BVerfG NJW 2002, 666 (667).



C. Online-Lotterien303

Eingriffsmittel dürfen zudem nicht übermäßig belastend sein,1006 so dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (Angemessenheit).1007 Die Statuierung eines Monopols auf Jackpotlotterien muss also in verhältnismäßiger Weise, also in geeigneter, erforderlicher und angemessener Art und Weise, ein legitimes Ziel verfolgen.1008 (1) Einordnung des Lotteriemonopols in die Drei-Stufen-Theorie Wie auch im Rahmen der Sportwetten, soll zunächst eine Einstufung des Lotteriemonopols in die Drei-Stufen-Lehre des BVerfG erfolgen, um anschließend an diesem Maßstab die Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen. Wie bereits oben ausgeführt,1009 handelt es sich bei der Einordnung in die Drei-Stufen-Lehre nicht um eine zwingende Einstufung im Rahmen der Rechtfertigungsdogmatik, vielmehr stellt diese lediglich eine Orientierungshilfe dahingehend dar, wie die Eingriffsintensität zu werten ist und welche Voraussetzungen zur Rechtfertigung hierzu notwendig sind. In diesem Zusammenhang steht zur Debatte, ob der Regelungsmechanismus aus § 10 I, II GlüStV einerseits und §§ 10 VI, 12 ff. GlüStV andererseits, der privaten Akteuren eine Erlaubnisfähigkeit für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial eröffnet, in der Konsequenz dazu führt, dass die Regelung des § 10 I, II GlüStV als bloße Berufsausübungsregelung zu verstehen ist, da der Lotteriebetreiber weiterhin Lotterien durchführen kann.1010 Richtigerweise ist aber durch die Privilegierung der staatlichen Akteure dahingehend, dass Private andere Lotterien als die in den §§ 12 ff. GlüStV Beschriebenen nicht veranstalten dürfen, eine objektive Berufswahlregelung zu sehen. Dies begründet sich bereits daraus, dass privaten Akteuren der Kernmarkt der Lotterien hierdurch fast vollständig verschlossen wird.1011 Gem. § 12 I Nr. 3 GlüStV setzt eine Erlaubnis voraus, dass keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgt werden, die über den mit dem Hinweis auf die Bereitstellung von Gewinnen verbundenen Werbeeffekt hinausgehen. Im Umkehrschluss ist es privaten Anbietern gerade nicht möglich Lotterien zu ver1006  Vgl.

BVerfG NJW 1966, 291 (292 ff.). BVerfG NJW 2001, 353 (354); NJW 2003, 879. 1008  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 87 ff. 1009  Vgl. S. 207 ff. 1010  Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht 2008, § 12 Rn. 7 und Art. 12 GG Rn. 13; vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf. Rn. 17. 1011  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 127. 1007  Vgl.

304 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

anstalten, wenn sie damit wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke ist aber gerade bereits definitionsmäßig Bestandteil des Begriffs des durch Art. 12 I GG geschützten Berufs. Dieser setzt eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage voraus, was eine Gewinnerzielungsabsicht erfordert.1012 Im Rahmen der nach §§ 12 ff. GlüStV erlaubnisfähigen Lotterien dürfen aber gerade keine wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden, wodurch der Kernbereich der Tätigkeit des Lotterieunternehmers wegfällt, weshalb von objektiven Berufswahlregelungen auszugehen ist, da dem Grundrechtsträger nicht die Möglichkeit offensteht, den Beruf des Lotterieunternehmers auszuüben, da ihm das Regelungskonstrukt aus §§ 10 I, II, VI, 12 ff. GlüStV eine wirtschaftliche Betätigung als Lotterieunternehmer verbietet.1013 Das staatliche Monopol auf jegliche nicht unter die §§ 12 ff. GlüStV fallenden Lotterien ist daher als objektive Berufswahlregelung einzuordnen.1014 (2) Legitimer Zweck Der Gesetzgeber müsste mit seiner Regelung einen legitimen Zweck verfolgen. Insofern sind objektive Berufswahlregelungen im Grundsatz nur zur Abwendung einer nachweislichen oder höchstwahrscheinlichen Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut möglich.1015 Im Rahmen der Thematik des Glücksspiels findet jedoch eine gewisse Abweichung von der vom BVerfG gewählten Dogmatik statt. In seiner Sportwettenentscheidung forderte das BVerfG hierzu „tragende Gründe des Gemeinwohls“.1016 Auch in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 zu den Spielhallen forderte das BVerfG zur Rechtfertigung von objektiven Berufszugangsvoraussetzungen „hinreichende Gründe des Gemeinwohls“, wobei diese in diesem Fall „der Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut“ dienen müssen.1017

1012  BeckOK-GG/Ruffert Art. 12 Rn. 40, 42; vgl. Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 GG Rn. 32, 34. 1013  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 128; Jarass, Lotteriemonopol, S. 22., vgl. Grzeszick, Lotteriemonopol, S. 14 f. 1014  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 133.2; Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rn. 87. 1015  Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 57; BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 99; Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rn. 48; BVerfG NJW 1958, 1035 (1038 f.); BVerfG NJW 1969, 499 (500); BVerfG NJW 1976, 179 (179 f.); BVerfG NJW 1991, 1667 (1669). 1016  BVerfG NJW 2006, 1261. 1017  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1117 Rn. 132).



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Wie im Rahmen der Sportwetten verfolgt auch die Regulierung im Bereich der Lotterien (zumindest auf dem Papier) die Ziele des § 1 GlüStV. Die Beibehaltung des Staatsmonopols begründet der Gesetzgeber damit, dass dies helfe, die „Ziele des § 1 effektiver zu verfolgen“.1018 Wie bereits im Bereich der Sportwetten erläutert,1019 handelt es sich nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung bei der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht im Sinne des § 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV um ein „besonders wichtiges Gemeinwohlziel“, das in der Lage ist, eine objektive Berufszulassungssperre zu rechtfertigen.1020 Darüber hinaus erkannte das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung den „Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter“, einen darüber hinausgehenden Verbraucherschutz und die „Abwehr von Gefahren aus mit dem Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität“ als legitime Ziele an.1021 Dies wurde später auch dahingehend präzisiert, dass das Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen im Sinne des § 1 GlüStV, ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel sei, das selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermag.1022 Insbesondere die Verhinderung von Glücksspielsucht und die wirksame Suchtbekämpfung seien besonders wichtige Gemeinwohlziele, da die Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen könne.1023 Ebenso wird, wie bei den Konzessionen, auch bei den Lotterien der Staatsvorbehalt damit gerechtfertigt, dass gegenüber der bloßen Aufsicht über Private ein erhöhtes Steuerungspotential der Länder über Unternehmen im Sinne des § 10 Abs. 2 bestehe, dass sie „über zusätzliche Mittel, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen und steuern können“,1024 verfügen. Wie bereits oben erläutert, genügt eine bloße Kontrollerleichterung nicht1025, um einen Eingriff in die Grundrechte zu rechtfertigen, vielmehr bedarf es einer hier1018  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 18. S. 212. 1020  BVerfG, NJW 2006, 1261 (1263); ebenso Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 60. 1021  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 1022  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1023  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1024  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18, 28. 1025  Vgl. BVerfG, NVwZ 2001, 790 (793 f.); Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 41; Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (13); BVerfG NJW 1984, 556 (557); BVerfG NJW 1992, 2621 (2623). 1019  Siehe

306 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

durch erst möglichen qualitativ wirksamen Kontrolle.1026 Die bloße leichtere staatliche Überwachung entspricht nicht der Auffassung des Grundgesetzes von der grundsätzlichen Stellung des unbescholtenen Bürgers im Staat, weshalb eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit auch nicht hierauf gestürzt werden kann.1027 Hingegen zog aber das BVerfG, wie gezeigt, in seiner Sportwettenentscheidung den „Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter“, einen darüber hinausgehenden Verbraucherschutz und die „Abwehr von Gefahren aus mit dem Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität“ als legitime Ziele heran.1028 Maßgebliches Kriterium, das zu einer Bejahung eines legitimen Ziels führt, ist demnach nicht lediglich eine bloße Verbesserung der Aufsicht, vielmehr ist nötig, dass die qualitativ wirksame Aufsicht Manipulationen verhindert.1029 Im Rahmen der Beurteilung des legitimen Ziels ist aber bereits höchst umstritten, ob von den Lotterien überhaupt eine derartige Gefahr ausgeht, dass das Ziel der Suchtprävention und Suchtbekämpfung überhaupt ein Staatsmonopol rechtfertigt. Das Ziel der Suchtprävention und der Suchtbekämpfung zielt im Kern darauf ab – um in der Terminologie der Drei-StufenTheorie zu bleiben –, eine nachweisliche oder höchstwahrscheinliche Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut (hier den Gesundheitsschutz) abzuwenden.1030 Maßgebliches Kriterium ist daher, ob überhaupt von Lotterien eine nachweisliche oder zumindest höchstwahrscheinliche Gefahr ausgeht, ob also Lotterien derart gefährlich sind, dass sie ein Monopol rechtfertigen. Hinsichtlich der Bewertung des legitimen Zwecks steht dem Gesetzgeber ein weiter Prognosespielraum zu.1031 Dieser ist vom Gericht nur in begrenztem Umfang überprüfbar.1032 Eine für die verfassungsrechtliche Überprüfung ausschlaggebende Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist nur insoweit gegeben, als „die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können.“1033 Dieser Einschätzungs1026  Vgl. BVerfG, NVwZ 2001, 790 (793 f.); Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 41; Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (13); BVerfG NJW 1984, 556 (557); BVerfG NJW 1992, 2621 (2623). 1027  BVerfG NJW 1984, 556 (557); BVerfG NJW 1992, 2621 (2623). 1028  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 1029  In diesem Sinne auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  136 f. 1030  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 128. 1031  Dietlein/Hecker/Ruttig, § 4 GlüStV Rn. 21. 1032  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 137). 1033  BVerfG NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980).



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und Prognosespielraum besteht nicht nur im Hinblick auf die Auswirkungen eines Gesetzes, sondern auch bei der Beurteilung einer Bedrohungslage für das Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz er im konkreten Fall tätig wird.1034 So steht ihm auch bei objektiven Berufszugangsvoraussetzungen dieser Spielraum bezüglich der Einschätzung der Gefahrenlage und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu.1035 Verfassungsrechtliche Grenze dieses Spielraums ist, wenn die vom Gesetzgeber getroffenen Einschätzungen „in einem Maße wirtschaftlichen Gesetzen oder praktischer Erfahrung widersprechen, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können.“1036 Kritischer Punkt ist daher, ob aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse davon ausgegangen werden kann, dass keine derartige Gefahr von Lotterien ausgeht, dass „die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können.1037“ (a) Verhinderung der Suchtgefahr Im Rahmen seiner Entscheidung aus dem Jahr 2008 hat das BVerfG die Verhinderung der Suchtgefahr im Rahmen der Lotterien als legitimen Zweck anerkennt. Es bestand gerade keine Pflicht der Länder, „das Zahlenlotto als eine […] ‚harmlose‘ und nicht suchtgefährdende Art des Glücksspiels von dem Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags und der ihn ergänzenden Landesgesetze auszunehmen.“1038 Auch sei die Einschätzung des Gesetzgebers dahingehend gestützt, dass dies durch eine Studie bestätigt werde, „dass Lotterien in Abhängigkeit von den jeweiligen Veranstaltungsmerkmalen suchttypische Entwicklungsverläufe verursachen können.“1039 Die hier maßgeblich herangezogene Studie war eine Studie aus dem Jahr 2005.1040 Daher stellt sich bei diesem Urteil die Frage, ob sich an diesem Befund etwas geändert hat, ob also die Einschätzung des Gesetzgebers weiterhin gestützt wird. 1034  BVerfG

NVwZ 2010, 1212 (1216 m. w. N.). NVwZ 2010, 1212 (1216 m. w. N.). 1036  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m. w. N.). 1037  BVerfG NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). 1038  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1039  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1040  Meyer/Heyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten – Eine Untersuchung von Spielern aus Versorgungseinrichtungen; abrufbar unter: ­https://www.gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/gefaehrdungspotenzial_Hayer_Meyer.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1035  BVerfG

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Eine eindeutige Beantwortung dieser Frage ist schwierig. Zwar wird auch noch in der Literatur und der Rechtsprechung an einer Spielsuchtgefahr durch Lotterien festgehalten.1041 Aber ein klarer Befund ist schwierig. Die Entstehung bzw. die Aufrechterhaltung von Glücksspielsucht wird häufig auf ein multifaktorielles Erklärungsmodell gestützt, wobei hier noch keine konsistente und die verschiedenen Faktoren integrierende Theorie vorgelegt wurde.1042 Festhalten lässt sich lediglich, dass in der deutschen Bevölkerung häufiger Männer jüngeren Lebensalters und mit Migrationshintergrund betroffen sind.1043 Auch sollen sog. „dispositionale Faktoren“1044 und „kognitive Faktoren“ hierfür ursächlich sein.1045 Des Weiteren sehen Studien genetische oder ungünstige soziale Einflüsse, z. B. durch die Familie, als Ursache.1046 Ebenso gibt es neurowissenschaftliche Befunde.1047 Viele dieser Einflussfaktoren sind auch im Zusammenhang mit stoffgebundenen Süchten (z. B. Alkoholsucht) gegeben, weshalb eine sog. „Komorbidität“1048 häufig mit Alkoholabhängigkeit oder psychischen Störungen beobachtet wurde; ca. drei von vier Glücksspielabhängigen haben eine derartige Begleiterkrankung.1049 Jedoch liegt die Ursache für Glücksspielsucht nicht allein in der Person des Spielenden, vielmehr haben auch die Veranstaltungsmerkmale Einfluss auf die Entwicklung einer Spielsucht. Diesbezüglich ist zwischen situationellen und strukturellen Merkmalen zu unterscheiden, erstere sind Merkmale, die den Zugang zum Glücksspiel erleichtern, wohingegen andere Merkmale konkrete Eigenschaften des Spielmediums als solche betreffen.1050 So wird der Ereignisfrequenz, also der Frage, wie „die Zeiteinheit zwischen Einsatz, Spielausgang und nächster Gelegenheit zum Spieleinsatz ist, eine suchtfördernde Wirkung attestiert. Je schneller die Spielabfolge stattfindet und je schneller nach dem Verlust auch wieder ein Gewinn folgen kann, 1041  OVG NRW, Beschl. v. 8.6.2017 – 4 B 307/17, juris Rn. 21; Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (12). (360); im Ergebnis auch Ukrow, ZfWG 2019, 223 (232). 1042  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26. 1043  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1044  Als dispositionale Faktoren bezeichnet man sog. veranlagte Faktoren, die ein Individuum seit Geburt vorweist, wobei es hierbei nicht auf die Genetik im Sinne einer Übertragung vom Elternteil auf das Kind ankommt. 1045  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1046  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1047  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1048  Die Anwesenheit von mehr als einer (psychischen) Störung in einer Person in einem bestimmten zeitlichen Rahmen. 1049  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1050  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 88.



C. Online-Lotterien309

führt dies beim Spieler zu einer niedrigeren Zeitspanne des Verlusterlebens, was dazu führt, dass er Verluste weniger wahrnimmt, Gewinne aber dennoch.1051 Diese Ereignisfrequenz ist bei den Lotterien aber gerade gering. Hierbei findet die Entscheidung über den Gewinn meist erst Stunden, wenn nicht Tage später, durch die Ziehung der Lottozahlen statt. Unter anderem aus diesem Grund wird den herkömmlichen Zahlenlotterien auch eine geringere Suchtgefahr als den Sportwetten zugeschrieben.1052 Einerseits entfallen auf die bekannteste Angebotsform der Lotterie, Lotto „6 aus 49“, im Rahmen der 12 Monats-Prävalenz die meisten Spieler.1053 Andererseits finden sich unter den Lottospielern, mit gerade mal ca. 2,0 %, fast die wenigsten Spieler mit problematischem Glücksspielverhalten.1054 Auch in der Befragung von pathologischen Glücksspielern in Behandlung nahm Lotto 6 aus 49 lediglich eine untergeordnete Rolle ein, obwohl die Spielerzahl bei Lotto am höchsten ist.1055 Insgesamt wird daher eine geringe Gefährlichkeit des Lotteriespiels angenommen.1056 Aus diesem Umstand wird auch hergeleitet, dass es dem Gesetzgeber daher verwehrt sei, sich auf die Bekämpfung der Spielsucht im Rahmen der Lotterien zu stützen. Die Gefahreinschätzung des Gesetzgebers sei nicht mehr vertretbar, weshalb er verpflichtet sei, seine Entscheidung zu überdenken und an die Sachlage anzupassen.1057 Unter diesem Gesichtspunkt ist jedoch erneut der Spielraum des Gesetz­ gebers zu betonen, eine die Verfassungswidrigkeit verursachende Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist nur insoweit gegeben, als „die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können.“1058 Bloße Zweifel an der Suchtgefahr durch große Lotterien genügen daher gerade nicht, es liegt bereits dann im Rahmen des gesetzMeyer/Bachmann, Spielsucht, S. 89. Spielsucht, S. 98. 1053  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 74. 1054  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 204, 251. 1055  Premper u. a., Sucht, 60 (6) 2014, 331 (337). 1056  Vgl. Buchner, Störung durch Glücksspielen, S. 37. 1057  Jarass, Lotteriemonopol, S. 29; in diese Richtung auch Streinz/Liesching/ Hambach/Brenner, § 10 Rn. 7, 42; auch so das VG Halle (Saale), Urteil vom 11. November 2010 – 3 A 156/09 –, juris, Becker/Hilf/Nolte/Uwer, § 10 GlüStV Rn. 4; vgl. Krause, GewArch 2010, 428 (430); Grzeszick, WiVerw 2016, 181 (197); Leupold, WRP 2011, 324 (327 f.); Liese, GewArch 2011, 199 (201 f.); a. A. Haltern, ZfWG 2011, 13 (14 f.). 1058  BVerfG NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). 1051  Vgl.

1052  Meyer/Bachmann,

310 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

geberischen Beurteilungsspielraums, wenn dessen zugrunde gelegte Ansicht nicht völlig abwegig ist. Die Gesetzgeber begründen das Lotteriemonopol unter dem Aspekt der Suchtgefahr damit, dass „Lotterien in Deutschland die am häufigsten genutzten Glücksspiele darstellen, die zugleich bei entsprechender Ausgestaltung – vor allem bei hoher Frequenz – für pathologische und suchtgefährdete Spieler eine dem Kleinen und Großen Spiel in Spielbanken, den Sportwetten oder dem Spiel an Geldspielautomaten vergleichbare Attraktivität zeigen.“1059 Im Hinblick auf die Studien und die Zahl der „Lottosüchtigen“ ist insbesondere zu beachten, dass die Studien das momentane Lottosystem im Rahmen der Bundesrepublik zur Grundlage haben, also das reine Staatsmonopol. Das Ergebnis der geringen Suchtzahlen kann daher nicht ohne weiteres ausschließlich auf eine geringe Suchtgefahr des Lottos als solche zurückgeführt werden, sondern es müssen in diesem Zusammenhang auch die Spielmodalitäten, die gerade im Rahmen des Monopols gelten, mit einbezogen werden.1060 Insbesondere mit Blick auf die großen Jackpotlotterien wie „Lotto 6 aus 49“ und dem „Eurojackpot“ ist zu beachten, dass der GlüStV diesbezüglich in § 22 I 2 GlüStV die Regelung aufstellt, dass diese maximal zweimal pro Woche veranstaltet werden dürfen, was zu einer geringen Ereignis­ frequenz führt. Es bleibt aber zu beachten, dass der Eurojackpot und das typische Lotto 6 aus 49 nur ein Bestandteil der Kategorie „Lotterie“ sind. Genauso gibt es aber Lotterien, die eine häufigere Ereignisfrequenz aufweisen, wie z. B. „Keno“, das täglich stattfindet, was wiederum auch wissenschaftlich gesehen eine höhere Suchtgefahr bedeutet.1061 Auch diese Formen sind daher unter dem Aspekt der Suchtgefahr zu betrachten. Darüber hinaus stellte das BVerfG in seiner Entscheidung zu den Spielhallen klar, dass „die Gesetzgeber nicht gehalten [sind], bei der Bekämpfung der Glücksspielsucht auf eine rein mathematisch berechnete relative Gefährlichkeit abzustellen.“1062 Entscheidend ist vielmehr, ob der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, dass eine Öffnung des Marktes – dies wäre die Konsequenz einer Ablehnung des Monopols – zu einer Steigerung der Glücksspielsucht führen würde.1063 Diese Ansicht ist aus mehreren Aspekten nicht „offensichtlich fehlsam“. Zum einen ist hinsichtlich der Aussage, dass Lotterien generell nicht zu einer 1059  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 18. diese Richtung auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 130; so auch Haltern, ZfWG 2015, 419 (421). 1061  Haltern, ZfWG 2015, 419 (421). 1062  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118). 1063  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 130. 1060  In



C. Online-Lotterien311

Sucht führen können, zu bemerken, dass es durchaus Fälle einer Sucht durch Lotterien gibt.1064 Insbesondere ist dabei auch zu beachten, dass „Lotto 6 aus 49“ mit 2 % zwar eine geringere Quote als andere Glücksspiele hat, jedoch andere Lotterien, wie z. B. „Keno“ mit 9,6 % und die Klassenlotterien mit 3,2 % eine höhere Quote aufweisen.1065 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es aus den europäischen Nachbarländern auch keine langjährigen praktischen Erfahrungen dahingehend gibt, dass durch eine Marktöffnung dieser Effekt nicht eintritt bzw. es auch keine derartigen Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Schaffung des GlüStV im Jahr 2012 gab.1066 Hervorzuheben ist auch, auf was sich die Beurteilung der „legitimen Ziele“ überhaupt bezieht. Allein maßgeblich ist, ob die vom Gesetzgeber vorgebrachten Ziele, in diesem Fall die Suchtgefahr, im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers vertretbar angenommen wurde. Dies ist zu bejahen, von Lotterien geht – und dies ist unstreitig – gerade eine Suchtgefahr aus.1067 Dass diese Suchtgefahr wiederum geringer einzuschätzen ist als z. B. bei anderen Glücksspielangeboten, ist keine Frage der Verfolgung legitimer Ziele, sondern eine Frage der Angemessenheit des Eingriffs. Im Rahmen der Verfolgung legitimer Ziele ist ausschließliche Frage, ob die Annahme, dass von Lotterien Suchtgefahren ausgehen, vom Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt ist. Dies ist, wie oben gezeigt, zu bejahen. Insbesondere ist auch mit einem Gesamtblick auf Lotterien zu beachten, dass die Suchtgefahr mit den Veranstaltungsmodalitäten variiert,1068 weshalb auch die Annahme, dass eine Marktöffnung zu einer Angebotsvermehrung führen kann,1069 nicht von vornherein unvertretbar ist. Im Ergebnis ist daher ein legitimer Zweck in der Bekämpfung der Suchtgefahren von Lotterien zu sehen.1070 Der Gesetzgeber hat seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

1064  Vgl.

hierzu BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 249. Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 249; insbesondere ist hier auch zu beachten, dass auf Keno mehr pathologisch Glücksspielsüchte entfallen als z. B. auf Online-Sportwetten. 1066  So auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  131 f. 1067  Selbst wenn man sagt, dass es sich hierbei um keine „relevante“ Suchtgefahr handele, so Klutz, DVBl 2019, 203 (203), ist es dennoch eine Suchtgefahr. 1068  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 1069  So z. B. dies im Ergebnis unterstellend Dünchheim, ZfWG 2019, 418 (420). 1070  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  134 f. 1065  BZgA,

312 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(b) Kriminalitätsbekämpfung bzw. Vorbeugung von Manipulation Als weiteres Ziel der Monopolregelung führt der Gesetzeber an, dass ­ otterien wegen der Intransparenz der Gewinnermittlung und -verteilung L strukturell anfällig für Manipulationen seien und diese aufgrund der hohen angesammelten Summen zu kriminellem Handeln verleiten könnten.1071 Diesbezüglich stellen sich zwei zu klärende Fragen: Zum einen, ob die Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsvorbeugung überhaupt ein das Staatsmonopol rechtfertigendes Ziel sein kann, zum anderen, ob von der Lotterieveranstaltung als solches überhaupt eine erhöhte Kriminalitäts- bzw. Manipulationsgefahr ausgeht. Mit Blick auf die Stufendogmatik des BVerfG wird der Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften zwar als legitimes Ziel gesehen, jedoch mit Blick auf die Sportwettenentscheidung des BVerfG nicht als überragend wichtiger Gemeinwohlbelang, der ein Monopol zu rechtfertigen vermag.1072 Begründet wird diese Ansicht mit der Erwägung, dass das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung zwar die Verfolgung legitimer Ziele sowohl im Rahmen der Suchtbekämpfung als auch im Verbraucherschutz bzw. der Kriminalitätsbekämpfung sah1073, im Nachhinein aber die Angemessenheit des Monopols hinsichtlich der Suchtbekämpfung verneinte. Könnte der Verbraucherschutz aber ein Monopol rechtfertigen, so hätte er auch die Angemessenheit unter diesem Gesichtspunkt prüfen müssen, da erst in diesem Fall das Verdikt der Verfassungswidrigkeit möglich gewesen wäre.1074 Jedoch berücksichtigt diese Wertung nicht die Aussagen des BVerfG in nachfolgenden Entscheidungen. Im Rahmen seiner Entscheidung aus dem Jahr 2008 nennt er das „Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen“ ohne eine Differenzierung nebeneinander, es handele sich bei diesen um „überragend wichtige Gemeinwohlziele […], die selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermögen“.1075 Die Unterscheidung der Gewichtung der Manipulationsgefahr zwischen Lotterien und Sportwetten macht aber durchaus Sinn. Im Rahmen der Sportwetten als solche besteht in deren Veranstaltung selbst kaum eine Manipula1071  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 18. Streinz/Liesching/Hambach/Brenner, § 10 Rn. 46, Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 1 Rn. 47. 1073  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 1074  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf. Rn. 17; Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 136 f; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 1 Rn. 47. 1075  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1072  So



C. Online-Lotterien313

tionsgefahr, da der Einfluss des Sportwettenveranstalters auf ein von einem Dritten ausgerichtetes Sportereignis im Grundsatz gering ist.1076 Ganz anders ist dies aber im Rahmen der Lotterien, bei diesen findet meist die Gewinnermittlung und –verteilung nicht öffentlich statt.1077 Im Gegensatz zu den Sportwetten erfolgt diesbezüglich auch keine Trennung zwischen dem Veranstalter des Glücksspiels und im Falle der Sportwette dem Ausrichter des Sportereignisses; in der Lotterie findet vielmehr alles bei der gleichen Person statt.1078 Dünchheim fasst dies daher auch richtig zusammen, etwaige „Manipulationen gehen bei Lotterien nicht von einem an dem Glücksspiel nicht beteiligten Dritten, sondern in der Regel vom Veranstalter selbst aus.“1079 Dies hat auch zur Folge, dass für einen Teilnehmer von außen schwer eine Manipulation ersichtlich ist. Darüber hinaus besteht im Rahmen der Lotterien eine geringe Gewinnchance, weshalb es dem einzelnen Spieler nicht weiter auffallen dürfte, wenn er – wie meistens – verliert.1080 Auch ist die Gewinnhöhe der Lotterie von vielen – von außen nicht einsehbaren – Faktoren wie Teilnehmerzahl, Einzahlhöhe und Gewinnerzahl abhängig, die intern bestimmt werden und daher ebenfalls für Manipulationen anfällig sind.1081 Ebenfalls ist unter dem Aspekt der Kriminalitäts- und Betrugsrisiken zu beachten, dass bei Lotterien eine Kontrolle durch den Markt kaum möglich ist. Da viele Lotterien auf einem Totalisator aufbauen, ist nur dann eine für den einzelnen Spieler interessante Lotterie – also eine Lotterie mit einem hohen Gewinn bei einem geringen Einsatz – möglich, wenn viele Spieler an einer Lotterie teilnehmen. Verschiedene Lotterien nebeneinander hingegen würden aufgrund eines schlechteren Ergebnisses des Totalisators1082 weniger attraktiv sein.1083 1076  So

(1264).

auch das BVerfG in seiner Entscheidung, vgl. BVerfG NJW 2006, 1261

1077  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 18. Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 135; Jarass, Lotteriemonopol, S. 31. 1079  Dünchheim, ZfWG 2019, 418 (421). 1080  Jarass, Lotteriemonopol, S. 31. 1081  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 135; Jarass, Lotteriemonopol, S. 31. 1082  Diese sog. Totalisatorwetten zeichnen sich dadurch aus, dass alle Einsätze eine gemeinsame Masse darstellen, die dann nach Abzug verschiedenster Posten nach einem vordefinierten Gewinnverteilungsplan auf die Gewinner verteilt wird; vgl. ­Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 18; vgl. Dietlein/Hecker/ Ruttig, § 21 GlüStV Rn. 11. Der Gewinn ergibt sich also nicht durch eine vordefinierte Quote, sondern die Quote ergibt sich dann erst aufgrund der späteren Teilnehmer- und Gewinneranzahl. 1083  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 135; Jarass, Lotteriemonopol, S.  32 f. 1078  Janich,

314 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Auch sind bei Lotterien die Gewinne sehr hoch, unter anderem höher als bei Sportwetten, weshalb erst recht bei den Lotterien „der Einstieg des organisierten Verbrechens nahe liegend“ ist.1084 Im Ergebnis ist daher auch ein legitimes Ziel hinsichtlich der Bekämpfung der Kriminalität und der Betrugsvorbeugung zu sehen. (3) Geeignetheit Die vom Gesetzgeber erlassenen Regelungen müssen zur Erfüllung der Geeignetheit die Erreichung der von den Gesetzgebern verfolgten legitimen Gemeinwohlziele jedenfalls fördern.1085 „Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.“1086 Dem Gesetzgeber steht bei dieser Entscheidung ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu, weshalb es vornehmlich seine Sache ist, „unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will“.1087 Auch ist der Gesetzgeber durch seine bisher praktischen Erfahrungen in einem Bereich gebunden.1088 Bereits unter dem Aspekt, dass die geringen Suchtzahlen im Bereich der Lotterien (auch) auf das Staatsmonopol zurückzuführen sein könnten bzw. dies zumindest nicht ausgeschlossen ist, zieht dies die vertretbare Annahme einer Geeignetheit nach sich. Denn wenn bereits die geringen Lotteriesuchtzahlen durch die Monopolisierung des Lotteriebereichs erfolgen, so ist denknotwendig auch die Geeignetheit der Monopolisierung zu bejahen.1089 Darüber hinaus beanstandete auch das BVerfG im Hinblick auf das damals geltende Sportwettenmonopol eine Geeignetheit des Monopols zur Suchtbekämpfung nicht, vielmehr ist die Annahme durch den Gesetzgeber, dass ein Monopol die mit dem jeweiligen Glücksspiel verbundenen Gefahren bekämpft, von seiner Einschätzungsprärogative mitumfasst.1090 Auch ist die Annahme, dass ein Lotteriemonopol das Ziel des Schutzes vor Manipulationen und Betrügereien fördert, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschätzungs- und NJW 2006, 1261 (1263); Jarass, Lotteriemonopol, S. 33. NVwZ 2017, 1111. 1086  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1087  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); NVwZ 2017, 1111 (1119). 1088  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 61. 1089  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 137. 1090  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1084  BVerfG 1085  BVerfG



C. Online-Lotterien315

Prognosevorrangs davon ausgehen, dass eine in staatlicher Hand befindliche Lotterie einer intensiveren Kontrolle des Staates unterliegt, was dem Kriterium der Geeignetheit, im Sinne einer Förderung des verfolgten Zwecks, genügt.1091 An der Geeignetheit ändert sich auch mit Blick auf die verstärkt vorkommenden Zweitlotterien nichts. Wie oben gezeigt, stellen diese zwar rechtlich keine Lotterie im Sinne des GlüStV dar; dennoch erkennen die meisten Verbraucher keinen Unterschied zwischen Primärlotterie und Zweitlotterie im Internet, weshalb die Gefahren der Lotterien sich auch so verwirklichen könnten. Jedoch ist zu beachten, dass eine beschränkte Durchsetzbarkeit eines Monopols dessen Geeignetheit nicht entfallen lässt.1092 Oder mit den Worten des BVerfG: „Aus der technischen und ökonomischen Entwicklung folgende Vollzugshindernisse machen jedoch eine prinzipiell geeignete Or­ ganisation staatlicher Gemeinwohlverfolgung auf nationaler Ebene nicht ungeeignet.“1093 (4) Erforderlichkeit Das Monopol müsste auch erforderlich sein. Die Erforderlichkeit ist zu verneinen, wenn es ein milderes, gleich effektives Mittel zur Zielerreichung gäbe.1094 Diesbezüglich verfügt der Gesetzgeber ebenfalls über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum.1095 Die verfassungsrechtliche Grenze dieses Spielraums ist insoweit gegeben, wie nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten.1096 Mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Drei-Stufen-Theorie ist die Erforderlichkeit immer dann zu verneinen, wenn eine Regelung auf einer weniger einschneidenden Stufe ebenso geeignet wäre wie die einer höheren. Oder nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Der Gesetzgeber muß Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 jeweils auf der ‚Stufe‘ vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt, und darf die nächste ‚Stufe‘ erst dann betre1091  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  137 f.; Jarass, Lotteriemonopol, S. 33. 1092  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1093  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1094  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264). 1095  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264). 1096  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342); NJW 1969, 499 (500); NJW 1976, 179 (180 f.); NJW 2006, 1261 (1264).

316 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

ten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln, der vorausgehenden Stufe nicht wirksam bekämpft werden können.“1097 Hinsichtlich des zunächst im Sportwettenbereich gegoltenen staatlichen Wettmonopols hat das BVerfG zunächst eine Erforderlichkeit von diesem bejaht.1098 Jedoch zeigte der Senat bereits in der Entscheidung auf, dass es weniger einschneidende Maßnahmen gäbe. Diesbezüglich sei auch zur Gewährung des Verbraucher- und Jugendschutzes sowie zur Vermeidung von Folge- und Begleitkriminalität die Möglichkeit einer Normierung entsprechender recht­ licher Anforderungen an private Anbieter, deren Einhaltung wiederum durch Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrolle mit den Mitteln der Wirtschaftsaufsicht sichergestellt werden könnte, zu beachten.1099 Der Senat sah aber die Einschätzung mit Blick auf die hohen Suchtgefahren durch Sportwetten noch vom Ermessenspielraum gedeckt, dass ein „mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Wettmonopols mit staatlich verantwortetem Wettangebot effektiver“ die hiervon ausgehenden Gefahren beherrschen könne, als dies im Wege einer Kontrolle privater Wettunternehmen möglich wäre.1100 Diese Einschätzung bezog sich aber auf die Sportwetten, wobei sich die Argumentation des BVerfG im Rahmen der Erforderlichkeit ausdrücklich auf die Suchtgefahren durch die Sportwetten bezog.1101 Fraglich hinsichtlich der Lotterien ist daher aber nicht, ob die Suchtgefahren ebenso hoch sind wie bei Sportwetten; vielmehr ist für die verfassungsrechtliche Würdigung entscheidend, ob die Annahme des Gesetzgebers, dass ein auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtetes Lotteriemonopol mit staatlich verantwortetem Lotterieangebot effektiver beherrscht werden könne als im Wege einer Kontrolle privater Lotterieunternehmer,1102 noch von dessen Beurteilungsspielraum gedeckt ist. Dies wäre zu verneinen, wenn es dem Gesetzgeber bekannte Tatsachen gäbe und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar wäre, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kämen, die glei-

1097  BVerfG 1098  BVerfG

NJW 1958, 1035 (1038). NJW 2006, 1261 (1264); vgl. auch BVerfG NVwZ 2008, 1338

(1338 f.). 1099  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1100  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1101  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1102  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1264).



C. Online-Lotterien317

che Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen indessen weniger belasten würden.1103 Als weniger einschneidende Alternative auf der Ebene einer objektiven Berufswahlregelung käme zum einen ein staatlich verliehenes Privatmonopol, eine Einzelkonzession für einen privaten Veranstalter oder die Verteilung auf eine zahlenmäßige begrenzte Konzessionszahl in Frage.1104 Auf Ebene der subjektiven Berufswahlregelung käme wiederum eine Konzessionierung unter Prüfung verschiedener Zulassungsvoraussetzungen in Frage. Die Frage ist, ob diese weniger einschneidenden Alternativen ebenso effektiv die Ziele der Suchtbekämpfung sowie die Vermeidung von Folge- und Begleitkriminalität erreichen können. Auf Lotto bzw. Lotterien entfallen in Deutschland im Rahmen des Monopols ca. 2 % der Spielsüchtigen.1105 Von der Gesamtbevölkerung sind ca. 0,87  % in Deutschland pathologisch glücksspielsüchtig.1106 Im Vergleich hierzu – soweit dies aufgrund verschiedener Definitionen des problematischen Glücksspielverhaltens möglich ist – sind 2018 im Vereinigten Königreich 3,3 % low-risk gambler, 1,5 % moderate-risk-gambler und 0,5 % pro­ blemgambler.1107 Die Prävalenzrate für problematisches Glücksspiel liegt auch international gesehen in diesem Bereich, unabhängig von der jeweiligen Regulierung.1108 Mit Blick auf eine mögliche Öffnung des Lotteriemarktes erfolgte 2016 eine Studie von Meyer hinsichtlich der Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial von LOTTO 6 aus 49 bzw. äquivalenten Lotterieangeboten im Markt bei Freigabe der Veranstaltung für mehrere Anbieter. Diesbezüglich kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Öffnung des Lotteriemarktes für Private mit einer Erhöhung der Suchtgefahr einhergehen wird.1109 Dem ist auch insoweit zuzustimmen. Das von Meyer/Bachmann angewandte Bewertungsinstrument zur Einschätzung des Gefährdungspotenzials von Glücksspielen ist nicht nur theoretischer Natur1110, sondern entspricht auch in seinem Ergebnis den tatsächlichen Fallzahlen spezifischer Glücks-

1103  Vgl.

BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (15). 1105  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 74 f, dies deckt sich auch mit BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 247, 249. 1106  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 126. 1107  Gambling Commission, Gambling participation in 2018, S. 18. 1108  Goldmedia, International vergleichende Analyse, S. 235. 1109  Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 59 f. 1110  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 95 ff. 1104  Vgl.

318 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

spielsüchtiger.1111 Ein wichtiger Faktor zur Bestimmung der Gefährlichkeit für die Verursachung von Glücksspielsucht ist zwar auch die Jackpothöhe1112, besonderes Gewicht für die Beurteilung hat aber die Ereignisfrequenz eines Spiels für dessen Beurteilung.1113 Genau diese Ereignisfrequenz würde aber durch eine Öffnung des Lotteriemarktes gesteigert werden. Im Falle einer vollständigen Öffnung des Lotteriemarktes für private Anbieter, würde sich auch die Zahl der angebotenen Lotterien vergrößern. Selbst wenn diese wie bisher maximal zwei Ziehungen pro Woche durchführen dürften, so würde sich allein aufgrund des dadurch breiteren Angebots für den einzelnen Spieler eine erhöhte Ereignisfrequenz ergeben, da jede Lotterie in der Woche zwei Ziehungen durchführen dürfte.1114 Aus diesem Grund ist eine subjektive Berufswahlregelung im Sinne einer unbegrenzten Öffnung des Lotteriemarktes mit Blick auf das Ziel der Suchtbekämpfung weniger geeignet.1115 Aus dem gleichen Grund ist eine zahlenmäßige Begrenzung der Lotterieveranstalter im Rahmen eines begrenzten Konzessionssystems nicht gleich zur Suchtbekämpfung geeignet. Zum einen ist bereits die praktische Umsetzung – wie die Sportwettenkonzessionsvergabe zeigt – mit schweren Hürden versehen.1116 Zum anderen erfolgt durch jeden Anbieter mehr eine erhöhte Ereignisfrequenz und daher auch eine Stärkung der Suchtgefahr.1117 Selbst wenn die Ziehungsrate bei einer privaten Konzessionierung gleich bleiben sollte, so ist bei mehreren Konzessionären immer zu beachten, dass diese in einem wirtschaftlichen Wettbewerb stehen. Im Ergebnis besteht daher immer die (nicht unbegründete Gefahr, wie die Sportwetten und die Boni bei diesen zeigen), dass die jeweiligen Anbieter „versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, sodass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundene Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würden.“1118

1111  Vgl.

BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 247 ff. Spielsucht, S. 97. 1113  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 96. 1114  Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 52 f. 1115  Mit Blick auf die oben angesprochen Zweitlotterien ist auch noch zu beachten, dass diese nicht nur Wetten auf Lotterieausgänge in Deutschland, sondern international auf alle möglichen Lotterien anbieten, die Ereignisfrequenz also durch die Möglichkeit auf mehr Lotterien zu „setzen“, stark erhöht ist. 1116  Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 52 f. 1117  Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 52  f.; in diese Richtung auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 133. 1118  So auch diese Argumentation anerkennend EuGH NVwZ-RR 2019, 221 (223 Rn. 48). 1112  Meyer/Bachmann,



C. Online-Lotterien319

Sowohl nach altem wie auch neuem Erkenntnisstand ist daher die Annahme des Gesetzgebers vertretbar, dass ein Monopol effektiver das Ziel der Suchtbekämpfung erreicht, wie eine Öffnung des Marktes für Private. Einzig gleich effektive Maßnahme kann daher die Erlaubniserteilung an einen privaten Akteur im Rahmen eines Ein-Konzessionensystems sein. Diese Gestaltung müsste aber ebenso effektiv auch hinsichtlich des verfolgten Ziels der Kriminalitäts- und Manipulationsbekämpfung sein. Hierbei wird häufig kritisiert, dass eine funktionierende staatliche Überwachung genauso effektiv zu einer Zielerreichung führen kann. Insbesondere auch in anderen Bereichen, in denen große finanzielle Risiken bestehen, wie z. B. die Versicherungsbranche, genügt nach Ansicht des Gesetzgebers eine staatliche Aufsicht über Private.1119 Ebenso wäre der Einsatz von Notaren oder Wirtschaftsprüfern möglich.1120 Dennoch ist eine Erforderlichkeit des Monopols zu bejahen. Wichtig ist allein, ob die Auffassung des Gesetzgebers insoweit vertretbar ist, dass eine staatliche Aufsicht über Private nicht gleich effektiv ist wie eine innerstaat­ liche. Dies ist zu bejahen.1121 Hierzu ist bereits für den spezifischen Bereich der Lotterien festzustellen, die sich aufgrund ihrer intransparenten Gewinnausschüttung von anderen Glücksspielsektoren unterscheiden, dass es keine Erfahrungswerte dahingehend gibt, dass eine externe Aufsicht ebenso geeignet ist.1122 Stellenweise wird diesbezüglich hervorgebracht, dass bei den Spielautomaten ebenso erhebliche Manipulationsrisiken bestünden, hier aber kein Monopol erfolgt.1123 In Bezug darauf ist aber zum einen bereits dogmatisch ein Schluss auf eine fehlende Erforderlichkeit des Monopols abzulehnen. Wie oben gezeigt, ist die Frage der Erforderlichkeit, ob es gleich geeignete, mildere Mittel gibt. Dass bei Automaten Manipulationen erfolgen (können), zeigt aber gerade, dass das Mittel nicht gleich geeignet ist. Dass es dennoch angewandt wird, ist dann eine Frage der sektoralen Vergleichbarkeit. Darüber hinaus ist im Gegensatz zu den Spielautomaten bei den Jackpotlotterien wöchentlich ein immenser Betrag (meist mehrere Millionen) im Spiel, wohingegen die Spielautomaten für sich einzeln nur geringere Summen ausspielen.1124 Die Manipulation ist daher bei Spielautomaten um eini1119  Ennuschat, ZfWG Sonderbeilage 3/2018, 9 (13); Ennuschat, WRP 2014, 642 (647 f.). 1120  Jarass, EU-rechtliche Probleme Lotto, S. 46. 1121  So sogar Jarass, EU-rechtliche Probleme Lotto, S. 47. 1122  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 139. 1123  Koenig, ZfWG 2917, 335 (339). 1124  Auf die Jackpothöhe hinweisend Dünchheim, ZfWG 2019, 418 (421).

320 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

ges „schwieriger“ dahingehend, dass hier die Manipulation im Ergebnis erst Sinn macht, wenn diese bei einer großen Zahl von Automaten erfolgt, hingegen genügt bei einer Lotterie nur im Rahmen der Gewinnermittlung eine kleine Manipulation, um bereits einen großen „Gewinn“ zu erwirtschaften. Insgesamt ist auch die Ansicht, dass eine „interne“ Kontrolle effektiver ist als eine „externe“, vom Beurteilungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers mitumfasst. Im Rahmen eines Staatsmonopols erfolgt die Lotterieveranstaltung entweder durch den Staat selbst oder durch vom Staat kontrollierte private Gesellschaften. In jedem Fall aber ist der Staat dauerhaft an der Geschäftspolitik des Lotterieveranstalters beteiligt, dieser hat immer Kenntnis von den aktuellen Zahlen und Begebenheiten. Ganz anders ist dies bei einer externen Aufsicht. Bei dieser erfolgt lediglich eine Aufsicht dahingehend, dass Informationen und Berichte angefordert und überprüft werden, der Staat wirkt aber nicht an der Geschäftspolitik als solche mit, eine Früherkennung der Abweichung ist daher gar nicht möglich. Vielmehr ist dem Staat lediglich eine Intervention möglich, wenn dieser Verstöße selbst ermittelt. Hingegen bekommt der Staat, da er selbst mitbestimmt, bei einem Staatsmonopol bereits vor der Entscheidungsfassung dahingehend Kenntnis, dass etwas nicht stimmt. Die Begründung, dass private Anbieter eher klagen, als staatliche1125, was die Aufsicht ineffizienter mache, ist hingegen eine nicht die Erforderlichkeit zu begründen vermögende Erwägung. Die Ausübung und das Beharren auf Grundrechten und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in einem Rechtsstaat kann den privaten Anbietern nicht zum Nachteil gereichen, denn dies käme einer Verengung des Grundrechtsschutzes dahingehend gleich, dass eine Verteidigung von Rechten deren Beschränkung rechtfertigen könnte. Im Ergebnis ist die Erforderlichkeit des Staatslotteriemonopols daher zu bejahen. (5) Angemessenheit Der Eingriff müsste auch angemessen sein. Die Regelungen müssen „hinreichend konsequent auf das legitime Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ausgerichtet“ sein. Die staatliche Regulierung muss der Verfolgung der legitimen Ziele dienen, die suchtpräventiv ausgerichtete staatliche Regulierung in einem Glücksspielsegment darf „nicht durch die fiskalische Ausrichtung der Regulierung in einem anderen konterkariert werden.“1126 1125  Meyer,

1126  BVerfG

Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 57. NVwZ 2017, 1111 (1116 Rn. 122).



C. Online-Lotterien321

Auch das Lotteriemonopol muss – so hat es das BVerfG in seiner Entscheidung zum damals im Rahmen des Wettmonopols eröffneten Sportwettenangebot Oddset gefordert – konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtet sein.1127 Im Rahmen der Angemessenheit ist sowohl eine Prüfung anhand der rechtlichen1128 Vo­ raussetzungen als auch anhand der tatsächlichen1129 Ausgestaltung des Angebots vorzunehmen. Diesbezüglich muss eine sog. „vertikale Kohärenz“ gewahrt sein.1130 So hat das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung dem Angebot Oddset sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht ein Regelungsdefizit attestiert und eine konsequente Ausrichtung des Wettangebots verneint.1131 Verallgemeinert ist daher für die Aufrechterhaltung eines Monopols im Rahmen der Angemessenheit zu fordern, dass dieses sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Art und Weise auf die von ihm verfolgten Zwecke konsequent ausgerichtet ist.1132 (a) Suchtbekämpfung Hinsichtlich des Ziels der Suchtbekämpfung als solches müsste dieses Ziel daher sowohl rechtlich als auch tatsächlich konsequent verfolgt werden. (aa) Rechtliche Konsequenz Jedoch ist bereits im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung des Lotteriemonopols schwierig zu begründen, dass dieses konsequent auf die Suchtbekämpfung und Manipulationsvorbeugung ausgerichtet ist. Dem damals geltenden Sportwettenmonopol attestierte das BVerfG eine fehlende rechtliche Konsequenz, da die Spielbedingungen lediglich durch die Staatliche Lotterieverwaltung mit Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen festgesetzt wurden, aber bei dieser Entscheidung keinerlei Einschaltung einer z. B. neutralen Kontrollinstanz vorgesehen war, um dafür zu sorgen, dass die fiskalischen Interessen hinter das Ziel der Erreichung der Schutzzwecke des Gesetzes zurücktreten.1133 Auch kritisierte das Gericht, 1127  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1264 ff.). NVwZ 2017, 1111 (1118 f. Rn. 141 ff.). 1129  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1119 Rn. 146 f.). 1130  Zur Bereichsübergreifenden horizontalen Kohärenz siehe S. 422 ff. 1131  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1264 ff.). 1132  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 f.). 1133  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1265). 1128  BVerfG

322 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

dass die rechtliche Regulierung keine ausschließlich am Ziel expansiver Vermarktung orientierte Werbung verhindere.1134 Das BVerfG forderte daher für das Sportwettenmonopol, dass Regelungen mit inhaltlichen Kriterien betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten sowie Vorgaben zur Beschränkung ihrer Vermarktung aufgestellt werden. Außerdem müsse sich die Werbung für das Wettangebot auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten beschränken. Ferner müsse sich die Einzelausgestaltung an dem Ziel der Suchtbekämpfung und damit verbunden des Spielerschutzes ausrichten, was beinhalte, dass Maßnahmen zur Abwehr von Suchtgefahren, die über das bloße Bereithalten von Informationsmaterial hinausgehen, ergriffen werden. Darüber hinaus seien die Vertriebswege so auszuwählen und einzurichten, dass Möglichkeiten zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt werden. Des Weiteren müsse die Einhaltung dieser Anforderungen durch geeignete Kontrollinstanzen sichergestellt werden, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Inte­ ressen des Staates aufweisen.1135 Diesen Vorgaben hinsichtlich des Sportwettmonopols kam der Gesetzgeber dann im Rahmen des GlüStV 2008 nach. Neue Regelungen zur Spielsucht­ bekämpfung waren in diesem Zusammenhang insbesondere das Internetverbot für die Vermittlung und Veranstaltung von Glücksspielen (§ 4 IV GlüStV 2008), eine Verschärfung der Regelungen für Werbung dahingehend, dass diese über Fernsehen, Internet und Telekommunikationsanlagen verboten sind (§ 5 GlüStV 2008), die Schaffung eines Fachbeirats aus Experten, der anzuhören ist, bevor ein neues Glücksspiel eingeführt wird (§§ 9 V Nr. 1, 10 I 2 GlüStV 2008), die Verpflichtung der Länder zur Suchtforschung (§ 11 GlüStV 2008), gleichzeitig die Verpflichtung der Veranstalter zur Entwicklung eines Sozialkonzeptes (§ 6 GlüStV 2008), eine Trennung von Glücksspielaufsicht und Finanzbehörden eines Landes (§ 9 VI GlüStV 2008) und die Einführung bzw. Erweiterung der Spielersperre (§ 8 GlüStV 2008).1136 Hinsichtlich von Jackpotlotterien regelte der Gesetzgeber lediglich eine nicht näher bestimmte zahlenmäßige Begrenzung der Jackpothöhe (§ 22 I GlüStV 2008). Im Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses bestätigte das BVerfG, dass das noch bei den Sportwetten gegebene Regelungsdefizit mit der Neuregelung des GlüStV behoben sei.1137 Von dieser „restriktiven“ Regulierung wich der Gesetzgeber aber mit dem Glückspieländerungsstaatsvertrag 2012 wieder ab. Im Rahmen des § 4 V 1134  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1265). NJW 2006, 1261 (1267). 1136  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  140 f. 1137  BVerfG NVwZ 2009, 1221 (1225). 1135  BVerfG



C. Online-Lotterien323

GlüStV eröffnete er wieder die Möglichkeit des Eigenvertriebs oder der Vermittlung von Lotterien über das Internet. Auch im Rahmen der Werbung eröffnete er die Möglichkeit der Werbung im Fernsehen und im Internet gem. § 5 III 2 GlüStV. Im Rahmen der Jackpotlotterien eröffnete der GlüStV wiederum mit § 22 I 3 GlüStV die Möglichkeit der Schaffung einer grenzüberschreitenden Lotterie (bekannt als Eurojackpot).1138 (α) Öffnung des Internets Bereits unter dem Gesichtspunkt der konsequenten Ausrichtung auf die Spielsuchtbekämpfung ist die Öffnung des Internetvertriebs als sehr problematisch zu sehen. Sowohl im Rahmen des GlüStV 20081139 als auch im Rahmen des GlüStV 2012 konstatiert der Gesetzgeber, dass Glücksspiele im Internet ein erheblich höheres Gefährdungspotential als traditionelle Vertriebskanäle haben und daher mit diesen auch nicht austauschbar sind.1140 Die erneute Öffnung des Vertriebswegs Internet begründet der Gesetzgeber damit, dass sich die Tendenz abzeichne, dass es zu einer Abwanderung in nicht erlaubte und somit nicht kontrollierte Angebote zu staatenübergreifenden Lotterien und zu im Ausland veranstalteten Wetten auf die Lotterien des DLTB komme.1141 Um dem entgegenzuwirken, und um die Nachfrage dauerhaft und zukunftsfähig in Richtung des legalen Angebotes zu kanalisieren, erscheine es geboten, in Vertrieb und Angebot eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel zu schaffen, um eine legale, sichere und den Spieler- und Jugendschutz gewährleistende Alternative gegenüber zu stellen.1142 Grund für die Öffnung sei demnach ein Gedanke der Kanalisierung, vergleichbar mit den oben beschriebenen Sportwetten. In diesem Zusammenhang bleibt aber zu beachten, dass sich der Graubzw. Schwarzmarkt bei Lotterien gänzlich anders verhält als bei Sportwetten. Bei Sportwetten betrug der Grau- bzw. Schwarzmarkt zuletzt 95 % der Bruttospielerträge.1143 Hingegen finden sich im Rahmen der Gesetzesbegründung für die Lotterien keinerlei Quellen oder Nachweise dahingehend, woher die

1138  Diese Aspekte ebenfalls als kritisch sehend Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  140 ff. 1139  Diesbezüglich stellt der Gesetzgeber auch fest: „Damit wird eine wesentliche Forderung erfüllt, die das BVerfG in seinem Urteil vom 28. März 2006 aufgestellt hat.“, LT Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 38. 1140  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 22. 1141  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1142  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1143  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6, 12.

324 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Länder ihre Erkenntnis ziehen, dass auch im Bereich der Lotterien ein gravierender Schwarz-/Graumarkt droht.1144 Eine derartige Erkenntnis geben auch die damaligen Studien nicht her.1145 Ebenso rechtfertigt die momentane Situation eine derartige Ansicht im Vergleich zur Situation bei den Sportwetten nicht. Auf die regulierten staatlichen Lotterien des Deutschen Lotto- und Totoblocks entfielen im Jahr 2017 Bruttospielerträge von 3513 Mio. Euro1146, wobei dieser Betrag noch um 955 Mio. Euro zu erhöhen ist, wenn man die Klassen-, Sozial- und Sparlotterien mit einbezieht.1147 Im Gegensatz hierzu entfallen auf die nicht regulierten OnlineZweitlotterien „lediglich“ Bruttospielerträge von 279 Mio. €.1148 Dies entspricht einem Marktanteil am Lotteriemarkt von ca. 7 % (ohne die Klassen-, Sozial- und Sparlotterien) bzw. ca. 6 % (mit Klassen-, Sozial- und Sparlotterien). Der Schwarzmarkt beider Formate ist also kaum vergleichbar.1149 Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis im Jahr 2018, auf den regulierten Lotterienmarkt ohne Klassen-, Sozial- und Sparlotterien entfallen 3.659 Mio. Euro, auf den Zweitlotterienmarkt 360 Mio. Euro, also relativ gesehen 9,8 %.1150 Zwar ist hinsichtlich der Zweitlotterien in den letzten Jahren ein Wachstum zu verzeichnen,1151 dieses ist aber bei weitem nicht mit der Situation bei den Sportwetten vergleichbar, weshalb eine Öffnung des Marktes hinsichtlich des Onlinesegments im Rahmen der Lotterien als Verringerung des Spielerschutzes zu sehen ist, die auch nicht durch eine damit bezweckte Kanali­ sierung auf den regulierten Markt aufgewogen werden kann, da auf dem unregulierten Markt – in Gegensatz zu den Sportwetten – ein beträchtlich geringerer Schwarzmarkt besteht. Eine Gefahr neben den Online-Zweitlotterien durch „nicht kontrollierte Angebote zu staatenübergreifenden Lotterien“1152 ist weder im Rahmen der Gesetzesbegründung nachgewiesen noch aus Studien ersichtlich. Auch in den 1144  Janich,

Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 142. 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 16; Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 142 f. mit Verweis auf eine Studie der Goldmedia GmbH. 1146  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 1147  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 1148  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 1149  Ebenso Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 56. 1150  Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6, 12. 1151  Vgl. Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 16; Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 16; Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 142 f. mit Verweis auf eine Studie der Goldmedia GmbH. 1152  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1145  Vgl. Jahresreport



C. Online-Lotterien325

Jahren der Geltung des GlüStV sind einzig die Online-Zweitlotterien im Rahmen des nicht-regulierten Marktes von Relevanz gewesen.1153 Im Ergebnis ist daher durch die Erweiterung des Vertriebs auf das Medium Internet eine Verringerung des Spielerschutzes bzw. der Suchtbekämpfung zu sehen.1154 (β) Erweiterung der Werbung Darüber hinaus erfolgte eine Erweiterung der Werbemöglichkeiten im Gegensatz zum GlüStV 2008. Begründet wird die Erweiterung damit, dass, soweit das Angebot im Internet zugelassen wird, auch dieses dort beworben werden (können) muss, „um die Nachfrage auf das legale Angebot hin zu kanalisieren.“1155 Dem Ziel der Suchtprävention sei in diesem Fall durch die geltenden inhaltlichen Werberestriktionen genügt.1156 Wie aber bereits oben erläutert, ist eine Kanalisierung überhaupt nicht notwendig und auch nicht nachgewiesen, weshalb auch eine Werbung zur Unterstützung dieser Kanalisierung nicht, wie vom Gesetzgeber angenommen, die Kanalisierung verstärkt, sondern vielmehr die bereits bestehende Aufweichung des Spielerschutzes durch flankierende Werbemaßnahmen weiter verstärkt.1157 Zwar kommt der Werbung an sich ein geringeres Gefährdungspotenzial zu als anderen Faktoren, jedoch ist zu beachten, dass eine Kanalisierung durch Werbung mangels fehlender empirischer Befunde bereits zweifelhaft ist.1158 Darüber hinaus ist Ziel des Staatsvertrages nicht nur die Suchtgefahren zu bekämpfen, sondern auch der Spieler- bzw. Verbraucherschutz. Insbesondere auch die negativen Folgen für Familien durch eine Spielsucht werden hierbei genannt.1159 Wenn aber die Werbung dafür sorgt, dass mehr Personen an den Lotterien teilnehmen und daher auch zunächst Unentschlossene daran teilnehmen, so steigt die absolute Zahl der Spielsüchtigen, selbst wenn lediglich 2 % der Lottospieler hiervon betroffen sind. Ein völliges Begründungsdefizit offenbart sich aber gerade durch die Eröffnung der Fernsehwerbung. Im Rahmen des GlüStV 2008 argumentierte der Gesetzgeber bezüglich des Fernsehwerbeverbots noch, dass es „unab1153  Vgl. Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12, der nur die Online-Zweitlotterien erwähnt. 1154  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  142 f. 1155  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 26. 1156  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 26. 1157  In diese Richtung auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 143. 1158  Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 55. 1159  Vgl. LT Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 27; wobei an diesen Erwägungen festgehalten wird, Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 17.

326 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

dingbar“ sei, die Fernsehwerbung für dem Spielerschutz und die Bekämpfung von Suchtgefahren zu verbieten.1160 Die ergebe sich aus der Bedeutung und der Einflussmöglichkeit der Fernsehwerbung.1161 Warum nun eine Werbung im Fernsehen unter dem Aspekt der Kanalisierung möglich sein soll, wird aber gerade nicht begründet. Der Gesetzgeber verweist lediglich darauf, dass dem Ziel der Suchtprävention inhaltlich durch die Werberestriktionen genügt wird.1162 Dies ist aber keine Begründung dafür, dass es dieser Werbung hinsichtlich der Lotterien bedürfe. Auch die Aussage, soweit das Angebot im Internet zugelassen wird, müsse dieses auch dort beworben werden, ist nicht auf Fernsehwerbung übertragbar. Es findet gerade kein Vertrieb über das Medium des Fernsehens statt, im Gegensatz zum Internet erfolgt im Fernsehen überhaupt keine wechselseitige Kommunikation zwischen Sender und Nutzer. Auch erfolgt keinerlei illegales Angebot über das Fernsehen. Die Eröffnung dieser Werbemöglichkeit sorgt vielmehr erst dafür, dass auch nicht regulierten Zweitlotterien eine Werbung ermöglicht wird, weil für die jeweiligen Sender nicht ersichtlich ist, ob die Werbung nun zulässig ist oder nicht. Diese Vorfrage wäre bei einem Totalverbot für Fernsehwerbung schlicht zu beantworten, denn dann wäre überhaupt keine Werbung zulässig. Auch durch die Ausweitung der Werbung ist daher rechtlich eine Verminderung des Spielerschutzes einhergegangen.1163 (γ) Ausgestaltung der Werberichtlinien Auch hinsichtlich der auf § 5 IV 1 GlüStV basierenden Werberichtlinien1164 wird eine rechtlich konsequente Ausrichtung auf die Spielsuchtbekämpfung in Zweifel gezogen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG zum Sportwettenmonopol „[verlangt und rechtfertigt] [d]as Ziel, die Wettleidenschaft durch den Hinweis auf legale Wettangebote zu lenken, […] keine über die sachliche Information hinausgehende, zum Wetten selbst motivierende Aussage. Unzulässig sind danach beispielsweise Darstellungen des Wettens als aussichtsreiche Möglichkeit materiellen Zugewinns, als attraktive Unterhaltung oder als sozialadäquate Beschäftigung. Erst recht darf die Teilnahme an Wetten nicht als positiv zu bewertendes, wünschenswertes oder sozial verantwortliches Handeln aufgewertet werden.“1165 Dies schließt „jede Form der Image- oder Sympathiewerbung, die über den Hinweis auf die Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 39; Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 143. Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 39; Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 143. 1162  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 26. 1163  Wohl i. E. ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 143. 1164  Bay. AllMBl Nr. 1/2013, S. 3 ff. 1165  BVerwG NVwZ 2011, 554 (558). 1160  LT 1161  LT



C. Online-Lotterien327

Legalität der Monopolangebote hinaus Sympathien für das Wetten selbst weckt“, aus.1166 Jedoch enthält die Werberichtlinie Regelungen zur Zulassung von Imagewerbung. Gem. § 2 II Nr. 3 WerbeRL ist Imagewerbung Werbung, die mit Nennung des Unternehmensnamens oder eines prägenden Teils des Namens, selbst keine eigentlichen Leistungen (Glücksspielprodukte) bewirbt, sondern eine positive Haltung anregen und allgemein ein positives Bild des beworbenen Unternehmens vermitteln will. Genau diese Image- bzw. Sympathiewerbung wird aber durch die Werberichtlinie in § 3 III 4 WerbeRL zugelassen, was bereits Zweifel an der rechtlichen Konsequenz aufwirft.1167 In § 5 Nr. 1 WerbeRL differenziert die Richtlinie wiederum zwischen Lotterien, die nicht häufiger als zweimal wöchentlich veranstaltet werden, also denen mit planmäßigem Jackpot nach § 22 GlüStV und Lotterien im Sinne des Dritten Abschnitts des Glücksspielstaatsvertrages, also denen mit geringem Gefährdungspotenzial nach §§ 12 ff. GlüStV. Nur bei Letzteren darf ausdrücklich der „gemeinnützige Charakter der Lotterie […] in den Vordergrund gestellt werden“. Bei den gem. § 22 GlüStV auf zwei Veranstaltungen pro Woche begrenzten Lotterien „darf nach Maßgabe der §§ 3 und 4 im für eine gesicherte Wahrnehmung notwendigen Umfang attraktiv geworben werden.“ Dass aber die Imagewerbung nicht zulässig ist, ist gerade nicht ausdrücklich normiert, was bereits rechtlich an der Konsequenz zweifeln lässt. Dieser Ansicht haben sich auch in der jüngsten Zeit bereits mehrere Gerichte angeschlossen.1168 (δ) Einführung des Eurojackpots Auch die Implementierung der rechtlichen Regelung zur Ermöglichung ähnlicher Formate wie die des Eurojackpots lässt Zweifel an der rechtlich konsequenten Ausrichtung des Glücksspielstaatsvertrags aufkommen. Suchtwissenschaftlich relevanter Unterschied zwischen Eurojackpot und Lotto 6 aus 49 ist die beim Eurojackpot erhöhte Maximalgewinnsumme von 90 Mio. Euro und eine Mindestgewinnsumme im ersten Gewinnrang von 10 Mio. Euro. In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber aus, dass Lotterien, wie der Eurojackpot, mit den Zielen des Staatsvertrages vereinbar sind, weil hierdurch ein attraktives Angebot an Lotterien geschaffen werde, das zu einer Verschiebung dahingehend führt, dass die Lotterien dann Glücksspielen mit 1166  BVerwG

NVwZ 2011, 554 (558). kritisch zu diesem Punkt Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 146; Berberich, ZfWG 2018, 61 (61). 1168  Vgl. VG München BeckRS 2017, 131087 Rn. 35; VGH Kassel Beschluss vom 29. Mai 2017 – 8 B 2744/16 –, juris Rn. 22. 1167  Ebenso

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einem höheren Suchtgefährdungspotential vorgezogen werden. Eine Begründung für diese These, dass durch die Einführung einer weiteren Lotterie eine Kanalisierung von gefährlicheren Glücksspielen erfolgen sollte, blieb der Gesetzgeber aber schuldig.1169 Insbesondere ist gerade nicht ersichtlich, warum aus der Einführung des Eurojackpots eine Kanalisierung erfolgen sollte und nicht, wie bereits vom Fachbeirat vor der Einführung des Eurojackpots kritisiert (und daher auch den Eurojackpot ablehnte)1170, ein Komplementäreffekt.1171 Trotz Ablehnung des Fachbeirats erfolgte eine Zulassung des Eurojackpots, was wiederum den Fachbeirat dazu veranlasste, mit drastischen Worten anzumahnen, dass sich „[d]ie Hoffnung, das staatliche Monopol gewährleiste einen deutlich zurückhaltenderen Marktauftritt als private Glücksspielanbieter und schütze die Spieler vor dem Einsatz besonders wirksamer Spielanreize[,] hat sich für den Bereich der Lotto-Treuhandgesellschaften nicht erfüllt.“1172 Auch hat sich nach Einführung des Eurojackpots durch begleitende Studien gezeigt, dass die Erwägungen des Fachbeirats richtig waren und, dass vom Eurojackpot keinerlei Kanalisierungseffekt hinsichtlich anderer Glücksspielformate ausging. Basierend auf Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung untersuchte diese die Auswirkungen der Einführung des Eurojackpots.1173 Diesbezüglich wurde zunächst festgestellt, dass der Großteil der Eurojackpotspieler (~ 90 %) vor dessen Einführung Lotto „6 aus 49“ gespielt hat.1174 Gleichzeitig kann lediglich ein schwacher Substitutionseffekt zwischen Eurojackpot und Lotto „6 aus 49“ angenommen werden, da „nur [ein] kleiner Teil der Befragten, die zuvor Lotto gespielt haben ihre Spielpräferenz zugunsten von Eurojackpot eingeschränkt oder umgestellt haben.“1175

1169  Janich,

Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 145. des Fachbeirats nach § 10 I 2 GlüStV vom 17.02.2010 zur Einführung der Lotterie „Eurojackpot“, S. 2 ff, abrufbar unter: https://innen.hessen.de/sites/ default/files/media/hmdis/110711_eurojackpot_hh_2_.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1171  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 145. 1172  Ergänzender Beschluss des Fachbeirats nach § 10 I 2 GlüStV vom 14.01.2011, abrufbar unter: https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_12011_ergaenzender_beschluss_eurojackpot_vom_14.1.2011.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1173  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 179. 1174  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 180. 1175  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 181. 1170  Beschluss



C. Online-Lotterien329

Hinsichtlich suchtgefährlicher Glücksspiele konnte festgestellt werden, dass der „Eurojackpotspieler“ gleichzeitig häufiger mehrmals monatlich auf Sportereignisse wettet und etwas häufiger Beträge über 50 Euro für Sportwetten ausgibt als Sportwettenteilnehmende, die nicht Eurojackpot spielen.1176 Das gleiche gilt auch für Online-Casinospiele.1177 Hinsichtlich des zur Einführung des Eurojackpots angenommenen Kanalisierungseffekts stellt die Studie fest, dass sich „keine Kanalisierungseffekte bei als eher risikoreich einzuschätzenden Glücksspielen bezüglich Eurojackpot ableiten“ lassen.1178 Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, da der Spieler risikoreicherer Glücksspiele, wenn überhaupt, ein Interesse an anderen, ebenfalls risikoreichen Glücksspielen hat, nicht aber an risikoärmeren, weshalb auch in diesem Verhältnis eine Kanalisierung schwer möglich ist.1179 Zutreffend stellt diesbezüglich auch Janich heraus, dass die Motive zwischen dem Spiel einer Lotterie und dem Spiel anderer Glücksspiele unterschiedlich sind.1180 Vielmehr sorgte die Einführung des Eurojackpots dazu, dass der Eurojackpot nun nicht statt Lotto „6 aus 49“ gespielt wird, sondern vielmehr ist zu beobachten, dass dieser zusätzlich daneben gespielt wird1181; genau der befürchtete Komplementäreffekt ist also eingetreten. Die rechtliche Ermöglichung und darauf stattgefundene Einführung des Eurojackpots hat also nicht zu einer Kanalisierung des Angebots geführt, vielmehr hat er dazu geführt, dass Spieler, die Lotterien bereits spielen, neben Lotto „6 aus 49“ zusätzlich Eurojackpot spielen.1182 Diesbezüglich offenbart sich auch die fehlende rechtliche Konsequenz der Möglichkeit der Einführung derartiger Jackpotlotterien. Zwar normiert § 22 I 1 GlüStV, dass die Jackpothöhe zu begrenzen ist, aber wo diese Begrenzung liegen muss, normiert das Gesetz gerade nicht. Die hohe Maximalsumme von 90 Mio. Euro und die Mindeststumme von 10 Mio. Euro bildet aber gerade beim Eurojackpot die ausschlaggebende Teilnahmemotiva­ tion.1183 Die Gesetzgeber wollten aber nach ihren Erwägungen gerade Lotterien wie den Eurojackpot ermöglichen,1184 widersprechen sich hierdurch aber 1176  BZgA,

Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 182. Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 182. 1178  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 189. 1179  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 189. 1180  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  145 m. w. N. 1181  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 189. 1182  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 189. 1183  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 168. 1184  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 30. 1177  BZgA,

330 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

hinsichtlich der rechtlich konsequenten Ausrichtung auf die Suchtbekämpfung, da derartig hohe Jackpots gerade mehr Spieler zur Teilnahme motivieren, als dass sie Spieler aus gefährlicheren Glücksspielformen auf die Lotterien kanalisieren.1185 Auch ist zu beachten, dass die durchschnittlichen Spieleinsätze für Lotto in den letzten Jahren immer ungefähr bei 10 bis 11 € monatlich lagen und diesbezüglich auch keine signifikante Änderung durch den Eurojackpot erfolgte.1186 Vielmehr wird nun zusätzlich eine monatliche Ausgabe von ca. 5 € für den Eurojackpot getätigt.1187 Insgesamt ist daher unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung zu sagen, dass der Staat durch die Einführung des Eurojackpots ein weiteres Angebot geschaffen hat, dass weder dazu geeignet ist, Spieler von gefährlicheren Glücksspielen zu kanalisieren, noch von den Lotterien zu substituieren. Vielmehr wurde eine weitere Glücksspielform geschaffen, die die Lottospieler neben und nicht statt des Angebots Lotto „6 aus 49“ nutzen, was schlussendlich zu einer Umsatzsteigerung der Landeslotteriegesellschaften führt. Ferner erfolgt die Ziehung des Eurojackpots am Freitag, weshalb die Ziehungsfrequenz der Jackpotlotterien um den Faktor 1,5 erhöht wird.1188 Wie oben gezeigt, hat die Ereignisfrequenz ebenso Wirkung auf die Suchtgefahr durch ein Glücksspiel, weshalb auch von einer Erhöhung der Suchtgefahr vom Gesamtkonstrukt „Jackpotlotterie“ ausgegangen werden muss.1189 (ε) Ergebnis Aus den genannten Erwägungen ist bereits eine rechtlich konsequente Ausrichtung des GlüStV auf das Ziel der Suchtbekämpfung im Rahmen der Lotterien äußerst zweifelhaft. (bb) Tatsächliche Konsequenz Auch ist die tatsächliche Konsequenz des Lotteriemonopols in Bezug auf das Ziel der Suchtbekämpfung häufig der ausschlaggebende Kritikpunkt.

Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 146. BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 100. 1187  Vgl. BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 106. 1188  Neben Lotto 6 aus 49 am Mittwoch und Samstag nun auch Eurojackpot am Freitag. 1189  Vgl. Meyer, Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial, S. 57. 1185  Ebenso 1186  Vgl.



C. Online-Lotterien331

(α) Werbung Insbesondere die Werbepraxis der Landeslotteriegesellschaften ist häufig ein kritischer Punkt.1190 Im Rahmen seiner Sportwettenentscheidung hat das BVerfG zum Punkt der Werbung klargestellt, dass diese zwar im Grundsatz durchaus unter dem Aspekt der Ermöglichung einer Kanalisierung möglich ist, sich aber „zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten zu beschränken“ hat.1191 Der Begriff der Werbung im Sinne des § 5 GlüStV wird wiederum „durch jeden an das Publikum gerichteten Hinweis eines Anbieters auf ein eigenes entgeltliches Angebot erfüllt.“1192 Insbesondere ist es im Rahmen der tatsächlichen Ausgestaltung von Werbung den staatlichen Lottounternehmen untersagt, Image- und Sympathiewerbung zu betreiben.1193 Zu beachten ist hierbei der Umfang des Prüfungsmaßstabs. Lotterien sind grundsätzlich nach Ansicht der Gesetzgeber Sache der einzelnen Länder, aus diesem Grund bestehen auch 16 selbstständige Landeslotteriegesellschaften. Der Deutsche Lotto- und Totoblock ist wiederum eine Vereinigung der Lottogesellschaften, die gemeinsam die jeweiligen Grundsätze der Veranstaltungen erarbeiten. Veranstalter der jeweiligen Lotterie ist aber ausschließlich die jeweilige Landeslottogesellschaft und nie der Deutsche Lotto- und Totoblock. Diesbezüglich stellt sich zwingend die Frage, ob Werbung regional nur einer Lottogesellschaft zugerechnet werden kann oder, ob sich alle Gesellschaften als ein Anbieter beurteilen lassen müssen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht nur die einzelnen Landeslotteriegesellschaften die Werbungen schalten, sondern dass hierfür auch bundesweit der Deutsche Lotto- und Totoblock tätig wird. Jedoch ist in diesem Umfang eine „faktische Zurechnung“ von Werbemaßnahmen im Rahmen der von den Monopolanbietern abgestimmten Dachmarkenwerbung des Deutschen Lotto- und Totoblocks auf eine einzelne Landeslotteriegesellschaft verfassungsrechtlich zulässig.1194 Auch im Rahmen des Sportwettenurteils hat das BVerfG die Werbung im Rahmen der über den 1190  So auch Fuchs, Das neue Glücksspielrecht, S. 285, „D. h. die Werbung für die staatl. Monopolangebote darf v. a. nicht zur Lotterieteilnahme anreizen und ermuntern. Diesen Vorgaben genügt die tatsächliche Werbepraxis der staatlichen Lotterie­ veranstalter jedoch häufig nicht.“ 1191  BVerfG NJW 2006, 1261 (1267). 1192  BVerwG NVwZ-RR 2014, 181 (185); NVwZ 2011, 554 (558). 1193  BVerwG NVwZ 2011, 554 (558); NVwZ-RR 2014, 181 (185). 1194  BVerwG NVwZ-RR 2014, 181 (186).

332 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von Oddset zur Prüfung der Angemessenheit des Sportwettenmonopols in Bayern herangezogen.1195 Dieses gemeinsame Auftreten müssen sich die einzelnen Landeslotteriegesellschaften auch jeweils gegenseitig zurechnen lassen, hiermit wird nur die rechtliche Konsequenz aus einer bestimmten Art und Weise des gemeinsam abgestimmten und verantworteten, koordinierten Gebrauchs der jeweiligen Kompetenz gezogen.1196 Die von den Landeslotteriegesellschaften bzw. als Dachmarke die des Deutschen Lotto- und Totoblocks getätigte Werbung müsste demnach tatsächlich derart ausgestaltet sein, dass sie sich konsequent am Ziel der Begrenzung der Spielsucht ausrichtet. Dies bedeutet, dass sie auf eine sachliche Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum legalen Spiel zu beschränken ist. Nicht erlaubt ist daher eine Werbung, die zum Spiel auffordert, anreizt oder ermuntert.1197 Maßgeblicher Beurteilungsmaßstab ist nicht die vom Anbieter verfolgte Intention, sondern der nach dem Horizont des durchschnittlichen Empfängers zu bestimmende Aussagegehalt. Insbesondere darf daher die Teilnahme am Glücksspiel nicht als sozialadäquate oder gar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt werden, was wiederum auch ausschließt, in der Werbung auf die gemeinnützige Verwendung der Einnahmen hinzuweisen.1198 Maßgebliches Kriterium ist also die tatsächliche Ausgestaltung der Werbung durch die Lotterieunternehmen. So sah es das VG München als Verstoß an, dass auf den Internetstartseiten der Landeslotteriegesellschaften sich blickfangmäßige Hervorhebungen der jeweils aktuellen Jackpotsummen befinden.1199 Diese Mindestjackpotsummen bzw. Gewinnchancen sind wie­ derum als fettgedruckter zentrierter Blickfang weiterhin auf der Seite von Lotto Bayern zu finden.1200 Ebenso verhält es sich auf den Seiten aller Landeslotteriegesellschaften, also in Baden-Württemberg1201, Hessen1202, dem Sachsenlotto1203, Mecklenburg-Vorpommern1204, Berlin1205, Sachsen-An1195  Vgl.

BVerfG NJW 2006, 1261 (1266). NVwZ-RR 2014, 181 (186). 1197  BVerfG NJW 2006, 1261 (1266); BVerwG NVwZ 2011, 554 (558); NVwZRR 2014, 181 (185). 1198  BVerwG NVwZ 2011, 554 (558); NVwZ-RR 2014, 181 (185). 1199  VG München BeckRS 2017, 131087 Rn. 39. 1200  https://www.lotto-bayern.de/home, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1201  https://www.lotto-bw.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1202  https://www.lotto-hessen.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1203  https://www.sachsenlotto.de/portal/startseite.jsp, zuletzt abgerufen am: 06.10. 2020. 1204  https://www.lottomv.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1205  https://www.lotto-berlin.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1196  BVerwG



C. Online-Lotterien333

halt1206, dem Westlotto (Nordrhein-Westfalen)1207, Saarland1208, Hamburg1209, Niedersachsen1210,Rheinland-Pfalz1211, Brandenburg1212, Thüringen1213 und Schleswig-Holstein1214. Das VG München sieht hierin keine konsequente Werbung, da derartige Werbeeinblendungen auch dem Ziel dienen, „noch unentschlossene Spieler, die möglicherweise die Homepage einer Landeslotteriegesellschaft zu Informationszwecken besuchen, zu einer Teilnahme an einer Zahlenlotterie zu bewegen.“1215 Dem ist nicht vollständig zuzustimmen. Selbstverständlich gehört zu einer sachlichen Information über ein Glücksspielangebot, insbesondere in Form des Lottos, dass der jeweilige Spieler auch über Gewinnmöglichkeiten Kenntnis erlangt. Würde diese nicht angezeigt werden, ist schwerlich überhaupt eine Kanalisierung möglich, da, wie oben gezeigt, gerade die Gewinnhöhe die maßgebliche Spielmotivation erzeugt.1216 Jedoch ist immer eine Gesamtschau des vollständigen Werbeauftritts vorzunehmen. Insbesondere der Internetauftritt in sozialen Medien nimmt zu, so veröffentlicht Lotto Bayern auf seiner Startseite in Facebook1217 immer neue Beiträge. So lassen sich die von Lotto Bayern gemachten Beiträge chronologisch so zusammenfassen:1218 18.03.2019: Lotto Bayern gratuliert mehreren Gewinnern: „🍀 Spiel 77: 877.777 € gehen nach Niederbayern 🍀 Super 6: 100.000 € gehen in die Oberpfalz“

15.03.2019: Lotto Bayern weist auf den Eurojackpot abends hin: „Es rufen galaktische 52 Mio. Euro! Heute bis 19 Uhr EUROJACKPOT in deiner Annahmestelle oder online spielen unter https://www.lotto-bayern.de/losgehts.“ 1206  https://www.lottosachsenanhalt.de/,

zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1208  https://www.saartoto.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1209  https://www.lotto-hh.de/portal.do, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1210  https://www.lotto-niedersachsen.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1211  https://www.lotto-rlp.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1212  https://www.lotto-brandenburg.de/de/lb/home/, zuletzt abgerufen am: 06.10. 2020. 1213  https://www.lotto-thueringen.de/startseite.html, zuletzt abgerufen am: 06.10. 2020. 1214  https://www.lotto-sh.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1215  VG München BeckRS 2017, 131087 Rn. 39. 1216  In diese Richtung auch Pfeifer, ZfWG 2018, 338 (345 ff.). 1217  https://www.facebook.com/lottobayern/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1218  Alle Beiträge stammen von https://www.facebook.com/pg/lottobayern/posts/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1207  https://www.westlotto.de/startseite.html,

334 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

14.03.2019: Lotto Bayern weist erneut auf den Eurojackpot am nächsten Tag hin: „Lasst euch einfach mal 52 Mio. € heraus. So hoch ist am Freitag der EUROJACKPOT!“,

wobei auf der Seite ein Bild mit einer großen „52 Mio.“ zu sehen ist. 13.03.2019: Lotto Bayern verlost 1 x 2 VIP Tickets für ein Basketballspiel, wobei hierzu nötig ist, eine andere Person zu benennen, die mitgenommen werden soll. 11.03.2019: Lotto Bayern gratuliert einem Sieger: „Auch wenn es in einigen Teilen Bayerns heute wieder schneit, hier kommen doch sofort Frühlingsgefühle auf ❤ 🍀 1.000.000 € gehen dank der Glücksspirale-Zusatzlotterie ‚Die Sieger-Chance‘ an einen Lottospieler aus Oberbayern. ✌ Herz­ lichen Glückwunsch allen Gewinnern der vergangenen Woche! 🎉“

08.03.2019: Lotto Bayern weist auf den Eurojackpot hin: „Es rufen präsidiale 40 Mio. Euro! Heute bis 19 Uhr EUROJACKPOT in deiner Annahmestelle oder online spielen unter https://www.lotto-bayern.de/losgehts.“

07.03.2019: Lotto Bayern weist erneut auf den Eurojackpot hin: „☀ Einfach mal abschalten … mit 40 Mio. im EUROJACKPOT.“

Irgendwelche Worte zu Suchtgefahren finden sich weder in diesen Beiträgen, noch finden sich diese in gesonderten Beiträgen. Gleichsam finden sich derartige Beispiele auf anderen Facebookseiten verschiedenster Anbieter. Lotto Hessen wirbt am 12.03.2019 mit einem Bild zum „Pflanze-eine-Blume-Tag“ mit den Worten „Blumenzwiebeln gepackt und losbuddeln: Happy ‚Pflanz-eine-Blume-Tag‘, Euch allen! Übrigens: Bei GENAU – Die Umweltlotterie könnt ihr gleich eine ganze Blumenwiese zum Blühen bringen. Mitmachen lohnt sich also: https://www.lotto-hessen.de/ genau/normalschein?gbn=5“1219 Am 06.03.2019 wiederum veröffentlichte Lotto Hessen den Beitrag mit dem Text: „Wer dachte, Mittwoch ist der kleine Bruder von Samstag liegt bei uns total falsch. 😉 Denn LOTTO am Mittwoch bietet Dir die gleichen Gewinnchancen wie LOTTO am Samstag. Eben doppelt gut – aber nur wer mitspielt, kann gewinnen!“1220

1219  https://www.facebook.com/lottohessen/posts/2181805468532615, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1220  https://www.facebook.com/lottohessen/posts/2172109486168880 zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.



C. Online-Lotterien335

Westlotto wirbt auf seiner Seite mit Texten wie „Du sehnst dich nach frischer Luft und einem grandiosen Ausblick? LOTTO 6aus49 könnte dir eine ausgiebige Bergtour ermöglichen – http://west.lotto/ lotto6aus49“.1221

Auch auf seiner Internetseite wirbt Westlotto mit dem Slogan „Ihr Einsatz zahlt sich aus – Für alle in NRW“ und bei Klick darauf mit „Mit Spaß am Spiel und der Hoffnung auf das große Glück Lotto spielen. Träumen, was man mit dem Jackpot alles machen würde. Mitfiebern und an das Glück glauben. Deswegen füllen so viele Millionen Spieler jede Woche begeistert ihren Lottoschein aus. Aber nicht nur deswegen. Durch das Lotto-Prinzip wird auch das Gemeinwohl in ganz NRW gefördert. Denn von jedem Spieleinsatz geht ein Teil an den Denkmalschutz, Sport, Kunst & Kultur, Wohlfahrt und Naturschutz in NRW. So ist jeder Spielschein ein Gewinn für alle.“1222 Auch auf die Unterstützung des Denkmalschutzes wird mit einer eigenen Rubrik hingewiesen.1223 Auch verweist das VG München auf die allseits bekannten Aushänge, Aufsteller auf dem Gehweg und Hinweiswimpel auf hohe mögliche Jackpotgewinne bei bzw. vor Lottoannahmestellen, durch die auf die Gewinnmöglichkeit aufmerksam gemacht wird.1224 Ebenso sei auf die weiteren Beispiele von Werbung im Urteil des VG München verwiesen.1225 Die Beispiele sind fast zahllos, ebenso sei auf die Aufzählung bei Janich verwiesen.1226 Auch die jeweils durch die Landeslotteriegesellschaften geschaltete Werbung ist wohl jedermann bekannt. Auch fallen hierbei Formulierungen wie „Der Lotto Jackpot wurde bei der letzten Ziehung nicht geknackt. Deshalb heute im Jackpot: … Mio. Euro.“ Dass dies nicht lediglich darauf gerichtet sein kann, bereits zum Spiel entschlossene anzuziehen (diese wissen im Zweifel, ob der Jackpot geknackt wurde und ich welcher Höhe?) stellt die Werbung vielmehr dem bisher Unentschlossenen Publikum das Mitspielen verführerisch in Aussicht.1227

1221  https://www.facebook.com/westlotto/posts/2230836917003060, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1222  https://www.westlotto.de/service/landingpage/das_lotto_prinzip/das_lotto_ prinzip.html;jsessionid=TDBbt3Sj22s6EXhb40Kjw+ll.infocus6a, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1223  https://www.westlotto.de/service/landingpage/das_lotto_prinzip/das_lotto_ prinzip_denkmalschutz.html, zuletzt abgerufen am 09.01.2020. 1224  Vgl. VG München BeckRS 2017, 131087 Rn. 42. 1225  VG München BeckRS 2017, 131087 Rn. 37 ff. 1226  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S.  146 ff. 1227  Kluth, DVBl 2019, 203 (204).

336 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Bereits aus diesem Umfang der Werbung wird ersichtlich, dass sich das Werbeangebot nicht konsequent auf eine bloße Information über die Möglichkeit des staatlichen Glücksspielangebots beschränkt, vielmehr ermutigt sie noch Unentschlossene zur Teilnahme. Insbesondere der auch häufig verwendete Slogan „nur wer mitspielt, kann gewinnen!“ hat evident nicht das Ziel der Kanalisierung im Auge, sondern vielmehr wird hiermit zu einem Teilnahmeentschluss aufgefordert. Gerade die bisher nicht am Glücksspiel Teilnehmenden werden hierdurch mobilisiert. Auch der Verweis auf die Mittelverwendung der nicht ausgeschütteten Einsätze geht über den Rahmen einer sachlichen Information hinaus. Die Landeslotteriegesellschaften geben hierdurch eine soziale Rechtfertigung für das Glücksspiel, da der Spieler ja hiermit etwas „Gutes tut“, denn sein Einsatz komme jedem bzw. der Allgemeinheit zugute. Die Werbung vermittelt also den Eindruck, dass die Teilnahme an der Lotterie, also die Teilnahme an einem Glücksspiel, im Allgemeininteresse liegt, weshalb es auch mit dem sozialen Gewissen des Menschen zu vereinbaren sei, sein Geld für Glücksspiel auszugeben.1228 Beim Hinweis auf die Mittelverwendung handelt es sich vielmehr um unzulässige Image- oder Sympathiewerbung.1229 Durch einen derartigen Hinweis wird die Lotterie „zum Sponsoring gemeinnütziger Tätigkeiten auf[gewertet] und stellt damit die Entscheidung für eine Teilnahme als positiv zu beurteilende Handlung im Sinne eines „Spendens durch Spielen“ dar.“1230 Ebenso verdeutlichen die Facebookbeiträge eine inkonsequente Ausrichtung der Werbung auf die Suchtbekämpfung. Im Rahmen der Facebookbeiträge wird mit keinem Wort auf die Gefahren von Glücksspiel hingewiesen. Es werden ausschließlich die positiven Effekte herausgestellt, wie z. B. die Ermöglichung eines lange zurückgehaltenen Urlaubswunsches, bzw. werden ausschließlich die Gewinne betont. Unter diesem Aspekt ist bereits ersichtlich, dass sich die Werbepraxis auch nicht an die Werberichtlinie hält. Gem. § 4 I Nr. 3 WerbeRL ist Werbung unerlaubt, die „in ausschließlicher und einseitiger Weise den Nutzen des Glücksspiels betont“, dies ist aber gerade im Rahmen der Facebookbeiträge der Fall. Auch mit Blick auf die Ausgaben des Deutschen Lotto- und Totoblocks im Bereich der Werbung ist eine drastische Steigerung des Werbebudgets seit 2012 zu beobachten. Die Werbeausgaben im Bereich Lotto und Toto insge-

Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 148. VG München BeckRS 2017, 131087 Rn. 44. 1230  BVerwG NVwZ 2011, 554 (558); hierzu kritisch Pfeifer, ZfWG 2018, 338 (345 ff.). 1228  Ebenso 1229  Ebenso



C. Online-Lotterien337

samt (also mit Zweitlotterien) haben sich in diesem Zeitraum von 97,3 Mio. Euro im Jahr 2012 auf 197,4 Mio. Euro im Jahr 2017 mehr als verdoppelt.1231 Auf die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks entfielen nach der Studie von Research Tools 2015/2016 allein 31 Mio. Euro an Werbeausgaben, wobei dies eine Steigerung zu den Werbeausgaben im Jahr 2011/2012 von 229 % bedeutet.1232 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass gleichzeitig die Zweitlotterien im Jahr 2015/2016 sogar mehr als der Deutsche Lotto- und Totoblock für Werbung ausgaben, nämlich 31,5 Mio. Euro.1233 Hingegen entfallen nach der Analyse von Nielsen Research auf den Deutschen Lotto- und Totoblock im Jahr 2016 Werbeausgaben von 82,3 Mio. Euro und auf die Zweitlotterien lediglich die Hälfte dieser Summe.1234 Es ist eine drastische Steigerung der Werbeausgaben also sowohl bei den regulierten als auch unregulierten Lotterie bzw. Zweitlotterieanbietern zu beobachten. Dieses Ergebnis offenbart auch die tatsächlichen Defizite bei der Umsetzung der in § 5 GlüStV und den in der Werberichtlinie festgelegten Regularien. Insbesondere mit Blick auf die Gefahren der Werbung, die noch dem GlüStV 2008 zugrunde gelegt worden sind, zeigt sich hier eine tatsächliche Abweichung vom Regelungssinn des GlüStV, die Werbung kanalisiert und lenkt nicht, sondern diese nimmt immer weiter Überhand, ohne diesen Effekt zu erzeugen. Jedoch rechtfertigt eine Ausweitung der Werbung im unregulierten Bereich den Staat nicht selbst zu einer Ausweitung seiner Werbebemühungen. Diese sind vielmehr auf das Maß zu begrenzen, das zur Lenkung der Verbraucher erforderlich ist. Es ist daher dem staatlichen Anbieter nicht gestattet, durch seine Werbung zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, vielmehr darf er nur über die Existenz der Produkte informieren.1235 Insbesondere ist es staatlichen Anbietern auch nicht unter Berücksichtigung einer „Waffengleichheit“ erlaubt, sich darauf zu berufen, dass auch private Anbieter derartige Werbungen schalten. „Die Länder, die ein Monopol errichtet und ausgestaltet haben, sind nicht Grundrechtsträger, sondern 1231  Media Impact. n.d. Werbeausgaben für Lotterien (Lotto und Toto) in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2017 (in Millionen Euro). Statista. Zugriff am 20. März 2019. Verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197014/umfrage/ werbeausgaben-fuer-lotterien--lotto-und-toton-in-deutschland-seit-2000/. 1232  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69. 1233  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69. 1234  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69 Fn. 109. 1235  BVerwG NVwZ-RR 2014, 181 (185); kritisch Pfeifer, ZfWG 2018, 338 (345 ff.).

338 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Grundrechtsverpflichtete und unterliegen nach Art. 1 III, 20 III GG einer Rechtsbindung, die nicht aus Zweckmäßigkeitserwägungen gelockert werden kann.“1236 Die Angemessenheit unter dem Aspekt einer Kanalisierung und damit eine Rechtfertigung einer Berufswahlregelung ist demnach nur gegeben, wenn die Werbung auf eine sachliche Information begrenzt wird, hingegen lässt sich dieser Rechtfertigungsmaßstab aufgrund des Vorgehens privater, unregulierter, Marktteilnehmer nicht aufweichen. (β) Einführung von Sofortlotterien Vor allem die neusten Spiele online von Lotto Hessen fallen negativ auf. Diese bieten unter der Rubrik „Online-Games“ eine Vielzahl von Spielen an, wobei diese unter der Rubrik der „Sofortlotterien“ geführt werden.1237 Die „üblichen“ Sofortlotterien sind hingegen die Rubbellose. Rechtlich fasst das Land Hessen die „Online-Games“ offensichtlich vielmehr unter den Begriff der Lotterie als unter den Begriff eines Automaten- oder Casinospiels, weil nur diesbezüglich überhaupt eine Abweichung gem. § 4 V GlüStV vom Internetvertriebsverbot möglich ist.1238 So hat der Fachbeirat bereits bei der Einführung der Sofortlotterie „Diamond 7“1239 seine Bedenken geäußert. Bereits zu Beginn mahnt dieser: „Sofortlotterien im Internet holen das Casino in die Wohnung.“1240 Auch mahnt er, dass die sofortige Rückkoppelung von Einsatz und Gewinnentscheidung eine Hauptkomponente in der Entwicklung von unkontrolliertem Glücksspiel sei. „Es handelt sich somit nicht um eine Kanalisierung des „natürlichen Spieltriebs“, sondern um einen gefährlichen Marketingangriff zur Erhöhung der Spielausgaben und Steigerung der Beschäftigung mit Glücksspiel. Das Glücksspielangebot ist ausreichend.“1241 Die nun von Lotto Hessen angebo1236  BVerwG

NVwZ-RR 2014, 181 (185).

1237  https://www.lotto-hessen.de/online-games/uebersicht?gbn=5,

zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1238  Diesen Eindruck vermitteln auch die Teilnahmebedingungen https://www. lotto-hessen.de/imperia/md/content/pfe3rd/teilnahmebedingungen/online/teilnahmebe dingungen_rubbellose_und_games.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1239  Hierbei handelt es sich um einen animiertes Rubbellos, auf dem man mit dem Mauszeiger Felder freirubbelt und je nach dem zuvor durch den Zufallsgenerator erstellten Schein dann gewinnt oder verliert. 1240  Beschluss (1/2018) vom 4.10.2018 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_01_2018_0.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1241  Beschluss (1/2018) vom 4.10.2018 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter:



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tenen Online-Games sind aber noch eine Stufe über den typischen Sofortlotterien. Bereits im Jahr 2016 beantragte Lotto Hessen eine Erlaubnis für eine virtuelle Sportlotterie, die der Fachbeirat aber einstimmig ablehnte. „Es handelt sich bei dem neuen Angebot weniger um eine Lotterie als vielmehr um ein klassisches Automatenspiel im Internet, das durch seine ständige Verfügbarkeit, eine hohe Ereignisfrequenz sowie eine hohe Beeinflussung am Bildschirm durch allerlei Effekte eine besondere Nähe zu Online-Casinospielen hat und somit massiv suchtgefährdend wirkt.“1242 Diese Aussage gilt nun erst recht für die von Lotto Hessen eingeführten Online-Games. Dem Spieler wird in deren Verlauf suggeriert, durch sein Spielen und seine Entscheidungen den Gewinn und dessen Höhe unmittelbar beeinflussen zu können, darüber hinaus weisen die Spiele eine hohe Ereignisfrequenz und viele Effekte auf. Insbesondere aber ist von Anfang an festgelegt, wie häufig welcher Gewinn an den Spieler ausgezahlt wird, es hängt lediglich vom Zufall ab, in welche Gewinnklasse der Spieler fällt bzw. ob dieser eine Niete zieht. Diesen Eindruck vermittelt das Spiel aber nicht, vielmehr erweckt es den Anschein, als sei die Geschicklichkeit des Spielers gefragt und nicht dessen Glück. Die Spielmechanik ist jedoch nicht maßgeblich für den Gewinn. Gem. § 12 I der Teilnahmebedingungen erhält der Spieler die Entscheidung, ob sein Sofortlotterie-Ticket gewonnen hat, nach erfolgreichem Durchlaufen der Spielmechanik, nicht hingegen hängt der Gewinn von den Fähigkeiten im Spielverlauf ab.1243 Derartige Online-Games stellen rechtlich aufgrund der Legaldefinition des § 3 III GlüStV eine Lotterie dar, da einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet wird, nach einem bestimmten Plan gegen ein bestimmtes Entgelt die Chance auf einen Geldgewinn zu erlangen.1244 Dennoch weisen die Online-Games von der Aufmachung her eine hohe Ähnlichkeit zu den gewerblichen Automatenspielen auf. Diese sind aber gerade nicht gem. § 4 IV GlüStV im Internet erlaubnisfähig. De facto liegt hierbei eine Umgehung des § 4 IV GlüStV insoweit vor, als Lotto Hessen diesbezüglich die Modalitäten angepasst hat, damit das Spiel unter den Begriff der Lotterie fällt. Von der Aufmachung und dem vermittelten Gefühl hingegen sind die ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_01_2018_0.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1242  Beschluss (2/2016) vom 03.03.2016 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_02_2016.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1243  Teilnahmebedingungen einsehbar unter https://www.lotto-hessen.de/imperia/ md/content/pfe3rd/teilnahmebedingungen/online/teilnahmebedingungen_rubbellose_ und_games.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1244  A. A. Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (30).

340 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Online-Games eindeutig an die Automatenspiele angelegt. Offensichtlich wird dies beispielsweise am Spiel „Schatz des Pharao“, der in Aufmachung und Spielweise der typischen Slot-Machine1245 ähnelt.1246 Bereits jetzt wird den Automatenspielen das höchste Gefährdungspotenzial zugeschrieben.1247 Auch die Zahl der problematischen bzw. pathologischen Glücksspielenden ist im Bereich der Automatenspiele eine der Höchsten.1248 Unter dem Aspekt einer kohärenten Orientierung an den Zielen der Bekämpfung der Glücksspielsucht und der Kanalisierung ist daher der Schritt, „Automatenspiele“ im Rahmen der Lotteriegesellschaften online anzubieten, von einer ganz neuen Qualität. Der Gesetzgeber verbietet im Ergebnis zum einen das Automatenspiel online gem. § 4 IV GlüStV und will damit eine Kanalisierung in die Spielbanken erreichen, bei denen er zumindest auch ein finanzielles Eigeninteresse hat1249, bietet aber zugleich im Rahmen der Landeslotteriegesellschaften Online-Games an, die de facto einen Online-Vertrieb von Automatenspielen darstellen, der allen anderen Marktteilnehmern verboten ist. Die Begründung des BVerwG mit Blick auf die Voraussetzungen des § 4 V GlüStV ist daher in der wirklichen Umsetzung gerade nicht geeignet, die Ziele des GlüStV zu erreichen. Insbesondere argumentiert das BVerwG, dass gem. § 4 V Nr. 3 GlüStV gerade „eine Erlaubnis für solche OnlineGlücksspiele ausgeschlossen [sei], bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen.“1250 Die tatsächliche Umsetzung widerlegt aber das BVerwG, insbesondere mit der Zulassung der Online-Games ist offensichtlich, dass die Prüfung der Voraussetzungen des § 4 V GlüStV in der Praxis nicht den gewünschten Effekt erzielt. Der Fachbeirat bezeichnete derartige Online-Games als „massiv suchtgefährdend“1251. Wenn aber die einstimmige Meinung eines Beirates, der sich aus Personen zusammensetzt, die im Hinblick auf die Ziele des § 1 GlüStV über besondere wissenschaftliche oder praktische Erfahrungen verfügen, vgl. § 10 I 3 GlüStV, nicht genügt, 1245  Es ist hierbei evident, dass sich die Macher von „Schatz des Pharaos“ an dem Slot-Bestseller von Novoline „Book of Ra“ orientiert haben. 1246  Vgl. https://www.lotto-hessen.de/online-games/schatz-des-pharaos?gbn=5&csi =15, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1247  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 1248  Vgl. BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 251 (hierbei ist sowohl das kleine Spiel in Spielbanken als auch die Geldspielautomaten, zu betrachten). 1249  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 142). 1250  BVerwG NVwZ 2018, 895 (900). 1251  Beschluss (2/2016) vom 03.03.2016 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_02_2016.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.



C. Online-Lotterien341

um vom Versagungsgrund § 4 V Nr. 3 GlüStV auszugehen, so ist dies äußerst bedenklich. (γ) Ergebnis Im Ergebnis ist daher auch die tatsächliche konsequente Ausrichtung des Lotteriemonopols auf das Ziel der Suchtbekämpfung zu verneinen.1252 Der Aspekt der Suchtbekämpfung kann daher auch nicht im Rahmen der in der Angemessenheit nötigen Güterabwägung herangezogen werden. (b) Bekämpfung der Kriminalität und der Betrugsvorbeugung In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Lotteriemonopol seine Begründung auf zwei Ziele stützt, nämlich auch auf das Ziel der Bekämpfung der Kriminalität und das der Betrugsvorbeugung.1253 Diesbezüglich ist daher die entscheidende Frage, ob das Monopol sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Art und Weise auf das Ziel der Bekämpfung der Kriminalität und das der Betrugsvorbeugung konsequent ausgerichtet ist. Dies ist vorliegend zu bejahen. Zum einen bietet das Staatsmonopol bereits in rechtlicher Hinsicht eine Gewähr dafür, dass das zugrundeliegende Glücksspiel nicht manipuliert wird. Bereits die Natur eines Staatsmonopols in einem funktionierenden Rechtsstaat ist Gewähr dafür, dass eine Manipulation nicht erfolgt. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein Glücksspiel vom jeweiligen Bundesland in Bereicherungsabsicht manipuliert werden wird.1254 Auch stellt § 9 VII GlüStV rechtlich sicher, dass die Glücksspielaufsicht nicht durch eine Behörde ausgeübt wird, die für die Finanzen des Landes oder die Beteiligungsverwaltung der in § 10 Abs. 2 und 3 GlüStV genannten Veranstaltung zuständig ist, womit bereits eine fiskalische Beeinflussung der Aufsicht verhindert wird. Auch hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung der Kriminalitätsbekämpfung und Betrugsvorbeugung liegen keine Belege für eine Manipulation seitens des Monopolträgers vor. Im Rahmen der Lotterien kam es in den letzten Jahren zu keinerlei öffentlich bekannten „Skandalen“. Lediglich in der Spielbank Bad Steben in Bayern gab es 2018 einen Zwischenfall, wobei der Ver-

ist Kluth, DVBl 2019, 203 (205). mit diesem Aspekt Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 150. 1254  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 150. 1252  Hier

1253  Zutreffend

342 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

dacht besteht, dass eine Mitarbeiterin eine hohe Summe veruntreut hat.1255 Die Ermittlungen laufen momentan noch.1256 Jedoch ist ein Einzelfall noch kein Beweis für eine tatsächliche Inkonsequenz, vielmehr sind Fehlverhalten Einzelner immer möglich und nie auszuschließen.1257 Einzig der Aufsicht obliegt es, in diesen Fällen mit geeigneten Schutzmaßnahmen derartige Zwischenfälle zu vermeiden. Auch verfügen die Lotterieangebote über Zertifizierungen der World Lottery Association und der European Lotteries, die zusätzlich eine externe Prüfung hinsichtlich der Erfüllung gewisser Sicherheitsstandards erfordern.1258 Aufgrund der bestehenden Konsistenz hinsichtlich der Kriminalitäts- und der Betrugsvorbeugung bleibt es lediglich bei der Interessenabwägung dahingehend, dass die Schwere der Eingriffe und das Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe der gesetzlichen Regelungen die Grenze der Zumutbarkeit wahren und die Betroffenen nicht übermäßig belasten.1259 Zum einen ist bezüglich der Eingriffsintensität festzustellen, dass es sich bei einem Staatsmonopol um die gravierendste Form des Eingriffs in die gem. Art. 12 I GG geschützte Berufsfreiheit handelt.1260 Derartige Beschränkungen sind lediglich zur Abwendung einer nachweislichen oder höchstwahrscheinlichen Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zulässig.1261 Aufgrund der Schwere dieses Eingriffs – fachlich und moralisch voll geeignete Bewerber werden von einem Beruf ausgeschlossen – sind an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen.1262 Wie oben bereits gezeigt, handelt es sich bei dem Ziel der Bekämpfung der Kriminalität und der Betrugsvorbeugung um ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, das selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermag.1263 Auch konkret ist dieses Ziel hier geeignet, ein derartiges 1255  https://www.sueddeutsche.de/bayern/bad-steben-verdacht-auf-betrug-1.3827 333, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1256  https://www.frankenpost.de/region/naila/Ermittlungen-zu-Spielbank-Betruglaufen-noch;art2443,6548336, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1257  Ebenso Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 150. 1258  Vgl. https://www.lotto-bayern.de/unternehmen/sicherheit, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020; auch diesen Punkt heranziehend Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 150. 1259  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1120). 1260  Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 GG Rn. 57. 1261  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 99; SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 55. 1262  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038). 1263  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340).



C. Online-Lotterien343

Staatsmonopol zu rechtfertigen. Wie oben gezeigt, gehen von Lotterien – im Gegensatz zu anderen Glücksspielen – besondere Betrugsgefahren aus, da die Gewinnermittlung zum einen intern erfolgt, zum anderen der Umfang der jeweiligen mit einer Betrugshandlung erreichbaren Gelder sehr hoch ist.1264 Auch die sich aufdrängende Argumentation dahingehend, dass diese Gefahr bei Zweitlotterien ja nicht drohe, da bei diesen die Ziehung ja nicht intern erfolgt, sondern diese Gewinnermittlung ja durch „zuhilfenahme“ der staatlichen Lotteriegesellschaften erfolgt, vermag nicht zu überzeugen. Zwar fällt es den Zweitlotterien schwer die Ziehung als solche zu manipulieren, hingegen ist der Gewinnverteilungsschlüssel häufig in das Belieben der jeweiligen Anbieter gestellt. Im Grundsatz orientieren sich diese zwar an die jeweiligen Gewinnklassen der staatlichen Lotterieanbieter, da aber der jeweilige Gewinn pro Gewinnklasse im Rahmen der Primärlotterie durch den Totalisator berechnet wird, besteht für die staatliche Lotterie nie die Gefahr, mehr ausschütten zu müssen, als sie eingenommen hat. Diese Gefahr besteht bei den Zweitlotterien aber gerade immanent, denn diese übernehmen die Gewinnklassen und könnten daher sogar mehr Gewinner in höheren Gewinnklassen haben, als dies bei der staatlichen Lotterie der Fall ist. So behalten sich die Zweitlotterien auch jeweils das Recht vor, die Gewinne zu kürzen.1265 Ob aber wirklich mehr oder weniger Personen auf die Gewinnklasse entfallen sind oder nicht unterliegt keiner Nachprüfung, weshalb auch hier (wieder) die Gefahr des internen, nicht überprüfbaren Betrugs besteht. Im Ergebnis ist daher die geringere Betrugs- und Kriminalitätsgefahr im Staatsmonopol zu bejahen. (c) Folgen dieser Erkenntnis Es ist demnach folgendes Ergebnis festzuhalten: Das Lotteriemonopol ist auf zwei Ziele ausgerichtet, zum einen auf die Suchtbekämpfung, zum anderen auf die Bekämpfung der Kriminalität und auf die Betrugsvorbeugung. Hinsichtlich der Suchtbekämpfung fehlt es dem Monopol aber an der not1264  So auch Jarass, EU-rechtliche Probleme Lotto, S. 46, der im Ergebnis aber eine Angemessenheit verneint. 1265  Vgl. hierzu umfassend die Regelungen unter Ziff. 11 der AGB, insbesondre sei in diesem Zusammenhang auf Ziff. 15.1 der AGB verwiesen: „Im Falle einer Streitigkeit in Bezug auf einen Tipp oder die Auszahlung oder Vergabe von Gewinnen, darf ELBL die Auszahlung der Gewinne solange verweigern, bis Streitigkeiten zu der angemessenen Zufriedenheit von ELBL beigelegt worden sind.“, wobei man nur erahnen kann, was zur „angemessenen Zufriedenheit“ im Ergebnis bedeutet, abrufbar unter https://www.lottohelden.de/agb/#teilnahmebedingungen, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.

344 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

wendigen Konsistenz, weshalb es dem Gesetzgeber verwehrt ist, mit diesem vorgeschobenen Ziel ein Monopol zu rechtfertigen, diesbezüglich ist der Eingriff nicht gerechtfertigt. Dagegen wird das Ziel der Bekämpfung der Kriminalität und der Betrugsvorbeugung genauso verfolgt und ist auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht zu beanstanden. Entscheidende Frage ist daher, wie es zu beurteilen ist, dass ein Gesetz mehrere Ziele verfolgt, jedoch nur ein Ziel in verfassungsrechtlich rechtmäßiger Art und Weise verfolgt wird.1266 Zu beachten ist hierbei zunächst Sinn und Zweck der Prüfung der Konsequenz im Rahmen der Angemessenheit durch das Bundesverfassungsgericht. Im Rahmen des Konsistenzerfordernisses hat das BVerfG insbesondere im Blick, dass ein Monopol immer auch fiskalischen Interessen des Staates dienen kann, es also immer in ein Spannungsverhältnis zu der Zielsetzung geraten kann.1267 Das Kriterium der Konsistenz hingegen soll sicherstellen, dass der Eingriff auch wirklich auf das vorgegebene Ziel gerichtet ist und nicht – was immer ein Nebeneffekt eines Monopols ist – im Grundsatz fiskalischen Interessen dient. Im Rahmen des Lotteriemonopols ist, wie oben festgestellt, in Hinblick auf die Suchtbekämpfung keine Konsistenz gegeben, der Gesetzgeber verfolgt hierbei nicht konsequent das Ziel der Suchtbekämpfung, vielmehr stehen fiskalische Interessen im Vordergrund. Hingegen ist im Rahmen der Bekämpfung von Kriminalität und im Hinblick auf die Manipulationsvorbeugung eine konsequente Ausrichtung des Regulierungssystems zu bejahen, die fiskalischen Interessen treten diesbezüglich zurück. Zutreffend weist Janich darauf hin, dass ein Grundrechtseingriff bereits dann gerechtfertigt ist, wenn er ein legitimes Ziel in geeigneter, erforder­ licher und angemessener Art und Weise verfolgt.1268 Im Kern bedarf es zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit ein Gemeinwohlinteresse. So fordert das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, dass „die freie Berufsausübung nur im Interesse des Gemeinwohls beschränkt werden“ darf.1269 Das Gemeinwohlinteresse liegt aber bereits dann vor, wenn ein legitimes Ziel verfolgt wird. Dieses entfällt gerade nicht dadurch, dass ebenso andere Ziele als erfreuliche Nebenfolge mitverfolgt werden. Auch fordert das 1266  So wird die Frage insbesondere von Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 150 aufgeworfen. 1267  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1265); BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118). 1268  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 151. 1269  BVerfG NJW 1958, 1035 (1037 f.); NJW 1974, 30 (31); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 89.



C. Online-Lotterien345

BVerfG zur Rechtfertigung hier vorliegender objektiver Berufszugangs­ voraussetzungen lediglich, dass diese nur der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dienen müssen.1270 Hingegen verlangt es gerade nicht, dass alle verfolgten Ziele überragend wichtige Gemeinschaftsgüter sein müssen. Diesbezüglich ist zudem zu beachten, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG möglich ist, dass anstelle eines zunächst verfolgten Zweckes ein neuer Zweck tritt.1271 Wenn aber bereits ein alter Zweck durch einen neuen ausgetauscht werden kann, so muss erst recht bei der Verfolgung zweier Ziele einer genügen. Diese Ansicht wird ebenso vom BVerfG selbst vertreten. Selbst wenn ein Gesetz mehrere Ziele verfolgt, so genügt es zur Abwendung der Verfassungswidrigkeit, wenn es eines der Ziele in verfassungsmäßiger Art und Weise verfolgt.1272 Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1972 äußerte sich das BVerfG zu der Thematik.1273 Dieser Entscheidung lag die Frage zu Grunde, ob eine für Kassenärzte geltende Kürzungsregelung mit dem Grundrecht aus Art. 12 I GG vereinbar ist.1274 Hinsichtlich der Kürzungsregel kamen zum einen als Ziel in Betracht, eine übermäßige Ausdehnung der Kassenarzttätigkeit zu verhindern, zum anderen aber auch das Ziel, „einer begrenzten und planmäßig verteilten Anzahl von Kassenarztsitzen eine möglichst gleichmäßige Inanspruchnahme und damit zugleich einigermaßen gleichliegende Einkünfte zu verschaffen“, wobei nur das erste Ziel ein legitimes Ziel darstellt.1275 „Dies fällt jedoch nicht ins Gewicht, da jedenfalls die Sicherung einer zweckmäßigen und ausreichenden kassenärztlichen Versorgung keinen Mißbrauch der gesetzgeberischen Befugnisse darstellt.“1276 Der Senat ließ es also 1270  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038); NJW 1960, 1515 (1515); NJW 1969, 499 (499 f.); NJW 1976, 179 (179); NJW 1991, 1667 (1669); NJW 1998, 3481 (3483); NVwZ 2001, 790 (793); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 99; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 55. 1271  Vgl. BVerfG VerwRspr 1969, 257 (258 ff.) in der der erkennende Senat zunächst feststellte, dass das angegriffene Gesetz den Zweck des Schutzes der Gesundheit der Beschäftigten in Bäckereibetrieben diene um dann als neuen Zweck den Mittelstandsschutz gegenüber Großbetrieben heranzuziehen; v. Mangoldt/Klein/Stark/ Manssen, Art. 12 GG Rn. 13. 1272  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 151. 1273  Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 151. 1274  BVerfG NJW 1972, 1509. 1275  Vgl. BVerfG NJW 1972, 1509 (1511); NJW 1960, 715. 1276  BVerfG NJW 1972, 1509.

346 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

genügen, dass ein Ziel, das verfolgt wird, legitim ist, das andere „fällt nicht ins Gewicht“, ist also irrelevant, soweit das andere zu einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung herangezogen werden kann.1277 Auch hielt das BVerfG an dieser Einschätzung in seiner Entscheidung zur gesetzlichen Altersgrenze für die vertragsärztliche Zulassung fest.1278 Laut der Gesetzesbegründung dient die angegriffene Regelung der zur Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltenen Beschränkung der Vertragsarztzahlen und, dass diese nicht lediglich zu Lasten der jüngeren Ärzte verwirklicht werden dürfe.1279 Jedoch beschränkte sich das BVerfG nicht auf dieses vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel in seiner Begründung. „Es kann dahinstehen, ob dieser Zweck allein die Einführung der Altersgrenze rechtfertigen kann und ob überhaupt eine Beschränkung der Vertragsarztsitze verfassungsrechtlich zulässig ist. Denn das BVerfG prüft, ob eine gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, auch wenn sie in der Gesetzesbegründung keinen Niederschlag gefunden haben.“1280 Das BVerfG stellt also in diesem Fall klar, dass es gerade nicht darauf ankommt, ob der vom Gesetzgeber vorgegebene Grund zur Rechtfertigung einer Einschränkung genügt, vielmehr ist allein ausschlaggebend, ob unter Berücksichtigung „aller Gesichtspunkte“ irgendein legitimer Zweck verfolgt wird, der die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit wahrt. Nach diesen Erkenntnissen genügt es daher, dass das Lotteriemonopol durch das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsvorbeugung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dass hingegen die andere Stütze des Lotteriemonopols – die Suchtbekämpfung – nicht in verfassungsrechtlich gebotener Art und Weise konsequent verfolgt wird, hat daher auf die Rechtfertigung als solches im Ergebnis keinen Einfluss.1281 Jedoch stellt dies eine Mahnung an den Gesetzgeber dar, dass dessen Lotteriemonopol auf tönernen Füßen steht. Insbesondere in dem Fall, dass ersichtlich wird, dass die Kriminalitätsbekämpfung und Betrugsvorbeugung ebenso effektiv und gezielt durch eine Wirtschaftsaufsicht erfolgen kann, wie dies z. B. bei den nichtstaatlichen Spielbanken der Fall ist, ist eine Rechtfertigung des Lotteriemonopols passé.

1277  Janich,

Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 151. BVerfG NJW 1998, 1776. 1279  Vgl. BVerfG NJW 1998, 1776 (1777). 1280  BVerfG NJW 1998, 1776 (1777), Hervorhebung aus Original. 1281  So auch Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 152; in diese Richtung auch Glücksspiel/Dietlein/Peters, § 13 Rn. 40. 1278  Vgl.



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c) Ergebnis Das Lotteriemonopol ist demnach verfassungsgemäß, jedoch ist lediglich ein vom Gesetzgeber gewählter Rechtfertigungsstrang geeignet, den durch das Lotteriemonopol einhergehenden Eingriff in das in Art. 12 I GG verbürgte Grundrecht zu rechtfertigen. 2. Europarechtskonformität des Lotteriemonopols Darüber hinaus stellt sich die – zumeist noch heftiger umstrittene – Frage, ob das Lotteriemonopol überhaupt mit Europarecht vereinbar ist. Diesbezüglich ist, wie bereits im Rahmen der Sportwetten, die Prüfung in drei Teil­ bereiche aufzuteilen, den Anwendungsbereich, die Beschränkung und die Rechtfertigung der Beschränkung. a) Anwendungsbereich Wie bereits mehrfach durch den EuGH bestätigt, liegt in dem Angebot von Sportwetten eine Dienstleistung im Sinne des Art. 57 AEUV vor, weshalb auch der sachliche Anwendungsbereich der in Art. 56 AEUV normierten Dienstleistungsfreiheit eröffnet ist.1282 Dies gilt jedoch ebenso für das Angebot von Lotterien. Bereits in der Rechtssache Schindler stellte der EuGH klar, dass das Anbieten von Lotterien eine Dienstleistung darstellt, mit der Folge, dass auch das Anbieten von Lotterien unter die in Art. 56 AEUV verbürgte Dienstleistungsfreiheit fällt.1283 Wie oben erläutert, erfordert der sog. „räumliche Anwendungsbereich“ des Art. 56 AEUV, dass die Dienstleistung grenzüberschreitend in der EU erbracht wird.1284 Das grenzüberschreitende Element ist gegeben, wenn die Dienstleistung einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist, wobei zwischen drei1285 Formen unterschieden wird1286: der aktiven Dienstleistungsfreiheit1287, 1282  Vgl. allgemein zum sachlichen Anwendungsbereich Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 13 ff. 1283  Vgl. EuGH NJW 1994, 2013 (2014  f.); Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 31; Schwarze/Holoubeck, Art. 56,57 AEUV Rn. 103. 1284  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 31; FK/Haltern/Stein, Art. 56 Rn. 15. 1285  Wobei FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 31 ff. noch die Auslandsdienstleistungen mit einbeziehen. 1286  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 33; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 26. 1287  Der Leistende überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um seine Dienstleistung zu erbringen, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 34; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 27.

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der passiven Dienstleistungsfreiheit1288 und den sog. Korrespondenzdienstleistungen1289. Wie bereits herausgearbeitet, ist es unschädlich, wenn sich der Veranstalter innerhalb des Mitgliedstaats des Dienstleistungsempfängers zunächst eines Vermittlers bedient.1290 Erst recht ist es unschädlich für die Be­ jahung der Dienstleistungsfreiheit, wenn sich der Anbieter nur eines Erbringers von EDV-Dienstleistungen im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers bedient.1291 Gem. Art. 62, 54 AEUV können sich Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, auch auf die Dienstleistungsfreiheit berufen.1292 b) Beschränkung Ein generelles Verbot, das „unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Veranstalters der Lotterie oder seiner Bevollmächtigten und unabhängig davon gilt, in welchem Mitgliedstaat oder in welchen Mitgliedstaaten der ­Veranstalter oder seine Bevollmächtigten niedergelassen sind“, stellt zwar keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit dar.1293 Jedoch handelt es sich bei dem generellen Verbot um eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung.1294 Es stellt daher – wie oben gezeigt – immer eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, wenn in einem Mitgliedstaat die Ausübung dieser Dienstleistung beschränkt wird, indem ihre rechtmäßige Ausübung von der Einholung einer Konzession oder einer irgendwie anders gearteten Erlaubnis, egal in welcher Gestalt, abhängig ist oder die Ausübung der Dienstleistung gänzlich für Private untersagt wird.1295 Demnach stellt auch das Lotteriemonopol als solches eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar.

1288  Der Leistungsempfänger überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um eine Dienstleistung zu erhalten, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 37; FK/Haltern/ Stein, Art. 57 Rn. 28. 1289  Weder Dienstleister noch Leistungsempfänger überqueren die zwischenstaat­ liche Grenze, aber die Dienstleistung erfolgt über die Grenze hinweg, Streinz/MüllerGraff, Art. 56 AEUV Rn. 40; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 37. 1290  EuGH NJW 2004, 139 (140). 1291  EuGH EuZW 2011, 841 (843). 1292  Vgl. Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 56. 1293  EuGH NJW 1994, 2013 (2015 f.). 1294  Vgl. EuGH NJW 1994, 2013 (2015 f.); EuZW 2011, 841 (843). 1295  EuGH NJW 2009, 3221.



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c) Rechtfertigung Wie oben bereits zu den Sportwetten ausgeführt, gilt für jede Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielrecht im Grundsatz das Gleiche. Mangels einschlägiger ausdrücklicher Ausnahmeregelungen in Art. 62 i. V. m. Art. 52 AEUV kommt nach ständiger Rechtsprechung nur eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Frage.1296 Wie oben herausgearbeitet, steht jedem Mitgliedstaat frei, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen.1297 Die Mitgliedstaaten haben daher ein Ermessen dahingehend, wie sie festlegen möchten, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben.1298 Wie beim Konzessionssystem liegt es auch im Ermessen der Mitgliedstaaten bzw. ist mit diesem vereinbar, wenn diese „ein nationales System, das eine begrenzte Erlaubnis von Geldspielen i. R.v. – bestimmten Einrichtungen gewährten oder zur Konzession erteilten – besonderen oder Ausschließlichkeitsrechten vorsieht“, was auch ein Staatsmonopol mit einschließt.1299 Jedoch ist bei Schaffung eines Monopols, welches eine äußerst restriktive Maßnahme darstellt, nötig, dass dessen Errichtung mit dem eines normativen Rahmens einhergeht, der wiederum zu gewährleisten hat, „dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.“1300 Nötig ist, dass die Beschränkung als solche den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügt, wobei die Prüfung, wie oben gezeigt, in drei Schritte zu unterteilen ist: das Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Geeignetheit der Regulierung zur Erreichung dieser Interessen und die Erforderlichkeit der Regulierung zur Zielerreichung. 1296  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (845); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (843 f.); EuZW 2014, 597 (598 f.); NVwZ 2014, 1001 (1001 f.); BeckRS 2017, 113944 Rn. 39; BeckRS 2018, 32757 Rn. 40 ff. 1297  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); NVwZ 2010, 1422 (1426). 1298  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); EuZW 2011, 841 (844). 1299  Vgl. EuGH MMR 2010, 844 (846). 1300  EuGH MMR 2010, 844 (846).

350 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

aa) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Wie bereits oben herausgearbeitet, können zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen1301, die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen1302, die Bekämpfung der Kriminalität1303, der Jugendschutz1304 bzw. der Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher der Schutz der Sozialordnung1305 sein. Wie bereits im Rahmen der Sportwetten erläutert und auch im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit geprüft, stützt sich der GlüStV in seinen Zielen im Kern auf zwei Begründungsstränge, zum einen die Suchtbekämpfung, zum anderen die Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsvorbeugung.1306 Bei Nennung mehrerer Gründe zur Rechtfertigung einer Beschränkung, ist eine Prüfung dieser zusammengenommen und als Gesamtheit nötig.1307 Eine derartige Einschätzung hat auch der EuGH im Rahmen seiner Entscheidung Liga Portuguesa gewürdigt.1308 Wie oben bereits angeführt, ist auch „die Bekämpfung der Kriminalität ein zwingender Grund des Allgemein­ interesses […], der geeignet ist, Beschränkungen hinsichtlich der Wirtschaftsteilnehmer zu rechtfertigen“.1309 Dies hat der EuGH jüngst erneut bestätigt.1310 Hierzu ist auch grundsätzlich die Erteilung eines Ausschließlichkeitsrechts geeignet, „den Spielbetrieb in kontrollierte Bahnen zu lenken und die Gefahren eines auf Betrug und andere Straftaten ausgerichteten Spielbetriebs auszuschalten.“1311 Die Betrugsgefahren haften insbesondere Lotterien an, 1301  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1001); BeckRS 2017, 113944 Rn. 36; BeckRS 2018, 32757 Rn. 43. 1302  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36); EuGH NVwZ 2010, 1409 (1413 Rn. 74; EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423 Rn. 45). 1303  EuGH NJW 2009, 3221 (3224); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36). 1304  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1427). 1305  EuGH MMR 2010, 844 (846); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (844). 1306  Vgl. diesbezüglich auch die Erläuterungen in Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1307  Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 61. 1308  Vgl. EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 1309  EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 1310  Vgl. EuGH EuZW 2018, 279 (282). 1311  EuGH NJW 2009, 3221 (3224); BeckRS 2004, 74258 Rn. 37; BeckRS 2004, 77687 Rdnr. 35.



C. Online-Lotterien351

aufgrund der „Höhe der Beträge, die durch sie eingenommen werden können, und der Höhe der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, vor allem wenn sie in grösserem[sic!] Rahmen veranstaltet werden“.1312 Von dieser Gefahr geht der EuGH aber bereits aus, ohne dass es hierzu eines weiteren Nachweises seitens des Mitgliedstaates bedarf, dieses Risiko ist klar gegeben und nicht nur theoretischer Natur.1313 Sowohl die Bekämpfung der Spielsucht, als auch die Kriminalitätsbekämpfung und die Betrugsvorbeugung sind demnach zwingende Gründe, die die Beschränkung rechtfertigen können. Hingegen sind keine zwingenden Gründe in dem Ziel des Staates zu sehen, Steuereinnahmen zu sichern oder zu steigern.1314 Ebenso ist eine Beschränkung nicht durch das Ziel zu rechtfertigen, Aktivitäten zu finanzieren, die sonst dem Staatshaushalt zur Last fallen würden.1315 Auch stellt das Ziel den bisherigen Wirtschaftsteilnehmern „Kontinuität, finanzielle Stabilität und angemessene Renditen aus den getätigten Investitionen zu gewährleisten“ keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar.1316 Dementsprechend stellen die festgelegten Ziele des Staatsvertrags zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Beschränkung, wie das Lotteriemonopol, rechtfertigen können. bb) Geeignetheit Wie oben herausgearbeitet, fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Erreichung der verfolgten Allgemeininteressen beitragen müssen.1317 Eine Geeignetheit der Regulierung zur Zielerreichung ist nur dann zu bejahen, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.1318 Der Begriff „tatsächlich“ im Rahmen der Kohärenzprüfung ist in diesem Zusammenhang mit „wirklich“ zu verstehen, hingegen bedarf es keiner „empirisch mit Sicherheit festzustellende[r] Auswirkungen“.1319 1312  EuGH

BeckRS 2004, 74258 Rn. 13; BeckRS 2004, 77687 Rn. 14. Jarass, Lotteriemonopol, S. 54. 1314  EuGH NJW 2004, 139 (140); MMR 2010, 844 (848); EuZW 2011, 841 (844). 1315  EuGH EuZW 2011, 674 (675 f.); Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art.  34 ff. AEUV Rn. 62. 1316  EuGH EuZW 2012, 275 (278); BeckRS 2007, BeckRS 2007, 70684 Rn. 35; Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 62. 1317  EuGH NJW 2004, 139 (141); NJW 2007, 1515 (1518); NJW 2007, 1515 (1518). 1318  EuGH NJW 2009, 3221 (3223). 1319  EuGH NVwZ-RR 2016, 624 (624 f.). 1313  Vgl.

352 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Zu untersuchen ist daher – wie bei den Sportwetten –, ob durch die Regelung des Lotteriemonopols wirklich die vom Staatsvertrag formulierten Ziele verfolgt werden. Diesbezüglich ist erneut hinsichtlich der verschiedenen Ausprägungen der Kohärenz zu unterscheiden, also in die sog. „horizontale Kohärenz“ und die „vertikale Kohärenz“. Wie bereits oben erläutert, verlangt die horizontale Kohärenz eine konsequente Ausrichtung der gesamten Regulierung auf die von ihr verfolgten Ziele, hingegen verlangt die vertikale Kohärenz, dass die jeweiligen Glücksspielsektoren für sich konsequent auf ein Ziel ausgerichtet sind. (1) Horizontale Kohärenz Wie bereits oben beschrieben, ändert die Zuständigkeitsverteilung im Rahmen eines föderalen Staates nichts daran, dass die Regulierung insgesamt systematisch und kohärent zur Zielerreichung beitragen muss, weshalb die Gliedstaaten hier zu einer Koordination angehalten sind.1320 Die bloße föderale Situation Deutschlands erlaubt keine Aufteilung der Glücksspielregulierung anhand der Zuständigkeitsverteilung. Wichtig ist, dass eine unterschiedliche Ausgestaltung einzelner Glücksspielsektoren (also z. B. Monopol und Konzessionsmodell) für sich genommen nicht dazu führen, dass unter dem Aspekt der Geeignetheit eine Rechtfertigung nicht mehr möglich ist.1321 Insbesondere kann aber die Werbung und Angebotsausweitung in einem anderem Glücksspielsektor auch die Geeignetheit eines Sektors beeinflussen, auf den sich die Werbung nicht bezieht.1322 Wie im Bereich der Sportwetten soll daher die Thematik der horizontalen Kohärenz hintenangestellt werden. (2) Vertikale Kohärenz Daneben bedarf es einer vertikalen Kohärenz, auch stellenweise „innere Kohärenz“ genannt.1323 Zusammengefasst fordert die vertikale Kohärenz, dass die von einem Mitgliedstaat gewählte Regulierung auch tatsächlich, also wirklich, zwingende Gründe des Allgemeininteresses verfolgt und eben nicht – was häufig auch kritisiert wird – fiskalische Interessen.1324 1320  EuGH

NVwZ 2010, 1422 (1425). NVwZ 2010, 1409 (1415). 1322  Vgl. EuGH NVwZ 2010, 1409 (1416). 1323  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 22. 1324  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 59. 1321  EuGH



C. Online-Lotterien353

Der Mitgliedstaat soll gerade nicht unter dem Deckmantel einer Verfolgung von Allgemeininteressen in Wirklichkeit nicht zur Rechtfertigung geeignete Ziele – wie z. B. fiskalische Interessen – verfolgen.1325 Durchaus treffend ist daher der häufig herangezogene Begriff des „hypocrisy test“, also des Scheinheiligkeitstests.1326 Dieses Kriterium der konsequenten Ausrichtung ist in zweierlei Hinsicht notwendig. Zum einen bedarf es einer konsequent auf die Zielerreichung ausgerichteten rechtlichen Gestaltung, der normative Rahmen der Regulierung im Lotteriesektor muss stimmig sein.1327 Jedoch ist nicht nur der rechtliche, normative Regulierungsrahmen heranzuziehen, sondern es ist darüber hinaus auch eine Betrachtung der staatlichen Vollzugspolitik nötig, weshalb diesbezüglich auch von einer Vollzugskohärenz gesprochen werden kann.1328 Im Rahmen der Vollzugskohärenz ist wiederum die Frage zu beantworten, ob auch der Vollzug der rechtlichen Regelungen in der Praxis konsequent auf die Zielerreichung ausgerichtet ist.1329 Hinsichtlich der Gewährung von staatlichen Ausschließlichkeitsrechten im Sinne eines Monopols hat sich in der Rechtsprechung des EuGH eine gewisse Kasuistik entwickelt. Auch hier besteht, wie im Rahmen des Verfassungsrechts in Deutschland, das Problem, dass die Regelungen zur Schaffung des Lotteriemonopols auf dem Papier zwei Ziele verfolgen, zum einen die Suchtbekämpfung, zum anderen den Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften. Diesbezüglich erfolgte im Rahmen des Verfassungsrechts aber eine Trennung der Ziele. Anderes gilt jedoch für die unionsrechtliche Prüfung. Diese Situation war bereits Teil der Entscheidung der EuGH zur Rechtssache Dickinger.1330 Die österreichische Regierung rechtfertigte in diesem Zusammenhang zum einen das Monopol damit, dass dies am besten die Suchtgefahren bekämpfe, zum anderen aber die Expansion im Rahmen des Monopols damit, dass hierdurch eine Kanalisierung beabsichtigt sei, mit dem Ziel, die Ausnutzung von 1325  Dietlein/Hecker/Ruttig,

Einf Rn. 45 f. Einf Rn. 45 f. 1327  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 59. 1328  Vgl. Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf Rn. 45 f.; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/ Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 22. 1329  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a GlüStV Rn. 22, wobei die Bearbeiter den Begriff „tatsächliche Kohärenz“ wählen. 1330  EuGH EuZW 2011, 841. 1326  Dietlein/Hecker/Ruttig,

354 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu verhindern.1331 Es war also gerade Frage der Entscheidung, ob eine Rechtfertigung eines Monopols möglich ist, wenn diese beiden divergierenden Punkte verfolgt werden. Die beiden Ziele sind nach Ansicht des EuGH nur miteinander vereinbar, wenn die „Geschäftspolitik des Inhabers des Monopols sowohl hinsichtlich des Umfangs der Werbung als auch hinsichtlich der Schaffung neuer Spiele als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen angesehen werden kann.“1332 Hier zeichnet sich bereits der maßgebliche Unterschied zwischen der Prüfungsdogmatik des EuGH und der Prüfungsdogmatik des BVerfG ab. Wie oben gezeigt, prüft das BVerfG jeglichen Grundrechtseingriff dahingehend, ob er verhältnismäßig ist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit erfolgt aber seitens des BVerfG eine dogmatische Teilung. Der Grundrechtseingriff muss ein legitimes Ziel in geeigneter, erforderlicher und angemessener Art und Weise verfolgen. Wie oben gezeigt, genügt es zur Rechtfertigung, wenn nur eines von mehreren Zielen in verhältnismäßiger Weise verfolgt wird. Im Unionsrechts hingegen ist die Geeignetheit bzw. die Kohärenz der Regelung in seiner Gesamtheit zu betrachten. Der Aspekt der kohärenten und systematischen Verfolgung der angegebenen Ziele ist gerade zu verneinen, wenn mehrere Ziele verfolgt werden, diese aber gerade an sich konträr zu­ einander sind. In diesem Fall muss eine Art „Mittelweg“ gegangen werden, der beide Ziele kohärent verfolgt. Insbesondere in der Rechtssache Dickinger hat sich der EuGH zu den Voraussetzungen für die Errichtung eines Glücksspielmonopols geäußert. Dieses sei grundsätzlich möglich, ein Mitgliedstaat, „der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten“, sei auch unionsrechtlich in der Lage, ein Monopol zu statuieren, wenn er der Annahme ist, „dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, diese[m] erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen“.1333 Vergleichbar dem Lotteriemonopol in Deutschland diente (auf dem Papier) das in der Entscheidung zugrunde liegende Lotteriemonopol in Österreich 1331  Vgl.

EuGH EuZW 2011, 841 (844 f.). EuZW 2011, 841 (845). 1333  EuGH EuZW 2011, 841 (844). 1332  EuGH



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„zum einen der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere durch den Schutz der Glücksspieler vor Betrug und anderen Straftaten, und zum anderen dem Schutz vor übermäßigen Spielausgaben durch die Einführung adäquater Spielerschutzmaßnahmen wie z. B. der verpflichtenden Eingabe persönlicher Einsatzlimits und trägt damit allgemein zum Schutz der Sozialordnung“1334 bei. Das Lotteriemonopol in Österreich stützte sich also hauptsächlich auf die Erwägung, es sei nötig, um zum einen die Spielsucht zu bekämpfen und zu vermeiden, zum anderen aber auch die Spieler von illegalen Angeboten auf die legalen zu kanalisieren, um diese vor Betrug und andere hieraus ergebenden Straftaten zu schützen.1335 Hinsichtlich der auch im deutschen Lotteriemonopol verfolgten Zwecke der Suchtbekämpfung auf der einen Seite und der Kriminalitätsbekämpfung auf der anderen Seite durch Kanalisierung, stellt der EuGH aber in seiner Entscheidung mehrere Voraussetzungen auf. Zunächst ist zu beachten, dass ein Monopol eine äußerst restriktive Maßnahme darstellt, weshalb dieses „auf die Gewährleistung eines besonders hohen Verbraucherschutzniveaus abzielen und daher mit der Schaffung eines normativen Rahmens einhergehen muss, der gewährleistet, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, die so festgelegten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.“1336 Insbesondere hinsichtlich des Ziels der Bekämpfung der Spielsucht äußerte sich der EuGH im Rahmen des Urteils zur Vereinbarkeit dieses Ziels mit einer Expansion des Monopolisten. Eine Berufung auf Gründe der öffentlichen Ordnung unter Vorgabe einer Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel ist gerade nicht möglich, „wenn die Behörden dieses Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen“1337 Jedoch kann genauso eine „Politik der kontrollierten Expansion“ mit dem Ziel der Kanalisierung in legale Angebote zur Kriminalitätsbekämpfung zusammentreffen.1338 Dies erfordert, dass „die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen“, was unter anderem auch beinhaltet, dass die Anbieter einer 1334  EuGH

EuZW 2011, 841 (844). EuZW 2011, 841 (844). 1336  EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1337  EuGH EuZW 2011, 841 (845). 1338  Vgl. EuGH EuZW 2011, 841 (845). 1335  EuGH

356 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

breiten Palette von Spielen, Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken nutzen.1339 Hierbei ist zu beachten, dass sich die Ziele der Spielsuchtbekämpfung auf der einen Seite, der Kanalisierung auf der anderen mit einer Erweiterung des Angebots konträr verhalten. Eine derartige Politik ist daher lediglich dann kohärent, „wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken“.1340 Insofern ist daher zu prüfen, „ob die illegalen Spieltätigkeiten im betreffenden Mitgliedstaat ein Problem darstellen können, dem eine Expansion der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abhelfen kann, und ob diese Expansion nicht einen Umfang hat, die sie mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht unvereinbar macht.“1341 Insbesondere äußert sich der EuGH noch zu der hier ebenfalls problematischen Komponente der Werbung. Diese müsse „maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken.“ Dem widerspricht es gerade, wenn die Werbung stattdessen den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch fördert, „dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen.“1342 Es gilt daher nach der Rechtsprechung des EuGH zu unterscheiden, ob es sich um eine restriktive Geschäftspolitik handelt, „die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll“, oder um expansionistische Geschäftspolitik, „die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt.“1343 Lediglich erstere ist mit dem Gedanken der Kohärenz zu vereinbaren.1344 Die Forderung der Kohärenz im Rahmen eines Monopols ist daher nur erfüllt, wenn das Monopol mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang steht. Dies wiederum erfordert bei einer gleichzeitigen Expansionspolitik des Monopolisten, „dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen 1339  EuGH

EuZW 2011, 841 (845). EuZW 2011, 841 (845 f.); EuZW 2010, 593 (594 f.). 1341  EuGH EuZW 2010, 593 (595). 1342  EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1343  EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1344  EuGH EuZW 2018, 841 (846); vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 111. 1340  EuGH



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und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten ­Tätigkeiten abhelfen könnte,“ wobei die jeweilige Beschränkung „nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken.“1345 Diesbezüglich formulierte der EuGH ein gewisses vom nationalen Gericht zu beachtendes Prüfprogramm hinsichtlich der Europarechtskonformität eines Monopols. Hierbei unterscheidet sich die Prüfpflicht des nationalen Gerichts sowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Monopols als auch hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung. In tatsächlicher Hinsicht beinhaltet diese Prüfung, ob „die nationalen Behörden zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt wirklich beabsichtigten, ein solches besonders hohes Schutzniveau sicherzustellen und ob die Schaffung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte, und die staatlichen Kontrollen, denen die Tätigkeit der Einrichtung, der die ausschließlichen Rechte zustehen, grundsätzlich unterliegt, tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise durchgeführt und damit die Ziele verfolgt werden, die diese Einrichtung zu erfüllen hat“.1346 Hinsichtlich der Prüfung der rechtlichen Ausgestaltung der Regelung muss, um mit den Zielen der Bekämpfung der Kriminalität und der Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Monopol im Bereich der Glücksspiele geschaffen wird, „auf der Feststellung beruhen, dass die mit dem Spiel verbundenen kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten und die Spielsucht in dem betroffenen Mitgliedstaat ein Problem darstellen, dem durch eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abgeholfen werden könnte, und diese Regelungen dürfen „nur eine Werbung erlauben, die maßvoll und strikt auf das begrenzt ist, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken.“1347 (a) Rechtliche Ausgestaltung des Lotteriemonopols Hinsichtlich der Prüfreihenfolge ist zunächst die rechtliche Ausgestaltung des Monopols heranzuziehen, da sich die Frage der kohärenten Durchführung dieser Regelungen erst stellt, wenn diese Regelungen überhaupt europarechtskonform sind. 1345  EuGH

EuZW 2011, 841 (848). EuZW 2011, 674 (678). 1347  EuGH EuZW 2010, 593 (595). 1346  EuGH

358 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Notwendig ist daher zunächst, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Deutschland ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte. Der Gesetzgeber begründet vorliegend seine Erweiterung der Werbemöglichkeiten und Öffnung der Vertriebswege damit, dass ein Zulauf zu staatenübergreifenden Lotterien und zu im Ausland veranstalteten Wetten auf die Lotterien des DLTB gegeben sei.1348 Im Rahmen der Rechtfertigung besteht die Pflicht des Mitgliedstaats, alle Umstände vorzulegen, anhand deren sich das entscheidende Gericht vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt.1349 Hingegen ist es nicht nötig, dass der Mitgliedstaat Untersuchungen vorlegt, die dem Erlass der Regelung zu Grunde lagen, denn allein aus diesem Umstand ist dem Mitgliedstaat nicht die Möglichkeit genommen, die Anforderungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beweisen.1350 Kommt der jeweilige Mitgliedstaat vor dem nationalen Gericht nicht seiner Darlegungs- und Beweispflicht nach und erfolgt daher kein Vorbringen von Rechtfertigungsgründen durch die Behörde, so ist das nationale Gericht dazu befugt, alle Konsequenzen zu ziehen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben, was im Ergebnis zu einem Verstoß gegen die Grundfreiheiten und damit zu einer Unanwendbarkeit der nationalen Regelungen führt.1351 Nach dieser Darlegung durch den Mitgliedstaat obliegt es dem nationalen Gericht, eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen.1352 Kommt das Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass nicht die Voraussetzungen der Kohärenz gegeben sind, so hat es auf eine fehlende Rechtfertigung der Beschränkung zu erkennen.1353 Vorliegend begnügt sich der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung auf den bloßen Verweis, dass ein Zulauf zu staatenübergreifenden Lotterien und zu im Ausland veranstalteten Wetten auf die Lotterien des DLTB gegeben sei.1354 Wie bereits im Rahmen der Verfassungsprüfung erläutert, erfolgt keinerlei Beweis seitens des Gesetzgebers für einen „Zulauf zu staatenübergreifenden Lotterien“.1355 Vielmehr werden diese auch in keinem der Be1348  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 18. MMR 2010, 844 (845); EuZW 2011, 841 (844); EuZW 2014, 597

1349  EuGH

(599).

1350  Vgl.

EuGH MMR 2010, 844 (845). EuGH GRUR Int. 2017, 769 (771 f.). 1352  EuGH EuZW 2014, 597 (600); EuGH BeckRS 2018, 21528 Rn. 30. 1353  Vgl. EuGH EuZW 2014, 597 (600). 1354  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1355  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1351  Vgl.



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richte zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags als vermeintliche Form des nicht regulierten Marktes genannt. Einzig als Konkurrenzprodukt zu den staatlich lizenzierten Lotterien verbleiben daher die Online-Zweitlotterien. Deren Bruttospielerträge beliefen sich 2014 auf 199,7 Mio. Euro1356, 2015 auf 246 Mio. Euro1357, 2016 auf 299 Mio. Euro1358 und 2017 auf 279 Mio. Euro1359. Oder in relativen Zahlen ausgedrückt entsprach dies einer Beteiligung von Online-Zweitlottieren am Gesamtmarkt (reguliert und unreguliert) von ca. 1,7 % 2014, ca. 1,9 % 2015, ca. 2,2 % 2016 und ca. 1,9 % 2017. Hingegen belief sich der Marktanteil der Lotterien des DTLB (ohne Klassen-, Fernseh- und Sparlotterien) am Gesamtmarkt der Bruttospielerträge im Jahr 2014 auf ca. 30,6 %, im Jahr 2015 auf ca. 28,6 %, im Jahr 2016 auf ca. 27,1 % und im Jahr 2017 auf ca. 24,7 %.1360 Auffällig ist jedoch, dass es zu keiner Steigerung im Rahmen der Zweitlotterien in den letzten Jahren kam, hingegen die Lotterien des DTLB eine massive Einbuße verzeichnen. Der Gesamtumsatz des Deutschen Lotto- und Toto-Block ist aber seit 2012 weiter gestiegen, weshalb zumindest nicht davon gesprochen werden kann, dass die Zweitlotterien den DTLB finanziell bedrohen.1361 Zu beachten ist zudem, dass die Zahlen der Zweitlotterien konstant bleiben. Würden diese Spieler – was für eine Kanalisierung überhaupt nötig ist – stattdessen Lotto spielen, so müsste der Rückgang am regulierten Markt gleichzeitig zu einer Steigerung des Unregulierten führen und umgekehrt. Hingegen scheinen sich die Spieler von Lotto auf andere Sektoren verteilt zu haben, was schon anhand der Zahlen eine Kanalisierung durch die staatlich regulierten Lotterien in Frage stellt. Auch die Zahlen in Bezug auf die Lotterien als solche lassen eher eine Verlagerung der Lottospieler auf andere Sektoren vermuten, so ist die Zahl der 12-Monats-Prävalenz in Bezug auf Lotto „6 aus 49“ in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken.1362 Darüber hinaus geht von Zweitlotterien, selbst wenn man aufgrund der großen Auswahl und damit dem schnelleren Auszahlungsintervall durch die Möglichkeit der Teilnahme an mehr Lotterien als die des DTLB eine höhere 1356  Jahresreport

2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 2015 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 13. 1358  Jahresreport 2016 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 14. 1359  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 14. 1360  Alle Daten aus den Jahresreporten, Quote selbst errechnet. 1361  Meyer, Jahrbuch Sucht 2019, S. 109. 1362  Vgl. hierzu BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 74 und BZgA, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 bis 2011, S. 52. 1357  Jahresreport

360 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Suchtgefahr als vom klassischen Lotto 6 aus 49 annimmt1363, dennoch eine geringere Suchtgefahr aus als z. B. von gewerblichen Automatenspielen. Ferner sind Zweitlotterien, wie oben gezeigt, keine Lotterien im rechtlichen Sinne, sondern Wetten auf Lotterieergebnisse. Insofern wäre der Monopolist bzw. der Staat daher gehalten dieses Parallelangebot ordnungsrechtlich zu verhindern und damit das gewünschte Schutzniveau wiederherzustellen, statt dieses geringfügige Parallelangebot als Anlass zu nehmen, sein eigenes Angebot ebenso zu erweitern. Diesbezüglich wird dagegen häufig vorgebracht, dass mit der Zulassung von Zweitlotterien der Sache nach eine Ausweitung des Lotteriespielangebots verbunden sei, was der Sache nach eine Vervielfältigung des staatlichen Lotterieangebots darstellen würde und damit einher­ gehend eine Vervielfältigung der Vertriebswege für Lottoangebote und der diesbezüglichen Werbemaßnahmen.1364 Diese Argumentation begründet aber lediglich, warum Zweitlotterien nicht zuzulassen sind, hingegen ist die Argumentation nicht geeignet, eine Erweiterung des Lotterievertriebs zu begründen, da dies ja gerade auch die Suchtgefahr hebt und mehr Angebot schafft. Bereits dieser Befund, dass Zweitlotterien lediglich 2 % der Bruttospielerträge im Gesamtmarkt ausmachen und dass in den letzten Jahren auch nicht ersichtlich ist, dass überhaupt eine Kanalisierung von einem Angebot ins andere stattfindet, lässt bereits zweifelhaft erscheinen, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Deutschland konkret in Bezug auf Zweitlotterien ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte.1365 Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass der geringe Marktanteil von Zweitlotterien den Staat dazu bewegt hat, sein um das 15-fache größere Angebot zu erweitern, um die – nicht durch die Zweitlotterien hervorgerufenen – Umsatzeinbußen der letzten Jahre durch neue Spiele(r) auszugleichen. Des Weiteren dürfen die Regelungen „nur eine Werbung erlauben, die maßvoll und strikt auf das begrenzt ist, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Darüber hinaus darf die Expansion nicht einen Umfang haben, der sie mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht unvereinbar macht.“1366 Bereits in der Rechtssache Stoß hat der EuGH die damalige Werbepraxis der deutschen Lotterien dahingehend kritisiert, dass diese den FinanzierungsMeyer/Bachmann, Spielsucht, S. 89. VG Saarlouis, Urteil vom 02. Februar 2017 – 6 K 2012/14 – juris Rn. 84. 1365  Vgl. EuGH EuZW 2010, 593 (595). 1366  EuGH EuZW 2010, 593 (595). 1363  Vgl. 1364  Vgl.



C. Online-Lotterien361

bedarf sozialer, kultureller oder sportlicher Aktivitäten herausstellten, denen die erzielten Gewinne zugutekämen, was wiederum den Anschein erweckt hat, „dass die Maximierung der diesen Aktivitäten zugedachten Gewinne zu einem eigenständigen Ziel der fraglichen restriktiven Maßnahmen werde.“1367 Der EuGH untersagt ausdrücklich Imagewerbung, die darauf beruht, dass die Verwendung der Einnahmen der Landeslotteriegesellschaften herausgestellt wird.1368 Jedoch ist im Rahmen des GlüStV gem. § 5 IV 1 GlüStV i. V. m. §§ 2 II Nr. 3, 3 III 3 WerbeRL Imagewerbung gerade zulässig. Auch sieht § 5 Nr. 1 S. 2 WerbeRL gerade ausdrücklich vor, dass der gemeinnützige Charakter einer Lotterie in den Vordergrund gestellt werden darf. Zwar beschränkt sich diese Regelung ausdrücklich nur auf die Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial als die Jackpotlotterien, weshalb man aufgrund der geringeren Gewinnhöhe von einer geringeren Suchtgefahr ausgehen kann, dennoch widerspricht die gesetzliche Regelung der ausdrücklichen Rechtsprechung des EuGH. Im Übrigen sei bereits auf die Kritik im Rahmen der Prüfung der verfassungsrechtlichen Konsistenz verwiesen.1369 (b) Tatsächliche Handhabung des Lotteriemonopols Hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung und der Frage, ob der Gesetzgeber wirklich beabsichtigte, ein solches besonders hohes Schutzniveau sicherzustellen und ob die Schaffung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte, ist zum einen festzustellen, dass sich der Gesetzgeber bewusst der Form eines Monopols bediente.1370 Die Frage der Erforderlichkeit hingegen ist im nächsten Prüfungspunkt der Europarechtskonformität zu beantworten. Darüber hinaus ist nötig, dass die „staatlichen Kontrollen, denen die Tätigkeit der Einrichtung, der die ausschließlichen Rechte zustehen, grundsätzlich unterliegt, tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise durchgeführt und damit die Ziele verfolgt werden, die diese Einrichtung zu erfüllen hat“.1371 Insbesondere hier offenbaren sich Defizite. Die damalige Kritik des EuGH zum LottStV ist auch heute weiterhin gültig und von Bedeutung. Insbesondere ist nach ausdrücklicher Rechtsprechung des EuGH Werbung unzulässig, 1367  EuGH

MMR 2010, 844 (848). EuZW 2011, 841 (846). 1369  Vgl. S. 321 ff., 330 ff. 1370  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. 1371  EuGH EuZW 2011, 674 (678). 1368  EuGH

362 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

die „das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verleiht oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht“ stellt.1372 Genau dies ist aber weiterhin durch die Landeslotteriegesellschaften der Fall. Wie bereits im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit erläutert, sieht der GlüStV 2012 im Gegensatz zum GlüStV 2008 eine wesentliche Erweiterung sowohl hinsichtlich der Werbemöglichkeiten als auch hinsichtlich der Vertriebsmöglichkeiten vor. Eine Ausweitung der Werbung seit 2008 vermitteln bereits die oben erläuterten Zahlen. Die Ausgaben im Bereich Werbung für Lotto und Toto insgesamt (also mit Zweitlotterien) haben sich in diesem Zeitraum von 97,3 Mio. Euro in 2012 auf 197,4 Mio. Euro in 2017 mehr als verdoppelt.1373 Auf den Deutschen Lotto- und Totoblock entfielen nach der Studie von Research Tools 2015/2016 allein 31 Mio. Euro an Werbeausgaben, wobei dies eine Steigerung zu den Werbeausgaben im Jahr 2011/2012 von 229 % bedeutet.1374 Bereits hinsichtlich der Entwicklung der Werbeausgaben im Jahr 2013 bestanden Zweifel an der Unionskonformität1375. Mit Blick auf die nun aber bestehenden hohen Ausgaben ist vielmehr äußerst zweifelhaft, ob die Landeslotteriegesellschaften nicht eine expansionistische Geschäftspolitik verfolgen, „die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt.“1376 Zu beachten ist aber auch, dass Zweitlotterien im Jahr 2015/2016 sogar mehr als der Deutsche Lotto- und Totoblock für Werbung ausgaben, nämlich 31,5 Mio. Euro.1377 Der EuGH verweist in seinem Urteil in der Sache Ladbrokes./.Niederlande zwar darauf, dass z. B. die Zunahme eines heim­ lichen, unregulierten Angebots, im Rahmen der gerichtlichen Prüfung zu berücksichtigen ist.1378 Die Expansion des Monopolisten darf aber keinen Umfang haben, der diese mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht un1372  EuGH

EuZW 2011, 841 (846). Impact. n.d. Werbeausgaben für Lotterien (Lotto und Toto) in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2017 (in Millionen Euro). Statista. Zugriff am 20. März 2019. Verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197014/umfrage/ werbeausgaben-fuer-lotterien--lotto-und-toton-in-deutschland-seit-2000/. 1374  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69. 1375  Vgl. Jarass, Lotteriemonopol, S. 46. 1376  EuGH EuZW 2018, 841 (846); vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art.  34 ff. AEUV Rn. 111. 1377  Klöster/Kleibrink, Der Glücksspielmarkt in Deutschland, S. 69. 1378  EuGH EuZW 2010, 593 (595). 1373  Media



C. Online-Lotterien363

vereinbar macht.1379 Dies ist aber, wie gezeigt, der Fall, wenn die durchgeführte Werbung nicht maßvoll und eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken.1380 Wie oben ausgeführt, untersagte der EuGH Imagewerbung, die darauf beruht, dass die Verwendung der Einnahmen der Landeslotteriegesellschaften herausgestellt wird.1381 Genau diese Imagewerbung erfolgt aber durch die Landeslotteriegesellschaften durchgängig, weshalb nicht von Einzelfällen die Rede sein kann, sondern von schlichtem Kontrollversagen. Bereits auf der Startseite von Lotto Hessen1382 erläutert die Seite unter „LOTTO hilft Hessen“, dass 20 % des Einsatzes in die Kultur, Denkmalpflege, Sport, Soziales und Umwelt gehen. Auch auf der Webseite von Westlotto wird auf die Mittelverwendung verwiesen und damit Imagewerbung betrieben.1383 Nichts anderes gilt für die Seite zum Lottoprinzip auf der Seite des Westlotto.1384 Ebenso ist es mit der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar, wenn die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen.“1385 Exemplarisch sei hierbei auf die bereits aufgezählten Facebookbeiträge verwiesen.1386 Die Botschaft der Beiträge – die exemplarisch für viele stehen – ist ausschließlich auf den Gewinn gerichtet, eine weitere Botschaft ist überhaupt nicht ersichtlich. Auch ist eine Strategie, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordert und anregt, eine expansive Geschäftspolitik, die mit dem Ziel der Kanalisierung gerade nicht vereinbar ist.1387 Die Werbung darf also lediglich den bereits Spielgeneigten über das legale Angebot informieren, den dem Spiel Abgeneigten aber nicht zum Spiel motivieren.1388 Dass aber auch häufig eine 1379  EuGH

EuZW 2010, 593 (595). EuZW 2011, 841 (846). 1381  EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1382  https://www.lotto-hessen.de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1383  https://www.westlotto.de/service/landingpage/das_lotto_prinzip/das_lotto_ prinzip_denkmalschutz.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1384  Vgl. https://www.westlotto.de/service/landingpage/das_lotto_prinzip/das_lotto _prinzip.html;jsessio-nid=TDBbt3Sj22s6EXhb40Kjw+ll.infocus6a, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1385  EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1386  S. 331 ff. 1387  Vgl. EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1388  Vgl. zusammenfassend Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34  ff. AEUV Rn. 111. 1380  EuGH

364 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Aufforderung oder Anregung zum Glücksspiel in der Werbung der Lotterieunternehmen enthalten ist, ist nicht abzustreiten. Exemplarisch sei hier der der bekannte Slogan „aber nur wer mitspielt, kann gewinnen!“1389 genannt. Allein der sehr bekannte Werbeslogan ist in seiner Ausgestaltung völlig ungeeignet, die Aufgabe einer Information für Spielgeneigte zu erfüllen. Diese wollen bereits mitspielen. Vielmehr vermittelt der Slogan den Aufruf an alle Unentschlossenen, dass nur bei einer Teilnahme am Glücksspiel der Jackpot winkt, man also daran teilnehmen solle, damit man überhaupt die Chance auf einen Gewinn hat. Gerade der bisher Nicht- oder Unentschlossene wird mit dem Slogan angesprochen. Dies widerspricht aber ausdrücklich den vom EuGH aufgestellten Anforderungen. Ferner ist es nach der Rechtsprechung des EuGH die Grenzen des Zulässigen überschreitende Werbung, wenn das Spiel verharmlost wird.1390 Hierbei sei auf einen anderen Beitrag in Facebook von Lotto Bayern am 17.02.2019 hingewiesen: „🍀 Bist du hartnäckig?“, darunter ein Bild mit dem Text „GLÜCK LÄSST SICH NICHT ERZWINGEN: ABER ES MAG HART­ NÄCKIGE MENSCHEN.“ Auch ein derartiger Beitrag ist mit den vom EuGH aufgestellten Einschränkungen evident unvereinbar. Ein derartiger Beitrag verschweigt komplett die Tatsache, dass mit einer Wiederholung des Lottospiels nicht die Gewinnmöglichkeit steigt. Es vermittelt vielmehr den Eindruck, dass man nur hartnäckig genug sein muss, dann findet das Glück schon zu jemanden und man gewinnt. Das ist aber gerade bei Glücksspielen nicht der Fall. Die Quote bleibt bei jeder Wiederholung gleich, ein Gewinn wird nie wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher. Vielmehr vermittelt dieser Beitrag den häufigen Grund für Glücksspielsucht, dass ein Beinahe-Gewinn (bzw. FastGewinn) fast die gleichen Endorphine ausschüttet,1391 wie ein tatsächlicher, was erst die Sucht fördert. (c) Ergebnis In diesem Zusammenhang hat die vom Monopolisten durchgeführte Expansion gerade einen Umfang erreicht, der eben nicht mehr mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht vereinbar ist.1392 Aufgrund der schieren Menge 1389  So z. B. auf https://www.lotto-hessen.de/magazin/wissenswertes/meldung_011 055; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1390  EuGH EuZW 2011, 841 (846). 1391  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 90. 1392  Vgl. EuGH EuZW 2010, 593 (595); so auch andeutend Fuchs, Das neue Glücksspielrecht, S. 366 „Soll das Lotteriemonopol Bestand haben, müssen die staatlichen Lotterieanbieter ihre Werbung daher drastisch zurückfahren.“



C. Online-Lotterien365

an Verstößen gegen die vom EuGH aufgestellten Regeln ist von einem praktischen Systemversagen auszugehen, das nicht mehr mit der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren ist. Darüber hinaus ist bereits äußerst zweifelhaft, ob die Suchtgefahr bei Lotterien durch Anbieter vom Graumarkt derartig gravierend ist, dass es einer Kanalisierung durch die Landeslotteriegesellschaften und damit einhergehend einer Expansion bedarf. Das Kriterium der Kohärenz ist daher zu verneinen und mit ihm daher auch die Geeignetheit des Lotteriemonopols in seiner momentanen konkreten Ausgestaltung. 3. Konsequenz der Divergenz von Verfassungs- und Unionsrecht? Das Lotteriemonopol ist in seiner konkreten Ausgestaltung bzw. in seinem konkreten Vollzug zwar verfassungsgemäß, da es zumindest das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsvorbeugung in verhältnismä­ ßiger Art und Weise verfolgt, aber nicht unionsrechtskonform, da die das ­Lotteriemonopol statuierenden Regelungen als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht kohärent die von ihnen angedachten Ziele verfolgen, weshalb es an der Geeignetheit der Beschränkung und damit an deren Rechtfertigung fehlt. Das im Rahmen des GlüStV geregelte Veranstaltungsmonopol auf Basis des §§ 10 I, II GlüStV ist demnach unionsrechtswidrig und daher aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts1393 nicht anwendbar. Fraglich ist aber, ob die Unionsrechtswidrigkeit zugleich auf die Verfassungswidrigkeit „durchschlägt“, oder anders gesagt, ob letztinstanzlich das BVerfG seine Prüfung insoweit anpassen muss, dass sich das Ergebnis hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit mit dem der Unionsrechtswidrigkeit deckt. Von der unionsrechtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass auch ein Verfassungsgericht eines Mitgliedsstaats ein „Gericht“ im Sinne des Art. 267 AEUV ist, mit der Folge, dass auch ein Verfassungsgericht eine Vorlagepflicht an den EuGH trifft, falls die Auslegung der Verträge für die spätere Entscheidung des Gerichts maßgeblich ist.1394 Ergeht eine Entscheidung des EuGH dann zu der vom BVerfG gestellten Frage, so ist das BVerfG an die durch den EuGH gewählte Auslegung gebunden, den auch das BVerfG ist ein mit dem Ausgangsverfahren befasstes staatlichen Gerichten, für welches die Vorabentscheidung des EuGH bindend ist.1395

statt vieler Streinz, Art. 4 EUV Rn. 35 ff. Calliess/Ruffert/Wegener Art. 267 AEUV Rn. 21; Streinz/Ehricke Art. 267 AEUV Rn. 31, 43. 1395  BVerfG NJW 1980, 519 (519). 1393  Vgl. 1394  Vgl.

366 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Im vorliegenden Fall könnte man aber bereits annehmen, dass die Frage durch den EuGH bereits zuvor beantwortet geworden ist. In dieser Situation sind die letztinstanzlichen Gerichte – und damit auch das BVerfG – dazu genötigt, die Auslegung des EuGH anzuwenden oder bei Zweifeln dem Gerichtshof erneut vorzulegen.1396 Zugleich ist das nationale Gericht dazu verpflichtet, das nationale Recht – soweit möglich – insoweit auszulegen, dass das Auslegungsergebnis unionsrechtskonform ist.1397 Eine erste Tendenz ist hierbei bereits bei der Entscheidung des BVerfG zur Regulierung der Spielhallen ersichtlich, in der dieser bereits seine Rechtsprechung an die des EuGH insoweit „angenähert“ hat, als dass er diese in seine Urteilsbegründung und Prüfung mit einbezieht. Ob darin aber bereits eine Zusage des BVerfG zur vom EuGH vertretenen horizontalen Kohärenz gesehen werden kann, ist zweifelhaft.1398 Jedoch betrifft es hier lediglich die Frage der vertikalen Kohärenz, in der bereits ein Gleichlauf zwischen verfassungs- und unionsrechtlicher Rechtsprechung ersichtlich ist.1399 Im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung wäre das BVerfG aber dazu gehalten, vom Grundsatz, dass die Verfolgung eines legitimen Ziels in geeigneter, erforderlicher und angemessener Art und Weise genügt, abzuweichen, um im Einklang mit dem Unionsrecht zu stehen, was im Ergebnis zu einer Gleichstellung des Begriffs der Konsistenz bzw. Konsequenz seitens des BVerfG und des der Kohärenz seitens des EuGH führen dürfte. 4. Ergebnis Das Lotteriemonopol ist bereits aus unionsrechtlicher Sicht nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Zwar ist das Lotteriemonopol begrenzt mit Sicht auf das Verfassungsrecht mit diesem vereinbar, jedoch ist auch hier der unionsrechtliche Einfluss auf die Auslegung des jeweiligen Verfassungsrechts zu berücksichtigen. Insbesondere im Falle einer Divergenz der Ergebnisse wird das Verfassungsrecht im Rahmen einer unionsrechtskonformen Auslegung dem Ergebnis der unionsrechtlichen Prüfung anzupassen sein, mit der Folge, dass ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Kohärenz zugleich praktisch zu einem Verstoß der verfassungsrechtlichen Konsistenz führen wird.

1396  Streinz/Ehricke Art. 267 AEUV Rn. 72; Calliess/Ruffert/Wegener Art. 267 AEUV Rn. 51. 1397  Vgl. BVerfG NJW 2012, 669 (670 f.). 1398  Vgl. im Detail hierzu S. 146 ff. und die Frage, ob überhaupt im Urteil eine Aussage zur horizontalen Kohärenz enthalten ist. 1399  Vgl. im Detail hierzu S. 146 ff.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 367

D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker Ein weiter zunehmender Bereich im Rahmen des Glücksspiels bilden die Onlineangebote.1400 So hat sich der relative Anteil am Bruttospielertrag von Online-Glücksspielangeboten im Zeitraum 2006 bis 2015 schon mehr als verdoppelt.1401 Insbesondere die sog. Online-Zweitlotterien und Online-Casinospiele erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.1402 Auch Online-Poker ist zu einem großen Markt geworden, insbesondere handelt es sich hierbei um beinahe salonfähige Dienste, die von sehr bekannten Personen, wie z. B. Christiano Ronaldo, beworben werden.1403 Hinsichtlich aller drei Varianten handelt es sich um Glücksspiele. Online-Zweitlotterien stellen nach rechtlicher Wertung gerade keine Lotterien dar, sondern es handelt sich um Wetten im Sinne des § 3 I 3 GlüStV und daher um Glücksspiele gem. § 3 I 1 GlüStV.1404 Online-Casinospiele, wie Blackjack, Roulette, aber auch die üblichen Automatenspiele stellen per se Glücksspiele im Sinne des § 3 I 1 GlüStV dar. Lediglich hinsichtlich der Online-Pokerspiele ist umstritten, ob es sich bei diesen um Glücksspiele im Sinne des § 3 I 3 GlüStV handelt oder stattdessen um ein Geschicklichkeitsspiel.1405 Diesbezüglich ist jedoch in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung seit dem GlüStV 2008 ständige Rechtsprechung, dass die Pokervariante Texas Hold’em bzw. Omaha, die dem Texas Hold’em ähnelt, als Glücksspiele im Sinne des GlüStV einzuordnen sind.1406 Da alle Varianten lediglich online und nicht stationär in Deutschland angeboten werden, ergibt sich für den glücksspielverwaltungsrechtlichen Bestand einer Veranstaltung dieser Angebotsformate in Deutschland folgende Hürde: Zum einen bedarf die Veranstaltung gem. § 4 I 1 GlüStV einer generellen Erlaubnis, zum anderen bedarf es einer Ausnahme vom generellen Internetverbot gem. § 4 IV GlüStV. Hinsichtlich des Aspektes der Erlaubnis ist zu1400  Vgl. zur Wachstumsprognose https://www.bet-at-home.ag/de/bah/market, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1401  Jung/Kleibrink/Köster, Die Digitalisierung des Glücksspiels, S. 58. 1402  Vgl. zu der Thematik Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 50. 1403  Vgl. http://www.pokerstars.de/poker/promotions/cristiano-ronaldo/, zuletzt ab­ gerufen am: 06.10.2020. 1404  Vgl. S.  287 ff. 1405  Vgl. zur Diskussion umfassend Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S. 94 ff. 1406  Vgl. BVerwG NVwZ-RR 2010, 104; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. April 2009 – OVG 1 S 203.08 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09. März 2011 – 6 S 2255/10 –, juris; OVG Lüneburg BeckRS 2016, 50814 Rn. 20.

368 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

sätzlich zu beachten, dass § 10 VI GlüStV eine Erlaubniserteilung für nicht staatlich kontrollierte Private nur für die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts des GlüStVs vorsieht. Mangels Ausnahmevorschrift für Online-Zweitlotterien, Online-Casinospielen und Online-Poker stellt sich daher zunächst die Frage, ob das Onlinevertriebsverbot gem. § 4 IV GlüStV überhaupt mit höherrangigem Recht ver­ einbar ist.

I. Vereinbarkeit des Onlinevertriebsverbots mit höherrangigem Recht Ebenso wie die einzelnen Regulierungsvorschriften als solche müsste auch das Onlinevertriebsverbot mit höherrangigem Recht vereinbar sein. Diesbezüglich ist erneut zwischen dem Verfassungsrecht und dem Unionsrecht zu unterscheiden. 1. Verfassungsmäßigkeit des Onlinevertriebsverbots gem. § 4 IV, V GlüStV Zunächst ist der Aspekt der Verfassungsmäßigkeit zu betrachten. Maßgeblicher Prüfungsmaßstab ist hierfür erneut die in Art. 12 I GG garantierte Berufsfreiheit. Diesbezüglich ist, wie bereits zuvor herausgearbeitet wurde, zunächst zwischen der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit zu unterscheiden. Im Rahmen der materiellen Verfassungsmäßigkeit ist wiederum der herkömmliche Prüfungsaufbau von Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung heranzuziehen. a) Formelle Verfassungsmäßigkeit Im Gegensatz zu den Lotterien war bereits das Onlinevertriebsverbot in seiner Fassung aus dem Jahr 2008 Gegenstand mehrerer Entscheidungen. Die Aufstellung von Regelungen zum Onlinevertrieb sei von der Gesetzgebungskompetenz der Länder gem. Art. 70 I, 72 I GG gedeckt, da der Bund zumindest bisher nicht von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe.1407 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auf die verwiesen wurde, bezog sich aber lediglich auf Sportwetten. Nur dieser Bereich falle unter den konkurrierenden Kompetenztitel „Recht

1407  Vgl.

BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 369

der Wirtschaft“ gem. Art. 74 I Nr. 11 GG.1408 Eine Aussage zu anderen Bereichen des Glücksspiels tätigte das Bundesverfassungsgericht aber bisher nicht. Jedoch erfolgte eine Bestätigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch das Bundesverfassungsgericht.1409 Hinsichtlich des Vertriebs von Glücksspielen erfolgte bisher keine abschließende Regelung seitens des Bundesgesetzgebers, weshalb sich die Frage eines Kompetenztitels im Rahmen anderer Glücksspielsektoren nicht stellt; eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers liegt evident gerade nicht vor.1410 Zum einen erfolgt keine abschließende Regelung zum Onlinevertrieb durch das Telemediengesetz. Zwar regelt § 4 TMG, dass Telemedien zulassungs- und anmeldefrei sind. Jedoch enthält das Telemediengesetz gerade keine Regelungen zur Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Glücksspielen, vielmehr bleiben andere gesetzliche Regelungen, die sich auf die Nutzung von Telemedien gerade auswirken, aufgrund des in § 4 TMG enthaltenen Gesetzesvorbehalts „im Rahmen der Gesetze“ gerade ausdrücklich unberührt.1411 Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass das Onlinevertriebsverbot des § 4 IV GlüStV im Grundsatz auch den Onlinevertrieb von durch den Bundesgesetzgeber geregelten Pferderennwetten untersagt. Gem. § 27 II 1 GlüStV findet § 4 IV GlüStV auch auf Pferdewetten ausdrücklich Anwendung, wobei § 27 II 2 GlüStV eine Befreiung vom Verbot ermöglicht. Hinsichtlich der Thematik des Onlinevertriebs normiert das RennwLottG in § 25 III RennwLottG, dass es den Ländern möglich ist, weitergehende Vorschriften über das Veranstalten und Vermitteln von Pferdewetten, das Vermitteln von Pferdewetten über das Internet und in das Ausland sowie Vorschriften über Regelungen zur Spielersperre, Spielwerbung und zum Schutz Minderjähriger zu erlassen. Hierbei ist ausdrücklich das Vermitteln von Pferdewetten über das Internet als Regelungsgegenstand an die Landesgesetzgeber zurückübertragen worden. Insofern eröffnet der Bundesgesetzgeber den Landesgesetzgebern (wieder) die Möglichkeit der Gesetzgebung.1412 Daher besteht hinsichtlich des grundsätzlichen Vertriebsverbots für die Vermittlung von Sportwetten ausdrücklich die Möglichkeit einer Gesetzgebung durch die Länder.

1408  Vgl.

BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). BeckRS 2013, 59939. 1410  Vgl. auch BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1411  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 1412  Vgl. Maunz/Dürig/Uhle, Art. 72 GG Rn. 89 ff. 1409  BVerfG

370 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Problematisch ist hingegen, dass §§ 4 IV, 27 II 1 GlüStV nicht nur die Vermittlung von Pferdewetten über das Internet erfasst, sondern auch – was nicht ausdrücklich in § 25 III RennwLottG enthalten ist – die Veranstaltung von Pferdewetten im Internet. Die Frage ist daher, ob das Ermöglichen der Gesetzgebung hinsichtlich der Pferdewetten nur auf die Vermittlung über das Internet beschränkt war oder ob auch die Veranstaltung über das Internet mitgeregelt werden darf.1413 Der Bundesgesetzgeber begründet die Öffnungsklausel damit, dass so sichergestellt werden kann, dass die Regelungen für den Spielerschutz und die Suchtbekämpfung auch im Erlaubnisverfahren für Buchmacher und Totalisatoren im Rahmen des RennwLottG Eingang finden.1414 Der Ansicht des BayVerfGH ist daher vollumfänglich zuzustimmen, da die Gesetzesbegründung als Ziel der Öffnungsklausel ausdrücklich benennt, dass die Regelungen über den Spielerschutz und die Suchtbekämpfung gerade auch im Rahmen der Pferdewetten Berücksichtigung finden. „Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er diese Ermächtigung für den Bereich der OnlinePferdewetten auf deren Vermittlung hätte beschränken und den direkten Vertragsabschluss zwischen Anbieter und Wettkunden ohne einen zwischengeschalteten Vermittler hiervon hätte ausnehmen wollen.“1415 Zutreffend ist, dass in beiden Fällen ein Schutzbedürfnis hinsichtlich der Wettkunden besteht, weshalb eine Unterscheidung gerade nicht mit dem Ziel des Bundesgesetzgebers in Einklang steht, die Schutzvorschriften des GlüStV auch auf die Buchmacher und Totalisatoren anzuwenden. Diese wären dann vielmehr als Online-Veranstalter gerade nicht von den Regelungen des GlüStV erfasst. Auch ist bei Zugrundlegung eines Verbots der grenzüberschreitenden Spielvermittlung eine Vermittlungserlaubnis allein nicht ausreichend, vielmehr bedarf es gleichzeitig auch im jeweiligen Land einer Veranstaltererlaubnis. Die bloße gesetzliche Regelung der Onlinevermittlung ohne eine Regelung der Onlineveranstaltung wäre daher – wie der BayVerfGH zutreffend ausführt – unvollständig, was im Ergebnis auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche. Vielmehr war dessen Ziel die volle Regelung des Onlinevertriebs im Bereich der Pferdewetten durch die Länder.1416 Die Regelung des § 4 IV GlüStV ist daher formell verfassungsgemäß, eine von Verfassung wegen gebotene Reduzierung des Anwendungsbereichs ist daher nicht nötig.

1413  Vgl. auch hinsichtlich dieses Problems Dietlein/Hecker/Ruttig/Postel, § 4 Rn. 84; BayVerfGH NVwZ 2017, 783. 1414  BT-Drs. 17/8494, S. 10. 1415  BayVerfGH NVwZ 2017, 783 (785). 1416  BayVerfGH NVwZ 2017, 783 (785).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 371

b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Auch müssten die Regelungen materiell verfassungsgemäß sein, wobei maßgeblicher Prüfungsmaßstab erneut ist, ob eine Verletzung des Art. 12 I GG vorliegt. aa) Schutzbereich Ebenso wie bei den zuvor untersuchten Glücksspielformen ergeben sich auch hinsichtlich der Anbieter von Online-Zweitlotterien, Online-Casinos und Online-Poker keine Zweifel hinsichtlich des Schutzbereichs. Nachdem, wie oben gezeigt, die Zweitlotterien als Wetten auf den Ausgang von Zahlenlotterien einzustufen sind, ist der Anbieter einer Zweitlotterie sehr nah an die Tätigkeit eines Buchmachers angelehnt.1417 Dieser unterfällt dem Schutzbereich des Art. 12 I GG, weshalb für die Anbieter von Zweitlotterien nichts anderes gilt. Gleiches gilt für die Veranstaltung von Online-Poker und die Veranstaltung von Online-Casinospielen. Bereits die Tätigkeit des Spielbankenbetreibers stellt einen von Art. 12 I GG geschützten Beruf dar.1418 Die primäre Ausrichtung von Casinospielen wie Blackjack, Roulette, aber auch von Automatenspielen in diesem Zusammenhang stellt genauso wie das primäre Anbieten von Poker bereits einen Teilaspekt des Angebotsportfolios einer Spielbank dar.1419 Wenn bereits die Tätigkeit des Spielbankenbetreibers als Anbieter einer Vielzahl von Spielen unter die Berufsfreiheit fällt, so gilt dies erst recht für die Teilaspekte dieses Angebots. Demnach fallen auch die Anbieter der hier untersuchten Online-Glücksspiele in den Schutzbereich des Art. 12 I GG. Hinsichtlich der Thematik des persönlichen Schutzbereichs im EU-Ausland sitzender Unternehmen sei auf die Ausführungen im Rahmen der Sportwetten verwiesen. bb) Eingriff Auch der Eingriff in diese Tätigkeiten ist zu bejahen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang allein, ob die Tätigkeit eines „Online-Pokerveranstalters“ ein Beruf ist und daher das Verbot des § 4 IV GlüStV als objektive Berufswahlregelung gesehen werden muss, da der Beruf im Geltungsbereich des GlüStV nicht erlaubnisfähig ist, oder ob man schlicht als Beruf die Tä1417  Vgl. zu deren Unterfallen in den Schutzbereich des Art. 12 I GG, vgl. BVerwG NVwZ 1995, 481. 1418  Vgl. BVerwG NVwZ 1995, 478. 1419  Vgl. hierzu die Übersicht der Spielregeln der bayerischen Spielbanken, https:// www.spielbanken-bayern.de/spielinfos/spielregeln, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.

372 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

tigkeit des Pokerveranstalters sieht und in dem Verbot des Onlinevertriebs dieses Angebots eine bloße Berufswahlregelung annimmt. Jedoch stellt die Art des Eingriffs noch keinen entscheidenden Punkt im Rahmen der Eingriffsprüfung als solche dar, vielmehr ist die Einstufung des Eingriffs eine Frage, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit heranzuziehen ist.1420 Der bloße Eingriff, egal wie man ihn konkret einordnen mag, ist daher durch das Regelungskonstrukt der §§ 4 IV, V GlüStV zu bejahen. cc) Rechtfertigung Gem. Art. 12 I 2 GG gilt für die Berufsfreiheit ein einfacher Gesetzesvorbehalt, diese ist „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ einschränkbar. Da es sich bei der Berufsfreiheit in Art. 12 I 1 GG um ein einheitliches Grundrecht auf Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit handelt, gilt der einfache Gesetzesvorbehalt für das gesamte in Absatz I verankerte Grundrecht.1421 Das in die Berufsfreiheit eingreifende Gesetz muss in jeder Hinsicht verfassungskonform, also sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß sein.1422 Um in materieller Hinsicht vor der Garantie der Berufsfreiheit (Art. 12 I 1 GG) Bestand haben zu können, ist zu beachten, dass der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 I 2 GG, der auch für Maßnahmen gilt, die die Freiheit der Berufswahl betreffen, nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt ist, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde, was gerade bejaht wurde, und diese Beschränkung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.1423. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen der Berufsfreiheit stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.1424 Daher müssen die Eingriffe zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und dürfen nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern, müssen also auch erforderlich

1420  Vgl.

BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 101. Art. 12 GG Rn. 312; Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Art. 12

1421  Maunz/Dürig/Scholz,

GG Rn. 12. 1422  BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 86. 1423  So das BVerfG in seiner Sportwettenentscheidung, NJW 2006, 1261 (1263 Rn. 94). 1424  BVerfG NJW 1966, 291; NJW 2002, 666 (667); BVerfGE 54, 301 (313).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 373

sein.1425 Die Eingriffsmittel dürfen zudem nicht übermäßig belastend sein,1426 so dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (Angemessenheit).1427 Zusammengefasst muss das Internetvertriebsverbot daher in verhältnismäßiger Weise, also in geeigneter, erforderlicher und angemessener Art und Weise, ein legitimes Ziel verfolgen.1428 (1) E  inordnung des Internetvertriebsverbots in die Drei-Stufen-Theorie des BVerfG Wie bereits oben erläutert, ist nicht eindeutig, ob das Verbot des Internetvertriebs gem. § 4 IV GlüStV für die genannten Glücksspielangebote schlicht eine Berufsausübungsregel mit einem daher im Grundsatz niedrig zu bemessenden Eingriffsgrad darstellt oder ob es sich hierbei um eine objektive Berufswahlregelung handelt, die den jeweiligen Anbietern die Ausübung ihrer Berufe vollständig untersagt. Im Rahmen seiner Entscheidung zur Internetvermittlung von Lotterieprodukten ordnete das BVerfG den § 4 IV GlüStV 2008, der inhaltsgleich mit dem jetzt geltenden § 4 IV GlüStV ist, als objektive Berufswahlbeschränkung ein.1429 Hingegen lies das BVerwG diese Frage ausdrücklich offen.1430 Jedoch stellt sich die Ansicht des BVerfG, dass es sich bei § 4 IV GlüStV im Hinblick auf die vorliegend untersuchten Tätigkeiten um eine Berufswahlregelung handelt, als folgerichtig dar. Die Frage, ob die Berufswahl oder lediglich die Berufsausübung betroffen wird, ist maßgeblich von der Beurteilung des Berufsbildes abhängig.1431 Ob eine Tätigkeit als eigener Beruf angesehen wird, oder lediglich einen Teilbereich eines anderen Berufes darstellt, ist im Rahmen der Verkehrsanschauung zu bestimmen.1432 „Der Schutz der Berufsfreiheit ist nicht auf traditionell oder gesetzlich fixierte Berufsbilder beschränkt, sondern erfasst auch Berufe, die auf Grund der fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden

1425  BVerfGE

101, 331 (347); BVerfG NJW 2002, 666 (667). BVerfG NJW 1966, 291 (292 ff.). 1427  Vgl. BVerfG NJW 2001, 353 (354); NJW 2003, 879. 1428  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 87 ff. 1429  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340 Rn. 28). 1430  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1320 Rn. 20). 1431  v. Mangoldt/Klein/Stark/Manssen, Art. 12 GG Rn. 53 m. w. N. 1432  v. Mangoldt/Klein/Stark/Manssen, Art. 12 GG Rn. 53. 1426  Vgl.

374 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

sind.“1433 So hat das BVerfG als Kriterium im Rahmen seiner Entscheidung zum Beruf des Insolvenzverwalters als maßgebliches Kriterium herangezogen, dass diese „nicht nur über eine qualifizierende Zusatzausbildung und einschlägige Berufserfahrung“ verfügen, sondern auch, dass deren Aufgaben „nur mit einem spezialisierten größeren Mitarbeiterstab und der nötigen technischen Ausstattung sachgerecht“ bewältigt werden können.1434 Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich der Tätigkeit des Online-Casino-, des Online-Poker- oder des Online-Zweitlotterienanbieters. Alle Angebotsformate setzen sowohl besonders spezialisierte Mitarbeiter als auch eine besondere technische Ausstattung voraus. Insbesondere im Rahmen der OnlineCasinos und Online-Pokerangebote ist eine große Serverinfrastruktur notwendig. Ebenso bedarf es eines großen Teams an spezialisierten Kräften, um den Onlinebetrieb zu überwachen, und auch spezielle Personen, die bei informationstechnischen Problemen eingreifen. Onlineangebote sind im Gegensatz zu den herkömmlichen stationären Angeboten mit ganz anderen Problemen und Herausforderungen konfrontiert, auch beschränkt sich das Angebot der jeweiligen Anbieter zu 100 % auf das Onlinesegment, lediglich auf dieses sind diese ausgerichtet. Dies gilt ebenso für die Online-Sportwettenanbieter. Veranstalter, wie z. B. Tipico oder bwin haben ihre Infrastruktur ausschließlich auf das Onlinesegment und seine Besonderheiten ausgerichtet.1435 Auch hier ist die Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung nicht mehr mit der des stationären Buchmachers vergleichbar, vielmehr unterscheiden sich diese branchenspezifisch in Größe, Spezialisierung und Infrastruktur immens. Selbst wenn man aber im Rahmen des Onlinevertriebsverbots lediglich eine Berufsausübungsregelung zu sehen vermag, so ist deren Eingriffsintensität dennoch auf Stufe einer objektiven Berufswahlregelung, da hierdurch die Ausübung des Berufs des z. B. Casinobetreibers, fast gänzlich unmöglich gemacht wird, da die Anbieter auf den Kundenstrom online (dieser macht 100 % aus) existenziell angewiesen sind.1436 Die betroffenen Berufsangehörigen wären dann wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen.1437 1433  BVerfG NJW 2016, 930 (931); vgl. BVerfG NJW 1998 3481 (3481); BVerfG BeckRS 2007, 33074 Rn. 66. 1434  BVerfG NJW 2016, 930 (931). 1435  Vgl. Kaiser, Wie bei Bwin die Macher der Sportwetten regieren, abrufbar unter: https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article1897700/Wie-bei-Bwin-die-Ma cher-der-Sportwetten-regieren.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1436  Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (845); vgl. BVerfG NJW 1985, 963 (965); Schenke, ZfWG Sonderbeilage 3/4 2015, 170 (177). 1437  Vgl. BVerfG NJW 1985, 963 (963); BVerfG NJW 1961, 2299 (2300); BVerfG NJW 1963, 1243 (1245); BVerfG BeckRS 1971, 31057394.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 375

Es sind daher die Kriterien einer Rechtfertigung einer objektiven Berufswahlregelung heranzuziehen. (2) Legitimer Zweck Der Gesetzgeber müsste mit seiner Regelung einen legitimen Zweck verfolgen. Diesbezüglich sind objektive Berufswahlregelungen im Grundsatz nur zur Abwendung einer nachweislichen oder höchstwahrscheinlichen Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut möglich.1438 Jedoch findet im Rahmen der Thematik des Glücksspiels eine gewisse Abweichung von der vom BVerfG gewählten Dogmatik statt. Im Rahmen seiner Sport­ wettenentscheidung forderte das BVerfG hierzu „tragende Gründe des Gemeinwohls“.1439 Auch im Rahmen seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 zu den Spielhallen forderte das BVerfG zur Rechtfertigung von objektiven Berufszugangsvoraussetzungen „hinreichende Gründe des Gemeinwohls“, wobei diese in diesem Fall „der Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut“ dienen müssen.1440 Im Rahmen der höchstgerichtlichen Entscheidungen zum Internetverbot zog zum einen das Bundesverfassungsgericht „überragend wichtige Gemeinwohlziele“1441 bzw. das Bundesverwaltungsgericht „besonders wichtige Gemeinwohlbelange“1442 heran, wobei die Begrifflichkeiten in diesem Fall wohl als Synonyme gemeint waren, wie der Verweis des BVerwG’s auf die Entscheidung des BVerfG’s zeigt. Im Rahmen seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 wiederum sprach das BVerwG lediglich von „verfassungs[…] rechtlich legitime[n] Gemeinwohlziele[n]“, wobei erneut eine Verweisung auf den Beschluss des BVerfG erfolgte.1443 In Anbetracht dieser wechselnden Begrifflichkeiten scheint es angebracht, schlicht an den gängigen Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeitsprüfung festzuhalten. Die Bestimmung des legitimen Zwecks bildet bereits den ersten Punkt für die später notwendige Güterabwägung im Zusammenhang mit der Prüfung der Angemessenheit. Eine Rechtfertigung einer objektiven Berufswahlregelung und damit einhergehend ein Überwiegen des Interesses an dem 1438  Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 57; BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 99; Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rn. 48; BVerfG NJW 1958, 1035 (1038); BVerfG NJW 1969, 499 (499); BVerfG NJW 1976, 179 (179); BVerfG 1991, 1667 (1668). 1439  BVerfG NJW 2006, 1261. 1440  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1117 Rn. 132). 1441  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1442  BVerwG NVwZ 2011, 1319. 1443  Vgl. BVerwG NVwZ 2018, 895 (898 f.).

376 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Eingriff in das Grundrecht ist nur gegeben, wenn die Regelung zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut notwendig ist.1444 Wie bereits im Bereich der Sportwetten erläutert, handelt es sich nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung bei der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht im Sinne des § 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV um ein „besonders wichtiges Gemeinwohlziel“, das in der Lage ist, eine objektive Berufszulassungssperre zu rechtfertigen.1445 Darüber hinaus erkannte das BVerfG in seiner Sport­ wettenentscheidung den „Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter“, einen darüber hinausgehenden Verbraucherschutz und die „Abwehr von Gefahren aus mit dem Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität“ als legitime Ziele an.1446 Dies wurde später auch dahingehend präzisiert, dass das Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität im Sinne des § 1 GlüStV zu schützen ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel sei, das selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermag.1447 Insbesondere die Verhinderung von Glücksspielsucht und die wirksame Suchtbekämpfung seien besonders wichtige Gemeinwohlziele, da die Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen könne.1448 Das Internetvertriebsverbot mit Blick auf Casinospiele einschließlich Poker wird damit begründet, dass hierdurch eine strenge Begrenzung des Angebots auf die Spielbanken erfolgen soll.1449 Die Nachfrage hinsichtlich Casinospielen soll allein durch die Spielbanken erfüllt werden. Diese seien zahlenmäßig stark limitiert und verfügen über besondere Schutzvorkehrungen.1450 Der Ausschluss des Vertriebswegs Internet wird damit begründet, dass von Casinospielen eine hohe Manipulationsanfälligkeit ausgeht und diese darüber hinaus über ein herausragendes Suchtpotential verfügen, des Weiteren seien diese für die Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche äußerst anfällig.1451 Die hohe Suchtgefahr des Internetglücksspiels habe sich aus gesundheitswissen1444  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038); BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 99; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 12 Rn. 55. 1445  BVerfG, NJW 2006, 1261 (1263); ebenso Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 60. 1446  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1263). 1447  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1448  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340). 1449  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1450  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1451  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 377

schaftlicher Sicht bestätigt, dies gelte vor allem für Casinospiele, aber auch für Sportwetten.1452 Über die Casinospiele hinaus begründet der Gesetzgeber das allgemeine Vertriebsverbot im Internet gem. § 4 IV GlüStV mit den „Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind“, denn „Glücksspiele im Internet haben ein erheblich höheres Gefährdungs­ potential als traditionelle Vertriebskanäle und sind mit ihnen nicht aus­ tauschbar“.1453 Das Verbot der Onlineangebote stützt sich demnach zum einen allgemein auf die Erwägung, dass der Vertriebskanal des Internets andere zusätzliche Gefahren aufweise als die herkömmlichen Vertriebskanäle, weshalb dieser gesondert zu regulieren sei. Darüber hinaus wird das Verbot von Casino und Poker und eine Begrenzung auf Spielbanken mit der Ansicht begründet, dass von diesen Angebotsformaten eine hohe Suchtgefahr ausginge. Hinsichtlich der Bewertung des legitimen Zwecks steht dem Gesetzgeber ein weiter Prognosespielraum zu.1454 Dieser ist vom Gericht nur in begrenztem Umfang überprüfbar.1455 Eine für die verfassungsrechtliche Überprüfung ausschlaggebende Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist nur insoweit gegeben, als „die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können.“1456 Dieser Einschätzungsund Prognosespielraum besteht nicht nur im Hinblick auf die Auswirkungen eines Gesetzes, sondern auch bei der Beurteilung einer Bedrohungslage für das Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz er im konkreten Fall tätig wird.1457 So steht ihm auch bei objektiven Berufszugangsvoraussetzungen dieser Spielraum bezüglich der Einschätzung der Gefahrenlage und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu.1458 Verfassungsrechtliche Grenze dieses Spielraums ist, wenn die vom Gesetzgeber getroffenen Einschätzungen „in einem Maße wirtschaftlichen Gesetzen oder praktischer Erfahrung widersprechen, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können.“1459

1452  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 17. LT-Drs. 16/11995, S. 22. 1454  Dietlein/Hecker/Ruttig, § 4 GlüStV Rn. 21. 1455  BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 137). 1456  BVerfG NJW 2008, 2409 (2412); NJW 2007, 979 (980). 1457  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m. w. N.). 1458  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m. w. N.). 1459  BVerfG NVwZ 2010, 1212 (1216 m. w. N.). 1453  Bay.

378 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Kritischer Punkt ist daher, ob aufgrund der bisherigen (wissenschaftlichen) Erkenntnisse davon ausgegangen werden kann, dass zum einen Online-Casinospiele und Online-Poker eine erhebliche Suchtgefahr mit sich bringen, zum anderen, ob die Vertriebsform des Internets beim Glücksspiel selbst mit einer gesteigerten Gefahr verbunden ist.1460 (a) Suchtgefahr durch Online-Casinospiele bzw. Online-Poker Wie bereits bei den Lotterien, ist zu beachten, dass die Entstehung bzw. die Aufrechterhaltung von Glücksspielsucht häufig auf ein multifaktorielles Erklärungsmodell gestützt wird, wobei hierbei noch keine konsistente und die verschiedenen Faktoren integrierende Theorie vorgelegt wurde.1461 Festhalten lässt sich lediglich, dass in der deutschen Bevölkerung häufiger Männer jüngeren Lebensalters und mit Migrationshintergrund betroffen sind.1462 Auch sollen sog. „dispositionale Faktoren“1463 und „kognitive Faktoren“ hierfür ursächlich sein.1464 Des Weiteren sehen Studien genetische oder ungünstige soziale Einflüsse, z. B. durch die Familie, als Ursache.1465 Ebenso gibt es neurowissenschaftliche Befunde.1466 Viele dieser Einflussfaktoren sind auch im Zusammenhang mit stoffgebundenen Süchten (z. B. Alkoholsucht) gegeben, weshalb eine sog. „Komorbidität“1467 häufig mit Alkoholabhängigkeit oder psychischen Störungen beobachtet wurde; ca. drei von vier Glücksspielabhängigen haben eine derartige Begleiterkrankung.1468 Jedoch liegt die Ursache für Glücksspielsucht nicht allein in der Person des Spielenden, vielmehr haben auch die Veranstaltungsmerkmale Einfluss auf die Entwicklung einer Spielsucht. Diesbezüglich ist zwischen situationellen und strukturellen Merkmalen zu unterscheiden. Erstere sind Merkmale, die den Zugang zum Glücksspiel erleichtern, wohingegen die anderen Merkmale konkrete Eigenschaften des Spielmediums als solche betreffen.1469 1460  So auch Korte, GewArch, 129 (130) mit Verweis auf die Pflicht des Gesetzgebers, die geltend gemachten Gefahren auch nachzuweisen. 1461  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26. 1462  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1463  Als dispositionale Faktoren bezeichnet man sog. veranlagte Faktoren, die ein Individuum seit Geburt vorweist, wobei es hierbei nicht auf die Genetik im Sinne einer Übertragung vom Elternteil auf das Kind ankommt. 1464  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1465  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1466  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1467  Die Anwesenheit von mehr als einer (psychischen) Störung in einer Person in einem bestimmten zeitlichen Rahmen. 1468  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 26 m. w. N. 1469  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 88.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 379

Zum einen wird der Ereignisfrequenz, also der Frage, wie „die Zeiteinheit zwischen Einsatz, Spielausgang und nächster Gelegenheit zum Spielein­ satz“1470 ist, eine suchtfördernde Wirkung attestiert. Je schneller die Spielabfolge stattfindet und je schneller nach dem Verlust auch wieder ein Gewinn folgen kann, führt beim Spieler zu einer niedrigeren Zeitspanne des Verlusterlebens, was dazu führt, dass er Verluste weniger wahrnimmt, Gewinne aber den­noch.1471 Aufgrund der Beurteilung des Gefährdungspotenzials einzelner Glücksspiele entfällt auf Roulette in Spielbanken ein höheres Gefährdungspotenzial als auf alle anderen im Rahmen des GlüStV regulierten Glücksspiele.1472 Gleiches gilt für Online-Poker, dieses wird ebenso dem Cluster 2 zugeordnet und hat demnach ein hohes Gefährdungspotenzial.1473 Die Ansicht des Gesetzgebers, dass von Online-Poker und Online-Casinospielen höhere Suchtgefahren ausgehen als z. B. von Lotterien oder Sportwetten, ist daher von dessen weitem Prognosespielraum mit umfasst. Eine die Verfassungswidrigkeit verursachende Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist nur insoweit gegeben, als „die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können.“1474 Dies ist aber, wie gezeigt, gerade nicht der Fall, vielmehr gehen von OnlineCasinospielen bzw. Online-Poker höhere Suchtgefahren aus als von den restlichen durch den GlüStV geregelten Glücksspielformen. (b) Spezifische Gefahr durch Vertriebsweg Internet Darüber hinaus wird auch dem Vertriebsweg des Internets eine spezifische Gefahr im Gegensatz zu sonstigen Vertriebswegen zugeschrieben. Insbesondere sei im Rahmen des Vertriebswegs Internet bei Casino- und Pokerspielen eine hohe Manipulationsanfälligkeit und ein erhöhtes Sucht­ 1470  Meyer/Bachmann,

Spielsucht, S. 88. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 89. 1472  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98; hier gilt es zu beachten, dass zwar im Cluster 2 ebenso Sportwetten angeführt werden, diese Einschätzung sich aber auf (nicht nach dem GlüStV erlaubnisfähige) Live-Wetten im Internet bezieht; nach dem GlüStV zulässige Sportwetten als Festquotenwetten unterfallen vielmehr dem Cluster 3. Geld- und Glücksspielautomaten hingegen unterfallen der Bundesgesetzgebung im Rahmen der GewO, weshalb es den Landesgesetzgebern nicht möglich ist, zu diesen Glücksspielformen direkt Regelungen aufzustellen. 1473  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 1474  BVerfG NJW 2008, 2409 (2412); NJW 2007, 979 (980). 1471  Vgl.

380 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

potential gegeben1475. Außerdem sei das Onlineangebot für die Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche äußerst anfällig.1476 Ferner verweist die Gesetzesbegründung auf eine Entscheidung des EuGH und dieser folgend einer Entscheidung des BVerwG’s.1477 In der zugrundeliegenden Entscheidung des EuGH führte dieser aus, dass „Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontaktes zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich [bergen], dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden. Zudem kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der für manche der Sportwettbewerbe, auf die er Wetten annimmt, sowie für manche der daran beteiligten Mannschaften als Sponsor auftritt, eine Stellung innehat, die es ihm erlaubt, den Ausgang dieser Wettbewerbe unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und so seine Gewinne zu erhöhen.“1478 Außerdem „können sich die Besonderheiten des Angebots von Glücksspielen im Internet als Quelle von, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, anders gearteten und größeren Gefahren für den Schutz der Verbraucher und insbesondere von Jugendlichen und Personen erweisen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten. Neben dem bereits erwähnten fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter stellen auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und auf Grund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen, die in ständiger Rechtsprechung herausgestellt worden sind, vergrößern können.“1479 Jedoch teilte der EuGH in diesen Entscheidungen lediglich mit, dass derartige Gefahren durch das Internet bestehen können. Eine losgelöste Betrachtung des Vertriebskanals Internet ist aber nur möglich, wenn „die Nutzung des Internets [dazu führt], dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen.“1480 Die Frage, ob die Mitglied1475  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 20. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1477  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 22. 1478  EuGH EuZW 2009, 689 (692). 1479  EuGH EuZW 2011, 674 (679). 1480  EuGH EuZW 2011, 674 (679). 1476  Bay.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 381

staaten daher diesbezüglich eine Beweislast dafür trifft, dass durch den Vertriebskanal Internet die Gefahren der herkömmlichen Vertriebskanäle verstärkt werden,1481 ist aber zu verneinen. Vielmehr geht der EuGH von diesem Befund bereits aus. Den jeweiligen nationalen Gesetzgeber trifft daher keine gesonderte Beweislast. Ob dieser Befund Zustimmung verdient, soll nachfolgend kurz erläutert werden. Besondere Gefahren durch den Vertriebsweg Internet werden immer wieder verneint bzw. diskutiert. (aa) Verfügbarkeit Ein wesentliches situationales Merkmal des Online-Glücksspiels stellt die einfache und bequeme Verfügbarkeit der Angebote dar. Diese sind online meist nur einen Mausklick entfernt, wohingegen im terrestrischen Vertrieb meist längere Fahrzeiten nötig sind, da die Spielbanken meist wenige und weit verstreut sind.1482 Die Ubiquität sowie eine zeitlich grundsätzlich unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots werden als besondere Gefahren des Internetvertriebs gesehen.1483 Ob zwischen dem Faktor Verfügbarkeit und Suchtgefahr ein lineares Verhältnis besteht, ist suchtwissenschaftlich stark umstritten.1484 Ebenso werden eine Sättigungshypothese und eine Adaptionshypothese aufgestellt, mit der dabei vertretenen Folgerung, dass ab einem gewissen Grad der Verfügbarkeit keine Steigerung mehr von problematischem und pathologischem Spielverhalten einhergeht.1485 Jedoch ist im Ergebnis zu berücksichtigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit und Sucht gibt.1486 Wie sich dieser konkret äußert ist wiederum nicht gänzlich klar. Zu beachten ist aber, dass die momentane Verfügbarkeit der Casinospiele streng auf die Spielbanken reglementiert ist, die (legale) Verfügbarkeit also äußerst gering ist. Eine Sättigung ist unter diesem Gesichtspunkt und auch unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass Online-Casinos im Graumarkt boomen1487, im Zweifel noch nicht anzunehmen, weshalb bei einer völligen Öffnung des Vertriebswegs zunächst eine Steigerung der Sucht zu erwarten ist. Auch die Reichert, EuZW 2011, 674 (680). Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (5). 1483  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342); BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 1484  Vgl. hierzu die vielen aufgezeigten, teils widersprechenden Studien bei Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (5) und Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 120 ff. 1485  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 123. 1486  So beschreibt auch eine breit angelegter systematischer Review, dass „die Güte der hier ermittelten Effekte von Verfügbarkeitsreduktionen im mittleren Bereich anzusiedeln“ sind; vgl. Kalke/Hayer, Expertise, S. 28 ff., 162. 1487  Vgl. Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 14, Online-Casinos machen mehr als 50 % des unregulierten Marktes aus. 1481  So

1482  Vgl.

382 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Aussage Schenke’s dahingehend, dass durch den Onlinevertrieb keine höheren Suchtgefahren bestehen, ist zweifelhaft.1488 Diesbezüglich verweist er darauf, dass eine Unterscheidung der Vertriebsformen nicht nötig sei. Jedoch ist zu beachten, dass mittels einer Erweiterung des Vertriebs über Onlineinhalte eine unbegrenzte Steigerung der Verfügbarkeit und damit auch eine Steigerung der Suchtgefahr einhergeht. Die Einschätzung, dass von einer höheren Verfügbarkeit per Internet auch eine höhere Suchtgefahr ausgeht, ist zumindest – und dies wäre für den Gesetzgeber von Verfassung wegen das Ende seines Beurteilungsspielraums – nicht „so offensichtlich fehlsam […], dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben“1489 kann.1490 (bb) Anonymität und Jugendschutz Als weitere Gefahr des Vertriebswegs Internet wird der fehlende unmittelbare Kontakt zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter genannt. Insbesondere ergeben sich diesbezüglich Zweifel im Hinblick auf den Jugendschutz und seine effektive Umsetzung.1491 Dieser Befürchtung wird oft entgegengehalten, dass Glücksspiel im Internet überhaupt nicht anonym erfolgt, sondern dass dieses immer kontenbasiert erfolgt.1492 Da aber zum OnlineGlücksspiel eine Kontoeröffnung beim jeweiligen Anbieter notwendig ist, bieten sich hierbei vorgeschaltet Verifikations- bzw. Registrierungsprozesse an, wie z.  B. per elektronischem Personalausweis, PostIdent-Verfahren, etc.1493 So stellt sich auch im Rahmen der Lotterien online das gleiche Pro­ blem des Jugendschutzes wie bei Online-Casinos. Dieses versuchen die Lotterieanbieter zu lösen, indem sie die Dienstleistung SCHUFA-IdentitätsCheck (Premium) verwenden und anschließend zusätzlich mittels der Dienstleistung SCHUFA-KontonummernCheck plus IBAN nachfolgend einen Abgleich zur Überprüfung der Übereinstimmung der Identität des Kunden mit der Kontoinhaberschaft durchführen.1494 Falls keine Identifizierung möglich ist, erfolgt stattdessen eine persönliche Identifizierung in der LottoAnnahmestelle.1495 Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (27). NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). 1490  So auch im Ergebnis Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 125. 1491  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1341); BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 1492  Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6). 1493  Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6). 1494  Vgl. https://www.lotto-bayern.de/hinweis-bonitaetspruefung?linktype=external #stufe_1, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1495  Vgl. https://www.lotto-bayern.de/hinweis-bonitaetspruefung?linktype=external #stufe_1, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1488  Vgl.

1489  BVerfG



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 383

Mit der Vorschaltung derartiger Prozesse und der Tatsache, dass OnlineGlücksspiel immer kontenbasiert erfolgt, ist der Einwand des Anonymität und des Jugendschutzes im Online-Bereich nicht weiter haltbar. Vielmehr ist im Onlinebereich zu beachten, dass jede Transaktion und jede Aktion nachverfolgbar ist, hingegen ist beim terrestrischen Vertrieb gerade nicht nachvollziehbar, wie oft jemand z. B. eine Spielhalle betritt und wie viel Geld er dort verliert. Insbesondere ist mit Algorithmen im Zweifel sogar besser ein problematisches Spielverhalten erkennbar als in der Spielhalle mit wechselnder Belegschaft. Die Annahme der Anonymität im Internet, besonders in Zeiten, in denen der Datenschutz immer mehr Beachtung findet, ist daher kritisch zu sehen. Ferner verdeutlichen auch die Ergebnisse der BzGA, dass trotz boomendem Onlinesegment die 12-Monatsprävalenz für Jugendliche bei InternetCasinospielen nicht steigt,1496 was zeigt, dass im Rahmen des Vertriebswegs Internet die Gefahr niedriger zu beurteilen zu sein scheint als in anderen legalen Vertriebsformen.1497 (cc) Höherer Abstraktionsgrad Ebenso genannter Kritikpunkt am Onlinevertrieb ist, dass dieser im Vergleich zur Abgabe eines Lottoscheins in der Annahmestelle über einen hö­ heren Abstraktionsgrad verfüge, der geeignet sei, „das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang heraus­zulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes – und möglichen Verlustes – von Geld in den Hintergrund treten zu lassen“.1498 Diese Ansicht wird auch von mehreren Studien untermauert.1499 Wie bei jedem bargeldlosen Zahlungsverkehr ist auch im Rahmen des Glücksspiels ein höherer Abstraktionsgrad im Rahmen des Internets gegeben, weshalb der zwingende bargeldlose Zahlungsverkehr durchaus als spezifische Gefahr des Internets gesehen werden kann.1500

1496  Vgl.

BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 146. ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (26 f.). 1498  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1341); BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1321). 1499  Vgl. Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6) m. w. N. 1500  Vgl. Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (16). 1497  Schenke,

384 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(dd) Fehlende soziale Kontrolle Als weiterer Punkt zur Begründung eines Onlinevertriebsverbots wird das Fehlen einer sozialen Kontrolle im Internet angenommen.1501 Dieser Befund beruht auf der Einschätzung, dass der Spieler im Internet seine Spielteilnahme grundsätzlich von einem privaten Setting, z. B. von zu Hause aus, ausführt, mit der Folge, „dass dies dazu führt, dass exzessives Verhalten und dessen Konsequenzen nicht von Dritten beobachtet werden können und daher auch niemand in der Lage ist, schützend einzuschreiten“.1502 In diesem Zusammenhang wird oft ausgeführt, dass aufgrund der lückenlosen Datensätze im Online-Glücksspiel für die jeweiligen Anbieter jeweils Indikatoren bestehen, durch die Problemspieler erkannt werden können.1503 Insofern ist zuzustimmen, dass diese Aufzeichnung durchaus die Möglichkeit bietet, frühzeitig problematisches Spielverhalten zu erkennen und gegen dieses zu intervenieren.1504 Zu beachten ist aber dennoch, dass es sich hierbei um keine soziale Kon­ trolle handelt. Die Sperre aufgrund eines Algorithmus und daher durch eine Maschine zum Spielerschutz ermöglicht lediglich, bereits problematische Spieler vom Glücksspiel auf der Plattform auszuschließen. Jedoch hindert dies den Spieler – mangels Sperrdatei – nicht daran, auf einem anderen Portal „sein Glück weiter zu versuchen“. Auch die Kommunikation per E-Mail oder Chat hat eine andere Qualität als ein direktes Gespräch mit einem Menschen. Vielmehr zeichnet sich die soziale Kontrolle im herkömmlichen Vertrieb von Glücksspielen dadurch aus, dass exzessives Verhalten und dessen Konsequenzen von Dritten erkannt werden können.1505 Im Gegensatz hierzu braucht der Spieler im Internet keine Stigmatisierung zu befürchten, selbst wenn die Spielschutzmaßnahmen eines einzelnen Anbieters greifen. So hindert dies den Spieler nicht, ohne Stigmatisierung woanders weiterzuspielen, da eine gewisse Distanz besteht. Hingegen ist im herkömmlichen Vertrieb im Rahmen der sozialen Kontrolle und Stigmatisierung gerade der Spieler als Person und nicht – wie im Internet – schlicht dessen Konto betroffen. Die Annahme der fehlenden sozialen Kontrolle ist daher durchaus nicht „so offensichtlich fehlsam […], dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben“1506 kann.1507 1501  Vgl.

EuGH NVwZ 2010, 1422 (1428). Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6) m. w. N. 1503  Vgl. Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (7). 1504  Vgl. Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (7). 1505  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 91. 1506  BVerfG NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). 1502  Vgl.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 385

(ee) Verbraucherschutz und Gefahr des Betrugs durch Anbieter Als weitere Gefahr des Onlinevertriebs und des damit fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter wird gesehen, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden.1508 Insbesondere ein angeblich höheres Betrugsrisiko im Onlinevertrieb wird zu dessen Regulierung herangezogen.1509 Dem wird entgegengehalten, dass Online-Glücksspiele eine hohe Akzeptanz durch Kunden vorweisen, was Indiz für lediglich eine moderate Betrugsgefahr darstellt.1510 Insbesondere sei auch aus dem jeweils alle zwei Jahre erscheinenden Consumer Condition Scoreboard der Europäischen Kommission ersichtlich, dass sich die Probleme in Bezug auf Online-Glücksspiele im Vergleich zu anderen Branchen im Durchschnitt zurückhalten.1511 Jedoch findet sich im aktuellen Scoreboard keinerlei Aussage zu dieser Thematik.1512 Auch das aktuelle Consumer Markets Scoreboard enthält keine Aussage zu Onlineangeboten, sondern klammert diese ausdrücklich aus.1513 Lischer meinte mit ihrer Aussage wahrscheinlich weder das Consumer Condition Scoreboard 2017, noch das Consumer Markets Scoreboard 2018. Lediglich das Consumer Markets Scoreboard 2016 weist Daten zu OnlineGlücksspielen auf. Das in der deutschen Fassung genannte „Barometer zu den Verbrauchermärkten“1514 bewertet verschiedene Märkte nach den Komponenten Vergleichbarkeit, Vertrauen, Erwartungen, Auswahl, Gesamtschaden, Beschwerden und Anbieterwechsel.1515 Diesbezüglich entfallen auf

1507  So ist es Spielern auch „offline“ nicht mehr möglich in anderen Spielbanken zu spielen, sobald diese in die Sperrdatei gem. § 8 II, 23 GlüStV aufgenommen worden, vgl. zur Spielbank § 3b I 1 SpielbankG. Dies ist online hingegen schwieriger umsetzbar, kann der Spieler doch viele Seiten parallel nutzen, ohne dass er in Gesamtheit auffällt. 1508  Vgl. EuGH EuZW 2011, 674 (678); Vgl. hierzu auch die Entscheidungen des EuGH EuZW 2009, 689 (692 Rn. 70) und EuGH, NVwZ 2010, 1422 (1427 f. Rn. 102); Korte, GewArch 2017, 129 (134). 1509  Vgl. hierzu Griffiths, Internet Journal of Criminology 2010, 1. 1510  Vgl. Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6). 1511  Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6). 1512  Vgl. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/consumer-conditions-scoreboard2017-edition_en_0.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1513  Vgl. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/consumer-markets-scoreboard2018_en.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1514  Vgl. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/consumer-markets-scoreboard2018-edition_de.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1515  Barometer, S. 10.

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„Online-Glücksspiel- und Wettdienstleistungen“ im Vergleich weniger Beschwerden als im Durchschnitt.1516 Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Betrug und Kriminalität für die Glücksspielanbieter „deutlich spürbare geschäftsschädigende Auswirkungen“ hätten, weshalb es bereits im Anbieterinteresse läge, derartige Vorwürfe von Anfang an zu verhindern.1517 Ferner sei zu beachten, dass die Anbieter von Online-Glücksspielen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen da­ rauf hinweisen, dass strafrechtliche Konsequenzen bei Geldwäsche drohen und dass außerdem diese eng mit den Behörden zusammenarbeiten.1518 Insbesondere sei Online-Glücksspiel viel weniger anfällig für Geldwäsche als terrestrische Glücksspielanbieter, da durch die kontenbasierte Struktur es den Aufsichtsbehörden möglich ist, jegliche Transaktion zu durchleuchten. „Demnach geben die Möglichkeiten des Internets den Aufsichtsbehörden erstmals Mittel an die Hand, alle Glücksspieltransaktionen und die daran beteiligten Personen lückenlos zu erfassen. Jede Geldbewegung ist technisch nachvollziehbar und zur Kriminalitätsbekämpfung nutzbar.“1519 Zu beachten ist im Rahmen dieser Argumentation aber, wie die besondere Gefahr des Internetvertriebs begründet wird. Die Gefahr wird speziell auf den fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter bezogen. Diese Gefahr besteht unabhängig von den Möglichkeiten einer Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden. Wenn ein Anbieter online seine Dienste in betrügerischer Absicht betreibt und sich hierdurch Zahlungen an sich erschleicht, so ist es nachträglich meist nicht möglich, die Gelder zurückzuerhalten, wie bereits die Erfahrungen im Bereich des Phishing zeigen, in dessen Zusammenhang alle Zahlungen bargeldlos erfolgen. Auch erleichtert der fehlende unmittelbare Kontakt die Manipulation der Gewinnausschüttung. Aufgrund der räumlichen Distanz besteht für den Spieler keine Möglichkeit die Rechtmäßigkeit der Gewinnausschüttung zu überwachen und zu kontrollieren, ob diese nicht intern, z. B. durch eine Änderung der Gewinnwahrscheinlichkeit, geändert wurde. Daher ist die Begründung, dass mit Blick auf das Consumer Markets Scoreboard 2016 keine Betrugs­ gefahren bestehen, sehr zweifelhaft1520, da die Besonderheit des Internets ja gerade ist, dass der Spieler aufgrund der Distanz gerade nicht unmittelbar bemerkt, dass er betrogen wird. 1516  Barometer,

S. 78. Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (7). 1518  Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (7). 1519  Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (7). 1520  So aber Lischer, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 2 (6 f.) und Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (26 f.). 1517  Vgl.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 387

Lediglich im terrestrischen Vertrieb ist beim Roulette und Blackjack wirklich der Zufall entscheidend, welches Ergebnis folgt. Hingegen gibt es beim Online-Vertrieb, insbesondere wenn das Roulette z. B. digital erfolgt, überhaupt keine Gewähr dafür, dass der Zufall (und nicht eine vom Anbieter festgelegte Quote) entscheidet. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme der Begünstigung des Betruges der Verbraucher nicht „so offensichtlich fehlsam […], dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben“1521 kann. (ff) Gefahr der Geldwäsche Einer der in der Gesetzesbegründung genannten Gründe für ein Onlinevertriebsverbot für Casinospiele stellt die angebliche Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche dar.1522 Dass bei Glücksspielen ein Geldwäscherisiko besteht, ist nicht abzustreiten. Entscheidende Frage ist vielmehr, ob beim Vertriebsweg Internet eine höheres Geldwäscherisiko besteht als beim herkömmlichen Vertrieb.1523 Dies ist auf den ersten Blick zweifelhaft, insbesondere ist im Onlinesegment zu beachten, dass die Summen über digitale Kanäle laufen, die auch jederzeit abgerufen und untersucht werden können. Auch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass bereits für das Glücksspiel im Internet im Rahmen des Geldwäschegesetzes Sonderregelungen gem. § 16 GwG gelten. Insbesondere argumentiert Schenke, dass aus der Gesetzesbegründung des GwG nicht ersichtlich sei, dass vom Medium Internet besondere Gefahren ausgingen.1524 Es ist aber gerade nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber keine besonderen Gefahren gesehen haben sollte, wenn er ausdrücklich für das Medium Internet im Geldwäschegesetz Sonderregelungen schafft. Dies zeigt vielmehr, dass er gerade besondere Gefahren sah. Das entspricht auch gerade den Aussagen des Bundesministeriums für Finanzen zusammen mit den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder1525 und der bis Juni 2017 beim Bundeskriminalamt angesiedelten FIU (Financial Intelligence Unit).1526 Insbesondere besteht die Gefahr der Geldwäsche dann, 1521  BVerfG

NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1523  Ebenso Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (27). 1524  Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (27). 1525  Vgl. http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/The men/Internationales_Finanzmarkt/2014-07-30-online-gluecksspiel-anlage.pdf?__blob =publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1526  BKA, Jahresbericht FIU 2015, S. 24. 1522  Vgl.

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wenn „Direktzahlungen zwischen Spielern möglich sind oder Barzahlungen sowie Zahlungsmittel in Form von elektronischem Geld, aufladbaren Geldkarten sowie Mobiltelefonen mit Zahlungsfunktion verwendet werden“ können.1527 Auch im Hinblick auf die Gefahr der Geldwäsche und der Möglichkeit zur Nutzung von Online-Bezahldiensten im Rahmen des Glücksspiels, wobei hier auch größere Summen gewaschen werden können, ist die Annahme einer Geldwäschegefahr durch das Vertriebsmittel Internet nicht „so offensichtlich fehlsam […], dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben“1528 kann. (gg) Ergebnis Die in der Rechtsprechung aufgezählten Gründe für eine besondere Regulierung des Onlinevertriebs sind von dessen Beurteilungsspielraum gedeckt, weshalb legitime Zwecke vorliegen. (3) Geeignetheit Das Internetvertriebsverbot müsste auch dazu geeignet sein, die von ihm verfolgten Ziele zu erreichen. Die vom Gesetzgeber erlassenen Regelungen müssen zur Erfüllung der Geeignetheit zumindest die Erreichung der von den Gesetzgebern verfolgten legitimen Gemeinwohlziele zumindest fördern.1529 „Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt.“1530 Dem Gesetzgeber steht bei dieser Entscheidung ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu, weshalb es vornehmlich seine Sache ist, „unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will“.1531 Auch ist der Gesetzgeber durch seine bisher praktischen Erfahrungen in einem Bereich gebunden.1532 Die Geeignetheit des Vertriebsverbots mit Erlaubnisvorbehalt gem. §§ 4 IV, V GlüStV wird im Rahmen der Rechtsprechung bejaht. „Das von den Ländern gewählte Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Kanali1527  Herzog/Achtelik,

§ 16 GwG Rn. 2 m. w. N. NJW 2008, 2409 (2412); BVerfG NJW 2007, 979 (980). 1529  BVerfG NVwZ 2017, 1111. 1530  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1531  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); NVwZ 2017, 1111 (1119). 1532  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 61. 1528  BVerfG



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 389

sierung herbeiführen, die das Angebot an Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs fördert. Die zuständigen Landesbehörden werden durch das Erlaubniserteilungsverfahren in die Lage versetzt, unmittelbar Einfluss auf die Zahl und die Personen der auf dem Glücksspielmarkt tätigen Veranstalter und Vermittler zu nehmen […]. Im Übrigen ist das modifizierte Internetverbot weiterhin geeignet, die Zwecke des Glücksspielstaatsvertrags zu erreichen, indem es den Spieler zwingt, die ihm unterfallenden Glücksspielangebote real aufzusuchen und so die spielsuchtfördernde häus­liche Online-Spielvariante zu vermeiden.“1533 Auch in der Rechtsprechung zu § 4 IV GlüStV 2008 wurde die Geeignetheit des Internetvertriebsverbots bejaht.1534 Es ist aber bereits zweifelhaft, ob das Onlinevertriebsverbot mit Erlaubnisvorbehalt überhaupt zu einer Kanalisierung geeignet ist. Vergleichbar mit den Sportwetten erfolgt auch der Großteil der Casinoangebote online im Graubzw. Schwarzmarkt. So beläuft sich der Anteil der Bruttospielerträge im ­regulierten Markt der Casinospiele auf 607 Mio. Euro1535, wohingegen sich die Bruttospielerträge von Online-Casinos auf 1760 Mio. Euro belaufen.1536 Übertragen auf den Gesamtmarkt „Casinospiele“ bedeutet dies, dass rund 75 % der Bruttospielerträge im unregulierten Markt erfolgen. Im Jahr 2018 war das Bild ähnlich, hier beliefen sich die Erträge von illegalen OnlineCasinos auf 59,5 % der Casinobruttospielerträge.1537 Im Gegensatz zum Bereich der Sportwetten erfolgt aber im Bereich der Casinos gerade keine ­Öffnung des Vertriebswegs Internet, vielmehr ist Ziel des Gesetzgebers, die Spieler auf Basis des Onlinevertriebs in den stationären Vertrieb zu kanalisieren. Dieses Ziel verfolgte der Gesetzgeber aber bereits im GlüStV 2008 mit der vollständigen Schließung des Vertriebswegs Internet.1538 Jedoch führte dies nicht zur erhofften Kanalisierung, sondern sorgte erst dafür, dass sich Deutschland in diesen Jahren zu einem der wichtigsten Online-Poker und Online-Casinomärkte entwickelte.1539 Wie bereits erwähnt, steht dem Gesetzgeber zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, dieser ist aber an seine bisher praktischen Erfahrungen in einem Bereich gebunden.1540 Im Bereich 1533  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (899). NVwZ 2008. 1338 (1342); NVwZ 2011, 1319 (1321). 1535  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 1536  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 1537  Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6, 12, wobei der Umsatzrückgang noch nicht für eine Trendwende spricht, sondern es sich hierbei um eine stetige Entwicklung handelt. Darüber hinaus ist das steigende OnlineCasinoangebot in Schleswig-Holstein nicht unter dem Schwarzmarkt einzuordnen. 1538  Vgl. LT Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 29. 1539  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 131. 1540  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 61. 1534  BVerfG

390 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

der Online-Casinos und Online-Pokerangebote hat der Gesetzgeber seit nun mehr als 10 Jahren die Erfahrung gemacht, dass das von ihm herangezogene Totalverbot mangels Befreiungsvorbehalt kaum Wirkung zeigt, die gewünschte Kanalisierung bleibt gerade aus. Die pauschale Aussage, dass „[d]as von den Ländern gewählte Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt […] eine Kanalisierung herbeiführen [kann], die das Angebot an Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs fördert“1541, ist daher bereits mit Blick auf die praktischen Erfahrungen des Gesetzgebers äußerst zweifelhaft. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass das Verbot von Online-Casinos nicht dazu führt, dass die Spieler auf andere Online-Angebote ausweichen bzw. in die terrestrischen Spielbanken gehen, sondern dass diese dann nach Angeboten im unregulierten Markt suchen und diese nutzen.1542 Dass diese Ausweichmöglichkeit besteht, intendiert ein gravierendes Vollzugsdefizit des Internettotalverbots für Online-Casinos. Jedoch ist zu beachten, dass bloße Vollzugsdefizite nicht genügen, um die Eignung einer Regelung zu verneinen. Bereits im Rahmen der Sportwettenentscheidung bestand das Problem, dass neben dem Monopol auch Sportwetten über das Internet möglich waren. Die Eignung entfällt nicht bereits deshalb, weil die jeweilige Regelung nur beschränkt durchsetzbar ist, da es nicht möglich sein wird, alle illegalen Formen des Glücksspiels zu unterbinden.1543 „Aus der technischen und ökonomischen Entwicklung folgende Vollzugshindernisse machen jedoch eine prinzipiell geeignete Organisation staatlicher Gemeinwohlverfolgung auf nationaler Ebene nicht ungeeignet.“1544 Die Ungeeignetheit einer Regelung darf daher nicht nur auf Vollzugsmängeln beruhen, sondern muss darüber hinaus aus strukturellen Defiziten herrühren.1545 Im Gegensatz zu den Sportwetten ist zwar zu beachten, dass der Graumarkt nicht derart gravierend ist, aber auch eine immense Quote von fast 75 % erreicht hat. Insbesondere begründet das BVerwG in seiner Entscheidung die Geeignetheit des Internetvertriebsverbots damit, „da es den Spieler zwingt, die ihm unterfallenden Glücksspielangebote real aufzusuchen und so die spielsuchtfördernde häusliche Online-Spielvariante zu vermeiden.“1546 Die Geeignetheit wird also damit begründet, dass die reale Aufsuchung von Spielbanken und Spielhallen weniger Suchtgefahren birgt als das OnlineCasino.

1541  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (899). Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (843). 1543  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1544  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1545  Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 61. 1546  BVerwG NVwZ 2018, 895 (899). 1542  Vgl.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 391

Dies ist aber gerade nicht der Fall. Geld- und Glücksspielautomaten weisen gerade das größte Gefährdungspotenzial auf, hingegen wird Poker im Internet z. B. mit einem geringeren Gefährdungspotenzial bewertet.1547 Selbst wenn man nach dem Schema von Meyer/Bachmann hinsichtlich des Roulettes in Spielbanken im Rahmen der Berechnung des Gefährdungspotenzials das Setting des Spielers daheim im Rahmen des Online-Glücksspiels hinzurechnet, so ergibt sich diesbezüglich lediglich eine Steigerung der Punktzahl um maximal 4,55 Punkte (3,5 x 1,3)1548, was dann Roulette im Internet auf eine Stufe mit Poker im Internet stellt, jedoch bei weitem noch nicht für die Einordnung in den Cluster 1 genügt. Diese Erwägung deckt sich auch mit den Zahlen der Patienten, die wegen eines bestimmten Glücksspiels in stationärer Behandlung sind.1549 Diese Gefährdungseinschätzung widerspricht aber dem vom Gesetzgeber vorgenommenen Kanalisierungsgedanken. Dieser will damit bezwecken, Spieler von suchtgefährdenden Spielen auf weniger suchtgefährliche zu lenken. Genau das Gegenteil ist aber gerade der Fall. Denn indem Spieler vom OnlineSetting in Spielhallen und Spielbanken gelenkt werden, werden diese erst mit den mit dem höchsten Gefährdungspotenzial versehenen Automatenspielen konfrontiert. Darüber hinaus ist immer zu beachten, dass auch hierdurch erst der Kontakt mit Spielsüchtigen sowie deren Spielverhalten erfolgen kann. Auch die Annahme einer Verlagerung der Nachfrage auf andere Glücksspielsektoren, die online angeboten werden, ist wenig plausibel. Bereits der jeweilige Kunde des Online-Casinomarktes ist nicht der gleiche Kunde wie der der Sportwetten. Darüber hinaus ist auch ein Vergleich der verschiedenen Glücksspiele schwierig bzw. nicht möglich, da bereits die Motive zur Teilnahme am Glücksspiel äußerst unterschiedlich sind. Die Spieler von Sportwetten setzen hauptsächlich auf Sportwetten, da sie auf ihr Wissen über Spielerqualitäten, Tagesformen und so weiter vertrauen.1550 Sie nehmen vielmehr an, dass es sich um ein Geschicklichkeitsspiel als um ein Glücksspiel handelt.1551 Auch ist kein Vergleich der reinen Glücksspiele in Casinos Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. hierzu Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 96. 1549  Vgl. hierzu den Evaluierungsbericht des Landes Hessen zum Glücksspielstaatsvertrag, S. 38, abrufbar unter: https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/ evaluierungsbericht_des_landes_hessen_zum_gluecksspielstaatsvertrag.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1550  Dies war bereits damals im Rahmen des GlüStV 2008 bekannt, vgl. Meyer/ Hayer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, S. 161; Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (842). 1551  Meyer/Hayer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, S.  161 f.; Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (842). 1547  Vgl. 1548  Vgl.

392 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

mit Lotterien möglich, da es sich um klar abgegrenzte Märkte handelt, zwischen denen eine Kanalisierung schwer möglich ist.1552 Dennoch ist zu beachten, dass im verfassungsrechtlichen Maßstab der Geeignetheitsprüfung bereits genügt, wenn der Eingriff die Erreichung der von den Gesetzgebern verfolgten legitimen Gemeinwohlziele jedenfalls fördert.1553 Es kommt gerade darauf an, dass das Ziel gefördert wird, „die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt“.1554 Es muss demnach allein die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt.1555 Das eingesetzte Mittel muss gerade nicht das bestmögliche oder geeignetste sein.1556 Diese Vorgabe hat der Gesetzgeber trotz der vorgebrachten Zweifel an der Geeignetheit aber erfüllt. Zwar erfolgt durch das partielle Internetvertriebsverbot hauptsächlich eine Verdrängung der Nachfrage in den Graumarkt, dennoch ist hierdurch aber auch eine „Verknappung“ des Angebots gegeben, da (zumindest) den deutschen Spielbanken hierdurch kein Vertrieb ihrer ­Angebote im Internet möglich ist. Darüber hinaus ist insoweit eine Förderung der Eindämmung der Spielsucht zu bejahen, soweit es Spieler, die sich rechts­treu verhalten wollen oder die nicht bei ausländischen Anbietern mangels Schutzes durch die deutsche Rechtsordnung spielen wollen, von derartigen Casinoangeboten abhält.1557 Bereits durch den Ausschluss dieser – wenn auch kleinen Gruppe – von Spielern von Internetangeboten ist die Förderung der Eindämmung der Spielsucht zu bejahen. Durch das partiellen Verbot wird gerade die Wahrscheinlichkeit erhöht bzw. gefördert, die Spielsucht einzudämmen. In welchem Umfang sich diese Wahrscheinlichkeit erhöht ist dagegen irrelevant.1558 Auch ist wissenschaftlich ein Effekt der Verfügbarkeits­ reduktion – unter Vorbehalten – anerkannt.1559 Die Geeignetheit ist daher trotz der berechtigten Einwände aus verfassungsrechtlicher Sicht zu bejahen.

1552  Kubiciel,

NVwZ 2018, 841 (842). NVwZ 2017, 1111. 1554  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); vgl. hierzu BVerfG NJW 1985, 121 (123); BVerfG NVwZ 1997, 1109 (1111); BVerfG NZA 2001, 777 (779). 1555  Vgl. BVerfG NJW 1971, 1255 (1257); BVerfG NJW 1972, 1509 (1511); BVerfG NVwZ 1997, 1109 (1111); Maunz/Dürig/Grzeszick Art. 20 GG VII. Rn. 112, wobei es genügt, dass bereits der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. 1556  Jarass, Art.  20 Rn.  118 m. w. N. 1557  Schenke, ZfWG Sonderbeilage 3/4/2015. 170 (178). 1558  Ebenso Schenke, ZfWG Sonderbeilage 3/4/2015. 170 (178). 1559  Vgl. Kalke/Hayer, Expertise, S. 32. 1553  BVerfG



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 393

(4) Erforderlichkeit Jedoch müsste das partielle Onlinevertriebsverbot als solches erforderlich sein. Die Erforderlichkeit ist zu verneinen, wenn es ein milderes, gleich effektives Mittel zur Zielerreichung gäbe.1560 Diesbezüglich verfügt der Gesetzgeber ebenfalls über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum.1561 Die verfassungsrechtliche Grenze dieses Spielraums ist insoweit gegeben, als nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten.1562 Mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Drei-Stufen-Theorie ist die Erforderlichkeit immer dann zu verneinen, wenn eine Regelung auf einer weniger einschneidenden Stufe ebenso geeignet wäre wie die einer höheren. Oder mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Der Gesetzgeber muß Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 jeweils auf der ‚Stufe‘ vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt, und darf die nächste ‚Stufe‘ erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln, der vorausgehenden Stufe nicht wirksam bekämpft werden können.“1563 Hinsichtlich des ursprünglich im Sportwettenbereich geltenden staatlichen Wettmonopols (als die schwerwiegendste objektive Berufswahlregelung) hat das BVerfG zunächst eine Erforderlichkeit von diesem bejaht.1564 Zwar sah der Senat als weniger einschneidende Maßnahme zur Gewährung des Verbraucher- und Jugendschutzes sowie zur Vermeidung von Folge- und Begleitkriminalität die Möglichkeit einer Normierung entsprechender recht­ licher Anforderungen an private Anbieter, deren Einhaltung wiederum durch Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrolle mit den Mitteln der Wirtschaftsaufsicht sichergestellt werden könnte.1565 Der Senat sah diese Einschätzung mit Blick auf die hohen Suchtgefahren als noch vom Ermessenspielraum gedeckt an, dass ein „mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Wettmonopols mit staatlich verantwortetem Wettangebot effektiver“ die hiervon ausgehenden 1560  BVerfG

NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264). NVwZ 2017, 1111 (1120); NJW 2006, 1261 (1264). 1562  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342); BVerfG NJW 1969, 499 (500); NJW 1976, 179 (180 f.); NJW 2006, 1261 (1264). 1563  BVerfG NJW 1958, 1035 (1038). 1564  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); vgl. auch BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1338 f.). 1565  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264). 1561  BVerfG

394 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Gefahren beherrschen könne, als dies im Wege einer Kontrolle privater Wettunternehmen möglich wäre.1566 Im Hinblick auf das partielle Onlinevertriebsverbot bejahte das BVerwG die Erforderlichkeit mit dem einfachen Satz: „Das Verbot ist auch erforderlich, die damit verfolgten legitimen Zwecke zu erreichen. Gleich geeignete mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dass die Länder von der Möglichkeit, den gesamten Glücksspielmarkt im Internet zu legalisieren, unter Verweis auf die hohe Manipulationsanfälligkeit von Casinospielen und Poker, deren herausragendes Suchtpotenzial sowie ihre Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche abgesehen haben, erscheint nicht als offensichtlich fehlsam.“1567 Dem ist insoweit zuzustimmen, dass eine komplette Öffnung ohne vorhergehende Überprüfung und einer immensen Steigerung des Angebots nicht gleich geeignet zur Eindämmung der Suchtgefahren ist, vielmehr ist mit einer Steigerung zu rechnen. Jedoch besteht der Fehler des BVerwG darin, dass er ausschließlich als Alternative die voraussetzungslose Legalisierung heranzieht.1568 In einer vorhergehenden Entscheidung des BVerfG zum damals geltenden vollständigen Onlinevertriebsverbot in § 4 IV GlüStV 2008 bejahte dieses ebenfalls die Erforderlichkeit mit dem Hinweis, dass „keine alternativen Maßnahmen in Betracht kämen, um den spezifischen Gefährdungen des Glücksspiels bei der Nutzung dieses Mediums wirksam zu begegnen.“ Insbesondere die Verfügbarkeit rund um die Uhr und von zuhause aus führen zu einem Effekt der Gewöhnung und Verharmlosung.1569 Diese Gefahren seien bereits „systemimmanent“ und daher auch nicht durch Beschränkungen oder Auflagen ausgleichbar, ebenso sei der Jugendschutz nicht anderweitig zu gewährleisten.1570 Ebenso eine Möglichkeit wäre, vergleichbar den Sportwetten, ein Konzessionssystem im Sinne einer subjektiven Berufszulassungsregelung, die den Markt für Online-Casinos und Online-Poker öffnet. Insbesondere eine Öffnung dahingehend, dass § 4 V GlüStV ebenso auf Online-Casino und Pokerangebote erweitert wird, stellt eine diskutable Alternative dar.1571 Diesbezüglich ist aber folgendes zu beachten: Prüfungsmaßstab im Rahmen der Erforderlichkeit im verfassungsrechtlichen Sinne ist lediglich, ob es 1566  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1264). NVwZ 2018, 895 (899). 1568  Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (843). 1569  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1570  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1571  Vgl. Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (843). 1567  BVerwG



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 395

ein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt. Der Staat hat aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also das die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel, zu wählen.1572 Im Hinblick auf den Onlinevertrieb bleiben dem Gesetzgeber aber lediglich zwei Alternativen. Entweder er lässt den Onlinevertrieb für alle Marktteilnehmer geschlossen oder eröffnet diesen für alle Marktteilnehmer. Bei einer Öffnung dahingehend, dass nur den staatlich lizensierten Spielbanken der Onlinevertrieb gestattet werden würde, würde der Gesetzgeber eine neue Front, vergleichbar der Problematik bei den Lotterien oder Sportwetten, öffnen. Hingegen ist bei einer Öffnung dahingehend, dass auch private Marktteilnehmer ihr Angebot online vertreiben dürfen, zu beachten, dass bereits die Erfahrung aus dem zahlenmäßig begrenzten Sportwettenkonzes­ sionssystem verdeutlicht hat, dass eine zahlenmäßige Begrenzung von Marktteilnehmern und ein daher vorgeschaltetes Auswahlverfahren aufgrund praktischer Probleme bei der Vergabe und ebenso praktischen Problemen bei der Durchsetzung nicht den gewünschten Effekt bringen kann. Die einzige Alternative wäre daher die zahlenmäßig unbegrenzte Öffnung der Möglichkeit des Onlinevertriebs im Rahmen eines Erlaubnismodells im Sinne des § 4 V GlüStV bzw. eines dem Sportwetten vergleichbaren unbeschränkten Konzessionsmodells.1573 Hierdurch entsteht zwar einerseits eine vorgeschaltete staatliche Kontrolle über die jeweiligen Onlineanbieter, da diese zunächst ein Erlaubnisverfahren durchlaufen müssen, andererseits ist mit zahlenmäßig unbegrenzter Öffnung auch eine Steigerung der Verfügbarkeit verbunden, sowohl hinsichtlich der Anbietervielfalt als auch hinsichtlich des geringeren Aufwands für den Bezug des jeweiligen Glücksspiels. Auch droht im Rahmen einer zahlenmäßig unbegrenzten Öffnung immer ein Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern, der Wettbewerb würde dann schlicht nach Marktkriterien stattfinden und nicht anhand der Kriterien des Spielerschutzes.1574 In diesem Zusammenhang ist auch weiterhin die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zu beachten, „Maßnahmen, die der Gesetzgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Abwehr der Gefahren, die mit dem Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen verbunden sind, für erforderlich hält, [können] verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, 1572  Maunz/Dürig/Grzeszick

Art. 20 GG VII. Rn. 112. Schenke, ZfWG Sonderbeilage 3/4/2015, 170 (178). 1574  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 155 f. hinsichtlich der Thematik der zahlenmäßig beschränkten Konzessionsvergabe. 1573  So

396 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

die Betroffenen indessen weniger belasten.“1575 Unter diesem Gesichtspunkt ist aber nicht empirisch belegt, dass eine Öffnung des Vertriebskanals Internet in einer Form des § 4 V GlüStV ohne zahlenmäßige Begrenzung genauso geeignet ist, die Suchtgefahren einzudämmen, wie eine partielle Teilöffnung unter Ausschluss von Online-Casino und Online-Poker. Der Effekt einer zahlenmäßig unbeschränkten Konzessionierung ist ungewiss, vielmehr ist der Schluss nicht von vornherein abwegig, dass eine unbeschränkte Öffnung der Vertriebsform des Internets auf längere Sicht zu einer erheblichen Vermehrung der Angebote führen könnte, mit der Folge, dass auch die Suchtgefahr ansteigt.1576 Ferner ist zu beachten, dass durch eine Öffnung des Internets nicht nur die bisher bestehenden Spielbanken ihr Angebot insoweit erweitern können, dass jeder von zu Hause aus an den Glücksspielen teilnehmen kann. Vielmehr wird hierdurch auch Anbietern neben den Spielbanken ermöglicht, ihr Angebot auf deutsche Spieler (legal) auszuweiten, was im Ergebnis dazu führt, dass die bisher aufgrund der Illegalität Abgeschreckten nun zu Spielern werden. Wie bereits kurz angesprochen, wird suchtwissenschaftlich durchaus vertreten, dass eine höhere Verfügbarkeit und ein höheres Angebot auch mit einer höheren Suchtgefahr korrelieren1577, weshalb zumindest die Ansicht des Gesetzgebers, dass ein unbegrenztes, staatlich kontrolliertes Angebot weniger die Suchtgefahr eingrenzt als gar kein (legales) Angebot im Internet, nicht von vornherein abwegig ist. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Erforderlichkeit gerade zu bejahen, denn es ist auf Basis der bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar, dass die Einführung eines Konzessionssystems die gleiche Wirksamkeit verspricht, wie das bisherige partielle Internetvertriebsverbot. Jedoch ist in diese Beurteilung auch mit einzubeziehen, dass der Großteil des Marktes auf dem Graumarkt operiert, auf dem die Vorgaben des GlüStV gerade nicht eingehalten werden müssen. Wie alle Vorgaben des GlüStV, verfolgt auch §§ 4 IV, V GlüStV im Kern die Ziele des § 1 GlüStV. Daher ist die Frage der gleich geeigneten, milderen Mittel immer in Bezug auf die Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV zu sehen. Wenn man in diese Beurteilung mit einbezieht, dass gerade die unregulierten Marktteilnehmer sich nicht an die unter der Prämisse des § 1 GlüStV geregelten Vorgabe halten, ist durchaus der Aspekt denkbar, dass die Teilnehmer, denen man einen regulier1575  BVerfG NJW 2006, 1261 (1264); NVwZ 2008, 1338 (1342); NJW 1969, 499 (500); NJW 1976, 179 (180 f.); NJW 2006, 1261 (1264). 1576  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 19; zustimmend BayVerfGH NJOZ 2015, 1970 (1974 f.). 1577  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 89 f.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 397

ten Marktzugang ermöglicht, sich an diese Regelungen halten, was wiederum den Zielen des § 1 GlüStV näher kommt.1578 Eine derartige Erfahrung könnte sich wiederum aus dem Sonderweg Schleswig-Holsteins ergeben, bei dem es Online-Casinos möglich war, Lizenzen für Online-Glücksspiele in Schleswig-Holstein zu erhalten.1579 Nach Auffassung von Schleswig-Holstein gibt es keine Anzeichen dafür, dass die dem Regulierungskonzept der Kanalisierung folgende Kanalisierungswirkung bei der Zulassung legaler Angebote im Bereich Online-Casino nicht greifen sollte.1580 Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass aufgrund der kurzen Geltungsdauer des Glücksspielgesetzes in Schleswig-Holstein keine abschließende wissenschaftliche Bewertung von diesem vorliegt.1581 Aus Sicht des Landes Schleswig-Holstein ergebe sich aber aus den dort gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen, „dass eine Überwachung genehmigter Anbieter in den Bereichen Online-Casinospiele und Poker als auch Sportwetten durch eine Glücksspielaufsichtsbehörde möglich ist.“1582 Zu beachten ist aber in diesem Zusammenhang, dass trotz Auslaufen der Lizenzen die Anbieter nicht etwa – wie sie gesetzlich verpflichtet gewesen wären – ihr Angebot vorerst in Schleswig-Holstein eingestellt haben, sondern dieses schlicht weiterlaufen ließen, was in praktischer Hinsicht Zweifel aufwirft, ob die Öffnung für private Anbieter überhaupt gleich effektiv ist, da diese, sobald eine Begrenzung ihrer Tätigkeit kommt, offensichtlich sich dem versperren.1583 In der Zwischenzeit hat aber Schleswig-Holstein eine Weitergeltung der Genehmigungen beschlossen: In seinem Gesetz zur Übergangsregelung für Online-Casinospiele normierte der schleswig-holsteinische Landtag, dass „[b]ereits erteilte Genehmigungen für die Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Casinospielen […] für eine Übergangsphase bis zur Erteilung einer sonstigen Erlaubnis auf Grundlage deutschen Rechts mit ­Geltung für Schleswig-Holstein, längstens bis zum 30. Juni 2021, nach Maßgabe der in der Genehmigung enthaltenen Regelungen weiterhin als erteilt [gelten]. § 4 Absatz 4 Glücksspielstaatsvertrag findet insoweit keine Anwen­ diese Richtung Schenke, ZfWG Sonderbeilage 3/4/2015. 170 (179). Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 135. 1580  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 32 Fn. 61. 1581  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 33. 1582  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 33. 1583  Vgl. Weichert, Grauzone Online-Glücksspiel: Schleswig-Holstein will Lizenz verlängern, abrufbar unter: https://www.stern.de/politik/deutschland/grauzone-onlinecasinos--schleswig-holstein-will-lizenz-verlaengern--8621986.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1578  In

1579  Vgl.

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dung.“1584 Zumindest aber fehlt es den Gesetzgebern diesbezüglich an genügend empirischen Befunden1585, weshalb die Erfahrungen Schleswig-Holsteins zumindest nicht als bekannte Tatsachen geeignet sind, die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers einzuschränken. Aufgrund aller vorgetragenen Erwägungen ist die Beurteilung des Gesetzgebers dahingehend, dass es statt eines partiellen Onlinevertriebsformats kein milderes, gleich effektives Mittel zur Zielerreichung gäbe, von Verfassung wegen (noch) zu akzeptieren. (5) Angemessenheit, u. a. konsequente Zielverfolgung Als letzten Prüfungspunkt des Verhältnismäßigkeitsgebots müsste der Eingriff auch angemessen sein. Im Gegensatz zu den vorher „sektorbezogenen“ Prüfungen erfolgte bisher keine Prüfung des BVerfG im Hinblick auf eine Konsistenz der Regelungen zum Onlinevertrieb. Vielmehr setzte das BVerfG lediglich voraus, dass in einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit, der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist.1586 Bereits im Rahmen der Entscheidung des BVerfG wurde gesehen, dass die Regelung des § 4 IV GlüStV 2008 eine schwerwiegende Beschränkung der unternehmerischen Freiheit des Grundrechtsträgers darstellt, da mangels Vertriebsalternativen zumeist eine Einstellung des Geschäftsbetriebs von Nöten sein wird.1587 Von der Angemessenheit der Regelung kann daher nur ausgegangen werden, „wenn dem mit ihrer Hilfe erreichten Rechtsgüterschutz ein entsprechend hoher Stellenwert beizulegen ist.“1588 Diesen hohen Stellenwert nimmt aber die Spielsuchtbegrenzung ein, da „die Besonderheiten des Glücksspiels per Internet, namentlich dessen Bequemlichkeit und Abstraktheit, problematisches Spielverhalten in entscheidender Weise begünstigen.“1589 Dieser Auffassung folgte auch das BVerwG in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011.1590 Jedoch ist der Erst-Recht-Schluss des BVerwG in seiner Entscheidung 2018 mit der Begründung, „[wenn] schon das generelle Internetverbot angemessen war, gilt dies erst recht für ein Internetverbot, von dem 1584  www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/01300/drucksache-19-01343.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1585  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 33 f. 1586  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1587  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1588  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1589  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1590  BVerwG NVwZ 2011, 1319 (1322).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 399

für bestimmte Fallgruppen im Erlaubniswege Ausnahmen gemacht werden können“,1591 verfehlt. Das BVerwG macht sich diesbezüglich die Ansicht des BVerfG aus dem Jahr 2008 zu eigen. Jedoch ist der jeweilige Wandel bis dahin ebenso zu berücksichtigen. Zum einen erfolgte seit 2008 eine stetige Ausweitung des Schwarz- bzw. Graumarkts im Bereich des Online-Glücksspiels, der nun bei Casinospielen zu einem Marktanteil von 75 % der Online-Casinos führte. Es erfolgte demnach gerade nicht eine Kanalisierung in den legalen Markt, sondern eine Ausweichbewegung der Spieler in den Graumarkt.1592 Zum anderen änderte sich auch die Regulierungssituation. Der Gesetzgeber hat den Onlinevertrieb sowohl hinsichtlich der Vermittlung und des Eigenvertriebs von Lotterien als auch hinsichtlich der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Rahmen des § 4 V GlüStV ermöglicht. Eine Einbeziehung dieser Umstände durch das BVerwG erfolgte aber gerade nicht.1593 Der momentane tatsächliche Befund lautet daher, dass einerseits durch das Onlinevertriebsverbot kaum eine Förderung der Ziele des § 1 GlüStV erfolgt. Vielmehr erfolgt eine Lenkung des Spieltriebs in den Grau- und Schwarzmarkt, da eine Nachfrage nach Online-Casinospielen besteht, die vom legalen, regulierten Markt nicht gedeckt werden kann, da ihm dies rechtlich nicht zusteht. § 4 IV GlüStV entfaltet demnach praktisch einen kaum wahrnehmbaren Nutzen. Auf der anderen Seite steht, wie schon das BVerfG richtig bewertete, eine schwerwiegende Beschränkung der unternehmerischen Freiheit des Grundrechtsträgers.1594 Der durch das Totalverbot einhergehende Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position ist demnach gravierend, wohingegen der Nutzen unter dem Aspekt einer Spielsuchteindämmung als gering einzustufen ist, da die Nachfrage aufgrund von Vollzugsdefiziten im durch Deutschland nicht regulierten Graumarkt erfolgen kann. Darüber hinaus ist diesbezüglich auch zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Öffnung des Onlinevertriebs für Sportwetten und Lotterien eine Neubewertung dieses Aspekts vorgenommen hat. Wie bereits im Bereich der Sportwetten angesprochen, hat eine Lockerung der Vertriebsregelungen aber nicht zur Folge, dass das Interesse des Grundrechtsträgers aufgewertet 1591  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (899). auch mahnend Ukrow, ZfWG 2019, 223 (227). 1593  Ebenso Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (844). 1594  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1592  So

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wird.1595 Dieses bleibt immer gleich „stark“. Einzige Frage ist hierbei, wie man die zur Einschränkung der Grundrechte herangezogenen Interessen des Gesetzgebers bewertet. Diesbezüglich hat das BVerfG durch seine Drei-Stufen-Theorie bereits insoweit eine Vorentscheidung dahingehend getroffen, welche Interessen im Rahmen der Angemessenheit welche Eingriffsintensität rechtfertigen können. Hingegen ersetzt die Drei-Stufen-Theorie nicht für sich alleine bereits die Verhältnismäßigkeitsprüfung, es handelt sich vielmehr um eine Typisierung von dieser.1596 Die Drei-Stufen-Theorie bildet lediglich eine Vereinfachung und Konkretisierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung als solche1597, was auch dadurch ersichtlich wird, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht nur eine Prüfung anhand der Drei-Stufen darstellt, sondern diese darüber hinaus auch in einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden kann.1598 In deren Rahmen ist eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe vorzunehmen.1599 Auf Seiten der Eingriffsschwere ist auf Basis der objektiven Berufswahlregelungen des § 4 IV GlüStV eine schwerwiegende Beschränkung der unternehmerischen Freiheit des Grundrechtsträgers gegeben.1600 Wie oben gezeigt, sah das BVerfG aber auf der Gegenseite im Ziel der Suchtbekämpfung ein Rechtsgut mit „hohe[m] Stellenwert“, weshalb es die Angemessenheit bejahte.1601 An der Einordnung der Suchtbekämpfung als Rechtsgut mit hohem Stellenwert an sich hat sich in der Vergangenheit nichts geändert. Jedoch erfolgte durch die Öffnung des Internetvertriebs in den anderen Sektoren eine Änderung der Gefahreinschätzung des Vertriebsmittels. Oder einfach gesprochen: Das Ziel der Suchtbekämpfung wird weiterverfolgt, jedoch wird die Suchtgefahr des Internetvertriebs als solche niedriger eingeschätzt als zuvor. Zwar geht der Gesetzgeber sowohl im Rahmen des GlüStV 20081602 als auch im Rahmen des GlüStV 2012 davon aus, dass Glücksspiele im Internet ein erheblich höheres Gefährdungspotential als traditionelle Vertriebskanäle Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 72 f. Art. 12 Rn. 101. 1597  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 101; BVerfG NJW 1970, 1591 (1591 f.); NJW 1978, 313 (313 f.); NJW 1982, 373 (373); NJW 1990, 2122 (2123); NJW 1991, 1667 (1668 f.). 1598  Vgl. BeckOK-GG/Ruffert, Art.  12 Rn.  101 m. w. N. 1599  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1600  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1601  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1602  Diesbezüglich stellt der Gesetzgeber auch fest: „Damit wird eine wesentliche Forderung erfüllt, die das BVerfG in seinem Urteil vom 28. März 2006 aufgestellt hat.“, LT Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 38. 1595  So

1596  BeckOK-GG/Ruffert,



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 401

haben und daher mit diesen auch nicht austauschbar seien.1603 An diesem Befund ist auch insoweit nichts auszusetzen, soweit es daher eine gesonderte Erlaubnis für den Internetvertrieb mit den besonderen Auflagen im Rahmen des § 4 V GlüStV bedarf. Im Rahmen des GlüStV 2008 begründete der Gesetzgeber das generelle Internetvertriebsverbot noch mit „dem Aspekt der Vermeidung von Glücksspielsucht“, weshalb es geboten sei, „den Vertriebsweg ‚Internet‘ grundsätzlich zu untersagen.“1604 Der Gesetzgeber misst also in diesem Umfang dem Vertriebsweg Internet als solches eine hohe Suchtgefahr zu, sodass dieser komplett zu untersagen sei. Von diesem Befund weicht der Gesetzgeber aber ab, indem er den Vertrieb wieder für Sportwetten und Lotterien öffnet. Er hält zwar weiterhin an der Suchtgefahr des Internets fest, bewertet aber mit dessen Öffnung dessen Gewicht anders. In diesem Punkt ist wiederum Papier/Krönke zuzustimmen, dass sich der Gesetzgeber an diesem Aspekt festhalten lassen muss, diesbezüglich gilt das „Gebot der Folgerichtigkeit“.1605 Nach der Entscheidung des BVerfG gilt für das Gebot der Folgerichtigkeit folgendes: „Hat sich der Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden Spielraums zu einer bestimmten Einschätzung des Gefahrenpotenzials entschlossen, auf dieser Grundlage die betroffenen Interessen bewertet und ein Regelungskonzept gewählt, so muss er diese Entscheidung auch folgerichtig weiterverfolgen. Gefahreinschätzungen sind nicht schlüssig, wenn identischen Gefährdungen in demselben Gesetz unterschiedliches Gewicht beigemessen wird.“1606 So ist zwar keine andere Gefahreneinschätzung hinsichtlich der Thematik der Sportwetten erfolgt, vielmehr bewertet der Gesetzgeber die Sportwetten als solche weiterhin als suchtgefährlich, sodass es einer gewissen Beschränkung bedarf. Aber der Gesetzgeber vollzog eine andere Gefahreneinschätzung zur Thematik des Vertriebs im Internet. So hat er diesen sowohl im Bereich der Lotterien als auch im Bereich der Sportwetten eröffnet. Der Gesetzgeber sah demnach den Nutzen des Internetvertriebs im Rahmen des GlüStV 2012 höher als die Gefahr, die von diesem ausgeht, was eine andere Risikoeinschätzung im Gegensatz zum GlüStV 2008 zur Folge hat. Diese geringere Risikoeinschätzung des Vertriebsmittels Internet hat sich der Gesetzgeber auch bei der Angemessenheit im Rahmen des „Gebots der 1603  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 22. Rl.Pf., Drs. 15/1454 S. 38. 1605  Vgl. Papier/Krönke, Sportwetten und Verfassungsrecht, S. 72 f.; ebenso zur Anwendung des Gebots der Folgerichtigkeit im Rahmen der Angemessenheit, Jarass, Art. 20 GG Rn. 121a; Bumke/Voßkuhle, Rn. 156. 1606  BVerfG NJW 2008, 2409 (2415). 1604  LT

402 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Folgerichtigkeit“ vorhalten zu lassen. Die Gefahr der Spielsucht ist daher im Bereich des Onlinevertriebs zwar immer noch im Rahmen seines Entscheidungsspielraums als höher als der herkömmliche Vertrieb zu werten, jedoch nicht mehr derart hoch wie noch im Rahmen des GlüStV 2008. Der Erst-Recht-Schluss des BVerwG verkennt jedoch diese Tatsache, denn es hat sich nicht nur die Eingriffsintensität verringert (partielles Verbot, statt Totalverbot), sondern auch die Risikoeinschätzung, weshalb eine vollumfassende Abwägung auch im Urteil des BVerwG nötig gewesen wäre. Diese ist daher insofern nachzuholen. Wie bereits mehrfach erwähnt, ist eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe vorzunehmen.1607 §§ 4 IV, V GlüStV stellt eine schwerwiegende Beschränkung der unternehmerischen Freiheit des Grundrechtsträgers dar.1608 Auf der anderen Seite steht das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Suchtbekämpfung, der Kriminalitätsbekämpfung und der Manipulationsvorbeugung gem. § 1 GlüStV. Aufgrund der Öffnung des Vertriebskanals Internet sind aber die Gefahren im Hinblick auf die Suchtgefahr und die Kriminalitäts- und Manipulationsgefahr wiederum geringer zu bewerten als noch im Rahmen des GlüStV 2008. Darüber hinaus ist in die Abwägung mit einzubeziehen, dass zwar seit 2008 eine Einschränkung des Onlinevertriebs herrscht, dennoch aber eine stetige Ausweitung des Schwarz- bzw. Graumarkts im Bereich des Online-Glücksspiels erfolgte. Die gewünschte Kanalisierung blieb aber aus, vielmehr erfolgte eine Ausweichbewegung der Spieler in den Graumarkt.1609 Eine geringere Risikoeinschätzung fällt also mit einer praktisch nicht wirksamen Erreichung der gewünschten Ziele zusammen. Den Grundrechtsträgern werden in der Wertung des Grundgesetzes gravierende Einschnitte in ihr Grundrecht aus Art. 12 I GG aufgebürdet, wohingegen die mit diesen Einschnitten verfolgten Ziele kaum bis gar nicht erreicht werden. Oder anders gesprochen: Die Kosten im Bereich der Grundrechte sind immens, wohingegen der Nutzen frappierend gering ist.1610 Bereits im Zeitpunkt der Gesetzesfassung im Jahr 2012 (also als die Öffnung erfolgte) war die Entwicklung des Grau- bzw. Schwarzmarktes absehbar und auch vorhersehbar, dass die gewünschte Kanalisierung nicht erfolg1607  Vgl.

BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1343). 1609  Vgl. BZgA, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 bis 2011, S. 12; vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, 3. Auflage (2011), S. 28 ff. 1610  In diese Richtung auch Kubiciel, NVwZ 2018, 841 (844). 1608  Vgl.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 403

reich sein wird.1611 Selbst wenn man dies anders sehen sollte, so hat die Entwicklung des Online-Glücksspiels in den Graumärkten auf einen Marktanteil von 75 % zumindest in den letzten Jahren offenbart, dass die Regulierung nicht praxistauglich ist. Insbesondere im Falle, dass sich die Einschätzung des Gesetzgebers als unzutreffend herausstellt, wie dies vorliegend der Fall ist, da die Kanalisierung gerade nicht stattfand, hat dies nachträglich eine Unangemessenheit und damit eine Verfassungswidrigkeit zur Folge, was eine Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers nach sich zieht.1612 Ein weiteres Festhalten am Onlinevertriebsverbot ohne Befreiungsmöglichkeit für Online-Casinos und Online-Poker ist daher aus diesem Gesichtspunkt nach aktuellem Stand als unangemessen einzuordnen. Vielmehr ist der Gesetzgeber gehalten, sein Konzept an die tatsächliche Marktsituation anzupassen. (6) Ergebnis Mangels Angemessenheit der aktuellen Regulierung, zum einen beruhend auf einer Absenkung der Gefahrenprognose des Vertriebswegs Internet, zum anderen auf einer praktisch fast vollständig ausbleibenden Zielerreichung, ist das partielle Internetvertriebsverbot gem. §§ 4 IV, V GlüStV nicht mit der Verfassung vereinbar und daher verfassungswidrig. Diesem Befund steht auch nicht die anderslautende Entscheidung des BVerwG entgegen.1613 Zu beachten ist in diesem Umfang der Prüfungsumfang des BVerwG als Revisionsinstanz. Dieses ist gem. § 137 II VwGO an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Jedoch erfolgte in der Berufungsinstanz des VGH Mannheim keine Feststellung zur tatsächlichen Wirkung des Internetvertriebsmonopols. So stellt auch das BVerwG ausdrücklich klar: „Dass sich an diesem Befund [aus dem Jahr 2011] zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im 1611  So schon die BzGA in Ihrem Ergebnisbericht Glücksspielsucht aus dem Jahr 2012 „Da dieses auf bisher knapp 30 % jährlichen Wachstumsraten basiert, kann von einer auch weiterhin steigenden Tendenz dieses zumeist vom Ausland aus kontrollierten (im Wettbereich zu über 90 %) und in Deutschland illegalen Glücksspielmarktbereiches ausgegangen werden (Goldmedia, 2010). Die größten Anteile stellen dabei Online-Poker und Sportwetten (jeweils um die 30 %).“, vgl. BZgA, Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 bis 2011, S. 12. 1612  Vgl. BVerfG NJW 1979, 699 (702); NJW 1969, 499 (502); NJW 1979, 359 (361); NJW 1981, 2107 (2109); Jarass, Art. 20 Rn. 122; Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG VII. Rn. 122. 1613  BVerwG NVwZ 2018, 895.

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Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich.“1614 Insbesondere erfolgten auch im Berufungsverfahren die Feststellungen nicht zur tatsächlichen Regulierungslage im Bereich des Online-Vertriebsverbotes, sondern die Berufungsinstanz stützte ihre rechtlichen Erwägungen sowohl auf die aus ihrer Sicht gegebenen Unbestimmtheit der Untersagungsverfügung als auch auf Ermessensfehler bei Erlass der Untersagungsverfügung.1615 Eine tiefergehende Befassung mit der tatsächlichen Wirkung war daher seitens des VGH nicht nötig, weshalb es auch dem BVerwG an der zur Entscheidung notwendigen Tatsachengrundlage fehlte. Insofern war es in diesem Fall dem BVerwG überhaupt nicht möglich gewesen, ohne die Tatsachengrundlage eine Endentscheidung zu treffen. Eigene Tatsachenfeststellungen zur materiellen Rechtslage sind dem BVerwG gerade verwehrt.1616 Ob diesbezüglich in der Entscheidung des BVerwG eine Verletzung des Art. 101 I 2 GG gesehen werden kann,1617 kann dahinstehen, da zumindest auch die Entscheidung des BVerwG auf der Befundlage des Gesetzgebers von 2012 (die mittelbar auf die von 2008 verweist) beruht, weshalb eine tatsachengerichtliche Feststellung dahingehend, dass der Befund der Gefährlichkeit des Vertriebsmittels Internet nicht mehr in dem Maße wie 2008 aufrechterhalten werden kann, auch revisionsgerichtlich zu einer anderen Entscheidung führen kann und wie oben gezeigt auch führen muss. 2. Europarechtskonformität des partiellen Internetvertriebsverbots Ferner stellt sich die Frage, ob das partielle Internetvertriebsverbot überhaupt mit Europarecht vereinbar ist. Diesbezüglich ist, wie bereits im Rahmen der Sportwetten, die Prüfung in drei Teilbereiche zu teilen: den Anwendungsbereich, die Beschränkung und die Rechtfertigung der Beschränkung. a) Anwendungsbereich Im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung erfolgten im Rahmen der unionsrechtlichen Rechtsprechung bereits mehrere Entscheidungen zum Thema einer Einschränkung des Vertriebswegs Internet. In allen Entscheidungen wurde der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit 1614  BVerwG 1615  Vgl.

NVwZ 2018, 895 (899). BeckRS 2015, 53702 Rn. 16 ff., 34 ff.; Koenig/Berberich, ZfWG 2018,

153 (153). 1616  BeckOK-VwGO/Berlit, § 144 Rn. 31. 1617  In diese Richtung Koenig/Berberich, ZfWG 2018, 153 (155).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 405

gem. Art. 56 AEUV bejaht, wobei hierbei die Tätigkeit des Online-Glücksspielanbieters maßgeblich ist. Sowohl das Angebot von Sportwetten1618 als auch das Angebot von Lotterien fällt unter die Dienstleistungsfreiheit.1619 Genauso gilt dies aber auch für das Anbieten von Online-Poker und OnlineCasinospielen.1620 Wie oben erläutert, erfordert der sog. „räumliche Anwendungsbereich“ des Art. 56 AEUV, dass die Dienstleistung grenzüberschreitend in der EU erbracht wird.1621 Das grenzüberschreitende Element ist gegeben, wenn die Dienstleistung einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist, wobei zwischen drei1622 Formen unterschieden wird1623: der aktiven Dienstleistungsfreiheit1624, der passiven Dienstleistungsfreiheit1625 und den sog. Korrespondenzdienstleistungen1626. Wie bereits herausgearbeitet, ist es unschädlich, wenn sich der Veranstalter innerhalb des Mitgliedstaats des Dienstleistungsempfängers zunächst eines Vermittlers bedient.1627 Erst recht ist es ­unschädlich für die Bejahung der Dienstleistungsfreiheit, wenn sich der Anbieter nur eines Erbringers von EDV-Dienstleistungen im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers bedient.1628 Gem. Art. 62, 54 AEUV können sich Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, auch auf die Dienstleistungsfreiheit berufen.1629 1618  Vgl. allgemein zum sachlichen Anwendungsbereich Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 13 ff. 1619  Vgl. EuGH NJW 1994, 2013 (2014  f.); Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 31; Schwarze/Holoubeck, Art. 56,57 AEUV Rn. 103. 1620  Vgl. EuGH EuZW 2011, 841, in dem es um die unionsrechtlichen Voraussetzungen für ein Betriebsmonopol auf Online-Casinospiele geht, was bereits im Grunde vorher voraussetzt, dass die Online-Casino- und Pokerspiele unter die Dienstleistungsfreiheit fallen. 1621  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 31; FK/Haltern/Stein, Art. 56 Rn. 15. 1622  Wobei FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 31 ff. noch die Auslandsdienstleistungen mit einbeziehen. 1623  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 33; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 26. 1624  Der Leistende überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um seine Dienstleistung zu erbringen, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 34; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 27. 1625  Der Leistungsempfänger überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um eine Dienstleistung zu erhalten, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 37; FK/Haltern/ Stein, Art. 57 Rn. 28. 1626  Weder Dienstleister noch Leistungsempfänger überqueren die zwischenstaat­ liche Grenze, aber die Dienstleistung erfolgt über die Grenze hinweg, Streinz/MüllerGraff, Art. 56 AEUV Rn. 40; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 37. 1627  EuGH NJW 2004, 139 (140). 1628  EuGH EuZW 2011, 841 (843). 1629  Vgl. Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 56.

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b) Beschränkung Auch zur Frage der Beschränkung durch ein Onlinevertriebsverbot hat sich der EuGH bereits mehrfach geäußert. „Art. [56 AEUV] verlangt die Aufhebung jeder Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gilt –, sofern sie geeignet ist, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen […]. Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die es in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Dienstleistungserbringern wie Bwin untersagt, in seinem Hoheitsgebiet Dienstleistungen über das Internet anzubieten, stellt eine Beschränkung des in Art. [56 AEUV] verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs dar […]. Mit einer solchen Regelung wird außerdem die Freiheit der Einwohner des betreffenden Mitgliedstaats beschränkt, über das Internet Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die in anderen Mitgliedstaaten angeboten werden.“1630 Damit stellt die Regelung des §§ 4 IV, V GlüStV eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, da sie den Anbietern den Vertrieb über das Internet generell untersagt bzw. diesen von einer Erlaubnis abhängig macht. c) Rechtfertigung Wie oben bereits zu den Sportwetten ausgeführt, gilt für jede Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielrecht im Grundsatz das Gleiche. Mangels einschlägiger ausdrücklicher Ausnahmeregelungen in Art. 62 i. V. m. Art. 52 AEUV kommt nach ständiger Rechtsprechung nur eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Frage.1631 Wie oben herausgearbeitet, steht jedem Mitgliedstaat frei, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen.1632 Die Mitgliedstaaten haben

1630  EuGH NJW 2009, 3221 (3223); ebenso EuGH NJW 2004, 139 (140); NVwZ 2010, 1409 (1412); NVwZ 2014, 1001 (1001). 1631  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); MMR 2010, 844 (845); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (843 f.); EuZW 2014, 597 (598 f.); NVwZ 2014, 1001 (1001 f.); BeckRS 2017, 113944 Rn. 39; BeckRS 2018, 32757 Rn. 40 ff. 1632  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); NVwZ 2010, 1422 (1426).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 407

daher ein Ermessen dahingehend, wie sie festlegen möchten, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und Sozialordnung ergeben.1633 Sowohl beim Konzessionssystem als auch bei der Einführung eines Monopols liegt es auch im Ermessen der Mitgliedstaaten, gewisse Vertriebsformen für Glücksspiele zu beschränken oder vollständig zu verbieten.1634 Auch die Beschränkung bestimmter Vertriebskanäle kann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.1635 Wie bei jeder Beschränkung ist es nötig, dass die Beschränkung als solche den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügt1636, wobei die Prüfung, wie oben gezeigt, in drei Schritte zu unterteilen ist: das Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Geeignetheit der Regulierung zur Erreichung dieser Interessen und die Erforderlichkeit der Regulierung zur Zielerreichung. Insbesondere genügt für die Verhältnismäßigkeit kein bloßer Verweis auf die größeren Gefahren des Online-Glücksspiels, die Verhältnismäßigkeit ist dennoch vollumfänglich zu prüfen.1637 aa) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Wie bereits oben herausgearbeitet, können zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen1638, die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen1639, die Bekämpfung der Kriminalität1640, der Jugendschutz1641 bzw. der Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie auch der Schutz der Sozialordnung,1642 sein. 1633  EuGH

NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); EuZW 2011, 841 (844). EuGH NJW 2009, 3221 (3223). 1635  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1427). 1636  EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086). 1637  EuGH BeckRS 2018, 1963 Rn. 41. 1638  EuGH NJW 2004, 139 (140); NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1001); BeckRS 2017, 113944 Rn. 36; BeckRS 2018, 32757 Rn. 43. 1639  EuGH NJW 2007, 1515 (1517); NJW 2009, 3221 (3223); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36); EuGH NVwZ 2010, 1409 (1413 Rn. 74; EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423 Rn. 45). 1640  EuGH NJW 2009, 3221 (3224); EuGH NVwZ 2010, 1081 (1082 Rn. 18); EuGH NVwZ 2010, 1085 (1086 Rn. 26); EuGH NVwZ 2010, 1088 (1089 Rn. 36). 1641  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1427). 1642  EuGH MMR 2010, 844 (846); NVwZ 2010, 1422 (1423); EuZW 2011, 841 (844). 1634  Vgl.

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Wie bereits im Rahmen der Sportwetten erläutert und auch im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit geprüft, stützt sich der GlüStV in seinen Zielen im Kern auf zwei Begründungsstränge, zum einen die Suchtbekämpfung, zum anderen die Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsvorbeugung.1643 Bei der Nennung mehrere Gründe zur Rechtfertigung einer Beschränkung, ist eine Prüfung dieser zusammengenommen und als Gesamtheit nötig.1644 Eine derartige Einschätzung hat auch der EuGH im Rahmen seiner Entscheidung Liga Portuguesa gewürdigt.1645 Sowohl die Bekämpfung der Spielsucht als auch die Kriminalitätsbekämpfung und die Betrugsvorbeugung sind demnach zwingende Gründe, die die Beschränkung rechtfertigen können. Hingegen sind keine zwingenden Gründe in dem Ziel des Staates zu sehen, Steuereinnahmen zu sichern oder zu steigern.1646 Ebenso ist eine Beschränkung nicht durch das Ziel zu rechtfertigen, Aktivitäten zu finanzieren, die sonst dem Staatshaushalt zur Last fallen würden.1647 Auch stellt das Ziel, den bisherigen Wirtschaftsteilnehmern „Kontinuität, finanzielle Stabilität und angemessene Renditen aus den getätigten Investitionen zu gewährleisten“, keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar.1648 Das Internetvertriebsverbot mit Blick auf Casinospiele einschließlich Poker wird damit begründet, dass hierdurch eine strenge Begrenzung des Angebots auf die Spielbanken erfolgen soll.1649 Die Nachfrage hinsichtlich Casinospielen soll alleine durch die Spielbanken erfüllt werden, diese seien zahlenmäßig stark limitiert und verfügen über besondere Schutzvorkehrungen.1650 Der Ausschluss des Vertriebswegs Internet wird damit begründet, dass von Casinospielen eine hohe Manipulationsanfälligkeit ausgeht und diese darüber hinaus über ein herausragendes Suchtpotential verfügen, des Weiteren seien diese für die Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche äußerst anfällig.1651 Die hohe Suchtgefahr des Internetglücksspiels habe sich aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht bestätigt, dies gelte vor allem für Casinospiele, aber auch für Sportwetten.1652 1643  Vgl.

diesbezüglich auch die Erläuterungen in Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 18. Art. 34 ff. AEUV Rn. 61. 1645  Vgl. EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 1646  EuGH NJW 2004, 139 (140); MMR 2010, 844 (848); EuZW 2011, 841 (844). 1647  EuGH EuZW 2011, 674 (675 f.); Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art.  34 ff. AEUV Rn. 62. 1648  EuGH EuZW 2012, 275 (278); BeckRS 2007, 70684 Rn.  35; Streinz/ Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 62. 1649  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1650  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1651  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1652  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 17. 1644  Streinz/Liesching/Hambach/Michl,



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 409

Über die Casinospiele hinaus begründet der Gesetzgeber das allgemeine Vertriebsverbot im Internet gem. § 4 IV GlüStV mit den „Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind“, denn „Glücksspiele im Internet haben ein erheblich höheres Gefährdungs­ potential als traditionelle Vertriebskanäle und sind mit ihnen nicht aus­ tauschbar“.1653 Das Verbot des Onlineangebots stützt sich demnach zum einen allgemein auf die Erwägung, dass der Vertriebskanal des Internets andere zusätzliche Gefahren aufweise als die herkömmlichen Vertriebskanäle, weshalb dieser gesondert zu regulieren sei. Darüber hinaus wird das Verbot von Casino und Poker und eine Begrenzung auf Spielbanken mit der Ansicht begründet, dass von diesen Angebotsformaten eine hohe Suchtgefahr ausginge. Diese Risikoeinschätzung spiegelt sich auch in den Zielen des Staatsvertrags wider. Die Begrenzung des Internetvertriebs wird zum einen mit dessen höheren Suchtgefahr begründet, zum anderen mit der Kriminalitätsbekämpfung und Manipulationsvorbeugung. Nach Ansicht des EuGH steht fest, „dass Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich bergen, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden“.1654 Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen nach Ansicht des EuGH Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und auf Grund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können.1655 Dieser Befund steht nach Ansicht des EuGH fest. Eines besonderen Nachweises durch die Mitgliedstaaten bedarf es gerade nicht.1656 Wie oben bereits ausgeführt, weist das Glücksspiel im Internet im Vergleich zu herkömmlichen Vertriebsformen intensivere Gefahren für die von § 1 GlüStV genannten Ziele auf. Dementsprechend stellen die niedergeschriebenen Ziele des Staatsvertrags und die mit dem Vertriebsverbot verfolgten Ziele zwingende Gründe des

1653  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 22. BeckRS 2018, 1963 Rn. 41. 1655  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1428). 1656  EuGH BeckRS 2018, 1963 Rn. 41. 1654  EuGH

410 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Allgemeininteresses dar, die eine Beschränkung, wie die Vorliegende, rechtfertigen können.1657 bb) Geeignetheit Wie oben erläutert, fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Erreichung der verfolgten Allgemeininteressen beitragen müssen.1658 Eine Geeignetheit der Regulierung zur Zielerreichung ist nur dann zu bejahen, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.1659 Der Begriff „tatsächlich“ im Rahmen der Kohärenzprüfung ist in diesem Zusammenhang mit „wirklich“ zu verstehen, hingegen bedarf es keiner „empirisch mit Sicherheit festzustellender Auswirkungen“.1660 Das Erfordernis der Kohärenz ist ebenso im Rahmen eines partiellen Onlinevertriebsverbotes heranzuziehen.1661 An sich bejaht der EuGH eine Geeignetheit eines Vertriebsverbots, um „die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt.“1662 Gleiches ist hinsichtlich eines partiellen Vertriebsverbotes mit Befreiungsvorbehalt anzunehmen, da auch das partielle Verbot, zumindest im Rahmen des beschränkten Glücksspielsektors, nach Aussage des EuGH zur Zielerreichung geeignet ist.1663 Jedoch ist notwendig, dass das partielle Onlinevertriebsverbot tatsächlich, also wirklich, die von ihm genannten Ziele verfolgt und nicht stattdessen die genannten Ziele lediglich vorschiebt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, „sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.“1664

1657  Ebenso 1658  EuGH

(1518).

1659  EuGH

Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 Rn. 129. NJW 2004, 139 (141); NJW 2007, 1515 (1518); NJW 2007, 1515

NJW 2009, 3221 (3223). NVwZ-RR 2016, 624 (624 f.). 1661  Vgl. EuGH NJW 2009, 3221 (3224). 1662  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1428). 1663  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 Rn. 130. 1664  EuGH EuZW 2011, 841 (845); Glücksspiel/Ennuschat/Güldner, § 12 Rn. 71. 1660  EuGH



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 411

Das BVerwG bejahte wiederum in seiner Entscheidung die Geeignetheit des partiellen Internetverbots. „Mit der kontrollierten Zulassung des Vertriebswegs Internet für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten soll den unerlaubten Angeboten im Internet zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV 2012 eine legale, sichere und den Spielerschutz gewährleistende ­Alternative gegenübergestellt werden. Eine begrenzte Erlaubnis von Glücksspielen im Rahmen von Sonder- oder Ausschließlichkeitsrechten kann der Verwirklichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung dienen, da sie die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen lenkt“.1665 Das Internetverbot trage auch weiterhin „nach Zulassung der Ausnahmen für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten in systematischer und kohärenter Weise zur Erreichung der dargelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrags bei.“1666 Insbesondere stehe die teilweise Zulassung der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet nicht einer konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren entgegen.1667 Hinsichtlich der erneuten Öffnung des Internetvertriebs im Rahmen des GlüStV 2012 ist zu beachten, dass damit eine gewisse Verringerung des Spielerschutzes einhergeht, was die Kohärenz in Frage stellen kann. Jedoch ist unter dem Aspekt der Kanalisierung eine Öffnung von Vertriebskanälen zulässig. „Um das Ziel, die Spieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, zu erreichen, müssen die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen, was an und für sich […] den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann.“1668 Das Internet wiederum stellt lediglich einen bloßen Vertriebskanal für Glücksspiel dar.1669 Dennoch stellt das Internet ein „Sonderregime“ dar1670, eine Berücksichtigung im Rahmen der Kohärenzprüfung erfolgt insoweit miteinander, als die Vertriebskanäle austauschbar sind.1671 Werden hingegen „die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt […], die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen“, so ist dieser Vertriebskanal „Internet“ gesondert im Rahmen der Kohärenzprüfung zu betrachten.1672 Gilt eine Regelung gleichermaßen 1665  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (900). NVwZ 2018, 895 (900). 1667  BVerwG NVwZ 2018, 895 (900). 1668  EuGH EuZW 2011, 841 (845). 1669  EuGH EuZW 2011, 674 (678). 1670  Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 125. 1671  Vgl. EuGH EuZW 2011, 674 (679); Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art. 34 ff. AEUV Rn. 125. 1672  Vgl. EuGH EuZW 2011, 674 (679); Streinz/Liesching/Hambach/Michl, Art.  34 ff. AEUV Rn. 125. 1666  BVerwG

412 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

für online angebotene Glücksspiele wie für Glücksspiele, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, so ist „die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die den gesamten in Rede stehenden Sektor treffen.“1673 Übertragen auf die in Deutschland geltende Regulierung ist zu beachten, dass für den Vertriebskanal Internet mit dem Regelungsmechanismus der §§ 4 IV, V GlüStV eine Sonderregelung besteht. Das Kriterium der Kohärenz ist daher in diesem Umfang nicht im Sinne von „ist die Regelung zu den Lotterien kohärent“ zu sehen, sondern vielmehr ist die Frage, ob die Regelung des Vertriebskanals kohärent ausgestaltet ist. Diesbezüglich hat der EuGH nur entschieden, dass ein Internetvertriebsverbot geeignet sein kann, wenn es tatsächlich die Ziele der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes verfolgt.1674 Maßgebliche Frage im Rahmen der Geeignetheit ist daher, ob das partielle Internetvertriebsverbot tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, die verfolgten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.1675 Der Begriff „tatsächlich“ im Rahmen der Kohärenzprüfung ist in diesem Zusammenhang mit „wirklich“ zu verstehen, hingegen bedarf es keiner „empirisch mit Sicherheit festzustellende[r] Auswirkungen“.1676 Problematisch ist diesbezüglich, und dies stellt auch den Unterschied zum GlüStV 2008 dar und wäre vom BVerwG daher vertieft zu prüfen gewesen, dass die nun stattfindende Regulierung im Bereich des GlüStV 2012 differenziert, Sportwetten und Lotterien sind gem. § 4 V GlüStV im Internet erlaubnisfähig, soweit die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, bei den restlichen Spielangeboten bleibt es hingegen beim Totalverbot des § 4 IV GlüStV. Zu Recht sprechen daher Saliger/Tsambakis von einer Änderung des „Regelungskontextes“.1677 Zunächst ist zu prüfen, ob die in § 4 V GlüStV vollzogene Öffnung der Vertriebsmöglichkeiten im Internet mit dem Ziel der Sucht- und Kriminalitätsbekämpfung vereinbar ist. Eine kontrollierte Expansion, wozu eine Öffnung von Vertriebswegen zählt, kann „mit dem Ziel, die Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu verhindern, als auch mit dem Ziel der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht in Einklang stehen“, wenn „die Verbraucher zu dem Angebot des Inhabers des 1673  EuGH

EuZW 2011, 674 (679). Mintas, MMR 2010, 840 (844). 1675  EuGH NJW 2009, 3221 (3223). 1676  EuGH NVwZ-RR 2016, 624 (624 f.). 1677  Saliger/Tsambakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 35. 1674  Vgl.



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 413

staatlichen Monopols gelenkt werden, bei dem davon auszugehen ist, dass es vor kriminellen Elementen geschützt und darauf ausgelegt ist, die Verbraucher besser vor übermäßigen Ausgaben und vor Spielsucht zu bewahren.“1678 Eine kontrollierte Expansion ist jedoch nur kohärent, „wenn zum einen die mit dem Spielen verbundenen kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten und zum anderen die Spielsucht […] ein Problem darstellen konnten und eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten geeignet war, diesem Problem abzuhelfen.“1679 Diesbezüglich ist daher in zwei Aspekte zu unterscheiden: Zum einen, ob die Regulierung des Onlinevertriebs für sich genommen im Sinne einer vertikalen Kohärenz passend ausgestaltet ist, zum anderen, ob diese Regulierung nicht wiederum durch andere Regelungen ad absurdum geführt wird im Sinne der horizontalen Kohärenz. (a) Kohärenz der Regelungen des Vertriebswegs Internet Zunächst ist daher zu begutachten, ob die Differenzierung im Vertriebsweg Internet als solche kohärent ist. (aa) Widerspricht die Öffnung für Lotterien im Internet der Kohärenz? Hierzu sei bereits auf die Ausführungen im Bereich der Lotterien verwiesen. Insbesondere auch die Werbung im Internet ist hierfür über das hinausgehend, was mit dem Ziel der Kanalisierung noch konform wäre. Wie oben bereits angesprochen, ist eine „faktische Zurechnung“ von Werbemaßnahmen im Rahmen der von den Monopolanbietern abgestimmten Dachmarkenwerbung des Deutschen Lotto- und Totoblocks auf eine einzelne Landeslotteriegesellschaft verfassungsrechtlich zulässig.1680 Auch im Rahmen des Sportwettenurteils hat das BVerfG die Werbung im Rahmen der über den Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von Oddset zur Prüfung der Angemessenheit des Sportwettenmonopols in Bayern herangezogen.1681 Dieses gemeinsame Auftreten müssen sich die einzelnen Landeslotteriegesellschaften auch jeweils gegenseitig zurechnen lassen. Hiermit wird nur die rechtliche Konsequenzen aus einer bestimmten Art und Weise des gemeinsam abgestimmten und verantworteten, koordinierten Ge1678  EuGH BeckRS 2015, 80753 Rn. 69; vgl. in diesem Sinne auch die Urteile des EuGH NVwZ 2010, 1409 (1415 Rn. 101 f.) und EuGH EuZW 2011, 674 (677 Rn. 67). 1679  EuGH BeckRS 2015, 80753 Rn. 71; vgl. EuGH MMR 2010, 854 (855 Rn. 30); EuGH EuZW 2011, 841 (845 f. Rn. 67). 1680  BVerwG NVwZ-RR 2014, 181 (186). 1681  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1266).

414 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

brauchs der jeweiligen Kompetenz gezogen.1682 Die Regulierungswirklichkeit muss daher nicht für jede Landeslotteriegesellschaft einzeln gesehen werden, sondern diese muss insgesamt stimmig sein. Hinsichtlich der Öffnung des Vertriebswegs Internet sah das BVerwG keinen Widerspruch zu den mit dem GlüStV verfolgten Zielen, da „die ausnahmsweise Erlaubniserteilung für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten im Internet nach § 4 V GlüStV 2012 an strenge Voraussetzungen geknüpft [ist], die dem spezifischen Gefährdungspotenzial des Online-Glücksspiels Rechnung tragen […]. Insbesondere ist gem. § 4 V Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen. Lotterien mit hoher Ziehungsfrequenz, die dadurch zum Weiterspielen animieren, sind im Internet daher nicht erlaubnisfähig.“1683 Hier fällt bereits auf, dass der Gesetzgeber selbst im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 4 V Nr. 3 GlüStV angab, „Rubbel- und Sofortlotterien werden danach ebenso wie in kurzer Folge dem Spieler offerierte Lotterieund Wettangebote unzulässig sein.“1684 Es offenbart sich also eine gewisse Orientierung des BVerwG an der Gesetzesbegründung. Gleichwohl vermag das BVerwG aber nicht zu erkennen, dass nach der Begründung des § 4 V Nr. 3 GlüStV gerade Rubbel- und Sofortlottieren im Internet nicht möglich sein sollten. Ein Blick auf die Seite von Westlotto und Lotto Hessen offenbart aber genau das Gegenteil: Rubellose sind hier gerade online spielbar.1685 Die Aussage des BVerwG ist also hier bereits praktisch widerlegt. Insbesondere aber fallen die neuesten Spiele online von Lotto Hessen negativ auf. Diese bieten unter der Rubrik „Online-Games“ eine Vielzahl von Spielen an, wobei diese unter der Rubrik der „Sofortlotterien“ geführt werden.1686 Die „üblichen“ Sofortlotterien sind hingegen die Rubbellose. Rechtlich fasst das Land Hessen die „Online-Games“ offensichtlich unter den Begriff der Lotterie und nicht unter den Begriff eines Automaten- oder Casinospiels, weil nur diesbezüglich überhaupt eine Abweichung gem. § 4 V GlüStV vom Internetvertriebsverbot möglich ist.1687 1682  BVerwG

NVwZ-RR 2014, 181 (186). NVwZ 2018, 895 (900). 1684  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 22. 1685  https://www.lotto-hessen.de/rubbellose/uebersicht?gbn=5, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1686  https://www.lotto-hessen.de/online-games/uebersicht?gbn=5, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1687  Diesen Eindruck vermitteln auch die Teilnahmebedingungen https://www. lotto-hessen.de/imperia/md/content/pfe3rd/teilnahmebedingungen/online/teilnahmebe dingungen_rubbellose_und_games.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1683  BVerwG



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 415

So hat der Fachbeirat bereits bei der Einführung der Sofortlotterie „Diamond 7“1688 seine Bedenken geäußert. Schon zu Beginn mahnte dieser: „Sofortlotterien im Internet holen das Casino in die Wohnung.“1689 Auch mahnte er, dass die sofortige Rückkoppelung von Einsatz und Gewinnentscheidung eine Hauptkomponente in der Entwicklung von unkontrolliertem Glücksspiel sei. „Es handelt sich somit nicht um eine Kanalisierung des ‚natürlichen Spieltriebs‘, sondern um einen gefährlichen Marketingangriff zur Erhöhung der Spielausgaben und Steigerung der Beschäftigung mit Glücksspiel. Das Glücksspielangebot ist ausreichend.“1690 Die nun von Lotto Hessen angebotenen Online-Games sind aber aus suchtwissenschaftlicher Sicht noch gravierender suchtfördernd als die typischen Sofortlotterien. Bereits im Jahr 2016 beantragte Lotto Hessen eine Erlaubnis für eine virtuelle Sportlotterie, die der Fachbeirat aber einstimmig ablehnte. „Es handelt sich bei dem neuen Angebot weniger um eine Lotterie als vielmehr um ein klassisches Automatenspiel im Internet, das durch seine ständige Verfügbarkeit, eine hohe Ereignisfrequenz sowie eine hohe Beeinflussung am Bildschirm durch allerlei Effekte eine besondere Nähe zu Online-Casinospielen hat und somit massiv suchtgefährdend wirkt.“1691 Diese Aussage gilt nun erst recht für die von Lotto Hessen eingeführten Online-Games. Dem Spieler wird in deren Verlauf suggeriert, durch sein Spielen und seine Entscheidungen den Gewinn und dessen Höhe unmittelbar beeinflussen zu können, darüber hinaus weisen die Spiele eine hohe Ereignisfrequenz und viele Effekte auf. Insbesondere aber ist von Anfang an vorgeschrieben, wie häufig welcher Gewinn an den Spieler ausgezahlt wird. Es hängt lediglich vom Zufall ab, in welche Gewinnklasse der Spieler fällt bzw. ob dieser eine Niete zieht. Diesen Eindruck vermittelt das Spiel aber nicht, vielmehr erweckt es den Anschein, als sei die Geschicklichkeit des Spielers gefragt und nicht dessen Glück. Die Spielmechanik ist aber nicht maßgeblich 1688  Hierbei handelt es sich um einen animiertes Rubbellos, auf dem man mit dem Mauszeiger Felder freirubbelt und je nach dem zuvor durch den Zufallsgenerator erstellten Schein dann gewinnt oder verliert. 1689  Beschluss (1/2018) vom 4.10.2018 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_01_2018_0.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1690  Beschluss (1/2018) vom 4.10.2018 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_01_2018_0.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1691  Beschluss (2/2016) vom 03.03.2016 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_02_2016.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.

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für den Gewinn, gem. § 12 I der Teilnahmebedingungen erhält der Spieler den Entscheid, ob sein Sofortlotterie-Ticket gewonnen hat, nach erfolgreichem Durchlaufen der Spielmechanik, nicht hingegen hängt der Gewinn von den Fähigkeiten im Spielverlauf ab.1692 Derartige Online-Games stellen rechtlich aufgrund der Legaldefinition des § 3 III GlüStV eine Lotterie dar, da einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet wird, nach einem bestimmten Plan gegen ein bestimmtes Entgelt die Chance auf einen Geldgewinn zu erlangen.1693 Dennoch weisen die Online-Games von der Aufmachung her hohe Ähnlichkeit zu den gewerblichen Automatenspielen auf. Diese sind aber gerade nicht gem. § 4 IV GlüStV im Internet erlaubnisfähig. De facto liegt diesbezüglich eine Umgehung des § 4 IV GlüStV insoweit vor, als Lotto Hessen hier die Modalitäten angepasst hat, damit das Spiel unter den Begriff der Lotterie fällt. Von der Aufmachung und dem Gefühl hingegen sind die Online-Games eindeutig den Automatenspielen angelehnt. Offensichtlich wird dies bereits beim Spiel „Schatz des Pharao“, das in Aufmachung und Spielweise der typischen SlotMachine1694 ähnelt.1695 Bereits jetzt wird den Automatenspielen das höchste Gefährdungspotenzial zugeschrieben.1696 Auch die Zahl der problematischen bzw. pathologischen Glücksspielenden ist im Bereich der Automatenspiele eine der Höchsten.1697 Unter dem Aspekt einer kohärenten Orientierung an den Zielen der Bekämpfung der Glücksspielsucht und der Kanalisierung ist daher der Schritt, „Automatenspiele“ im Rahmen der Lotteriegesellschaften online anzubieten, von einer ganz neuen Qualität. Der Gesetzgeber verbietet im Ergebnis zum einen das Automatenspiel online gem. § 4 IV GlüStV und will damit eine Kanalisierung in die Spielbanken erreichen, bei denen er zumindest auch ein finanzielles Eigeninteresse hat1698, bietet aber zugleich im Rahmen der Landeslotteriegesellschaften Online-Games an, die de facto einen Online-Vertrieb von Automatenspielen darstellen, der allen anderen Marktteilnehmern verbo1692  Teilnahmebedingungen einsehbar unter https://www.lotto-hessen.de/imperia/ md/content/pfe3rd/teilnahmebedingungen/online/teilnahmebedingungen_rubbellose_ und_games.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1693  A. A. Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (30). 1694  Es ist hierbei evident, dass sich die Macher von „Schatz des Pharaos“ an dem Slot-Bestseller von Novoline „Book of Ra“ orientiert haben. 1695  Vgl. https://www.lotto-hessen.de/online-games/schatz-des-pharaos?gbn=5&csi =15, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1696  Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 1697  Vgl. BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 251 (hierbei ist sowohl das kleine Spiel in Spielbanken als auch die Geldspielautomaten, zu betrachten). 1698  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 142).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 417

ten ist. Die Begründung des BVerwG mit Blick auf die Voraussetzungen des § 4 V GlüStV ist daher in der wirklichen Umsetzung gerade nicht geeignet, die Ziele des GlüStV zu erreichen. Insbesondere argumentiert das BVerwG, dass gem. § 4 V Nr. 3 GlüStV gerade „eine Erlaubnis für solche OnlineGlücksspiele ausgeschlossen [sei], bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen.“1699 Die tatsächliche Umsetzung widerlegt aber das BVerwG, insbesondere mit der Zulassung der Online-Games ist offensichtlich, dass die Prüfung der Voraussetzungen des § 4 V GlüStV in der Praxis nicht den gewünschten Effekt erzielt. Der Fachbeirat bezeichnete derartige Online-Games als „massiv suchtgefährdend“1700. Wenn aber die einstimmige Meinung eines Beirates nicht genügt, um vom Versagungsgrund des § 4 V Nr. 3 GlüStV auszugehen, so ist dies auch mit Blick auf die Entscheidung des BVerwG bedenklich. Insbesondere die Schlussfolgerung des BVerwG, dass „Lotterien mit hoher Ziehungsfrequenz, die dadurch zum Weiterspielen animieren, […] im Internet daher nicht erlaubnisfähig“ seien, ist unter dem Gesichtspunkt der Einführung von „Diamond 7“ und den Online-Games bei Lotto Hessen schlicht praktisch verfehlt. Diese Beispiele offenbaren gerade, dass sehr wohl eine Lotterie mit hoher Ziehungsfrequenz im Internet erlaubnisfähig ist. Bereits unter diesem Aspekt sind, im Gegensatz zur Ansicht des BVerwG, gerade Zweifel an der konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren angebracht. (bb) Widerspricht die Öffnung für Sportwetten der Kohärenz? Bemängelt wird zum anderen, dass der Gesetzgeber zwar für die Sportwetten und Lotterien eine Öffnung des Vertriebs vornahm, hingegen nicht für die Online-Casinos und Online-Pokerspiele. Dies sei bereits unter den zur Begründung des Onlinevertriebsverbot herangezogenen Gründen kritisch. Hinsichtlich der Prüfung ist auch zu beachten, dass keine Bindung der Verhältnismäßigkeitsprüfung an den Zeitpunkt des Gesetzeserlasses stattfindet. Vielmehr hat das nationale Gericht die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht statisch durchzuführen, sondern diese „muss dynamisch sein, so dass es die Entwicklung der Umstände nach dem Erlass der betreffenden Regelung berücksichtigen muss.“1701

1699  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (900). (2/2016) vom 03.03.2016 des Fachbeirats nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 VwVGlüStV vom 23. Mai 2012, abrufbar unter: ­https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/beschluss_02_2016.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1701  EuGH NVwZ 2018, 479 (481); EuGH NVwZ-RR 2016, 624 (625 Rn. 36 f.). 1700  Beschluss

418 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(α) Kanalisierung Bereits unter dem Aspekt der Kanalisierung ergeben sich Zweifel an der Geeignetheit des partiellen Internetvertriebsverbots. Ziel des Staatsvertrages ist u. a. gem. § 1 Nr. 2 GlüStV, um die Gefahren der Spielsucht zu begegnen, die Schaffung einer geeigneten Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel, um den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken. Mit diesem Ziel der Kanalisierung wiederum rechtfertigt der Gesetzgeber die partielle Öffnung des Internetvertriebs.1702 Unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz ist aber zu beachten, dass nicht nur der Bereich der Sportwetten von einem Grau- bzw. Schwarzmarkt geprägt ist, sondern ebenso der der Casinos. So beläuft sich der Anteil der Bruttospielerträge im regulierten Markt der Casinospiele auf 607 Mio. Euro1703, wohingegen sich die Bruttospielerträge von Online-­ Casinos auf 1760 Mio. Euro belaufen1704. Übertragen auf den Gesamtmarkt „­Casinospiele“ bedeutet dies, dass rund 75 % der Bruttospielerträge im unregulierten Markt erfolgen. Auch entfallen auf Online-Casinos ca. 55 % aller Bruttospielerträge im unregulierten Markt.1705 Auch im Jahr 2018 entfallen weiterhin über 38 % der Bruttospielerträge auf den unregulierten Online-­ Casinomarkt.1706 Ebenso wie bei den Sportwetten besteht also auch bei den Poker- und Casinospielen ein beträchtliches Kanalisierungsbedürfnis. Bereits unter dem Gesichtspunkt, dass sich die unregulierten Anbieter nicht an die Vorgaben des GlüStV halten, ist eine Kanalisierung der Casino- und Pokerspiele im Internet mit Blick auf die Zielvorgaben des GlüStV, insbesondere also dem Spielerschutz, geboten.1707 Auch ergeben sich im Übrigen Zweifel an der Differenzierung des Gesetzgebers im Online-Bereich. (β) Suchtpotenzial Bereits in Bezug auf das Suchtpotenzial wird häufig kritisiert, dass zwischen den Angebotsformaten der Sportwetten und der Casinospiele kein unterschiedliches Suchtpotenzial gegeben sei, das eine unterschiedliche Bewer1702  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 17 f. 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 6. 1704  Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 12. 1705  Vgl. Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 14. 1706  Jahresreport 2018 der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, S. 14. 1707  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a Rn. 117 ff. 1703  Jahresreport



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 419

tung rechtfertigen kann.1708 So sei auch der Gesetzgeber auf Basis seiner Forschungen sowohl von einer hohen Suchtgefahr von Online-Casinospielen als auch von Online-Sportwetten ausgegangen.1709 Wenn aber die Suchtgefahr die gleiche sei, so sei nicht nachvollziehbar, wieso für das eine Angebotsformat eine Öffnung des Onlinevertriebs erfolgt, für das andere aber nicht.1710 Die Einschätzung der Suchtgefahren ist aber bei Sportwetten und CasinoSpielen gerade nicht die gleiche. Sportwetten in ihrer einzig zulassungs­ fähigen Form als Festquotenwetten und nicht als Live-Wetten gem. § 21 IV GlüStV weisen ein geringeres Gefährdungspotenzial als Poker im Internet und Roulette in Spielbanken auf.1711 Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den Studien der BZgA. Zwar gesteht das BZgA selbst zu, dass das Online-Glücksspiel erst in jüngerer Zeit eine derartige Ausweitung erfahren hat, weshalb es auch noch dauere, bis sich Glücksspielprobleme hierdurch epidemiologisch niederschlagen.1712 Es sei ihr bisher nicht möglich, das exakte Ausmaß der Sucht bei Online-Glücksspielen zu beziffern, da die Prävalenzraten des mindestens problematischen Glücksspiels unter den Teilnehmern von Online-Glücksspielen schwanken.1713 Bei Heranziehung des durchschnittlichen Problemspieleranteils bei Internet-Casinospielen in den Jahren 2015 und 2017 wären Internet-Casinospiele hinter dem „kleinen Spiel“ unter allen in den BZgA-Surveys untersuchten Glücksspielformen einzuordnen, was im Ergebnis die Annahme einer erheblichen Suchtgefahr bedeutet.1714 Ebenso gesteht die BZgA in ihrem Bericht ein, dass die Kausalitätsbeziehung bei Online-Glücksspielen unklar ist.1715 Jedoch weist eine multivariate Auswertung der zusammengefassten Erhebungen von 2015 und 2017 auf ein signifikant erhöhtes Risiko durch 1708  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a Rn. 111; Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (29). 1709  Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 17, „des Internetglücksspiels aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht bestätigt worden, wobei dies vor allem für Casinospiele, aber auch für Sportwetten gilt.“; hierauf auch hinweisend Streinz/Liesching/Hambach/­ Bolay/Pfütze, § 10a Rn. 111. 1710  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a Rn. 112. 1711  Vgl. Meyer/Bachmann, Spielsucht, S. 98. 1712  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 205. 1713  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 205; so ergab sich 2017 bei Internet-Casinospielen ein Anteil mindestens problematischer Glücksspielender (nach SOGS) von 26,9 %, im Jahr 2015 dagegen von 7,8 %, vgl. BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 251 und BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2015, S. 188. 1714  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 205. 1715  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 205; hiermit ist gemeint, ob das Glücksspiel bei dem jeweiligen Nutzer(innen) ein Suchtverhalten induziert oder

420 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Online-Casinospielen hin, denn es besteht ein 9-fach höheres Risiko des Online-Casinospielers, dass dieser zumindest problematisch spielt, im Gegensatz zu einer Person, die keine Online-Casinospiele spielt.1716 Zwar besteht auch bei Oddset-Spielangeboten ein 9,2-fach erhöhtes Risiko, im Gegensatz zu Nichtspielern, für problematisches Glücksspielverhalten.1717 Zu beachten ist aber bei dieser Einschätzung, dass diesbezüglich die momentanen Sportwetten auf dem Grau- bzw. Schwarzmarkt mit einbezogen sind. Diese erfüllen aber gerade nicht die in § 21 GlüStV normierten Einschränkungen. Bei einer Heranziehung des DLTB-Angebots Oddset ergibt sich vielmehr eine lediglich 4,4-fach erhöhte Gefahr, was veranschaulicht, dass insbesondere Beschränkungen, wie keine Live- und Ereigniswetten, durchaus ursächlich für die Suchtgefahr sind.1718 Auch vermag diesbezüglich nicht zu überzeugen, darauf zu verweisen, dass die Suchtgefahr nicht auf dem Spiel als solchem, sondern auf dessen Spielmodalitäten beruht, mit dem Ergebnis, dass die Suchtgefahr des Spiels als solches gleich einzuschätzen sei. Dies scheitert bereits daran, da gewisse gefährdungspotenzialfördernde Eigenschaften, wie z. B. die Wiederholungsfrequenz, spielimmanent sind. Es ist gerade nicht möglich, herkömmliche Casinospiele in Anbetracht der Wiederholfrequenz etc. zu modifizieren. Vielmehr haben diese bereits aus ihrer Natur heraus eine höhere Ereignisfrequenz als Sportwetten, da ein sportliches Ereignis länger dauert als der Wurf einer Kugel im Roulette. Unter diesem Gesichtspunkt ist die unterschiedliche Behandlung von Online-Casinospielen und Online-Sportwetten nicht zu beanstanden. (γ) Gefahr der Geldwäsche Auch wird die unterschiedliche Regulierung mit einer erhöhten Gefahr der Geldwäsche begründet.1719 Wie bereits oben ausgeführt, ist bereits kritisch, ob beim Vertriebsweg Internet eine höheres Geldwäscherisiko besteht als beim herkömmlichen Vertrieb.1720 Dies ist auf den ersten Blick zweifelhaft, insbesondere ist im Onlinesegment zu beachten, dass die Summen über digitale Kanäle laufen, die ob es nicht glücksspielsüchtige Spieler(innen) sind, die in diesen Angeboten eine leicht verfügbare (zusätzliche) Option sehen. 1716  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 205. 1717  BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 204. 1718  Vgl. BZgA, Ergebnisbericht Glücksspielsucht 2017, S. 204. 1719  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1720  Ebenso Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (27).



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 421

auch jederzeit abgerufen und untersucht werden können. Zwar ist, wie bereits oben ausgeführt, ein erhöhtes Geldwäscherisiko im Bereich des OnlineGlücksspiels vertretbar anzunehmen. Zu berücksichtigen ist aber, ob dieser Aspekt auch einen Unterschied zwischen Online-Casinospielen und Sportwetten begründen kann.1721 Dies erscheint aber insoweit zweifelhaft, da die Online-Glücksspiele umfassend reguliert sind. Wie bereits oben ausgeführt, findet sich in Deutschland im § 16 GwG ein umfassender Katalog hinsichtlich von Online-Glücksspielen. In diesem Zusammenhang findet aber gerade keinerlei Differenzierung zwischen verschiedenen Glücksspielsektoren statt, vielmehr gelten die Vorschriften für alle Sektoren gleich. Auch die Tatsache, dass die Richtlinie in Art. 2 II1722 den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, im Gegensatz zu anderen Bereichen, Casinos vom Anwendungsbereich der nationalen Umsetzungsvorschriften auszunehmen, zeige keine Differenzierung zwischen Online- und traditionellen Angeboten.1723 Zu der Frage, ob hinsichtlich des Geldwäscherisikos aber eine Unterscheidung zwischen Sportwetten und Casinos zu machen ist, enthält die Richtlinie aber einen Anhaltspunkt, denn Sportwettenanbieter sind gem. Art. 2 II der Richtlinie1724 gerade von dem Anwendungsbereich der nationalen Umsetzungsvorschriften ausschließbar, Casinos gerade nicht, was für eine größere Gefahr der Casinos spricht. An dieser Risikobewertung hat sich auch durch die neue Geldwäscherichtlinie nicht geändert, diese lässt den bisherigen Art. 2 II der Richtlinie 2015/849 bestehen.1725 Zu beachten ist aber, dass der deutsche Gesetzgeber im Bereich des GwG keine Differenzierung zwischen Online-Casinoanbietern und Online-Sportwettenanbietern vornahm, diese fallen beide unter den Tatbestand des Veranstalters oder Vermittlers von Glücksspielen gem. § 2 I Nr. 15 GwG, und auf beide sind bzw. wären die Vorschriften des § 16 GwG in gleichem Maße anzuwenden.1726 Auch wird von Seiten des Gesetzgebers keinerlei Nachweis erbracht, dass von Online-Casinos bzw. Online-Poker eine erhöhte Geld­ wäschegefahr im Gegensatz zu Online-Sportwetten ausgeht.1727 Ebenso ist bei der zukünftigen Gesetzgebung zu beachten, dass hinsichtlich der Proble1721  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,

§ 10a Rn. 114. Richtlinie (EU) 2015/849 L141/84. 1723  Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (28). 1724  Geldwäsche- Richtlinie (EU) 2015/849 L141/84. 1725  Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018. 1726  Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (28). 1727  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a Rn. 114, „hypothetische Erwägungen denn auf verlässliche Fakten“. 1722  Geldwäsche-

422 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

matik der Geldwäsche im Internet bei Glücksspielen durch die GeldwäscheRichtlinie (EU) 2015/849 eine Harmonisierung erfolgte, wobei die Umsetzungsfrist am 26.06.2017 endete.1728 Nach Erwägungsgrund 18 der Richtlinie soll diese auch die im Internet ausgeübten Tätigkeiten erfassen.1729 Im Falle der Annahme, dass es sich bei der Richtlinie (EU) 2015/849 um eine abschließende Regelung handelt1730, wäre eine Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch den nationalen Gesetzgeber mit der Begründung der Verhinderung von Geldwäsche über die Richtlinie hinaus nicht mehr möglich. Die Richtlinie würde dem Mitgliedstaat in diesem Fall die Berufung auf die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe des Vertrages verwehren.1731 Da aber keinerlei Unterschied in der Geldwäschegefahr zwischen Sportwetten und Online-Casinos ersichtlich ist, soll auf diesen Punkt nicht vertieft eingegangen werden. Eine Befassung durch das BVerwG wäre aber unter Zugrundelegung seiner Ansicht notwendig gewesen.1732 (b) Horizontale Kohärenz Auch kommt diesbezüglich nun der Aspekt der horizontalen Kohärenz zum Tragen. Der Bereich des Internetvertriebsverbots erstreckt sich über alle Glücksspielsektoren. Seine Ausgestaltung muss daher nicht nur im Hinblick auf einen Glücksspielsektor stimmig sein, vielmehr muss dieser in seiner Ausgestaltung eine „Gesamtstimmigkeit“ aufweisen. So hat der EuGH sich in der Rechtssache Carmen Media zur sektorenübergreifenden Kohärenz insoweit geäußert, dass ein nationales Gericht dann berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass eine Regulierung (in diesem Fall ein Monopol) „nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“, wenn es sowohl feststellt, „dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch, dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterlieSchenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (28). Richtlinie (EU) 2015/849 L141/46. 1730  Ob eine Regelung abschließend ist, ist häufig das entscheidende Problem, Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff Art. 45 AEUV Rn. 354 f. 1731  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff Art. 45 AEUV Rn. 354 f.; Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (28). 1732  Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (28). 1728  Vgl.

1729  Geldwäsche-



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 423

genden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren.“1733 Die Tatsache, dass verschiedene Arten von Glücksspielen unterschiedlich stark reguliert werden, führt alleine für sich genommen nicht schon zu einer Ungeeignetheit.1734 Jedoch ist dann eine Ungeeignetheit gegeben, wenn „die zuständigen Behörden in Bezug auf andere Glücksspiele als die, die dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden staatlichen Monopol unterliegen, eine Politik betreiben oder dulden, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen“.1735 Der EuGH ließ in diesen Fällen erkennen, dass die Angebotserweiterung in einem Sektor durchaus auch die Regulierung in einem anderen Sektor beeinflussen kann, da dies das Ziel der Suchtbekämpfung konterkariert. Wenn durch die Praxis in einem Sektor die Regulierung in einem anderen zunichte gemacht wird, so rechtfertigt dies nicht eine Beschränkung der Grundfreiheiten, da der Beschränkung dann die Geeignetheit fehlt.1736 Diese Ansicht bestätigte der EuGH jüngst in seiner Entscheidung zur Rechtssache Sporting Odds. Zwar ist im Bereich der Glücksspiele grundsätzlich jede nationale Beschränkung gesondert darauf zu prüfen, „ob sie geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels oder der Ziele zu gewährleisten, die von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemacht werden, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist.“1737 Unterschiedliche Regelungssysteme in unterschiedlichen Glücksspielsektoren führen daher per se nicht zu einem Wegfall der Rechtfertigung der Beschränkung.1738 Jedoch besteht dann ein Widerspruch zu Art. 56 AEUV, „wenn festgestellt wird, dass die zuständigen Behörden in Bezug auf andere Glücksspiele als die, die dem staatlichen Monopol unterliegen, eine Politik verfolgen, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, was zur Folge 1733  EuGH

NVwZ 2010, 1422 (1425 f.). NVwZ 2010, 1409 (1415). 1735  EuGH NVwZ 2010, 1409 (1416). 1736  Vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 10a Rn. 72. 1737  EuGH BeckRS 2018, 1963 Rn. 22. 1738  EuGH BeckRS 2018, 1963 Rn. 23. 1734  EuGH

424 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

hat, dass das der Errichtung dieses Monopols zugrundeliegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann“.1739 Wie aus der Verwendung der gleichen Satzbausteine ersichtlich wird, hält auch der EuGH 8 Jahre nach seiner Entscheidung in der Rechtssache Carmen Media weiterhin an seiner Rechtsprechung fest. Es kommt daher nicht nur auf die Regulierung in einem Glücksspielsektor an, dieser darf vielmehr auch nicht durch die Tätigkeiten in anderen Sektoren konterkariert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass hierdurch eine Verpflichtung zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamt­ kohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen besteht.1740 Insbesondere stellt sich diese Problematik unter dem Aspekt einer weiterhin gültigen Sonderregelung des Landes Schleswig-Holstein. Wie bereits erwähnt, erließ Schleswig-Holstein am 20.01.2011 ein eigenes Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels1741, das ab dem 01.01.2012 neben dem bestehenden GlüStV Geltung hatte. In dessen Umfang wurden wiederum auch Genehmigungen erteilt, wobei gem. § 19 GlSpielG‑SH z. B. auch eine Erlaubnis für Online-Casinos möglich war und auch erteilt wurde1742. Nach einer Änderung der Regierungsmehrheiten in Schleswig-Holstein trat das Land dann am 24.01.2013 aber auch dem nun geltenden Glücksspielstaatsvertrag bei.1743 Das bis dahin geltende GlSpielG‑SH wurde mit Wirkung zum 8. Februar 2013 durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrecht­ licher Gesetze vom 1. Februar 2013 aufgehoben.1744 Hinsichtlich der bis dahin von Schleswig-Holstein erteilten Genehmigungen ordnete das Land aber eine partielle Weitergeltung des GlSpielG-SH an.1745 Problematisch war also, dass innerhalb Deutschlands sowohl eine Regelung dahingehend bestand, Online-Casinos legal zu betreiben, wohingegen in anderen Teilen Deutschlands diese weiterhin gem. § 4 IV GlüStV nicht genehmigungsfähig waren. 1739  EuGH 1740  Vgl.

BeckRS 2018, 1963 Rn. 24. BVerwG NVwZ 2018, 895 (900); Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018,

21 (28). 1741  GVOBl. S-H 2011, 280. 1742  https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/G/gluecksspiel/_docu ments/onlineCasinospiele.html, abgerufen am: 06.10.2020. 1743  Art. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Ersten Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster GlüÄndStV AG), GVOBl. S-H 2013, S. 64. 1744  GVOBl. S-H 2013, S. 64, 69. 1745  So lautet Art. 4 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze vom 1. Februar 2013 (GVOBl. S-H 2013, S. 69: „§ 31 Glücksspielgesetz gilt fort. Das Glücksspielgesetz findet mit Ausnahme der § 20 Abs. 7 und § 23 Abs. 7 Satz 4 und 5 weiter Anwendung, soweit auf seiner Grundlage bereits Genehmigungen erteilt worden sind.“



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 425

Mit dieser Konstellation hat sich der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Digibet ausführlich befasst und dennoch die Geeignetheit des GlüStV unter diesem Aspekt nicht per se verneint. Besonderheit ist nämlich, dass es im Gegensatz zur Entscheidung Carmen Media „nicht um das Verhältnis und die etwaige Pflicht zur vertikalen Koordinierung zwischen den Behörden des betroffenen Bundeslands und den Bundesbehörden geht, sondern um das horizontale Verhältnis zwischen den Bundesländern mit eigenen Gesetzgebungsbefugnissen im Rahmen eines föderal strukturierten Mitglied­ staats.“1746 Wichtiges Kriterium, weshalb keine Inkohärenz besteht, ist insbesondere, dass eine „etwaige Beeinträchtigung der Kohärenz […] zeitlich und räumlich auf ein Bundesland begrenzt war“.1747 Unterschiedliche Regelungen in den Ländern lassen daher nicht die Kohärenz einer Beschränkung entfallen. Wichtig ist jedoch, dass sich die unterschiedlichen Regelungen in ihrem Geltungsbereich nicht überschneiden. Solange jeweils für den Bürger ersichtlich ist, an welche Regelung er sich zu halten hat, ist kein Verstoß gegen Unionsrecht gegeben.1748 Hiervon zu unterscheiden ist das Verhältnis Bund-Länder im Rahmen der Glücksspielregulierung, also wenn die Regulierung von verschiedenen Glücksspielen in verschiedene Zuständigkeiten fällt, z. B. Pferdewetten und gewerbliches Automatenspiel durch den Bund, das restliche Glücksspiel durch die Länder. Diesbezüglich stellt der EuGH klar, dass sich ein Mitgliedstaat „nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn u. a. nicht davon entbinden, den genannten Verpflichtungen nachzukommen“.1749 Das Unionsrecht steht zwar einer Zuständigkeitsteilung nicht entgegen, jedoch verpflichtet diese dann die einzelnen Gesetzgeber im Rahmen des Mitgliedstaats dazu, die Ausübung ihrer Zuständigkeiten dementsprechend zu koordinieren.1750 Zusammenfassend ist daher für die Prüfung heranzuziehen, ob nicht die Regelung in einem Glücksspielbereich die Regulierung im Rahmen eines anderen Glücksspielbereichs zunichtemacht.

1746  EuGH

EuZW 2014, 628 (630). EuZW 2014, 628 (630). 1748  Michl, EuZW 2014, 630 (631). 1749  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1425). 1750  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1425). 1747  EuGH

426 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

(aa) Heranziehung des gewerblichen Automatenspiels Auffällig wiederum ist, dass das BVerwG lediglich eine Prüfung der §§ 4 IV, V GlüStV anhand der Lotterien und Sport- bzw. Pferdewetten vornimmt.1751 Jedoch bezog der EuGH in seiner Entscheidung zur Rechtssache Carmen Media Group ebenso die Automatenspiele und die Casinospiele mit ein.1752 Zutreffend weist Schenke darauf hin, dass hier gerade auch ein Interessenkonflikt besteht, da der Staat nicht als „neutraler Regulator“ auftritt, sondern dieser vielmehr als zumindest finanziell Teilhabender an den Spielbanken, in die die Spieler kanalisiert werden sollen1753, auch ein fiskalisches Interesse hat.1754 Im Rahmen der Spielbanken wird aber gerade das sog. „große Spiel“ mit Blackjack, Roulette und Poker angeboten, aber auch das sog. „kleine Spiel“, was insbesondere Geldspielautomaten beinhaltet. Hierbei ist zunächst die aktuelle Regulierungssituation im Bereich der Automatenspiele zu betrachten. Im Bereich der Automatenspiele ist als Besonderheit zu beachten, dass wiederum der Bund für die Glücksspielautomaten als solche zuständig ist und hierzu sowohl in den §§ 33c ff. GewO als auch in der SpielV Regelungen aufgestellt hat. Gem. § 1 SpielV dürfen Spielgeräte, bei denen der Gewinn in Geld besteht (Geldspielgerät), nur in Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, oder in Beherbergungsbetrieben, in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen oder in Wettannahmestellen der konzessionierten Buchmacher nach § 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes aufgestellt werden, es sei denn, in der Wettannahmestelle werden Sportwetten vermittelt. Andererseits fallen die Spielhallen, in denen sich die Automaten zumeist befinden, in die Zuständigkeit der Länder, vgl. Art. 74 I Nr. 11 a. E. GG. Wie bereits oben erwähnt, steht das Unionsrecht zwar einer Zuständigkeitsteilung nicht entgegen, jedoch verpflichtet dieses dann die einzelnen Gesetzgeber im Rahmen des Mitgliedstaats dazu, die Ausübung ihrer Zuständigkeiten dementsprechend zu koordinieren.1755 Diesbezüglich erfolgten seitens der Landesgesetzgeber im Rahmen des GlüStV mehrere Regelungen zur Einschränkung der Spielhallen gem. §§ 24 ff. GlüStV, deren Verfassungsmäßigkeit auch jüngst das BVerfG bejaht hat.1756 Diese Regulierung der Spielhallen hatte nun jedoch eine Ausweichebenso kritisch Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (30). NVwZ 2010, 1422 (1425). 1753  Vgl. Bay. LT-Drs. 16/11995, S. 20. 1754  Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (30); Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 142). 1755  EuGH NVwZ 2010, 1422 (1425). 1756  BVerfG NVwZ 2017, 1111. 1751  Hierzu 1752  EuGH



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 427

bewegung zu sog. „Café-Casinos“ zur Folge1757, mit dem Ergebnis, dass hier z. B. die für die Spielhallen geltenden Vorschriften für Jugendschutz etc. des GlüStV gerade nicht anwendbar und zu befolgen sind, sondern lediglich die der SpielV. Bereits aus diesem Aspekt ist fraglich, ob der momentane Glücksspielstaatsvertrag kohärent auf die von ihm formulierten Ziele ausgerichtet ist.1758 Hinzu kommt, dass die Landeslotteriegesellschaften durch die Einführung von Sofortlotterien und Online-Games einen weiteren kritischen Punkt beisteuern. Unter dem Aspekt einer kohärenten Orientierung an den Zielen der Bekämpfung der Glücksspielsucht und der Kanalisierung ist daher der Schritt, „Automatenspiele“ im Rahmen der Lotteriegesellschaften online anzubieten, von einer ganz neuen Qualität. Der Gesetzgeber verbietet im Ergebnis zum einen das Automatenspiel online gem. § 4 IV GlüStV und will damit eine Kanalisierung in die Spielbanken erreichen, bei denen er zumindest auch ein finanzielles Eigeninteresse hat1759, bietet aber zugleich im Rahmen der Landeslotteriegesellschaften Online-Games an, die de facto einen Online-Vertrieb von Automatenspielen darstellen, der allen anderen Marktteilnehmern verboten ist. Es erfolgt seitens des Gesetzgebers in diesem Sektor also zusätzlich eine expansive Politik, die das Totalverbot von OnlineCasinos gerade konterkariert, da die Landeslotteriegesellschaften das „kleine Spiel“ der Spielbanken in diesem Fall gerade über das Internet eröffnen. (bb) D  urchgängiger Verstoß der Landeslotteriegesellschaften gegen § 4 IV GlüStV Ein weiter zu beachtender Aspekt ist, dass die Landeslotteriegesellschaften selbst durchgängig gegen die Norm des § 4 IV GlüStV verstoßen.1760 Gem. des ausdrücklichen Wortlauts von § 4 IV GlüStV ist das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Einzig besteht gem. § 4 V GlüStV abweichend von Absatz 4 eine Erlaubnismöglichkeit der Länder für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet. Diesbezüglich ist aber der genaue Wortlaut des § 4 V GlüStV zu beachten. Lediglich der „Eigenvertrieb“ und die „Vermittlung“ von Lotterien im Inter1757  Vgl. Hoenig/Ismar, Deutschland öffnet Tor zur „Glücksspielhölle“, abrufbar unter: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Deutschland-oeffnet-Tor-zur-Gluecksspielhoellearticle20457438.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1758  In diese Richtung Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (30). 1759  Vgl. BVerfG NVwZ 2017, 1111 (1118 Rn. 142). 1760  Vgl. Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (31 f.), der die „Rechtsgrundlage für diese Durchbrechung des Online-Verbots“ in Frage stellt.

428 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

net sind erlaubnisfähig. Im Gegensatz zu den Sportwetten ist gerade nicht die Veranstaltung einer Lotterie im Internet gem. § 4 V GlüStV erlaubnisfähig. Bereits begrifflich ist der Terminus des „Eigenvertriebs“ ein anderer als der des „Veranstaltens“ im Internet.1761 Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man wiederum unter dem Vertrieb eine „Art des Vollzugs“ der Veranstaltung.1762 In Abgrenzung zur Vermittlung ist unter Eigenvertrieb vielmehr der Vertrieb durch den Veranstalter selbst gemeint, ohne dass es der Zwischenstufe eines Vermittlers bedarf.1763 Nachdem aber § 4 V GlüStV lediglich die Vermittlung und den Eigenvertrieb von Lotterien im Internet erlaubt und im Umkehrschluss zu den Sportwetten nicht die Veranstaltung von diesen im Internet gehört, ist immer zwingend erforderlich, dass die angebotene Lotterie „offline“, also analog stattfindet.1764 Denn nur in diesem Fall liegt zwar nicht die Veranstaltung online vor, aber der (Eigen)Vertrieb, was wiederum von § 4 V GlüStV erfasst wäre. Eine Veranstaltung von Lotterien online ist daher gerade nicht gem. § 4 V GlüStV erlaubnisfähig, es bleibt beim Verbot des § 4 IV GlüStV. Genau hier liegt aber der Verstoß von Lotto Hessen. Die von dieser an­ gebotenen Online-Games sind ausschließlich online spielbar, ein analoges Spiel, also „offline“, wie bei Rubellosen oder sonstigen Lotterien, findet bei diesen gerade nicht statt. Indem Lotto Hessen die Spiele aber online anbietet, veranstaltet Lotto Hessen eine Lotterie online, dies ist aber gerade nicht gem. § 4 V GlüStV erlaubnisfähig. Im Umkehrschluss bedeutet dies also, dass Lotto Hessen mit seinen Online-Games gegen § 4 IV GlüStV verstößt. Wenn sich aber bereits die staatlich kontrollierten Akteure nicht an das in § 4 IV GlüStV verankerte Vertriebsverbot halten, so ist nicht ersichtlich, dass die Vorschrift kohärent zur Zielerreichung führen sollte.1765 (cc) Werbemaßnahmen des DTLB Wie bereits im Bereich der Lotterien herausgearbeitet, übersteigen die Werbemaßnahmen im Bereich der Lotterien das zulässige Maß einer auf das Ziel der Suchtbekämpfung ausgerichteten Regulierung. Die Bürger werden mehr zum Glücksspiel motiviert, als dass die bereits zum Spiel entschlossenen in die legalen Glücksspielangebote kanalisiert werden. Das Lotteriemonopol ist nicht unionsrechtskonform, da die das Lotteriemonopol statuieren1761  Dietlein/Hecker/Ruttig//Postel,

§ 4 Rn. 85. § 4 GlüStV Rn. 142. 1763  Dietlein/Hecker/Ruttig//Postel, § 4 Rn. 85; Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/ Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 142. 1764  Dietlein/Hecker/Ruttig//Postel, § 4 Rn. 85. 1765  Ebenso Schenke, ZfWG Sonderbeilage 4/2018, 21 (31 f.). 1762  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze,



D. Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele und Online-Poker 429

den Regelungen als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht kohärent die von ihnen angedachten Ziele verfolgen, weshalb es an der Geeignetheit der Beschränkung und damit an deren Rechtfertigung fehlt.1766 Ausdrücklich erklärt der EuGH, dass es einen Widerspruch zu Art. 56 AEUV darstellen kann, „wenn die zuständigen Behörden in Bezug auf andere Glücksspiele als die, die dem staatlichen Monopol unterliegen, eine Politik verfolgen, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, was zur Folge hat, dass das der Errichtung dieses Monopols zugrunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann.1767“ Genau dieser Fall ist aber vorliegend gegeben. Die staatlichen Werbemaßnahmen im Bereich der Lotterien übersteigen das zulässige Maß, darüber hinaus gleichen sich die Spiele der Landeslotteriegesellschaften immer weiter den Automatenspielen an. Das Ziel der Bekämpfung der Spielsucht durch § 4 IV, V GlüStV wird gerade durch den tatsächlichen Vollzug durch die Landeslotteriegesellschaften konterkariert, was im Ergebnis einen Widerspruch zu Art. 56 AEUV nach sich zieht. (c) Ergebnis Aufgrund der umfassenden Werbemaßnahmen der Landeslotteriegesellschaften, der Einführung von de facto Automatenspielen in ihr Online-Portfolio und der weiterhin gescheiterten Regulierung der gewerblichen Automatenspiele ist hinsichtlich des Internetvertriebsverbots in §§ 4 IV, V GlüStV die horizontale Kohärenz und damit die Geeignetheit zu verneinen. Es ist gerade nicht in seiner Ausgestaltung und praktischen Umsetzung in tatsächlicher Art und Weise dazu geeignet, die gem. § 1 GlüStV verfolgten Ziele in systematischer und kohärenter Art und Weise zu erfüllen. cc) Erforderlichkeit Abschließend hätte die staatliche Regelung darüber hinaus noch erforderlich zu sein. Die Beschränkungen dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels erforderlich ist.1768 Sie dürfen zu 1766  Vgl.

S.  351 ff. BeckRS 2018, 1963 Rn. 24, 31; NVwZ 2010, 1422 (1425). 1768  EuGH NJW 2004, 139 (141). 1767  EuGH

430 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

den mit ihnen verfolgten Zielen nicht außer Verhältnis stehen.1769 Der Prüfungspunkt der Erforderlichkeit schließt den aus dem Verfassungsrecht bekannten Prüfungspunkt der Angemessenheit mit ein.1770 Es ist „Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten im Glücksspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen.“1771 Auch hat die Tatsache, „dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit“.1772 Insbesondere ergibt sich diesbezüglich Kritik dahingehend, dass der Gesetzgeber seiner Darlegungspflicht hinsichtlich der Erforderlichkeit nicht nachkam, vor allem sei nicht ersichtlich, warum er nicht auch die Ziele des § 1 GlüStV mit einem Erlaubnismodell bei Online-Casinospielen oder Online-Poker hätte erreichen können.1773 Auch veranschauliche die zuvor in Schleswig-Holstein gegebene Regelung für Online-Casinospiele, dass dies eine mögliche Form der Regulierung gewesen wäre.1774 Diesbezüglich gilt aber das Gleiche wie bereits im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit erläutert.1775 Es ist gerade nicht erwiesen, dass der Spielerschutz in gleicher Weise gewährleistet wäre, wenn der Gesetzgeber den Vertriebszweig weiter öffnen würde, insbesondere droht im Rahmen einer zahlenmäßig unbegrenzten Öffnung immer ein Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern, der Wettbewerb würde dann schlicht nach Marktkriterien stattfinden und nicht anhand der Kriterien des Spielerschutzes.1776 Auch der Vergleich mit Schleswig-Holstein überzeugt nicht. Nach Auffassung von Schleswig-Holstein gibt es keine Anzeichen dafür, dass die dem Regulierungskonzept der Kanalisierung folgende Kanalisierungswirkung bei der Zulassung legaler Angebote im Bereich Online-Casino nicht greifen sollte.1777 Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass aufgrund der 1769  EuGH

NJW 2004, 139 (141).

1770  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff,

Art. 45 AEUV Rn. 377. NVwZ 2010, 1422 (1426); EuZW 2014, 597 (599); NVwZ 2014, 1001 (1002); BeckRS 2017, 113944 Rn. 37. 1772  EuGH EuZW 2011, 841 (848). 1773  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 133. 1774  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 134. 1775  Siehe hierzu S. 393 ff. 1776  Vgl. Janich, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 155 f. hinsichtlich der Thematik der zahlenmäßig beschränkten Konzessionsvergabe. 1777  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 32 Fn. 61. 1771  EuGH



E. Endergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 431

kurzen Geltungsdauer des Glücksspielgesetzes in Schleswig-Holstein keine abschließende wissenschaftliche Bewertung von diesem vorliegt.1778 Aus Sicht des Landes Schleswig-Holsteins ergibt sich aber aus den dort gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen, „dass eine Überwachung genehmigter Anbieter in den Bereichen Online-Casinospiele und Poker als auch Sportwetten durch eine Glücksspielaufsichtsbehörde möglich ist.“1779 Zu beachten ist aber in diesem Zusammenhang, dass trotz Auslaufens der Lizenzen die Anbieter nicht etwa – wie sie gesetzlich verpflichtet gewesen wären – ihr Angebot vorerst in Schleswig-Holstein eingestellt haben, sondern dieses schlicht weiterlaufen ließen, was in praktischer Hinsicht Zweifel aufwirft, ob die Öffnung für private Anbieter überhaupt gleich effektiv ist, da diese, sobald eine Begrenzung ihrer Tätigkeit kommt, offensichtlich sich dem versperren.1780 Zumindest aber fehlt es den Gesetzgebern diesbezüglich an genügend empirischen Befunden hinsichtlich einer gleichen Geeignet­ heit,1781 weshalb auch im Rahmen der Erforderlichkeit nicht von einem gleich geeigneten Mittel ausgegangen werden kann. dd) Ergebnis Mangels Geeignetheit des Onlinevertriebsverbots stellen die Regelungen gem. §§ 4 IV, V GlüStV eine ungerechtfertigte Beschränkung der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit dar und sind demnach unionsrechtswidrig, was aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts1782 zur Folge hat, dass die beschränkende Vorschrift keine Anwendung findet.

E. Endergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Wie herausgearbeitet, stellt sich der Großteil der Regulierung im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar he­ 1778  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 33. 1779  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 33. 1780  Vgl. Weichert, Grauzone Online-Glücksspiel: Schleswig-Holstein will Lizenz verlängern, abrufbar unter: https://www.stern.de/politik/deutschland/grauzone-onlinecasinos--schleswig-holstein-will-lizenz-verlaengern--8621986.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 1781  Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV, S. 33 f. 1782  Vgl. statt vieler Streinz, Art. 4 EUV Rn. 35 ff.

432 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

raus, was im Ergebnis zur Unanwendbarkeit der beschränkenden Vorschriften führt. Dies bedeutet, dass die Vorschriften hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit aufgrund deren Unionsrechtswidrigkeit nicht weiter zu beachten sind. Hingegen normiert § 4 I 1 GlüStV weiterhin einen Erlaubnisvorbehalt. Wie bereits herausgearbeitet, ist der Erlaubnisvorbehalt gerade nicht „monopolakzessorisch“. § 4 I 1 GlüStV regelt vielmehr, dass (fast) immer eine Erlaubnis nötig ist, dies gilt sowohl für staatliche Anbieter als auch für Private. Die Erlaubnis des § 4 I 1 GlüStV bildet sozusagen die „Grunderlaubnis“, die um weitere zusätzliche Erlaubnisse erweitert werden kann. Damit aber der Erlaubnisvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV überhaupt Geltung erlangen kann, muss dieser mit höherrangigem Recht vereinbar sein. Jedoch ergeben sich diesbezüglich keine größeren Probleme. Indem § 4 I 1 GlüStV vom jeweiligen Anbieter zunächst verlangt, eine Erlaubnis einzuholen, bevor er seine Glücksspieltätigkeit ausüben kann, stellt die Regelung wiederum einen Eingriff in die in Art. 12 I GG verankerte Berufsfreiheit dar. Ebenso wird hierdurch die in Art. 56 AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit beschränkt. Jedoch ist diese Beschränkung in beiderlei Hinsicht gerechtfertigt. Der Erlaubnisvorbehalt dient den in § 1 GlüStV niedergeschriebenen Zielen als ordnungsrechtliches Instrumentarium.1783 Wie bereits mehrfach ausgeführt, handelt es sich hierbei sowohl im verfassungsrechtlichen Sinne um „legitime Ziele“ als auch im unionsrechtlichen Sinne um „zwingende Gründe des Allgemeinwohls“, die zu einer Rechtfertigung herangezogen werden können. Auch ist der Erlaubnisvorbehalt geeignet, da hierdurch ein Kanalisierungseffekt erreicht wird, mit dem das Angebot an Glücksspielen beschränkt und die Transparenz des Spielbetriebs gefördert wird, denn durch die vorherige Prüfung durch die zuständigen Landesbehörden im Erlaubniserteilungsverfahren werden diese in die Lage versetzt, unmittelbar Einfluss auf die Zahl und die Personen der auf dem Glücksspielmarkt tätigen Veranstalter und Vermittler zu nehmen und auch von vornherein zu untersuchen, ob der jeweilige Anbieter die Voraussetzungen des GlüStV erfüllt.1784 Auch bestehen diesbezüglich keine Zweifel an der Kohärenz dieser Regelung, sie gilt für alle Anbieter und ist unabhängig von der Erlaubnisfähigkeit anzuwenden. Ebenso bestehen keine Zweifel an dessen Erforderlichkeit. Als milderes Mittel käme eine Zulassung ohne vorherige verwaltungsbehördliche Kon­ 1783  BVerwG NVwZ 2011, 549 (553); Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 19. 1784  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1340); BVerwG NVwZ 2011, 549 (553); Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 19.



E. Endergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 433

trolle in Betracht. Jedoch ist diesbezüglich die gleiche Geeignetheit zu verneinen. Eine bloße gewerberechtliche Überwachung des laufenden Geschäftsbetriebs – und damit ein repressives Vorgehen – hat nicht dieselbe Effizienz wie eine präventive Zulassungskontrolle.1785 Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass die zuständigen Landesbehörden nur im Falle eines förmlichen Erlaubnisverfahrens einen genauen Überblick über den Kreis der tätigen Glücksspielveranstalter und -vermittler erhalten können.1786 Auch ist der Ausschluss eines Anspruchs auf Erlaubnis gem. § 4 II 3 GlüStV erforderlich, da nur hierdurch gewährleistet werden kann, dass nur eine bestimmte Anzahl von Anbietern zugelassen werden kann, da ansonsten die Gefahr einer unbegrenzten Ausweitung der Anbieter folgen könnte, was nicht gleich geeignet wäre.1787 Gleiches gilt auch für die Frage der Erforderlichkeit im Unionsrecht. Auch die Angemessenheit im verfassungsrechtlichen Sinne ist vom BVerfG nicht beanstandet worden.1788 „Das in § 4 I GlüStV […] verankerte Prinzip eines generellen Verbots mit Erlaubnisvorbehalt steht in einem angemessenen Verhältnis zu den grundrechtlich geschützten Belangen […]. Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Gemeinwohlinteressen, vor allem die Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht mit ihren bedenklichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Betroffenen, sind derart gewichtig, dass sie die mit einem Erlaubnisvorbehalt verbundenen Beschränkungen für Glücksspielveranstalter und -vermittler zu rechtfertigen vermögen. Dies gilt auch für die Regelung des 4 I 3 GlüStV, wonach auf die Erteilung der Erlaubnis kein Rechtsanspruch besteht.“1789 Eine derartige Einschätzung des nationalen Gesetzgebers ist auch vom im Unionsrecht gewährleisteten Ermessensspielraum des Mitgliedstaats gedeckt.1790 An diesem Befund hat sich auch in der Vergangenheit nichts geändert. Es erfolgte keine Änderung seitens des Gesetzgebers zur Thematik der Erlaubnisbedürftigkeit, vielmehr betrafen alle Änderungen des GlüStV lediglich die nachgelagerte Frage der Erlaubnisfähigkeit.

1785  BVerfG

NVwZ 2008, 1338 (1342). NVwZ 2008, 1338 (1342). 1787  Vgl. BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1788  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1789  BVerfG NVwZ 2008, 1338 (1342). 1790  Streinz/Liesching/Hambach/Bolay/Pfütze, §  4 GlüStV Rn.  19; vgl. EuGH NVwZ 2010, 1422 (1423); EuGH EuZW 2000, 148 (150 Rn. 35 f.); EuGH EuZW 2000, 151 (153 Rn. 33 f.). 1786  BVerfG

434 Teil 3: Glücksspielverwaltungsrecht in Bezug auf verschiedene Angebotsformate

Am Erfordernis einer Erlaubnisbedürftigkeit gem. § 4 I 1 GlüStV ist daher trotz der oben genannten Ergebnisse festzuhalten. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Regelungen des GlüStV hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit von Glücksspielen zum Großteil bereits gegen höherrangiges Recht verstoßen. Insbesondere schlägt dies in einem Glücksspiel im Sinne einer horizontalen Kohärenz auch auf die anderen Glücksspielsektoren durch, weshalb im Ergebnis die Regelungen zur Erlaubnisfähigkeit insgesamt als zumindest unionsrechtswidrig zu betrachten sind.

Teil 4

Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung Unter Zugrundelegung dieses Ergebnisses ist wiederum in einem nächsten Schritt zu untersuchen, wie sich dieses auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Anbieter auswirkt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Erlaubnisvorbehalt als solcher in § 4 I 1 GlüStV bzw. § 4a I 1 GlüStV mit höherrangigem Recht vereinbar ist, wohingegen die jeweiligen Vorschriften hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit wiederum nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Die konkrete Frage lautet daher, ob es im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „ohne behördliche Erlaubnis“ im Rahmen des § 284 I StGB darauf ankommt, dass keine Erlaubnis im Sinne des § 4 I 1 GlüStV besteht, oder ob hier von Einfluss ist, dass keine Erlaubnisfähigkeit bestand. Ebenso ist zu fragen, ob es einen Unterschied macht, ob der jeweilige Anbieter zuvor eine Erlaubnis beantragt hat. Ferner stellt sich die Frage, ob in dieser Konstellation eine Erlaubnis eines EU-Mitgliedstaats genügt.

A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des Geltungsbereichs des GlüStV Ausgangslage der Betrachtung ist, dass für private Wirtschaftsteilnehmer aufgrund unionsrechtswidriger Vorschriften bisher keinerlei Erlaubniserteilung im Rahmen des GlüStV erfolgte. Unstreitig ist, dass eine Lizenz von außerhalb der EU, also aus einem Nicht-EU-Staat, keine Legalisierungswirkung innerhalb Deutschlands nach sich ziehen kann.1 Hingegen erfolgten sowohl in Schleswig-Holstein als auch in anderen Mitgliedstaaten Genehmigungserteilungen an die jeweiligen Anbieter von Glücksspielen.

1  MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 21; NK-StGB/Gaede, § 284 StGB Rn. 22; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 Rn. 29; BGH BeckRS 2011, 27465 Rn. 83; OLG Hamburg NJW-RR 2003, 760 (761); VGH Kassel NVwZ 2005, 99 (99 Leitsatz 2); VGH Mannheim BeckRS 2005, 22122.

436

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

I. Zählt eine Erlaubnis aus Schleswig-Holstein als Erlaubnis im Rahmen des § 284 StGB? Daher stellt sich zunächst die Frage, welche Auswirkungen die Erlaubnis aus Schleswig-Holstein für die Strafbarkeit eines Online-Anbieters hat, der außerhalb von Schleswig-Holstein sein Glücksspielangebot im Internet offeriert. Wiederum gibt hierbei § 4 I 1 GlüStV ausdrücklich vor, dass öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden dürfen. Maßgeblich ist demnach im Rahmen des § 4 I 1 GlüStV, ob dort, wo das Glücksspiel veranstaltet wird, also gem. § 3 IV GlüStV dort, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird, der jeweilige Veranstalter über eine Erlaubnis der jeweils zuständigen Landesbehörde verfügt. Gem. §§ 4, 2 des Glücksspielgesetzes-SH2 beschränkt sich der Anwendungsbereich des Gesetzes und seiner Regelungen auf Glücksspiele „im Geltungsbereich dieses Gesetzes, soweit sie nicht bereits bundesrechtlich geregelt sind.“ Der Geltungsbereich eines Landesgesetzes beschränkt sich aber auf den Bereich des jeweiligen Bundeslandes, eine legalisierende Wirkung darüber hinaus ist aber gerade nicht durch ein einzelnes Bundesland möglich, vielmehr berechtigen die Erlaubnisse in Schleswig-Holstein nur zu einem Tätigwerden in Schleswig-Holstein und nicht in den übrigen Bundesländern.3 Nichts anderes ergibt sich aus § 28 GlüStV.4 Aufgrund gesetzgeberischer Anordnung ist ein Glücksspiel in Schleswig-Holstein gem. § 3 VIII des Glücksspielgesetzes-SH an dem Ort veranstaltet5, an dem der Veranstalter seinen Sitz hat. Erfolgt der Vertrieb des Glücksspiels online, so ist der Ort des Vertriebs gem. § 3 IX 4 des Glücksspielgesetzes-SH dort, wo der Spieler seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Das hiermit ein Widerspruch zu § 3 IV GlüStV vorliegt, wonach maßgeblicher Ort der Ort der Möglichkeit der Teilnahme ist, ist offensichtlich. Das Glücksspielgesetz aus Schleswig-Holstein erweitert also dessen Anwendung faktisch über die Landesgrenzen hinaus aus, was im Ergebnis eine Verletzung der Hoheitsgewalt der anderen Bundesländer 2  SH

GVOBl. 2011, 280 ff. Einf. Rn. 7; vgl. Streinz/Liesching/Hambach/Riege, § 3 GlüG SchlH Rn. 45 ff.; OVG Saarlouis, Beschluss vom 17. Juli 2015 – 1 B 50/15 –, Rn. 13, juris; VG Berlin, Beschluss vom 17. September 2015 – 23 L 75.15 –, Rn. 35, juris; vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 04. Juli 2014 – 27 L 1578/13 –, Rn. 28, juris; OVG Münster, Urteil vom 25. Februar 2014 – 13 A 2018/11 – Rn. 185, juris. 4  OVG Saarlouis, Beschluss vom 17. Juli 2015 – 1 B 50/15 –, Rn. 15. 5  Obwohl erneut zu beachten ist, dass die glücksspielverwaltungsrechtliche Definition des Veranstaltungsortes durch ein Landesgesetz nicht per se zur bundesrechtliche Frage des Tat- bzw. Erfolgsorts gem. §§ 3, 9 I StGB herangezogen werden kann, vgl. S.  60 ff. 3  Dietlein/Hecker/Ruttig,



A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des GlüStV437

darstellen könnte.6 Eine Spielteilnahme an einem Glücksspiel online durch einen Spieler mit Wohnsitz in Schleswig-Holstein aber Spielteilnahme in Bayern ist zwar nicht illegal nach dem Landesrecht des Landes SchleswigHolstein, wäre es aber nach dem Recht des Landes Bayern, da hier keine Erlaubnis besteht bzw. auch, weil die Erlaubnis des Landes Schleswig-Holstein über die Landesgrenzen hinaus keine bindende Wirkung entfaltet.7 Eine legalisierende Wirkung einer Lizenz aus Schleswig-Holstein ist daher über Schleswig-Holstein hinaus nicht gegeben, selbst wenn der jeweilige Spieler Staatsbürger von Schleswig-Holstein ist. Dieses Ergebnis stellt auch keinen Widerspruch zur Rechtslage bei Lizenzen aus dem EU-Ausland dar, da der zugrundeliegende Sachverhalt ein anderer ist. Die Lizenz des Landes Schleswig-Holstein ist räumlich begrenzt auf den Geltungsbereich dieser Lizenz, dies ergibt sich bereits, wie oben verdeutlicht, aus der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers. Im Bereich des Landes Schleswig-Holstein entfaltet die Lizenz Legalisierungswirkung. Diese Legalisierungswirkung in Schleswig-Holstein ist auch von den anderen Bundesländern – insbesondere auch von Strafverfolgungsorganen – zu berücksichtigen; dies ergibt sich bereits unter Berücksichtigung des Prinzips der Bundestreue.8 Jedoch drängt sich dann die Frage auf, ob sich der in Anbieter mit Sitz in Schleswig-Holstein gem. § 284 I StGB strafbar macht, wenn er Spielern in Bayern aber mit gewöhnlichen Aufenthalt in Schleswig-Holstein die Spielteilnahme eröffnet; im Ergebnis verstößt der Anbieter gegen den in Bayern Geltung habenden GlüStV. Dies ist zu bejahen, der jeweilige Anbieter in Schleswig-Holstein handelt in diesem Fall gerade ohne die nach dem Glücksspielverwaltungsrecht erforderliche Erlaubnis der jeweiligen Glücksspiel­ aufsichtsbehörde, die dieser zwingend benötigen würde. Die Erlaubnis aus Schleswig-Holstein entfaltet in Bayern gerade keine Legalisierungswirkung, vielmehr würde der jeweilige Anbieter auch für Bayern eine (zusätzliche) Erlaubnis benötigen. Meist wird jedoch die Strafbarkeit des Glücksspielanbieters am notwendigen Vorsatz im Hinblick auf die nicht bestehende behördliche Erlaubnis scheitern,9 da diese zunächst den Spieler auffordern, zu bestätigen, dass er aus Schleswig-Holstein auf die Seite zugreift.10 6  Streinz/Liesching/Hambach/Riege,

§ 3 GlüG SchlH Rn. 71. zu diesem Widerspruch, Streinz/Liesching/Bolay/Pfütze, § 4 GlüStV Rn. 33 und Streinz/Liesching/Hambach/Riege, § 3 GlüG SchlH Rn. 69, 123. 8  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf. Rn. 7; OVG Saarlouis, Beschluss vom 17. Juli 2015  – 1 B 50/15 –, Rn. 13, juris. 9  Vgl. hierzu BeckOK-StGB/Hollering, §  284 Rn. 39; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 30. 10  Obwohl sich hier dann die Folgefrage stellt, ob der jeweilige Veranstalter darauf vertrauen darf, wenn es sich hierbei sehenden Auges um eine Lüge handelt. 7  Vgl.

438

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Im Gegensatz hierzu besteht für die Anerkennung von Lizenzen aus EUMitgliedsstaaten keine per se einschlägige Rechtsgrundlage, die die Staats­ gewalt zu einer Anerkennung von diesen zwingen würde, wie nachfolgend auch dargestellt werden soll.

II. Berücksichtigung einer Erlaubnis aus dem EU-Ausland? Unter dem Aspekt der Unionsrechtswidrigkeit großer Teile des Glücksspielstaatsvertrags ist zu fragen, welche Auswirkungen Genehmigungen aus anderen Mitgliedstaaten der EU haben. 1. Erlaubnis aus dem EU-Ausland ist immer behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 StGB Zum einen wird vereinzelt eine generelle Anerkennung der Genehmigungen aus dem EU-Ausland von EU-Mitgliedstaaten angenommen. Diese Ansicht begründet sich daraus, dass die in Art. 56 I AEUV normierte Dienstleistungsfreiheit jegliche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs verbietet. § 284 I StGB verlangt aber lediglich eine Veranstaltung „ohne behördliche Erlaubnis“, die Norm trifft aber keine konkrete Aussage zu der Tatsache, von welcher Behörde diese stammen muss.11 Insbesondere gäbe es keine sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten, weshalb eine Erlaubnis einer deutschen Behörde gerade erforderlich wäre.12 So wird diesbezüglich häufig eine Entscheidung des OLG München zitiert, wonach „die Auffassung des AG, wonach als behördliche Erlaubnis i. S. des § 284 StGB auch eine Lizenz für die Tätigkeit eines Buchmachers anzusehen sei, die einem Zen­ tralveranstalter (Buchmacher) mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft nach dem Recht seines Mitgliedstaats erteilt wurde, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden“ sei.13

11  Vgl. Duesberg/Buchholz, NZWiSt 2015, 16 (19); Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 StGB Rn. 30; AnwK/Putzke/Putzke, § 284 Rn. 19; Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, 321 (325 f.); Duesberg JA 2008, 270 (271); OLG München NJW 2006, 3588 (3592) OLG München NJW 2008, 3151 (3155). 12  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 StGB Rn. 30; Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 90. 13  OLG München NJW 2006, 3588 (3589), wobei diesbezüglich zu beachten ist, dass sich die Entscheidung auf die Rechtslage nach der Entscheidung des BVerfG bezog, Dünchheim/Bringmann, ZfWG 2018, 502 (506).



A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des GlüStV439

2. Erlaubnis aus dem EU-Ausland genügt nicht Hingegen ist in jüngster Zeit ein Konsens dahingehend gegeben, dass das bloße Vorliegen einer Erlaubnis aus dem EU-Ausland nicht genügt, um das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ auszuschließen. Dies deckt sich auch mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH, im Bereich des Glücksspielrechts erfolgte bisher keine Harmonisierung im Rahmen der EU.14 Insbesondere die eventuell in Frage kommende Richtlinie Nr. 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt15 findet sowohl auf das Strafrecht gem. Art. 1 V als auch auf Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos und Wetten gem. Art. 2 II h) der Richtlinie keine Anwendung.16 Mangels derartiger Harmonisierung steht es auch jedem Mitgliedstaat frei, zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben.17 Aus der Einräumung von Wertungsspielräumen bei den Mitgliedstaaten und in Ermangelung jeglicher Harmonisierung des betreffenden Gebiets auf Gemeinschaftsebene kann es keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse geben.18 Da aber aus unionsrechtlicher Sicht keine Pflicht zur Anerkennung besteht, ist auch nicht per se eine Erlaubnis aus dem EU-Ausland im Sinne des § 284 I StGB als tatbestandsausschließend zu sehen, vielmehr ist im Grundsatz eine deutsche Erlaubnis nach dem GlüStV von Nöten.19 Dies ist auch systematisch mit der Rechtsprechung des EuGH zu vereinbaren. Im Rahmen mehrerer Entscheidungen wies der EuGH darauf hin, dass es von den nationalen Gerichten zu prüfen sei, ob es eine unverhältnismäßige Sanktion darstellt, wenn eine Strafe gegen einen Veranstalter verhängt wird, der zwar im EU-Ausland, aber nicht im Inland über eine Erlaubnis verfügt. Einer derartigen Prüfung bedürfte es aber gerade nicht, denn die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich nur, wenn nicht bereits die Lizen14  EuGH NJW 2009, 3221 (3223); NJW 1994, 2013 (2016); EuZW 2007, 209 (212). 15  Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CE LEX:32006L0123&from=DE, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 16  Dünchheim, ZfWG 2018, 82 (86). 17  EuGH NJW 2009, 3221 (3223); NJW 1994, 2013 (2016); EuZW 2007, 209 (212). 18  EuGH NVwZ 2010, 1409 (1417 Rn. 112); NVwZ-RR 2013, 959 (962); EuZW 2011, 841 (848); NK-StGB/Gaede, § 284 StGB Rn. 22; MüKo-StGB/Hohmann, § 284 Rn. 22; BeckOK-StGB/Hollering, § 284 StGB Rn. 38; SSW-StGB/Rosenau, § 284 Rn. 20. 19  BeckOK-StGB/Hollering, § 284 StGB Rn. 38; NK-StGB/Gaede, § 284 StGB Rn. 22.

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

zierung aus einem anderen Mitgliedstaaten die Strafbarkeit unionsrechtlich ausschließen würde.20 Darüber hinaus deckt sich dies auch mit der Gesetzeshistorie und der Systematik des StGB. Bereits aus den zugrundeliegenden Erwägungen des Gesetzgebers21 wird ersichtlich, dass dieser von einer in Deutschland zu erlangenden Erlaubnis ausgeht, indem er sich auf „kommerzielle Anbieter aus dem Ausland, deren Angebote nach deutschem Glücksspielrecht nicht genehmigungsfähig wären“ bezieht, ohne deren Erlaubnis im Ausland als ausreichend anzusehen.22 Auch zeigt sich durch die Systematik des StGB, dass der Gesetzgeber vom Erfordernis einer deutschen Erlaubnis ausging. So normiert der Gesetzgeber im Rahmen des § 330d II 1 StGB ausdrücklich, dass eine Genehmigung auf Grund einer Rechtsvorschrift des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder aufgrund eines Hoheitsakts des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, der einer deutschen Behörde gleichsteht, e contrario wäre aber diese besondere Normierung für den Bereich der Umweltdelikte überhaupt nicht nötig, wenn im Grundsatz eine Genehmigung aus dem EU-Ausland genügen würde.23 Ebenso steht dies mit der Rechtsprechung des BGH in Einklang, der die Erlaubnis einer inländischen Behörde fordert.24 3. Differenzierende Ansicht Ferner wird diesbezüglich eine differenzierende Ansicht vertreten. Ziel dieser Ansicht ist ein Ausgleich zwischen der einerseits durch die Grundfreiheiten garantierten grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit auf der einen und des innerstaatlichen Kontrollinteresses auf der anderen Seite.25 Daher sprechen sich mehrere Autoren für eine Anerkennung von ausländischen Erlaubnissen aus, soweit diese Erlaubnis zuvor in einem unionrechts20  Vgl. Dünchheim/Bringmann, ZfWG 2018, 502 (506); SSW-StGB/Rosenau, § 284 Rn. 20; VGH München, BeckRS 2009, 40987 mit Verweis auf OVG Magdeburg BeckRS 2008, 32750; so spricht der GA Wahl von „zwei Faktoren“, die zu prüfen sind, um herauszufinden, ob in nationalen Bestimmungen vorgesehenen Sanktionen mit den unionsrechtlichen Vorschriften über den freien Verkehr im Einklang stehen: 1. Müssen die Anforderung, auf die sich die Sanktion bezieht, ebenfalls mit Unionsrecht vereinbar sein. 2. Muss die Sanktion dann darüber hinaus verhältnismäßig sein. 21  Vgl. BT-Drs. 13/8587 S. 67. 22  Vgl. Dünchheim/Bringmann, ZfWG 2018, 502 (505). 23  Dünchheim/Bringmann, ZfWG 2018, 502 (505). 24  Dünchheim/Bringmann, ZfWG 2018, 502 (505); vgl. BGH MMR 2004, 529 (531); GRUR 2002, 636 (637). 25  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 StGB Rn. 30.



A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des GlüStV441

konformen, den wesentlichen Kontrollstandards des Inlands entsprechenden, Verfahren eines anderen Mitgliedstaats der Union erlassen wurde.26 Es gäbe keine sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten, weshalb eine Erlaubnis einer deutschen Behörde gerade erforderlich wäre.27 Denn in diesem Fall sei, unter Berücksichtigung des ultima-ratio Grundsatzes im Rahmen des Strafrechts, der Strafgrund nicht mehr gegeben, denn die wesentlichen Gefahren wären hier bereits durch die andere Erlaubnis gebannt.28 Dies sei bereits daher geboten, da die Thematik des Glücksspiels heute nicht mehr als „unmoralisch“ bzw. „sozialschädlich“ einzustufen sei und außerdem die Beschäftigung mit Glücksspiel einem natürlichen Spieltrieb in der Bevölkerung entspringt. Es sei daher bereits verfassungsrechtlich bedenklich, reinen „Verwaltungsungehorsam“ zu bestrafen.29 Auch ergäbe sich dies zum einen aus der in Art. 56 AEUV verbürgten Dienstleistungsfreiheit, zum anderen aber auch aus dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip.30 Diese hier geforderte „funktionale Äquivalenz“ würde demnach fehlen, wenn die Behörde des Mitgliedstaats, die die Erlaubnis erlassen hat, nicht die gleichen Kontrollstandards angewandt hätte, wie dies im Inland der Fall wäre, und daher auch keine Garantie liefern könnte für die mit die Einhaltung der mit der Erlaubnis im Inland verfolgten Ziele.31 Stellenweise wird dies noch insoweit verschärft, dass eine Anerkennung von anderen Erlaubnissen nicht in gewissem Maße positiv festgestellt werden müsse, sondern vielmehr nur dann wegfalle, wenn die ausländische Behörde besondere Risiken nicht hinreichend ausschließt und auch die wesentlichen inländischen Kontrollkriterien nicht erfüllt werden32, wobei bereits aus der Formulierung „besondere“, „nicht hinreichend“ und „wesentlichen“ ersichtlich wird, dass dies nur in Ausnahmefällen der Fall sein sollte.33

26  Sch/Sch/Heine/Hecker, §  284 StGB Rn. 30; Barton/Gercke/Janssen, wistra 2004, 321 (326), Hambach/Berberich; ZfWG 2015, 150 (153); AnwK/Putzke/Putzke, § 284 Rn. 19, SSW-StGB/Rosenau, § 284 Rn. 20; Petropoulos, wistra 2006, 332 (335 f.); Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 90. 27  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 StGB Rn. 30; Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 90. 28  Hambach/Berberich, ZfWG 2015, 150 (153); Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, 7 (10 f.). 29  Hambach/Berberich, ZfWG 2015, 150 (153); Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, 7 (10 f.). 30  Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 94. 31  Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 StGB Rn. 30. 32  Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 94. 33  Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 94.

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Die Tatsache, dass der EuGH keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen aussprach, ist im Rahmen des § 284 StGB ohne Bedeutung, denn nach dem Wortlaut des § 284 StGB ist nicht ersichtlich, wieso eine deutsche Genehmigung erforderlich sein sollte.34 4. Eigene Auffassung Jedoch vermag keine der genannten Theorien vollständig zu überzeugen. Sowohl die Ansicht, dass jegliche Erlaubnis eines Mitgliedstaats genügt, als auch die, die auf eine funktionale Äquivalenz abstellt, missachtet bereits die Intention des Bundesgesetzgebers bei Erlass des § 284 StGB. Dieser ging offensichtlich davon aus, dass gerade nur Erlaubnisse aus dem Inland eine Erlaubnis im Rahmen des § 284 StGB darstellen können.35 Auch der Gesichtspunkt, dass eine Erlaubnis aus einem Mitgliedstaat ebenso zuvor einer äquivalenten Kontrolle wie in Deutschland unterlag, vermag an diesem Befund nichts zu ändern, vielmehr besteht, wie vom EuGH entschieden, gerade keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen.36 Würde man nun aber auch eine „funktionale Äquivalenz“ genügen lassen, so würde wiederum den deutschen Behörden erneut die Kontrollmöglichkeit der Glücksspielanbieter genommen werden, vielmehr wäre es diesbezüglich notwendig, dass diese bei der Erlaubniserteilung auf die umfassende Kontrolle der anderen Mitgliedstaaten vertrauen. Ob sie dies aber wollen, ist gerade eine Frage des Ermessens der Mitgliedstaaten, es ist gerade „Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben“.37 Indem der deutsche Gesetzgeber implizit davon ausgeht, dass der „Schutz der betroffenen Interessen“ nur anhand einer Kontrolle durch die inländischen Behörden sichergestellt werden kann, ist dies aus unionsrechtlicher Sicht nicht zu kritisieren. Insbesondere aber eine Umkehr dieses Gedankens dahingehend, dass eine Erlaubnis aus dem EUAusland immer dann anzuerkennen sei, wenn nicht positiv festgestellt worden ist, dass die Kontrolle des jeweiligen anderen Mitgliedstaats nicht den Anforderungen der eigenen Kontrollkriterien entspricht38, würde den nationalen „Schutz der betroffenen Interessen“ verringern, da es dann den natio34  AnwK/Putzke/Putzke, 35  Vgl.

§ 284 Rn. 19; Sch/Sch/Heine/Hecker, § 284 StGB Rn. 30. BT-Drs. 13/8587 S. 67; vgl. Dünchheim/Bringmann, ZfWG 2018, 502

(505). 36  EuGH NVwZ 2010, 1409 (1417 Rn. 112); NVwZ-RR 2013, 959 (962); EuZW 2011, 841 (848). 37  EuGH NJW 2009, 3221 (3223 Rn. 57); NVwZ 2010, 1088 (1089 f. Rn. 37); vgl. NVwZ 2007, 675 (678 Rn. 47 f.). 38  So Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 94.



A. Berücksichtigung von Erlaubnissen außerhalb des GlüStV443

nalen Behörden nur möglich wäre, auf eine fehlerhafte Kontrolle in einem Mitgliedstaat nachträglich zu reagieren, wohingegen die eigentlich vom Gesetzgeber gewollte präventive Kontrolle zum „Schutz der betroffenen Inte­ ressen“ damit gerade nicht in seinem Sinne gewährleistet wäre. Auch ergeben sich hierzu keine verfassungsrechtlichen Bedenken dahingehend, dass ein bloßer „Verwaltungsungehorsam“ strafrechtlich sanktioniert wird.39 Denn es wird im vorliegenden Fall nicht ein bloßer Verwaltungsungehorsam im Sinne der Nichteinholung einer Erlaubnis strafrechtlich sanktioniert, sondern vielmehr die Umgehung einer Kontrollinstanz, die dazu dient, die Gefahren für die Bevölkerung durch Glücksspiel zwar nicht unbedingt auszuschließen, aber zumindest zu minimieren. Dies deckt sich auch mit der Rechtsgutsbestimmung im Rahmen des § 284 StGB, der als geschütztes Rechtsgut eben nicht den Verwaltungsgehorsam proklamiert, sondern – so nimmt es die Rechtsprechung an – die staatliche Kontrolle über die kommerzielle Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft, wohingegen der Großteil der Literatur als Schutzgut die Gewährleistung einer manipulationsfreien Spielchance und den Schutz vor heimlicher Manipulation sieht.40 Der reine Schutz vor Verwaltungsungehorsam ist gerade nicht Schutzgut des § 284 StGB, vielmehr verfolgt die Norm (auch) einen materiellen Schutzzweck.41 Der pauschale Verweis auf eine Erlaubnis aus einem EU-Mitgliedstaat vermag daher nicht zu überzeugen. 5. Zwischenergebnis Im Grundsatz ist daher die Erlaubnis einer deutschen Verwaltungsbehörde notwendig. Jedoch ist zu beachten, dass sich ein pauschaler Verweis darauf, dass ausschließlich eine deutsche Erlaubnis ausreichend ist und bei deren Nichtbestehen das Delikt des § 284 I StGB daher erfüllt ist, sich ebenfalls als zu einfach darstellt. Wie bereits herausgearbeitet,42 ist das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen und daher abhängig von dem zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrecht. Fraglich ist aufgrund dieses Umstandes daher, ob die Tatsache der Verwaltungsrechtsakzessorietät im Falle einer Nichtigkeit bzw. Unanwendbarkeit des zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrechts ausnahmsweise zu einer Beachtlichkeit einer Erlaubnis eines EU-Mitgliedstaats führt. 39  So aber Hambach/Berberich, ZfWG 2015, 150 (153); Kudlich/Berberich, ZfWG 2016, 7 (10 f.). 40  BeckOK-StGB/Hollering, §  284 Rn.  5 f. m. w. N. 41  Siehe Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S.  19; Sch/Sch/Heine/ Hecker, § 284 Rn. 3. 42  Vgl. S.  35 ff.

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts für das Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ Wie bereits oben herausgearbeitet, ist das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen und abhängig von dem zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrecht.43 Die maßgebliche Problemstellung ist aber, inwieweit diese Abhängigkeit besteht. In der Rechtssache Ince entschied der EuGH, dass ein Mitgliedstaat „keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen [darf], wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat.“44 Besonderheit dieser Entscheidung ist bereits, dass der Entscheidung der GlüStV sowohl in seiner Fassung aus dem Jahr 2008 als auch in der Fassung aus dem Jahr 2012 zugrunde lag,45 der Erlaubnisvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV also bereits Geltung hatte. Trotz des Erlaubnisvorbehalts entschied der EuGH aber dennoch, „dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er die Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaats daran hindert […] zu ahnden, wenn die Erlaubnispflicht […] im Rahmen eines staatlichen Monopols besteht, das die nationalen Gerichte für unionsrechtswidrig befunden haben. Art. 56 AEUV steht einer solchen Ahndung auch dann entgegen, wenn ein privater Wirtschaftsteilnehmer theoretisch eine Erlaubnis für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten erhalten kann, soweit die Kenntnis von dem Verfahren zur Erteilung einer solchen Erlaubnis nicht sichergestellt ist und das staatliche […] Monopol, das von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befunden wurde, trotz der Annahme eines solchen Verfahrens fortbesteht.“46 Diese Rechtsprechung wiederholt der EuGH auch in anderen Fällen. „[D]er Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine beschränkende Regelung im Glücksspielbereich [kann] nicht zu Sanktionen führen, wenn diese Regelung mit Art. 56 AEUV nicht vereinbar ist.“47 Es besteht aber die besondere Problematik, dass zwar die Regelungen hinsichtlich der Erlaubnisbedürftigkeit weiterhin Bestand haben, die Regelungen hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit aber gegen höherrangiges Recht verstoßen.

43  Vgl.

S. 35 ff., 40. NVwZ 2016, 369 (373). 45  Vgl. EuGH NVwZ 2016, 369. 46  EuGH NVwZ 2016, 369 (371). 47  EuGH BeckRS 2017, 113944 Rn. 50; ebenso EuGH EuZW 2014, 597 (600); EuGH EuZW 2011, 841 Rn. 43; vgl. EuGH EuZW 2007, 209 Rn. 69. 44  EuGH



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts445

I. Konsequenzen eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht Hierbei ist zunächst die Konsequenz eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht zu beachten. Im Rahmen seiner Sportwettenentscheidung ordnete das BVerfG eine Weitergeltung der bestehenden Regelungen des Lotteriestaatsvertrages an, wobei er die Frage, ob in dieser Übergangszeit eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB in Betracht kommt, den Strafgerichten überließ.48 Die Strafgerichte wiederum befassten sich hierauf zum einen mit der Frage, wie sog. „Altfälle“, also Fälle vor der Entscheidung des BVerfG zu beurteilen sind, zum anderen mit der Frage, wie Fälle im Rahmen der Weitergeltung des Lotteriestaatsvertrages zu beurteilen sind. 1. Altfälle Hinsichtlich der „Altfälle“ entschied der BGH, dass, „wenn die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der seinerseits die Rechte des Betreibers von Glücksspielen in verfassungswidriger Weise verletzt“, aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB folge, dass der jeweilige Anbieter nicht nach den Strafvorschrift des § 284 StGB strafbar sei.49 Dies bestätigte auch insoweit das BVerfG, § 284 I StGB sei „von Verfassungs wegen nicht anwendbar“.50 Diesem Ergebnis ist auch zuzustimmen. Im Rahmen einer Sanktionierung durch § 284 StGB wird der sowieso gegebene ungerechtfertigte Grundrechtseingriff durch die Normen im Bereich der Erlaubnisfähigkeit weiter vertieft. Dem Grundrechtsträger wird nicht nur auf Basis eines grundrechtswidrigen Gesetzes seine Erlaubnis versagt, sondern diese Praxis wird darüber hinaus auch durch das Strafrecht flankiert. Es liegt, wie Feldmann richtig ausführt, nicht nur eine Vertiefung des bereits bestehenden Grundrechtseingriffs vor, sondern durch die Sanktionierung erfolgt ein weiterer Grundrechtseingriff.51 2. Fälle nach der Entscheidung Auch für die Zeit zwischen dem 28.03.2006 und 31.12.2007 wurde über die Strafbarkeit gem. § 284 StGB diskutiert, da das BVerfG eine Übergangsfrist anordnete.52 Hinsichtlich Veranstaltern und Vermittlern mit einer Erlaub48  BVerfG

NJW 2006, 1261 (1267). NJW 2007, 3078 (3081). 50  BVerfG BeckRS 2009, 34070. 51  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 206. 52  Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 (1267). 49  BGH

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

nis aus dem EU-Ausland befand die Rechtsprechung wiederum, dass diese nicht nach § 284 StGB bestraft werden durften.53 Diesbezüglich wurden aber verschiedene Argumentationsmuster herangezogen. Zum einen wurde der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Form des Übermaßverbots herangezogen.54 Es ist dem Einzelnen subjektiv unzumutbar zu prüfen, ob die Vorgaben des BVerfG erfüllt wurden.55 Die hieraus folgenden Unsicherheiten schließen daher eine Strafbarkeit aus. Unzumutbare Verhaltensanforderungen stellen keine tragfähige Grundlage für eine strafrecht­ liche Verurteilung dar, vielmehr handele es sich bei diesem allgemeinen Zumutbarkeitsgedanken um einen Teil des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, er stelle eine Schranke für alle belastenden staatlichen Maßnahmen dar.56 Darüber hinaus sei eine Bestrafung nach § 284 StGB im Falle der Monopolregelungen „rechtsstaatswidrig, weil die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine strafrechtliche Sanktion gemäß § 284 StGB nach der Entscheidung des BVerfG vom 28.03.2006 entfallen sind und folglich ein strafbewehrter Ausschluss gewerblicher Wettangebote einen unverhältnismäßigen und unzumutbaren Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt, solange das bestehende Wettmonopol in seiner konkreten rechtlichen sowie in der Praxis realisierten Ausgestaltung nicht primär der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und pro­blematischem Spielverhalten dient […]. Der Staat würde sich willkürlich verhalten, wenn er einerseits die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten unter Berufung auf ein mit der Verfassung unvereinbares Gesetz (Staatslotteriegesetz bzw. Lotteriestaatsvertrag) versagt und andererseits aber gleichzeitig denjenigen bestraft, der ohne diese behördliche Erlaubnis einen grundrechtlich geschützten Beruf ausübt.“57 Einer Bestrafung stünde im Ergebnis „der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Form des Übermaßverbots entgegen“.58 Ein weiterer gewählter Argumentationsstrang sah einen Verstoß gegen Art. 103 II GG insoweit, da die Frage der Verfassungswidrigkeit von der tatsächlichen Umsetzung der Vorgaben des BVerfG durch die zuständigen Verwaltungsbehörden abhing. Dies sei nicht mit Art. 103 II GG zu vereinbaren, denn hierdurch oblag es den Organen der vollziehenden Gewalt, die Voraussetzungen 53  Vgl.

Streinz/Liesching/Hambach, § 284 StGB Rn. 90. München NJW 2008, 3151 (3152). 55  OLG München NJW 2008, 3151 (3153). 56  OLG München NJW 2008, 3151 (3153). 57  OLG Bamberg, Urteil vom 29. Juli 2008 – 2 Ss 35/08 –, Rn. 15, juris. 58  OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 2008, 372 (373). 54  OLG



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts447

der Strafbarkeit zu bestimmen und nicht, wie es notwendig wäre, dem Gesetzgeber.59 3. Übertragung auf den GlüStV? Wie gezeigt, ging die Rechtsprechung nach der Sportwettenveranstaltung im Grundsatz davon aus, dass eine Bestrafung gem. § 284 StGB am Maßstab des Übermaßverbotes scheitert. Zu beachten ist aber, dass der Entscheidung des BVerfG und dem nachfolgend den Entscheidungen der Fachgerichte der Lotteriestaatsvertrag zugrunde lag. Dieser war aber anders ausgestaltet als der nun geltende Glücksspielstaatsvertrag. Der Lotteriestaatsvertrag wiederum regelte überhaupt nicht ein auf die präventive Kontrolle gerichtetes Genehmigungsverfahren, wie dies nun im Rahmen des § 4 I 1 GlüStV der Fall ist. Vielmehr ging dieser selbstverständlich davon aus, dass (nur) die Länder Glücksspiel veranstalten dürfen.60 Im Gegensatz zur Situation im Rahmen der Sportwettenentscheidung war also gerade kein Erlaubnisverfahren vorgeschaltet, das Verbot der Veranstaltung ergab sich in diesem Zusammenhang vielmehr direkt aus § 284 I StGB. Der jeweilige Anbieter ist demnach im Grundsatz weiterhin gem. § 4 I 1 GlüStV präventiv dazu gehalten, eine Erlaubnis einzuholen, wohingegen die Vorschriften über die Erlaubnisfähigkeit als solche, wie oben gezeigt, gegen Grundrechte und Unionsrecht teilweise verstoßen. Offensichtlich wird die Problematik, wenn man die Rechtsfolge eines Verfassungsverstoßes bzw. eines Verstoßes gegen das Unionsrecht betrachtet. Die Folge eines Verfassungsverstoßes ist die Nichtigkeit der jeweiligen gesetzlichen Regelungen61 bzw. bei einem Unionsrechtsverstoß die Unanwendbarkeit der Regelung.62 Vorliegend bleibt also, streng gesehen, die Regelung hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit bestehen, wohingegen die jeweiligen Normen der Genehmigungsfähigkeit aufgrund ihrer Nichtigkeit nicht weiter zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der jeweilige Grundrechtsträger dazu gehalten wäre, eine Erlaubnis gem. § 4 I 1 GlüStV zu beantragen, auf die er gem. § 4 II 3 GlüStV keinen Rechtsanspruch hat, wobei die Regelungen, die die Erlaubnisfähigkeit eines Glücksspielangebots normieren, nicht anwendbar bzw. nichtig sind. Es fehlt also dann an jeglicher Regelung zur Erlaubnisfähigkeit und zum Erlaubnisverfahren. Im Rahmen 59  BGH

MMR 2011, 334 (336) mit Verweis auf BVerfG NJW 1978, 933 (934). diesen Unterschied auch hinweisend BGH NJW 2007, 3078 (3081); wiederum wurde später auch die Rechtslage in Sachsen-Anhalt für verfassungswidrig erklärt, BVerfG MMR 2007, 168. 61  BeckOK-GG/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 168. 62  Vgl. statt vieler Streinz, Art. 4 EUV Rn. 35 ff. 60  Auf

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

des Lotteriestaatsvertrages hingegen war die Situation die, dass zwar § 284 I StGB eine Strafbarkeit dahingehend normierte, dass derjenige, der ohne behördliche Erlaubnis ein Glücksspiel veranstaltet, sich strafbar macht, hingegen aber der Lotteriestaatsvertrag keinerlei Regelung zur Erlaubniserteilung enthielt; dieser schwieg hierzu. Ergebnis der Verfassungswidrigkeit war im Falle der Entscheidung des BVerfG daher nicht, dass weiterhin ein Erlaubnisvorbehalt bestand, wie dies nun der Fall wäre, sondern dass schlicht keinerlei Regelung zu einer Erlaubnis gegeben war, der Verweis des § 284 I StGB im Rahmen „ohne behördliche Erlaubnis“ ging ins Leere. Diesen Unterschied stellte auch das BVerfG in Rahmen eines Nichtannahmebeschlusses hinsichtlich des damals in Sachsen-Anhalt geltenden Glücksspielgesetzes heraus.63 Die Kammer des BVerfG stellte ausdrücklich klar, dass die Ausgangsrechtslage eine andere sei, denn im Land Sachsen-Anhalt gelte – im Gegensatz zu Bayern und dem damaligen Lotteriestaatsvertrag – ein präventives Kontrollregime; die Rechtslage sei daher anders als in Fällen, in „denen allein straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verbote existieren – etwa auf Grund von § 284 StGB“.64 Dies ist aber nun nicht der Fall, der Verweis des § 284 I StGB ist weiterhin gegeben, da § 4 I 1 GlüStV als solcher einzeln gesehen mit höherrangigem Rechts vereinbar ist. Eine direkte Übertragung der Ergebnisse der Entscheidung aus dem Jahr 2006 ist daher gerade nicht mehr möglich, vielmehr ist die Frage, ob die Ergebnisse entsprechend gelten. a) Heranziehung der Erkenntnisse aus den Umweltdelikten? Auch im Rahmen der Umweltdelikte handelt es sich häufig um verwaltungsakzessorische Strafnormen. Mit der hier vorliegenden Konstellation vergleichbar scheint der Fall im Umweltstrafrecht, dass der jeweilige Täter für seine Handlung einer Erlaubnis bedarf, er diese aber unter Verstoß gegen höherrangiges Recht nicht erhalten hat, ihm also rechtswidrig seine Erlaubnis versagt wird.65 Nach überwiegender Ansicht genügt es aber nicht, dass die jeweilige Handlung erlaubnisfähig ist.66 Ebenso soll es nicht genügen, wenn 63  BVerfG BeckRS 2005, 31264, wobei das BVerfG später auch dem Landes­gesetz in Schleswig-Holstein eine Inkonsequenz bescheinigt, wobei hierdurch keine Aussage zur strafrechtlichen Dimension dieser Frage getroffen wurde, vgl. BVerfG BeckRS 2007, 20007. 64  BVerfG BeckRS 2005, 31264. 65  Vgl. zu diesem Aspekt Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 199 f. 66  Lackner/Kühl/Heger, § 324 Rn. 10 b; MüKo-StGB/Schmitz, Vorb § 324 Rn. 96 m. w. N.



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts449

für die Behörde sogar eine Erlaubnispflicht bestanden hat, sie aber dieser nicht nachkam.67 Jedoch ist bereits im Rahmen der Erlaubnispflichtigkeit das Meinungsbild umstritten. So wird ebenso vertreten, dass es im Falle eines gebundenen Anspruchs auf die Genehmigung an einer Rechtsgutsverletzung fehle, mit der Folge, dass das Verhalten nicht strafrechtswidrig ist, denn die Umweltbeeinträchtigung hat in diesem Fall ein Maß, das erlaubt wäre, es würde also gerade zu keiner über dieses Maß hinausgehenden Beeinträchtigung kommen, was aber gerade sanktioniert werden soll.68 Übertragen auf die momentane Situation im Rahmen des GlüStV besteht aber per se keine Erlaubniserteilungspflicht im Hinblick auf ein einzelnes Glücksspielangebot. Vielmehr ist die Erlaubnis gerade gem. § 4 I 1 GlüStV an ein Erlaubniserfordernis gebunden, auf das gem. § 4 II 3 GlüStV gerade kein Anspruch besteht. Die Behörde kann also weiterhin „im Rahmen ihres Ermessens über die Freigabe des Rechtsguts“ entscheiden, es steht also gerade nicht fest, ob die Rechtsgutbeeinträchtigung überhaupt genehmigt werden würde.69 Demnach wäre unter entsprechender Anwendung der Erkenntnisse aus dem Umweltrecht gerade kein Ausfluss einer rechtwidrig versagten Genehmigung auf die strafrechtliche Beurteilung gegeben. Dies wird auch durch die neuere Ansicht des BGH gestützt: Es ist irrelevant, ob auf die Genehmigung ein Rechtsanspruch besteht bzw. ob das Glücksspiel genehmigungs­ fähig ist, einzig entscheidend ist, ob eine Erlaubnis erteilt wurde oder nicht. War dies nicht der Fall, so ist das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Erlaubnis erfüllt.70 Jedoch ist im Rahmen der hier gegebenen Situation die Lage eine andere. Nicht die Behörde wendet Gesetze falsch an und daher ist keine Erlaubnis möglich, sondern die Behörde wendet die Gesetze zwar richtig an, jedoch sind die zugrundeliegenden Gesetze nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Es handelt sich demnach nicht um eine Einzelfallentscheidung einer Behörde, in der es zu einer Grundrechtsverletzung kommt, sondern diese ist bereits „für jeden Fall vorprogrammiert“, da die Verwaltung gem. Art. 20 III GG an Recht und Gesetz gebunden ist und daher immer die gesetzlichen Regelungen auszuführen hat, bis deren Unwirksamkeit vom BVerfG festgestellt wird.71 Wie 67  Lackner/Kühl/Heger,

§ 324 Rn. 10 b m. w. N. Vorb. § 324 Rn. 95 m. w. N. 69  MüKo-StGB/Schmitz, Vorb. § 324 Rn. 96 m. w. N. 70  BGH NJW 2020, 2282 (2283 f.). 71  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S.  200 f. 68  MüKo-StGB/Schmitz,

450

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Feldmann folgerichtig ausführt, würde eine Übertragung dieser Grundsätze aus dem Umweltstrafrecht dazu führen, dass das Strafrecht in seiner Natur als Sekundärrecht „zur Durchsetzung und Absicherung verfassungswidriger Normbefehle des Primärrechts“ eingesetzt werden würde.72 Fraglich ist daher, ob diese Besonderheit dahingehend, dass die Erlaubnis nicht nur einzelfallbezogen rechtswidrig versagt wird, sondern aufgrund einer verfassungswidrigen Norm immer versagt werden muss, eine andere Betrachtung verdient. b) Besonderheiten Glücksspiel: „Durchschlagen“ des Verstoßes gegen höherrangiges Recht auf § 4 I 1 GlüStV? So wird ein „Durchschlagen“ der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit auf das Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ bejaht.73 Der Erlaubnisvorbehalt gem. § 4 I 1 GlüStV sei für diese Beurteilung ohne Belang, denn es könne von einem Anbieter nicht verlangt werden, einen Antrag auf die Erteilung einer Erlaubnis zu stellen und anschließend diesen über Jahre verwaltungsgerichtlich durchzusetzen und währenddessen auf seine grundrechtlich geschützte Tätigkeit zu verzichten.74 Für die Frage der Strafbarkeit ist vielmehr Voraussetzung, dass der Erlaubnisvorbehalt auch insofern „mit Leben gefüllt wird“, dass daraus auch wirklich eine Erlaubnis erlangbar ist.75 Dies ist aber im Glücksspielrecht im Gegensatz zum Umweltrecht gerade nicht der Fall, die Regelungen zur Erlaubnisfähigkeit schließen bereits im Grundsatz eine Erlaubniserteilung aus. Hinsichtlich der Rechtssache Ince, in deren Zusammenhang es um die Vermittlung von Sportwetten ging, die zunächst unter ein Staatsmonopol, danach unter ein Konzessionserfordernis fielen, urteilte der EuGH wiederum, „dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat“.76 72  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 201. 73  Hambach/Berberich, ZfWG 2015, 150 (153). 74  AG Kempten Beschluss vom 28.04.2014, 2 Gs 937/14, abrufbar unter: https:// de.slideshare.net/arendts/beschluss-ag-kempten-allgu-vom-28042014, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 75  AG Kempten Beschluss vom 28.04.2014, 2 Gs 937/14, abrufbar unter: https:// de.slideshare.net/arendts/beschluss-ag-kempten-allgu-vom-28042014, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020; Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 32. 76  EuGH NVwZ 2016, 369 (371).



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts451

Hingegen bestätigte das BVerwG in einer späteren Entscheidung die Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung, „[w]enn der betroffene Glücks­ spielanbieter – wie hier – weder einen Erlaubnisantrag gestellt noch unabhängig davon aussagekräftige Unterlagen vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass die Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind“.77 Die verwaltungsgericht­ liche Rechtsprechung lässt für eine Untersagungsanordnung bereits eine formelle Illegalität dahingehend ausreichen, dass keine Erlaubnis vorliegt, wohingegen die Frage der materiellen Illegalität, also die der Erlaubnisfähigkeit, lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit herangezogen wird, wobei hierbei lediglich eine Evidenz-Kontrolle hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit erfolgt.78 Diese Ansicht rechtfertigte das BVerwG wiederum damit, dass es sich hierbei um keine vom EuGH untersagte strafrechtliche Sanktion handele, sondern um eine hiervon zu unterscheidende „ordnungsrechtliche präventive Untersagung bis zur Klärung der – monopolunabhängigen – Erlaubnisfähigkeit“. Aus dem Unionsrecht ergebe sich nach Ansicht des BVerwG gerade nicht bei Rechtswidrigkeit des Monopols eine (sofortige) Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. „Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden.“79 Wichtig ist in diesem Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Formen der „Sanktion“ zu unterscheiden. Es stellt einen Unterschied dar, ob ein Anbieter mit einer Kriminalstrafe versehen wird, oder ob diesem wegen eines Verwaltungsungehorsams seine Tätigkeit untersagt wird. Denn die Androhung von Kriminalstrafe und damit auch von Freiheitsstrafe, vgl. die Strafandrohung des § 284 StGB, stellt einen Eingriff in Art. 2 II 2 GG dar.80 Diese Unterscheidung rechtfertigt auch eine unterschiedliche Bewertung der Wirkung des § 4 I 1 GlüStV im verwaltungsrechtlichen Kontext auf der einen Seite, im strafrechtlichen Kontext auf der anderen. Im Rahmen der Untersuchung soll aber lediglich auf die strafrechtliche Wirkung eingegangen werden.

77  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (898). BVerwG NVwZ 2018, 895 (898) nach der Entscheidung in der Sache Ince und BVerwG NVwZ 2013, 1481 (1487). 79  BVerwG NVwZ 2013, 1481 (1487); ebenso eine Unterscheidung vornehmend OVG Lüneburg BeckRS 2019, 3640. 80  Vgl. BVerfG NJW 1973, 1363; BeckOK-GG/Lang, Art. 2 Rn. 86; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 II Nr. 2 GG Rn. 61. 78  Vgl.

452

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Wie bereits oben gezeigt, ist die Annahme einer Pönalisierung reinen Verwaltungsungehorsams im Rahmen des § 284 I StGB verfehlt. Die Sanktionierung im Rahmen des Strafrechts stellt die ultima ratio dar, das Strafrecht stellt das äußerste Mittel dar, das eingesetzt werden darf.81 Auch scheint vorliegend die Ansicht überzeugend, dass die Annahme einer reinen Verwaltungsaktakzessorietät den von § 284 I StGB verfolgten Rechtsgüterschutz missachtet.82 Die Annahme, dass § 284 I StGB von dem bloßen Nichtbestehen einer Erlaubnis abhängt, egal ob diese verfassungswidrig versagt wird oder nicht, stellt eine Pönalisierung reinen Verwaltungsungehorsams dar.83 Hierdurch würde zugleich der bereits bestehende Grundrechtseingriff intensiviert werden.84 Jedoch rechtfertigt ein rein formeller Verwaltungsungehorsam keine Straftat, vielmehr ist dem mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht beizukommen.85 Auf die vorliegende Frage übertragen bedeutet dies, dass gerade aufgrund der Nichtanwendbarkeit der Vorschriften über die Erlaubnisfähigkeit der jeweilige Anbieter von Glücksspielen „lediglich“ gegen den Erlaubnisvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV verstoßen würde, ihm also bloßer Verwaltungsungehorsam zur Last fällt. Auch greift diesbezüglich erneut die bereits im Rahmen der damaligen Übergangsanordnung des BVerfG gewählte Argumentation: Die strafbewehrte Sanktionierung der Ausübung einer grundrechtlich geschützten Tätigkeit, deren Ausübung von einer Genehmigung abhängig ist, die dem Grundrechtsträger aufgrund der Anwendung von verfassungswidrigen Normen verwehrt wird, stellt eine Perpetuierung des Grundrechtseingriffs dar, denn diesem wird die Ausübung seiner grundrechtlich geschützten Rechte nicht nur verfassungswidrig vorenthalten, sondern dieser wird darüber hinaus auch mit einer Kriminalstrafe versehen, wenn er trotzdem die grundrechtlich geschützte Tätigkeit ausübt.86 Die bloße Sanktionierung des Fehlens der Präventiverlaubnis des § 4 I 1 GlüStV vermag unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots demnach auch keine Kriminalstrafe zu rechtfertigen, vielmehr ist diesem „Verstoß“ mit den

81  Rengier,

AT, § 3 Rn. 5; Roxin, AT I, § 10 Rn. 97 ff. ausdrücklich Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 19. 83  Ausdrücklich Dehne-Niemann, wistra 2008, 361 (362); vgl. darüber hinaus Hund, NStZ 1993, 571; Lange, FS Dreher, S. 573 (579). 84  Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 206. 85  Kretschmer, ZfWG 2006, 52 (53); angedeutet von OLG Hamburg BeckRS 2007, 12554; Saliger/Tsambikakis, Neutralisiertes Strafrecht, S. 19. 86  Ebenso Feldmann, Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, S. 206. 82  So



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts453

Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts und des Verwaltungsrechts beizukommen. Nicht zuzustimmen ist daher einer Entscheidung des OLG Celle. Im Rahmen der Entscheidung bestätigte das OLG Celle im Grunde die Möglichkeit einer Strafbarkeit gem. § 284 I StGB eines Spielhallenbetreibers in dem Fall, in dem dieser zwar über keine Erlaubnis zum Betrieb seiner Spielhalle verfügte, er aber diese aus verfassungsrechtlichen Gründen hätte erhalten müssen.87 Nach Ansicht des erkennenden Gerichts käme es im Rahmen des § 284 I StGB auf eine rein formale Betrachtungsweise an. Allein maßgeblich sei, dass der jeweilige vermeintliche Täter nicht über eine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügt, hingegen sei ohne Belang, weshalb dieser diese nicht vorweisen könne.88 Dem OLG Celle ist insoweit zuzustimmen, dass es im Rahmen des § 284 I StGB auf eine rein formale Betrachtungsweise ankommt, als dass das zugrundeliegende Glücksspielverwaltungsrechts mit höherrangigem Recht vereinbar ist, denn die bloße Erlaubnisfähigkeit lässt, wie oben bereits ausgeführt, gerade nicht im Grundsatz den Tatbestand entfallen. Nichts anderes ergibt sich auch aus der vom OLG Celle zitierten Rechtsprechung des BGH.89 Im Rahmen der Entscheidung des BGH ging es um einen Geldspielautomaten und dessen gewerberechtliche Zulässigkeit gem. § 33c I GewO.90 In diesem Zusammenhang entschied der BGH, es sei „daher ohne Bedeutung, ob ein nicht in seiner Bauart zugelassenes Gerät materiell den Anforderungen der Spieleverordnung entspricht oder ob eine Erlaubnis hätte erteilt werden können“.91 Auch in diesem Fall des BGH ging es gerade um die Erfüllung von Voraussetzungen, die aber – was im Rahmen der Entscheidung nicht zur Debatte stand – als mit dem höherrangigen Recht vereinbar angesehen wurden. Es lässt sich gerade nicht – wie es vom OLG Celle aber behauptet wurde92 – ein Rechtssatz hieraus entnehmen, dass es auch ihm Rahmen der Verfassungswidrigkeit des die Erlaubnisfähigkeit normierenden Rechts, bei einer bloßen formellen Betrachtung verbleibt. Für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Erlaubnissatzes kann aber nichts anderes gelten, wie bereits bei den Umweltdelikten festgestellt.

87  OLG

Celle ZfWG 2019, 308 (308 f.). OLG Celle ZfWG 2019, 308 (309 f.). 89  OLG Celle ZfWG 2019, 308 (309); BGH NStZ-RR 2018, 214. 90  BGH NStZ-RR 2018, 214 (214). 91  BGH NStZ-RR 2018, 214 (214). 92  OLG Celle ZfWG 2019, 308 (311) das zwar erkennt, dass die Erlaubnis aus verfassungswidrigen Gründen vorenthalten wurde, aber im Ergebnis dazu kommt, dass „ein Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit von § 284 StGB […] nach den oben ausgeführten Maßstäben [hieraus] nicht [resultiert].“ 88  Vgl.

454

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Nicht die Behörde wendet Gesetze falsch an und daher ist keine Erlaubnis möglich, sondern die Behörde wendet die Gesetze zwar richtig an, jedoch sind die zugrundeliegenden Gesetze nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Würde man es aber auch bei einer Verfassungswidrigkeit des Erlaubnissatzes bei der Strafbarkeit belassen, so würde das Strafrecht in seiner Natur als Sekundärrecht „zur Durchsetzung und Absicherung verfassungswidriger Normbefehle des Primärrechts“ eingesetzt werden.93 Im Rahmen eines verfassungswidrigen Erlaubnissatzes ist dieser daher folgerichtig – entgegen der Ansicht des OLG Celle – auch von den Strafgerichten zu berücksichtigen. Diese Ansicht wurde zwischenzeitlich, zumindest implizit, durch den BGH bestätigt. Im Rahmen der jüngeren Entscheidung zu § 284 StGB stellte der erkennende Senat zwar zunächst klar, dass das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden behördlichen Erlaubnis unabhängig davon erfüllt sei, ob ein Anspruch auf eine Genehmigung besteht bzw. das Glücksspiel erlaubnisfähig war, da allein für den Tatbestand das Nichtbestehen der behördlichen Erlaubnis maßgeblich ist.94 Im Rahmen der Entscheidung ist aber der vom Senat angenommene rechtliche Hintergrund in die Betrachtung mit einzubeziehen. Gegenstand der Entscheidung war der Weiterbetrieb einer Spielhalle, die aufgrund des Abstandsgebotes nicht die notwendige Erlaubnis erhielt.95 Die das Abstandsgebot normierenden Normen wurden aber ausdrücklich durch das BVerfG als verfassungsgemäß eingestuft, weshalb sich auch der BGH an diese Rechtsauffassung gebunden sah.96 Daher sah der BGH gerade einen anderen Fall als in seiner Entscheidungen zur Strafbarkeit nach dem Sportwettenurteil gegeben.97 Eine Strafbarkeit gem. § 284 I StGB scheide aus, wenn die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der seinerseits die Rechte des Grundrechtsträgers in verfassungswidriger Weise verletzt.98 Hingegen begründet er die Strafbarkeit im vorliegenden Fall gerade damit, dass der Angeklagte, „indem er für die Einziehungsbeteiligte eine Spielhalle betrieb, einen gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt, der ebenso wenig wie der Glücksspieländerungsstaatsvertrag selbst verfassungsrechtlich zu beanstanden ist“ missachtete.99 An dieser Rechtsprechung zur Konsequenz einer Verfassungswidrigkeit des Glücksspielverwaltungsrechts hat der BGH wiederum keine Änderung vorgenommen, diese gilt wiederum nach wie vor fort. 93  Feldmann, S. 201. 94  BGH NJW 95  BGH NJW 96  BGH NJW 97  BGH NJW 98  BGH NJW 99  BGH NJW

Die Strafbarkeit privater Sportwettenanbieter gemäß § 284 StGB, 2020, 2020, 2020, 2020, 2020, 2020,

2282 2282 2282 2282 2282 2282

(2283). (2282). (2285 f.) mit Verweis auf BVerfG NVwZ 2017, 1111. (2285 f.). (2285). (2286).



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts455

Aus der Entscheidung ist ersichtlich, dass sich der erkennende Senat der Problematik zwischen Erlaubnisbedürftigkeit gem. § 4 I 1 GlüStV und den dahinterstehenden Normen des GlüStV bewusst war. Einer Ausführung zum Unterschied zwischen verfassungsgemäßen und verfassungswidrigen Normen hinsichtlich der Erlaubnisbedürftigkeit und deren Wirkung wäre nicht notwendig gewesen, ebenso wie der oben zitierte Relativsatz, würde der BGH ein „durchschlagen“ nicht als denknotwendige Konsequenz im Rahmen des Strafrechts sehen. c) Notwendigkeit einer Erlaubnisbeantragung Als Folgefrage stellt sich wiederum, wenn bereits das bloße Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 I 1 GlüStV nicht eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB zu begründen vermag, ob dann dem Veranstalter aufzubürden ist, zumindest eine Erlaubnis beantragt zu haben. So stellte das BVerwG in seiner Entscheidung zu mehreren Untersagungsverfügungen klar, dass es dem jeweiligen Anbieter im Rahmen des Sportwettenkonzessionsverfahrens vorwerfbar sei, dass er sich nicht an dem Verfahren beteiligt hätte, eine Berufung auf Fehler in diesem Verfahren sei daher nicht möglich.100 In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass diese Erwägungen nicht im Allgemeinen zu übertragen sind. Zum einen ist bereits, wie herausgearbeitet, zwischen strafrechtlicher Sanktionierung und ordnungsrechtlicher Untersagung zu unterscheiden; aus verfassungsrechtlicher Hinsicht ist bereits die Eingriffsintensität eine gänzlich andere. Zum anderen betrifft die Aussage den geöffneten Bereich der Sportwetten, auf den noch separat eingegangen werden soll.101 Vielmehr ist daher eine Orientierung an der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 284 StGB vorzuziehen. Diesbezüglich stellte der BGH aber in seiner Entscheidung zu den „Altfällen“ klar, dass „derjenige Anbieter von Sportwetten, der in der Vergangenheit […] nicht zunächst den Verwaltungsrechtsweg beschritten hat, um eine behördliche Erlaubnis i. S. von § 284 StGB zu beantragen […], nicht nach dieser Strafvorschrift strafbar [ist], wenn die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der seinerseits die Rechte des Betreibers von Glücksspielen in verfassungswidriger Weise verletzt.“102 Diese Ausführungen des BGH haben auch noch heute ihre Gültigkeit. Wie bereits erläutert, stellt die strafrechtliche Sanktion der Nichteinholung einer Erlaubnis, deren Erteilung aus verfassungswidrigen Gründen versagt wird, 100  BVerwG

NVwZ 2018, 895 (901). hierzu S. 464 ff. 102  BGH NJW 2007, 3078 (3081). 101  Siehe

456

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

eine Perpetuierung dieses Verfassungsverstoßes dar. Wenn aber nun die Strafbarkeit an den vorherigen Versuch der Einholung einer Erlaubnis geknüpft werden würde, so würde dies erneut zur Folge haben, dass dem Grundrechtsträger zur Ausübung seiner grundrechtlich geschützten Tätigkeit eine Hürde aufgestellt werden würde, die dieser aber – bildlich gesprochen – nicht zu überwinden vermag, da die Normen hinter dem Erlaubnisverfahren ihm dies in verfassungswidriger Weise nicht zulassen. Wenn der Grundrechtsträger aber aufgrund verfassungswidriger Umstände keine Erlaubnis erlangen kann, so kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht versucht hat, eine zu erlangen, denn dies käme einer partiellen Aufrechterhaltung des verfassungswidrigen Zustands gleich, denn es ist, wie oben gezeigt, gerade nicht mit der Verfassung vereinbar, wie die Erlaubnisfähigkeit rechtlich geregelt wurde. d) Ergebnis Im Ergebnis ist daher von Verfassung wegen eine Bestrafung gem. § 284 StGB aufgrund eines Verstoßes gegen das im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Übermaßverbot gesperrt, da eine Kriminalstrafe in Form einer möglichen Freiheitsstrafe und damit in Form eines Eingriffs in Art. 2 II 2 GG für bloßen Verwaltungsungehorsam mit dem von ihm verfolgten Zweck außer Verhältnis steht.

II. Konsequenzen eines Verstoßes gegen Unionsrecht Ebenso stellt sich die Frage der Auswirkungen auf die Kriminalstrafe, wenn die Vorschriften über die Erlaubnisfähigkeit gegen Unionsrecht verstoßen. 1. Grundsatz Wie bereits erläutert, führt ein Verstoß gegen Unionsrecht aufgrund dessen Anwendungsvorrangs zur Unanwendbarkeit der die Grundfreiheiten beschränkenden Vorschriften.103 Dies hat zunächst, ähnlich104 wie im Rahmen der Grundrechte, eine Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Erlaubnisfähigkeit zur Folge, wohingegen es bei der Statuierung des Erlaubnisvorbehalts im Rahmen des § 4 I 1 GlüStV im Grundsatz verbleibt. statt vieler Streinz, Art. 4 EUV Rn. 35 ff. kommt es lediglich zu einer Unanwendbarkeit, bei den Grundrechten hingegen zu einer Nichtigkeit der eingreifenden Normen. 103  Vgl.

104  Hier



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts457

Wie bereits mehrfach hervorgehoben und in der Rechtssache Ince vom EuGH auch für die deutsche Regulierung ausdrücklich angesprochen, darf „ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen […], wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat.“105 In Hinblick auf Erlaubnisanträge ist aber wiederum zu beachten, dass die Verwaltung gem. Art. 20 III GG im Grundsatz an Recht und Gesetz gebunden ist. Ein von einem Anbieter gestellter Antrag würde also von Beginn an bereits abgelehnt werden, da die Verwaltung verpflichtet wäre, die gesetzlichen Regelungen solange anzuwenden, bis deren Nichtigkeit bzw. Unanwendbarkeit festgestellt werden würde. Zwar haben die Behörden den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachten, wenn eindeutig ein Verstoß der nationalen Vorschriften mit Unionsrecht besteht.106 Hieraus folgt aber keine Ermittlungspflicht der Verwaltungsbehörden dahingehend, dass bestimmte nationale Bestimmungen und deren Vollzug mit dem Kohärenzgebot vereinbar sind.107 Nichts anderes ergibt sich auch nach der Rechtsprechung des EuGH108, denn die Entscheidung, ob ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt, obliegt weiterhin den nationalen Gerichten. Den Behörden kommt hingegen lediglich die Pflicht zu, die erforderlichen Beweise vorzulegen, damit das Gericht prüfen kann, ob die Beschränkungen gerechtfertigt sind. Es obliegt den zuständigen Stellen, die sich auf ein Ziel berufen, lediglich, dem nationalen Gericht, das über die Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen genügt, damit sie als gerechtfertigt angesehen werden kann.109 Eine Prüfungspflicht der Behörden ergibt sich hieraus aber gerade nicht.110 Wäre dagegen die Nichtigkeit bzw. die Unanwendbarkeit festgestellt, so wären die nationalen Behörden dazu gehalten, unter Beachtung der jeweiligen höherrangigen Vorgaben des Unionsrechts, die Erlaubnisanträge zu verbescheiden. Dies würde wiederum zu einem modifizierten Erlaubnisverfahren außerhalb der Regelungen des GlüStV führen, da dessen Regelungen zur Erlaubnisfähigkeit nicht vollständig anzuwenden wären. 105  EuGH NVwZ 2016, 369 (371); NVwZ 2007, 675 (679); NVwZ 2010, 1409 (1417). 106  Vgl. EuGH NVwZ 1996, 369 (370), zur Prüfungspflicht, wenn diese eindeutig durch EU-Recht vorgeschrieben ist. 107  VG Regensburg BeckRS 2018, 35344 Rn. 81. 108  EuGH GRUR Int. 2017, 769 (771 ff.). 109  GRUR Int. 2017, 769 (771 f.); EuZW 2014, 597 (600). 110  Vgl. VG Regensburg BeckRS 2018, 35344 Rn. 81.

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

2. Reichweite der Unanwendbarkeit Auch deckt sich dies mit den Schlussanträgen des Generalanwalts Maciej Szpunar in der Rechtssache Ince.111 Dieser arbeitet ausdrücklich die auch hier maßgebliche Frage heraus: „Aber welche Bestimmungen sind von den deutschen Gerichten hier unangewandt zu lassen? Nur die Bestimmungen über das staatliche Monopol (§ 10 GlüStV) oder auch noch die Vorschrift über die Erlaubnispflicht für das Veranstalten und das Vermitteln von Sportwetten (§ 4 GlüStV)?“112 Wiederum tendiert der Generalanwalt Szpunar zur zweiten Alternative.113 Dies begründet er wiederum mit vier Aspekten: zunächst ist die innerstaatliche Rechtsprechung zu der Pflicht, sich einem Erlaubnisverfahren zu unterziehen, widersprüchlich und dient daher nicht der Rechtssicherheit. Des Weiteren ist bisher keinem privaten Anbieter eine Erlaubnis erteilt worden, was es in gewisser Weise „zynisch“ macht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu verlangen, dass er sich einem Verfahren unterzieht, das zum Scheitern verurteilt ist. Ferner gilt für Gesetze aus Sicht des Einzelnen eine Rechtmäßigkeitsvermutung, der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es gerade, „dass Rechtsvorschriften vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sind“, was hier nicht der Fall ist. Außerdem sei eine Trennung der Erlaubnispflicht vom staatlichen Monopol kaum möglich, vielmehr beziehe sich die „ganze Logik des Glücksspielstaatsvertrags“ darauf, dass er im Grundsatz nur für staatliche Einrichtungen gilt. „Wenn nach dieser Logik nur staatliche Einrichtungen eine Erlaubnis beantragen können, kann von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer kaum erwartet werden, dass er eine solche Erlaubnis beantragt, wenn das Gesetz [ihn] daran ausdrücklich hindert.“114 Die Argumentation des Generalanwalts überzeugt und entfaltet auch weiterhin seine Gültigkeit. Die Regelungen des GlüStV sind – mit Ausnahme des Bereichs der Sportwetten – auf eine Ausrichtung durch staatliche Institutionen gerichtet. Eine Erlaubniserteilung für private Akteure erfolgte selbst nach Öffnung des Sportwettensektors bisher nicht, weshalb faktisch das Staatsmonopol weiterhin aufgrund der Übergangsregelung des § 29 I 3 GlüStV fortbesteht. Die Regelung des Erlaubnisvorbehalts dient in diesem Sinne faktisch dazu, jegliche Akteure, trotz Öffnung des Sektors, von der Ausübung ihrer durch die Grundfreiheiten gewährten Tätigkeit abzuhalten, was gleichzeitig rechtlich damit einhergeht, dass der Staat weiterhin der einGA Szpunar, BeckRS 2015, 81475. Szpunar, BeckRS 2015, 81475 Rn. 34. 113  GA Szpunar, BeckRS 2015, 81475 Rn. 39. 114  GA Szpunar, BeckRS 2015, 81475 Rn. 40 ff. 111  Vgl. 112  GA



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts459

zige legale Anbieter bleibt. Auch ist die Argumentation überzeugend, dass es den Veranstaltern nicht vorwerfbar ist, keine Erlaubnis beantragt zu haben, denn aufgrund der ausdrücklichen Gesetzeslage konnten diese zumindest in den anderen Glücksspielsektoren bereits aufgrund der gesetzlichen Normierung nicht davon ausgehen, dass eine Erlaubniserteilung überhaupt erfolgen könnte. Es fehlt aus deren Sicht an der nötigen Ergebnisoffenheit, was aber im Rahmen des Aspektes der Rechtssicherheit notwendig wäre.115 Insoweit überzeugt auch die in der Sache dem Generalanwalt folgende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Ince. Im Rahmen eines vorgeschalteten behördlichen Erlaubnisverfahrens wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten.116 Die Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen müsste daher „auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern“.117 „Wenn aber private Wirtschaftsteilnehmer weder das Verfahren zur Beantragung einer Erlaubnis […] noch die Voraussetzungen, unter denen ihnen eine Erlaubnis erteilt oder versagt wird, kennen können“, so stellt die damit einhergehende Unbestimmtheit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit dar, da den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern der Umfang ihrer Rechte und Pflichten aus Art. 56 AEUV nicht erkennbar ist, so dass das betreffende System gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt.118 Ob mit der Fassung des GlüStV die Voraussetzungen für eine Erlaubnis bekannt sind, ist fraglich. Im Rahmen eines Verfahrens hinsichtlich der Erlaubnis einer Primärlotterie in Bayern urteilte das VG Regensburg, dass sich die „Erlaubnisvoraussetzungen bereits aus dem Gesetz (GlüStV und AGGlüStV)“ ergeben.119 Dem ist insoweit zuzustimmen, dass § 4 I 1 GlüStV die Notwendigkeit einer Erlaubnis normiert, wohingegen Art. 2 I AGGlüStV die zwingenden Voraussetzungen aufzählt, bevor gem. Art. 2 I 4 AGGlüStV der Behörde eine Ermessensausübung im Rahmen des § 4 II 3 GlüStV unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 GlüStV eröffnet wird.

GA Szpunar, BeckRS 2015, 81475 Rn. 40 ff. NVwZ 2016, 369 (371). 117  EuGH NVwZ 2016, 369 (371); vgl. EuGH NVwZ 2010, 1422 (1426  f.); NVwZ 2013, 785 (788). 118  EuGH NVwZ 2016, 369 (371); vgl. EuGH, BeckRS 2004, 77551 Rn. 22; NJW 2002, 2305 (2306 Rn. 50); EuZW 2007, 215 (217 Rn. 43). 119  VG Regensburg BeckRS 2018, 35344 Rn. 48. 115  Vgl.

116  EuGH

460

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Jedoch ist in diesem Zusammenhang erneut der Unterschied zwischen der Frage zu sehen, unter welchen Umständen ein Glücksspiel zugelassen werden kann – diese Frage lag der Entscheidung des VG Regensburg zu Grunde – und wann sich der Veranstalter eines Glücksspiels strafbar macht. Der vom VG Regensburg angeführte Gesichtspunkt, dass die Erlaubnisvoraussetzungen bereits ersichtlich sind, galt ebenso für die Situation zum Zeitpunkt der Rechtssache Ince. So führte der EuGH zur Bestimmung des für die Vorlagefrage maßgeb­ lichen rechtlichen Rahmens aus: „Auf der einen Seite sind manche deutschen Gerichte, darunter die oberen Verwaltungsgerichte, wie auch manche Verwaltungsbehörden der Ansicht, dass allein § 10 Abs. 5 GlüStV, der den Ausschluss privater Veranstalter vorsehe, mit dem Unionsrecht unvereinbar sei, wohingegen die in § 4 Abs. 1 GlüStV aufgestellte Erlaubnispflicht grundsätzlich damit vereinbar sei. Diese Gerichte haben folglich die Bestimmung über den Ausschluss privater Veranstalter aufgrund des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts unangewandt gelassen. Sie waren sodann der Auffassung, dass für solche Veranstalter die materiellen Voraussetzungen gelten müssten, die nach dem Glücksspielstaatsvertrag und den Ausführungsgesetzen der Länder für die Erteilung von Erlaubnissen an staatliche Veranstalter vorgesehen seien. Somit ist nach diesen Gerichten in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein privater Anbieter nach einem fiktiven Erlaubnisverfahren eine Erlaubnis unter den Bedingungen bekommen kann, die für die staatlichen Monopolträger und ihre Vermittler vorgesehen sind (im Folgenden: fiktives Erlaubnis­ verfahren).“120 Die Entscheidung des EuGH beruht wiederum bereits auf dem GlüStV mit seinem in § 4 I 1 GlüStV normierten Erlaubnisvorbehalt. Wenn aber der Weg zur Erlaubnis gegen Unionsrecht verstößt, so kann nach Ansicht des EuGH hierauf auch keine Sanktion gestützt werden, selbst wenn der jeweilige Anbieter zuvor nicht versucht hat, eine Erlaubnis zu erhalten.121 Denn es genügt nicht, dass ein „Wirtschaftsteilnehmer theoretisch eine Erlaubnis […] erhalten kann, soweit die Kenntnis von dem Verfahren zur Erteilung einer solchen Erlaubnis nicht sichergestellt ist und das staatliche Sportwettenmonopol, das von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befunden wurde, trotz der Annahme eines solchen Verfahrens fortbesteht.“122 Mit dieser Aussage stellt der EuGH wiederum implizit auf den Erlaubnisvorbehalt ab, die Tatsache, dass im Rahmen eines Erlaubnisantrags theoretisch eine Erlaubnis erteilt werden könnte, genügt nicht, wenn keine Kenntnis von 120  EuGH

GRUR Int. 2016, 365 (369 Rn. 29). EuGH NVwZ 2016, 369 (369 f.), denn Frau Ince hat in dem Fall überhaupt nicht eine Erlaubnis beantragt. 122  EuGH NVwZ 2016, 369 (371), Hervorhebung nicht im Urteil. 121  Vgl.



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts461

dem Verfahren zur Erteilung einer solchen Erlaubnis besteht und die jeweilige staatliche Regulierung dadurch faktisch fortbesteht.123 Oder anders gesagt, in einem Verfahren, das nicht normativ verankert ist, kann ein Wirtschaftsteilnehmer auch keine Erlaubnis beantragen und davon ausgehen, eine derartige zu erhalten.124 Dem EuGH war in seiner Entscheidung auch bewusst, dass das Erlaubnisverfahren insoweit „fingiert“ wurde, dass die Voraussetzungen der § 4 I GlüStV i. V. m. den Ausführungsgesetzen der Länder geprüft wurden, wobei bei dieser Prüfung dann die für unionsrechtswidrig erachteten Normen nicht in den Prüfungsumfang mit aufgenommen wurden. Auch dieser Aspekt wurde ausdrücklich durch den Generalanwalt Szpunar verdeutlicht.125 In diesem Zusammenhang muss „die Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen in diesem Mitgliedstaat auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.“126 Die Ausführungen des EuGH beziehen sich diesbezüglich also ausdrücklich auf den behördlichen Genehmigungsvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV. Da es sich hierbei um ein fiktives Verfahren handelt, fehlt es zum einen an der nötigen Kodifizierung, zum anderen aber auch an der Kenntnis der nötigen Voraussetzungen, unter denen ihnen eine Erlaubnis erteilt oder versagt wird.127 Hiervon geht der EuGH im vorliegenden Fall aus, trotz der Tatsache, dass der GlüStV hierbei in Kombination mit den Ausführungsgesetzen gewisse Vorgaben aufstellt. Im Bereich des Strafrechts128 ist daher zumindest zu bejahen, dass der Erlaubnisvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV nicht getrennt von der Erlaubnisfähigkeit zu betrachten ist, sondern immer in einer Gesamtschau mit den Regelungen des GlüStV, die die Frage der Erlaubnisfähigkeit regeln. Die vorgeschaltete Erlaubnispflicht gem. § 4 I 1 GlüStV ändert nichts daran, dass es dem Mitgliedstaat im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit der Vorschriften hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit verwehrt ist, das von der Grundfreiheit gedeckte Verhalten, das ungerechtfertigt beschränkt wurde, zu sanktionieren. 123  Vgl.

EuGH NVwZ 2016, 369 (371). EuZW 2018, 631 (635). 125  Vgl. GA Szpunar, BeckRS 2015, 81475. 126  EuGH GRUR Int. 2016, 365 (371 Rn. 29). 127  EuGH GRUR Int. 2016, 365 (372 f.). 128  Hingegen ist es im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung weiterhin umstritten, vgl. BVerwG NVwZ 2018, 895 (897) „Die Frage nach einer etwaigen Strafbarkeit stellt sich unabhängig von der Vollstreckung einer Untersagungsverfügung. Insofern muss das Strafgesetz seinerseits hinreichend bestimmt sein.“ 124  Wittig/Hagenbruch,

462

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Auch die Tatsache, dass eine Erlaubnis möglicherweise erteilt hätte werden können, wenn ein Erlaubnisantrag gestellt worden wäre, ändert an dieser Tatsache nichts, da diese fiktive Möglichkeit nicht dem Grundsatz der Rechtssicherheit genügt, der unionsrechtswidrige Zustand besteht daher in diesem Zeitpunkt faktisch fort. Würde man dies wiederum anders sehen und das Strafrecht zur Anwendung kommen lassen, so würde über den Umweg des Strafrechts eine unionsrechtlich illegitime Lage (faktisches Monopol) aufrecht erhalten bleiben, was insbesondere schon unter dem Aspekt abzulehnen ist, dass selbst die vorläufige Anwendung einer europarechtswidrigen Lage für eine Übergangsfrist durch den EuGH129 für unzulässig erklärt wurde.130 Auf Grund dieses Verstoßes gegen das Unionsrecht und des damit geltenden Grundsatzes des Vorrangs des Gemeinschaftsrechtes und des in Art. 4 III EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit ist es daher dem Mitgliedstaat verwehrt, strafrechtliche Sanktionen zu verhängen, womit auch eine Bindung der Strafverfolgungsbehörden an diese Vorgabe mit einhergeht.131 Auf welcher Ebene wiederum die Strafbarkeit ausscheidet, ist jedoch umstritten. Zum einen wird diesbezüglich eine Rechtfertigung kraft Europarechts bejaht.132 Zum anderen wird die Neutralisierung des Strafrechts auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit angenommen.133 3. Weitere Notwendigkeiten für Strafbarkeitausschluss? Im Weiteren stellt sich diesbezüglich nicht die Frage, ob eine Erlaubnisbeantragung notwendig ist; dies wurde soeben beantwortet. Vielmehr stellt sich die Frage, ob der Strafbarkeitsausschluss aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit der Vorschriften über die Erlaubnisfähigkeit immer Wirkung zeigt, oder, ob dieser weitere Voraussetzungen erfordert. Grundlage aller Entscheidungen des EuGH, in denen es um die Frage einer strafrechtlichen Sanktionierung des Anbieters von Glücksspieldienstleistungen ging, waren Anbieter mit einer Konzession im jeweiligen Staat, von 129  Vgl

EuGH MMR 2010, 838. Berlin-Tiergarten BeckRS 2011, 26183; VG Stuttgart, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 4 K 3645/10 –, Rn. 39, juris; vgl. auch Streinz/Kruis, NJW 2010, 3745 (3749), die auch die Thematik des Auseinanderfallens von Erlaubnisfähigkeit und Erlaubnisbedürftigkeit untersuchen und zu dem Ergebnis kommen, dass auch § 4 I GlüStV unanwendbar sei. 131  EuGH GRUR Int. 2016, 365 (372 Rn. 62 f.). 132  So Heger, ZIS 2012, 396 (401); LK/Walter, Vor § 13 Rn. 201; ausführlich zu der Thematik Kreis, Die verbrechenssystematische Einordnung der EG-Grundfreiheiten, S.  89 ff. 133  Vgl. nur Hecker, Europäisches Strafrecht, 9. Rn. 10 ff. 130  AG



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts463

dem sie ihre Dienstleistung ausübten,134 wobei die Dienstleistung entweder in einem anderen Mitgliedstaat durch Personen vermittelt wurde oder schlicht vom Anbieter selbst „vor Ort“ per Internet angeboten wurde. Hierbei ist aufgrund der Natur der Dienstleistungsfreiheit zu beachten, dass diese nur Anwendung findet, wenn deren Anwendungsbereich eröffnet ist. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs ist aber immer ein grenzüberschreitender Sachverhalt nötig.135 Maßgebliches Kriterium ist hierbei nicht die Staatsangehörigkeit der an der Dienstleistung Beteiligten (soweit es sich um Unionsbürger handelt), sondern, dass die Dienstleistung als solche grenzüberschreitend stattfindet.136 Dies ergibt sich bereits aus der textlichen Festsetzung des Art. 56 AEUV, der fordert, dass der Dienstleistende „in ­einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig“ ist.137 Das grenzüberschreitende Element ist gegeben, wenn die Dienstleistung einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist, wobei zwischen drei138 Formen unterschieden wird139: Der aktiven Dienstleistungsfreiheit140, der passiven Dienstleistungsfreiheit141 und den sog. Korrespon­ denzdienstleistungen142. Fehlt es an diesem grenzüberschreitenden Element, so handelt es sich um reines Binnenrecht, das nicht der Gewährleistung des Art. 56 AEUV unterfällt.143

134  Vgl. EuGH NJW 2004, 139 (Stanley mit Lizenz der Stadt Liverpool); GRUR Int. 2016, 365 (Vermittlung an österreichischen Anbieter mit dortiger Lizenz); MMR 2007, 300 (Vertragspartner von Stanley mit Lizenz der Stadt Liverpool);, NVwZ 2010, 1409 (Vermittlung an Happybet mit Lizenz in Österreich und mit Lizenz im Vereinigten Königreich), EuZW 2012, 275 (Vertragspartner von Stanley mit Lizenz der Stadt Liverpool). 135  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff Art. 56, 57 Rn. 49. 136  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff Art. 56, 57 Rn. 50. 137  Vgl. Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 31. 138  Wobei FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 31 ff. noch die Auslandsdienstleistungen mit einbeziehen. 139  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 33; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 26. 140  Der Leistende überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um seine Dienstleistung zu erbringen, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 34; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 27. 141  Der Leistungsempfänger überquert die Grenze des Mitgliedsstaats, um eine Dienstleistung zu erhalten, Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 37; FK/Haltern/ Stein, Art. 57 Rn. 28. 142  Weder Dienstleister noch Leistungsempfänger überqueren die zwischenstaat­ liche Grenze, aber die Dienstleistung erfolgt über die Grenze hinweg, Streinz/MüllerGraff, Art. 56 AEUV Rn. 40; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 37. 143  Streinz/Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 32 m. w. N.; FK/Haltern/Stein, Art. 57 Rn. 25.

464

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Dies kann zur Konsequenz haben, dass eine sog. „umgekehrte Diskriminierung“ bzw. eine Inlandsdiskriminierung auftritt, wobei aber hier den Staatsangehörigen innerhalb des Mitgliedstaats verwehrt bleibt, sich auf das Unionsrecht zu berufen.144 Die unionsrechtliche Anwendungssperre findet daher lediglich dann Anwendung, wenn die Glücksspieldienstleistung grenzüberschreitend stattfindet.

III. Sonderregime für Sportwetten Im Anschluss stellt sich nun die Frage hinsichtlich der Beurteilung eines Sportwettenanbieters auf Basis des Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrages. Dieser trat gem. Art. 2 ab dem 01.01.2020 in Kraft, wobei ab diesem Zeitpunkt eine Änderung des § 4a GlüStV dahingehend erfolgte, dass die zahlenmäßige Begrenzung und daher das damit verbundene Auswahlverfahren zwischen den Konzessionären abgeschafft wurde.145 Es stellt sich daher die Frage, ob eine Strafbarkeit in den verschiedenen Zeiträumen besteht. 1. Strafbarkeit vor dem 01.01.2020 Wie bereits im Rahmen der Sportwetten ausgeführt,146 ergibt sich der Verstoß gegen Unionsrecht aufgrund mangelnder Vollzugskohärenz. Bis zum Ende des Jahres 2019 blieb faktisch das Sportwettenmonopol weiterhin aufgrund der Übergangsregelung des § 29 I 3 GlüStV bestehen. Fraglich ist in diesen Zusammenhang aber, ob sich der Veranstalter von Sportwetten strafbar macht. Diesbezüglich ergeben sich zwei verschiedene Gruppen: Zum einen die Gruppe der Anbieter, die eine Konzession beantragt, bisher aber keine erhalten haben, zum anderen die derjenigen, die sich überhaupt nicht um eine Konzessionserteilung bemüht haben. So rechtfertigte das BVerwG die Untersagung eines Online-Sportwettenangebots u. a. damit, dass der Anbieter nicht am Sportwettenkonzessionsverfahren teilgenommen hat, obwohl ihm „eine Antragstellung rechtlich und faktisch möglich gewesen wäre“, ihm kann „das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis entgegengehalten werden.“147 Hierbei ließ das BVerwG unerwähnt, dass aufgrund der bisher nicht stattgefundenen Konzessionsvergabe aber ge144  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff 145  LT-Drs.

BW 16/5894, S. 3 ff. 146  Vgl S. 271 ff., 285. 147  BVerwG NVwZ 2018, 895 (901).

Art. 56, 57 Rn. 63.



B. Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts465

rade eine Art. 56 AEUV widersprechende Regulierungslage gegeben war und weiterhin ist. Bereits im Hinblick auf die Untersagungsverfügung ist daher die Entscheidung des BVerwG fraglich148, zumindest aber ist sie nicht auf die strafrechtliche Wertung übertragbar. Wie der EuGH in der Rechtssache Ince auf Vorlage des AG Sonthofen ausdrücklich zur aktuellen Regulierungssituation der Sportwetten in Deutschland klargestellt hat, „kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Legislativreform wie die aus der Einführung der in § 10 a GlüÄndStV vorgesehenen Experimentierklausel für Sportwetten resultierende die Unvereinbarkeit eines staatlichen Monopols auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten wie desjenigen, das sich aus den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags und seiner Ausführungsgesetze ergibt, mit Art. 56 AEUV behebt, soweit das Monopol unter Berücksichtigung der im Rahmen der dritten Frage unter f beschriebenen Umstände trotz des Inkrafttretens der besagten Reform in der Praxis weiter Bestand hat. Dabei kann im Übrigen dahinstehen, ob die einzelnen im Rahmen der dritten Frage unter a bis e angeführten Umstände, jeweils für sich oder zusammen genommen, die Vereinbarkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Konzessionserteilungsverfahrens mit Art. 56 AEUV in Frage stellen können.“149 Die „im Rahmen der dritten Frage unter f beschriebenen Umstände“ waren gerade die, dass bei fehlender Konzessionsvergabe die staatlichen Akteure gem. § 29 I 3 GlüStV weiterhin befugt waren, ihr Angebot anzubieten, also faktisch, dass das unionswidrige staatliche Monopol fortbesteht. Für diesen Fall hat aber der EuGH ausdrücklich klargestellt, dass eine Ahndung eines Veranstaltens oder Vermittelns ohne Erlaubnis gerade nicht stattfinden darf.150 Frau Ince hat sich im vorliegenden Fall auch nicht um eine Konzession bemüht151, dies ist aber nach Auffassung des EuGH auch gerade nicht notwendig gewesen, eine Ahndung scheitert bereits dann, wenn die Erfüllung der notwendigen Verwaltungsformalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt wurde, auf eine vorherige Antragsstellung kommt es aber gerade nicht an.152 Die Strafbarkeit scheidet daher bis einschließlich 31.12.2019 aus, unabhängig davon, ob eine Konzession beantragt wurde oder nicht.

Wittig/Hagenbruch, EuZW 2018, 631 (635). NVwZ 2016, 369 (374). 150  EuGH NVwZ 2016, 369 (374). 151  Vgl. EuGH NVwZ 2016, 369 (370 Rn. 47). 152  Vgl. EuGH NVwZ 2016, 369 (374). 148  Vgl.

149  EuGH

466

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

2. Strafbarkeit ab 01.01.2020 bis Abschluss erste Konzessionsvergabe Ab dem 01.01.2020 ist zu beachten, dass die Vorschrift des § 29 I 3 GlüStV aufgehoben wird. Die Übergangsregelung, die es den staatlichen Anbietern ermöglichte, ohne Konzession daher weiterhin Sportwetten zu veranstalten, fällt mit diesem Zeitpunkt daher weg. Es bleibt insoweit die Regulierung dahingehend bestehen, dass zwar § 10 II GlüStV es den Ländern ermöglicht, das Glücksspielangebot auch selbst zu stellen, jedoch findet gem. § 10a I GlüStV die Norm des § 10 VI GlüStV keine Anwendung, weshalb auch privaten Anbietern die Möglichkeit eröffnet ist, Sportwetten zu veranstalten. Gem. § 10a II GlüStV benötigen hierzu sowohl die privaten als auch die staatlichen Akteure eine Konzession, deren Vergabe sich nach den §§ 4a ff. GlüStV richtet. Wie oben ausgeführt, begegnet diese Ausgestaltung des Konzessionssystems weniger Bedenken als die bisher bestehende. Für die Beurteilung der Strafbarkeit wird aber insbesondere der praktische Vollzug der GlüStV entscheidend sein. Stellen die staatlichen Akteure dann ihr Sportwettenangebot vollständig ein? Nur falls von diesen keinerlei Angebot und Werbung mehr für Sportwetten ausgeht, ist es dem Staat nicht vorwerfbar, das Monopol weiter aufrecht zu erhalten. Auch wird die Zukunft zeigen, ob die staatlichen Akteure bei der Konzessionsvergabe insofern bevorzugt werden, dass diese sehr schnell eine Konzession erhalten, wohingegen die privaten Akteure an ein endloses Genehmigungsverfahren gebunden werden. Auch dies würde faktisch das Monopol aufrechterhalten, da es dann auf den Staat erneut zurückzuführen wäre, dass es keinen Marktzugang für private Wirtschaftsteilnehmer gibt. Wenn diese Verzögerung wiederum dann derart fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr mit allgemeinen Erwägungen erklärbar ist, so ist wiederum die Vollzugskohärenz in diesem Zeitpunkt anzuzweifeln und damit die Geeignetheit der Beschränkung und damit im Ergebnis auch die Strafbarkeit. Ob dem so ist, bleibt abzuwarten, momentan scheint aber auch erneut die Konzessionsvergabe zweifelhaft.153 3. Strafbarkeit ab erster Konzessionsvergabe Ab dem Zeitpunkt der ersten Konzessionsvergabe wird sich wiederum die Frage stellen, ob nun die Sportwettenregulierung zu einer Vollzugskohärenz neigt, insbesondere also, ob neben den staatliche Akteuren auch privaten Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit eröffnet wird, Sportwetten zu veranstalten. Ebenso wird entscheidend sein, ob die privaten Anbieter genauso 153  VG

Darmstadt BeckRS 2020, 5966.



C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse467

behandelt werden wie die staatlichen, ob also insbesondere die Regulierung seitens des Staates gleichmäßig stattfindet.

IV. Ergebnis Sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch unionsrechtlicher Sicht ist daher momentan im Grundsatz eine Bestrafung gem. § 284 I StGB ausgeschlossen, wenn die fehlende behördliche Erlaubnis darauf beruht, dass das zugrunde liegende Glücksspielverwaltungsrecht hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig ist. Auch eine spätere Änderung der gesetzlichen Grundlage hinsichtlich einer behördlichen Erlaubnis ändert mit Blick auf § 2 I StGB nichts an der bisherigen Straflosigkeit. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Tathandlung gem. § 8 S. 1 StGB, nach diesem Zeitpunkt richtet sich auch die Frage, ob das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden behördlichen Erlaubnis vorlag. Der Begriff des „Gesetzes“ im Sinne des § 2 I StGB ist umfassend zu verstehen, „sämtliche Voraussetzungen des Ob und des Wie der Strafbarkeit“ richten sich nach der Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Tathandlung.154 Insbesondere sind auch den Tatbestand ausfüllende Gesetze mit in diese Beurteilung mit einzubeziehen,155 weshalb sich die Beurteilung der Strafbarkeit gem. § 2 I StGB nicht nur auf das geltende Strafgesetz sondern auch zwingend auf das dahinterstehende, das negative Tatbestandsmerkmal ausfüllende, Verwaltungsrecht erstrecken muss.

C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse In Hinblick auf die hier vorgefundenen Ergebnisse stellt sich daher praktisch die Frage, wie verschiedene Angebotsformate im Sinne des Strafrechts zu bewerten sind. Diesbezüglich bietet sich die Bildung an der Praxis orientierter Fallgruppen an, die unter Berücksichtigung der aktuellen Ergebnisse auf ihre Strafbarkeit untersucht werden sollen.

I. Fallgruppen und Anwendung der Ergebnisse auf diese Im Folgenden soll die Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters als solche untersucht werden. Jedoch gibt es nicht „den Online-Glücksspielanbieter“. Vielmehr gibt es verschiedene Angebotsformate, die aber rechtlich jeweils anders zu beurteilen sein könnten. 154  MüKo-StGB/Schmitz, 155  Vgl.

§ 2 Rn. 36; NK-StGB/Hassemer/Kargl, § 2 Rn. 11. MüKo-StGB/Schmitz, § 2 Rn. 14.

468

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Es erfolgt daher im Rahmen der Untersuchung eine Aufteilung in verschiedene Fallgruppen. Vorliegend werden für verschiedene Formen des Online-Glücksspiels kursorisch einige Anbieter hervorgehoben, die folgenden Ausführungen haben aber allgemeine Geltung für alle vergleichbaren Anbieter, die das gleiche Geschäftsmodell benutzen.

II. Fallgruppe 1 Der Anbieter „OnlineCasino Deutschland AG“ bietet im Rahmen seiner Website, die auf einem deutschen Server gehostet wird und auch über eine deutsche .de-Domain verfügt, sog. „Casinospiele“ an. Unter der Rubrik „Casinospiele“ finden sich u. a. Slotmaschinenspiele (der typische Einarmige Bandit), Poker, Blackjack und Roulette. Die Seite unterscheidet zwischen sog. „Fungames“ und „Echtgeld“ –Spielen, so sind z. B. Slots und Jackpotspiele im Echtgeldmodus möglich, Blackjack, Roulette z. B. hingegen nur mit virtuellem Geld. Im Rahmen seines Onlineauftritts wirbt der Anbieter mit dem Satz „Legal, sicher, fair!“ untermalt mit dem Text „OnlineCasinoDeutschland wird mit einer offiziellen deutschen Konzession Nummer: XXXXX vom 19.12.2012 des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten/Glücksspielwesen des Landes Schleswig-Holstein betrieben. Die Nutzung unseres Onlinecasinos ist nur für Teilnehmer(innen) ab 18 Jahren und im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes von Schleswig-Holstein erlaubt. Spielberechtigt sind derzeit nur Spieler mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Schleswig-Holstein.“156 Sitz der AG ist Bautzen in Sachsen. In der vorliegenden Fallgruppe fällt auf, dass der Anbieter seinen Sitz in Deutschland hat, die dahinterstehenden natürlichen Personen veranstalten im Sinne des § 284 I StGB das Glücksspiel also in Deutschland. Sie verfügen aber über keine Erlaubnis nach dem GlüStV, sondern lediglich über eine Erlaubnis des Glückspielgesetzes Schleswig-Holstein. Wie oben herausgearbeitet, beschränkt sich gem. §§ 4, 2 des Glücksspielgesetzes-SH157 der Anwendungsbereich des Gesetztes und seine Regelungen auf Glücksspiele „im Geltungsbereich dieses Gesetzes, soweit sie nicht bereits bundesrechtlich geregelt sind.“ Der Geltungsbereich eines Landesgesetzes beschränkt sich auf den Bereich des jeweiligen Bundeslandes, eine legalisierende Wirkung darüber hinaus ist aber gerade nicht durch ein einzelnes Bundesland möglich, vielmehr berechtigen die Erlaubnisse in SchleswigHolstein nur zu einem Tätigwerden in Schleswig-Holstein und nicht in den 156  https://www.onlinecasino.de/impressum, 157  SH

GVOBl. 2011, 280 ff.

zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.



C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse469

übrigen Bundesländern.158 Indem aber die „OnlineCasino Deutschland AG“ ihr Spiel auf Spieler im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes von Schleswig-Holstein beschränkt, indem sie klarstellt, dass nur Spieler mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Schleswig-Holstein spielberechtigt sind, handelt die AG nicht ohne Erlaubnis, weil ihr Angebot durch die Erlaubnis aus Schleswig-Holstein gedeckt ist. Problematisch und eventuell auch strafbar ist es aber, wenn die jeweiligen Anbieter bewusst ihr Angebot auf Spieler ausweiten, die gerade nicht aus Schleswig-Holstein mitspielen, sondern aus einem anderen Bundesland, da in diesem Bundesland gerade keine Pflicht zur Anerkennung der Erlaubnis aus Schleswig-Holstein besteht und der GlüStV an den Ort des Spielers im Zeitpunkt der Teilnahme anknüpft.159 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Lizenzen aus Schleswig-Holstein zeitlich begrenzt waren, diese liefen zwischenzeitlich aus. Auch auf seiner Website stellte das Land Schleswig-Holstein klar, dass „das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration […] derzeit keinen Anbietern eine Genehmigung für die Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Casinospielen erteilt“ hat.160 Die Anbieter wie u. a. die „OnlineCasino Deutschland AG“ und ihre Vorstände baten demnach über einen begrenzten Zeitraum ohne Erlaubnis weiterhin Glücksspiel an. Auch wenn das Angebot im Ausland gehostet wird, so liegt die Unternehmenszentrale innerhalb Deutschlands in Bautzen, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist daher gem. § 9 I Alt. 1 StGB eröffnet, da die Entscheidung über die Veranstaltung des Glücksspiels in Bautzen getroffen wird, hier erfolgt der Mausklick, der maßgeblich für die Eröffnung des Spielangebots ist. Sollten sich die Betreiber darauf berufen, dass diese ihr Angebot in Malta online gestellt haben, so gilt nichts anderes. Zwar ist so das Veranstalten evtl. nicht im Inland erfolgt, aber diese halten weiterhin ein Glücksspiel aufrecht. Dieses Halten findet aber dann im Inland statt. Da, wie oben gezeigt, der Begriff der „Tat“ im Sinne des § 9 I StGB als die prozessuale Tat zu interpretieren ist, genügt bereits das nachgeschaltete Halten des Glücksspiels in 158  Dietlein/Hecker/Ruttig, Einf. Rn. 7; OVG Saarlouis, Beschluss vom 17. Juli 2015 – 1 B 50/15 –, Rn. 13, juris; VG Berlin, Beschluss vom 17. September 2015 – 23 L 75.15 –, Rn. 35, juris; vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 04. Juli 2014 – 27 L 1578/13 –, Rn. 28, juris; OVG Münster, Urteil vom 25. Februar 2014 – 13 A 2018/11 –, Rn. 185, juris. 159  Vgl. hierzu umfassend S. 436 ff. 160  https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/G/gluecksspiel/genehmigungsinhaber.html, abgerufen am: 04.04.2019; nun hat Schleswig-Holstein wieder eine Weitergeltung der Lizenzen angeordnet, vgl. www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/ drucks/01300/drucksache-19-01343.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020 und die nun enthaltene neue Liste unter https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/G/ gluecksspiel/genehmigungsinhaber.html, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.

470

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Deutschland, um die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf den gesamten Komplex des Anbietens zu bejahen. Da die Lizenz aus Schleswig-Holstein zwischenzeitlich abgelaufen war, fehlte es an der nötigen behördlichen Erlaubnis, das Delikt des § 284 I StGB war daher erfüllt, wobei zusätzlich die Qualifikation des § 284 III Nr. 1 StGB einschlägig war. Da wiederum die „OnlineCasino Deutschland AG“ als u. a. Trägerin der Grundfreiheiten ihren Sitz in Deutschland hat, fehlt es für die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit am notwendigen grenzüberschreitenden Element, mit der Folge, dass sich die „OnlineCasino Deutschland AG“ nicht auf die Grundfreiheiten innerhalb Deutschlands berufen kann.161 Einzig bleibt daher den Anbietern eine Berufung auf ihre Grundrechte gem. Art. 12 I GG. Diesbezüglich ist den Anbietern von Online-Casinospielen von Anfang an keine Erlaubnis möglich, da § 4 IV GlüStV die Erlaubnisfähigkeit für dieses Angebotsformat vollständig ausschließt. Jedoch stellt das totale Onlinevertriebsverbot eine unangemessene Beschränkung der Berufsfreiheit dar, was zur Nichtigkeit, der die Grundrechtsausübung einschränkenden Norm führt. Den hinter der „OnlineCasino Deutschland AG“ stehenden natürlichen Personen war es daher aufgrund einer verfassungswidrigen Norm im Rahmen der Erlaubnisfähigkeit von Beginn an nicht möglich, eine Erlaubnis zu erhalten. Im Ergebnis ist daher von Verfassung wegen eine Bestrafung gem. § 284 StGB aufgrund eines Verstoßes gegen das im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltene Übermaßverbot gesperrt, da eine Kriminalstrafe in Form einer möglichen Freiheitsstrafe und damit in Form eines Eingriffs in Art. 2 II 2 GG für bloßen Verwaltungsungehorsam mit dem von ihm verfolgten Zweck außer Verhältnis steht. 1. Abwandlung162 Der Glücksspielanbieter Mr. Green Ltd. mit Sitz in Malta, der in Besitz einer maltesischen Glücksspiellizenz für u. a. Online-Casinospiele ist, bietet unter der in Malta gehosteten Domain https://www.mrgreen.com/de sog. Online-Casinospiele an. Hierunter fallen Automatenspiele, Roulette, Black161  Grabitz/Hilf/Nettesheim/Randelzhofer/Forsthoff Art. 56, 57 Rn. 49 f.; vgl. S ­ treinz/ Müller-Graff, Art. 56 AEUV Rn. 31. 162  Gilt ebenso für das häufig beworbene Online-Casino Wunderino, das unter der Domain https://www.wunderino.com/de/ erreichbar ist und von der Rhinoceros Operations Ltd betrieben wird, wobei das Unternehmen seinen Sitz in Malta hat und von der Malta Gaming Authority lizenziert wurde. Ebenso ist der Betreiber des unter https://www.drueckglueck.com/de/ zu erreichenden Onlinecasinos eine maltesische Firma (die Titanium Brace Marketing Ltd.) mit maltesischer Online-Casinolizenz.



C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse471

jack, Bakkarat und auch Live Casinospiele, in denen der Dealer an einem Spieltisch per Webcam auf den Bildschirm des Spielers übertragen wird. Daneben bietet Mr. Green auch Sportwetten an. Alle Spiele funktionieren uneingeschränkt mit Echtgeld. Hinsichtlich dieser Angebote fehlt es zumeist bereits an der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts, da keine der Handlungen der Anbieter innerhalb des Geltungsbereiches des StGB stattfindet. Bei Bejahung der Anwendbarkeit ist aber aufgrund des grenzüberschreitenden Sachverhalts zu beachten, dass die Dienstleistungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Da sowohl das Sportwettenmonopol in seiner konkreten Ausgestaltung als auch das Onlinevertriebsverbot unionsrechtswidrig ist, kann den Anbietern nicht entgegengehalten werden, dass sie keine deutsche Erlaubnis besitzen, soweit sie, wie hier, eine Erlaubnis eines EU-Mitgliedstaats besitzen. Das Unionsrecht sperrt gem. Art. 56 AEUV die Ahndung des Anbietens dieser Dienstleistung ohne Erlaubnis.

III. Fallgruppe 2163 Der Anbieter des hauptsächlich für Sportwetten bekannten Markennamens „bwin“, die ElectraWorks Limited mit Sitz in Gibraltar, bietet auf ihrer deutschsprachigen Website Sportwetten zu sowohl deutschen als auch außerdeutschen Sportereignissen an. Die Sportwette erfolgt indem man sich zunächst bei „bwin“ registriert und sein Spielkonto mit einem gewissen Geldbetrag über ein gängiges Zahlungsmittel auflädt. Anschließend sucht man sich ein Sportereignis heraus, setzt auf ein gewisses Ergebnis oder Ereignis, wobei hierbei jeweils eine Quote ausgelobt wird und begleicht den jeweiligen Einsatz an „bwin“ durch einen Abzug des Einsatzes vom Spielkonto. Ein eventueller Gewinn wird wiederum dem Spielkonto gutgeschrieben. Eine Auszahlung des auf dem Konto hinterlegten Geldes ist jederzeit möglich. Die Website des Anbieters ist durch die URL www.bwin.de erreichbar, es erfolgt dann jedoch eine Weiterleitung auf die auf einem außerdeutschen Server liegende Domain https://www.bwin.com/de. Auf der Seite verweist der Anbieter darauf, dass er durch die Regierung von Gibraltar durch den Gibraltar Gambling Commissioner lizenziert und reguliert ist.164 Neben Sportwetten ist es dem Nutzer der Seite auch möglich die Reiter „Casino“, „Live Casino“, „Klassiker“ und „Poker“ anzuwählen. Unter der Rubrik „Ca163  Gilt stellvertretend auch für andere in Gibraltar ansässige Unternehmen die Sportwetten (neben Online-Casinospielen) zulassen, wie z. B. https://de.888.com/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 164  https://sports.bwin.com/de/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.

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Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

sino“ finden sich Spiele wie Slotmachines, Roulette, Blackjack und sog. Tischspiele wie Texas Hold’em. Im Rahmen seiner AGB weist bwin den Nutzer darauf hin, dass es in der Verantwortung des Nutzers liegt, ob die Nutzung der Website nach dem geltenden Landesrecht erlaubt ist.165 Trotz der „.de“ Top-Level-Domain ist auch im vorliegenden Fall das deutsche Strafrecht nicht anwendbar, vielmehr finden alle für die Strafbarkeit relevanten Handlungen im Ausland statt. Ansonsten gilt das Gleiche wie bei Mr. Green.

IV. Fallgruppe 3 Der Anbieter „Lottoland“ wirbt großflächig mit der Teilnahme sowohl an inländischen Lotterien, wie dem bekannten „Lotto 6 aus 49“, als auch mit der Teilnahme an ausländischen Lotterien, wie der „El Gordo“ (Weihnachtslotterie) in Spanien, der „PowerBall“ Lotterie in den Vereinigten Staaten von Amerika und den „WorldMillions“. Die Spielteilnahme erfolgt wie folgt: Der Spieler registriert sich auf der Seite von Lottoland.com unter Angabe seiner persönlichen Daten. Die Website wiederum wird in Malta gehostet und von der Firma Deutsche Lottound Sportwetten Ltd. (nachfolgend auch DLSL) betrieben. Diese hat ihren Firmensitz in Malta und verfügt selbst über keine deutsche oder eine maltesische Lizenz. Im Rahmen des Kontos kann der Spieler sein Kontoguthaben durch gängige Zahlungsmittel aufladen, z. B. per Überweisung oder per Kreditkartenabbuchung. Dieses Geld wird dann dem Spielerkonto gutgeschrieben und steht zur Abgabe eines Tipps zur Verfügung. Im Rahmen der Website ist es dann möglich, unter Klick z. B. auf „LOTTO 6aus49 spielen“ eine Eingabemaske aufzurufen, die den gleichen Inhalt und das gleiche Layout wie der handelsübliche Lottoschein aufweist. Nach „ankreuzen“ des Tipps wird man mit Klick auf die Schaltfläche „Abgeben“ in einen Bestell- und Zahlungsprozess geleitet, in dem man sich zunächst registriert oder einloggt und am Ende den Einsatz mit dem auf dem Spielerkonto hinterlegten Geld bezahlt. Durch die Tippabgabe erfolgt aber nicht – wie man zunächst vermuten mag – ein Vertragsschluss mit einer Landeslotteriegesellschaft, wie dies beim Lotto in der physischen Lottoannahmestelle der Fall ist. Stattdessen schließt der Spieler durch Abgabe des Tipps zwei Verträge mit nicht staatlichen Marktteilnehmern ab: 165  https://help.bwin.com/de/general-information/legal-matters/general-terms-andconditions/general#Legality_of_Use_of_the_Services, Punkt 2.1, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.



C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse473

Zum einen beauftragt der Spieler mit der Tippabgabe die Deutsche Lottound Sportwetten Ltd. Diese wiederum gibt dann aufgrund dieses Auftrags im Namen des Spielers einen Tipp bei der European Lotto Betting Ltd. ab, der Spieler schließt also, vertreten durch die Deutsche Lotto- und Sportwetten Ltd., einen Vertrag mit der European Lotto Betting Ltd. Die European Lotto Betting Ltd. ist eine in Malta ansässige Gesellschaft, die über eine in Malta ausgestellte Lizenz zur Annahme von Lotterieziehungen verfügt. Die European Lotto Betting Ltd. fungiert dann als „Buchmacherin“, es ist nicht garantiert, dass diese dann wirklich bei der Lotterie mitspielt. Vielmehr schließt man mit der European Lotto Betting Ltd. eine Art „Wette“ auf den Ausgang der staatlichen Lotterie. Gewinnauszahlung etc. erfolgen völlig unabhängig vom staatlichen Lotterieunternehmen, vielmehr wird der Gewinn von der European Lotto Betting Ltd. bestimmt, denn diese berechnet die Gewinnchancen, die Gewinne und ist für die Auszahlung von Gewinnen verantwortlich. Die Auszahlung erfolgt zunächst ausdrücklich in Malta an die Deutsche Lotto- und Sportwetten Ltd. zur Verteilung an die Spieler. Die Deutsche Lotto- und Sportwetten Ltd. wiederum schreibt dem Spieler das Geld dann auf dessen Spielerkonto gut, hierdurch wird diesem erst eine Auszahlung ermöglicht.166 Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei diesen Zweitlotterien um keine Lotterien im Sinne des GlüStV, vielmehr handelt es sich hierbei um Wetten auf den Ausgang von Primärlotterien. Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist hierbei erneut kritisch, da alle Tathandlungen im Ausland (Malta) stattfinden. Aber auch hierbei ist von Beginn an gem. § 4 IV GlüStV eine Erlaubnisbeantragung aussichtslos. Da aber § 4 IV GlüStV unionsrechtswidrig ist und ein grenzüberschreitender Bezug besteht, ist es aufgrund des Verstoßes gegen Art. 56 AEUV nicht möglich, die Veranstalter hinter Lottoland strafrechtlich zu verantworten. 1. Abwandlung Der Betreiber der Seite „lottohelden.de“, die Deutsche Lotto- und TotoAgentur Ltd., vermittelt genauso Tipps an die European Lotto Betting Ltd., jedoch ist die Domain der Internetseite im Gegensatz zu Lottoland eine .deAdresse. Sitz der Deutsche Lotto- und Toto-Agentur Ltd. ist – wie die der European Lotto Betting Ltd. – Malta, auch die AGB stellen ausdrücklich klar, dass Vertragsschluss und Gewinnauszahlung etc. in Malta stattfinden.167 166  So ausdrücklich nachzulesen unter https://www.lottoland.com/agb, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 167  https://www.lottohelden.de/agb/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020.

474

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Auch in der Abwandlung ergibt sich aufgrund der geänderten Domain kein anderes Ergebnis, vielmehr hat diese auch keinen Einfluss auf die Frage der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts.

V. Fallgruppe 4 Der Anbieter der Seite www.lotto24.de, die Lotto24 AG mit Sitz in Hamburg bietet unter ihrer in Deutschland gehosteten Website die Teilnahme an Lotterien an. Der Anbieter verfügt gem. § 4 V GlüStV über eine Erlaubnis zur Vermittlung von Lotterien im Internet durch das niedersächsische Innenministerium. Die Auswahl an teilnehmbaren Spielen ist auf die in Deutschland allgemein zugängigen Spiele u. a. des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB), der eine Gemeinschaft der 16 selbständigen Lotteriegesellschaften in den Bundesländern darstellt, beschränkt, wie z. B. Lotto 6aus49, EuroJackpot oder GlücksSpirale. Das Spiel auf Lotto24 erfolgt optisch genauso wie in Fallgruppe 3, der Spieler klickt das gewünschte Spiel an, setzt z. B. bei Lotto 6 aus 49 seine 6 Kreuze und wählt seine Superzahl und bestätigt über die Schaltfläche „Schein abgeben“. Durch diesen Klick wird der Spieler in einen Bestellprozess geleitet, in dem er über einen zuvor erstellen Account seine Tipps mit einem Zahlungsinstrument seiner Wahl bezahlt. Rechtlich fungiert Lotto24 erneut als sog. Spielvermittler. Hierbei stellen die AGB auch klar, dass „Lotto24 […] gegenüber den jeweiligen Lotterie­ veranstalter namens, für Rechnung, mit Vollmacht und ausschließlich im Auftrag der Spielteilnehmer [handelt]. Zur Teilnahme an den Lotterien schließt der Spielteilnehmer, wie nachfolgend beschrieben, zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Verträge mit unterschiedlichen Vertragspartnern ab.“168 Zum einen schließt der Spieler mit Lotto24 durch die Abgabe eines Tipps einen Spielvermittlungsvertrag ab über die Vermittlung von Spielscheinen des Spielteilnehmers an einen der Lotterieveranstalter und die Weiterleitung der bei den Lotterieveranstaltern einzuziehenden Gewinnen. „Lotterieveranstalter“ ist hierbei aber kein Buchmacher wie die European Lotto Betting Ltd. in Fallgruppe 3, sondern Veranstalter ist ein Mitglied des Deutschen Lotto- und Totoblocks, das die Lotterie selbst ausrichtet. Zum anderen schließt der Spieler, vertreten durch die Lotto24 AG, einen Spielvertrag mit dem staatlichen Lotterieveranstalter als solches. Im Falle eines Gewinns ist gem. Ziff. 6.1, 6.2 und 6.3 der AGB die Lotto24 AG dazu ermächtigt im Namen des Spielers über einen Treuhänder die Ge168  https://www.lotto24.de/webshop/common/terms_and_conditions.htm, abgerufen am: 06.10.2020.

zuletzt



C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse475

winne von den staatlichen Lotteriegesellschaften einzuziehen, der Spieler selbst hat gem. Ziff. 14.3 nicht die Möglichkeit dieses Treuhandkonto zu umgehen, indem er eine Auszahlung direkt an sich wünscht. Die Ausschüttung des Gewinns erfolgt dann gem. Ziff. 14.4 der AGB so, dass der Treuhänder den Gewinn an Lotto24 überweist, worauf dieser auf dem Spielkonto des Spielers auf Lotto24.de gutgeschrieben wird. Erst auf dieses Geld hat der Spieler dann insoweit Zugriff, als dass er entweder mit diesem Geld erneut Spielscheine bezahlen kann oder er Lotto24 zur Auszahlung an ein inländisches Kreditinstitut anweist. Im Gegensatz zu den vorherigen Fallgruppen befinden sich die Akteure hinter der Lotto24 AG innerhalb von Deutschland, weshalb deutsches Strafrecht anwendbar ist. Jedoch verfügt Lotto 24 über eine Erlaubnis, gem. § 4 V GlüStV ist die Vermittlung von Lotterien über das Internet mit einer Erlaubnis ausnahmsweise erlaubt. Genau diese besitzt Lotto 24, weshalb eine Strafbarkeit ausscheidet.

VI. Gesamtergebnis Wie sich aus den Ergebnissen im Rahmen der Fallgruppen verdeutlicht, fehlt es fast an jeglicher Möglichkeit, Anbieter von Online-Glücksspielen strafrechtlich zu belangen. Saliger/Tsambikakis sprechen im Ergebnis zu Recht davon, es handelt sich um „Neutralisiertes Strafrecht“.169 Auf die von diesen aufgestellte Frage, ob sich ein über eine EU-Lizenz verfügender Anbieter von Glücksspielen im Internet, der über keine separate deutsche Erlaubnis verfügt, gem. § 284 I StGB strafbar macht,170 ist momentan klar und entschieden zu antworten: Nein. Dies scheitert zum einen bereits an dem Aspekt der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts. Der Gesetzgeber hat – in diesem Fall unglücklich – bei § 284 I StGB den Deliktstypus eines abstrakten Gefährdungsdelikts gewählt. Dieser verfügt aber über keinen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB, weshalb es auch nicht möglich ist, über den Erfolgsort die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu begründen. Ebenso ist eine Ausweitung des Begriffs des Handlungsorts im Rahmen des § 9 I Var. 1 StGB abzulehnen. Eine derartige Auffassung würde sich in Widerspruch zum Wortlaut des § 9 I StGB stellen, sie würde völkerrechtliche Konflikte nach sich ziehen, wobei auch die Gefahr der Erweiterung der Strafgewalt durch andere Länder drohen könnte und sie stößt auch in praktischer Hinsicht an ihre Grenzen. 169  So

der Titel des Gutachtens von Saliger/Tsambikakis. Neutralisiertes Strafrecht, S. 9.

170  Saliger/Tsambikakis,

476

Teil 4: Konsequenz für die strafrechtliche Beurteilung

Einziger Anknüpfungspunkt ist daher eine Auslegung des Begriffs der „Tat“ im Rahmen des § 9 I StGB, weshalb es zur Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zwar genügt, dass ein Teil der prozessualen Tat eine Inlandstat im klassischen Sinne des § 9 I StGB ist, dies aber auch mindestens zwingend notwendig ist. Eine Erweiterung darüber hinaus ist nicht möglich, weshalb eine Anwendbarkeit auf Anbieter im EU-Ausland bereits in den meisten Fällen ausscheidet. Sollte daher ausnahmsweise die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu bejahen sein, so scheitert dennoch eine Bestrafung gem. § 284 I StGB aufgrund des verwaltungsrechtsakzessorischen Charakters der Strafnorm. Große Teile des GlüStV sind nicht mit dem Verfassungs- oder Unionsrecht vereinbar. So ist die Regulierung im Bereich der Sportwetten in seiner derzeitigen Form bis mindestens 31.12.2019 zwar verfassungsgemäß, aber aufgrund der faktischen Aufrechterhaltung des unionsrechtswidrigen Sportwettenmonopols als unionsrechtswidrig einzustufen. Es handelt sich aufgrund der Übergangsregelung des § 29 I 3 GlüStV um eine unionsrechtswidrige Aufrechterhaltung eines unionsrechtswidrigen Zustandes, mit der Folge, dass die momentane Regulierungssituation im Bereich der Sportwetten eine ungerechtfertigte Beschränkung der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit darstellt. Gleiches gilt für die Regulierung des Lotteriesektors. Dieser ist zwar ebenso auf den ersten Blick verfassungsgemäß, aber aufgrund seines tatsächlichen Vollzugs nicht mehr als unionsrechtskonform einzuordnen, was auch schlussendlich auf die verfassungsrechtliche Prüfung durchschlagen dürfte. Das in den §§ 4 IV, V GlüStV verankerte Internetvertriebsverbot ist als solches weder mit der Verfassung noch mit dem Unionsrecht vereinbar. Hingegen ist der Erlaubnisvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV mit höherrangigem Recht vereinbar. Diese Schieflage des Glücksspielverwaltungsrechts schlägt aber auch auf die Frage der strafrechtlichen Sanktionierung gem. § 284 I StGB durch. Eine strafrechtliche Sanktionierung ist weder mit der Verfassung noch mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn diese auf einer bloßen Sanktionierung von Verwaltungsungehorsam wegen einer nicht eingeholten Erlaubnis beruht, deren Erteilung wiederum bereits von Anfang an unmöglich ist, da aufgrund verfassungswidriger bzw. unionsrechtswidriger Normen eine Erlaubniserteilung von Anfang an ausgeschlossen ist. Es ist in diesem Fall auch im Rahmen der strafrechtlichen Beurteilung dem jeweiligen Anbieter weder vorwerfbar, dass er keine Erlaubnis zuvor beantragt hat, noch, dass er diese nicht verwaltungsgerichtlich durchgestritten hat. Vielmehr ergibt sich die Straflosigkeit bereits aus dem höherrangigen Recht selbst.



C. Anwendung der herausgearbeiteten Ergebnisse477

Im Rahmen des Verfassungsrechts ergibt sich die Straflosigkeit aus dem Umstand, dass die Sanktionierung eines Verhaltens, das grundrechtlich geschützt ist, einen unverhältnismäßigen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt, wenn bereits die Norm, die die Grundrechtsausübung insoweit beschränkt, als dass die Grundrechtsausübung lediglich bis zu einem gewissen Maß erlaubt ist, selbst verfassungswidrig ist. Oder einfacher ausgedrückt, die Sanktionierung eines Verhaltens ist unverhältnismäßig, wenn die Norm, die dieses Verhalten ausschließt und die der strafrechtlichen Ahndung zu Grunde liegt, verfassungswidrig das Verhalten verbietet. Ebenso verbietet das Unionsrecht die Ahndung der Nichteinhaltung einer Verwaltungsformalität, wenn die Regelungen, die dieser Verwaltungsforma­ lität zu Grunde liegen und die die Erteilung der Erlaubnis mitbestimmen, selbst unionsrechtswidrig sind. Da dies momentan der Fall ist, ist die Strafbarkeit bei Online-Angeboten derzeit gem. § 284 I StGB gänzlich abzulehnen. Das Strafrecht ist insofern neutralisiert.

Teil 5

Die Verantwortlichkeit von Zahlungsdienstleistern im Rahmen von Online-Glücksspielen Als weiterer Punkt im Rahmen der Untersuchung stellt sich die Frage, wie unter Berücksichtigung des bisher gefundenen Ergebnisse die Tätigkeiten der Zahlungsdienstleister zu bewerten sind, die in Deutschland ansässig sind und die Geldtransfers zwischen den Glücksspielanbietern und den Spielern in Deutschland durchführen. Gem. § 4 I 2 GlüStV ist bei Glücksspiel ohne deutsche Erlaubnis unerlaubtes Glücksspiel gegeben, mit der Folge, dass die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Wie bereits herausgearbeitet, sind die Regelungen hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit verschiedener Glücksspielangebote als verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig einzustufen. Die Strafbarkeit des Anbieters scheitert daher jeweils an dem verwaltungsrechtsakzessorischen Charakter des § 284 I StGB. Die Frage aber, die sich hier stellt ist, wie dies bei den in Deutschland ansässigen Zahlungsdienstleistern zu bewerten ist. Diese Frage hat auch deshalb Bedeutung, da ab 01.01.2020 die Sportwetten neu reguliert wurden1 mit der Folge, dass zumindest in diesem Bereich ein Verstoß gegen höherrangiges Recht entfallen könnte, weshalb sich spätestens hier die Anschlussfrage stellt, ob sich die Zahlungsdienstleister strafbar machen. Hinsichtlich der Zahlungsdienstleister kommen, strafrechtlich gesehen, insbesondere zwei Delikte in Frage, zum einen die Beihilfe zur unerlaubten Veranstaltung von Glücksspiel gem. § 284 I, 27 StGB, zum anderen die Geldwäsche gem. § 261 I Nr. 4 a) StGB.

A. Definition Zahlungsdienstleister Zum besseren Verständnis ist hierbei vorangestellt kurz der hier maßgebliche Begriff des Zahlungsdienstleisters näher zu beleuchten. Für die Begutachtung herangezogener Begriff ist der des gesetzlich normierten Zahlungsdienstleisters gem. § 1 I ZAG. Zahlungsdienstleister erbringen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs Zahlungsdienstleistungen. Zahlungsdienstleistungen 1  Vgl.

LT-Drs. BW 16/5894.



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB479

wiederum sind insbesondere die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim Zahlungsdienstleister des Nutzers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister, also die Ausführungen von Lastschriften, Überweisungen und Kartenzahlungen mittels Zahlungskarte (also der typische Einkauf mit EC-Karte). Zahlungsdienste sind aber auch gem. § 1 I 2 Nr. 6 ZAG die Dienste, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontos auf den Namen des Zahlers oder des Zahlungsempfängers ein Geldbetrag des Zahlers nur zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an einen Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister entgegengenommen wird oder bei dem der Geldbetrag im Namen des Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht wird. Mit anderen Worten also Dienste, bei denen der dazwischengeschaltete Zahlungsdienstleister als Bote des Geldes fungiert. Bekanntestes Beispiel für einen Zahlungsdienstleister stellt die Sofort GmbH dar.2 Bei dieser handelt es sich um einen Zahlungsauslösedienst gem. § 1 I 2 Nr. 7 ZAG, da die Sofort GmbH nicht das Geld als solches an sich nimmt und an den Empfänger überbringt, sondern bei der jeweiligen Bank des Zahlers die Überweisung auslöst, um anschließend dem Zahlungsempfänger diese Auslösung zu bestätigen. Dies ermöglicht einen Güteraustausch bereits vor Buchung des Giralgeldes, da die Sofort GmbH bereits dem Zahlungsempfänger bestätigt, dass das Geld unwiderruflich auf dem Weg zu ihm ist.

B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB Zunächst soll untersucht werden, ob sich ein Zahlungsdienstleister in der Konstellation, dass ein Anbieter mit einer Lizenz eines Mitgliedstaats der Union, aber ohne deutsche Lizenz, der aus einem anderen Mitgliedstaat über das Internet Glücksspiele in Deutschland anbietet, eine Beihilfestrafbarkeit trifft, wenn dieser für diesen im Ausland sitzenden Anbieter die Zahlungsdienstleistungen vollzieht. Die Annahme einer Strafbarkeit als (Mit)täter scheidet hingegen bereits aus dem Grund aus, dass es bereits an einem hierzu notwendigen gemeinsamen Tatplan fehlt; die Zahlungsdienstleister erbringen gerade nicht auf das Glücksspiel speziell ausgerichtete Leistungen, sondern stellen lediglich die Infrastruktur zur Verfügung, die sie jedermann zur Ver2  Wobei die Sofort GmbH nun von der Klarna Bank AB (publ) aufgekauft wurde, einem schwedischen Kreditinstitut zur Erbringung von Finanzdienstleistungen.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

fügung stellen.3 In diesem Zusammenhang stellen sich mehrere Fragen, die nacheinander zu beantworten sind. Vorangestellt stellt sich zunächst die Frage, ob auf die Fälle, in denen die Täterhandlung im Ausland legal durchgeführt wird, die Teilnehmerhandlung aber in Deutschland untersagt ist, deutsches Strafrecht anwendbar ist. Im Folgenden ist hierbei zu untersuchen, wie sich die oben herausgearbeiteten Ergebnisse auf die objektive Tatbestandserfüllung im Rahmen der Beihilfe auswirken. Ebenso ist im Rahmen des Tatbestands zu untersuchen, ob darüber hinaus eine etwaige Beihilfestrafbarkeit durch die Grundzüge der neutralen Beihilfe einzugrenzen und im Ergebnis zu verneinen ist.

I. Vorliegen des objektiven Tatbestandes einer Beihilfe Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob überhaupt der objektive Tat­ bestand einer Beihilfe vorliegt. Wie bereits aus dem Normtext des § 27 StGB ersichtlich wird, bedarf es hierzu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat. 1. Auswirkungen des Verstoßes gegen höherrangiges Recht auf die Beurteilung des Vorliegens einer Haupttat In diesem Zusammenhang ist zweifelhaft, ob überhaupt eine Haupttat i. S. d. § 284 I StGB vorliegt. Im Rahmen der Beihilfe gilt der Grundsatz der limitierten Akzessorietät, die Beihilfe setzt gem. § 27 I StGB ausdrücklich eine „vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat“ voraus.4 An dieser fehlt es aber gerade, da eine Strafbarkeit, wie oben verdeutlicht, unter Berücksichtigung des verwaltungsrechtsakzessorischen Charakters des § 284 I StGB ausscheidet. Auf welcher Ebene wiederum die Strafbarkeit ausscheidet ist jedoch umstritten. Zum einen wird diesbezüglich eine Rechtfertigung kraft Europarechts bejaht.5 Zum anderen wird die Neutralisierung des Strafrechts auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit angenommen.6 Beide Ansichten führen hier aber zu einer Verneinung einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat, die für eine Beihilfe notwendig gewesen wäre.

3  Steegmann,

Die Haftung der Basisinfrastruktur, S. 113. § 26 Rn. 4. 5  So Heger, ZIS 2012, 396 (401); ausführlich zu der Thematik Kreis, Die verbrechenssystematische Einordnung der EG-Grundfreiheiten, S. 89 ff. 6  Vgl. nur Hecker, Europäisches Strafrecht, 9. Rn. 10 ff. 4  BeckOK-StGB/Kudlich,



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB481

Jedoch kann sich dieser Punkt ab dem 01.01.2020 im Bereich der Sportwetten ändern. Dann scheitert aber zumeist dennoch die Strafbarkeit im Hinblick auf die Haupttat an der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. § 9 I StGB auf diese. Unabhängig von der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Haupttat, stellt sich aber die Folgefrage, ob abweichend hiervon für die Prüfung der Teilnehmerstrafbarkeit deutsches Strafrecht gem. § 9 II StGB zur Anwendung kommt. a) Anwendbarkeit deutschen Strafrechts Maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang deutsches Strafrecht auf eine Teilnahmehandlung anzuwenden ist, die im Inland stattfindet, wenn die Haupttat im Ausland begangen wird und dort auch nicht mit Strafe bedroht ist. Auf den ersten Blick scheint die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Fälle, in denen die Zahlungsdienstleister innerhalb Deutschlands tätig werden, also diese innerhalb Deutschlands handeln, nicht problematisch. Gem. § 9 I StGB ist die Tat an dem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat, weshalb gem. § 3 StGB das deutsche Strafrecht gilt. Hinsichtlich der Teilnahme bildet aber § 9 II StGB eine Sonderregelung. Nach § 9 II 1 StGB ist die Teilnahme sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Da es demnach genügt, dass der Teilnehmer im Inland handelt, wäre grundsätzlich die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gem. § 9 II 1 StGB zu bejahen. b) Konsequenzen des § 9 II 2 StGB Zu beachten gilt aber, dass im Rahmen der Teilnahme das Akzessorietätsprinzip gilt, die inländische Teilnahme ist gerade von der im Ausland begangenen Haupttat abhängig.7 Wenn aber die Auslandstat im Ausland nicht mit Strafe bedroht ist, was zur Folge hat, dass auch gem. § 7 StGB keine deutsche Strafgewalt begründet werden kann, so führt dies im Grundsatz auch dazu, dass keine strafbare Teilnahme im Inland möglich ist.8 Die strafbare Teilnahme ist im Grundsatz nur möglich, wenn die Haupttat eine nach deutschem Recht mit Strafe bedrohte vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat eines anderen ist.9 Gem. § 11 I Nr. 5 StGB ist eine rechtswidrige Tat 7  BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, 8  MüKo-StGB/Ambos,

§ 9 Rn. 39. 9  LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 48.

§ 9 Rn. 9.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

im Sinne des StGB nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht hat, hieran fehlt es aber gerade bei der im Ausland erlaubten Auslandstat. Die Haupttat ist aber in dem hier vorliegenden Fall eines Anbieters von Online-Glücksspielen über das Internet aus einem EU-Mitgliedstaat nach dem Strafrecht des jeweiligen Sitzstaates des Anbieters gerade nicht mit Strafe bedroht, da dieser in diesen über die nötige Lizenz zur Gewährung seiner Dienstleistungen verfügt. Diesen Fall regelt aber nach dem klaren Wortlaut § 9 II 2 StGB. Demnach gilt, wenn der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt hat, für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist. § 9 II 2 StGB stellt gerade eine Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips dar, es ist im Gegensatz zu § 7 StGB keine identische Tatnorm nötig.10 Rechtsfolge des § 9 II 2 StGB ist daher, dass die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die Haupttat „fingiert“ wird, daher ist es aufgrund der Regelung des § 9 II 2 StGB möglich, eine Teilnahmestrafbarkeit zu begründen, da in deren Zusammenhang unter der Prüfung der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat die Anwendung des deutschen Strafrechts und nicht die des jeweiligen ausländischen Staats stattfindet.11 Es kommt demnach nicht darauf an, ob die Haupttat an ihrem Begehungsort mit Strafe bedroht ist, sondern ob sie dies bei der Anwendung deutschen Strafrechts in Deutschland wäre.12 An dieser Ausweitung des Ubiquitätsprinzips werden mehrfach Zweifel geäußert, so wird sie als „eine mit dem Nichteinmischungsgrundsatz kaum vereinbare Ausdehnung der deutschen Strafgewalt“ gesehen.13 Der Gesetzgeber habe „übers Ziel hinausgeschossen“.14 Ohne nun vertieft auf den Streit einzugehen, wird aber im Grundsatz die Existenz und Wirkung des § 9 II 2 StGB akzeptiert.15 Vielmehr ist § 9 II 2 StGB mit völkerrechtlichen Grundsätzen vereinbar, denn im Gegensatz zur Anwendung des § 9 I StGB auf abstrakte Gefährdungsdelikte ist bei § 9 II 2 10  BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg,

§ 9 Rn. 15; MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 39. § 9 Rn. 3; Magnus, NStZ 2016, 57 (61); krit. hinsichtlich des Begriffs „fingiert“ NK-StGB/Böse, § 9 StGB Rn. 21, wonach nicht das deutsche Strafrecht auf die Haupttat fingiert wird, sondern vielmehr das in den §§ 26, 27 StGB enthaltene Verbot ausgedehnt werde auf eine Teilnahme an Auslandstaten, die nicht dem deutschen Strafrecht unterliegen. 12  SSW-StGB/Satzger, § 9 Rn. 13; vgl. LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 51; Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 360; vgl. Lang, MedR 2018, 568 (570). 13  MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 41; Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 17; Valerius, NStZ 2008, 121 (124 f.). 14  LK/Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 52. 15  Vgl. NK-StGB/Böse, § 9 StGB Rn. 22; SSW-StGB/Satzger, § 9 Rn. 13; Sch/ Sch/Eser/Weißer, § 9 Rn. 14; BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 15. 11  Lackner/Kühl/Heger,



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB483

ein sinnvoller völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt gegeben: der Handlungsort des Teilnehmers in Deutschland.16 Auch handelt es sich nicht um eine ungerechtfertigte Durchbrechung der Akzessorietät zwischen Haupttat und Teilnahme, denn es stellt keinen Verstoß gegen den völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz dar, wenn ein Staat intern seine Wertordnung durchsetzt.17 Denn durch die Handlung des Teilnehmers in Deutschland handelt es sich nicht mehr um einen abgeschlossenen Sachverhalt in einem anderen Staat, vielmehr besteht auch eine Wirkung nach Deutschland. § 9 II 2 StGB hat aber keinerlei strafrechtliche Wirkung auf den im Ausland befindlichen Täter und die strafrechtliche Würdigung seines Falles im Sinne einer strafrechtlichen Sanktionierung, vielmehr betrifft § 9 II 2 StGB lediglich den in Deutschland befindlichen Teilnehmer. Da der Sachverhalt des Teilnehmers aber mit Deutschland verbunden ist, besteht von dieser Seite auch kein Grund dafür, die Entscheidung des ausländischen Staates, dass ein bestimmtes Verhalten straflos ist, auf die eigene Wertung zu übertragen. Gleichzeitig wird sich auch nicht in die Wertung des ausländischen Staates eingemischt, da die Täterhandlung im ausländischen Staat und die Würdigung als strafloses Verhalten hinsichtlich des Täters weiterhin respektiert wird18; der Nichteinmischungsgrundsatz ist daher nicht verletzt. Darüber hinaus besteht das generalpräventive Erfordernis Teilnahmehandlungen in Deutschland, egal ob sich das Verhalten, auf die sich diese beziehen, im In- oder Ausland stattfinden, gleich zu behandeln, da sonst die Gefahr von Strafbarkeitslücken besteht.19 Außerdem bestünde sonst die Gefahr negativer Rückschlüsse auf die Bundesrepublik Deutschland.20 Selbst, wenn man die Regelung als zu hart empfinden sollte, so besteht zur Abmilderung unbilliger Härten die Möglichkeit prozessual gem. § 153 c I 1 Nr. 1 StPO von der Verfolgung abzusehen.21 Vielmehr problematisch ist hingegen, in welchem Umfang die Norm des § 9 II 2 StGB Wirkung bei einer verwaltungsrechtsakzessorischen Strafnorm entfaltet, bei der ein Anbieter zwar im Ausland die notwendige Genehmigung besitzt, nicht aber im Inland. Entscheidend ist daher, ob im Rahmen der Beihilfe und im Rahmen der Beurteilung der Haupttat unter der Maxime des 16  Satzger,

Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 40. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 42. 18  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 42. 19  Jung, JZ 1979, 325 (329); Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 39; Safferling, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 20; vgl. Magnus, NStZ 2015, 57 (61). 20  Safferling, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 20. 21  Jung, JZ 1979, 325 (329 f.); Safferling, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 20; vgl. Magnus, NStZ 2015, 57 (61 f.). 17  Vgl.

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§ 9 II 2 StGB, das im Ausland ausgeübte Verhalten mit samt der fehlenden deutschen verwaltungsrechtlichen Erlaubnis zu betrachten ist, oder aber, ob die ausländische Erlaubnis in der Weise zu berücksichtigen ist, dass das Verhalten mit einer hypothetischen deutschen Erlaubnis zu beurteilen ist. Oder anders ausgedrückt, ist die ausländische Erlaubnis gänzlich nicht zu berücksichtigen und ist daher das Delikt gänzlich am Maßstab des deutschen Strafrechts zu prüfen oder genügt im Rahmen der Anwendung des § 9 II 2 StGB, dass der Täter im Ausland über eine Genehmigung verfügt und wird daher eine Genehmigung nach deutschem Recht fingiert und ist allein entscheidend, ob das Verhalten im Übrigen strafbar wäre? aa) Nichtberücksichtigung der ausländischen Genehmigung Gegen die Berücksichtigung einer ausländischen Genehmigung spricht der Wortlaut des § 9 II 2 StGB. Die Norm spricht schlicht davon, dass deutsches Strafrecht Anwendung findet, „auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist“. Wie bereits oben ausgeführt, ist der Begriff der „Tat“ im Rahmen des § 9 I StGB als prozessuale Tat auszulegen.22 Nichts anderes gilt bereits aus der Systematik des § 9 StGB, der immer auf den Begriff der „Tat“ abstellt, auch im Rahmen des § 9 II StGB. Nach dem klaren Wortlaut findet das deutsche Strafrecht für die Beurteilung der Teilnahmestrafbarkeit auf die Haupttat Anwendung, der Begriff der Tat aber im prozessualen Sinne ist der eines Vorgangs‚ einschließlich aller damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die nach der Auffassung des Lebens eine natürliche Einheit bilden.23 Es ist also nach dem Wortlaut der schlichte Lebenssachverhalt, wie er vorliegt, nach deutschem Strafrecht zu prüfen. Dies hätte im Rahmen des § 284 I StGB zur Folge, dass die Lizenz eines EU-Mitgliedstaates eben nicht als eine behördliche Erlaubnis im Rahmen des § 284 I StGB genügt, sondern lediglich eine deutsche Erlaubnis hätte tatbestandsausschließende Wirkung. An dieser fehlt es aber gerade.24

22  Vgl.

hierzu S. 53 ff.

23  MüKo-StPO/Norouzi,

§ 264 Rn. 10. auch OLG Bremen, Urteil vom 11. November 2004 – 2 U 39/2004 –, ­juris Rn. 35 ff.; die Entscheidung wurde anschließend vom BGH aber aufgehoben unter Verweis auf die Verfassungswidrigkeit des zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrechts, BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 – I ZR 187/04 –, juris. 24  So



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB485

bb) Berücksichtigung der ausländischen Genehmigung Aufgrund der oben genannten Ergebnisse ist dieses auf seine Praktikabilität zu prüfen. Was wäre die Auswirkung der Ansicht, dass nur eine deutsche Genehmigung genügen würde? (1) Einwand der Absurdität Die Ergebnisse im Bereich der verwaltungsrechtsakzessorischen Straftatbestände würden zu absurden Konsequenzen führen. Jedes Mal, wenn ein Straftatbestand im deutschen Strafrecht eine deutsche Erlaubnis fordern würde, würde sich im Rahmen dieses verwaltungsakzessorischen Straftatbestands derjenige strafbar machen, der aus Deutschland hi­ naus das Verhalten eines außerhalb des Geltungsbereichs des StGB Befindlichen fördert. Jeder Vorgang, der irgendwie nach dem deutschen Recht einer Genehmigung oder eines sonstigen Hoheitsaktes der deutschen Staatsgewalt bedarf, würde die Strafbarkeit einer Teilnehmerstrafbarkeit in Deutschland nach sich ziehen. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn das jeweilige Verhalten im Ausland bereits genehmigt worden ist. Jeder Wirtschaftsteilnehmer wäre dann verpflichtet, auch eine Genehmigung in Deutschland einzuholen, selbst wenn er ausschließlich im Ausland tätig ist, sobald nur ein Zulieferer aus Deutschland stammt. Plastisch lässt sich dies auch am folgenden Beispiel zeigen: Ein schweizer Unternehmer betreibt im Kanton Bern eine Abfallentsorgungsanlage, die auch den Merkmalen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für Abfallentsorgungsanlagen in Deutschland entspricht, hierfür hat der Unternehmer auch die nötige Genehmigung in der Schweiz, eine deutsche Genehmigung hat dieser aber nicht. Wiederum beliefert nun ein deutscher Unternehmer den in der Schweiz befindlichen Unternehmer mit Pumpen in Kenntnis dessen, dass dieser lediglich über eine schweizerische Genehmigung verfügt. Auch wenn das logische Ergebnis naheliegt, wieso sollte sich der Deutsche strafbar machen, wenn er einen legalen Betrieb in der Schweiz be­ liefert ohne gegen irgendwelche sonstigen Normen zu verstoßen, würde aber § 9 II 2 StGB genau zu einer Sanktionierung hiervon führen. Gem. § 327 II 1 Nr. 3, S. 2 StGB handelt derjenige strafbar, der ohne Genehmigung eine Abfallentsorgungsanlage im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes betreibt, wobei der deutschen Genehmigung gem. § 330d II StGB auch Genehmigungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleichstehen. Jedoch ist die Schweiz kein Mitglied der europäischen Union, weshalb deren Genehmigung auch keine Legalisierungswirkung in Deutschland

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hat.25 Bei einer Anwendung des § 9 II 2 StGB stur dahingehend, dass die schweizerische Genehmigung bei der Anwendung deutschen Strafrechts keine Genehmigung im Sinne des § 327 II 1 Nr. 3 StGB darstellt, wäre eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat zu bejahen mit der Konsequenz, dass sich jeder Zulieferer der Beihilfe strafbar machen würde, soweit kein Ausschluss wegen neutraler Beihilfe greift. Als weiteres Beispiel kann die Lieferung von Bauteilen für chemische Anlagen in ein Entwicklungsland genannt werden, denn die hier bestehenden Arbeitsschutzvorschriften bestehen zumeist gar nicht oder nur in einem geringeren Maß als in Deutschland. Dennoch wird sich niemals die Frage stellen, ob sich ein Lieferant der Beihilfe zur Körperverletzung strafbar macht, wenn die Gesundheit der Beschäftigten mehr beeinträchtigt wird als nach deutschen Vorschriften erlaubt wäre.26 Strenge Inlandsvorschriften würden also im Ergebnis einen Nachteil im Ausland bedeuten; eine wirtschaft­ liche Konkurrenzfähigkeit am Tatort wäre ausgeschlossen.27 Auch ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der in Deutschland befindliche Dienstleister lediglich Teilnehmer ist, ihm also bereits dogmatisch ein geringeres Handlungsunrecht zu Lasten fällt als dem im Ausland befindlichen Täter.28 Der Teilnehmer steht sozusagen nicht so nah an der Tat, wie der Täter. Aus praktischen Gesichtspunkten ist daher bei verwaltungsrechtsakzessorischen Straftatbeständen, die davon abhängen, dass eine behördliche Erlaubnis aus Deutschland besteht, einzig überzeugend, dass im Rahmen des § 9 II 2 StGB auch die ausländische Erlaubnis genügen muss. Ansonsten würden alle in Deutschland befindlichen Wirtschaftsteilnehmer sich einem Strafbarkeitsrisiko aussetzen, das sie nicht selbst in der Lage sind zu beenden: Denn die Erlaubniserteilung muss, in der Dogmatik des Strafrechts gesprochen, nicht der Teilnehmer, sondern der Täter beantragen, hierauf hat der Teilnehmer aber im Zweifel keinerlei Einfluss. Würde der Teilnehmer als Wirtschaftsunternehmen darauf drängen, dass der Täter im Sinne der Abnehmerfirma neben der Erlaubnis im Ausland auch noch eine deutsche Erlaubnis einholt, so wird dieser allein aufgrund des Verwaltungsmehraufwandes von einer Inanspruchnahme des deutschen Zulieferers Abstand nehmen. Darüber hinaus ergibt sich hierdurch die Folgefrage, ob die jeweiligen deut25  Für dieses Beispiel seien anderweitige Regelungen mit der Schweiz hierbei außen vorgestellt. 26  Vgl. Nowakowski, JZ 1971, 633 (635); Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400 f.). 27  Nowakowski, JZ 1971, 633 (635); Knaup, Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 II 2 StGB, S. 132. 28  Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich, § 25 Rn. 2 ff.



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB487

schen Behörden überhaupt derartige Genehmigungen ausstellen können und würden. Insbesondere ist dies zweifelhaft, da eine deutsche Behörde bereits mangels verwaltungsrechtlicher Zuständigkeit im Ausland – allein hier ist der zu genehmigende Sachverhalt gegeben – eine Verbescheidung ablehnen dürfte. Dass dies alles vom Gesetzgeber nicht erwünscht sein kann, ist zumindest schwer abzustreiten. Ansonsten würde sich der Gesetzgeber durch die Statuierung einer immer drohenden Teilnehmerstrafbarkeit sozusagen mittelbar in die verwaltungsrechtlichen Regelungsmechanismen ausländischer Rechtsverordnungen einbringen bzw. dieser würde zwingend ausländische am Wirtschaftsleben beteiligte Privatpersonen dazu verpflichten, auch eine Genehmigung nach deutschem Recht einzuholen, damit eine Belieferung durch deutsche Unternehmen überhaupt möglich ist. (2) Wortlaut des § 9 II 2 StGB Ferner ist der genaue Wortlaut des § 9 II 2 StGB zu beachten. Nach ausdrücklicher Normierung gilt für die Teilnahme „das deutsche Strafrecht“. Die Haupttat ist demnach nach dem „deutschen Strafrecht“ zu beurteilen, womit eine Anwendung des deutschen Strafrechts auf den der Haupttat zugrundeliegenden Auslandssachverhalt gemeint ist.29 Diesbezüglich ist aber auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 9 II 2 StGB abzustellen. Dieser ordnet lediglich an, dass das ausländische Strafrecht nicht auf die Haupttat angewendet werden soll und, dass stattdessen eine Beurteilung nach dem deutschen Strafrecht erfolgen soll.30 Hierdurch ordnet aber § 9 II 2 StGB gerade nicht an, dass das gesamte ausländische Recht zu keiner Anwendung kommt, vielmehr ist dieses heranzuziehen, soweit es für die Prüfung des deutschen Tatbestandes notwendig ist.31 Das ausländische Recht wird im Übrigen (also bis auf das Strafrecht) gerade nicht durch § 9 II 2 StGB verdrängt.32 Vielmehr bemessen sich Vorfragen, wie z. B. das Greifen von Erlaubnissätzen, weiterhin nach den ausländischen Vorfeldnormen.33 Daher ist auch die Frage, ob eine notwendige Genehmigung vorliegt, nicht nach dem deutschen Recht zu be29  Vgl.

Lackner/Kühl/Heger, § 9 StGB Rn. 3 m. w. N. § 9 Rn. 12; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 22; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400); Knaup, Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 II 2 StGB, S. 129. 31  SK-StGB/Hoyer, §  9 Rn.  12; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 22; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400); Knaup, Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 II 2 StGB, S. 129; Nowakowski, JZ 1971, 633 (637 f.). 32  NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 22; so auch Nowakowski, JZ 1971, 633 (637 f.). 33  Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400 f.). 30  SK-StGB/Hoyer,

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

antworten, sondern nach dem ausländischen Recht.34 Auf die hier vorliegende Frage übertragen bedeutet dies folgendes: Die Frage, ob das Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis veranstaltet wird, ist im Rahmen der Prüfung einer Teilnehmerstrafbarkeit und damit einhergehend bei einer Anwendung von § 9 II 2 StGB auf die im Rahmen der Akzessorietät sich stellende Voraussetzung, ob eine „fehlende behördliche Erlaubnis“ als negatives Tatbestandsmerkmal der Haupttat vorliegt, im Lichte des § 9 II 2 StGB und seines Wortlauts nicht nach dem deutschen, sondern nach dem ausländischen Verwaltungsrecht zu beantworten. Soweit bei den im Ausland tätig werdenden Anbietern, denen die Zahlungsdienstleister ihre Dienste anbieten, eine Glücksspiellizenz des jeweiligen Sitzstaates (wie sehr häufig) vorhanden ist, ist in der durch § 9 II 2 StGB initiierten Prüfung der Haupttat das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ gerade nicht erfüllt. (3) Grenze der Anerkennung fremder Erlaubnisse Wenn aber im Grundsatz im Rahmen des § 9 II 2 StGB fremde verwaltungsrechtliche Erlaubnisse anzuerkennen sind, so stellt sich im Anschluss die Frage, ab welcher Schwelle dieser Grundsatz durchbrochen wird. Als gewisser Maßstab bietet sich diesbezüglich der negative ordre public Vorbehalt an, der in Art. 6 EGBGB auch fixiert wurde.35 Nach diesem ist die Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist,36 wobei insbesondere Grundrechte zu beachten sind. Hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Glücksspiellizenzen im Rahmen der Beihilfe und § 9 II 2 StGB kann nicht davon die Rede sein, dass dies mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Nachdem § 9 II 2 StGB bereits die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts faktisch ausweitet, da auch in fremden Rechtsordnungen die deutsche Rechtsordnung zu beachten wäre, ist nicht ersichtlich, weshalb es dann mit wesentlichen Grundsätzen unvereinbar sein sollte, dass man die fremde Hoheitsgewalt, in die bereits mittelbar eingegriffen wird, insoweit respektiert, als dass die dieser Rechtsordnung entstammenden ausländischen Erlaubnisse zumindest im Rahmen des § 9 II 2 StGB der einer deutschen Behörde gleichge34  Vgl. SK-StGB/Hoyer, § 9 Rn. 12; Nowakowski, JZ 1971, 633 (635 f.); Knaup, Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 II 2 StGB, S. 129. 35  Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401); vgl. Nowakowski, JZ 1971, 633 (636). 36  Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401).



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB489

stellt werden. Auch ist zu beachten, dass die ausländischen Lizenzen sich nicht auf einen stationären Inlandsvertrieb beschränken, sondern dass mit diesen bereits ein grenzüberschreitender Onlinevertrieb lizenziert wird. Da bereits die Lizenzierung im Ausland auf eine Grenzüberschreitung stattfindet, also zumindest eine Überprüfung gegeben ist, ist zumindest selbst bei einer Abweichung des Prüfprogramms kein Verstoß gegen den ordre public gegeben, vielmehr unterliegt der jeweilige Veranstalter der Kontrolle eines anderen Staates, was für die Erlaubnis im Rahmen des § 9 II 2 StGB genügen muss. (4) Vergleich mit dem Fall des Embryonenschutzes Der hier vorliegende Fall ist auch nicht mit dem häufig diskutierten Sachverhalt der Teilnahme an im Ausland stattfindenden Forschungen, z. B. an Embryonen, was wiederum in Deutschland strafbar ist, zu vergleichen. Im Rahmen der sonst die Anwendung des § 9 II 2 StGB verursachenden Konstellation stellt sich der Fall meist so dar, dass das Verhalten als solches im Ausland straflos ist, in Deutschland aber als strafbar gesehen wird. Es findet sich im Ausland gerade keine Verbotsnorm, weshalb diesbezüglich keinerlei Appellfunktion dahingehend ausgeht, dass sich an gewisse Erlaubnissätze zu halten wäre.37 Zu einer Statuierung einer derartigen an den Teilnehmer gerichteten Appellfunktion ergeht diese Funktion hingegen in Deutschland in den Fällen des § 9 II 2 StGB durch die damit anwendbaren inländischen Strafnormen. § 9 II 2 StGB sorgt also im Ergebnis erst für den Appell, da dieser im Ausland nicht besteht. Hierdurch kommt § 9 II 2 StGB auch in diesen Fällen ein generalpräventiver Aspekt zu. Insofern ist aber beim Vorliegen von verwaltungsrechtsakzessorischen Strafnormen die Situation eine gänzlich andere. Bereits im Ausland ist eine Genehmigung für ein bestimmtes Verhalten erforderlich, sowohl den Täter als auch dessen Teilnehmer trifft bereits die Appellfunktion aufgrund der ausländischen Rechtsordnung. So sieht auch das maltesische Recht z. B. eine Sanktionierung von Glücksspiel ohne Erlaubnis vor.38 Da bereits vom (hier maltesischen) Recht des ausländischen Staates eine Appellfunktion ausgeht, besteht die Möglichkeit der Akzeptanz dieser ausländischen Vorfeldnorm im Sinne einer behördlichen Erlaubnis.39 Denn den 37  Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (404), die anderweitig auf diesen Umstand abstellen. 38  Vgl. Chapter 583 Gaming Act, S. 41 ff. abrufbar unter: http://www.justiceser vices.gov.mt/DownloadDocument.aspx?app=lom&itemid=12832&l=1; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 39  Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (404 Rn. 88), die im Eingreifen einer ausländischen „Vorfeldnorm“ einen erheblichen qualitativen Unterschied sehen.

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jeweiligen Teilnehmer trifft bereits indirekt der Appell hinsichtlich der fremden Rechtsordnung, im Gegensatz zum Fall einer grenzüberschreitenden Forschung, bedarf es daher des § 9 II 2 StGB in diesem Fall gar nicht, da auch so der Appell für den Teilnehmer bereits kraft des ausländischen Erlaubnissatzes besteht. Im Falle verwaltungsrechtsakzessorischer Straftatbestände lässt sich daher die Anwendung des § 9 II 2 StGB gerade nicht mit generalpräventiven Gesichtspunkten rechtfertigen, da nicht die Gefahr dahingehend besteht, dass der Appell, der von der Strafnorm ausgeht (bei §§ 284, 27 StGB: Fördere nicht die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels!), ungehört bleibt, denn der Teilnehmer hält sich ja gerade an den Appell im Ausland, er fördert lediglich dort erlaubtes Glücksspiel. Dieser Unterschied rechtfertigt auch eine Herausnahme der verwaltungsrechtsakzessorischen Straftatbestände aus dem Anwendungsbereich des § 9 II 2 StGB insoweit, dass auch eine ausländische Genehmigung genügt. (5) Ergebnis Nach dem oben Ausgeführten ist die einzig überzeugende Lösung, dass zwar nicht im Rahmen des § 284 I StGB als solches, aber zumindest im Rahmen der Berücksichtigung der Haupttat im Rahmen des § 9 II 2 StGB, ausländische Genehmigungen eine strafbarkeitsausschließende Wirkung haben. Die ausländische Genehmigung ist insofern als hypothetische deutsche Genehmigung zu betrachten, die Teilnahmestrafbarkeit ist daher insoweit mit Blick auf die Haupttat so zu werten, dass eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat im Sinne des § 27 I StGB vorliegt, wenn das Verhalten des Täters im Ausland auch bei Hinzudenken einer hypothetischen deutschen Erlaubnis den jeweiligen verwaltungsrechtsakzessorischen Straftatbestand erfüllen würde. Dies wäre im Glücksspielrecht z. B. der Fall, wenn ein in Deutschland befindlicher Akteur den in Malta befindlichen Veranstalter eines Glücksspiels telefonisch dazu ermuntert (psychische Beihilfe), dass er sein Glücksspielangebot über den Bereich der maltesischen Lizenz ausweitet, ohne dass dies durch die Behörden Maltas gerechtfertigt ist.40 Hier wäre dann eine Beihilfestrafbarkeit zu bejahen. Jedoch ist im Falle der vollständig im Ausland legal operierenden Anbieter keine Strafbarkeit gem. § 284 I StGB, auch bei Anwendung des deutschen Strafrechts nach § 9 II 2 StGB, gegeben, womit es auch bei der Anwendung des § 9 II 2 StGB demnach an der für die Beihilfe notwendigen vorsätz­ lichen, rechtswidrigen Haupttat mangelt. 40  Die Überschreitung der Erlaubnis ist als „ohne Erlaubnis“ zu sehen, vgl. NKStGB/Gaede, § 284 StGB Rn. 21.



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB491

2. Berücksichtigung der Grundsätze über die neutrale Beihilfe Ferner ist im Zusammenhang mit der zur Debatte stehenden Beihilfestrafbarkeit der Zahlungsdienstleister zu beachten, dass diese innerhalb ihres Geschäftsbereichs tätig werden. Die Beihilfehandlung der Ausführungen der Zahlungsdienstleistungen stellt gerade das Tätigkeitsfeld der im Rahmen der Zahlungsdienstleister operierenden natürlichen Personen dar. Es drängt sich daher als Folgefrage auf, ob bei den Zahlungsdienstleistern nicht die Strafbarkeit auch aus Aspekten der neutralen Beihilfe ausscheidet. a) Vorliegen und Behandlung der Fälle der neutralen Beihilfe Ob und wann ein Fall der neutralen Beihilfe vorliegt, ist nicht klar definiert, es fehlt an jeglicher festen Bestimmung des Begriffs der „neutralen Handlung“.41 Hiermit sind Fälle gemeint, in denen eine Person zwar ihrer „normalen“, „alltäglichen“ oder „professionell adäquaten“ Betätigung nachgeht, hierbei sich aber im Klaren ist bzw. es zumindest billigend in Kauf nimmt, dass diese Verhalten einer anderen Person bei deren strafrechtlich relevantem Verhalten hilft.42 Die Tätigkeit der Zahlungsdienstleister ist daher im Grundsatz als solche auch als „neutrale Handlung“ einordenbar, denn die Gewährung von Zahlungsdienstleistungen erbringen diese sowohl als Glücksspielanbieter, als auch an viele andere Onlineformate, die nichts mit Glücksspiel zu tun haben, wie z. B. Lieferdienste.43 Vielmehr umstritten ist hingegen, wie die Fälle der neutralen Beihilfe strafrechtlich zu bewerten sind.44 Diesbezüglich findet sich ein weitreichender Meinungsstand.45 Zusammenfassend lässt sich der Meinungsstand in mehrere Lager aufteilen. Ein Lager lehnt ein Strafbarkeitskorrektiv bereits ab, es verbleibe bei der üblichen Beihilfe, denn die Handlung sei streng am 41  BeckOK

StGB/Rackow, Lexikon des Strafrechts, Neutrale Beihilfe, Rn. 1. § 27 Rn. 11. 43  Vgl. https://www.lieferando.de/kundenservice-konsument-betreff-bezahlen; die auch „Sofort.(Klarna.)“ als Zahlungsdienstleister anbieten, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 44  Vgl. zum Meinungsstand die Monografien von Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 74 ff. und Rackow, Neutrale Handlung als Problem des Strafrechts, S. 129 ff. 45  Zu einem umfassenden Überblick vgl. Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 74 ff. und Rackow, Neutrale Handlung als Problem des Strafrechts, S. 129 ff. und auch die Zusammenfassung in BeckOKStGB/Rackow, Neutrale Handlungen im Strafrecht, Rn. 4 ff. 42  BeckOK-StGB/Kudlich,

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Rechtsgüterschutz zu orientieren.46 Andere Ansichten wiederum führen im Ergebnis zu einem Ausschluss der Strafbarkeit. Hierbei unterscheiden sich diese hinsichtlich der jeweiligen Voraussetzungen und der Reichweite.47 Manche Stimmen in der Literatur vollziehen eine Einschränkung anhand objektiver Kriterien, wobei die Kriterien unterschiedlich sind. Teilweise wird ein Ausschluss der Strafbarkeit auf den Gesichtspunkt des erlaubten Risikos gestützt48, andere wiederum stützen diese auf den Gesichtspunkt einer sozialen bzw. professionellen Adäquanz49 und schlussendlich wird auch das Erfordernis eines deliktischen Sinnbezugs zur Haupttat gefordert.50 Ebenso erfolgt ein Ausschluss stellenweise unter Zugrundelegung der Formel der unerlaubten Gefahrenschaffung und unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.51 Ferner erfolgt der Ausschluss auch auf Basis rein subjektiver Theorien. Diese stellen auf die innere Willensrichtung des jeweiligen Gehilfen ab. Es sei nötig, dass der Gehilfe entweder die unterstützende Wirkung seiner Handlung im Sinne eines Dolus Directus I. Grades wolle, oder diese zumindest als unvermeidlich vorhergesehen habe im Sinne eines Dolus Directus II. Grades.52 Hält der Gehilfe es hingegen lediglich für möglich, dass eine Handlung ein strafrechtlich relevantes Verhalten fördern könnte im Sinne eines Dolus Eventualis, so entfällt die Strafbarkeit.53 Im Rahmen der Rechtsprechung und daher auch maßgeblich für die spätere Beurteilung der Strafbarkeit hat sich eine gemischt objektiv-subjektive Theorie durchgesetzt. Grundlage dieser Ansicht war ein Beschluss des 5. Strafsenats aus dem Jahr 199954, in der er die bis heute gültige Formel aufstellte: „Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein exemplarisch Beckemper, Jura 2001, 163 (169). Lackner/Kühl, § 27 StGB Rn. 2a. 48  Vgl. hierzu stellvertretend Lackner/Kühl, § 27 StGB Rn. 2a m. w. N. und Fischer, § 27 Rn. 19a; so z. B. Wohlers, NStZ 2000, 169 (173 f.). 49  Lackner/Kühl, § 27 StGB Rn. 2a; MüKo-StGB/Joecks, § 27 Rn. 69  f.; Sch/ Sch/Heine/Weißer, § 27 Rn. 12; vgl. umfassend hierzu Hassemer, wistra 1995, 41 (45 ff.), 81 (81 ff.). 50  So maßgeblich Roxin, AT II, Rn.  218  ff.; vgl. MüKo-StGB/Joecks, § 27 Rn. 71; Löwe-Krahl, wistra 1995, 201 (205 f.); Ransiek, wistra 1997, 41 (44 ff.); Meyer-Arndt, wistra 89, 281 (287). 51  Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich, § 27 Rn. 13. 52  MüKo-StGB/Joecks, §  27 Rn. 76; Sch/Sch/Heine/Weißer, § 27 Rn. 12; vgl. BeckOK-StGB/Kudlich, § 27 Rn. 13. 53  MüKo-StGB/Joecks, § 27 Rn. 76; BeckOK-StGB/Kudlich, § 27 Rn. 13. 54  BeckOK-StGB/Kudlich, §  27 Rn. 14; MüKo-StGB/Joecks; vgl. SSW-StGB/ Murmann, § 27 Rn. 6. 46  Vgl. 47  Vgl.



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB493

Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten […]. In diesem Fall verliert sein Tun stets den ‚Alltagscharakter‘; es ist als ‚Solidarisierung‘ mit dem Täter zu deuten […] und dann auch nicht mehr als ‚sozialadäquat‘ anzusehen […]. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung ‚die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ.“55 Diesen Textbaustein nutzte der BGH auch in der Vergangenheit weiterhin – wenn auch manchmal mit einer gewissen Satzumstellung – in seinen Entscheidungen zur Beihilfe durch Bankmitarbeiter im Jahr 200056, teilweise in seiner Entscheidung zur Beihilfe durch Mitwirkung beim Erstellen von Befehlen zur Grenzsicherung der DDR im Jahr 200157, in der Entscheidung zur Beihilfe zum versuchten Betrug bei der Durchführung des Lastschrifteinzugs durch einen Gewinnspieleintragungsservice58, in einer Entscheidung zur Beihilfe einer Rechtsanwältin durch ihren Rat im Rahmen einer Steuerhinterziehung59 und in seiner Entscheidung zur Beihilfe eines Anwalts bei der Geltendmachung von fingierten Verkehrsunfällen.60 Die Prüfung des BGH setzt sich demnach sowohl aus objektiven als auch subjektiven Kriterien zusammen, die er auch in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 sauber darstellt: „Aus objektiven Gründen kann eine strafbare Beihilfe zu verneinen sein, wenn dem Handeln des – um die bevorstehende Deliktsverwirklichung wissenden – Täters der ‚deliktische Sinnbezug‘ […] fehlt, weil das vom Gehilfen geförderte Tun des Haupttäters nicht allein auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibt […], der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstützt. Subjektiv besteht insoweit Anlass zu einer Begrenzung der Beihilfestrafbarkeit, als der Außenstehende eine deliktische Verwendung seines Beitrags durch den Täter zwar für möglich hält – also mit Dolus Eventualis handelt – 55  BGH 56  BGH 57  BGH 58  BGH 59  BGH 60  BGH

NStZ 2000, 34 (34). NJW 2000, 3010 (3011). NJW 2001, 2409 (2010). NZWiSt 2014, 139 (141 f.). NStZ 2017, 337. NStZ 2017, 461 (461 f.).

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

aufgrund des Alltagscharakters seines Tuns aber darauf vertrauen darf, dass der andere dieses nicht zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat ausnutzen wird […]. Indem der Bundesgerichtshof […] die Strafbarkeit davon abhängig macht, ob das vom Hilfeleistenden erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch ist, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt, wird sichergestellt, dass sich niemand durch bloße Mutmaßungen über die Möglichkeit einer strafbaren Verwendung von alltäglichen, sozial nicht unerwünschten Handlungen abhalten lassen muss.“61 Dies soll wie folgt auf die hier untersuchten Fälle übertragen werden. b) Übertragung auf Zahlungsdienstleister An diesen Kriterien sind wiederum nun die Dienste der Zahlungsdienstleister zu messen. aa) Vorliegen einer neutralen Handlung Das Verhalten muss überhaupt als neutral bzw. berufsbedingt eingeordnet werden können, damit eine Privilegierung erfolgen kann.62 Dies ist dann nicht der Fall, wenn die jeweils ausgeübte Tätigkeit über das hinausgeht, was für eine sonstige „neutrale Handlung“ in der jeweiligen Dienstleistungsbranche üblich ist.63 Hinsichtlich der Zahlungsdienstleister bedeutet dies, dass deren Dienstleistung sich von ihrer Abwicklung her zu den sonst stattfindenden Dienstleistungen unterscheiden müsste, die Ausgestaltung der Dienstleistung müsste also insbesondere auf illegales Glücksspiel zugeschnitten sein und die Zahlungsabwicklung Vorteile bieten, die gerade bei legalen Geschäften nicht gegeben wären.64 Dieser Umstand ist aber nicht ersichtlich, vielmehr erfolgt die Zahlungsdienstleistung hinsichtlich Online-Glücksspielanbietern nicht anders als z. B. für Lieferdienste. Die jeweilige Software der Zahlungsdienstleister ist jeweils auf einen schnellen und sicheren Zahlungsvorgang ausgerichtet, wobei meist die Dienstleister derart agieren, dass zwar nicht die Zahlung als solche sofort stattfindet, aber der jeweilige Verkäufer bzw. Dienstleister eine Zahlungs­ bestätigung dahingehend erhält, dass der Überweisungsauftrag ausgeführt 61  BGH

NZWiSt 2014, 139 (142 Rn. 28, 29). § 27 Rn. 16. 63  Vgl. BGH NJW 2000, 3010 (3011). 64  Vgl. Steegmann, Die Haftung der Basisinfrastruktur, S. 115. 62  BeckOK-StGB/Kudlich,



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB495

wurde. Dieser sendet dann unter Berücksichtigung, dass das Geld bereits auf dem Weg ist, die Ware bereits vor dem Geldeingang.65 Die Tätigkeiten sind daher als „neutrale Handlungen“ einzuordnen, weshalb eine Privilegierung möglich ist. bb) Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung Aufgrund dieses Ergebnisses sind die Tätigkeiten der Zahlungsdienstleister anhand der von der Rechtsprechung herangezogenen Kriterien zu untersuchen. Zu beachten gilt aber, dass zunächst überhaupt eine Bestimmung der konkreten Teilnahmehandlung notwendig ist. Die Frage ist, durch was wird die vermeintliche Haupttat der Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels gefördert? In diesem Zusammenhang ist immer zu beachten, dass sich im deutschen Strafrecht lediglich natürliche Personen strafbar machen können, denn nur diese können im Sinne des Strafrechts handeln (bzw. das geforderte Handeln unterlassen).66 Zwingend bedarf es hierfür einer Handlung bzw. eines Unterlassens einer natürlichen Person. Die Ausführung des Zahlungsvorgangs erfolgt aber im Grundsatz automatisiert, die jeweiligen Zahlungsdienstleister bieten vielmehr lediglich die „Infrastruktur“ insoweit an, als sie ein automatisiertes System entwickeln und zur Verfügung stellen, damit Zahlungen stattfinden können. Die Überweisung des Geldes als solches, ausgelöst durch den jeweiligen Spieler oder den jeweiligen Anbieter des Glücksspiels, erfolgt aber auf Grundlage dieser Software vollständig automatisch. Es gilt daher zu differenzieren: Was ist den Zahlungsdienstleistern und den dahinterstehenden natürlichen Personen als Verhalten oder Unterlassen vorwerfbar? Hierbei kommt zum einen die Eröffnung des Zahlungsverkehrs durch den Abschluss eines zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses mit dem jeweiligen Glücksspielanbieter in Betracht, wodurch der Automatismus der Zahlungsdienstesoftware eröffnet wird. Zum anderen ist aber der Aspekt des Unterlassens dahingehend denkbar, dass die jeweiligen zuständigen natür­ lichen Personen im Rahmen des Zahlungsdienstleisters es unterlassen, Aufträge aus dem automatisierten Verfahren herauszunehmen, die sich auf die Straftat des unerlaubten Glücksspiels beziehen.

65  So z.  B. bei „Klarna“, vgl. https://www.klarna.com/sofort/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 66  Vgl hierzu grundlegend Rengier, AT § 7 Rn. 9; MüKo-StGB/Joecks, Vor § 25 Rn. 16; NK-StGB/Schild, § 25 Rn. 2.

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(1) Vorwurf der Eröffnung der Zahlungsmöglichkeit Zum einen kommt als Beihilfehandlung die Eröffnung der Zahlungsmöglichkeit in Betracht. Diesbezüglich ist zunächst zu fragen, ob „das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf [abzielt], eine strafbare Handlung zu begehen“ und, ob die jeweiligen Zahlungsdienstleister hiervon wissen.67 Bereits in Hinblick auf ein ausschließliches Abzielen der Tätigkeiten der jeweiligen Glücksspielanbieter auf ein strafbares Verhalten, ist dies abzulehnen. Die jeweiligen Anbieter verfügen vielmehr, soweit sie sich der Hilfe von Zahlungsdienstleistern bedienen, in den überwiegenden Fällen über eine Lizenz im jeweiligen Sitzstaat, in dem diese auch legal ihr Angebot ausüben. Selbst, wenn man daher die Erstreckung des Angebots nach Deutschland als strafrechtlich relevant ansehen würde, so würde es am Kriterium der Ausschließlichkeit fehlen. Vielmehr bieten die jeweiligen Veranstalter ihre Glücksspiele zumindest im Inland ihres Sitzstaates legal an, was die Ausschließlichkeit entfallen lässt. Darüber hinaus wäre positives Wissen des Zahlungsdienstleister dahingehend notwendig, dass es sich um illegales Glücksspiel handelt. Auch dies ist aber mit Blick auf die Lizenzierung im Ausland fragwürdig, da ja gerade hier eine Erlaubnis besteht. Auch, wenn man in Deutschland darauf abstellen sollte, dass im Grundsatz gem. § 4 IV GlüStV Glücksspiel im Internet verboten ist und daher jede Zahlung aus Deutschland an Anbieter für Glücksspiel im Internet im Grundsatz untersagt ist, verkennt dies die Komplexität des Zahlungsverkehrs. Zwar wäre es möglich, legale Glücksspielanbieter im Sinne einer „Whitelist“ aufzuzählen und damit den Anbietern mitzugeben, dass lediglich an diese Zahlungen stattfinden dürften, jedoch verkennt dies den Charakter meist Ländergrenzen übergreifender Zahlungsdienstleister. So kann ein in Großbritannien lebender leidenschaftlicher Sportwettenfan durchaus auch Konten in Deutschland haben. Es ist gerade nicht offensichtlich für die Zahlungsdienstleister, dass jede Zahlung von Deutschland aus, an z. B. „bwin“, eine Zahlung für illegales Glücksspiel ist, weshalb den Dienstleistern hieraus auch kein Vorwurf gemacht werden kann. Übrig bleibt für die Beihilfe daher nur noch die von der Rechtsprechung aufgezeigte zweite Möglichkeit. Hält es der Gehilfe „lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unter67  BGH

NStZ 2000, 34 (34).



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB497

stützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung ‚die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ.“68 Die Zahlungsdienstleister müssten also mit ihren Diensten die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lassen. Es müssten für den jeweiligen Zahlungsdienstleiter klare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass gerade die von ihnen getätigte Leistung zu deliktischen Zwecken herangezogen wird.69 Dies ist diesem aber aufgrund der verworrenen Rechtslage gerade nicht möglich. Wie bereits gesagt, vollziehen Zahlungsdienstleister eine Vielzahl von Zahlungen, wobei der Großteil aufgrund eines vorprogrammierten Automatismus abläuft, eine wirkliche Überprüfung seitens natürlicher Personen erfolgt hingegen gerade nicht mehr. So urteilte auch der BGH in Zivilsachen bereits, dass „[o]hne besondere weitere Anhaltspunkte Überweisungen mit Auslandsberührung, der Einsatz glatter Beträge und dadurch eintretende Kontoüberziehungen einer Bank ohne nähere Prüfung keinen hinreichenden Anlass [geben], den Verdacht einer Straftat zu schöpfen. Kreditinstitute werden im bargeldlosen Zahlungsverkehr nur zum Zweck der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern“.70 Wenn aber die Kreditinstitute bereits zivilrechtlich nicht zu einer aktiven Überprüfung angehalten sind, so können diese (und daneben auf gleicher Ebene auch die Zahlungsdienstleister) dies erst recht nicht unter Berücksichtigung des ultima-ratio Grundsatzes im Rahmen des Strafrechts sein. (2) V  orwurf des Unterlassens einer Sicherung hinsichtlich unerlaubter Glücksspiele Der ausschlaggebende Tatvorwurf an die Zahlungsdienstleister ist daher nicht im Rahmen eines aktiven Handelns zu sehen. Vielmehr kommt stattdessen der Vorwurf eines bloßen Unterlassens in Frage. Die Thematik der Zahlungsdienstleister ist mit der umfassenden Diskussion zur Providerverantwortlichkeit71 vergleichbar: Machen sich Anbieter als Gehilfen strafbar, wenn diese legal ihre Dienste anbieten? Zentraler Punkt 68  So grundlegend BGH NStZ 2000, 34 (34) und auch durchgängig der BGH im Anschluss. 69  Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich, § 27 Rn. 16. 70  BGH NJW 2008, 2245 (2245 f.); BGH NJW 2012, 2422 (2425). 71  Für diese gilt die Besonderheit des § 10 TMG, wonach diese sich im Grundsatz nicht für die von diesen veröffentlichten Inhalte verantwortlich sind mit Folge einer zunächst gegebenen Straflosigkeit, vgl. S. 505 f.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

der Unterscheidung, ob ein Begehungs- oder Unterlassungsdelikt vorliegt, ist der sog. „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ bzw. der „Schwerpunkt des Täterverhaltens“.72 Wie im Rahmen des Angebots von Providern ist auch die von den Zahlungsdienstleistern angebotene „Infrastruktur“ nicht nur als sozial-adäquat zu betrachten, sondern stellt heutzutage darüber hinaus eine tragende Grundlage des Wirtschaftssystems dar. Den jeweiligen hinter den Zahlungsdienstleistern stehenden natürlichen Personen kann daher nicht vorgeworfen werden, dass diese eine Infrastruktur aktiv eröffnen, den der meist überwiegende Teil für legale Zwecke nutzt. Vielmehr kann der Vorwurf nur lauten, dass „drohende Missbräuche nicht durch Kontrolle und Filtermaßnahmen wirkungsvoll unter[bunden]“ werden.73 Der Fall der Provider bzw. genauer der, der für diese handelnden natürlichen Personen, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass von der angebotenen Infrastruktur ein sozialer Nutzen ausgeht und dieser gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden erreicht, wobei zahlenmäßig die legale Nutzung stark bis fast ausschließlich überwiegt.74 Nichts anderes gilt aber genauso für das Angebot der Zahlungsdienstleister, weshalb für beide Fälle das Gleiche gelten muss. Wie bereits oben gezeigt, ist aber ein Vorwurf hinsichtlich des Zur-Verfügung-Stellens der Infrastruktur gerade nicht tragbar.75 Vielmehr stellt den „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ nicht ein an sich sozialadäquates Angebot im Rahmen der Erbringung von Zahlungsdienstleitungen bzw. der Überlassung der Software hierzu dar, sondern, wenn überhaupt, vorwerfbar ist die fehlende Kontrolle der Kunden und ein Unterlassen einer entsprechenden Differenzierung. Den im Rahmen der Zahlungsdienstleister mit den jeweiligen Fällen beauftragten natürlichen Personen müsste ein Unterlassen dahingehend vorgeworfen werden, dass diese nicht in den von ihnen zuvor eröffneten Automatismus eingreifen und die Ausführung von Zahlungen für in Deutschland illegales Glücksspiel unterbinden. Der Tatvorwurf würde also im Ergebnis auf ein „Unterlassen der Differenzierung“ dahingehend lauten, dass unterlassen wurde, die Kunden auszusortieren und abzuweisen, die mittels der Dienstleistungen der Zahlungsdienstleister deliktische Zwecke verfolgen.76 72  Vgl. BGH NStZ 1999, 607; BeckOK-StGB/Heuchemer, § 13 Rn. 6; Sch/Sch/ Eisele, Vor §§ 13 ff StGB, Rn. 158a. 73  Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S.  408 f. 74  So Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 409 hinsichtlich der Providerthematik. 75  Vgl. umfassend Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S.  409 ff.



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB499

Zwingende Voraussetzung einer Unterlassensstrafbarkeit ist aber auch im Rahmen der Beihilfe gem. § 13 I StGB, dass der jeweilige Mitarbeiter über eine Garantenstellung verfügt.77 Diese ist auch im Falle der Leistungserbrin­ gung an „incertas personas“ zu fordern.78 Jedoch ist diesbezüglich keine Garantenpflicht ersichtlich. (a) Garantenpflicht aus Ingerenz Eine Garantenstellung aus Ingerenz ergibt sich wiederum nur, wenn dem Unterlassen ein pflichtwidriges Vorverhalten vorangeht, das eine nahe Gefahr des Schadenseintritts bewirkt.79 Das Vorverhalten, also die Eröffnung der Zahlungsdienste an den jeweiligen Kunden, müsste zur Begründung einer Ingerenz gerade „pflichtwidrig“ sein, hingegen begründen Fälle „verkehrsgerechten Vorverhaltens“ gerade keine Garantenstellung.80 Wie bereits oben verdeutlicht, ist aber die Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit für Zahlungsdienstleistungen gerade als sozial-adäquat, also mit anderen Worten als „verkehrsgerecht“ zu sehen, weshalb diese auch nicht im Stande sind, eine Garantenpflicht zu begründen.81 Eine Garantenstellung aus Ingerenz wäre daher nur dann zu bejahen, wenn sich der deliktische Sinnbezug dem jeweiligen Mitarbeiter gerade aufdrängt, weshalb eine Pflichtwidrigkeit in der Eröffnung der Zahlungsdienstleistungen zu bejahen wäre, was aber, wie bereits verdeutlicht, gerade nicht der Fall ist. Vielmehr ist für diesen nie sicher, ob die Zahlung legal oder illegal erfolgt. Über die Garantenstellung hinaus ist auch keine sonstige Garantenpflicht aus anderen Gesetzen ersichtlich. Um beim Vergleich mit den Providern zu bleiben, so wird bezüglich dieser auf Basis der §§ 7 ff. TMG die Begründung von Garantenpflichten diskutiert.82

76  Vgl. hierzu Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 410. 77  MüKo-StGB/Joecks, § 27 Rn. 107; NK-StGB/Heine/Weißer, § 27 Rn. 19; BGH NStZ 2009, 321 (322); BGH NStZ-RR 2012, 58 (58 f.); BGH NStZ-RR 2013, 249. 78  Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 415. 79  BGH NJW 1999, 69 (70 f.); BeckOK-StGB/Heuchemer, § 13 Rn. 69. 80  BeckOK-StGB/Heuchemer, § 13 Rn. 71. 81  Vgl. diesbezüglich Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 414. 82  Vgl. zu diesem Aspekt MüKo-StGB/Freund, § 13 Rn. 159.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

(b) Garantenpflicht aus KWG Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus dem KWG. Ohne vertieft auf das KWG einzugehen, sind lediglich zwei Punkte zu bemerken: Dessen Anwendungsbereich ist bereits bei den Zahlungsdienstleistern nicht eröffnet, da diese keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 I KWG darstellen. Hierzu wäre es notwendig, dass es sich bei den Dienstleistern um Unternehmen handelt, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Zahlungsdienstleister erfüllen aber gerade keine „Bankgeschäfte“ im Sinne des § 1 I 2 KWG, denn diese erbringen lediglich die Dienstleistung, eine Geldüberweisung von einem Nutzer zum anderen in einem gesicherten System zu vollziehen. Hingegen erfolgt gerade keine Einlage oder ähnliches bei den Finanzdienstleistern, das überwiesene Geld als solches verbleibt gerade nicht bei diesen und wird von diesen verwahrt, diese übermitteln vielmehr dieses ausschließlich. Außerdem ist der genaue Wortlaut des KWG zu beachten. Gem. § 25h KWG sind Institute zu internen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Eine Garantenstellung in Bezug auf Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel ließe sich aber mit Blick auf den Schutzzweck des § 25h KWG nicht begründen. Im Rahmen des § 25h KWG ist zwischen Absatz 1 und 2 zu unterscheiden. § 25h I KWG spricht von „Instituten“, womit gem. § 1 Ib KWG sowohl Kreditinstitute gem. § 1 I KWG als auch Finanzdienstleistungsinstitute gem. § 1 Ia KWG umfasst sind, jedoch eben keine Zahlungsdienstleister im Sinne des ZAG. § 25h II KWG spricht wiederum lediglich von Kreditinstituten. Gem. § 25h I 1 KWG sind Institute dazu verpflichtet, „über ein angemessenes Risikomanagement sowie über interne Sicherungsmaßnahmen [zu] verfügen, die der Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstigen strafbaren Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können, dienen.“ Die Regelung des KWG verpflichtet daher zwar zur Schaffung von Sicherungssystemen, weshalb man in dem Unterlassen der Schaffung derartiger Systemen eine „Unterlassung der Differenzierung“ sehen könnte. Diese Verpflichtung erstreckt sich aber gerade nicht darauf, intern Zahlungsabläufe darauf zu kontrollieren, ob diese mit unerlaubtem Glücksspiel in Zusammenhang stehen. Der Gesetzestext spricht lediglich von den Delikten der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung oder sonstigen strafbaren Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können. Schutzzweck der Sicherungsmaßnahmen ist gerade nicht per se das jeweilige Institut zur Aufdeckung von Straftaten he­ ranzuziehen, sondern die internen Sicherungsmaßnahmen sollen gerade ver-



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB501

hindern, dass das Vermögen des Instituts als solches gefährdet wird. Es soll lediglich eine Abwehr der Gefahr von innen erfolgen.83 Darüber hinaus ist die Schaffung von Datenverarbeitungssystemen, die automatisiert auffällige Überweisungen feststellen und aussondern könnten, lediglich gem. § 25h II KWG Kreditinstituten vorgeschrieben. Demnach ist im Umkehrschluss zumindest aus dem KWG für andere Dienstleister eine derartige Pflicht gerade nicht ersichtlich; so auch bei den Zahlungsdienstleistern. Für die Zahlungsdienstleister hingegen ist maßgeblicher rechtlicher Rahmen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). Dieses wiederum sta­ tuiert aber keine spezielleren Pflichten dahingehend, dass der jeweilige Zahlungsdienstleister in bestimmten Fällen auf seine Tätigkeit verzichten soll. Auch statuiert es keine besonderen Pflichten zur Schaffung einer automatisierten Differenzierung. (c) Garantenpflicht aus GwG Ebenso ist das GwG zu beachten. Gem. § 2 I Nr. 3 sind Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz Verpflichtete im Sinne des GwG. Auch das GwG statuiert in § 16 GwG zwar besondere Pflichten, diese gelten aber gem. § 16 I 1, 2 I Nr. 15 GwG nur für Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen soweit sie das Glücksspiel im Internet anbieten oder vermitteln, gerade also nicht für die Zahlungsdienstleister. Im Umkehrschluss gelten für die Finanzdienstleister die allgemeinen Sorgfaltspflichten gem. §§ 10–15 GwG. Die §§ 11,14 GwG begründen aber nach allgemeiner Ansicht gerade keine Garantenstellung von Privaten.84 Vielmehr wird innerhalb von Unternehmen im Bereich der Geldwäsche und des GwG lediglich eine Garantenstellung der in §§ 43, 2 GwG bezeichneten natürlichen Personen sowie des gem. § 7 GwG zu bestellenden Geldwäschebeauftragten zur Verhinderung von Geldwäschestrafbarkeiten bejaht.85 Eine Garantenstellung der einfachen Bankmitarbeiter wird hingegen mit Verweis darauf verneint, dass diesen die konstitutive Möglichkeit fehlt, „das auf die Rechtsgutsverletzung hindrängende Geschehen zu beherrschen.“86 83  Vgl.

umfassend hierzu Herzog/Achtelik, § 25h KWG Rn. 7. die allgemeine Ansicht, lediglich strittig ist dies bei Strafverfolgungsbehörden und besonders Verpflichteten, vgl. NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 93; Sch/Sch/ Hecker, § 261 Rn. 13; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 106; aA Lackner/Kühl, § 261 Rn. 7. 85  BeckOK-StGB/Ruhmannseder, §  261 StGB Rn. 50; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 105. 86  MüKo-StGB/Neuheuser, §  261 Rn. 106; vgl. BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 51. 84  So

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Auch wenn diese Meinung sich auf die Geldwäschestrafbarkeit als solche bezieht, so ist diese doch auf die hier vorliegende Konstellation zu übertragen. Auch auf Basis des GwG besteht keine Verpflichtung des Bankangestellten, eine Transaktion als solche abzulehnen. Vielmehr ist dieser gem. § 46 I GwG bei einem Geldwäscheverdacht lediglich dazu gehalten, eine Meldung nach oben in der Hierarchie zu tätigen und die Transaktion (vorübergehend) nicht auszuführen. Ob diese Meldung aber extern getätigt wird, liegt nicht in der Verantwortung des einfachen Mitarbeiters, weshalb diesem auch insoweit keine Tatherrschaft dahingehend zukommt, ob eine Transaktion später getätigt wird oder nicht. (d) Garantenpflicht aus GlüStV Auch auf Basis des GlüStV ergibt sich nichts anderes. Zwar statuiert der Staatsvertrag ein Verbot dahingehend, dass die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten sind gem. § 4 I 2 GlüStV. Auch ermöglicht § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV der Glücksspielaufsicht den am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel zu untersagen. Aus diesem Regelungsmechanismus ergibt sich aber nicht bereits per se eine Garantenstellung der bei den Zahlungsdienstleistern beschäftigten natürlichen Personen. Sobald diese in sicherer Kenntnis des unerlaubten Glücksspiels dem jeweiligen Veranstalter ihre Dienste eröffnen, ist bereits eine aktive Beihilfestrafbarkeit gegeben, da das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf [abzielt], eine strafbare Handlung zu begehen“ und in diesem Fall dann die jeweiligen beim Zahlungsdienstleister verortete natürliche Person hiervon weiß.87 Eine Pflicht zur Differenzierung der Zahlungsdienstleister ergibt sich auch nicht aus der Befugnis der Glücksspielaufsicht, die Mitwirkung an Aus­ zahlungen zu untersagen gem. § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV. Vielmehr ist hinsichtlich des Wortlauts der Untersagungsbefugnis vom Gegenteil auszugehen. Gem. § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV ist es der Glücksspielaufsicht erst „nach vorheriger Bekanntgabe“ an die am Zahlungsverkehr Beteiligten möglich, Zahlungen und Auszahlungen durch die jeweiligen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute zu untersagen. Wenn aber bereits eine Pflicht der Zahlungsdienstleister zur Differenzierung bestehen würde, so bedürfte es der vorherigen Bekannt87  BGH

NStZ 2000, 34 (34).



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB503

gabe gerade nicht. Vielmehr veranschaulicht die Notwendigkeit der vorherigen Bekanntmachung den Willen der Vertragsparteien, dass die jeweiligen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute erst eine Überprüfungspflicht ab dem Zeitpunkt trifft, in dem sie aktiv auf ein unerlaubtes Verhalten hingewiesen werden; eine proaktive Pflicht auf Verdachtsmomente hin bereits von sich aus Transaktionen abzulehnen, besteht gerade nicht. Nach der Gesetzesbegründung dient „[d]ie Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschließlich E-Geld-Institute (Nr. 4) im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich – insbesondere wegen eines Auslandsbezuges – in Anspruch genommen wurde.“88 Demnach ist auch seitens der Vertragsparteien erst eine subsidiäre Inanspruchnahme der Zahlungsdienstleister gewünscht, deren Dienstleistungen sollen gerade nicht behindert werden, vielmehr sind diese erst dann als „verantwortliche Störer“ zu sehen, „sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde.“89 Im Umkehrschluss hierzu sind die Zahlungsdienstleister aber vor dieser Mitteilung gerade nicht als Störer anzusehen.90 Wenn sie aber bereits keine Störer sind, so können diese erst recht nicht strafrechtlich dafür einzustehen haben, diese „Störung“ zu beseitigen. Eine Garantenpflicht ist daher, wenn überhaupt, erst ab dieser Mitteilung zu bejahen, sonst würde dies zu dem mit dem ultima-ratio Prinzip des Strafrechts91 nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen, dass die Zahlungsdienstleister zwar einerseits nicht verwaltungsrechtlich auf Unterlassen in Anspruch genommen werden könnten, da die Tatbestandsvoraussetzungen der Untersagungsverfügung gem. § 9 I 3 88  Bay.

LT-Drs. 16/11995, S. 27. LT-Drs. 16/11995, S. 27; auf diese Problematik auch hinweisend Ukrow, ZfWG 2019, 223 (230). 90  Vgl. hinsichtlich der zivilrechtlichen Frage der Rückforderung von Ansprüchen Beyer, ZfWG 2019, 235 (238) und den Verweis auf das Urteil des AG München, Urteil vom 21. Februar 2018 – 158 C 19107/17 –, juris, das diesen Umstand verkannt hat. Richtig in diesem Zusammenhang hingegen die anderen Gerichte in München, vgl. LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 – juris und dies bestätigend OLG München ZfWG 2019, 321; mit Bezug auf Zahlungsdienstleister nun auch OLG München BeckRS 2020, 6100. 91  Die Sanktionierung im Rahmen des Strafrechts stellt die ultima ratio dar, das Strafrecht stellt das äußerste Mittel dar, das eingesetzt werden darf, Rengier, AT, § 3 Rn. 5; Roxin, AT, § 10 Rn. 97 ff. 89  Bay.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Nr. 4 GlüStV nicht gegeben sind, gleichzeitig aber man den Zahlungsdienstleister strafrechtlich belangen möchte, dass er nicht bereits proaktiv gegen diese Transaktionen vorgegangen ist. Man würde also im Ergebnis ein Unterlassen sanktionieren, dass vom jeweiligen Zahlungsdienstleister im Rahmen des GlüStV gerade akzeptiert wird (Einschreiten erst bei Mitteilung). Eine vorherige Pflicht zum Tätigwerden im Sinne einer Garantenpflicht rührt daher aus dem GlüStV gerade nicht her, denn § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV ist eine „Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2“, weshalb die Pflichten im Rahmen des § 4 I 2 GlüStV nicht weiter gehen können, als dies konkret in § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV beschrieben wird.92 Dies entspricht auch (teilweise) der aktuellen Rechtsprechung zum sog. „Chargeback“. Vermehrt haben Glücksspieler ihr verlorenes Geld bei einem Glücksspiel auf deren Kreditkarten zurückbuchen zu lassen versucht, mit der Begründung, der zugrundeliegende Spielvertrag mit dem Glücksspielveranstalter sei gem. § 134 BGB nichtig. Dem ist auch insoweit zuzustimmen, dass der Spielvertrag als solcher gegen die Regelungen des § 4 I 1 GlüStV verstößt, mit der Folge der Nichtigkeit. Zutreffend stellen demnach die Gerichte fest, dass dem Kreditkartenunternehmen als solches – was wiederum auch auf die Zahlungsdienstleister übertragbar ist – gerade keine Überprüfungspflicht zukommt. Es ist gerade „nicht Aufgabe des Kreditunternehmens die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen […]. Nach § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV ist dies Aufgabe der Glücksspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glücksspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücksspielangebote bekannt zu geben. Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden.“93 Auch hat die jeweilige Bank keine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Überweisung. „Darüber hinaus war die Klägerin nicht dazu verpflichtet, den Zahlungsvorgang des Beklagten zu überprüfen oder zu überwachen. Irgendwie geartete Schutzpflichten gegenüber Kunden bestehen demnach erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgangs aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz Verdacht schöpfen muss. Dies ist hier nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall. Die Klägerin war nicht verpflichtet, die genutzten Glücksspielangebote mit der „WHITE-LIST“ der deutschen Bundesländer abzugleichen, um eine evtl. Illegalität zu erkennen. Ein solcher Prüfaufwand geht über die normale Bearbeitung der Zah92  Bay. 93  LG

LT-Drs. 16/11995, S. 27. München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 25, juris.



B. Strafbarkeit des Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 I, 27 StGB505

lungsvorgänge hinaus und oblag der Klägerin gerade nicht. Die Klägerin konnte von einem rechtstreuen Verhalten des Beklagten ausgehen und musste nicht mit einem evtl. Verstoß gegen § 285 StGB rechnen. Überdies erscheint eine Überprüfung für die Klägerin auch kaum möglich, da zunächst nicht erkennbar ist, von wo aus der Beklagte die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig dürfte erkennbar sein, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt.“94 Die Entscheidung wurde in der Zwischenzeit vom OLG München bestätigt und ist rechtskräftig.95 Ebenso vollzog der 8. Zivilsenat eine Entscheidung mit Bezug auf die Frage, ob Zahlungsdienstleister einer generelle Prüfpflicht trifft, was dieser im Ergebnis verneinte.96 Eine Prüfpflicht trifft den Zahlungsdienstleister lediglich dann, wenn offensichtlich ist, dass der Zahler an einem nach deutschen Recht verbotenen Glücksspiel teilnimmt, was nur dann anzunehmen ist, wenn es für den Zahlungsdienstleister bei massiven Verdachtsmomente evident ist, dass die Zahlung unerlaubtem Glücksspiel im Sinne des § 284 I StGB dient.97 (e) Vergleich mit Providerhaftung Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den oben angenommenen im Grundsatz vergleichbaren Fällen der Provider. Gem. § 10 TMG sind Diensteanbieter, die fremde Informationen für andere Nutzer speichern, die sog. HostProvider, grundsätzlich für rechtswidrige Inhalte nicht verantwortlich. Eine proaktive Pflicht zur Überwachung der gespeicherten Informationen und zur Nachforschung nach Umständen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen, besteht nach § 7 II TMG gerade ausdrücklich nicht. Vielmehr ist erst dann eine Verantwortlichkeit gegeben, wenn sie – was in strafrechtlicher Hinsicht in Fällen der neutralen Beihilfe beachtlich wäre – Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, vgl. § 10 S. 1 Nr. 1 TMG. Wenn die jeweiligen Host-Provider wiederum keine 94  LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 30, 31, 32 juris. 95  OLG München ZfWG 2019, 321; hinfällig ist daher die Entscheidung des AG München, das entgegengesetzt entschied, vgl. AG München, Urteil vom 21. Februar 2018 – 158 C 19107/17 –, juris. 96  OLG München BeckRS 2020, 6100. 97  OLG München BeckRS 2020, 6100; a. A. LG Ulm VuR 2020, 197.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Kenntnis hatten, so sind diese gem. § 10 S. 1 Nr. 2 TMG nur verantwortlich, wenn sie nicht unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Im Ergebnis ist also bei den Host-Providern nur dann eine Verantwortlichkeit gegeben, wenn diese von den rechtswidrigen Inhalten Kenntnis haben bzw. diese Kenntnis erlangen und auf diese Kenntnis hin nicht tätig werden. Wie bereits oben gezeigt, sind die Fälle der Provider und die der Zahlungsdienstleister miteinander vergleichbar. Beide zeichnen sich gerade dadurch aus, dass von der angebotenen Infrastruktur ein sozialer Nutzen ausgeht und diese gleichzeitig eine Vielzahl von Kunden erreichen, wobei zahlenmäßig die legale Nutzung stark bis fast ausschließlich überwiegt.98 Diese Privilegierung im Bereich des TMG hat als sog. Querschnittsregelung auch Einfluss auf die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens der einzelnen Provider.99 Zwar fehlt es hinsichtlich der Zahlungsdienstleister an einer ausdrücklichen Privilegierung, wie es durch das TMG der Fall ist, dennoch ist diese vergleichbare Logik insoweit heranzuziehen, als dass im Rahmen der Gesamtschau ersichtlich wird, dass gerade keine proaktive Aufdeckungspflicht der Zahlungsdienstleister im Rahmen des GlüStV angelegt ist und daher auch hieraus keine Garantenpflicht für diese erwachsen kann. Vielmehr sind diese erst ab einem Hinweis der Glücksspielaufsichtsbehörde – vergleichbar einem Provider – zu einem Einschreiten auch aus strafrechtlichen Aspekten verpflichtet, da ab diesem Zeitpunkt Kenntnis hinsichtlich des ­deliktischen Sinns, der bis dahin neutralen Handlung besteht. (3) Ergebnis Hinsichtlich eines aktiven Verhaltens der im Rahmen eines Zahlungsdienstleisters beschäftigten Personen scheitert eine Strafbarkeit daran, dass deren Handlung sozialadäquat ist und daher eine Beihilfestrafbarkeit ausscheidet. Auch eine Unterlassensstrafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens der Differenzierung scheidet aus, da die jeweiligen Zahlungsdienstleister keine proaktive Aufklärungspflicht trifft und daher auch keine Pflicht zu Differenzierung mit der Folge, dass auch die jeweiligen Mitarbeiter keine Garantenpflicht dahingehend trifft, proaktiv zu differenzieren, solange keine Mitteilung seitens der Glücksspielaufsicht erfolgte.

98  Vgl. Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, S. 409 hinsichtlich der Providerthematik. 99  Vgl. BeckOK-StGB/Valerius, Lexikon des Strafrecht, Providerhaftung, Rn. 6.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB507

C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB Als weiterer Punkt neben einer Teilnahmestrafbarkeit ist ebenso eine ­ trafbarkeit gem. des strafrechtlichen Geldwäscheparagraphs denkbar. Gem. S § 261 I 1 StGB macht sich derjenige strafbar, der einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet. Unter den Begriff des Gegenstandes wiederum fallen alle Rechtsobjekte, die einen Vermögenswert haben.100 Häufigster praktischer Fall ist das Buchgeld, um das es sich auch bei den von den Zahlungsdienstleistern getätigten Überweisungen handelt.101 Der Gegenstand müsste wiederum aus einer in Satz 2 genannten Vortat herrühren. Notwendig ist, dass der Gegenstand der Geldwäsche aus einer rechtswidrigen Tat im Sinne des § 11 I Nr. 5 StGB herrührt102 und es sich bei dieser rechtswidrigen Tat zugleich um eine Katalogtat des § 261 I 2 StGB handelt. Mit Blick auf die Thematik des Online-Glücksspiels sind diesbezüglich die Vergehen im Rahmen des § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB die für die Untersuchung Relevanten. Gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB sind rechtwidrige Taten im Sinne des Satzes 1 die Vergehen gem. § 284 StGB, wenn diese gewerbsmäßig begangen worden sind. An der Gewerbsmäßigkeit des Online-Glücksspiels bestehen zunächst keine Zweifel. Hingegen stellen sich zwingend folgende Fragestellungen: Aufgrund des fast ausschließlichen Auslandsbezugs ist zunächst fraglich, ob überhaupt deutsches Strafrecht zur Anwendung kommt. Ebenso stellt sich die Frage, nach welcher nationalen Wertung sich bemisst, ob ein bestimmtes Verhalten einen Straftatbestand erfüllt. Ist hierbei trotz Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf das deutsche oder das ausländische Recht abzustellen? Und selbst, wenn es sich um eine Vortat im Sinne des Satzes 2 handelt, „rührt“ dann überhaupt das Buchgeld aus dieser Vortat her?

100  BeckOK-StGB/Ruhmannseder,

§ 261 Rn. 8; Lackner/Kühl, § 261 Rn. 3. Lackner/Kühl, § 261 Rn. 3. 102  BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 9; Lackner/Kühl, § 261 Rn. 4; NKStGB/Altenhain, § 261 Rn. 31. 101  Vgl.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Und ist diesbezüglich erneut eine Einschränkung unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz notwendig?

I. Anwendbarkeit deutschen Strafrechts Wie bereits ausgeführt, richtet sich im Grundsatz die Frage nach der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach §§ 3, 9 StGB, genauer nach § 9 I 1 StGB. Gem. § 9 I 1 StGB ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der „zum Tatbestand gehörende Erfolg“ eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Falls der jeweilige Zahlungsdienstleister seinen Sitz innerhalb Deutschlands hat, so ist bereits im Zweifel die Tathandlung innerhalb Deutschlands begangen worden, weshalb eine Anwendbarkeit bereits aufgrund der Tathandlung in Deutschland gem. §§ 3, 9 I 1 Var. 1 StGB zu bejahen wäre. Aber auch, wenn der Zahlungsdienstleister bzw. die für diesen tätig werdenden natürlichen Personen, sich außerhalb des Geltungsbereiches deutscher Strafgewalt befänden, so ist im Rahmen des § 261 StGB zu beachten, dass dieser auch teilweise Komponenten eines Erfolgs- bzw. konkreten Gefährdungs­ delikts aufweist.103 So qualifizieren die in Abs. 1 enthaltenen Tatbestands­ alternativen des Verschleierns bzw. des Vereitelns die Tat als Erfolgs- bzw. konkretes Gefährdungsdelikt.104 Wie bereits ausgeführt, genügt für die Annahme eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges im Sinne des § 9 I 1 Var. 3 StGB, dass die konkrete Gefahr im Rahmen eines konkreten Gefährdungsdeliktes im Inland eintritt.105 Daher ist die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Fälle der von den Finanzdienstleistern getätigten Überweisungen nicht per se ausgeschlossen.106

II. Taugliche Vortat Als nächstes wäre auch eine taugliche Vortat im Sinne des 261 I 2 Nr. 4 a) StGB notwendig, wobei auch die Geldwäschestrafbarkeit eine rechtswidrige Tat fordert. Diesbezüglich stellen sich mehrere Probleme.

103  Berberich/Kudlich,

ZfWG 2016, 179 (181). 12/989, S. 27. 105  BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 10; Sch/Sch/Eser/Weißer, § 9 Rn. 6a; NK-StGB/Böse, § 9 Rn. 10; Lackner/Kühl/Heger, § 9 Rn. 2; MüKo-StGB/Ambos, § 9 Rn. 19. 106  Ebenso Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (181 f.). 104  BT-Drs.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB509

1. Auswirkungen des Verstoßes gegen höherrangiges Recht Wie bereits im Rahmen der Beihilfe erläutert107, fehlt es an dieser rechtswidrigen Tat, da eine Strafbarkeit, wie oben verdeutlicht, unter Berücksichtigung des verwaltungsrechtsakzessorischen Charakters des § 284 I StGB gerade ausscheidet. Auf welcher Ebene wiederum die Strafbarkeit ausscheidet, ist jedoch umstritten. Zum einen wird diesbezüglich eine Rechtfertigung kraft Europarechts bejaht.108 Zum anderen wird die Neutralisierung des Strafrechts auf Ebene der Tatbestandsmäßigkeit angenommen.109 Beide Ansichten führen hier aber zu einer Verneinung einer rechtswidrigen Tat, die für eine taugliche Vortat notwendig gewesen wäre. Dieser Punkt kann sich aber ab 2020 wieder ändern, wobei hierbei die praktische Umsetzung entscheidend sein wird. Darüber hinaus ist bei Glücksspiel im Ausland zusätzlich zu beachten, dass das Gericht verpflichtet ist, hinreichend konkretisiert festzustellen, dass überhaupt die konkrete Vortat vorlag, es bedarf gerade des Nachweises durch das Gericht, dass Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Katalogtat vorlag.110 Insbesondere, da auch nach dem Neuanlauf des GlüStV weiterhin Online-Glücksspiel in anderen Ländern der EU legal bleibt, ist es für ein Gericht bereits praktisch problematisch, konkret festzustellen, dass das Geld zumindest aus einem illegalen „deutschen“ Online-Glücksspiel stammt. 2. Auswirkung der fehlenden Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Vortat Weiter ist von zukünftiger Relevanz, welche Auswirkungen es hat, dass auf eine Vortat mangels Erfolgsortes im Inland keine Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gem. §§ 3, 9 StGB begründet werden kann. Die eine Geldwäschestrafbarkeit bejahende Literatur verkennt mit ihrer pauschalen Aussage, dass „[d]as deutsche Strafrecht gem. §§ 3, 9 StGB auch auf ausländische Glücksspielanbieter Anwendung [findet], soweit die Beteiligung – wie über das Internet – von Deutschland aus möglich ist und das Spielangebot zumindest auch an den deutschen Markt gerichtet ist“111, dass es sich gerade bei § 284 I StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, weshalb auf 107  Vgl.

S. 480 ff. Heger, ZIS 2012, 396 (401); ausführlich zu der Thematik Kreis, Die verbrechenssystematische Einordnung der EG-Grundfreiheiten, S. 89 ff. 109  Vgl. Hecker, Europäisches Strafrecht, 9. Rn. 10 ff. 110  BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 10; NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 49. 111  Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (380). 108  So

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Basis der §§ 3,9 StGB gerade kein Tatort in Deutschland durch die bloße Abrufbarkeit begründet werden kann. Es stellt sich vielmehr auch bei der Geldwäschestrafbarkeit die Frage, wie zu bewerten ist, dass die Veranstalter zwar im Ausland über eine glücksspielverwaltungsrechtliche Genehmigung verfügen, diese aber innerhalb Deutschlands keine verwaltungsrechtliche Wirkung entfaltet und daher im Grundsatz auch nicht eine strafbarkeitsausschließende Erlaubnis im Sinne des § 284 I StGB darstellt.112 Die Problematik der ausländischen Haupttat wiederum hat der Gesetzgeber im Rahmen der Geldwäschestrafbarkeit in § 261 VIII StGB aufgegriffen. Demnach stehen den in den Absätzen 1, 2 und 5 bezeichneten Gegenständen solche gleich, die aus einer im Ausland begangenen Tat der in Absatz 1 bezeichneten Art herrühren, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Im Rahmen der Gesetzesbegründung stellt der Gesetzgeber lediglich lapidar fest, dass „Absatz 8 […] den Fall [erfasst], daß die Vortat der Geldwäsche im Ausland begangen worden ist.“113 In einer späteren Gesetzesänderung stellt der Gesetzgeber aber wiederum klar, dass Sinn und Zweck des § 261 VIII StGB sei, „daß auch aus Auslandstaten herrührende Gegenstände Objekt einer im Inland begangenen Geldwäsche sein können“, er „trägt damit insbesondere der internationalen Verflechtung der Finanzmärkte“ Rechnung.114 Die „Auslandstat“ muss daher zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müsste, wäre sie im Inland erfolgt, eine rechtswidrige Katalogtat im Sinne des § 261 I 2 StGB sein.115 Außerdem müsste sie am Tatort nach dem Recht des dortigen Staates tatbestandsmäßig und rechtswidrig einen Straftatbestand erfüllen.116 a) Hypothetische rechtswidrige Katalogtat im Inland Zunächst ist daher zu klären, ob das Verhalten des ausländischen Glücksspielveranstalters strafbar wäre, wenn er in Deutschland tätig werden würde. Ebenso wie im Rahmen des § 9 II 2 StGB stellt sich auch hier erneut die Frage, welcher Maßstab hierbei heranzuziehen ist, da der Anbieter zwar im 112  Vgl. hierzu bei der Frage, ob eine ausländische Erlaubnis im Rahmen des § 284 I StGB selbst zu berücksichtigen ist, S. 435 ff. 113  BT-Drs. 12/989, S. 28. 114  BT-Drs. 13/8651, S. 12. 115  NK-StGB/Altenhain, §  261 Rn. 45; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 44; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 StGB, Rn. 14. 116  NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 45; vgl. BGH NJW 2009, 1617 (1617 f.); vgl. Sch/Sch/Hecker, § 261 Rn. 8.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB511

Ausland die notwendige Genehmigung besitzt, hingegen aber im Inland nicht. Auch hier ist daher entscheidend, ob das im Ausland ausgeübte Verhalten mit samt der fehlenden deutschen verwaltungsrechtlichen Erlaubnis zu betrachten ist, oder aber, ob die ausländische Erlaubnis in der Weise zu berücksichtigen ist, dass das Verhalten mit einer hypothetischen deutschen Erlaubnis zu beurteilen ist. Diesbezüglich sei bereits auf die Argumentation im Rahmen der Beihilfestrafbarkeit verwiesen117 mit der ebenso hier heranzuziehenden Folge, dass die ausländische Erlaubnis zumindest im Rahmen des § 261 VIII StGB ebenso hypothetisch hinzuzudenken ist. Da sich die Veranstalter aber an diese hypothetische Erlaubnis halten, ist auch keine rechtswidrige Katalogtat im Inland gegeben. b) Strafbarkeitsbedrohung im Ausland Darüber hinaus müsste „die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht“ sein gem. § 261 VIII StGB. Auch diesbezüglich ist bei der verwaltungsakzessorischen Strafnorm zu beachten, dass grundsätzlich ein Tätigwerden ohne die notwendige verwaltungsrechtliche Erlaubnis mit Strafe bedroht ist, die Erlaubnis also erst die grundsätzliche Strafbarkeit entfallen lässt. Fraglich ist daher, ob Anknüpfungspunkt ist, dass das konkrete Verhalten mit der ausländischen Erlaubnis mit Strafe bedroht ist, oder ob generell das Veranstalten ohne Erlaubnis, wie es im Rahmen des § 284 I StGB sanktioniert ist, im Ausland auch mit Strafe bedroht ist. Bereits aus dem systematischen Vergleich mit § 9 II 2 StGB ergibt sich, dass dies zu bejahen sein muss. Von der Systematik bzw. dem Wortlaut her, wollte der Gesetzgeber einen anderen Fall als den des § 9 II 2 StGB erfassen. Beide Normen sind vom Wortlaut her beinahe identisch. § 9 II 2 StGB ordnet die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Rahmen der Teilnahme auch dann begrenzt an, „wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.“ Hingegen sind gem. § 261 VIII StGB nur Gegenstände aus „Taten“ erfasst, „wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist“. § 9 II 2 StGB sanktioniert eine Beihilfehandlung im Inland demnach selbst dann, wenn die Haupttat im Ausland legal ist. E contrario ist daher im § 261 VIII StGB zu fordern, dass die Vortat im Ausland (und daher nicht nur im Inland) illegal ist. Auch knüpft der Wortlaut im wesentlichen an den Wortlaut des § 7 StGB an, der für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts fordert, dass die „Tat am 117  Siehe

hierzu S. 438 ff.

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Tatort mit Strafe bedroht ist“.118 Im Ergebnis fordert daher § 261 VIII StGB, vergleichbar mit § 7 StGB und im Gegensatz zu § 9 II 2 StGB, gerade eine identische Tatnorm.119 Dies setzt zum einen voraus, dass im Ausland ein entsprechender Straftatbestand besteht, darüber hinaus ist aber notwendig, dass die konkrete Tat unter Anwendung des ausländischen Rechts mit Strafe bedroht ist.120 Der konkrete historische Vorgang im Sinne des prozessualen Tatbegriffs des § 264 StPO muss unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt am Tatort nach dem lex loci strafbar sein; es handelt sich demnach auch im Rahmen des § 261 VIII StGB, vergleichbar mit § 7 StGB, um eine Fremdrechtsanwendung.121 Entscheidende Frage ist, ob ausländische Straffreistellungsgründe (behördliche Erlaubnis im Ausland) zu beachten sind.122 Dies wird stellenweise mit Berufung auf den Wortlaut verneint.123 Jedoch ist dies abzulehnen, da mitunter schon im Rahmen des ausländischen Rechts keine klare Trennung zwischen Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld wie in Deutschland besteht.124 Deshalb wird auch im Rahmen der herrschenden Meinung eine Beachtlichkeit von Straffreistellungsgründen bejaht.125 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, denn eine konkrete Tat ist „dann mit Strafe ‚bedroht‘, wenn das Tatortrecht sie als materielles Unrecht qualifiziert – also keinen rechtfertigenden Erlaubnissatz vorsieht – und dem Täter ein Schuldvorwurf gemacht werden kann.“126 Eine andere Auslegung wäre auch in Hinblick auf den völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatz kritisch.127 An der Strafbarkeit im Ausland und damit dem notwendigen Schuldvorwurf, fehlt es aber gerade aufgrund der Tatsache, dass der jeweilige Veranstalter über die im Ausland notwendige Erlaubnis verfügt, weshalb die Tat im Ausland auch nicht mit Strafe bedroht ist. Dies gilt sowohl im Sinne des § 7 118  Vgl. Fischer, § 261 Rn. 27, der wiederum auf § 7 verweist; so auch mit Verweis auf den Wortlaut Streinz/Liesching/Hambach/Berberich, § 261 StGB Rn. 26. 119  Vgl. zu § 9 II 2 StGB, BeckOK-StGB/Heintschel-Heinegg, § 9 Rn. 15; MüKoStGB/Ambos, § 9 Rn. 39. 120  NK-StGB/Böse, § 7 Rn. 7. 121  Vgl. MüKo-StGB/Ambos, § 7 Rn. 6. 122  Vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 91 m. w. N.; NK-StGB/Böse, § 7 Rn. 7. 123  Vgl. Woesner, ZRP 1976, 248 (250). 124  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 92; MüKo-StGB/ Ambos, § 7 Rn. 11. 125  MüKo-StGB/Ambos, § 7 Rn. 10; NK-StGB/Böse, § 7 Rn. 7; vgl. Sch/Sch/Eser/ Weißer, § 7 Rn. 4 ff. 126  MüKo-StGB/Ambos, § 7 Rn. 10. 127  MüKo-StGB/Ambos, § 7 Rn. 10.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB513

StGB und daher aufgrund der Wortlautgleichheit auch im Rahmen des § 261 VIII StGB. Es fehlt daher bereits an der notwendigen Vortat.

III. „Herrühren“ des Buchgeldes Einen weiteren wichtigen Punkt stellt das Erfordernis des „Herrührens“ seitens des Tatobjekts dar. Dieses müsste gem. § 261 I 1 StGB aus der rechtswidrigen Tat stammen, also im Rahmen einer Strafbarkeit gem. § 284 I StGB müsste das Geld aus dem unerlaubten Glücksspiel herrühren. Die Frage ist daher, ob die Gelder, die die jeweiligen Zahlungsdienstleister transferieren, aus unerlaubtem Glücksspiel „herrühren“. Insbesondere kommen hierbei die Transferierung des Geldes an den Glücksspielveranstalter im Rahmen einer Einzahlung auf das Spielerkonto als auch die spätere Gewinnauskehr als geldwäscherelevant in Betracht. Was aus einer Tat herrührt, ist wiederum durch Auslegung zu ermitteln.128 Im Rahmen des spezifischen Online-Glücksspiels wird ein Herrühren mit der Argumentation bejaht, dass die Vortat des § 284 StGB nicht das durch den Einsatz bewirkte (einzelne) Spiel sei, sondern vielmehr das (abstrakte) Ermöglichen des Spiels als solches ist.129 Aus dieser Vortat rühre ein abstrakter vermögenswerter Anspruch des Glücksspielanbieters gegen den Finanzdienstleister her auf Ausgleich des vom Spieler gewählten Betrages, wobei dieser Anspruch unmittelbar auf der Bereitstellung der Glücksspiel­ einrichtung im Internet als Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels ­beruhe. Auch im Falle des sofortigen Spiels durch den Spieler, entstammen die hieraus erwachsenden Forderungen des Glücksspielanbieters gegen den Spieler in Höhe des von diesem geleisteten Einsatzes ebenfalls der Vortat des § 284 StGB.130 Die Ansicht beruft sich im Ergebnis also darauf, dass der Zahlungsanspruch des Glücksspielanbieters gegen den Finanzdienstleister aus einer Katalogtat des § 261 I 2 StGB herrührt. Diese Sichtweise geht aber nicht weit genug, vielmehr scheint es geboten, sowohl zwischen den verschiedenen Arten von Online-Glücksspielen zu unterscheiden als auch zwischen den einzelnen Schritten im Zusammenhang mit einem Spiel zu differenzieren.

128  Vgl. MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 47; NK-StGB/Altenhain, § 261 StGB Rn.  24 ff.; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 StGB Rn. 15 ff. 129  Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (380 f.). 130  Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (381).

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Hinsichtlich der Arten von Online-Glücksspielen ist insbesondere zwischen Spielen mit Bankhalter und denen ohne zu unterscheiden.131 Hinsichtlich der einzelnen Schritte, die bei einem Online-Glücksspiel stattfinden, ist zu trennen zwischen der Aufladung des Spielkontos mit Buchgeld, dem anschließenden Spiel auf der jeweiligen Website, wobei die jeweiligen Spiel­ einsätze vom Spielkonto abgebucht bzw. hinzugebucht werden, und abschließend die Auszahlung auf das Bankkonto des jeweiligen Spielers. 1. Spiele ohne Bankhalter In diesem Zusammenhang sind zunächst die Spiele ohne Bankhalter zu betrachten. Hierbei spielen die Spieler nicht gegen die Bank, sondern gegeneinander. Der jeweilige Glücksspielveranstalter als solcher bietet nur die Plattform für das Glücksspiel zwischen den Spielern. Geld verdient der Plattformbetreiber hingegen z. B. beim Online-Poker dadurch, dass er den sog. „Rake“ einbehält, eine gewisse prozentuale Summe des jeweils gespielten Pots. a) Einzahlung auf das Spielkonto Zunächst bedarf es einer Aufladung des Spielkontos des jeweiligen Spielers mit Buchgeld, wobei die jeweiligen Anbieter hierzu verschiedenste Möglichkeiten anbieten.132 Jedoch ist die Annahme, dass dieses Geld bereits aus unerlaubtem Glücksspiel „herrührt“133, verfehlt. Zwar sanktioniert § 284 I StGB bereits die Eröffnung der bloßen Spielmöglichkeit, aber die bloße Einzahlung des Geldes auf ein Spielkonto – ohne dass es hierdurch zu einem Anspruch des Glücksspielveranstalters auf dieses Geld kommt – lässt das Buchgeld nicht bereits aus unerlaubtem Glücksspiel „herrühren“.134 Vielmehr ist das Geld bisher nicht zu irgendwelchen Zwecken verwendet worden, sondern dessen Verwendung wird erst vorbereitet. Es handelt sich demnach bei dem Geld auf dem Spielkonto um einen Gegenstand, der lediglich zur Vorbereitung des späteren Glücksspiels auf dieses transferiert wird. Gegenstände zur Vorbereitung einer geldwäscherelevanten Katalogtat stellen aber gerade

131  Auf diese Unterscheidung abstellend Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (182 ff.). 132  Pokerstars bietet z.  B. 14 Möglichkeiten zur Ein- und/oder Auszahlung an, https://www.pokerstars.eu/de/poker/real-money/ zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 133  So aber Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (381). 134  Ebenso Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (182); Karnapp, Online-Gam(bl)­ ing, S. 177.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB515

kein taugliches Tatobjekt der Geldwäsche dar.135 Auch rührt das Geld auf dem Spielerkonto gerade nicht „aus“ dem unerlaubten Glücksspiel, denn das Geld kommt in diesen Fällen vielmehr vom Spieler aus bis dahin legalen Kanälen. b) Tätigung eines Spieleinsatzes und Gewinngutschrift Als weitere Schritte sind anzunehmen, dass sich der Spieler an einen virtuellen Pokertisch setzt, dort seine Einsätze platziert und anschließend auf Grund eines guten Blattes seinen Einsatz und den der anderen Spieler, also den Pot, gewinnt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass das ganze Geschehen auf dem jeweiligen Server des Glücksspielanbieters stattfindet. Sowohl Einsätze als Passiva und Gewinne als Aktiva werden ausschließlich mit dem auf dem Server liegenden Spielerkonto verbucht, eine Transferierung von Geldern außerhalb des Servers findet gerade nicht statt, es handelt sich um einen rein internen Vorgang. Da dieser Vorgang aber ausschließlich intern stattfindet, ist er auch nicht geeignet, einen Geldwäschevorwurf beim Zahlungsdienstleister zu begründen.136 c) Anschließende Gewinngutschrift auf Konto Geldwäscherelevant hingegen kann nach durchgeführtem Glücksspiel die vom Spieler veranlasste Kontogutschrift sein. In diesem Fall weist der Spieler den Glücksspielveranstalter an, die auf seinem Spielkonto befindlichen Gelder auf dessen Bankkonto zu überweisen, diesbezüglich bedient sich wiederum der Glücksspielveranstalter erneut der Hilfe von Zahlungsdienstleistern. Entscheidend ist aber, ob dieses Geld, das nun überwiesen wird, aus der bandenmäßigen bzw. gewerbsmäßigen Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels herrührt. Oder anders gesagt: Stammt das Geld aus der Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels durch den Veranstalter, hat dieser also das nun überwiesene Geld aus dem unerlaubten Glücksspiel erhalten? Diese Frage mag man zunächst vorschnell mit ja beantworten, bei genauerer Betrachtung ist hier aber erneut zu differenzieren. Das Geld stammt gerade nicht aus der Straftat des § 284 I StGB, denn der jeweilige Glücksspielveranstalter hat nie das Geld als solches auf Basis des 135  BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 StGB Rn. 16; Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (182). 136  Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (182).

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Spiels ohne Bankhalter erhalten. Vielmehr stammt das Geld von den anderen Mitspielern, also deren Spielteilnahme, und dem zuvor vom Spieler selbst eingezahlten Geld. Der jeweilige Glücksspielveranstalter als solcher fungiert im vorliegenden Fall vielmehr als bloßer Dienstleister zur Verschiebung von Vermögenswerten zwischen den einzelnen Spielern. Gleichzeitig erhält dieser – nur dieser Betrag rührt daher auch aus dem unerlaubten Glücksspiel, das dieser veranstaltet – den sog. „Rake“. Lediglich dieser geht auf Basis der Veranstaltung des unerlaubten Glücksspiels direkt an den jeweiligen Veranstalter, stellt also lediglich für sich genommen überhaupt einen aus dem Glücksspiel herrührenden Gegenstand dar.137 Der Spieleinsatz hingegen „rührt“ gerade nicht aus unerlaubtem Glücksspiel.138 Zwar ist Karnapp insoweit zuzustimmen, dass das Spiel als solches erst durch die Spieleinsätze ermöglicht wird, es rührt aber gerade nicht aus dem unerlaubtem Glücksspiel des Glücksspielveranstalters her, vielmehr stellt dieser lediglich die Infrastruktur (Spielserver), er stellt aber nicht die Gelder als solches. Es erfolgt, wie Karnapp richtig feststellt, lediglich eine Verschiebung der Gelder zwischen den einzelnen Spielern,139 die Gelder stammen aber gerade nicht – wie oben bereits bei der Einzahlung herausgearbeitet – aus unerlaubtem gewerblichen Glücksspiel, sondern diese rühren von den Geldern der Spieler her. An diesem Charakter ändert auch die Verschiebung unter den Spielern nichts, da hier keine Kontaminierung mit den Geldern des Veranstalters stattfindet. Diese Differenzierung ist auch mit Blick auf den Katalog des § 261 I 2 StGB durchaus nachvollziehbar. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB nennt lediglich als taugliche Vortat die gewerbsmäßige oder bandenmäßige Begehung des § 284 StGB, geldwäschetaugliche Vortat ist hingegen im Umkehrschluss gerade nicht eine Tat nach § 285 StGB. Der ausgeschüttete Gewinn rührt lediglich aus der bloßen Beteiligung mehrerer Spieler an einem öffentlichen Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB her, denn das Geld geht von einem Spieler zum anderen. Hingegen erlangt der Veranstalter, der sich potenziell nach § 284 StGB strafbar macht, diese Geldsummen nie auf Basis des von ihm veranstalteten öffentlichen Glücksspiels, vielmehr verbleibt diesem auf Basis seiner Veranstaltung ausschließlich der „Rake“, nur dieser rührt daher aus einer Vortat nach § 284 StGB bei einem Spiel ohne Bankhalter her.140

daher Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (182). aber Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S. 178 f. 139  Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S. 179, der richtig feststellt, dass das Pokerspiel als solches ein „Nullsummenspiel“ ist. 140  Ebenso Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (182); a.A Karnapp, OnlineGam(bl)ing, S.  178 ff. 137  Zutreffend 138  So



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB517

Etwas anderes könnte man lediglich unter dem Aspekt annehmen, dass bei den Spielen ohne Bankhalter sowohl der „Rake“ als auch die Spielereinsätze zunächst auf einem Konto des Veranstalters gebündelt werden, partiell also das Buchgeld aus der Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels stammt, wohingegen der andere Teil dies, nach oben aufgezeigter Meinung, gerade nicht tut. Die Frage ist daher, ob der auf dem Konto liegende „Rake“ das restliche Geld „kontaminiert“.141 Im Grundsatz ist auch in den Fällen der Verdünnung bzw. Vermischung bemakelten Vermögens auf eine wirtschaft­ liche Betrachtungsweise abzustellen, weshalb es, solange eine bloße Vermengung zwischen bemakelten und nicht bemakelten Gegenständen stattgefunden hat, die eine Trennung nicht ausschließt, bei der ursprünglichen Eingliederung in bemakelt und nichtbemakelt der einzelnen Gegenstände bleibt.142 Dies ist aber bei Buchgeld schwierig zu gestalten. Es ist gerade nicht klar ersichtlich, ob der jeweilige Buchwert auf dem Konto bei einer Überweisung nun aus einer Straftat herrührt oder nicht. In derartigen Fällen der Vermischung von Giralgeld, also Buchgeld, vertritt die Rechtsprechung wiederum die sog. Lehre von der Totalkontamination.143 Das Giralgeld als solches stellt nach Ansicht der Rechtsprechung einen gem. § 261 I 1 StGB tauglichen Gegenstand dar, wenn „der aus den Vortaten stammende Anteil nicht nur nicht völlig unerheblich war“.144 Wann aber eine Unerheblichkeit vorliegt, ist höchstrichterlich gerade nicht geklärt. Der BGH bejahte eine gänzliche Kontamination des Giralgeldes im Falle, in dem der Anteil des Zuflusses aus geldwäschetauglichen Quellen zwischen 5,9 % bis ca. 35 % des jeweiligen Giralgeldes betrug.145 Mit Blick auf die Höhe des „Rake“, der meist 5 % oder einen nominalen Maximalbetrag beträgt146, was wiederum den relativen Anteil des „Rake“ am Gesamtgiralgeld erneut senken dürfte, wird ersichtlich, dass der Anteil des an sich bereits unter § 261 I StGB fallenden Giralgeldes in den Grenzbereich der Unerheblichkeit fallen dürfte. Dies gilt umso mehr, wenn man die Gelder, die auf den Spielerkonten liegen ebenso auf einem gemeinsamen Konto ausweist. In diesem Fall wäre der relative Anteil des „Rake“ am Gesamtkontoguthaben noch geringer, weshalb hier erst recht die Unerheblichkeitsschwelle erreicht sein müsste, mit der Folge, dass eine Kontamination in diesem Fall ausscheiden müsste. Jedoch fehlt es bisher an einer hierzu gesibeiläufig erwähnt von Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S. 178 f. § 261 Rn. 55. 143  Vgl. BGH NZWiSt 2016, 157; BGH NJW 2019, 533 (535 Rn. 26). 144  BGH NJW 2019, 533 (535 Rn. 26); BGH NZWiSt 2019, 148. 145  BGH NJW 2015, 3254 (3255). 146  Vgl. https://www.pokerstars.eu/de/poker/room/rake/, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 141  So

142  MüKo-StGB/Neuheuser,

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cherten Rechtsprechung, weshalb sich anbietet, Rake und sonstige Gelder auf getrennten Konten zu verwalten, um jegliche Kontamination von Beginn an auszuschließen. Der Aussage von Kudlich/Berberich ist darüber hinaus zuzustimmen, dass es anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen auch rechnerisch in der Kontoführung der Glücksspielveranstalter möglich ist, das jeweilige Giralgeld und dessen Fluss zuzuordnen.147 In den vom BGH entschiedenen Fällen ging es vielmehr darum, dass das Giralgeld teils aus legalen, teils aus illegalem Kanälen stammte und von diesem „Gesamtgeld“ dann etwas gekauft bzw. angemietet wurde.148 Diese Problematik stellt sich aber bei der Buchführung der Glücksspielveranstalter gerade nicht, vielmehr ist genau ersichtlich, was der „Rake“ ist. Dieser ist meist149 rechnerisch bereits von Beginn an klar und ebenso, was der jeweilige, von den Spielern stammende, Einsatz und spätere Gewinn ist. Eine Auskehr von Geld, das dem „Rake“ zuzuordnen ist, erfolgt gerade nicht, dieses verbleibt vielmehr auf dem Konto des Veranstalters. Die Auskehr betrifft vielmehr ausschließlich zunächst nicht kontaminiertes Giralgeld, es erfolgt demnach faktisch auf dem Konto eine Trennung von Geld aus der Veranstaltung des unerlaubten Glücksspiels gem. § 284 StGB – nur dieses ist tauglicher Gegenstand! – und des Geldes aus der Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel gem. § 285 StGB. Aufgrund dieser Tatsache ist zumindest im Spiel ohne Bankhalter das Buchgeld, das von den Zahlungsdienstleistern an die Spieler zurückgebucht wird, kein tauglicher Gegenstand im Sinne des § 261 I StGB. Die Unterscheidung zwischen „Rake“ als tauglichem Gegenstand einer Geldwäschestrafbarkeit und dem Spieleinsatz als untauglichem Gegenstand ist auch mit Blick auf § 286 StGB wertungsmäßig nachvollziehbar.150 § 286 StGB ermöglicht die Einziehung des auf dem Spieltisch oder in der Bank vorgefundenen Geldes. Diese Regelung der Einziehung für das auf dem Tisch befindliche Geld wäre aber nicht notwendig, würde der Gesetzgeber das Geld auf dem Tisch bereits als durch eine rechtswidrige Tat erlangt ansehen. Denn in diesem Fall wäre das Geld bereits gem. § 73 I StGB der Einziehung unterworfen, der Sonderregelung bedürfte es nicht. Vielmehr erweitert § 286 StGB die Möglichkeit der Einziehung auf nicht aus dem Delikt des § 284 StGB erlangter Gelder.151 Wenn die Gelder auf dem Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (183). BGH NJW 2019, 533, wobei das Giralgeld zur Begleichung von Mietschulden herangezogen wurde. 149  Hingegen könnte es bei sog. „Rakebacks“, also Zurückzahlungen des „Rake“, zu Problemen kommen, vgl. Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (183 Fn. 26). 150  Zutreffend Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (183 Fn. 27). 151  MüKo-StGB/Hohmann, § 286 Rn. 2, 4. 147  Vgl. 148  Vgl.



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Tisch aber nicht aus dem Delikt des § 284 StGB erlangt sind, so kann wertungsmäßig nichts anderes für die Frage gelten, ob diese Gelder aus dem Delikt des § 284 StGB „herrühren“.152 Eine Geldwäschestrafbarkeit ist daher diesbezüglich beim Spiel ohne Bankhalter für Zahlungsdienstleister bereits aus den genannten Umständen her zu verneinen. 2. Spiele mit Bankhalter Hiervon ist das Spiel mit Bankhalter zu unterscheiden. In diesem Fall spielen die Spieler gerade nicht – wie z. B. beim Poker – gegeneinander, sondern diese spielen gemeinsam gegen die Bank. Typische Beispiele der Online-Casinospiele sind hierfür Blackjack oder Roulette. Aber auch OnlineSportwetten mit festen Gewinnquoten stellen ein Bankhalterspiel dar. Die Sportwette wird gegen die Bank platziert, je nach Ergebnis ist diese gezwungen, einen Gewinn in bestimmter Höhe auszuzahlen oder dazu berechtigt, den Einsatz zu behalten. Erneut ist hier in die oben genannten vier Phasen aufzuteilen. a) Einzahlung auf das Spielkonto Wie bereits oben verdeutlicht, ist die Annahme, dass das eingezahlte Geld bereits aus unerlaubtem Glücksspiel „herrührt“153, verfehlt. Das Geld auf dem Spielerkonto „rührt“ gerade nicht „aus“ dem unerlaubten Glücksspiel „her“, denn das Geld kommt in diesen Fällen vielmehr vom Spieler aus bis dahin legalen Kanälen. b) Tätigung eines Spieleinsatzes und Gewinngutschrift Auch die Platzierung der Wette bzw. des Einsatzes ist noch ohne Relevanz für die Beurteilung der Zahlungsdienstleisterstrafbarkeit, da das ganze Geschehen auf dem jeweiligen Server des Glücksspielanbieters stattfindet. Es erfolgt gerade keine Transferierung von Geldern außerhalb des Servers des jeweiligen Veranstalters.

152  Ebenso Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (183 Fn. 27); a.  A. Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S.  179 f. 153  So aber Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (381).

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c) Anschließende Gewinngutschrift auf Konto Besondere Relevanz hat hingegen die Frage, wie nun das mit Hilfe des Finanzdienstleisters ausgezahlte Geld einzuordnen ist. Wie oben bereits beschrieben, ist entscheidend, ob dieses Geld, das nun überwiesen wird, aus der bandenmäßigen bzw. gewerbsmäßigen Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels herrührt. Oder anders gesagt: Stammt das Geld aus der Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels durch den Veranstalter, hat dieser also das nun überwiesene Geld aus dem unerlaubten Glücksspiel erhalten? Dies ist bei den Spielen mit Bankhalter gerade – im Gegensatz zu denen ohne Bankhalter – zu bejahen. Das nun vom jeweiligen Veranstalter wieder ausgekehrte Geld stammt gerade nicht von dem Spieler an einem Tisch und geht an den anderen Spieler über, vielmehr befand sich der ausgezahlte Gewinnbetrag unzweifelhaft vorher in der Verfügungsgewalt des jeweiligen Veranstalters.154 Denn der Veranstalter rechnet, wie bereits oben bei den Sportwetten gezeigt155, in die Festsetzung der Quote bereits seine Gewinnmarge ein. Die Gelder bei den Sportwetten stellen dahingehend auch keine an sich durchlaufenden Posten wie beim Online-Poker dar, sondern sind vielmehr zuerst beim Glücksspielveranstalter und unterliegen auch dessen Verfügungsgewalt. Diese Gelder hat er daher auch „aus“ unerlaubtem Glücksspiel erlangt, das Geld rührt demnach im Sinne des § 261 I StGB auch aus der gewerbsmäßigen bzw. bandenmäßigen Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels her.156 Der Einwand von Berberich/Kudlich157, es sei zu bezweifeln, dass mit Tätigung des Einsatzes das Geld bereits bei der Bank, also dem Glücksspielveranstalter liegen würde, da man bildlich zunächst von einem Poolen des Geldes ausgehen müsste, also dass zuerst ein Topf aller Einsätze gebildet wird, aus dem dann auch die Auszahlungen erfolgen, bevor der Restbetrag an den Glücksspielveranstalter geht, ist aber abzulehnen. Bereits der bildliche Vergleich mit dem auf dem Tisch liegenden Geld hinkt hierbei. Denn auch bei den „Offline-Spielen“158 erfolgt bei den Spielen mit Bankhalter gerade keine Umverteilung der Gelder zwischen den Spielern. Vielmehr zieht der Croupier nach jeder Runde die verlorenen Einsätze im Namen der Spielbank in Form der Jetons ein und zahlt die Gewinner 154  Berberich/Kudlich,

ZfWG 2016, 179 (184). hierzu die Darstellung auf S. 217 ff. 156  So ebenfalls Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S. 182. 157  Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (184). 158  Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (184). 155  Siehe



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB521

danach in Jetons aus. Das Geld liegt mit dem Einzug durch den Croupier aber in der Verfügungsgewalt der Spielbank, diese kann nun über diesen Jeton verfügen, z. B. wenn der Tisch geschlossen wird, diese auch wegsperren etc. Auch ist die Annahme einer virtuellen Poolung nicht überzeugend. Bereits die Einsätze bei Sportwetten werden zumeist über einen längeren Zeitraum gesetzt, auch die jeweiligen Auszahlungszeitpunkte sind gänzlich unterschiedlich. Es scheint abwegig, für jedes Sportereignis einen eigenen Pool zu bilden, vielmehr besteht auch hier für den jeweiligen Anbieter immer die Möglichkeit, dass er sich bei seinen Quoten verkalkuliert hat und er daher mit seinem Wettangebot Minus macht. Würde das Geld aus einem Pool kommen, so wäre die Auszahlung von mehr Geld als eingezahlt wurde, gerade nicht möglich. Genau dies ist aber der Reiz der Sportwette, der Gewinn ist gerade nicht auf einen maximalen Betrag aus einem Gewinnpool begrenzt, sondern dieser steht bereits beim Einsatz fest. Eine vorherige Poolung wäre daher auch praktisch gesehen wenig praktikabel, vielmehr speisen sich die Ausgaben durch die vorherigen Einnahmen, wobei die bei der Quote berechnete Gewinnmarge immer sicherstellen soll, dass die Einnahmen höher sind als die Ausgaben. Die Ausgaben werden aber immer durch die vorherigen Einnahmen getätigt, die wiederum aber aus gewerbsmäßigem unerlaubten Glücksspiel stammen. Die ausgezahlten Beträge „rühren“ daher gerade unter Zugrundelegung der Hypothese, dass eine Strafbarkeit im Sinne eines gewerbsmäßigem unerlaubtem Glücksspiel besteht, aus diesem „her“. Zu beachten ist aber, dass die Auszahlung des Geldes auf dem Spielerkonto erfolgt. Fraglich ist daher auch hier, wie es zu beurteilen wäre, wenn ein Teil des Geldes auf dem Spielerkonto aus legaler Quelle, nämlich noch von der Einzahlung, und ein anderer Betrag nun aus dem unerlaubten Glücksspiel als Gewinn stammt. Zunächst ist aber zu betrachten, dass kein Glücksspielanbieter für jeden Spieler ein eigenes Konto bei einer Bank eröffnet. Vielmehr stellen die Spielerkonten nur virtuelle Gebilde mit Buchungsposten dar, die die jeweilige Anspruchshöhe des Spielers gegen den Veranstalter beziffern. Das Geld hingegen als solches, also das tatsächliche Giralgeld des Veranstalters, liegt auf einem Konto, auf dem alle Ein- und Auszahlungen erfolgen. Der Aussage, „dass es nicht auf die Verhältnisse auf dem Veranstalter-, sondern auf dem Spielerkonto ankommt“ ist daher gerade nicht zuzustimmen.159 Die Frage ist konsequenter Weise ebenso wie die Frage zu beantworten, ob der „Rake“ das auf dem Konto liegende Geld „kontaminiert“. Es ist, wie gezeigt, in den Fällen der Verdünnung bzw. Vermischung bemakelten Vermö159  So

aber Berberich/Kudlich, ZfWG 2016, 179 (184).

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gens auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abzustellen, mit der Folge, dass es, solange eine bloße Vermengung zwischen bemakelten und nicht bemakelten Gegenständen stattgefunden hat, die eine Trennung nicht ausschließt, bei der ursprünglichen Eingliederung in bemakelt und nichtbemakelt der einzelnen Gegenstände bleibt.160 Dies ist jedoch beim Geld auf dem Konto schwierig, da nie klar ist, ob der jeweilige Buchwert auf dem Konto bei einer Überweisung nun aus einer Straftat herrührt oder nicht. Nach der von der Rechtsprechung vertretenen sog. Lehre von der Totalkontamination161 stellt Giralgeld einen gem. § 261 I 1 StGB tauglichen Gegenstand dar, wenn „der aus den Vortaten stammende Anteil nicht nur nicht völlig unerheblich war“,162 wobei hierbei die Quote über 5,9 % liegen muss.163 Diese dürfte aber beim Spiel mit Bankhalter schnell überschritten sein, weshalb zumindest in diesem Fall auch von einem „Herrühren“ auszugehen wäre, soweit es sich bei dem Verhalten, aus dem das Geld stammt, um eine gewerbsmäßige Begehung des § 284 StGB handeln würde. So leicht die Bejahung der Frage diesbezüglich ist, umso schwerer wird der praktische Nachweis der Tatsache sein. Das Gericht muss im Rahmen seiner Verurteilung gerade den Nachweis führen, dass der konkrete Gegenstand aus der Vortat herrührt.164 „Es muss nicht nur ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden können, dass das Geld legal erlangt wurde, sondern auch, dass es aus einer Nichtkatalogtat stammt, die keine taugliche Vortat der Geldwäsche darstellt.“165 Dies dürfte sich bei den Fällen mit Auslandsbezug immer schwierig gestalten. Es kann zumeist nie sicher ausgeschlossen werden, dass das Geld aus dem Ausland, in dem der Glücksspielanbieter legal operiert, nicht aus einer legalen Quelle stammt. Das Gericht müsste vielmehr den Nachweis führen, dass das Giralgeld des jeweiligen Anbieters zu mind. 5,9 % aus Geldern aus unerlaubtem Glücksspiel stammt. Kann es diesen Nachweis nicht führen, so hat es „in dubio pro reo“ vom Vorwurf der Geldwäsche freizusprechen.166

160  MüKo-StGB/Neuheuser,

§ 261 Rn. 55. BGH NZWiSt 2016, 157; BGH NJW 2019, 533 (535 Rn. 26); BGH NZWiSt 2019, 148. 162  BGH NJW 2019, 533 (535 Rn. 26). 163  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 55. 164  NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 50, BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 StGB Rn. 10. 165  BGH NStZ 2016, 538 (538). 166  BGH BeckRS 1999, 30081269. 161  Vgl.



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3. Ergebnis Die Annahme eines Herrührens des Geldes aus einer Katalogtat wird sich demnach als schwierig erweisen. Bei Spielen ohne Bankhalter wird bereits aus dogmatischen Gründen das Erfordernis des „Herrührens“ zu verneinen sein. Hingegen ist bei Spielen mit Bankhalter ein Herrühren nicht ohne weiteres abwegig, jedoch stößt diese Annahme wiederum in einem späteren Prozess auf beachtliche Beweisschwierigkeiten, weshalb im Zweifel zwar kein Freispruch aufgrund rechtlicher Gründe erfolgen wird, aber dafür aufgrund tatsächlicher.

IV. Einschränkung im Rahmen des berufstypischen Verhaltens auf objektiver Ebene? Ebenso wie im Rahmen der Beihilfe, stellt sich auch im Rahmen der Geldwäsche die Frage, ob eine Einschränkung des Tatbestandes auf Basis der Sozialadäquanz durchzuführen ist. Eine Einschränkung wird diesbezüglich zum einen im Wege einer teleologischen Reduktion für Geschäfte zur Befriedigung des täglichen Lebensbedarf diskutiert167, zum anderen wird die Berücksichtigung einer Bagatellgrenze gefordert.168 Für die hier vorliegenden Fälle ist aber die Frage immanent, ob ein berufstypisches, geschäftsmäßiges Verhalten eine Strafbarkeit gem. § 261 StGB begründen kann.169 Im Gegensatz zur Thematik einer Beihilfestrafbarkeit wird im Rahmen der Geldwäschestrafbarkeit von mehreren Stimmen eine Einschränkung unter dem Gesichtspunkt des berufstypischen Verhaltens verneint. Grundlage der Einschränkung auf der Basis eines berufstypischen Verhaltens ist eine Abwägung zwischen dem Interesse, die Berufsausübung nicht zu erschweren und dem Interesse, die für Rechtsgüter ausgehenden Gefahren soweit wie möglich zu begrenzen.170 Diese Wertungsentscheidung ist aber nur dann mög167  Barton, StV 1993, 156 (161 f.); Löwe-Krahl, wistra 1993, 123 (125 f.); Rengier, BT I, § 23 Rn. 23; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT II, Rn. 900 ff. 168  Sch/Sch/Hecker, § 261 Rn. 27; vgl. Barton, StV 1993, 156 (161  f.); Hund, ZRP 1996, 163 (166); Kulisch, StraFo 1999, 337 (338); Löwe-Krahl, wistra 1993, 123 (125); Rengier, BT I, § 23 Rn. 23; Füllbier/Aepfelbach/Langweg/Schröder/Textor, § 261 Rn. 75 ff. 169  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83. 170  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83.

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lich, wenn sie der Gesetzgeber nicht bereits selbst getroffen hat; dies ist aber gerade beim Straftatbestand des § 261 StGB der Fall.171 Der Gesetzgeber hat durch die Regelungen in Abs. 2 und 5 des § 261 StGB die im Rahmen der Beihilfe offene Frage des berufstypischen Verhaltens abschließend geklärt.172 Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzgebungsgeschichte173: Im Rahmen des Gesetzesentwurfs war eine Ausnahmeregelung angedacht, wenn mit dem kontaminierten Geld „eine Gegenleistung für Sachen oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs […] bewirkt wird oder bewirkt worden ist.“174 Diese Ausnahmeregelung wurde aber ausdrücklich abgelehnt, denn auch diese Fälle stellen „strafwürdiges Unrecht“ dar, außerdem sollen hierdurch „Spannungen im Verhältnis zu den anderen Vorschriften des 21. Abschnitts, die vergleichbare Ausnahmeregelungen nicht kennen, vermieden werden“.175 Der Gesetzgeber sah vielmehr einen Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs als gegeben, denn „Absatz 6 trägt […] dem […] insofern Rechnung, als er eine Strafbarkeit nach Absatz 2 in den Fällen eines ‚gutgläubigen‘ Erwerbs ausschließt.“176 Nichts anderes gilt auch für die hier vorliegenden Finanztransaktionen. Diese sind zwar als solche sozialüblich, ein Ausschluss dieser bereits aus dem Anwendungsbereich des Geldwäschetatbestands ist aber – gleich den übrigen sozialadäquaten Verhaltensweisen – ausdrücklich nicht gewollt, diese stellen ebenso nach der Wertung des Gesetzgebers „strafwürdiges Unrecht“ dar.177 Nichts anderes ergibt sich aus den zum Strafverteidigerhonorar ergangenen Entscheidungen des BVerfG. In diesen schränkte das BVerfG den Straftat­ bestand des § 261 StGB insoweit ein, dass bei einem Strafverteidiger es nicht genügt, dass dieser ein Verteidigerhonorar annimmt und dabei leichtfertig verkennt, dass dieses aus einer Geldwäschevortat stammt. Vielmehr ist im Rahmen einer verfassungskonformen einengenden Auslegung nur dann „die Annahme eines Honorars oder Honorarvorschusses durch einen Strafverteidiger […] erfasst, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Annahme sicher weiß, dass das Geld aus einer Katalogtat stammt.“178 171  Vgl. MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83; NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 121 f.; ebenso BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 39.1, 40. 172  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83; in diese Richtung auch Kindhäuser/ Böse, § 29 Rn. 14. 173  So auch MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83; NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 121 f.; ebenso BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 39.1, 40; SSW-StGB/ Jahn, § 261 Rn. 63, 66. 174  BT-Drs. 11/7663, S. 7, 27. 175  BT-Drs. 11/7663, S. 50. 176  BT-Drs. 11/7663, S. 50. 177  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83; vgl. SSW-StGB/Jahn, § 261 Rn. 66 ff. 178  BVerfG NJW 2004, 1305 (1311); ebenso später BVerfG NJW 2015, 2949 (2952).



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB525

Aus diesen Entscheidungen lässt sich aber gerade keine generelle Einschränkung des objektiven Tatbestandes des § 261 StGB für berufstypisches Verhalten ziehen, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Im Rahmen seiner Prüfung bejaht das BVerfG vielmehr ein Unterfallen von berufstypischem Verhalten unter den objektiven Tatbestand des § 261 StGB, ein pauschaler Ausschluss ist gerade nicht gegeben. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung sei allein der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Norm hineingestellt ist.179 Insbesondere ist auch nach Ansicht des BVerfG aus der Entstehungsgeschichte des § 261 StGB zu ziehen, dass gerade kein berufstypisches Verhalten aus dem objektiven Tatbestand des § 261 StGB fällt: „Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, für besondere Fallkonstellationen Ausnahmen vorzusehen, um das mit dem Geldwäschetatbestand verfolgte Ziel wirkungsvoller Bekämpfung der Organisierten Kriminalität durch wirtschaftliche Isolierung gefährlicher Straftäter nicht zu schwächen“.180 Eine allgemeine Strafbarkeitseinschränkung auf objektiver Ebene ist nach dem Vorgesagten daher im Hinblick auf § 261 StGB für Beschäftigte im Finanzdienstleistungssektor abzulehnen.181

V. Tatbestandseinschränkung auf subjektiver Ebene? Wenn auf objektiver Ebene keine Einschränkung bei berufstypischem ­ erhalten erfolgt, so ist diese jedoch auf subjektiver Ebene diskutabel. Das V BVerfG vollzog im Rahmen der Entscheidung zum Strafverteidigerhonorar die Einschränkung des Tatbestands anhand einer verfassungskonformen einengenden Auslegung dahingehend, dass der Strafverteidiger sicheres Wissen darüber haben muss, dass das Geld aus einer Katalogtat des § 261 I 2 StGB stammt.182 Eine Übertragung auf Finanzdienstleister und deren Mitarbeiter ist aber abzulehnen. Die Entscheidung bei der Strafverteidigung beruht gerade auf den Besonderheiten der Strafverteidigung.183 Denn Aufgabe des Strafvertei179  BVerfG

NJW 2004. 1305 (1306). NJW 2004. 1305 (1307). 181  Vgl. Füllbier/Aepfelbach/Langweg/Schröder/Textor, § 261 Rn. 78, 80, die wohl eine Einschränkung auf subjektiver Ebene vorziehen; Achenbach/Ransiek/Löwe-Krahl, 3. Auflage 2012, 13. Teil Rn. 42 f.; Herzog/Nestler/El-Ghazi, § 261 StGB Rn. 114; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 83. 182  BVerfG NJW 2004, 1305 (1311); ebenso später BVerfG NJW 2015, 2949 (2952). 183  Herzog/Nestler/El-Ghazi, § 261 StGB Rn. 114. 180  BVerfG

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

digers ist gerade, den Mandanten vor dem Vorwurf einer Katalogtat des § 261 I 2 StGB zu verteidigen. Dies ist aber nur möglich bzw. mit den Worten des BVerfG „Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist ein Vertrauensverhältnis“.184 Im Rahmen von Finanzdienstleistungen besteht aber kein derartig tiefes Vertrauensverhältnis wie bei dem in der Rechtsprechung maßgeblichen Wahlverteidiger. Die Finanzdienstleister erbringen lediglich eine Dienstleistung für den jeweiligen Klienten, ein besonderes Vertrauensverhältnis darüber hinaus im Rahmen einer Rechtsberatung besteht aber gerade nicht. Dies zeigt auch die Wertung des § 102 AO, der dem Schutz von Berufsgeheimnissen dient. Diesbezüglich erfolgt lediglich ein Schutz der Rechtsanwälte bzw. Strafverteidiger gem. § 102 I Nr. 3 AO, ein Auskunftsverweigerungsrecht der Banken bzw. Finanzdienstleister ist gerade nicht aufgenommen, diese unterfallen schlicht der allgemeinen Auskunftspflicht gem. § 93 I 1, 3 AO. Eine Übertragung der Grundsätze ist daher auf die Mitarbeiter in Rahmen von Finanzdienstleistern abzulehnen.

VI. Subjektiver Tatbestand Es verbleibt daher beim schlichten Gesetz, im Grundsatz bedarf es gem. § 15 StGB zumindest bedingten Vorsatzes für eine Strafbarkeit gem. § 261 I bzw. II StGB. § 261 V StGB ordnet aber auch neben der grundsätzlich möglichen Vorsatzstrafbarkeit eine Strafbarkeit für Leichtfertigkeit an. Zu beachten gilt aber, dass § 261 V StGB nur partiell zu einer Beweiserleichterung führt. Gem. § 261 V StGB wird auf den Vorsatz nur hinsichtlich der Katalogvortat als solches und des Herrührens des Gegenstands aus dieser verzichtet.185 Für die übrigen Tatbestandsmerkmale in Abs. 1 oder 2 bleibt es aber bei dem Erfordernis zumindest bedingten Vorsatzes.186 Die Annahme von zumindest bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Vortat und des Herrührens ist bei den Finanzdienstleistern aber abzulehnen, da diese, wie oben bereits in Rahmen der Beihilfe ausgeführt, keine Kenntnis davon haben, ob eine Transaktion auf einem legalen oder illegalen Glücksspiel beruht. 184  BVerfG

NJW 1305 (1307). § 261 StGB Rn. 137; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261

185  NK-StGB/Altenhain,

Rn. 97. 186  NK-StGB/Altenhain, §  261 StGB Rn. 137; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 97; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 57; unter diesem Gesichtspunkt ist bereits eine Strafbarkeit zweifelhaft, da dem jeweiligen Bankmitarbeiter zumindest bedingter Vorsatz angelastet werden müsste, die konkrete Gefahr verursacht zu haben, dass der Gegenstand nicht gefunden, seine Herkunft nicht ermittelt oder sein Verfall etc. nicht angeordnet werden kann.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB527

Alleinig bleibt daher der Vorwurf stehen, dass die Finanzdienstleistung als solche ohne vorherige Überprüfung, ob das Geld aus legalem oder illegalem Glücksspiel stammt, eine Leichtfertigkeit gem. § 261 V StGB begründet. So besteht auch dann eine Strafbarkeit, wenn in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkannt wird, dass der Gegenstand aus einer in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Tat herrührt. Nach der Gesetzesbegründung entspricht der Begriff der „Leichtfertigkeit“ weitestgehend dem zivilrechtlichen Begriff der „groben Fahrlässigkeit“.187 Demnach „handelt leichtfertig, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer acht läßt.“188 In diesem Zusammenhang ist daher fraglich, ab welchem Zeitpunkt ein Mitarbeiter eines Finanzdienstleisters leichtfertig verkennt, dass ein Geldbetrag aus unerlaubtem gewerblichen Glückspiel herrührt. Die besondere Gleichgültigkeit bzw. der besondere Leichtsinn lassen sich insbesondere dadurch feststellen, dass man eine Person, der die gleichen Sorgfaltspflichten wie dem Täter zukommen, mit diesem vergleicht.189 Da die Leichtfertigkeit eine vorsatznahe Form der Fahrlässigkeit darstellt, sind die Sorgfaltspflichten maßgeblich, die den Angehörigen bestimmter Berufsgruppen auferlegt sind.190 Ebenso wie zur Begründung einer Garantenpflicht im Rahmen der Beihilfestrafbarkeit kommt auch hier die mögliche Berücksichtigung des ZAG, des KWG und des GwG in Betracht. 1. ZAG Aus dem für die Zahlungsdienstleister maßgeblichen gesetzlichen Regelwerk des ZAG ergibt sich, wie bereits zuvor ausgeführt, keine besondere Prüfpflicht dahingehend, ob die ausgeführte Zahlung dem (unerlaubten) Online-Glücksspiel zuzuordnen ist. Die Begründung eines Leichtfertigkeitsmaßstabs ist daher auch nicht möglich. 2. KWG Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus dem KWG.

187  BT-Drs. 12/989,

S. 28. 12/989, S. 28; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 57; NK-StGB/ Altenhain, § 261 StGB Rn. 139 m. w. N. 189  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 100. 190  BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 57.2. 188  BT-Drs.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Wie bereits zuvor verdeutlicht, ist dessen Anwendungsbereich bei den Zahlungsdienstleistern nicht eröffnet, da diese keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 I KWG darstellen. Hierzu wäre es notwendig, dass es sich bei den Dienstleistern um Unternehmen handelt, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Zahlungsdienstleister erfüllen aber gerade keine „Bankgeschäfte“ im Sinne des § 1 I 2 KWG, denn diese erbringen lediglich die Dienstleistung, die Geldüberweisung von einem Nutzer zum anderen in einem gesicherten System zu vollziehen. Hingegen erfolgt gerade keine Einlage oder ähnliches bei den Finanzdienstleistern, das überwiesene Geld als solches verbleibt gerade nicht bei diesen und wird von diesen verwahrt, diese übermitteln vielmehr dieses ausschließlich. Auch die Annahme einer Indizwirkung der Normen des KWG für die Begründung des Merkmals der „Leichtfertigkeit“ ist abzulehnen191, da die Vorschriften des KWG gerade nicht der Geldwäschebekämpfung im Sinne einer Strafverfolgung dienen, sondern die Vorschriften des KWG vielmehr den Kreditinstituten Vorgaben machen, um die Integrität des Institutsvermögens zu sichern. Gem. § 25h I 1 KWG sind Institute dazu verpflichtet, „über ein angemessenes Risikomanagement sowie über interne Sicherungsmaßnahmen [zu] verfügen, die der Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstigen strafbaren Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können, dienen.“ Die Regelung des KWG verpflichtet daher zwar zur Schaffung von Sicherungssystemen, nicht aber zur internen Überprüfung von Zahlungsabläufen dahingehend, ob diese mit unerlaubtem Glücksspiel in Zusammenhang stehen. Der Gesetzestext spricht lediglich von den Delikten der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung oder sonstigen strafbaren Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können. Allein aus dem Relativsatz, der sich auf die vorstehenden strafbaren Handlungen bezieht, wird ersichtlich, dass Schutzzweck der Sicherungsmaßnahmen gerade nicht per se ist, das jeweilige Institut zur Aufdeckung von Straftaten heranzuziehen, sondern die internen Sicherungsmaßnahmen sollen gerade verhindern, dass das Vermögen des Instituts als solches gefährdet wird. Es soll gerade eine Abwehr der Gefahr von innen erfolgen.192 Auch die in diesem Zusammenhang getätigte Aussage von Rock/Seifert, dass sich aufgrund der Codierung der Überweisungen mit den Ziffern „7995“193 „Zahlungen für unerlaubtes Online-Glücksspiel […] aber Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (384). umfassend hierzu Herzog/Achtilek, § 25h KWG Rn. 7. 193  MasterCard und Visa versehen die einzelnen Zahlungen mit dem sog. Merchant Category Code, einem Code, der diesen ermöglicht, festzuhalten, aus welchem 191  So

192  Vgl.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB529

mit relativ geringem Aufwand identifizieren“ ließen,194 ist verfehlt und verkennt die globalen Zusammenhänge der abgewickelten Zahlungen. Es besteht gerade keine grundsätzliche internationale Illegalität von Online-Glücksspiel, es ist daher dem einzelnen Mitarbeiter trotz der Codierung mit den Ziffern „7995“ gerade nicht ersichtlich, ob die Zahlung mit legalem oder illegalem Glücksspiel in Verbindung steht.195 So trägt auch der legale Kauf von Lotterielosen diesen MCC.196 Eine pauschale Annahme der Leichtfertigkeit aufgrund der Kennzeichnung mit dem MCC, falls die Zahlung aus unerlaubtem Glücksspiel stammen würde, würde im praktischen Ergebnis bedeuten, dass immer eine Überprüfung dieser Zahlungen auf deren Ursprung notwendig wäre, was aber gerade dem einzelnen Mitarbeiter, da diese Information häufig nicht im Zahlungsverkehr mitübertragen wird, nicht möglich ist. Die Heranziehung des KWG zu Begründung eines Leichtfertigkeitsmaßstabs ist daher im hier untersuchten Bereich abzulehnen.197 3. GwG Eine Heranziehung des Pflichtenkatalogs des GwG gem. §§ 3 ff. GwG zur inhaltlichen Bestimmung der heranzuziehenden Sorgfaltspflichten von Bankmitarbeitern wird in Bezug auf die Bestimmung der Leichtfertigkeit im Rahmen des § 261 V StGB bejaht198, zugleich aber von anderen Stimmen insoweit verneint, dass das GwG keinen generellen Sorgfaltsmaßstab für die strafrechtliche Leichtfertigkeit enthält.199 Dem ist insoweit zuzustimmen, dass das GwG gewisse Maßstäbe aufzeigt, an die sich der Bankmitarbeiter halten muss. Es ist aber, wie Ruhmannseder richtigerweise feststellt, zur Marktsegment die Zahlung stammt, was wiederum diesen Anbietern einen Marktüberblick ermöglicht. Vgl. für Visa, https://usa.visa.com/dam/VCOM/download/merchants/visa-merchant-data-standards-manual.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020 und für MasterCard www.mastercard.us/content/dam/mccom/en-us/documents/rules/ quick-reference-booklet-merchant-edition.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 194  Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (384); so auch in seiner Argumentation AG Leverkusen, ZfWG 2019, 323 (324). 195  Streinz/Liesching/Hambach/Berberich, § 261 StGB Rn. 37; so auch Beyer, ZfWG 2019, 235 (237). 196  Beyer, ZfWG 2019, 235 (237). 197  Aus dem gleichen Grund ist auch eine zivilrechtliche Rückforderung von Kreditkartenzahlungen nicht möglich, da das jeweilige Kreditkartenunternehmen gerade keine Kenntnis davon haben kann, dass das zugrundeliegende Valutaverhältnis zwischen Spieler und Glücksspielveranstalter auf einem unerlaubtem Glücksspiel beruht, vgl. LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 30, 31, 32 juris und OLG München ZfWG 2019, 321. 198  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 100. 199  Herzog/Nestler/El-Ghazi, § 261 StGB Rn. 135.

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

Festlegung eines Sorgfaltsmaßstabes für Bankangestellte „nur bedingt geeignet“.200 Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass ein Verstoß gegen die Pflichten des GwG nicht zugleich eine Leichtfertigkeit begründet, vielmehr bedarf es hierzu noch mehr. Das GwG regelt lediglich Sorgfaltspflichten dahingehend, dass zunächst überhaupt geldwäscherelevante Informationen erfasst werden sollen, die anschließend dann einer eventuellen Strafverfolgung zugeführt werden.201 Die Missachtung dieser Vorschriften begründet aber nicht per se eine Leichtfertigkeit. Wie bereits verdeutlicht, ist bei Leichtfertigkeit notwendig, dass sich dem jeweiligen Bankmitarbeiter die Herkunft eines Gegenstands aus einer Geldwäschevortat aufdrängt. Dieses Aufdrängen eines Geldwäscheverdachts ist aber gerade nicht der Maßstab des GwG und seiner Sorgfaltspflichten, vielmehr greift die Meldepflicht des § 43 I GwG bereits viel früher, ohne dass sich die Herkunft des Gegenstands zuvor aufgedrängt haben muss. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Die Umbenennung der bisherigen Verdachtsanzeigen in Verdachtsmeldungen soll keine inhaltliche Änderung, sondern lediglich eine Klarstellung in Bezug auf die Verdachtsschwelle, die in der praktischen Anwendung in vielen Fällen zu hoch angesetzt wurde, bewirken. Die Meldepflicht nach dem Geldwäschegesetz ist nicht mit einer Strafanzeige im Sinne der Strafprozessordnung gleichzusetzen. Im Gegensatz zur Strafanzeige braucht der nach dem Geldwäschegesetz Verpflichtete nicht die Vorstellung zu haben, dass eine Straftat begangen wird oder wurde. Es genügt, wenn die nach dem Geldwäschegesetz geforderten Tatsachen vorliegen. Es handelt sich bei den die Meldepflicht auslösenden Fällen um gesetzlich typisierte Verdachtssituationen, die eine eigene Schlussfolgerung oder gar rechtliche Subsumtion des Verpflichteten nicht erfordern. Der Verpflichtete braucht nicht damit zu rechnen, dass der meldepflichtige Sachverhalt in Zusammenhang mit einer Straftat steht. Der Gesetzgeber selbst bejaht mit dieser Typisierung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen solchen Zusammenhang.“202 Der jeweilige Bankangestellte ist demnach bereits vor dem Zeitpunkt, in dem sich die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung einer Vortat der Geldwäsche aufdrängt, zu einer Verdachtsmeldung verpflichtet.203 Es fehlt dem GwG daher gerade an Indikatoren, wann ein Bankmitarbeiter zwingend davon ausgehen müsste – im Sinne eines Aufdrängens –, dass eine Transaktion der Geldwäsche dient. Daher kann ihm bei unterbliebener Verdachtsanzeige auch nicht der Vorwurf gemacht werden, leichtfertig verkannt zu haben, dass der Gegenstand aus einer Vortat gem. § 261 I 2 StGB herrührt.204 Der Vorwurf kann ihm daher 200  BeckOK-StGB/Ruhmannseder, 201  Herzog/Nestler/El-Ghazi, 202  BT-Drs.

17/6804, S. 21.

203  Herzog/Nestler/El-Ghazi, 204  Ebenso

§ 261 Rn. 57.2. § 261 StGB Rn. 135.

§ 261 StGB Rn. 135. Herzog/Nestler/El-Ghazi, § 261 StGB Rn. 135.



C. Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB531

nur gemacht werden, „wenn er vor kriminellen Transaktionen die Augen verschließt“205, was bei Missachtung des GwG zwar zumindest näher liegt, aber noch nicht als solches feststeht. Aus dem GwG ergibt sich daher kein abschließend die Leichtfertigkeit bestimmender Sorgfaltsmaßstab, sondern es stellt, wenn überhaupt, nur ein Indiz dafür dar, dass ein Verhalten leichtfertig sein könnte.206 4. Allgemeine Sorgfaltsanforderungen Auch ergibt sich unter Berücksichtigung der allgemeinen Sorgfaltsanforderungen keine Leichtfertigkeit. Die Begründung dahingehend, dass bereits aufgrund der Größe des Marktsegments des Online-Glücksspiels von einer „Sensibilisierung für die Katalogtat des § 261 Abs. 1 Nr. 4 StGB“ auszugehen sei, mag zwar einleuchten,207 es ist aber bereits äußerst zweifelhaft, ob die Katalogtat aufgrund des Einflusses des höherrangigen Rechts auf die Beurteilung dieser Frage, überhaupt vorliegt. Dass aber alle aus Internetglücksspiel entstammenden Forderungen ein „auffälliges Geschäft“ seien und damit eine Leichtfertigkeit begründet sei, missachtet schlicht die praktische Wirklichkeit.208 Auch wenn die in Deutschland getätigten Zahlungen mit der Codierung als solche für Glücksspiel identifizierbar sind,209 so heißt dies noch lange nicht, dass die zugrundeliegende Zahlung auf der Basis von illegalem Glücksspiel erfolgt. So bieten z. B. auch die staatlichen Lotterieunternehmen Kreditkartenzahlungen an, welche ebenso unter die Nummer „7995“ fallen.210 Es ist daher auch nicht für hierarchisch höhergestellte Mitglieder im Rahmen eines Zahlungsdienste erbringenden Unternehmens möglich, aufgrund des Merchantcodes zu erfahren, ob das Geld aus legaler oder illegaler Quelle stammt. Wenn dies aber nicht ersichtlich ist, so ist auch der Vorwurf nicht möglich, dass derjenige „die sich ihm aufdrängende Möglich205  MüKo-StGB/Neuheuser,

§ 261 Rn. 100. auch Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (383); Lackner/Kühl, § 261 StGB Rn. 13; MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 100, der die Vorschriften des GwG zur Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabes neben anderen Vorschriften heranziehen möchte; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 57.2. 207  Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (385). 208  So aber Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (385). 209  Rock/Seifert, ZBB 2009, 377 (385). 210  Vgl. hierzu sowohl die Auflistung von Visa, https://usa.visa.com/dam/VCOM/ download/merchants/visa-merchant-data-standards-manual.pdf, zuletzt abgerufen am: 06.10.2020 und von MasterCard www.mastercard.us/content/dam/mccom/en-us/docu ments/rules/quick-reference-booklet-merchant-edition.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. Die Kennzeichnung nach MCC9406 erfolgt für Deutschland gerade nicht. 206  So

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Teil 5: Verantwortlichkeit i. R. v. Online-Glücksspielen

keit der Tatbestandsverwirklichung aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer acht läßt.“211 Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass der jeweilige Zahlungsdienstleistungsanbieter dazu verpflichtet wäre, immer wenn der MCC 7995 gewählt wird, zu überprüfen, ob das Geld aus einer legalen Quelle stammt. Den vermeintlichen Täter trifft aber gerade keine Pflicht, die legale Herkunft aktiv zu ermitteln.212 Darüber hinaus muss sich die Leichtfertigkeit als solches darauf beziehen, dass der jeweilige Vermögensgegenstand gerade aus einer Katalogtat herrührt; die bloße Annahme des Vermögensgegenstandes aus einer illegalen Herkunft – die nicht unbedingt eine Katalogtat sein muss – genügt gerade nicht.213 Erneut sei hierbei auf die jüngste Rechtsprechung verwiesen. Es ist gerade „nicht Aufgabe des Kreditunternehmens die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen. Nach § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV ist dies Aufgabe der Glücksspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glücksspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücksspielangebote bekannt zu geben. Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden.“214 Auch hat die jeweilige Bank keine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Überweisung, vielmehr bestehen diese „erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen ­Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgangs aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz Verdacht schöpfen muss.“215 Diese „objektive Evidenz“ ist aber gerade nicht per se gegeben, insbesondere besteht keine Verpflichtung zu einer Abgleichung mit der sog. „Whitelist“ der deutschen Bundesländer216, die legale Glücksspiele in Deutschland ausweist.217 Auch würde eine derartige Pflicht den Prüfaufwand der Zahlungsdienstleister bei weitem übersteigen.218 Insbesondere ist eine derartige Prüfung auch wenig erfolgsversprechend, da der jeweilige Zahlungsdienstleister nie abschließend wissen kann, ob die Geldzahlung auf un211  BT-Drs. 12/989, S.  28; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, § 261 Rn. 57; NKStGB/Altenhain, § 261 StGB Rn. 139 m. w. N. 212  NK-StGB/Altenhain, § 261 Rn. 139; LG Berlin NJW 2003, 2694; LG Gießen NJW 2004, 1966; Duesberg/Rübenstahl, ZfWG 2016, 292 (296); so auch Brugger, Abbruch der Zahlungsströme, S. 200 f., die in Bezug auf Kreditkartenunternehmen ebenso keine Kontrollpflicht erkennen kann. 213  MüKo-StGB/Neuheuser, § 261 Rn. 99; BGH BeckRS 2003, 1885; Karnapp, Online-Gam(bl)ing, S. 184. 214  LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 25, juris. 215  LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 30, juris. 216  Abrufbar unter: https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/white_ list_0.pdf; zuletzt abgerufen am: 06.10.2020. 217  LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 31, juris. 218  LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 31, juris.



D. Endergebnis533

erlaubtem Glücksspiel beruht oder nicht, da es im Ausland eine Vielzahl von legalen Glücksspielangeboten gibt, an denen auch vom Ausland aus mit deutschen Zahlungskonten teilgenommen werden kann (und auch mit Blick auf die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit gem. Art. 56 AEUV teilgenommen werden können muss). Eine Überprüfung, ob das Geld auf legalem oder illegalem Glücksspiel beruht, ist aufgrund der Zahlungsströme allein auch gar nicht möglich.219 Die Entscheidung des LG München wurde in der Zwischenzeit vom OLG München bestätigt und ist rechtskräftig.220 Auch nach allgemeinen Sorgfaltsmaßstäben ist daher eine Leichtfertigkeit abzulehnen.

VII. Ergebnis Es lässt sich daher kein Leichtfertigkeitsvorwurf für Mitarbeiter von Zahlungsdienstleistern begründen. Aus den oben gesagten Gründen besteht auch keine Strafbarkeit der Zahlungsdienstleister hinsichtlich des Delikts der Geldwäsche. Zum einen ist bereits zweifelhaft, ob bei einer ausländischen Vortat eine taugliche Vortat im Sinne des § 261 I 2 StGB vorliegt. Darüber hinaus ist im Rahmen der Spiele ohne Bankhalter zweifelhaft, ob die ausgezahlten Gelder überhaupt aus unerlaubtem Glücksspiel „herrühren“. Auch auf subjektiver Ebene ist den bei einem Zahlungsdienstleister beschäftigten Personen kein Vorwurf machbar, diese handeln weder mit bedingtem Vorsatz noch leichtfertig. Aus den gesagten Gründen scheitert eine Geldwäschestrafbarkeit aus.

D. Endergebnis Im Endergebnis ist daher die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Zahlungsdienstleistern unter Berücksichtigung der momentanen Regulierungs­ situation zu verneinen. Solange keine sichere Kenntnis der Mitarbeiter der Finanzdienstleister hinsichtlich einer illegalen Herkunft der Gelder aus unerlaubtem Glücksspiel besteht, ist diesen gegenüber auch kein begründeter Strafbarkeitsvorwurf gegeben. Eine Verantwortlichkeit von Zahlungsdienstleistern im Rahmen der Zahlungsabwicklung ist daher abzulehnen. 219  Vgl. zutreffend hierzu LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 – 27 O 11716/17 –, Rn. 32, 33, juris. 220  OLG München ZfWG 2019, 321; hinfällig ist daher die Entscheidung des AG München, das entgegengesetzt entschied, vgl. AG München, Urteil vom 21. Februar 2018 – 158 C 19107/17 –, juris; dieser Rechtsauffassung haben sich in der Zwischenzeit mehrere unterinstanzliche Gerichte angeschlossen, vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2019, 24433; LG Berlin BeckRS 2019, 12147.

Teil 6

Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse Im Ergebnis lässt sich daher, mit Blick auf die zu Beginn aufgeworfene Fallfrage der Strafbarkeit des Online-Glücksspielanbieters und des hierbei eingeschalteten Zahlungsdienstleisters gem. §§ 284 ff. StGB, folgende abschließende Zusammenfassung erstellen. I. Teil 1 Als Ergebnis von Teil 1 lässt sich festhalten, dass die Norm des § 284 I StGB – stellvertretend für die Norm § 284 IV und § 287 I StGB und das darin enthaltene negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ – verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen ist und daher abhängig von dem zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrecht ist. II. Teil 2 Hinsichtlich der in Teil 2 vor die Klammer gezogenen und untersuchten Frage, ob und wann überhaupt deutsches Strafrecht für das Anbieten von Online-Glücksspiel gilt, ist dies differenziert auf Grundlage mehrerer Einzelergebnisse zusammenzufassen. 1.  Die bloße Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf einen ausländischen Anbieter begründet für diese keinerlei Beschränkungen oder Verbote. Vielmehr erfolgt die Einschränkung der Grundfreiheit erst durch die im besonderen Teil des StGB geregelten Strafnormen, die eine bestimmte Verhaltensweise sanktionieren. 2.  Eine Auslegung des § 3 IV Nr. 4 TMG unter Heranziehung von Art. 1 V lit. d 3. Spiegelstrich ECRL dahingehend, dass die Ausnahmeregelung des Telemediengesetzes sämtliche entgeltlichen Glücksspiele vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausschließt, ist vorzugswürdig mit der Folge, dass sich eine eventuelle Strafbarkeit auch im Rahmen eines Auslandsbezugs vollständig nach deutschem Sachrecht richtet. Eine Einschränkung der § 3 ff. StGB findet gerade nicht statt.



Teil 6: Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse535

3.  Hinsichtlich des Begriffs der „Tat“ im Sinne des § 9 I StGB bietet sich ein prozessuales Verständnis dahingehend an, dass das Gesetz mit dem Begriff der Tat den Begriff der prozessualen Tat meint. Demnach unterfällt ein einheitlicher, zusammengehöriger Lebenssachverhalt in jeder Hinsicht deutscher Strafgewalt, wenn auch nur ein Teil dieses untrennbaren Gesamtgeschehens – sei es die Handlung, sei es der Erfolg – in Deutschland zu verorten ist. Findet deutsches Strafrecht auf eine materielle Tat im Rahmen des § 9 I StGB Anwendung, so erstreckt sich die deutsche Strafgewalt über §§ 3, 9 StGB auf die ganze prozessuale Tat als solche. 4. Grundsätzlich entscheidet nicht der Standort des Servers über den Handlungsort im Sinne des § 9 I Var. 1 StGB, sondern an welchem Ort der Anbieter sein Angebot auf den jeweiligen Server geladen hat. 5.  Eine Erweiterung des Handlungsortes über den Ort der Tastatureingabe beim Hochladen auf den Server hinaus ist nicht angezeigt. Der Handlungsort liegt im Falle der vom Ausland aus operierenden Glücksspielanbieter demnach ausschließlich im Ausland, weshalb § 9 I Var. 1 StGB nicht die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründet. 6.  Die schlichte Verwirklichung eines abstrakten Gefährdungsdeliktes und die damit einhergehende Verursachung einer abstrakten Gefahr ist nicht als „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB zu sehen. Das Umschlagen der abstrakten Gefahr in eine konkrete kann hingegen einen „Erfolg“ im Sinne des § 9 I Var. 3 StGB darstellen. 7. Abstrakte Gefährdungsdelikte verfügen über keinen „zum Tatbestand gehörenden“ Erfolg, weder wenn allein die abstrakte Gefahr besteht noch, wenn sich diese zu einer konkreten Gefahr oder sogar einer Verletzung wandelt. 8.  Auch bei der Sanktionierung des Werbens handelt es sich um kein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt, das einen Erfolgsort in Deutschland hätte. Im Gegensatz zu abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten ist bei der Alternative des Werbens keinerlei „Zwischenerfolg“ notwendig, wie bei der TöbenEntscheidung eine Eignung zur Friedensstörung. Hinsichtlich der Modalität der Werbung ist weder notwendig, dass durch diese ein Spielvertrag zustande kommt, noch dass die Werbung zu irgendeiner Reaktion des Werbungsempfängers führt, vielmehr ist der Straftatbestand, nach dem oben Gesagten, auch bei einer gänzlich erfolglosen Werbung verwirklicht. Mangels Erfolgsortes kommt es damit erneut ausschließlich auf den Ort der Tathandlung gem. § 9 I Var. 1 StGB an.

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Teil 6: Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse

III. Teil 3 Im Rahmen der in Teil 3 erfolgten Untersuchung hinsichtlich des verfassungs- und unionsrechtlichen Bestands der verschiedenen Glücksspielregulierungsmodelle und deren praktischer Umsetzung lassen sich die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: 1.  Unter Berücksichtigung des Telos des § 4 IV GlüStV ist für die Auslegung des Begriffs „Glücksspiel im Internet“ nicht auf die Nutzung einer bestimmten Technik als solche abzustellen, sondern vielmehr eine gefahren­ orientierte Auslegung des Tatbestandsmerkmals vorzunehmen. Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung ist daher alles als „im Internet“ zu sehen, bei dem im Rahmen des World Wide Web eine Interaktion zwischen Glücksspielanbieter und dem heimischen Computer stattfindet, soweit bereits hierdurch die Beteiligungsmöglichkeit am Glücksspielangebot eröffnet wird. 2.  Die Regelungen zum Konzessionserfordernis hinsichtlich der Sportwetten sind, auch mit beschränkter Anzahl, mit der Verfassung vereinbar. Das Konzessionserfordernis stellt einen gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar, es verstößt demnach nicht gegen die Verfassung. Der jeweilige Online-Sportwettenanbieter ist daher im Grundsatz nach deutschem Glücksspielverwaltungsrecht dazu verpflichtet, gem. §§ 4a ff., 10a GlüStV eine Konzession zu beantragen und dieser ist im Grundsatz auch nur mit dieser Konzession befugt, ein Online-Glücksspiel zu veranstalten. 3. Es liegt kein Verstoß des Glücksspielkollegiums gegen das Bundesstaatsprinzip vor. Die hierzu notwendige Verselbstständigung müsste eine gewisse Intensität aufweisen. Diese müsste – damit sie eine Konkurrenz zum Bund und den Ländern darstellt – sowohl qualitativ als auch quantitativ als Gesamtstaat auftreten und wahrgenommen werden. Ein derartiges staatsähnliches Gebilde ist aber zu verneinen, weshalb auch kein Verstoß gegen die bundesstaatliche Ordnung anzunehmen ist. 4.  Das Glücksspielkollegium bzw. dessen Beschlüsse unterliegen der Aufsicht des vollziehenden Landes, weshalb diesbezüglich eine Rückkoppelung und damit auch eine demokratische Legitimation gegeben ist. Zusätzlich erfolgt diese Aufsicht aber nicht nur im Sinne des vollziehenden Landes, sondern ist auch von den restlichen 15 Ländern, die den Glücksspielstaatsvertrag mitratifiziert haben, gewünscht, weshalb eine Rückkoppelung auch bezüglich dieser Länder zu bejahen ist. Aufgrund der Gesamtschau dieser Punkte und der damit einhergehenden verschiedenen Legitimationsstränge ist eine ausreichende Legitimation – auch unter Beachtung der Sensibilisierung anhand der in Art. 12 I GG stattfindenden Grundrechtseingriffe – zu bejahen. Das nötige Legitimationsniveau ist hiermit gewährleistet, weshalb auch kein Verstoß gegen das in Art. 20 II GG verankerte Demokratieprinzip besteht.



Teil 6: Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse537

5.  Da der Beschlussvollzug des Glücksspielkollegiums immer durch eine klar einem Rechtsträger zurechenbare Behörde erfolgt – im Falle der Konzessionen eine Behörde des Landes Hessen, vgl. § 9a II 1 Nr. 3 GlüStV – ist für den betroffenen Bürger klar ersichtlich, gegen welches Land er sich mit einem Rechtsschutz richten muss. Daher ist das vom Rechtsstaatsprinzip herrührende Postulat einer klaren Aufgabenzuordnung mit konkret festgeschriebenen Rechtsschutzmöglichkeiten eingehalten. 6. Mit Blick auf die momentan faktische Aufrechterhaltung des als unionsrechtwidrig zu beurteilenden Zustandes eines Sportwettenmonopols ist daher mangels Vollzugskohärenz eine Geeignetheit des noch bis mindestens 31.12.2019 geltenden Sportwettenkonzessionsmodells zu verneinen. Dies stellt bereits einen Verstoß gegen Art. 56 AEUV dar, da die Beschränkung nicht gerechtfertigt werden kann. 7. Dies führt darüber hinaus im Ergebnis zu einem (weiteren) Verstoß gegen Art. 56 AEUV, denn faktisch erfolgt durch die praktische Nichtvergabe der Konzessionen und damit einhergehend die Aufrechterhaltung des Sportwettenmonopols, eine Weiteranwendung einer unionsrechtswidrigen Regelung. Die Legislativreform des § 10a GlüStV entfaltet keinerlei Wirkung hinsichtlich des bereits bestandenen unionsrechtswidrigen Zustandes. Demnach liegt in dem momentan tatsächlich (nicht) erfolgenden Vollzug des Konzessionsmodells eine Weiteranwendung des damaligen Sportwettenmonopols auf Basis des § 29 I 3 GlüStV vor. Die Weiteranwendung dieser alten unionsrechtswidrigen Regelung stellt den Verstoß gegen das Unionsrecht, genauer gegen Art. 56 AEUV dar. Das im Rahmen des GlüStV geregelte Konzessionserfordernis auf Basis des §§ 4a I, 10 a I, II GlüStV ist demnach unionsrechtswidrig und daher aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar. 8. Das Lotteriemonopol ist verfassungsgemäß, jedoch ist lediglich ein vom Gesetzgeber gewählter Rechtfertigungsstrang geeignet, den durch das Lotteriemonopol einhergehenden Eingriff in das in Art. 12 I GG verbürgte Grundrecht zu rechtfertigen. 9.  Das Lotteriemonopol ist nicht unionsrechtskonform, da die das Lotteriemonopol statuierenden Regelungen als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht kohärent die von ihnen angedachten Ziele verfolgen, weshalb es an der Geeignetheit der Beschränkung und damit an deren Rechtfertigung fehlt. Das im Rahmen des GlüStV geregelte Veranstaltungsmonopol auf ­Basis des §§ 10 I, II GlüStV ist demnach unionsrechtswidrig und daher aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar. 10. Mangels Angemessenheit der aktuellen Regulierung, beruhend zum einen auf einer Absenkung der Gefahrenprognose des Vertriebswegs Internet,

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Teil 6: Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse

zum anderen auf einer praktisch fast vollständig ausbleibenden Zielerreichung, ist das partielle Internetvertriebsverbot gem. §§ 4 IV, V GlüStV nicht mit der Verfassung vereinbar und daher verfassungswidrig. Diesem Befund steht auch nicht die anderslautende Entscheidung des BVerwG entgegen. 11. Mangels Geeignetheit des Onlinevertriebsverbots stellt die Regelung gem. § 4 IV, V GlüStV eine ungerechtfertigte Beschränkung der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit dar und ist demnach unionsrechtswidrig, was aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zur Folge hat, dass die beschränkende Vorschrift keine Anwendung findet. IV. Teil 4 Die wiederum in Teil 3 erlangten Resultate sind wiederum mit folgenden Ergebnissen auf die strafrechtliche Ebene auszuweiten. 1.  Der Geltungsbereich eines Landesgesetzes beschränkt sich auf den Bereich des jeweiligen Bundeslandes, eine legalisierende Wirkung darüber hinaus ist aber gerade nicht durch ein einzelnes Bundesland möglich, vielmehr berechtigen die Erlaubnisse in Schleswig-Holstein nur zu einem Tätigwerden in Schleswig-Holstein und nicht in den übrigen Bundesländern. 2. Im Grundsatz ist die Erlaubnis einer deutschen Verwaltungsbehörde notwendig. Jedoch ist das negative Tatbestandsmerkmal „ohne behördliche Erlaubnis“ verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen und daher abhängig von dem zugrundeliegenden Glücksspielverwaltungsrecht. 3.  Von Verfassung wegen ist eine Bestrafung gem. § 284 StGB aufgrund eines Verstoßes gegen das im Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltene Übermaßverbot gesperrt, da eine Kriminalstrafe in Form einer möglichen Freiheitsstrafe und damit in Form eines Eingriffs in Art. 2 II 2 GG für bloßen Verwaltungsungehorsam mit dem von ihm verfolgten Zweck außer Verhältnis steht. 4.  Im Bereich des Strafrechts ist der Erlaubnisvorbehalt des § 4 I 1 GlüStV nicht getrennt von der Erlaubnisfähigkeit zu betrachten, sondern immer in einer Gesamtschau mit den Regelungen des GlüStV, die die Frage der Erlaubnisfähigkeit regeln. Auf Grund des Verstoßes gegen das Unionsrecht und des damit geltenden Grundsatzes des Vorrangs des Gemeinschaftsrechtes und des in Art. 4 III EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit ist es daher dem Mitgliedstaat verwehrt, strafrechtliche Sanktionen zu verhängen, womit auch eine Bindung der Strafverfolgungsbehörden an diese Vorgabe mit einhergeht. 5.  Sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch unionsrechtlicher Sicht ist mindestens bis zur Vergabe der ersten Konzession oder bis zur Einstellung



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des staatlichen Sportwettenangebots eine Bestrafung gem. § 284 I StGB ausgeschlossen, wenn die fehlende behördliche Erlaubnis darauf beruht, dass das zugrunde liegende Glücksspielverwaltungsrecht hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig ist. 6.  Es fehlt fast an jeglicher Möglichkeit, Anbieter von Online-Glücksspielen strafrechtlich zu belangen. Es handelt sich um „Neutralisiertes Strafrecht“. Auf die Frage, ob sich ein über eine EU-Lizenz verfügender Anbieter von Glücksspielen im Internet, der über keine separate deutsche Erlaubnis verfügt, gem. § 284 I StGB strafbar macht, ist im Moment klar und entschieden zu antworten: Nein. V. Teil 5 Jedoch ist nicht nur die Strafbarkeit der Anbieter als solche mit oben genannten Ergebnissen abzulehnen. Auch hinsichtlich der Strafbarkeit von Zahlungsdienstleistern, die die jeweiligen Glücksspielanbieter durch ihre Dienstleistungen bei der Zahlungsabwicklung unterstützten, ist eine Strafbarkeit im Ergebnis abzulehnen. 1.  Eine Strafbarkeit gem. § 284 I, 27 StGB scheidet aus. a)  Zwar haben ausländische Genehmigungen nicht zwingend im Rahmen des § 284 I StGB, aber zumindest im Rahmen der Berücksichtigung der Haupttat im Rahmen des § 9 II 2 StGB eine strafbarkeitsausschließende Wirkung. Die ausländische Genehmigung ist insofern als hypothetische deutsche Genehmigung zu beachten, die Teilnahmestrafbarkeit ist daher insoweit mit Blick auf die Haupttat zu werten, dass eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat im Sinne des § 27 I StGB vorliegt, wenn das Verhalten des Täters im Ausland auch bei Hinzudenken einer hypothetischen deutschen Erlaubnis den jeweiligen verwaltungsrechtsakzessorischen Straftatbestand erfüllen würde. b)  Die Leistungen der Zahlungsdienstleister sind als berufstypische neutrale Handlungen einzuordnen. Diese sind daher nur strafbar, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen und die jeweiligen Zahlungsdienstleister hiervon wissen, was im Grundsatz aufgrund der meist im jeweiligen Sitzstaat gegebenen Erlaubnis des Glücksspielanbieters nicht per se zu bejahen ist. c)  Der ausschlaggebende Tatvorwurf an die Zahlungsdienstleister ist daher nicht im Rahmen eines aktiven Handelns zu sehen. Vielmehr kommt stattdessen der Vorwurf eines bloßen Unterlassens in Frage. Es fehlt hierzu aber die notwendige Garantenpflicht, da die jeweiligen Zahlungsdienstleister keine proaktive Aufklärungspflicht trifft und daher auch keine Pflicht zu Differen-

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Teil 6: Abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse

zierung mit der Folge, dass auch die jeweiligen Mitarbeiter keine Garantenpflicht dahingehend trifft, proaktiv zu differenzieren, solange keine Mitteilung seitens der Glücksspielaufsicht erfolgte. 2.  Ebenso scheidet eine Strafbarkeit gem. § 261 I 2 Nr. 4 a) StGB aus. a)  Auch wenn der Zahlungsdienstleister bzw. die für diesen tätig werdenden natürlichen Personen, sich außerhalb des Geltungsbereiches deutscher Strafgewalt befänden, so ist im Rahmen des § 261 StGB zu beachten, dass dieser auch teilweise Komponenten eines Erfolgs- bzw. konkreten Gefährdungsdelikts aufweist. Es genügt für die Annahme eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges im Sinne des § 9 I 1 Var. 3 StGB, dass die konkrete Gefahr im Rahmen eines konkreten Gefährdungsdeliktes im Inland eintritt. Daher ist die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Fälle der von den Finanzdienstleistern getätigten Überweisungen nicht per se ausgeschlossen. b) Aufgrund der mangelnden Strafbarkeit der Haupttat fehlt es an einer rechtswidrigen Tat, die für eine taugliche Vortat notwendig gewesen wäre. Dieser Punkt kann sich aber ab 2020 wieder ändern, wobei hierbei die praktische Umsetzung entscheidend sein wird. c)  An der Strafbarkeit im Ausland gem. § 261 VIII StGB, und damit dem notwendigen Schuldvorwurf, fehlt es aufgrund der Tatsache, dass der jeweilige Veranstalter über die im Ausland notwendige Erlaubnis verfügt, weshalb die Tat im Ausland auch nicht mit Strafe bedroht ist. Dies gilt sowohl im Sinne des § 7 StGB und daher aufgrund der Wortlautgleichheit auch im Rahmen des § 261 VIII StGB. Es fehlt daher bereits an der notwendigen Vortat. d)  Die Annahme eines Herrührens des Geldes aus einer Katalogtat erweist sich als schwierig. Bei Spielen ohne Bankhalter wird bereits aus dogmatischen Gründen das Erfordernis des „Herrührens“ zu verneinen sein. Hingegen ist bei Spielen mit Bankhalter ein Herrühren nicht ohne weiteres abwegig, jedoch stößt diese Annahme wiederum in einem späteren Prozess auf beachtliche Beweisschwierigkeiten, weshalb im Zweifel zwar kein Freispruch aufgrund rechtlicher Gründe erfolgen wird, aber dafür aufgrund tatsächlicher. e) Ein allgemeiner Tatbestandsausschluss für berufsbedingtes Verhalten erfolgt unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG zur Annahme von Strafverteidigerhonoraren gerade nicht, vielmehr findet § 261 StGB auf berufsbedingtes Verhalten grundsätzlich Anwendung. Ebenso erfolgt keine Einschränkung des Tatbestandes auf subjektiver Ebene. f) Auch ohne Einschränkung des subjektiven Tatbestands ist der subjektive Tatbestand durch Finanzdienstleister bei der Ausführung von Zahlungsdienstleistungen für Glücksspielanbieter ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Grundsatz nicht erfüllt. Diese trifft weder der Vorwurf einer bedingten Fahrlässigkeit noch der einer Leichtfertigkeit.



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VI. Zusammenfassung Zusammengefasst lässt sich daher in einem kurzen Satz sagen, dass die momentane Regulierung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist, was sowohl hinsichtlich der Anbieter von Glücksspielen zu einer Straflosigkeit führt als auch zu einer Straflosigkeit von unterstützenden Zahlungsdienstleistern. Selbst wenn eine Strafbarkeit der Anbieter aufgrund einer Novellierung des GlüStV zu bejahen sein sollte, so schlägt dieser Umstand dennoch nicht auf die Zahlungsdienstleister und deren Dienste durch, diese trifft gerade keine proaktive Pflicht zur Aufdeckung von unerlaubtem Glücksspiel. Vielmehr droht diesen erst dann eine Strafbarkeit, wenn diese bewusst Zahlungsaufträge ausführen, obwohl sie Kenntnis (z. B. durch eine Verfügung der Glücksspielaufsicht) davon haben, dass die zugrundeliegende Transaktion auf illegalem Glücksspiel beruht.

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Sachregister Abrufbarkeit  70 abstraktes Gefährdungsdelikt siehe Gefährdungsdelikt abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt siehe Gefährdungsdelikt Akzessorietät siehe ohne behördliche Erlaubnis Allgemeinwohlziele  275 Altfälle vor Sportwettenentscheidung  445 Anwendbarkeit deutschen Strafrechts  41, 52, 534 –– Angebote mit Auslandsbezug  42 –– bei Beihilfehandlung  481 –– bei Geldwäsche  508 –– Fallbeispiele  468 –– Innerdeutsche Fallgruppen  41 –– Unionsrechtsverstoß durch §§ 3 ff. StGB  43 –– Wirkung des § 9 II 2 StGB  481, 483–485 Anwendungsbereich GlüStV  120 Außenweltsveränderung  80, 96, 98, 102, 104, 105 Automatenspiele  339, 340, 360, 371, 391, 416, 426, 427, 429 Beihilfestrafbarkeit, Zahlungsdienstleister  479, 539 –– Auswirkungen höherrangigen Rechts  480 –– neutrale Beihilfe  491 –– objektiver Tatbestand  480 Bereitstellen von Einrichtungen  31 Berufsfreiheit  152 –– Angemessenheit  233, 320, 398 –– Berufsausübungsregelung  374

–– Deutschengrundrecht  201 –– einfacher Gesetzesvorbehalt  206 –– Eingriff  203, 371 –– Eingriffsprüfung  139 –– Einschätzungs- und Prognosespielraum  148, 151, 213, 307, 377 –– Einschätzungs- und Prognosevorrang  141, 148, 215, 222, 227, 314, 388 –– Erforderlichkeit  227, 315, 393 –– EU-Ausländer  201 –– formelle Verfassungsmäßigkeit  140, 146, 194, 368 –– Geeignetheit  215, 314, 388 –– Gemeinwohlbelange  136 –– juristische Person  201, 202 –– klassischer Grundrechtseingriff  205 –– Legitimer Zweck  212, 304, 375 –– Rechtfertigung  140, 302 –– Rechtliche Konsequenz  245, 321 –– Schutzbereich  133, 200, 203, 239, 301, 371 –– Tatsächliche Konsequenz  249, 330 Betrugs- und Manipulationsvorbeugung  225 Betrugsvorbeugung  156, 225, 314, 341, 342, 344, 346, 351, 386 Beurteilungs- und Prognosespielraum  141, 148, 228, 232, 315, 320, 389, 393 Bundesstaatsprinzip  253 Casinospiele siehe Online-Casinospiele  Datenspeicherort  58 Deliktsnatur des § 284 StGB  76 –– Erfolgsdelikt  76 –– schlichtes Tätigkeitsdelikt  76

560 Sachregister

Demokratieprinzip  256, 257, 263 Deutschengrundrecht  201 Diamond 7  415 Dienstleistungsfreiheit –– Anwendungsbereich  179, 271, 347, 404 –– Beschränkung  180, 273, 348, 406 –– Erforderlichkeit  185, 283, 429 –– Geeignetheit  183, 276, 277, 351, 410 –– Rechtfertigung  180, 273, 349, 406 –– zwingende Gründe des Allgemeininteresses  182, 274, 350, 407 Divergenz von Verfassungs- und Unionsrecht  365 Drei-Stufen-Theorie  143, 152, 207, 228, 303, 306, 315, 373, 393, 400 E-Commerce-Richtlinie  45, 47, 534 Einsatz  29 Embryonenschutz  489 Ereignisfrequenz  246, 308–310, 318, 330, 339, 379, 415, 420 Erfolgsort  76, 78, 114, 535 –– Ansicht des BGH  89 –– Ort der abstrakten Gefahr als Erfolgsort  81, 106, 535 –– Ort eines stabilen Zwischenerfolgs  86 –– Tathandlungserfolg  86 –– Umschlagen der abstrakten in die konkrete Gefahr  85, 111 –– virtueller Firmensitz  89 Erfolgsort als Ort der abstrakten Gefahr –– spezifisch territorialer Bezug  83 –– Vorsatz bezogen auf Deutschland  83 Erlaubnis aus dem EU-Ausland  438 Erlaubnis aus Schleswig-Holstein  397, 436, 469 Erlaubnisbeantragung  455 Erlaubnisbeantragung, Strafbarkeitsausschluss  462 Erlaubnisvorbehalt siehe Genehmigungsbedürftigkeit EU-Ausländer  201

Eurojackpot  327, 328, 329, 330 Experimentierklausel  125, 187 –– Zweck der Experimentierklausel  212 Fachbeirat  322, 328, 339 Fälle nach Sportwettenentscheidung  445 Fernsehwerbung  325 forum shopping  50 Garantenstellung des Zahlungsdienstleisters  499 –– aus GlüStV  502 –– aus GwG  501 –– aus Ingerenz  499 –– aus KWG  500 Gebot der Folgerichtigkeit  244, 401 Gefährdungsdelikt –– abstraktes Gefährdungsdelikt  77, 79, 81, 86, 87, 94, 106, 108, 109, 112, 113, 482 –– abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt  97, 114, 535 –– konkretes Gefährdungsdelikt  80, 93, 103, 114, 508, 535 Gefährdungspotential  323, 409 Geldwäschegefahr  387 Geldwäschestrafbarkeit, Zahlungsdienstleister  507, 540 –– Anwendbarkeit deutschen Strafrechts  508 –– Auslandsvortat  511, 540 –– berufstypisches Verhalten  523, 525 –– Herrühren  513, 540 –– Subjektiver Tatbestand   526 –– Taugliche Vortat  508, 509, 511 Gemeinwohlbelange  136 Genehmigungsbedürftigkeit  118 Genehmigungsfähigkeit  119, 124, 129 Gesetzgebungskompetenz „Recht der Wirtschaft“ gem. Art. 74 I Nr. 11 GG  143, 195 Gesetzgebungskompetenz Strafrecht gem. Art. 74 I Nr. 1 GG  204

Sachregister561

gewerbliches Automatenspiel –– Auswirkung auf unionsrechtliche Geeignetheit  280 –– Kohärenz  426 Gewinnspiel, Abgrenzung zu Glücksspiel  47 GewO, Verhältnis zum GlüStV  197, 299 Giralgeld  517, 521 Glücksspiel im Internet  127 Glücksspielkollegium  251–257, 259–271, 536, 537 –– Bundesstaatsprinzip  253–256, 536 –– Demokratieprinzip  256, 257, 259, 260, 263, 264, 266, 267, 270, 536 –– Rechtsstaatsprinzip  270, 537 Glücksspielstaatsvertrag  118 Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel  28 Glücksspielverwaltungsrecht  116, 120, 122, 131 –– Prüfungsumfang Unionsrecht  153 –– Prüfungsumfang Verfassungsrecht  132 –– Vertriebswege  127 grenzüberschreitender Sachverhalt  463 Halten eines Glücksspiels  31 Handlungsort im Sinne des § 9 I Var. 1 StGB  55, 483, 535 –– Grundsätzlicher Handlungsort  55 –– Ort der Wahrnehmbarkeit  59, 67, 68 –– Serverstandort  57, 64 –– Veranstalten auch im Inland  60 –– Virtuelle Anwesenheit  62 Herkunftslandprinzip  45, 46, 49 –– Abgrenzung Gewinnspiel zu Glücksspiel  47 –– Bereichsausnahme  47 Herrühren im Rahmen der Geldwäsche  513, 540 Imagewerbung  327, 336, 361, 363

institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation siehe Demokratieprinzip Internetvertrieb  286, 323, 373, 386, 400, 401, 409, 411, 418 –– Abstraktionsgrad  383 –– Anonymität und Jugendschutz  382 –– Geldwäsche  387 –– soziale Kontrolle  384 –– Verbraucherschutz  385 –– Verfügbarkeit  381 Jackpotlotterien  125, 286, 301, 310, 319, 322, 323, 329, 330, 361 Jugend- und Spielerschutz  226 Kanalisierung  149, 151, 159, 169, 213, 216, 220, 223, 243, 247, 325, 329, 355, 359, 363, 391, 399, 403, 418, 432 Kohärenz  146, 156, 159, 164–166, 170–173, 179, 185, 234, 238, 277, 278, 352, 354, 356, 358, 365, 366, 410–413, 417, 418, 422, 425, 429, 432, 434 –– horizontale Kohärenz  147–149, 277, 352, 422 –– vertikale Kohärenz  147, 149, 234, 241, 278, 321, 352, 366 –– Vollzugskohärenz  279, 284 konkretes Gefährdungsdelikt siehe Gefährdungsdelikt Konsequenz  234 –– Gebot der Folgerichtigkeit  241 –– Konkreter Prüfungsmaßstab  239 –– rechtliche Konsequenz  245, 321, 329 –– Staatsmonopol  242 –– tatsächliche Konsequenz  249, 330 –– Vergleich zu den Pferdewetten  235 Konsistenz  250, 342, 344, 361, 366, 398 Kontrolle  320 Konzessionsabgabe  209–211, 214, 217– 220, 224, 247, 248

562 Sachregister

Konzessionserfordernis –– Unionsrechtskonform  271, 537 –– Verfassungsmäßigkeit  194 Konzessionshöchstzahl  211 Konzessionsvergabe  192 Konzessionszahl  221 Kriminalitätsbekämpfung  183, 276, 312, 341, 346, 350, 351, 355, 356, 365, 386, 402, 408, 409, 412 Legitimationskette siehe Demokratieprinzip Lehre von der Totalkontamination  517, 522 Leichtfertigkeitsvorwurf  527 –– aus allgemeinen Sorgfaltsanforderungen  531 –– aus GwG  529 –– aus KWG  527 –– aus ZAG  527 Live-Wetten  188 Lotterie siehe Online-Lotterie Lotteriemonopol  164, 298, 301, 310, 314, 316, 321, 341, 343, 346, 347, 348, 351, 354, 355, 365, 366, 428 Lotteriemonopol, Österreich  355 Lotterien mit geringem Gefährdungspotenzial  125, 286 Lotterievermittlung  474 Monopol  141, 152, 159, 163–165, 168–170, 174, 280, 303, 310, 312, 314, 315, 317, 319, 321, 344, 349, 353–357, 361, 407, 413, 424, 429, 444, 451, 465 neutrale Beihilfe  491 neutrale Handlung  539 Nichteinmischungsgrundsatz  69, 109, 482, 483, 512 öffentliches Glücksspiel  28 ohne behördliche Erlaubnis  32, 52, 53, 127, 131, 140, 298, 436, 438, 465, 469, 471, 489, 511, 538

–– Konsequenzen des Glücksspielverwaltungsrechts  444, 538 –– Konsequenzen für Sportwetten  464 –– unionsrechtswidriges Glücksspielverwaltungsrecht  456, 458, 462 –– verfassungswidriges Glücksspielverwaltungsrecht  445, 447, 450, 538 –– Verwaltungsaktakzessorietät  33, 35, 37, 40, 452 –– Verwaltungsrechtsakzessorietät  34, 35, 38, 39, 40, 116, 130, 131, 192, 443, 444, 534, 538 Online-Casinospiele  130, 168, 329, 367, 378, 397, 403, 420, 430, 431, 470, 519 Online-Games  177, 338, 339, 340, 414–416, 427, 428 –– virtuelle Automatenspiele  416 Online-Lotterien  286, 287 –– Angebotsformate  287 –– Divergenz von Verfassungs- und Unionsrecht  365 –– Jackpotlotterien  286 –– Kriminalitätsbekämpfung  312 –– Lotterien mit geringem Gefährdungspotenzial  286 –– Suchtbekämpfung  321 –– Suchtgefahr  307 –– Unionsrechtskonform  347, 349, 350, 351, 352, 357, 361, 537 –– Verfassungsmäßigkeit  298, 299, 301–304, 314, 315, 320, 321, 330, 341, 537 Online-Poker  132, 367, 368, 371, 374, 378, 379, 389, 394, 396, 403, 405, 421, 430, 514, 520 Online-Sportwetten  187 –– Definition der Sportwette  187, 188, 190 –– Geldwäschegefahr  420 –– Kanalisierung  418 –– Konzessionserfordernis  191, 192, 194, 197, 199, 203, 206, 207, 212, 215, 227, 228, 230, 233, 234, 249, 250, 536

Sachregister563

–– Suchtpotenzial  418 Online-Vertriebsverbot  368 –– Gefährdungspotential  377, 400 –– Kohärenz  422 –– Suchtgefahr  378 –– Unionsrechtskonform  404, 413, 417, 429, 538 –– Verfassungsmäßigkeit  150, 151, 368, 371, 373, 375, 379, 388, 393, 398, 537 –– Verstoß der Landeslotteriegesellschaften  427 Online-Zweitlotterien  132, 288–292, 295, 296, 298, 315, 324, 326, 337, 343, 359, 360, 362, 367, 368, 371, 374, 473 –– Spielplan  131, 287, 289, 291, 295, 296, 297 Online-Zweitlotterien, Online-Casinospiele  367 Ort der Datenspeicherung  58 Ort der Teilnahmemöglichkeit  122 personelle demokratische Legitima­tion siehe Demokratieprinzip Pferdewetten  167, 195, 235, 236, 237, 238, 369, 370, 411, 414, 425 Poker siehe Online-Poker Politik der Angebotserweiterung  280, 423 praktischen Auswirkungen  71 Primärlotterien  288, 289, 297, 473 Providerhaftung  505 Prüfungsumfang Unionsrecht  153 Pull-Technologie  87, 88 Push-Technologie  87 race to the bottom  50 Rake  514, 516–518, 521 Rechtsstaatsprinzip  270 sachlich-inhaltliche Legitimation siehe Demokratieprinzip Schleswig-Holstein, Erlaubnis  117, 397, 436, 469

schwarze Lotteriewetten siehe OnlineZweitlotterien Schwarzmarkt  216, 222 Serverstandort  56, 535 Sofortlotterien  338, 414, 415, 427 Spielbank  376 Spielbankenbeschluss  38, 132, 134, 144, 152, 194 Spiele mit Bankhalter  519 Spiele ohne Bankhalter  514 Spielhallen  116 Spielkonto  514, 519 Spielplan –– Bestimmt  291 Spielplan siehe Zweitlotterien Spielsuchtbekämpfung  322, 323, 326, 356, 412 Spiel- und Wettsucht, Bekämpfung  141, 146, 216, 224, 233, 247, 305, 320 Sportwette siehe Online-Sportwette Sportwettenentscheidung  138, 144, 195, 212, 214, 234, 304, 321, 331, 376, 390, 445, 447 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen  116 Strafbarkeit bei Verstoß gegen GlüStV  447 strafrechtliche Beurteilung  435 Strafrechtliche Konsequenzen eines Verstoßes gegen Unionsrecht  456 Strafrechtliche Wirkung eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht  445 Suchtbekämpfung  223 Suchtgefahr  378 Sympathiewerbung  326, 327, 331, 336 Tathandlungserfolg  87, 88 Tat im Sinne des § 9 I StGB  53, 469, 535 Tatort bei Werbung  113 Taugliche Vortat, Geldwäsche  508 Telemedien, freier Dienstleistungsverkehr  45

564 Sachregister

Territorialprinzip  53, 120, 122 Theorie der langen Hand  57, 63 Töben-Entscheidung des BGH  92 Totalisator  237, 313

Vorwurf der Eröffnung der Zahlungsmöglichkeit  496 Vorwurf des Unterlassens einer Sicherung  497

Übermaßverbot  456, 470, 538 Umweltdelikte  448, 453 Unanwendbarkeitswirkung, Reichweite  458 unerwünschte Tätigkeit  239

Wahrnehmbarkeit  59, 67 Werben für illegale Glücksspiele  32, 54, 113 Werberichtlinien  326 Werbung  32, 52, 74, 113, 114, 142, 165, 169, 170, 184, 211, 247, 281, 322, 323, 325–327, 331, 332, 335–338, 352, 354, 356, 357, 360–364, 413, 428, 466, 535 –– durch Landeslotteriegesellschaften  331 Wetten ohne feste Gewinnquoten  190 Wirtschaftsaufsicht  228, 316, 346, 393 WorldMillions  296

Veranstalten eines Glücksspiels  30 Veranstalten im Inland  61 Veranstaltungsmodalitäten  311 Verbraucherschutz  385 Vermittlung  197 Vermittlung von Sportwetten an Wettvermittlungsstellen  126 Vertriebsweg Internet  127 –– Suchtgefahr  379 Verwaltungsaktakzessorietät  37 Verwaltungsrechtsakzessorietät  33, 40, 131, 192 Verwaltungsverfahren, insb. Glücksspielkollegium siehe dort Virtuelle Anwesenheit  62 Virtueller Firmensitz  89 Vollzugsdefizite  390 Vollzugskohärenz  278, 279, 282, 284, 285, 353, 464, 466, 537 vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat  480, 481

Zahlungsdienstleister  478 –– neutrale Beihilfe  494 zum Tatbestand gehörender Erfolg  41, 76–82, 85, 90, 92, 98, 108, 112, 113, 475, 508, 535 –– Erfolg  100 –– zum Tatbestand gehörend  105 Zweitlotterien siehe Online-Zweitlotte­ rien zwingende Gründe des Allgemeininte­ resses  182, 274 Zwischenerfolg  86