Die Nutzungsstörung: Zur Problematik der Störung des Verwendungszwecks und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage [1 ed.] 9783428510986, 9783428110988

Das in der Praxis häufige Problem, wer bei einer zufälligen Störung des Verwendungszwecks der ansonsten mangelfreien Lei

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Die Nutzungsstörung: Zur Problematik der Störung des Verwendungszwecks und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage [1 ed.]
 9783428510986, 9783428110988

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Guido Quass · Die Nutzungsstörung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 281

Die Nutzungsstörung Zur Problematik der Störung des Verwendungszwecks und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Von Guido Quass

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-11098-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks A. Das Problem

11 11

I. Zwei Fälle aus neuerer Zeit

11

II. Die zugrunde liegende Problematik der Störung des Verwendungszwecks III. Die korrespondierende Problematik der Zweckvereitelung und der Zweckerreichung B. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis I. Die entsprechende Anwendung der Sachmängelhaftung durch die Lehre vom Umweltfehler II. Der vertragliche Risikobereich und das Institut der Geschäftsgrundlage

14

17 20

20 25

III. Die Lehre von der Geschäftsgrundlage als tatbestandslose Generalklausel

29

C. Die Kodifizierung der Lehre von der Geschäftsgrundlage durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts

33

2. Kapitel Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik A. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer der Lehren von der Geschäftsgrundlage I. Die Entwicklung der Clausel-Lehre seit Pillius

38

38 38

1. Die ersten Ansätze des Clausel-Gedankens im 12. bis 14. Jahrhundert

38

2. Die großzügige Anwendung der Clausel-Lehre im 15. und 16. Jahrhundert

40

3. Die clausula bei Hugo Grotius und Heinrich von Cocceji

40

6

Inhaltsverzeichnis 4. Die clausula im usus modernus und in der Naturrechtslehre

42

5. Die Clausel in den Kodifikationen des 18. Jahrhunderts

43

6. Die Ausklammerung der Clausel-Lehre im gemeinen Recht

45

II. Die Inhomogenität der Clausel-Lehren und die Kontinuität der Lehren von der Geschäftsgrundlage

46

B. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung des Willens (sog. subjektive Lehren)

48

I. Der einseitige Vorbehalt des Willens

48

1. Die Lehre Windscheids von der Voraussetzung

48

2. Die Lehre von der Voraussetzung als einseitige Berücksichtigung der Beweggründe des Erklärenden

51

II. Der akzeptierte Vorbehalt des Willens

58

1. Die Lehre Oertmanns von der Geschäftsgrundlage

58

2. Die Oertmann'sche Formel als Fiktion eines Konsenses

60

C. Die hypothetische Parteivereinbarung bei hypothetischer Kenntnis bzw. Berücksichtigung des Risikos der Störung des Verwendungszwecks

65

I. Die Geschäftsgrundlage als die den Vertragsparteien gemeinsame Wertungsgrundlage

65

1. Die Lehre Schmidt-Rimplers von der Richtigkeitsfunktion des Vertrags

65

2. Das Erfordernis eines objektiven Weitungsmoments

67

II. Die Methode der ergänzenden Vertragsauslegung

77

1. Die Lehre Brox' von der Interessenjurisprudenz und ihre Vorläufer

77

2. Die Lehre Medicus' von der vertraglichen Risikozuweisung

80

3. Die ergänzende Vertragsauslegung als Einfallstor für subjektive Gerechtigkeitsvorstellungen

81

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Weitungen (sog. objektive Lehren)

86

I. Die Störung des Verwendungszwecks als eine Frage der Billigkeit 1. Die Lehren von der Unzumutbarkeit der Gegenleistungspflicht

86 86

a) Die Lehre Erich Kaufmanns vom „Wesenszweck" des Geschäfts

86

b) Die Lehre Krückmanns vom virtuellen Vorbehalt

87

Inhaltsverzeichnis c) Die Lehre Fikentschers von der Vertrauensgrundlage

88

d) Die Lehren vom Äquivalenzprinzip

89

2. Die Unbestimmtheit des Begriffs von der Unzumutbarkeit

93

a) Das grundsätzliche Dilemma der Lehren von der Unzumutbarkeit

93

b) Die Weitungsoffenheit der Lehren vom Äquivalenzprinzip

96

3. Die Vorhersehbarkeit von Risiken als Kriterium der Unzumutbarkeit a) Die Vorhersehbarkeit als Wertungsgesichtspunkt und als Indiz für den Vertragsinhalt b) Die Fragwürdigkeit des Kriteriums von der Vorhersehbarkeit II. Der Verwendungszweck als vereinbarter Parteizweck 1. Die Lehre Lochers vom Geschäftszweck

99 99 101 105 105

2. Der „Geschäftszweck" als eine neben der Leistungsabrede stehende Vereinbarung 108 a) Der Geschäftszweck als einseitiger vereinbarter Parteizweck

108

b) Die Virtualität des Geschäftszwecks

109

c) Die Zweiteilung des Vertrags in der Lehre vom Geschäftszweck

110

III. Der Verwendungszweck als objektiver Vertragszweck

114

1. Die Lehre Larenz'vom objektiven Vertragszweck

114

2. Der „Vertragszweck" als Grundlage der Leistungsvereinbarung

116

a) Die Unklarheit des Verhältnisses von Geschäftsgrundlage und Vertrag . 116 b) Die Ausblendung des Synallagmas in der Larenz'schen Geschäftsgrundlagenlehre

118

IV. Der Verwendungszweck als Inhalt der rechtsgeschäftlichen Leistungsvereinbarung

119

1. Die Lehre Flumes von der Bezugnahme des Rechtsgeschäfts auf die Wirklichkeit

119

2. Die Lehre Beuthiens von der vereinbarten Zweckeignung der Leistung

122

3. Das Leistungsversprechen als Versprechen zur Nutzungsmöglichkeit

124

a) Die Zweckvereinbarung als Rechtfertigung der Gefahrtragung des Schuldners 124 b) Der Bruch der Lehren mit dem herkömmlichen Verständnis von der Leistung 126 c) Die Zweifelhaftigkeit der Entscheidungskriterien

128

8

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

A. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als exemplarisches Modell für die Gefahrtragung bei Störungen des Verwendungszwecks I. Die heutige Regelung des § 593 BGB und ihre unmittelbaren Vorläufer II. Die Entwicklungsgeschichte seit Servius

132

132 132 137

1. Die Störung des Verwendungszwecks im römischen Recht der Landpacht . 137 a) Die Gefahrtragung des Verpächters als Nichterfüllung der auf die Nutzung bezogenen Leistungspflicht 137 b) Andere Deutungsversuche der servianischen Konzeption

142

c) Die vitia ex ipsa re als Aufgaben- und Gefahrenbereich des Pächters .. 146 2. Die weitere historische Entwicklung

151

a) Der Wandel von der vertraglichen Gewährleistung zum Billigkeitsgedanken in der nachklassischen Entwicklung bis zum justinianischen Recht 151 b) Die Entwicklung von der Glosse bis zum preußischen ALR

154

c) Die widerstreitenden Auffassungen im gemeinen Recht

158

d) Die remissio mercedis in den Beratungen zum BGB

161

III. Die Ergebnisse der historischen Analyse B. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung I. Der vereinbarte Verwendungszweck als Element der Leistungspflicht

163 165 165

1. Die These

165

2. Die vereinbarte Nutzung als Äquivalent der Gegenleistung

168

3. Das Kriterium der wertbildenden Nutzung

173

a) Die Bestimmung der geschuldeten Nutzung als Problem der Auslegung des Geschäfts 173 b) Die wertbildende Nutzungsform als Indikator der vertraglichen Abrede über den geschuldeten Verwendungszweck 175 c) Die typisierte Nutzungsvereinbarung als Mittel der Auslegung des Geschäfts 177 4. Die verfehlte Unterscheidung zwischen primären und sekundären Leistungszwecken als Fortwirkung der Irrtumslehre Zitelmanns 181 a) Die Lehre Zitelmanns und ihre Folgewirkungen

181

Inhaltsverzeichnis b) Die Verfehltheit der Lehre Zitelmanns und des herkömmlichen Leistungsbegriffs 186 c) Die Bestimmung sonstiger Leistungsinhalte nach dem vereinbarten Verwendungszweck 190 d) Der vereinbarte Verwendungszweck als geschuldeter Erfolg

194

II. Die Störung des Verwendungszwecks aufgrund von im Bereich des Gläubigers liegenden Umständen 196 1. Das Problem

196

2. Das Substratsrisiko im Werkvertragsrecht

198

a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

198

b) Die Zustimmung der herrschenden Lehre

202

c) Die Verfehltheit der entsprechenden Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB

203

(1) Die Zweifelhaftigkeit der von der herrschenden Meinung zugrunde gelegten Prämisse 203 (2) Die Zufallsbetroffenheit des Leistungssubstrats als tragender Wertungsgesichtspunkt 207 3. Das Betriebs- und Substratsrisiko im Arbeits- und Dienstvertragsrecht

209

a) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

209

b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

212

c) Die Lehre vom Substratsrisiko

216

4. Die Sphärentheorie

219

a) Die Lehre von der Risiko Verantwortung

219

b) Die Verfehltheit der Zurechnung von Zufallsschäden

222

5. Das Prinzip casum sentit dominus als Grenze der Gefahrtragung des Schuldners bei Nutzungsstörungen 227 III. Die Konsequenzen einer Erfassung der Nutzungsstörung als Leistungsstörung

232

1. Die entsprechende Anwendung der Regeln über die Sachmängelhaftung ... 232 2. Der Abschied von den Lehren vom Umweltfehler und von der Lehre von der Geschäftsgrundlage für die Fälle der Nutzungsstörung 233 C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

234

I. Die Nutzungsstörung bei der Miete und der Pacht

234

1. Die Krönungszugfälle

234

2. Die Tanzlokalfälle

235

10

Inhaltsverzeichnis 3. Der Benzintankanlagenfall

238

4. Die Wettbewerbsverbotsfälle

239

5. Die Einkaufszentrumfälle

241

6. Der Marika-Rökk-Fall

244

7. Der Hotelpachtfall

246

II. Die Nutzungsstörung beim Kauf

248

1. Der Kauf von Bauerwartungsland

248

2. Der Drehtürfall

252

3. Der Bierlieferungsfall

254

4. Der Fertighausfall

255

5. Der Gaststätteninventarfall

257

6. Der Fußballspielerfall

260

7. Der Apothekenkonzessionsfall

262

8. Der Spielautomatenfall

263

III. Die Nutzungsstörung beim Werkvertrag und bei der Werklieferung

265

1. Der Bohrhämmerfall

265

2. Der Chartervertragsfall

267

3. Der Tanzkapellenfall

268

IV. Die Nutzungsstörung beim Darlehen

270

1. Die Zweckneutralität des Darlehensvertrags

270

2. Das Verwendungsrisiko des Darlehensnehmers

272

3. Die Unanwendbarkeit der Geschäftsgrundlagenlehre

273

4. Die Rechtsfolgen der Risikoverteilung beim Darlehensvertrag

275

Literaturverzeichnis

279

Personen-und Sachregister

302

1. Kapitel

Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks A. Das Problem I. Zwei Fälle aus neuerer Zeit 1. Im Sommer 1997 erregten zwei am selben Tag ergangene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs 1 Aufsehen 2, die nicht nur in der Literatur 3 und der seitherigen Rechtsprechung4, sondern auch in der Wirtschaftsfachpresse Widerhall fanden 5. Der XI. Senat des höchsten deutschen Zivilgerichts schlichtete darin die Konflikte zwischen Kreditinstituten und Darlehensnehmern, in denen letztere die geschuldete Darlehenssumme früher als vereinbart zurückzahlen wollten. Im ersteren der beiden entschiedenen Fälle beruhte dieser Wunsch auf dem Vorhaben, wegen einer bevorstehenden Scheidung das Hausgrundstück zu verkaufen, dessen Erwerb von den Eheleuten mit der Darlehenssumme finanziert worden war. Sowohl das Darlehen als auch die zur Besicherung eingetragene Grundschuld sollten daher vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit abgelöst werden. Im zweiten Fall ging es der Darlehensnehmerin um eine neue umfangreichere Finanzierung ihres aus Wohn- und Geschäftsräumen bestehenden Anwesens durch eine ι BGH NJW 1997, S. 2875 ff. = BGHZ 136, S. 161 ff. und BGH NJW 1997, S. 2878 ff. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 3. Juli 1997, S. 15: „Kreditkündigung bei Entschädigung möglich - BGH: Freie Verfügbarkeit des Grundstücks geht Bankinteressen vor"; Süddeutsche Zeitung v. 2. Juli 1997, S. 2: „Vorzeitige Rückzahlung von Baudarlehen möglich"; Capital 1997, Nr. 9, S. 196: „Vorzeitige Tilgung von Bankkrediten: Strategie gegen Strafgebühren"; Wirtschaftswoche 1997, Nr. 28, S. 126: „Hypothekenkredit: Recht auf Kündigung"; Wirtschaftswoche 1997, Nr. 29, S. 105: „Kreditablösung: Rückrechnung möglich"; Finanztest 1997, Nr. 10, S. 67 ff.: „Teurer Notausgang". 3 Köndgen, ZIP 1997, S. 1645 f.; Medicus, EWiR 1997, S. 921 f.; Metz, EWiR 1997, S. 923 f.; Heymann/Rosier, WuB I E 3.-1.98; Grönwoldt/Bleuel, DB 1997, S. 2062 ff.; Früh, NJW 1999, S. 2623 ff. 4 OLG Köln, ZIP 2000, S. 308 ff. 2

5

Kreditwesen 1997 (o. Verf.), S. 1041: „Vorfälligkeitsentschädigung - BGH: »Kompensationspflichtiger Anspruch auf Vertragsaufhebung"'; Wenzel, Die Bank 1997, S. 662 ff.; s. auch bereits Wenzel, Die Bank 1997, S. 43 ff.; Dieckhöner/Schebesta, Bankinformation 1996, Nr. 11, S. 62 ff.; Braun/Voss, Capital 1996, Nr. 11, S. 196 ff.

12

1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

andere Bank im Zuge dessen das mit einer Gesamtgrundschuld belastete Objekt zur Absicherung der neuen Darlehen dienen sollte. Die den Richtern unterbreiteten Sachverhalte erhielten ihre besondere Problematik durch den Umstand, dass die Vertragsparteien jeweils, wie dies im Rahmen einer Festzinsvereinbarung üblich ist, das Recht zur ordentlichen Kündigung abbedungen hatten. Unweigerlich ergab sich so der klassische Konflikt zwischen dem Gedanken der Vertragstreue und der Berücksichtigung veränderter Umstände: Während die Kreditinstitute auf den althergebrachten Satz „pacta sunt servanda" pochten, führten deren abtrünnige Kunden ins Feld, dass sie zwar die ausbezahlte Darlehensvaluta nun nicht mehr benötigten, dafür aber umso mehr die einst hierfür bestellte Kreditsicherheit, so dass ein Festhalten an der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens für sie nicht zumutbar sei. 2. Indessen bestand das Hindernis nicht etwa darin, dass sich die Kreditgläubiger dem Ansinnen einer vorzeitigen Darlehenstilgung und einer Freigabe der Grundschulden von vornherein verschlossen hätten. Das Einverständnis der Geldinstitute war vielmehr vordergründig und in erster Linie eine Frage des Preises, denn die Hypothekenbank und die Sparkasse forderten jeweils als Gegenleistung für die Vertragsaufhebung eine „bankübliche" sog. Vorfälligkeitsentschädigung, mittels der ihnen die durch eine vorzeitige Tilgung entgehenden Zinseinnahmen ausgeglichen werden sollten. Hinter dieser „Preisfrage" stand jedoch die grundsätzliche, entscheidende und sehr umstrittene Frage, ob der Darlehensnehmer bei einem Festzinskredit einen Anspruch auf Auflösung des Darlehensvertrags und auf vorzeitige Kreditabwicklung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hat6 oder ob die vorzeitige Rückzahlung allein durch einen Aufhebungsvertrag geregelt werden kann, in dem die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung einvernehmlich festgelegt wird 7 .

6 Dafür etwa LG Hannover, W M 1995, S. 192, 193; LG Karlsruhe, W M 1996, S. 574, 575; LG Lübeck, W M 1996, S. 577; Reifner, NJW 1995, S. 86, 89; Nobbe, Rechtsprechung, Rn. 839; für einen Anspruch in „extrem gelagerten Ausnahmefällen": Wenzel, W M 1995, 1433, 1436; ders., in: Metz/Wenzel, Vorfälligkeitsentschädigung, Rn. 228; ders., WuB I E 3.-2.96; Metz, ZBB 1994, S. 205, 210; Bruchner in: Schimansky/-Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 78 Rn. 101: " ... Veräußerung einer Immobilie wegen Scheidung oder infolge Versetzung des Kreditnehmers durch den Arbeitgeber oder wenn die wirtschaftliche Verwertung wegen Arbeitslosigkeit zwingend notwendig ist." 7 OLG Karlsruhe, W M 1997, S. 520; OLG Karlsruhe, W M 1997, S. 1049; OLG München, W M 1996, S. 1132, 1133; OLG München W M 1997, S. 1051; OLG München, W M 1997, S. 1700; OLG Köln, W M 1997, S. 1328, 1329; OLG Schleswig, W M 1997, S. 522, 524; OLG Hamm, W M 1995, S. 836; OLG Hamm, W M 1996, S. 569; LG Dortmund, W M 1996, S. 444; AG Dortmund, WM 1996, S. 1136; OLG Stuttgart, ZIP 1996, S. 1605; Bellinger/ Kerl, HypothekenbankG, Vorb. §§ 14-21a Rn. 26; v. Rottenburg, in: v. Westphalen/Emmerich/ v. Rottenburg, VerbrKrG, § 4 Rn. 95 ff.; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, § 609 Rn. 54; MünchKomm/Westermann, BGB, § 608 Rn. 6 f.; Bruchner, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 78 Rn. 101; Köndgen, Gewährung, S. 147 f.; Canaris, W M 1996, S. 1605, 1606; Rosier, BB 1997, S. 1369, 1371 f.; Weber, NJW 1995, S. 2951, 2952 f.; Melzer, BB 1995, S. 321, 322; Früh, NJW 1999, S. 2623, 2626; Escher-Weingart,

Α. Das Problem

13

Dieser bislang in Rechtsprechung und Schrifttum schwelende Streit hatte also Bedeutung dafür, wonach sich die der Bank zu zahlende Entschädigung bemisst. Nach den Anhängern eines Rechts des Darlehensnehmers auf vorzeitige Kreditabwicklung soll die Vorfälligkeitsentschädigung „nur" nach Schadensersatzgesichtspunkten zu bemessen sein, so dass der Darlehensgeber durch die Ablösung im Ergebnis wirtschaftlich weder benachteiligt noch begünstigt wird. Liegt es hingegen nach den Verfechtern des Vertragstreuegedankens im Belieben der Bank oder Sparkasse, ob sie das Kreditverhältnis einvernehmlich aufhebt, so könnten auch die Bedingungen hierfür unabhängig vom eigentlichen „Schaden" frei vereinbart werden. Der privatautonomen Vereinbarung wären allenfalls durch das Verbot der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB Grenzen gesetzt. 3. Der XI. Senat entschied sich gegen die bis dahin wohl herrschende Meinung und damit für einen „Anspruch des Darlehensnehmers auf vorzeitige Ablösung des Darlehens jedenfalls für den Fall einer anderweitigen Verwertung des beliehenen Objekts". Entgegen den Vorinstanzen wurde judiziert, die Darlehensnehmer hätten zwar keinen Anspruch auf eine Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, jedoch ein Recht auf eine „Modifizierung des Vertragsinhalts ohne Reduzierung des Leistungsumfangs" 8. Denn der Wunsch „nach einer vorzeitigen Kreditabwicklung gegen Zahlung einer angemessenen Vorfälligkeitsentschädigung" habe „nicht eine Beendigung der vertraglichen Bindung, sondern letztlich nur eine vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung zum Ziel" 9 . „Dürfte der Darlehensgeber den Kreditnehmer auch bei einem beabsichtigten Verkauf des beliehenen Objekts an der unveränderten Durchführung des Darlehensvertrags festhalten," wäre dem Kreditnehmer „dadurch die anderweitige Verwertung des belasteten Gegenstands faktisch unmöglich gemacht". Hierin liege aber ein „Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Kreditnehmers". Im übrigen sei dem Kreditgeber „in derartigen Fällen eine vorzeitige Kreditabwicklung auch zumutbar, wenn er dadurch keinen finanziellen Nachteil erleidet" 10 . „Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung" sei daher „so zu bemessen, daß der Darlehensgeber durch die Kreditablösung im Ergebnis finanziell weder benachteiligt noch begünstigt wird" 1 1 . Das Echo des Publikums auf die sichtlich um salomonischen Ausgleich bemühten Entscheidungen fiel - zumindest in Bezug auf ihre Ergebnisse - überwiegend positiv aus, wurde doch Rechtsfrieden durch ein herbeigesehntes klärendes Wort geschaffen, mit dem sowohl die Kreditwirtschaft als auch die Kreditkunden „le-

WuB I E 3.-2.95; Eckert, WuB I E 1.-4.95; Hammen/Dischinger, WuB I E 3.-3.96; Hammen, WuB I E 3.-7.97; Rehbein, WuB I E 3.-13.96; Zoller/v. Aulock, WuB I E 3.-9.96. 8 So BGH, NJW 1997, S. 2875, 2876; in BGH NJW 1997, S. 2878, 2879, wird das Recht aber bereits wieder als „ein Anspruch auf Einwilligung in die vorzeitige Vertragsauflösung" bezeichnet. 9 BGH, NJW 1997, S. 2875, 2876. 10 BGH, NJW 1997, S. 2875, 2877. h So der 2. Leitsatz der Entscheidung BGH NJW 1997, S. 2875.

14

1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

ben" könnten, zumal die höchstrichterliche Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung der gängigen Praxis bei den allermeisten Kreditinstituten entspreche12. Den höchsten deutschen Zivilrichtern wurde jedoch zum Teil im gleichen Atemzug vorgeworfen, die tragenden Gründe der beiden Erkenntnisse seien geeignet, „unermeßlichen dogmatischen Flurschaden" anzurichten 13. Durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 wurde diese Rechtsprechung in § 490 Abs. 2 BGB n.F. kodifiziert. Dem Darlehensnehmer wurde hierdurch anstelle des vom Bundesgerichtshof eingeräumten vertraglichen Aufhebungsanspruchs ein außerordentliches Kündigungsrecht für die genannten Fälle eingeräumt 14.

II. Die zugrunde liegende Problematik der Störung des Verwendungszwecks 1. In den beiden genannten Fällen ging es um die grundlegende und für diese Arbeit vornehmlich interessierende Frage, wie zu entscheiden ist, wenn eine vertragliche Leistung vom Schuldner zwar (weiter) erbracht werden kann, der Gläubiger an ihr jedoch aufgrund einer zufälligen Änderung der Verhältnisse kein Interesse mehr hat. Denn bei den Darlehensnehmern entfiel jeweils der Bedarf an der Darlehenssumme, sei es, dass sie wegen einer Scheidung gezwungen waren, das finanzierte Hausgrundstück zu verkaufen oder sei es, dass sie aus geschäftspolitischen Gründen eine anderweitige Finanzierungsmöglichkeit wahrnehmen mussten. Der Streit entzündet sich bei dieser gemeinhin unter dem Schlagwort „Störung des Verwendungszwecks" nicht nur im Darlehensrecht, sondern allgemein bei gegenseitigen Vertragsverhältnissen bekannten Konstellation gewöhnlich an der häufig nur noch eingeschränkten Bereitschaft des Gläubigers, die Gegenleistung zu erbringen. Denn für ihn ist die Leistung nutzlos geworden und damit ihres Werts beraubt, wenn er wegen der veränderten Umstände für sie keine Verwendung mehr hat. Einem solchen Appell, es möge berücksichtigt werden, dass eine Austauschgerechtigkeit, eine Äquivalenz des Wertes von Leistung und Gegenleistung nun nicht mehr gegeben sei und den Gläubiger daran kein Verschulden treffe, dies also allein auf „zufällig" eingetretenen Ursachen beruhe, hält man von Schuldnerseite die anerkannte Grundregel entgegen, dass Verträge nun einmal grundsätzlich einzuhal12

s. oben u. Fn. 2 und 3. 13 So Köndgen, ZIP 1997, S. 1645; ebenso Medicus, EWiR 1997, S. 921, 922; s. zur Problematik der Vorfälligkeitsentschädigung noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. IV. 14 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14. 05. 2001, S. 255; Freitag, W M 2001, S. 2370, 2376; Wittig/Wittig, W M 2002, S. 145, 149; Palandt/ Putzo, BGB, § 490 Rn. 9 ff.; AnwKom/Reiff, Schuldrecht, § 490 Rn. 9 ff.; Hk/Ebert, BGB, § 490 Rn. 6 ff.

Α. Das Problem

15

ten sind. Schließlich sei lediglich versprochen worden, den „primären Zweck" der Leistungspflicht, also den geschuldeten Leistungserfolg, herbeizuführen, der etwa darin bestehen könne, Besitz und Eigentum an einer Sache zu verschaffen, ein Werk herzustellen, Dienste zu leisten oder eben eine Darlehenssumme zu überlassen. Ist ein solcher Leistungserfolg noch möglich und ist die Leistung zudem rechtzeitig und frei von Mängeln, so könne keine Ausnahme von dem Gebot der Vertragstreue gelten. Die Leistung sei dann „ihr Geld wert", da es auf den weiteren Verwendungszweck des Gläubigers nicht ankommen könne. Denn kauft etwa - so ein berühmter Beispielsfall 15 - ein Brautvater eine Ausstattung für seine verlobte Tochter und teilt er dem Verkäufer dabei mit, er hege die Vorstellung, dass die in Aussicht stehende Ehe auch wirklich geschlossen wird, so wird man, falls die Ehe doch nicht zustande kommt, den Käufer für verpflichtet halten müssen, den Kaufpreis trotz seines Irrtums zu entrichten. In Schrifttum und Rechtsprechung ist man in seltener Einigkeit von der Richtigkeit eben dieser Argumente überzeugt. Nach heute wohl (nahezu) allgemeiner Meinung handelt es sich bei derartigen Fallgestaltungen nicht etwa um eine Leistungsstörung, sondern lediglich um eine Störung des weiteren oder „sekundären" Verwendungszwecks des Gläubigers: das Entgelt müsse daher erbracht werden. Diese Erkenntnis über die den gegenseitigen Schuldverträgen angeblich zugrundeliegende Verteilung des Risikos für veränderte Umstände wird sodann in der heute geradezu zum Axiom erhobenen Faustformel resümiert, der Schuldner trage das Risiko seiner Fähigkeit zur Leistung, der Gläubiger hingegen das Risiko der Verwendbarkeit der Leistung 16 . Auch in den beiden eingangs genannten Fällen hatte der BGH daher geurteilt, „die (weitere) Verwendbarkeit des Darlehens" falle „allein in den Risikobereich des Darlehensnehmers". „Der Grund für den Wunsch nach einer vorzeitigen Darlehensablösung" habe „in der Person" der Darlehensnehmer gelegen. Daher komme auch ein „Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund" nicht in Betracht 17. 2. Die Freude an einer solch klaren Regel wird jedoch alsbald durch Sachverhalte getrübt, in denen das dargestellte Dogma von der vertraglichen Risikoverteilung dem Gläubiger konsequent das „Verwendungsrisiko" auferlegen möchte, das Rechtsgefühl sich jedoch hartnäckig gegen dieses Ergebnis sträubt. Paradigmatisch für derartige Zweifelsfälle ist der in nahezu sämtlichen Lehrbüchern des allgemeinen Schuldrechts behandelte Krönungszugfall, der auf eine von einem Londoner 15 Nach Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 265 f. 16 s. nur Palandt/Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 43: „allgM"; BGHZ 74, S. 370, 374; BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 83; BGH NJW 1970, S. 1313 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 342; Willoweit, JuS 1988, S. 833; Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5, S. 507 ff.; Soergel/ Teichmann, BGB, § 242 Rn. 233; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 38 IV 2 d), S. 717 Rn. 40; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 23 III 2, S. 30 f., § 24, S. 33; Beuthien, Zweckerreichung, S. 180; Köhler, Unmöglichkeit, S. 108 f.; Köhler, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 316; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 59; Wolf/Eckert, Handbuch, S. 132 Rn. 534. π BGH NJW 1997, S. 2875, 2876.

16

1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

Gericht im Jahre 1902 getroffene Entscheidung18 zurückgeht. In diesem zu Berühmtheit gelangten Fall ging es um die Vermietung eines Fensterplatzes, von dem die Besichtigung eines Umzugs anlässlich der Krönung Edwards VII. möglich gewesen wäre, hätte nicht eine Erkrankung des Königs die Absage des Defilees zur Folge gehabt. Dem vom Vermieter des zur Verfügung gestellten und als solchen mangelfreien Fensterplatzes klageweise geltend gemachten Anspruch auf den vereinbarten Mietzins wird allgemein das Bedenken entgegengehalten, dass der Mieter den Fensterplatz offensichtlich ausschließlich zum Zweck der Besichtigung des Krönungszuges gemietet und er daher ausschließlich für diesen Verwendungszweck das Entgelt versprochen hatte 19 . Dem Mieter dürfe der Mietzins daher nicht abverlangt werden. Nicht weniger anschaulich sind die im ersten Weltkrieg vom Reichsgericht entschiedenen Tanzlokalfälle 20. Hier waren Räume nebst Inventar verpachtet worden, die bereits seit längerer Zeit als Tanzwirtschaften betrieben worden waren. Die Pächter verweigerten die Zahlung der Pachtzinsen, als sie wegen eines anlässlich des Kriegsausbruchs ergangenen Verbots der Veranstaltung öffentlicher Tänze den lukrativen Betrieb als Tanzgaststätte nicht aufrecht erhalten konnten. Auch hier war fraglich, ob solche veränderten Umstände, obwohl sie mit der Beschaffenheit der Pachtsache selbst nichts zu tun haben, dennoch einem Sachmangel gleichgestellt werden sollen. Ganz ähnlich war auch der Benzintankanlagenfall 21 gelagert, bei dem eine vermietete Tankanlage während des Kriegs „infolge der behördlichen Beschlagnahme und der Veräußerungsverbote sowie infolge des Verschwindens des Benzins aus dem Handel" nicht verwendet werden konnte, da sie allein zur „Aufnahme von Benzin" geeignet war. Auch hier hatte der Mieter die Anlage nur gemietet, damit er aus ihr Benzin tanken konnte. Ohne Benzin jedoch war die an sich mangelfreie Mietsache nutz- und damit wertlos. Aber auch Fälle aus jüngerer Zeit geben Anlass zu Zweifeln, ob es wirklich richtig ist, dem Gläubiger schlechthin das Verwendungsrisiko aufzuerlegen. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist insbesondere die Fallgruppe des Kaufs von Bauerwartungsland, bei dem beide Parteien die zukünftige Bebaubarkeit des Grundstücks annehmen und in der Regel den Kaufpreis entsprechend dieser Erwartung bemessen. In den problematischen Fällen werden jedoch zum Entsetzen der Käufer die baurechtlichen Voraussetzungen für die Bebauung nicht geschaffen und der vermeintliche Bauplatz entpuppt sich so als bloßes Acker- oder Weideland22. ι» [1903] 2 K.B. 740. 19 s. zum Krönungszugfall noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 2. d). 20 RGZ 89, S. 203 ff.; RGZ 87, S. 277 ff.; s. zu den Tanzlokalfällen noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 2. a). 21 RGZ 94, S. 267 f.; s. zum Benzintankanlagenfall noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 2. b). 22 s. etwa Β GHZ 117, S. 159 ff.; Β GHZ 101, S. 143 ff.; BGHZ 74, S. 370 ff.; BGH W M 1981, S. 14 f.; BGH DB 1980, S. 83 f.; BGH JZ 1977, S. 177 f.; OLG Rostock NJW-RR 1995, S. 1104 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 3. b).

Α. Das Problem

17

Die Verkäufer scheinen auf den ersten Blick eine derartige Enttäuschung der gemeinsamen Erwartungen weit gelassener zur Kenntnis nehmen zu können, handelte es sich doch nach den Vorstellungen der Vertragsparteien jeweils nur um eine zukünftige Bebaubarkeit und damit um keine „Eigenschaft" der Kaufsache im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 434 Abs. 1 BGB n.F. Dennoch bleiben Skrupel, allein die Käufer mit dem Wertverfall ihres „Bauplatzes in spe" zu belasten, hatten sie doch den Kaufpreis - ohne eine spekulative Absicht zu hegen - gerade für die Perspektive entrichtet, den wertvollen Grund bebauen zu können. Bereits diese zur Illustration der Problematik skizzierten Fälle zeigen, dass die Figur der Störung des Verwendungszwecks in einem breiten Sprektrum von - zu differenzierenden - Fällen begegnet. Während man sich in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen zum Darlehensrecht über das Verwendungsrisiko der Darlehensnehmer weitgehend einig ist und der Bundesgerichtshof lediglich die Rechtsfolgen dieser Risikozuweisung an die besondere Fallgestaltung anzupassen versucht, tauchen angesichts der weiteren genannten Sachverhalte grundsätzliche Zeifel an der ausnahmslosen Richtigkeit des Dogmas vom Verwendungsrisiko des Gläubigers der Sachleistung auf. Der Grundsatz, dass es der Sachleistungsgläubiger ist, der das Verwendungsrisiko tragen muss, ist denn auch - wie nachfolgend auch noch zu zeigen ist - nie streng durchgeführt worden. Vielmehr wurde dem Sachleistungsgläubiger in zahlreichen Fällen das Verwendungsrisiko abgenommen23. Es fragt sich daher, ob das Dogma vom Verwendungsrisiko des Gläubigers heute überhaupt noch Gültigkeit besitzen kann.

III. Die korrespondierende Problematik der Zweckvereitelung und der Zweckerreichung 1. Das Verständnis von dem Verhältnis zwischen Leistung, Gegenleistung und Verwendungszweck wird durch Fallgestaltungen weiter erschwert, in denen es dem Schuldner durch veränderte Umstände unmöglich wird, einen versprochenen Erfolg herbeizuführen, dies jedoch nicht auf einem Mangel seiner eigenen Leistungsfähigkeit beruht. Vielmehr scheitert die Erfüllung in der Fallgruppe der „Zweckerreichung" daran, dass der „primäre" Zweck der Schuldnertätigkeit bereits auf andere Weise ohne Zutun des Schuldners eingetreten ist. In der Fallgruppe der „Zweckvereitelung" 24 wird die Leistung unmöglich, weil die Sache oder Person, an der die Leistung zu erbringen gewesen wäre - das sog. Leistungssubstrat - , sich als ungeeignet erweist.

23 24

Emmerich, Leistungsstörungen, S. 343. Gebräuchlich sind auch die Begriffe „Zweckfortfair und „Zweckverfehlung".

2 Quass

18

1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

Paradigmatisch für diese Fallgruppen sind die Schiffsschleppfälle, in denen der Kapitän eines auf Grund gelaufenen Schiffs über Funk einen Schlepper herbeiruft, das Schiff jedoch vor Eintreffen des Schleppers auseinanderbricht und sinkt bzw. durch eine plötzlich auftretende Flutwelle von alleine freikommt. Es tritt in diesen Fällen also bereits der sog. „primäre Leistungszweck", der vertraglich geschuldete Erfolg, entweder gar nicht oder jedenfalls nicht durch die Tätigkeit des Schuldners ein. Gerade in den Schiffsschleppfällen wird indessen deutlich, dass sich der „primäre Leistungszweck", also hier das Freischleppen des auf Grund gelaufenen Schiffs, auch als ein an sich „sekundärer" Verwendungszweck der Leistungstätigkeit erfassen lässt, der hier allerdings nach dem Inhalt des Vertrags als Element der Leistung geschuldet wird. Indem der Schlepper nicht nur zum Schleppen des Schiffs schlechthin, sondern gerade zum Freischleppen herbeigerufen wird, ist die Befreiung aus der Notlage zwar einerseits der vom Gläubiger beabsichtigte Verwendungszweck der vertraglichen Leistungshandlung, gleichzeitig aber auch der vom Schuldner versprochene Leistungserfolg. Die Grenzen zwischen „primären" und „sekundären" Leistungszwecken verschwimmen mithin, wenn man sich vor Augen hält, dass ebenso wie in den Fällen der Störung des Verwendungszwecks auch hier der Gläubiger kein Interesse an der Leistungstätigkeit des Schuldners mehr hat, weil der „Zweck" dieser Tätigkeit durch sie nicht mehr erreicht werden kann. Das geschulte Judiz schlägt bei diesen Konstellationen zumeist ebenfalls gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der Risikoverteilung aus - diesmal jedoch gerade im umgekehrten Sinne. Der an sich unproblematischen Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. stellt sich angesichts der Rechtsfolge der Einwand in den Weg, die Ursache der Zweckstörung liege nicht in der persönlichen oder sachlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners, so dass es unbillig sei, den Gläubiger von der Pflicht zur Gegenleistung zu befreien. Die Lage weiche „von der,Normalsituation 4 des § 323 doch nicht unerheblich" ab, denn der Schuldner komme hier - bildlich gesprochen - nicht „mit leeren Händen", sondern „leistungsbereit" zum Gläubiger und erfahre nun von diesem, dass infolge einer Veränderung der Umstände seine Leistung nicht mehr erbracht werden kann 25 . 2. Infolge der dem Typus des Werkvertrags zugrundeliegenden Vorstellung, die Vergütung werde „nicht für die Arbeit als solche, sondern für die Herstellung eines Arbeitsproduktes versprochen" 26, treten derartige Zweifelsfragen insbesondere bei der Störung von Werkverträgen auf. Neben den bereits erwähnten Schiffsschleppfällen ist auch der Kirchenportalfall zu Berühmtheit gelangt, in dem bei einem Steinmetz ein Portal für eine Kirche bestellt wird, der Einbau jedoch daran scheitert, dass die Kirche mittlerweile abgebrannt war. Im Deckengemäldefall hat es ein Maler übernommen, die Fresken in einer Kirche auszubessern; nach Beginn der 25 26

So anschaulich Köhler, Unmöglichkeit, S. 30. So die 1. Kommission, s. Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 278.

Α. Das Problem

19

Arbeiten brennt auch dieses Gotteshaus nieder. Die Problematik wird ferner durch diejenigen Abschleppfälle veranschaulicht, in denen ein Abschleppunternehmer zu einem liegengebliebenen Auto gerufen wird, er es jedoch nicht abschleppen kann, weil die Panne inzwischen behoben worden ist bzw. weil ein umstürzender Baum das „Leistungssubstrat" unter sich begraben hat 27 . In dem vom BGH im Jahre 1980 entschiedenen Frostertunnelfall 28 hatte sich ein Unternehmer verpflichtet, an einem sog. Frostertunnel, der in einem Fabrikneubau installiert war, die Zwischenräume der bereits darin angebrachten Isolierplatten mit Polyurethan-Hartschaum auszufüllen. Durch einen zufällig entstandenen Brand wurden sowohl der Frostertunnel als auch die nur zum Teil fertiggestellten Arbeiten des Unternehmers zerstört. Schließlich verlieh ein spektakulärer Fall aus jüngerer Zeit der Thematik erneute Aktualität: Nachdem das Rheinhochwasser kurz vor Weihnachten 1993 die Baugrube des sog. Schürmann-Baus in Bonn überflutet hatte, verursachte der Auftrieb des Baukörpers, dass die Wände des Baukörpers rissen. Ein Unternehmer, der mit Elektroarbeiten beauftragt worden war, verlangte die Bezahlung der vereinbarten Vergütung für die erbrachten, aber (noch) nicht abgenommenen Leistungen, die durch das Hochwasser zerstört worden waren, nebst der Erstattung von weiteren durch das Projekt verursachten Auslagen und „Stillstandskosten"29. Die Problematik insbesondere der „Zweckvereitelung" begegnet jedoch ebenso bei der Störung von Dienstverträgen. So hatte der BGH im Jahre 1984 zwei Fälle zu entscheiden, in denen die Ausbildung und Erziehung von Schülern für die von den Eltern beauftragten Internate unmöglich geworden war, weil - im ersten Fall sich ein Schüler unter Androhung eines erneuten Selbstmordversuches weigerte, in das Internat zurückzukehren 30 oder - im zweiten Fall - sich das Institut gezwungen sah, einen Schüler wegen wiederholter grober Disziplinlosigkeiten von der Anstalt zu verweisen 31. Ebenso war die Vergütungspflicht in einem Kasus im Streit, in dem ein Freiberufler ein Unternehmen nicht zu beraten vermochte, weil dieses nach Abschluss des Beratungsvertrags genötigt war, seinen Geschäftsbetrieb einzustellen, da die von ihm gehandelten Waren aufgrund staatlicher Sperrmaßnahmen nicht mehr zu beziehen waren 32. 3. Die Problematik der Störung des Verwendungszwecks steht im Vordergrund der vorliegenden Arbeit. Es soll also in erster Linie eine Lösung für diejenigen

27

s. zu diesen Lehrbuchfällen einschließlich der Schiffsschleppfälle noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. 28 BGHZ 78, S. 352 ff.; s. hierzu i. Folg. unten u. 3. Kap. C. II. 1. a) (2). 29 BGH NJW 1998, S. 456 ff. = JZ 1998, S. 410 ff., mit Anm. Kohler, JZ 1998, S. 413 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. II. 1. a) (4). 30 BGH NJW 1984, S. 2091 ff. 31 BGH NJW 1984, S. 2093 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. II. 2. b) (3). 32 BGHZ 24, S. 91 ff.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. II. 2. b) (2). 2*

20

1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

Fälle aufgezeigt werden, in denen nach herkömmlichem Verständnis keine „Unmöglichkeit" vorliegt, vielmehr die „Leistung" des Schuldners vertragsgemäß ist und „nur" die beabsichtigte Nutzung des Gläubigers aufgrund veränderter Umstände vereitelt wird. Jedoch steht diese Fallgruppe - wie auch noch zu zeigen sein wird - in einem eigentümlichen Zusammenhang mit den Fällen der „Zweckerreichung" und der „Zweckvereitelung". Wie noch zu zeigen ist, behält das noch darzustellende Prinzip der Risikoverteilung bei der Störung von Verwendungszwecken daher auch seine Gültigkeit in den Fallgruppen, in denen bereits nach herkömmlichem Verständnis eine Leistungsstörung vorliegt 33 .

B. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis I. Die entsprechende Anwendung der Sachmängelhaftung durch die Lehre vom Umweltfehler 1. Die Rechtsprechung versucht, die Problematik der Störung des Verwendungszwecks in erster Linie mit einer großzügigen Anwendung des Unmöglichkeitsund insbesondere des Sachmängelrechts zu bewältigen. Bereits das Reichsgericht schränkte das Dogma vom Verwendungsrisiko des Gläubigers in den bereits oben dargestellten Tanzlokalfällen 34, aber auch im Nachtlokalfall 35 und im Benzintankanlagenfall 36 durch eine direkte oder entsprechende Anwendung des Sachmängel- und Unmöglichkeitsrechts ein, obwohl die Vereitelung des Gebrauchs nicht durch eine Untauglichkeit der Mietsache selbst verursacht wurde, sondern auf hoheitlichen Maßnahmen beruhte. Besonders nachhaltig wurde die Rechtsprechung durch die Venusbergentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1939 geprägt 37, die die Grundlage für die nachfolgende Judikatur zu den sog. Umweltfehlern 38 bildete. Angesichts der durch die Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks vereitelten Nutzung des Kaufgrundstücks als ein Grundstück „mit freiem Blick auf den bewaldeten Berghang" des Venusbergs qualifizierte das Reichsgericht die Bebaubarkeit des benachbarten Grundstücks als eine Eigenschaft des verkauften Grundstücks selbst. Denn - so die 33

Hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. III. RGZ 89, S. 203 ff.; RGZ 87, S. 277 ff. 3 5 RGZ 88, S. 96 ff. 3 6 RGZ 94, S. 267 f.

34

3

? RGZ 161, S. 330 ff. 8 s. hierzu etwa Soergel /Huber, BGB, § 459 Rn. 25 ff.; MünchKomm/Westermann, BGB, § 459 Rn. 18 f.; Staudinger/Honseil, BGB, § 459 Rn. 38. 3

Β. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis

21

Begründung - „auch zur Umwelt, in welche die Sache hineingestellt ist," bestünden „Beziehungen tatsächlicher, wirtschaftlicher oder auch rechtlicher Art, die sich als Eigenschaften der Sache darstellen können". Dies sei der Fall, „wenn derartige Beziehungen in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen und nach ihrer Art und vorausgesetzten Dauer zufolge der Verkehrsauffassung den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit beeinflussen" 39. Auch der BGH behielt die Anwendung der Sachmängelvorschriften in Fällen bei, in denen nicht die Beschaffenheit der Sache selbst, sondern tatsächliche äußere Umstände oder rechtliche Verhältnisse den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigten. Erforderlich sei allerdings, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, stets eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Sache, wohingegen Umstände, die die Eignung der Sache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren sein sollen 40 . Insbesondere wurde die Judikatur zu den „rechtlichen Beziehungen der Sache zur Umwelt" bei Gebrauchsbeeinträchtigungen fortgeführt, die auf gesetzlichen Bestimmungen oder sonstigen hoheitlichen Maßnahmen beruhen 41. So wird vor allem die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften fehlende Bebaubarkeit von Grundstücken als Sachmangel behandelt, wenn das Grundstück als Bauland verkauft worden ist 4 2 Ebenso soll das Fehlen sonstiger öffentlich-rechtlicher Voraussetzungen, von denen die Zulässigkeit des vorgesehenen Gebrauchs einer Sache abhängt, einen Sachmangel darstellen, wie etwa wenn ein verkaufter Kran nach den Vorschriften des Gerätesicherheitsgesetzes nicht betrieben werden darf, weil wegen einer konstruktiven Änderung die für ein Vormodell erteilte Typengenehmigung für diesen Kran nicht gilt 4 3 . Der Aspekt des Umweltfehlers wurde von der Rechtsprechung ferner in Fällen bemüht, in denen der versprochene Blick von dem verkauften Grundstück auf das Meer versperrt war, 44 die von einem nahegelegenen Klärwerk ausgehende Geruchsbelästigung das Wohnen einschränkte 45 oder in denen die Benutzung eines als Wohn- oder Mietshaus verkauften Hauses zu Wohnzwecken teilweise baupolizeilich verboten worden war 46 . 39 RGZ 161, S. 330, 333; seitdem ständige Rechtsprechung des RG und des BGH. 40 BGH NJW 2000, S. 1714, 1715; BGH NJW 1981, S. 2405. 41 s. etwa BGHZ 114, S. 263, 266, m. w. Nachw. 42 s. RGZ 131, S. 343, 348 f.; RGZ 161, S. 193, 194 f.; BGH WM 1969, S. 273, 274; BGH WM 1970, S. 162, 163; BGH WM 1971, S. 528 f.; BGH W M 1971, S. 797; BGH WM 1978, S. 1273; BGH NJW 1979, S. 34; BGH NJW 1979, S. 2200, 2201; BGH W M 1987, S. 1223, 1224; BGH NJW 1989, S. 2388; BGHZ 117, S. 159, 162 f.; BGH NJW 1958, S. 785. 43 BGHZ 90, S. 198 ff. 44 BGH W M 1971, S. 1382 f. 45 BGH NJW-RR 1988, S. 10 f., verneinte hier einen Sachmangel; kritisch daher Soergel/ Huber, BGB, § 459 Rn. 36. 46 RGZ 70, S. 82, 86 f.; BGH W M 1977, S. 1088 f.; BGH NJW 1987, S. 2511 f.; BGH NJW 1991, S. 2138 f.

22

1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

In ähnlicher Weise stellen auch viele Entscheidungen zur Gewährleistung bei der Miete und der Pacht auf die Rechtsfigur des Umweltfehlers ab. Insbesondere öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Nutzung wurden wiederholt als „Fehler" des Vertragsgegenstands selbst angesehen, soweit sie sich auf seine Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage bezogen47. So wurde etwa bei einer Baubeschränkung48, einem Bauverbot 49, bei dem Gebot, das Gebäude abzubrechen50, bei einem dem vertragsmäßigen Gebrauch entgegenstehenden Nutzungsplan51, bei einer erforderlichen, aber fehlenden behördlichen Genehmigung zur vertraglich vorgesehenen Nutzung 52 und bei einer Einstellungsanordnung für den Gewerbebetrieb des Mieters wegen Geräuschbelästigung53 ein Mangel der Mietsache für möglich gehalten. Auch äußere Einwirkungen tatsächlicher Art, insbesondere von Lärm, Luftverschmutzung und Geruch sollen nach der Rechtsprechung einen Fehler begründen können, wenn sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung die Mietsache und deren Gebrauchswert unmittelbar beeinträchtigen 54. 2. In den Fällen, die von der Rechtsprechung und der ihr folgenden Lehre unter dem Aspekt des Umweltfehlers behandelt werden, geht es in Wahrheit um Fälle der Störung des Verwendungszwecks. Es ist eine Fiktion anzunehmen, es handle sich bei Zuständen der Umwelt um eine gegenständliche Beschaffenheit der Sache selbst. Denn eine Sache unterhält zu ihrer „Umwelt" keine „Beziehungen"55. Auch kann das Bestehen einer rechtlichen Regelung hinsichtlich einer Sache streng genommen wohl kaum als Sacheigenschaft bezeichnet werden 56. Vielmehr geht es allein darum, dass der Käufer bzw. Mieter die Sache aufgrund veränderter Umstände nicht zu dem beabsichtigten Zweck verwenden kann. Es handelt sich bei der Figur des Umweltfehlers daher eigentlich um eine analoge Anwendung der Regelungen der Sachmängelgewährleistung bzw. Sachmängelhaftung in Fällen, in denen die Rechtsfolgen des Leistungsstörungsrechts im Ergebnis für angemessen erachtet werden.

47

s. die umfangreichen Nachweise bei Schmidt-Futterer / Eisenschmid, Mietrecht, § 537 BGB Rn. 40 ff.; Bub/Treier/Kraemer, Handbuch, III. B. Rn. 1345 ff., S. 1071 ff. 4 « BGH W M 1962, S. 1379, 1380. 4 9 BGH NJW 1958, S. 785. so BGHMDR 1971, S. 294 f. 51 OLG Düsseldorf, OLGZ 1973, S. 311, 312. 52 BayObLG NJW-RR 1986, S. 690, 691. 53 OLG Karlsruhe, OLGZ 1971, S. 18, 19 f. 54 BayObLG, NJW 1987, S. 1950, 1951 f.; LG Kassel, NJW-RR 1989, S. 1292; OLG München, NJW-RR 1994, S. 654 f.; OLG Hamm, MDR 1983, S. 579 f.; LG Hamburg, NJW 1973, S. 2254 f.; BGH NJW 1972, S. 944 f.; OLG Hamm, NJW-RR 1987, S. 968 f.; s. auch MünchKomm / Voelskow, BGB, § 537 Rn. 6 ff. m. w. Nachw. 55 Ebenso Ernst, Rechtsmängelhaftung, S. 176. 56 Ernst, Rechtsmängelhaftung, S. 176 ff.; Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 159 ff.; kritisch auch MünchKomm/Westermann, BGB, § 459 Rn. 19.

Β. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis

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In der Literatur wird die Lehre vom Umweltfehler daher zum Teil scharf kritisiert. Mit Blick auf klare dogmatische Strukturen ist insbesondere eingewandt worden, es sei generell verfehlt, einen in der „Umwelt" der Kaufsache liegenden Umstand als deren eigene sächliche Eigenschaft einzuordnen 57. Die Rechtsfigur des Umweltfehlers habe, indem man auch andere Umstände als die Beschaffenheit der Sache in die Sachmängelgewährleistung einbezieht, letztlich zur Folge, dass aufgrund der Vielfältigkeit der Umweltzustände durch sie eine uferlose Ausdehnung des Begriffs des Sachmangels droht 58 . Ferner sollen sich durch die Kategorie des Umweltfehlers kaum lösbare Abgrenzungsfragen zu „benachbarten" Rechtsfiguren ergeben. So ist es bei den angeblich bestehenden „rechtlichen Beziehungen der Sache zur Umwelt" regelmäßig erforderlich, diesen „Sachmangel" vom Rechtsmangel im Sinne des § 434 BGB a.F. bzw. § 435 BGB n.F. abzugrenzen, da in beiden Fällen rechtliche Regeln dazu führen, dass die Leistung nicht wie vertraglich vereinbart erbracht worden ist. Nicht zuletzt führt die Anerkennung von „Umweltfehlern" zu einer Überschneidung mit dem Anwendungsbereich der Lehre vom Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage, die für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks ebenfalls Regeln bereitstellen will 5 9 . 3. Handelt es sich bei der Lehre vom Umweltfehler in Wahrheit um eine analoge Anwendung der Sachmängelhaftung bei bestimmten Fällen der Störung des Verwendungszwecks, so könnte man den Streit um die Berechtigung der Analogie dennoch von rein dogmatischer Bedeutung halten. Gemeinsamer Ansatzpunkt ist immerhin, dass Umweltzustände ebenso wie eigene Eigenschaften geeignet sind, die Tauglichkeit der Sache zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB aufzuheben oder zu mindern. Der Sachmangel - im engeren Sinn - ist sogar der deutlichste und häufigste Fall einer Störung des Verwendungszwecks, denn die Gebrauchsfähigkeit der Sache ist hier unmittelbar durch die Eigenschaften der Sache selbst beeinträchtigt. Man könnte daher die Frage als nebensächlich ansehen, ob es sich bei den Umweltfehlern tatsächlich um eigene Eigenschaften der Sache handelt. Denn ein nicht zu unterschätzender Vorzug der Lehre vom Umweltfehler ist es, dass sie entscheidend auf die vertraglichen Vereinbarungen abstellt und so lediglich solche Nutzungsstörungen als rechtlich relevant anerkennt, die den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch berühren. Einer weiteren Kategorie neben dem Vertrag, wie insbesondere einer Geschäftsgrundlage bedarf es damit ebenso wenig wie besonderer Regeln über die Rechtsfolgen der Leistungsstörung. Hinsichtlich der Auslegung des Vertrags und der Rechtsfolgen einer rechtlich relevanten Störung des Verwen-

57

Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 159 ff.; Ernst, Rechtsmängelhaftung, S. 180. 58 Köhler, Unmöglichkeit, S. 176 ff.

59 s. zu diesen Abgrenzungsfragen etwa MünchKomm/ Westermann, BGB, § 459 Rn. 34, 87.

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

dungszwecks kann vielmehr auf ein ausdifferenziertes Rechts- und Regelungssystem zurückgegriffen werden. Trotz dieser Vorzüge bleiben jedoch Bedenken, ob der Gedanke des „Sachmangels" der zutreffende normative Ansatzpunkt für die Lösung der Problematik in Fällen ist, in denen verkaufte, vermietete oder verpachtete Sachen aufgrund veränderter Umstände nicht wie vorgesehen genutzt werden können. Schwierig erscheint insbesondere die Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien im konkreten Fall. Die Unschärfe der Tatbestandsmerkmale wird bereits im Venusbergfall deutlich, in dem sogar das Reichsgericht selbst seinen zuvor aufgestellten Kriterien bei der Subsumtion nicht treu bleibt. Maßgeblich sollte zwar sein, ob die Beziehungen der Sache zu ihrer Umwelt „in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen und nach ihrer Art und vorausgesetzten Dauer zufolge der Verkehrsauffassung den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit beeinflussen" 60. Die den freien Blick auf den gegenüberliegenden Venusberg gefährdende Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks hatte jedoch „ihren Grund" keineswegs in der Beschaffenheit des verkauften Grundstücks und sie „ging" auch nicht „von diesem aus". Die Ursache der Zweckstörung lag daher nicht in der gegenständlichen Eigenschaft des Kaufgrundstücks selbst, sondern in der Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks und damit ausschließlich in der „Umwelt" der Kaufsache 61. Stellt man schließlich entscheidend auf das dritte Kriterium ab, nämlich ob die „Beziehung" der Sache zu ihrer Umwelt „nach ihrer Art und vorausgesetzten Dauer zufolge der Verkehrsauffassung den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit beeinflusst", so wird dem nicht ohne Berechtigung der Einwand entgegengehalten, dass damit sämtliche Beweggründe des Käufers rechtlich relevant würden und angesichts der Vielgestaltigkeit der „Beziehungen" der Sache zu ihrer Umwelt eine uferlose Ausdehnung der Gewährleistung droht. Die Unbestimmtheit sowie die gefährliche Weite der Kriterien für das Vorliegen von Umweltfehlern beruht letztlich darauf, dass eine Störung des Verwendungszwecks, die nicht auf einer Eigenschaft der Sache selbst beruht, schlichtweg nichts mit der Beschaffenheit der Sache zu tun hat. Es wäre daher als ein entscheidender Fortschritt anzusehen, wenn es gelänge, präzisere Abgrenzungsmerkmale für diese Fallgruppe herauszuarbeiten und rechtlich relevante Störungen des Verwendungszwecks nicht als Sachmangel, sondern in einer gesonderten Kategorie der Leistungsstörung zu erfassen. Der Verwendungszweck wäre dann nicht mehr als „Eigenschaft" der Sache, sondern als eine andere Inhaltsbestimmung des Vertrags anzusehen. Neben einer Soll-Beschaffenheit könnte dann vielleicht auch von einer „Soll-Nutzbarkeit" gesprochen werden.

60 RGZ 161, S. 330, 333. 61 Ebenso Köhler, Unmöglichkeit, S. 180.

Β. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis

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II. Der vertragliche Risikobereich und das Institut der Geschäftsgrundlage 1. Erscheint die Anwendung des Sachmängelrechts nicht möglich, wie etwa wenn nur die zukünftige Bebaubarkeit eines unbebaubaren Kaufgrundstücks vertraglich „verabredet" worden ist, so schränkt die Rechtsprechung das Gläubigerrisiko bei einer Störung des Verwendungszwecks mit Hilfe des mittlerweile in § 313 BGB n.F. auch gesetzlich verankerten Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlage ein, wenn es ihr angesichts der besonderen Umstände als unzumutbar erscheint, den Gläubiger der Hauptleistung an der Pflicht zur Gegenleistung festzuhalten. Die Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlage erfolgt regelmäßig in mehreren „Stufen", in denen sowohl subjektive als auch objektive Momente Berücksichtigung finden. Der erste Schritt besteht gewöhnlich in dem regelmäßigen Zitat der seit RGZ 103, S. 328, 332, übernommenen Formel Oertmanns, „Geschäftsgrundlage" sei „die bei Vertragsschluß bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem zukünftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern sich der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut" 62. Es wurde jedoch dem höchsten deutschen Zivilgericht bescheinigt, es binde „sich im allgemeinen nicht an die ... dogmatischen Formeln" zur Geschäftsgrundlage 63, vielmehr bestehe „der Eindruck, daß die psychologisierende Formel mehr äußerlich mitgeschleppt und im Einzelfall nicht mehr ernstlich geprüft wird, ob die Parteien sich wirklich Vorstellungen gemacht haben" 64 ; die Formel sei also nur „ein Ornament" geblieben65. Gerade umgekehrt seien in vielen Urteilen sogar die subjektiven Vorstellungen der Parteien dazu verwendet worden, eine Berufung auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage mit der Begründung zu versagen, dass eine Veränderung der Umstände „vorhersehbar" gewesen sei 66 . 2. Angesichts des weiten Bereichs der die Geschäftsgrundlage bildenden Parteivorstellungen wird daher - in einer Art zweiten Prüfungsstufe - die Frage gestellt, ob „sich ein Risiko verwirklicht" hat, „das nach der vertraglichen Regelung in den 62 s. etwa BGHZ 137, S. 350; BGHZ 133, S. 281, 293; BGHZ 131, S. 209; BGHZ 128, S. 230, 236; BGHZ 121, S. 378, 391; BGHZ 120, S. 11, 23; BGHZ 89, S. 226, 231; BGHZ 84, S. 1, 8 f.; BGHZ 25, S. 390, 392; BGHZ 2, S. 176, 188 ff.; BGH NJW 2002, S. 2312, 2313; BGH NJW 2001, S. 1204, 1205; BGH NJW 1996, S. 2727; BGH NJW 1984, S. 1746, 1747. 63 Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 230. 64 Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 15; ebenso Köhler, Unmöglichkeit, S. 117. 65 Kegel, Gutachten, S. 135, 157; ebenso Rüthers, Auslegung, S. 52; Emmerich, Grundlagen, S. 449. 66 s. etwa RGZ 106, S. 7, 9 ff.; RGZ 106, S. 396, 401; BGH BB 1964, S. 1397; BGH W M 1965, S. 843, 845; BGH W M 1972, S. 656; BGH BB 1973, S. 1139; OLG Celle, NJW-RR 1996, S. 1099, 1100.

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

Risikobereich einer Partei fällt" 6 7 . Eine Berufung auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage sei grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Gläubiger das Risiko der Verwendbarkeit der Leistung zu tragen habe. „Die Aufteilung der vertraglichen Risikosphären" könne sich „aus der vertraglichen Regelung durch das dispositive Gesetzesrecht und dem darin zum Ausdruck kommenden Beurteilungsmaßstab ergeben," sie könne „aber auch im Wege der notfalls ergänzenden Auslegung ausdrücklichen oder stillschweigenden Parteiabsprachen zu entnehmen sein," die „vorrangig zu beachten" seien68. Im Rahmen dieses Schemas findet nun auch die bereits erwähnte Faustformel vom Verwendungsrisiko des Gläubigers Berücksichtigung. Denn - so der BGH „nach der gesetzlichen Interessenbewertung beim Kaufvertrag" trage „in der Regel der Käufer das Risiko, ob er den - sachmangelfrei gelieferten - Kaufgegenstand wie beabsichtigt verwenden kann". So liege etwa „auch beim Kauf von Bauerwartungsland das Risiko einer Enttäuschung der Bauerwartung von Rechts wegen beim Käufer" 69 . Ebenso erwerbe der Käufer einer noch ungeschützten Erfindung diese nur so „wie sie ist", mit der bloßen Chance auf die künftige Erteilung des nachgesuchten Schutzrechts, so dass „das Risiko einer Enttäuschung der Erwartungen hinsichtlich der Erteilung und des Bestandes des nachgesuchten Schutzrechts" beim Käufer liege 70 . Ferner gehöre im Miet- und Pachtrecht „die Erwartung, auf dem zu gewerblichen Zwecken überlassenen Grundstück gewinnbringende Geschäfte abzuschließen und nicht etwa Verlust zu machen, zum Risikobereich des Mieters" 71 . In einer Reihe von Entscheidungen wird bereits allein mit dem Hinweis auf die so ermittelten vertraglichen Risikobereiche eine Berufung auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage versagt. Denn es seien „Umstände, die nach dem Vertragszweck in den Risikobereich nur des einen Vertragsteiles fallen, grundsätzlich nicht geeignet, dem hierdurch betroffenen Vertragspartner eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu ermöglichen" 72. 67 BGHZ 121, S. 378, 392; ebenso etwa BGH NJW 2002, S. 2384, 2385; BGH NJW 1993, S. 259, 262; BGH NJW 1992, S. 2690, 2691; BGH NJW 1984, S. 1746, 1747; BGH NJW 1976, S. 565, 566; BGHZ 74, S. 370, 373. 68 BGHZ 121, S. 378, 392; BGHZ 74, S. 370, 373 f. 69 BGHZ 74, S. 370, 374 f.; BGH DB 1980, S. 83 f.; BGH W M 1981, S. 14, 15; BGHZ 101, S. 143, 151 f., bezüglich des Kaufs eines Erbbaurechts; BGHZ 71, S. 293, 295 „Ortsumgehungsstraße"; entsprechend BGH NJW 1985, S. 2693, 2694 „Bierlieferungsvertrag"; BGH NJW 1985, S. 1746,1747 „Bierimport"; BGHZ 17, S. 317, 327 „Vierfarbendrucke". 70 BGHZ 83, S. 283, 288 f. 71 BGH NJW 1981, S. 2405 f. „Einkaufszentrum I"; BGH NJW 2000, S. 1714, 1716 „Einkaufszentrum II"; BGH NJW-RR 2000, S. 1535, 1536 „Einkaufszentrum III"; ähnlich BGH NJW 1982, S. 2062 f. „Kiesabbauvertrag"; BGH NJW 1970, S. 1313 f.; BGH NJW 1978, S. 2390 „Hotelpacht"; OLG Düsseldorf BB 1991, S. 159 „Geschäftslokal"; OLG München BB 1996, S. 1243 „Einkaufszentrum"; OLG Celle NJW-RR 1996, S. 1099 „verkehrsberuhigte Zone"; OLG Düsseldorf NJWE-MietR 1996, S. 154; OLG München NJWE-MietR 1996, S. 154 und 156. 72 So etwa BGH NJW 1978, S. 2390, 2391 „Hotelpacht"; BGH NJW 1976, S. 570, 571 „Hotelzimmer-Reservierung"; BGH NJW 1970, S. 1313 f.

Β. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis

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Da andererseits aber auch eine Abänderung der vertragstypischen Risikoverteilung durch den Vertrag selbst in Betracht kommt, dessen Inhalt „notfalls durch ergänzende Auslegung" zu ermitteln sei, könne jedoch zuweilen die Sachlage des Einzelfalls „der Annahme" entgegenstehen, dass beispielsweise die Käufer von Fertighäusern „allein mit dem Risiko der Versagung der Baugenehmigung belastet werden sollten", so dass es sich vielmehr „um ein gemeinsames Risiko beider Parteien" handle73. Insbesondere sei „vor einer Berücksichtigung der Grundsätze über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrundlage zunächst zu prüfen, ob dem Vertrag im Wege der ergänzenden Auslegung zu entnehmen ist, welche Regelung die Parteien getroffen haben würden, wenn sie an ein Scheitern des Bauvorhabens ... gedacht hätten" 74 . 3. Liegen Anhaltspunkte für eine derartige besondere vertragliche Regelung nicht vor, so ist es schließlich das übergreifende Prinzip der „Unzumutbarkeit", das - in einer dritten Prüfungsstufe - „ausnahmsweise" die Durchbrechung des „Grundsatzes der Vertragstreue" ermöglichen soll. Im Vordergrund der „Zumutbarkeits-Formel" des BGH steht das Bestreben, „die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage" nur äußerst restriktiv anzuwenden. Jedoch wird nicht verhehlt, dass es sich bei der Frage, ob ein Festhalten an dem Vertrag der betroffenen Partei „zumutbar" ist, um die eigentliche Legitimation für ein Abgehen von der vertraglichen Bindung handelt. So komme - nach einer gebräuchlichen Formel - „die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ... nur dann in Betracht, wenn es sich um eine derart einschneidende Änderung handelt, dass ein Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde und das Festhalten an der ursprünglichen Regelung für die betroffene Partei deshalb unzumutbar wäre" 75 . Ebenso wird formuliert, dass „angesichts der überragenden Bedeutung, die im Vertragsrecht dem Grundsatz der Vertragstreue zukommt, ... die Berufung auf eine Erschütterung der Geschäftsgrundlage nur ausnahmsweise zulässig" sei, „wenn dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint" 76. In einigen Entscheidungen wird sodann, ohne dass weitere Ausführungen zu den Voraussetzungen der Unzumutbarkeit folgen, die Frage erörtert, welche Rechtsfolgen sich aus der diagnostizierten Unzumutbarkeit ergeben 77. Zumeist wird jedoch

73 BGH JZ 1966, S. 409 f. „Fertighäuser". 74 BGH W M 1981, S. 14, 15 „Bauerwartungsland". 75 BGHZ 121, S. 378, 393 „Stillegung von Anlagen der DDR" m. w. Nachw.; ähnlich auch BGHZ 128, S. 230, 238 „Ehegatten-Bürgschaft"; BGHZ 131, S. 281, 293 „Klimbim"; BGH GRUR 1999, S. 1005, 1007 „Salome I"; BGH GRUR 1993, S. 595, 596 „Hemingway-Serie"; BGH NJW-RR 1996, S. 942 „Salome II". 76 BGH NJW 1976, S. 565, 566 „Fußball-Lizenzspieler"; BGH NJW 1985, S. 1746, 1747 „Bierimport" m. w. Nachw.

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

auf die besonderen Umstände des Einzelfalles hingewiesen und hieraus unmittelbar auf die „Zumutbarkeit" oder „Unzumutbarkeit" geschlossen. So finden sich etwa pauschale Hinweise auf ein ins Ungleichgewicht geratenes Äquivalenzverhältnis, wie etwa, dass „das Gleichgewicht zwischen den beiderseitigen Leistungen ... gestört worden" sei und deshalb „die beiderseitigen Verpflichtungen in ein grobes Mißverhältnis geraten" seien78. Teilweise wird aber auch als entscheidend erachtet, dass „die dauernde Verlustsituation auf billigerweise nicht vorauszusehende Umstände zurückzuführen ist" 7 9 , den Gläubiger „kein Verschulden an der Entwicklung der Verhältnisse trifft," die ihn zur Aufgabe seiner Pläne gezwungen hat und die Krise der Branche auch den „Bestand" des konkret betroffenen „Unternehmens in einem Ausmaß erschüttert hatte, daß die Fortsetzung des Betriebes ernstlich in Frage gestellt gewesen wäre". Es liege dabei „auf der Hand", dass es etwa für die Frage der Zumutbarkeit der Weiterzahlung einer vereinbarten Pacht „auch auf die wirtschaftliche Lage" der Pächterin ankommt80. In einem Fall sollten gar „erhebliche und deshalb (!) unzumutbare wirtschaftliche Einbußen" des Gläubigers für eine Leistungsbefreiung genügen81. In anderen Entscheidungen wird hingegen betont, dass eine Befreiung von geschäftlichen Risiken selbst dann nicht beansprucht werden kann, wenn der eingetretene Verlust existenzbedrohliche Folgen zeitige 82 . Daneben findet sich vereinzelt das Argument, es verstoße „gegen Treu und Glauben, den aus der Verwirklichung des beide Parteien treffenden Risikos entstandenen beiderseitigen Verlust einseitig den Beklagten aufzuerlegen" 83. Unter Umständen soll es schließlich sogar genügen, wenn „die Erwägung", das mit der vertraglichen Bindung „verbundene Risiko könne vertretbare Grenzen leicht überschreiten" „nicht von der Hand zu weisen" ist 84 . Obwohl der Verwendungszweck eigentlich nicht zum Vertragsinhalt, sondern allenfalls zur Grundlage des Geschäfts gehören soll, wird zur Ergänzung der Zumutbarkeitsdoktrin oder zur eigentlichen Legitimation des Abgehens vom Vertrag zuweilen auch ein bestimmter „Vertragszweck" als maßgeblich erachtet, sofern die besonderen Umstände die Annahme rechtfertigten, „daß sich der Geschäftswille

77 BGH MDR 1953, S. 282 ff. und BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 12 „Bohrhämmer"; BGH W M 1971, S. 1300 ff. „Bootel". 78 BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 33 Bl. 4 f. „Apothekenrealkonzession"; ähnlich BGH NJW 1976, S. 565, 566 f. „Fußball-Lizenzspieler". 79 BGH NJW 1978, S. 2390, 2391 „Hotelpacht". so BGH NJW 1958, S. 785 „Baulandpacht"; ähnlich BGH NJW 1970, S. 1313, 1314; BGH NJW 2002, S. 2384, 2385 „Staffelmietzins". 81 OLG Frankfurt MDR 1974, S. 401 f. „Chinchilla-Zucht"; für die Entscheidung war hier wohl die soziale Situation der Beklagten maßgeblich, die als Witwe des Käufers mit acht minderjährigen Kindern die vom Erblasser beabsichtigte Chinchilla-Zucht nicht betreiben wollte. 82 BGH NJW 1978, S. 2390, 2391 „Hotelpacht". 83 OLG Karlsruhe NJW 1992, S. 3176, 3177 „FaschingsVeranstaltung". 84 BGH NJW 1977, S. 385, 386 „Hotelzimmerreservierung".

Β. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis

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beider Parteien auf diesem Vertragszweck aufbaute" 85. Derselbe Gedanke bestimmt schließlich die Entscheidungen, nach denen eine Abweichung von der grundsätzlichen Risikoverteilung dann in Betracht kommen soll, „wenn sich ausnahmsweise der Geschäftswille beider Parteien auf dem Motiv der einen aufbaut" 86

III. Die Lehre von der Geschäftsgrundlage als tatbestandslose Generalklausel 1. Selbst wenn die genannten gerichtlichen Entscheidungen im Ergebnis „richtig" sein sollten, bietet sich dennoch etwa einem Rechtsanwalt ein vergleichsweise unübersichtliches Bild, der seinen Mandanten über die Rechtslage und etwaige Prozessrisiken in einem Fall beraten möchte, in dem eine „Störung des Verwendungszwecks" eine entscheidende Rolle spielt 87 . Findet er unter der mittlerweile recht umfangreichen Rechtsprechung keinen dem seinigen identischen Fall und muss er sich demnach an den allgemein-abstrakten Entscheidungskriterien orientieren, so stößt er zunächst auf Begriffe wie „Zumutbarkeit", „Recht und Gerechtigkeit" oder „Treu und Glauben". Allein anhand solcher Figuren lässt sich jedoch kein konkreter Rechtsfall entscheiden. Da die ausschlaggebenden Wertungsgesichtspunkte durch diese eher verdeckt als beleuchtet werden, kann man sogar sagen, dass in einer Vielzahl von Entscheidungen zugunsten der Behandlung der Figur der Geschäftsgrundlage auf eine Begründung überhaupt verzichtet wird 8 8 . Aufgrund der von der Rechtsprechung häufig betonten „überragenden Bedeutung der Vertragstreue" wird allenfalls deutlich, dass das Verwendungsrisiko dem Gläubiger nur ganz „ausnahmsweise" abgenommen werden könne. Auf der Suche nach den besonderen Umständen, die einen derartigen Ausnahmetatbestand bilden könnten, trifft der Rechtssuchende nun auf eine Vielzahl unterschiedlichster Aspekte, die in einzelnen Urteilen für maßgeblich, in anderen wiederum für unbeachtlich befunden wurden. Hat er schließlich ein für den konkreten Fall möglicherweise „passendes" Kriterium gefunden, so steht er vor der nicht weniger schwierigen Frage, was unter einer „Störung des Gleichgewichts zwischen den beiderseitigen Leistungen", unter einem „gemeinsamen Motivirrtum", einem „gemeinsamen Geschäftswillen", einem „Vertragszweck" oder einem 85 OLG Koblenz NJW-RR 1989, S. 400, 401 „Einkaufszentrum". 86 BGH JZ 1977, S. 177 f. „Bauerwartungsland"; ähnlich BGH DB 1980, S. 83, 84 „Bauerwartungsland"; BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 54 Bl. 3 „Gaststätteninventar". 87 Ebenso Emmerich, Leistungsstörungen, S. 313; Willoweit, JuS 1988, S. 833, 837; Köhler, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 296 f. 88 Ebenso Schmiedel, Festschrift für von Caemmerer, S. 231, 234 ff.; Braun, JuS 1979, S. 692, 695 f.; Köhler, ZHR 144 (1980), S. 589, 594, resümiert: „Mit solchen ,Leerformeln' läßt sich im Grunde alles und nichts begründen."

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

„gemeinsamen Risiko" konkret zu verstehen sein soll und wonach sich all dies bemisst. Ebenso wenig verschaffen die Hinweise auf ein „fehlendes Verschulden", auf eine „Vorhersehbarkeit" der Umstände oder auf eine „Überschreitung vertretbarer Grenzen" auch nur einigermaßen Klarheit für den ratlosen Advokaten. Schließlich ist die Rechtsprechung sogar in der Frage uneinheitlich, ob die „Erschütterung des Bestandes des Unternehmens" und die wirtschaftliche Lage des Gläubigers überhaupt in die Abwägung der beiderseitigen Interessen eingestellt werden dürfen. 2. Angesichts dieser verwirrenden Kausuistik drängt sich die Frage nach dem Grund dafür auf, dass sich die dargestellte Geschäftsgrundlagen-Judikatur jeder einigermaßen praktikablen Systematisierung und damit Konkretisierung zu entziehen scheint. Die Antwort liegt indessen auf der Hand: Grund und Ursache der Vielfalt an zutage tretenden Wertungsmomenten ist allein das „Kriterium" von der Unzumutbarkeit des unveränderten Festhaltens am Vertrag selbst. Denn indem es sich bei der Unzumutbarkeit nur um ein „übergreifendes" Prinzip handeln soll, ist dieses funktional nicht etwa als ein Tatbestandsmerkmal anzusehen, das unter möglichst genau bestimmten Voraussetzungen eine Rechtsfolge auszulösen vermag. Vielmehr dient der Gedanke der Unzumutbarkeit allein dazu, eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien zu eröffnen. Diese Abwägung soll gerade umgekehrt „ein wichtiges Korrektiv zur unbedingten Vertragsbindung im Interesse der Vertragsgerechtigkeit" bilden 89 . Es geht also mit anderen Worten bei der Geschäftsgrundlage nicht etwa um die Frage, ob bestimmte Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, sondern richtig verstanden um eine im gewissen Umfang „freie" Rechtsschöpfung des Richters. Durch diese Freiheit soll für den „Ausnahmefall", d. h. für eine aufgrund der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht näher konkretisierbare Art von Fallgestaltungen, der mit dem geschulten Rechtsgefühl des Richters empfundenen Einzelfallgerechtigkeit gegenüber den notwendig generalisierenden Rechtsregeln zum Durchbruch verholfen werden. Die „Stärke" der Lehre von der Geschäftsgrundlage liegt in ihrer „Schwäche", nämlich in ihrer Unbestimmtheit, sowohl hinsichtlich des Tatbestands als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen 90. Freilich ist diese Eigentümlichkeit der Rechtsfigur der Geschäftsgrundlage nicht immer widerspruchslos hingenommen worden. So forderte etwa Karl Larenz für die Befugnis des Richters, „geschlossene Verträge auch gegen den Willen der Vertragschließenden - oder wenigstens der einen Partei - sachlich abzuändern", die „Voraussetzungen dieses Sonderfalls möglichst klar und bestimmt abzugrenzen". Dies sei „im Interesse der Rechtssicherheit, aber auch um des Grundsatzes der Pri-

89 Horn, Gutachten, S. 551, 578, Hervorheb. nicht i. O. 90 So zutreffend Köhler, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 296; ebenda: „Am Erfolg gemessen, stellt die Lehre von der Geschäftsgrundlage geradezu eine Zauberformel dar. Wenn alle anderen Remedien des Vertragsrechts versagen, ist sie zur Hand, um einen gerechten Interessenausgleich in gestörten Vertragsbeziehungen herzustellen."

Β. Die Handhabung der Problematik in der gerichtlichen Praxis

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vatautonomie willen und um eine Überforderung der Gerichte zu vermeiden" erforderlich. Auch Larenz diagnostizierte, dass in der Rechtsprechung das Gegenteil der Fall sei. Indem der BGH „alles auf den vagen Begriff der ,Unzumutbarkeit4 und damit auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles" abstelle, mache „er bereits das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen der Richter... zu einer den Vertrag abändernden Billigkeitsentscheidung befugt ist, von einer Billigkeitsentscheidung abhängig"91. Die von Larenz vorgetragene Kritik dokumentiert indessen trefflich die grundsätzliche Auseinandersetzung, die mit der Figur der Geschäftsgrundlage - wie noch zu zeigen sein wird - seit jeher verbunden ist. Will das eine Lager eine möglichst klare und bestimmte Abgrenzung der Voraussetzungen des Fortfalls der Geschäftsgrundlage erreichen, so ist es gerade umgekehrt die Absicht der Verfechter der Unzumutbarkeits-Doktrin, notfalls sogar „vertragsfremde" Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wenn dies zur Erzielung eines billigen Ergebnisses notwendig sein sollte. Ungeachtet der erheblichen Bemühungen vieler Autoren, einen Weg zu finden, um die Voraussetzungen des Sonderfalls, in dem eine Ausnahme von dem Grundsatz der Vertragstreue gelten soll, „klar und bestimmt" abzugrenzen, verstand es die Rechtsprechung, diesen Versuchen zur Beschränkung der richterlichen Freiheit beharrlich zu widerstehen. Indessen sollte diese Unbeirrbarkeit nicht verwundern, hängt doch die Antwort auf die Streitfrage, ob die Voraussetzungen der „Unzumutbarkeit" des Festhaltens am Vertrag tatbestandlich gefasst werden sollten oder nicht, entscheidend von dem Verständnis ab, was denn das Institut der Geschäftsgrundlage leisten soll. Wurde das Institut maßgeblich von der Rechtsprechung geprägt und verstand diese es immer als ein Korrektiv gegenüber dem strikten Recht, das für den Regelfall die Beachtlichkeit veränderter Umstände verneint, so bedeutet dies zugleich, dass die Rechtsfigur der Geschäftsgrundlage die ihm zugedachte Aufgabe gar nicht erfüllen könnte, wenn man sie in das Korsett klar abgegrenzter Tatbestandsmerkmale zwängte. Bei der „Unzumutbarkeit" muss es sich nach der von der Rechtspraxis geprägten grundlegenden Konzeption also geradezu begriffsnotwendig um einen „offenen Begriff' handeln, in den grundsätzlich jeder vernünftige Aspekt Eingang finden und Einfluss auf die umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen nehmen kann. Aus dieser Perspektive ist daher auch die von Horn getroffene Feststellung konsequent, „weitere Präzisierungen der... Merkmale des im Grunde einheitlichen Tatbestandes des WGG1" liefen „Gefahr, das Problem zu verkürzen und den Charakter des Rechtsinstituts als Generalklausel zu verkennen" 92. Die Lehre von der Geschäftsgrundlage ist damit in ein unlösbares Dilemma verstrickt: Wird die Rechtsfigur der Geschäftsgrundlage einerseits für notwendig erachtet, um als unbestimmte und unbestimmbare Generalklausel in all jenen Fällen einzugreifen, in denen ein Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung 91

Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 123. 92 Horn, Gutachten, S. 551, 578.

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde, so wird andererseits mit der grundsätzlichen Anerkennung einer Geschäftsgrundlage als Institut des geltenden Rechts notwendigerweise zugleich der Rechtsunsicherheit Tür und Tor geöffnet. 3. Aufgabe einer jeden Stellungnahme zu der Problematik von der Störung des Verwendungszwecks ist es, einen Ausweg aus jenem Dilemma zu finden, in das diese Fallgruppe geraten musste, indem man versuchte, ihr mit der Lehre vom Umweltfehler und insbesondere mit der Figur der Geschäftsgrundlage beizukommen. Wie noch zu zeigen ist, hat auch die Rechtslehre es bislang nicht vermocht, auf der Basis der Lehre von der Geschäftsgrundlage über den schlichten Hinweis auf eine Unzumutbarkeit hinaus, den maßgeblichen Grund zu benennen, der es rechtfertigt, ausnahmsweise dem Schuldner der Hauptleistung das Risiko der Verwendung aufzuerlegen. Infolgedessen ist es ihr ebensowenig gelungen, auch nur einigermaßen für die Praxis brauchbare Abgrenzungskriterien herauszuarbeiten, nach denen sich die Verteilung des Verwendungsrisikos bemisst. Es bleibt daher - sozusagen als „dritter Weg" zwischen der Geschäftsgrundlagenlehre und der ausnahmslosen Zuweisung des Verwendungsrisikos an den Gläubiger - allein die Möglichkeit, den Verwendungszweck als Inhalt und nicht lediglich als Grundlage von gegenseitigen Schuldverträgen zu erfassen. Würde man den Verwendungszweck als Inhalt des vertraglichen Versprechens des Sachleistungsschuldners behandeln, so könnten sich die Fälle der Störung des Verwendungszwecks möglicherweise nach den Prinzipien des allgemeinen und des besonderen Leistungsstörungsrechts beurteilen lassen, nach deren Grundaxiom beim gegenseitigen Vertrag ohne die vertragsgemäße Hauptleistung die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung entfällt. Programm der vorliegenden Arbeit ist es mithin, die Grundsätze des für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks möglicherweise einschlägigen bürgerlich-rechtlichen Leistungsstörungsrechts herauszuarbeiten und dahingehend zu untersuchen, ob die sich daraus ergebenden Prinzipien und Kriterien auch auf die hier behandelten Fallgruppen angewendet werden können93. Es wäre hierbei als eine Bestätigung der noch zu findenden Regel anzusehen, wenn sich schließlich zeigen sollte, dass ihre konkreten Ergebnisse in aller Regel mit denjenigen übereinstimmen, die die herrschende Meinung üblicherweise mit Hilfe der Lehre von der Geschäftsgrundlage gewinnt. Diese aus den Grundprinzipien des Leistungsstörungsrechts noch herauszudestillierende Regel hätte indessen möglicherweise den Vorzug, dogmatisch begründbar und damit nachvollziehbar zu machen, wenn je nach Sachlage entweder dem Schuldner oder dem Gläubiger der Hauptleistung das Verwendungsrisiko auferlegt wird. Als Hypothese sei daher den nachfolgenden Untersuchungen die Vermutung vorangestellt, dass die Entscheidungen der gerichtlichen Praxis hinsichtlich der Fall93 Richtungsweisende Ansätze hierzu finden sich bei Flume und Beuthien; s. i. Folg. unten u. 2. Kap. D. IV.

C. Die Kodifizierung der Lehre von der Geschäftsgrundlage durch das Gesetz

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gruppe der Störung des Verwendungszwecks in der Regel zwar vordergründig auf dem Gedanken der „Unzumutbarkeit" beruhen, dahinter jedoch ganz andere Kriterien stehen, die gewissermaßen „unbewusst" das Urteil der Richter bestimmen. Geht es in den problematischen Fallgestaltungen jeweils in erster Linie um den Inhalt des Vertrags, um die „primären" und „sekundären" Leistungszwecke, um die Gegenleistungspflicht und um „Irrtümer" eines Vertragspartners oder gar beider Parteien, so liegt der Gedanke nahe, dass die Problematik weitgehender als bisher angenommen mit der gesetzlichen Risikoverteilung erfasst werden kann, die auch das Leistungsstörungsrecht bestimmt. Ist auch das eigentliche Prinzip, das sowohl den Grund als auch die Grenzen des Entfallens der Entgeltpflicht bei einer Zweckstörung vorgibt, in Wahrheit noch gar nicht aufgedeckt, so vermag es dennoch das geschulte Judiz der zur Entscheidung berufenen Richter zu beeinflussen, indem es das Rechtsempfinden determiniert und mittels der Begriffe der Grundlagenstörung und der „Unzumutbarkeit" Eingang in die tägliche Gerichtspraxis findet. Für ein solches „Wirken im Verborgenen" spricht auch das in der Rechtsprechung immerhin deutlich zu erkennende Bestreben, in erster Linie die „vertraglichen Risikosphären" der Parteien zu bestimmen und möglichst allein nach diesen die Frage zu beantworten, welcher Vertragspartei das Risiko für die Fehleinschätzung der Wirklichkeit aufzubürden ist. Es ist somit im Folgenden zu klären, ob nicht auch in den Fällen, in denen die Richter kein aus dem Leistungsstörungsrecht abgeleitetes Prinzip von der Risikotragung als Rechtfertigung für ein Entfallen der Gegenleistungspflicht mehr zu benennen vermochten, hinter dem Etikett der „Zumutbarkeit" nicht doch mehr steht als bloße „Billigkeit". Wenn die Gerichte sich in vielen Fällen dazu genötigt sehen, die Faustformel, der Gläubiger trage das Verwendungsrisiko, geradezu ins Gegenteil zu verkehren, so gilt es, das bereits nach dem geltenden Recht existierende Prinzip aufzudecken, das diesem Rechtsempfinden zugrunde liegt.

C. Die Kodifizierung der Lehre von der Geschäftsgrundlage durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 1. Die Problematik der Störung des Verwendungszwecks ist durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, mit dem die Lehre von der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB n.F. kodifiziert worden ist, nicht beseitigt worden. Denn nach wie vor stellt sich die Frage, ob die betreffenden Fallgestaltungen nach den nun mit Gesetzeskraft versehenen Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage oder nach anderen Bestimmungen des Leistungsstörungsrechts zu beurteilen sind 94 . 94 s. zum Verhältnis des § 313 BGB n.F. zum früheren Recht etwa MünchKomm / Roth, BGB, Band 2 a, §313 Rn. 17 f. 3 Quass

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

Mit der Regelung des § 313 BGB n.F. haben die Bundesregierung und der Gesetzgeber den Vorschlag der „Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts" aus dem Jahr 1992 für einen neuen § 306 BGB-KE 95 nahezu unverändert übernommen. Wie schon nach dem Abschlussbericht der Kommission sollen auch nach der Regierungsbegründung in Absatz 1 „alle Fallgruppen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage" „mit Ausnahme der in Absatz 2 in gleicher Weise geregelten Fälle der subjektiven Geschäftsgrundlage" erfasst werden 96. Hierzu sollte auch die in der Regierungsbegründung ausdrücklich genannte Fallgruppe der Zweckstörungen gehören. Danach kann es zur Grundlage eines Vertrags gehören, dass eine Partei mit der von ihr zu beanspruchenden Leistung einen bestimmten Zweck erreichen will, insbesondere kann sie eine bestimmte Verwendung des Leistungsgegenstands beabsichtigen97. Es wurde jedoch davon abgesehen, Regelbeispiele für die besonders wichtigen Fallgruppen anzuführen, da mögliche Formulierungen ziemlich allgemein bleiben müssten und deshalb zum Verständnis des Rechtsinstituts der Geschäftsgrundlage und für die Rechtsanwendung kaum zusätzliche Verbesserungen bringen könnten98. Die gesetzliche Regelung wurde mit der Feststellung begründet, dass die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein anerkanntes Rechtsinstitut darstellen und ihre Anwendung in aller Regel zu übereinstimmenden und befriedigenden Ergebnissen führen sollen. Daher könne als Mangel des geltenden Rechts im Grunde nur das Fehlen einer allgemeinen Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch angeführt werden. Dieser Mangel wirke sich zwar nicht auf die Rechtspraxis aus, jedoch müsse es als unbefriedigend angesehen werden, wenn wichtige, seit vielen Jahrzehnten erprobte und bewährte Rechtsinstitute auf Dauer von einer Kodifikation ausgeschlossen bleiben. Die Bedeutung der Vorschrift solle daher „allein darin liegen, die zum Rechtsinstitut gewordenen Grundsätze zum Fehlen und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen ihrer erheblichen Bedeutung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern" 99. Der Wortlaut des § 313 Abs. 1 BGB n.F. deckt sich nach der Regierungsbegründung allerdings nicht mit der von der Rechtsprechung nach wie vor verwendeten, auf Oertmann zurückgehenden Formel, wonach zur Geschäftsgrundlage alle Vorstellungen gehören, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut. Diese For95

Vgl. Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht, S. 146. Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14. 05. 2001, S. 176. 97 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14. 05. 2001, S. 174. 98 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14. 05. 2001, S. 176. 96

99 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14. 05. 2001, S. 175; ebenso bereits Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht, S. 148, 150 f.; s. auch Horn, Gutachten, S. 551, 576 ff., 636 ff., auf dessen Regelungsvorschlag sich die Kommission ausdrücklich bezieht.

C. Die Kodifizierung der Lehre von der Geschäftsgrundlage durch das Gesetz

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mei sei stärker subjektiv geprägt. Die für § 313 Abs. 1 BGB n.F. vorgesehene und mehr auf objektive Merkmale abstellende Formulierung bringe die Ergebnisse der Rechtsprechung - an denen nichts zu ändern sei - zutreffender zum Ausdruck. Im Übrigen sollen die Fälle des Wegfalls der rein subjektiven Geschäftsgrundlage in §313 Abs. 2 BGB n.F. geregelt werden. Durch die Formulierung des Absatzes 1 sei jedoch „eine Änderung der Rechtsprechung nicht beabsichtigt und auch nicht veranlasst" 100. Lediglich hinsichtlich der Rechtsfolgen trifft § 313 Abs. 1 BGB n.F. eine vom bisherigen Meinungsstand abweichende Regelung. Gegenüber der bisherigen Rechtslage, wonach die Anpassung automatisch kraft Gesetzes erfolgen sollte, enthält die benachteiligte Partei nun einen Anspruch auf Anpassung, der erst auf Einrede zu berücksichtigen ist 1 0 1 . § 313 Abs. 2 BGB n.F. betreffe das ursprüngliche Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage. Dabei gehe es um die Fälle des gemeinschaftlichen Motivirrtums sowie solche Fälle, in denen sich nur eine Partei falsche Vorstellungen macht, die andere Partei diesen Irrtum aber ohne eigene Vorstellungen hingenommen hat. Damit sollen diese Fälle, deren Zuordnung zum Teil umstritten ist, ausdrücklich als Anwendungsfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeordnet werden 102 . In § 313 Abs. 3 BGB n.F. sei in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung in Rechtslehre und Rechtsprechung bestimmt, dass eine Aufhebung des Vertrags dann und nur dann verlangt werden kann, wenn eine Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Aufhebung komme also nur subsidiär in Betracht. Notwendig für eine Auflösung des Vertrags sei eine Rücktrittserklärung der benachteiligten Partei. Bei Dauerschuldverhältnissen trete an die Stelle des Rücktrittsrechts das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB n.F. Damit werde die bereits jetzt bestehende allgemeine Auffassung in das Gesetz übernommen 103. 2. Der Entwurf der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts aus dem Jahr 1992 und der Regierungsentwurf für das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts waren Gegenstand einer intensiv geführten Diskussion in der Literatur. Dabei wurde auch die Kodifizierung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scharf kritisiert 104 . 100 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14.05.2001, S. 176. ιοί AnwKom/Krebs, Schuldrecht, § 313 Rn. 5; Hk/Schulze, BGB, § 313 Rn. 19; Palandt/ Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 2, 29; MünchKomm / Roth, BGB, Band 2 a, § 313 Rn. 2. 102 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14.05.2001, S. 176. 103 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14.05.2001, S. 176. 104 Gegen eine Kodifikation der Störung der Geschäftsgrundlage U. Huber, Gutachten, S. 647, 747 ff., insb. 750 f.; Flume, ZIP 1994, S. 1497, 1498; zum Kommissionsentwurf insgesamt s. auch Ernst, NJW 1994, S. 2177 ff.; ders., JZ 1994, S. 801 ff.; Ahrens, ZRP 1995, S. 417 ff.; Rabe, ZIP 1996, S. 1652 ff.; zur Diskussion auf dem DJT 1953 über eine Veranke-

3*

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1. Kap.: Die ungelöste Problematik der Störung des Verwendungszwecks

Nach Flume handelt es sich um „eine Vorschrift sicher zur Freude der Advokaten leistungsunwilliger Schuldner, aber auch von Richtern, die mehr auf die richterliche Gestaltung aus sind als auf die rechtliche Entscheidung von Streitigkeiten aufgrund privatautonomer Regelungen"105. Ulrich Huber hält die Bestimmung in mehrfacher Hinsicht für verfehlt. Sie nehme nicht davon Notiz, was in der Literatur längst bekannt ist: dass unter der Vokabel „Geschäftsgrundlage" zwei grundsätzlich verschiedene Fälle zusammengefasst werden, zum einen der Fall des anfänglichen Fehlens der Geschäftsgrundlage (ein Fall des gemeinschaftlichen Irrtums, der, wenn überhaupt, systematisch korrekt bei § 119 BGB geregelt werden müsste), und der Fall des nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, vor allem wegen schwerer Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, der systematisch tatsächlich zum allgemeinen Schuldrecht gehöre. Und soweit es speziell um den Fall des nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage geht, fehle in § 306 BGB-KE gerade dasjenige Merkmal, von dem in der Praxis der Erfolg und vor allem auch der Misserfolg der Berufung auf Wegfall der Geschäftsgrundlage entscheidend abhängt. Dieses Merkmal bestehe darin, dass es bei späteren Veränderungen der Geschäftsgrundlage nicht genügt, einfach zu fragen, ob das weitere Festhalten am Vertrag für den Schuldner „zumutbar" oder „unzumutbar" ist. Vielmehr - so der BGH - sei die „Durchbrechung des obersten Grundsatzes der Vertragstreue nur zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Ergebnisse zuzulassen". Die Formulierung des § 306 BGB-KE verfehlt nach Ulrich Huber also vollständig den Punkt, auf den es wirklich ankommt. Ihrem Wortlaut nach führe sie in der Tendenz dazu, den Zugang zu dem in so hohem Maß missbrauchsanfälligen Rechtsbehelf des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eher zu erleichtern als zu erschweren; sie setze - natürlich in allerbester Absicht - ein ganz falsches Signal 106 . 3. § 313 BGB n.F. ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in das BGB eingefügt worden, um die Störung der Geschäftsgrundlage ohne wesentliche sachliche Änderungen aufgrund der bisherigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre zum Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage zu regeln. Dabei wurden die relevanten Fallgruppen nicht als Tatbestände in die Norm aufgenommen 107. rung der Lehre von der Geschäftsgrundlage im BGB s. DJT (Hrsg.), Verhandlungen II, S. Β 53 ff.; Larenz, Verhandlungen II, S. Β 31 ff.; Kegel, Gutachten, S. 135 ff.; zum Regierungsentwurf bzw. zum vorbereitenden Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums insgesamt s. Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft; Brüggemeier/Reich, BB 2001, S. 213 ff.; Schulze/ Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform; Krebs, DB Beilage Nr. 14/2000; Altmeppen, DB 2001, S. 1131 ff.; s. auch das Literaturverzeichnis im AnwKom, Schuldrecht, S. 17 ff.; zur Kodifizierung der Störung der Geschäftsgrundlage s. U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft, S. 31, 37 f.; Brüggemeier /Reich, BB 2001, S. 213, 216; Krebs, DB Beilage Nr. 14/2000, S. 13 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 1 ff.; AnwKom/Krebs, Schuldrecht, § 313 Rn. 1 ff.; Hk/Schulze, BGB, § 313 Rn. 1 ff.; MünchKomm/Roth, BGB, Band 2 a, § 313 Rn. 1. 105 Flume, ZIP 1994, S. 1497, 1498. 106

U. Huber, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft, S. 31, 37 f.

C. Die Kodifizierung der Lehre von der Geschäftsgrundlage durch das Gesetz

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Hieraus folgt zweierlei: Zum einen erscheint es aufgrund der vom Gesetzgeber beabsichtigten Kontinuität mit der bisherigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre nicht erforderlich, dass sich die vorliegende Arbeit mit der Vorschrift des § 313 BGB n.F. gesondert auseinandersetzt. Zum anderen zwingt die Kodifizierung wie bisher nicht dazu, die Fälle der Störung des Verwendungszwecks den gesetzlichen Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage zu unterwerfen. Sie können vielmehr nach wie vor dem Anwendungsbereich der Geschäftsgrundlage unterfallen oder aber mit Hilfe der Regeln des allgemeinen und besonderen Leistungsstörungsrechts oder sonstiger Rechtsinstitute, wie etwa der (ergänzenden) Vertragsauslegung, bewältigt werden. Der Gesetzgeber wollte insofern gerade keine Änderung des materiellen Rechts bewirken, sondern „nur das ohnehin schon Anerkannte wiedergeben" und mithin die Frage des Anwendungsbereichs der Norm der Rechtsprechung und Lehre überlassen. Die Frage, ob das „anerkannte Rechtsinstitut" über das Fehlen und den Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Fallgruppe der Störung des Verwendungszwecks wirklich anerkennenswert ist, bleibt daher so aktuell wie zuvor.

107 Regierungsentwurf Schuldrechtsreformgesetz, BT-Drucksache 14/6040 v. 14.05.2001, S. 175; Hk/Schulze, BGB, § 313 Rn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 1 f.; AnwKom/ Krebs, Schuldrecht, § 313 Rn. 5.

2. Kapitel

Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik A. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer der Lehren von der Geschäftsgrundlage I. Die Entwicklung der Clausel-Lehre seit Pillius 1. Die ersten Ansätze des Clausel-Gedankens im 12. bis 14. Jahrhundert Die gerichtliche Praxis und die daraus resultierende Kodifizierung des § 313 BGB n.F. dokumentieren die überragende Bedeutung der Lehre von der Geschäftsgrundlage für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks. Im Rahmen einer dadurch erforderlichen eingehenden Auseinandersetzung mit diesem Institut und mit dem hierzu veröffentlichten Schrifttum ist auch ein Überblick über deren Vorläuferin, die Lehre von der clausula rebus sie stantibus, zu geben, die - wie zu zeigen sein wird - überraschende Parallelen zu den modernen Theorien von der Geschäftsgrundlage aufweist und daher in einer eigentümlichen Kontinuität mit ihnen steht. Die clausula wird heute zumeist im Sinne einer tacita conditio, si res in eodem statu manserit, verstanden, also einer rechtsgeschäftlich vorbehaltenen, stillschweigenden Bedingung unveränderter Umstände. Auch die ursprünglichste Bedeutung des Begriffes, der wörtlich übersetzt nur „Abrede, dass die Dinge so bleiben wie sie sind" bedeutet, liegt in der Annahme eines stillschweigend vereinbarten Vorbehaltes, dass ein Vertrag nur bei gleichbleibenden Verhältnissen bestehen bleiben solle 108 . Das klassische römische Recht kannte kein der clausula-Lehre entsprechendes Rechtsinstitut. Die ersten Ansätze zur Herausbildung der clausula rebus sie stantibus als selbständige Figur entstanden offenbar erst im 12. Jahrhundert 109. Der älteste derzeit bekannte Text, in dem der Gedanke einer stillschweigenden Bedingung ausdrücklich erscheint, stammt von dem italienischen Juristen Pillius 110 , der erstmals im Jahr 1169 in einer Urkunde des Bischofs Johann von

io» Gieg, Conditione, S. 2; Köbler, Clausula, S. 1 f. 109 Feenstra, Fata, S. 364; Gieg, Conditione, S. 160; Köbler, Clausula, S. 23, 28. no Feenstra, Fata, S. 369.

Α. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer

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Bologna erwähnt worden war 1 1 1 . In einer Reihe von Regeln, nach denen von einer Vereinbarung abgegangen werden könne, lautete das siebte Argument pro reo: „ . . . weil darin die stillschweigende Bedingung gesehen wird, ,falls die Angelegenheit in demselben Zustand bleibt 4 .. . " 1 1 2 . Ähnliche Ansätze erscheinen im kanonischen Recht des 13. Jahrhunderts in einer Glosse von Johannes Teutonicus113 sowie bei Thomas von Aquin (1225 bis 1274) 114 . Zunächst ohne eindeutigen Zusammenhang mit dem Clausel-Gedanken war die Wendung „ . . . et rebus sic se habentibus ..." auch in der „Glossa ordinaria" des Accursius (1185 bis vermutlich 1263) bei der Lösung eines erbrechtlichen Falles verwendet worden, in dem die Rückgewähr einer Mitgiftgabe verlangt wurde 115 . Bartolus (1314 bis 1357) griff den von Accursius formulierten Gedanken jedoch in seinem Digestenkommentar ,Digestum vetus' auf und unterstellte die Clausel generell bei allgemein gehaltenen Verzichtserklärungen: „ . . . verzichtet jemand in einer Angelegenheit auf alle (seine) Rechte, die er an sich hat, haben kann oder haben könnte, dann darf dies nur,rebus sic se habentibus4 verstanden werden, also nur auf Grund eines im Augenblick gültigen Rechtsverhältnisses, sei es, dass dieses nun tatsächlich existiert oder nur auf eine bestimmte Erwartung gegründet ist" 1 1 6 . Baldus (1327 bis 1400) sah sodann in seiner Kommentierung zu D. 12, 4, 8 1 1 7 in der stillschweigenden Bedingung, dass die Umstände gleichbleiben, „rebus sic se habentibus", sogar eine für alle Versprechen geltende Regel 118 . m Savigny, Geschichte IV, S. 312 ff. 112 „ . . . quod tacita inesse intelligitur conditio, scilicet ,si mensura duraverit in eodem statu', ut ff. loc. et con., Si quis domum § 1 [D. 19. 2. 9. 1]"; Pillius, Pilii Medicinensis Questiones Sabbatine, S. 147, zit. nach Feenstra, Fata, S. 369, der allerdings eine Verfälschung des Textes vermutet, da D. 19, 2, 9, 1 anstelle von D. 46, 3, 38 pr. zitiert wird; s. auch Köbler, Clausula, S. 28. 113 s. Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 227; Feenstra, Fata, S. 369; Gieg, Conditione, S. 176 ff. 114 s. Gieg, Conditione, S. 120 ff. h 5 Zu dem Streit, ob die Glosse zu D. 12, 4, 8 (lex Quod Servius) bereits selbst von der Clausel handelt oder nur von der condictio causa data non secuta s. Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 226 f., einerseits und Fritze, ArchBürgR 17 (1900), S. 20, 23 f.; Feenstra, Fata, S. 370; Gieg, Conditione, S. 183 Fn. 476; Beck-Mannagetta, Clausula, S. 1267 f.; Osti, Rivista di Diritto Civile 1912, S. 1, 12, andererseits. 116 „Ista enim verba: 'quamdiu nuptiae contraili possunt' debent intelligi scilicet ex iisdem sponsalibus ... et hoc est, quod glossa vult hic dicere: vel quamdiu matrimonium contraili potest, debet intelligi rebus sic se habentibus h. e. praesentibus sponsalibus. Quod tene menti; quia quando quis renunciat in aliqua re omni juri, quod habet vel habere potest vel posset: oportet enim intelligi rebus sic se habentibus, h. e. ex aliquo jure, quod est de praesenti re vel spe ..."; Bartolus de Sassoferrato, Commentarla in secund. part. Digesti veteris (Ausgabe Basel 1588), zit. nach Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 227; s. auch Gieg, Conditione, S. 184. 117

„Nota quod verbum potest intelligitur rebus sic se habentibus, et sic intelligitur de potentia proxima et certa et ordinata, quia rebus sic se habentibus loquimur; et sic promissiones intelliguntur rebus sic se habentibus, infra loc. 1. Quaero § inter [D.19. 2. 54.1], de loco pub. fru 1. i in fine [D.43.9.1.3] et arg. infra de an. leg. 1. Maevia § fin. [D.33. 1. 13.1]."; Baldus de

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

2. Die großzügige Anwendung der Clausel-Lehre im 15. und 16. Jahrhundert Nach einer bis dahin restriktiven, auf bestimmte Einzelfälle beschränkten Handhabung der Clausel wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts der Weg für ihre großzügige Anwendung im 16. Jahrhundert eröffnet, 119 so dass sie schließlich zu einem sog. brocardicum geriet, also zu einer in der Praxis angewandten Rechtsregel ohne feste Konturen 120 . So anerkennt Jason de May no, ein Spätvertreter der Konsiliatorenzeit, in seinem Digestenkommentar aus dem Jahr 1507 die Clausel nicht nur in Einzelbestimmungen der Gesetze und in letztwilligen Verfügungen, sondern auch bei Verträgen, Privilegien und beim Eid 1 2 1 . Auch die von dem „eleganten" Juristen Andreas Alciatus (1492 bis 1540) versuchte tatbestandliche Erfassung der Clausel bei zweiseitigen Willenserklärungen bedeutete keine eigentliche Eingrenzung des Anwendungsbereichs. Denn nach Alciatus kann die Clausel „nur" dann angewandt werden, wenn eine Verfügung gefordert wird, die der Natur des Vertrags widerspricht, wenn ein Gesetz den Widerruf oder Rücktritt zubilligt oder wenn irgendein unvorhergesehener Umstand eintritt, über den die Kontrahenten nicht verhandelt haben 122 . Interessant ist hier jedoch insbesondere die bereits zu dieser Zeit in Erscheinung tretende objektive Begründung der Berücksichtigung veränderter Umstände aus der „Natur des Vertrags" im Gegensatz zu der bislang unterstellten subjektiv begründeten tacita conditio als einer stillschweigend erklärten Bedin-

3. Die clausula bei Hugo Grotius und Heinrich von Cocceji Auch Hugo Grotius (1583 bis 1646) behandelte in seiner Versprechenslehre das clausula-Problem. Im Rahmen der Untersuchungen zur einschränkenden Auslegung der Erklärungen erörterte Grotius die „ursprünglichen Willensmängel" und plädierte zunächst, da es sich um Willensmängel im Beweggrund handle, für eine sehr restriktive Anwendung der tacita-conditio-Regel: „Man pflegt weiter darüber zu streiten, ob die Versprechen die stillschweigende Bedingung enthalten, dass die

Ubaldis super secunda parte Digesti veteris ad D. 12.4.8, Ed. Venetiis 1586, fol. 58 v°, zit. nach Feenstra, Fata, S. 371. us Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 227 ff.; Feenstra, Fata, S. 370 f.; Gieg, Conditione, S. 183 ff.; Köbler, Clausula, S. 29 f. 119 Gieg, Conditione, S. 137, 189; Köbler, Clausula, S. 31. 120 Fritze, ArchBürgR 17 (1900), S. 20, 38; Gieg, Conditione, S. 136. 121 Feenstra, Fata, S. 371; Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 229 ff.; Fritze, ArchBürgR 17 (1900), S. 20, 34 ff.; Gieg, Conditione, S. 188 f.; Köbler, Clausula, S. 30. 122 s. hierzu Osti, Rivista di Diritto Civile 1912, S. 1, 11, 23 ff.; Beck-Mannagetta, Clausula, S. 1267. 123 Beck-Mannagetta, Clausula, S. 1269; Feenstra, S. 391 En. 152.

Α. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer

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Dinge da bleiben, wo sie jetzt sind. Dies ist zu bestreiten, wenn nicht ganz offenbar der gegenwärtige Zustand in den erwähnten einzigen Beweggrund eingeschlossen ist" 1 2 4 . Bei der Erörterung der Fälle der „nachträglichen Veränderung der Sachlage" nehmen die Ausführungen jedoch eine überraschende Wendung: „Der Fall des Widerspruchs einer nachträglichen Veränderung der Sachlage mit dem Willen ... ist zweifach: entweder ist er dem vernünftigen und natürlichen Sinne, oder aber aus einem anderen Anzeichen des Willens zu entnehmen. ... Das lässt sich auch auf Testamente und Verträge übertragen. Denn weil weder alle Veränderungen vorausgesehen, noch ausgedrückt werden können, ist es erforderlich, mit einer gewissen Freizügigkeit diejenigen Gestaltungen anzunehmen, die der Sprechende, wäre er ihrer gegenwärtig gewesen, ausgeschlossen hätte. Indes darf dies nicht auf Geratewohl geschehen, hieße das doch, sich zum Herrn über die Handlung eines anderen zu erheben, was nur bei hinreichenden Anhaltspunkten zulässig ist." 1 2 5 Schließlich führt Grotius aus: „Der zweite Anhaltspunkt ist der, wenn die Befolgung der Worte zwar nicht für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit unerlaubt ist, aber doch nach dem Urteil eines billigen Beobachters ihre Befolgung allzu schwer und unerträglich scheint: sei es angesichts der Grenzen der menschlichen Natur an sich, sei es angesichts des Vergleichs der Person und der Sache, um die es geht, mit dem Zwecke des Geschäftes selbst." 126 Aufgrund des Zusammenhangs insbesondere der beiden zuletzt zitierten Texte versteht die neuere Forschung Hugo Grotius nicht mehr als einen Gegner der clausula-Lehre 127. Grotius habe sich vielmehr „mit seiner Ablehnung allein gegen die bis zu seiner Zeit vorherrschende subjektiv-rechtliche Begründung der Lehre" gewandt. Hinter der Bezugnahme auf den hypothetischen Parteiwillen stehe eine neuartige objektiv-rechtliche Begründung 128. Da „bei der Abfassung eines Vertrags nicht auf alle möglichen Situationen Bedacht genommen werden" kann, fordere es 124

„Solet & hoc disputari, an promissa in se habeant tacitam conditionem, si res maneant quo sunt loco: quod negandum est, nisi apertissime pateat statum rerum praesentem in unica ilia quam diximus ratione inclusum esse."; Grotius, De Jure, Lib. II, Cap. XVI, § XXV, 2; s. hierzu auch Gieg, Conditione, S. 96 f.; Köbler, Clausula, S. 32. 125 „Repugnantia casus emergentis cum voluntate ... est autem duplex: nam aut voluntas colligitur ex naturali ratione, aut ex alio signo voluntatis. ... Dijudicandae voluntati ex naturali ratione Aristoteles,... : quod ad testamenta quoque & pacta suo modo referri debet. Nam quia casus nec praevideri omnes possunt nec exprimi, ideo libertate quadam opus est eximendi casus, quos qui locutus est si adesset eximeret: non tarnen temere; id enim esset dominum se facere actus alieni; sed ex sufficientibus indiciis."; Grotius, De Jure, Lib II. Cap. XVI, § XXVI, 1; s. hierzu auch Gieg, Conditione, S. 106 f. 126

„Secundum erit indicium, si verba sequi non quidem per se & omnino illicitum sit, sed aeque rem aestimanti nimis grave atque intolerabile: sive absolute spectata conditione humanae naturae, sive comparando personam & rem, de qua agitur, cum ipso sine actus."; Grotius, De Jure, Lib. II, Cap. XVI, § XXVII, 1; s. hierzu auch Gieg, Conditione, S. 108. M So aber noch Fritze, ArchBürgR 17 (1900), S. 20, 41; Osti, Rivista di Diritto Civile 1912, S. 1, 26; Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 231. ™ Gieg, Conditione, S. 113 f., 140; ebenso Dießelhorst, Grotius, S. 136; Köbler, Clausula, S. 33; anders hingegen Feenstra, Fata, S. 377.

2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

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nach Grotius das Prinzip der aequitas, den Vertrag zu modifizieren 129 . Es handle sich somit um „das Resultat einer konsequent angewandten, auf alter aristotelischthomistischer Tradition beruhenden Aequitaslehre". Grotius habe sich hier „zum Gebot individueller Vertragsgerechtigkeit als notwendiges Regulativ menschlicher Selbstbindung" bekannt 130 . In seiner „Disputatio de Clausula Rebus sie stantibus" aus dem Jahre 1699 wandte sich auch Heinrich von Cocceji (1644 bis 1719) gegen eine übermäßige Anwendung der Clausel. Daher entwirft er ein detailliertes Abwägungssystem, nach dem es Ausnahmen, welche die Rechtsordnung recht und billig gefunden habe, von der Regel gebe, dass die Wirksamkeit des Rechtsaktes durch eine Änderung der sog. accidentia nicht berührt wird. Die aequitas bewirke eine solche Ausnahme, wenn die Partei an eine Veränderung der Umstände nicht gedacht hat und die Verfügung für den nun eingetretenen Fall, wenn sie ihn vorausgesehen hätte, nicht getroffen worden wäre 131 . Auch bei Cocceji finden sich somit unter Bezugnahme auf die aequitas vornehmlich objektive Kriterien, die zu einer Berücksichtigung der veränderten Umstände führen können. Insgesamt aber verbindet Cocceji die objektive Begründung des aequitas-Gedankens mit dem subjektiven Element der hypothetischen Vertragsvereinbarung bei Kenntnis der veränderten Umstände.

4. Die clausula im usus modernus und in der Naturrechtslehre Die von Grotius und Cocceji angemahnte „Zurückhaltung" bei der Verwendung des Clauselgedankens wurde jedoch in der Folgezeit zugunsten einer umfassenden Begriffsbildung wieder aufgegeben. So enthält nach Augustin von Leyser (1683 bis 1752), einem Autor des usus modernus, jede Vereinbarung und jede Verbindlichkeit die Regel „rebus sie stantibus" 132 . Zur Begründung führt er aus: „Entfällt der Grund des wahren Konsenses, dann entfällt derselbe ohne Zweifel selbst, wie auch infolge dessen die Verpflichtung wegfällt, deren Fundament der Konsens ja gerade gewesen ist." 1 3 3 Im Vordergrund steht bei Leyser mithin eine subjektive

»29 Beck-Mannagetta, Clausula, S. 1271 f. 130 Gieg, Conditione, S. 117. 131 Henrici de Cocceji, Exercitat. curiosarum Palatinarum, Trajectinarum et Viadrinarum vol. I I . . . , Lemgoviae 1722; s. Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 239; Beck-Mannagetta, Clausula, S. 1272 f.; Gieg, Conditione, S. 41 ff. 132

„Omne pactum, omnis promissio, rebus sie stantibus, intelligenda est, ..."; Leyser, Meditationes, Vol. I, Spec. XL, IV., S. 411; s. hierzu Gieg, Conditione, S. 27; Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 244. 133 „Caussa consensus penitus sublata, consensum ipsum tolli sine dubio, atque adeo obligationem, cujus fundamentum consensus est, cessare."; Leyser, Meditationes, Vol. VII, Spec. DXX, III., S. 842 f.; s. hierzu Gieg, Conditione, S. 31; Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 244 ff.; Köbler, Clausula, S. 35; Stampe, JhJb 72 (1922), S. 348, 377 f.

Α. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer

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Begründung des Clauselgedankens, indem bei veränderten Umständen bereits der Konsens entfallen soll. Carl Philipp Kopp sieht in seiner Dissertation aus dem Jahre 1750 die Clausel sowohl im Naturrecht als auch im jure civili begründet. Diese sei stillschweigend in sämtlichen Verträgen enthalten, da sie in der Natur des menschlichen Willens liege. Bestimmen die „causa finalis", also die Haupt- oder Endzwecke, den Willen einer Partei maßgeblich, so bestehe bei deren Fehlen auch keine Verpflichtung, da es sich um einen Mangel bei der anfänglichen Willensbildung (ex defectu voluntatis originarii) handle 134 . J. H. Eberhard stimmte dieser subjektivistischen Begründung von Kopp in seinen 1775 erschienenen Abhandlungen zwar grundsätzlich zu, wandte sich jedoch gegen dessen einseitige Anknüpfung an den Willen nur eines Vertragspartners. Nur das „Aufhören des Hauptzwecks" mache der Verbindlichkeit ein Ende. Der Wille könne nicht weiter gehen, als der Endzweck, den man erreichen wolle, und weiter habe man sich auch nicht verbunden. Dies gelte jedoch nur, wenn nicht nur der Hauptzweck nur eines Kontrahenten nicht mehr vorhanden ist, sondern auch der Hauptzweck des Vertrags aufgehört habe. Dieselbe Tragweite komme auch dem Wegfall der notwendigen, bei der Entstehung des Geschäfts vorausgesetzten Umstände zu. Denn gründe sich ein Gesetz oder Vertrag auf eine bestimmte Zeit, einen bestimmten Ort oder andere Umstände, „so ist unser Wille bedingt erklärt und zugesagt". Auch diese Umstände müssten von beiden Teilen vorausgesetzt sein, mögen sie vielleicht auch nur einen von ihnen betreffen. Nur wo das zutrifft, könne man mit Grund sagen, dass beide ein stillschweigend bedingtes Versprechen abgegeben haben 135 .

5. Die Clausel in den Kodifikationen des 18. Jahrhunderts Die Clausel fand schließlich Eingang in den Codex Maximilianeus Βavaricus Civilis von 1756, indem dessen „Schöpfer" Wiguläus Kreittmayr (1705 bis 1790) die Clausel-Lehre Ley sers in Gesetzesform brachte 136 . Nur kurze Zeit später jedoch begann mit Adolph Dieterich Webers „Lehre von der natürlichen Verbindlichkeit" aus dem Jahr 1784 der „definitive Fall der älteren Lehre". Seine Kritik an der „Clausul: rebus sie stantibus", es „würde dadurch Gelegenheit gegeben werden, alle Verträge anzufechten, und sich Niemand weiter auf ein Versprechen ver134

Carl Philipp Kopp, Diss, inaug. de clausula rebus sie stantibus secundum jus cum naturale tum civile, Marburg 1750; zit. nach Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 250; Gieg, Conditione, S. 44 f. 135 J. H. Eberhard, Drei Abhandlungen zur Erläuterung der deutschen Rechte, I. Abhandlung, Frankfurt und Leipzig 1775, zit. nach Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 261 ff.; Gieg, Conditione, S. 45 f. 136 Gieg, Conditione, S. 53, 46 ff.; Beck-Mannagetta, Clausula, S. 1274 f.; Stampe, JhJb 72(1922), S. 348, 375 f.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

lassen können" 137 , fand durch zahlreiche Auflagen weite Verbreitung 138. Zwar hätten die bürgerlichen Gesetze „dergleichen in einigen besonderen Fällen verordnet, aber es ist eine Unart der Ausleger, wenn sie dasjenige, was solchen einzelnen Vorschriften zum Grunde dient, sogleich in allgemeine Regeln umschaffen, und diese als Folgerungen aus der Natur der Sache durchgängig anwenden". Nach Weber ist es vielmehr erforderlich, „daß die entstandene Veränderung einen Umstand betreffe, welchen entweder die Natur des Vertrags, oder ausdrückliche Verabredung der Partheien dergestalt wesentlich erfordert, daß ohne ihn der Vertrag wegfällt". „Ein anderes" sei es nun freilich, „wenn die bürgerlichen Gesetze in gewissen Fällen wegen solcher Veränderungen nach einseitigen Verhältnissen, die das Naturrecht an sich zur Aufhebung eines Contracts nicht als hinreichend erkennet, dem Einen Theile auch wider Willen des Andern die Zurücktretung erlauben. Dann sollte man diese Fälle aber auch bloß als besondere Anordnungen des Civilrechts, und eigentlich als Ausnahmen von der Regel, nicht aber als Folgerungen des allgemeinen Grundsatzes oder der sogenannten Clausul, rebus sie stantibus, behandeln" 139 . Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Kritik an der Clausel-Lehre formuliert das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 in § 377 des 5. Titels im Ersten Teil die Clausel nunmehr als eine Ausnahme von der Regel, dass wegen veränderter Umstände die Vertragserfüllung nicht verweigert werden könne 140 . In § 229 desselben Titels wird zudem bestimmt: „Daß ein Vertrag unter besonderen Bedingungen geschlossen worden, wird, auch bey mündlichen gültigen Verträgen, nicht vermutet." Immerhin konzediert § 378: „Wird jedoch durch eine solche unvorhergesehene Veränderung die Erreichung des ausdrücklich erklärten, oder aus der Natur des Geschäfts sich ergebenden Endzwecks beyder Theile unmöglich gemacht, so kann jeder derselben von dem noch nicht erfüllten Vertrage wieder abgehn." Hinsichtlich des nicht-beiderseitigen Zwecks galt hingegen die Regel: „§ 0.380. Wird durch die Veränderung der Umstände nur der ausdrücklich erklärte oder sich von selbst verstehende Zweck des einen Theils ganz vereitelt, so kann derselbe zwar von dem Vertrage zurücktreten; § 0.381. Er muß aber, wenn die Veränderung in seiner Person sich ereignet hat, den Andern vollständig entschädigen."141

137 Weber, Verbindlichkeit, § 90 III, S. 386. 138 So Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 272 f.; s. auch Gieg, Conditione, S. 73 ff. 139 Weber, Verbindlichkeit, § 90 III, S. 387 f. 140 § 377 ALR: „Außer dem Fall einer wirklichen Unmöglichkeit, kann wegen veränderter Umstände die Erfüllung eines Vertrags in der Regel nicht verweigert werden." 141 s. hierzu Gieg, Conditione, S. 75 ff.; Stampe, JhJb 72 (1922), S. 348, 365 ff.; Köbler, Clausula, S. 47 ff., sowie zum Codex Theresianus (S. 45 ff.), zum Code Civil und Badischen Landrecht (S. 55 f.), zum österreichischen ABGB (S. 56 ff.) und zum Sächsischen BGB (S. 59 ff.).

Α. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer

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6. Die Ausklammerung der Clausel-Lehre im gemeinen Recht In der Folgezeit blieben die clausula-Lehren der vergangenen Jahrhunderte infolge der Renaissance des Pandektenrechts und dem direkten Rückgriff auf die Quellen des römischen Rechts weitgehend ausgeklammert. In der Literatur wurde die Clausel nur selten mit einer kurzen Widerlegung gewürdigt 142 , meist aber „nur als literarische Notiz mit wenigen Worten oder auch gar nicht erwähnt, und nur sehr selten anerkannt, dass sie auch einen ganz gesunden Kern enthalten habe" 143 . Selbst Windscheid erwähnt die clausula in seinem Lehrbuch des Pandektenrechts nur beiläufig 144 , während er sie in seiner Schrift „Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung" gänzlich totschweigt 145 . Die Ausgangsfrage der ClauselLehre, ob es ein allgemeines Rechtsprinzip gibt, nach dem Verpflichtungen aufgrund veränderter Umstände entfallen, hatte sich für das römische Recht auch gar nicht aufgeworfen. Pfaff resümiert daher 146 : „Und das mag wohl auch oder doch ein Grund dafür sein, dass manche treffliche Juristen, denen die Quellen des Römischen Rechts mit der geschriebenen Rechtsvernunft zusammenfielen, die Clausellehre keiner Widerlegung, ja nicht einmal einer Erwähnung werth gehalten haben. Hätten sie dieselbe etwa nur darum verworfen, weil sie sie für eine blosse Beschönigung des Wortbruchs hielten, so würden sie nicht geschwiegen, sondern die Lehre bekämpft haben." 147 Ebenso wie die Praxis in der Folgezeit von der Clausel in der Regel nur in sehr engen Schranken Anwendung machte oder von ihr gar nichts wissen wollte 1 4 8 , fand sie zumindest als allgemeines Rechtsprinzip bekanntlich auch keinen Eingang in das BGB 1 4 9 , wenn auch von einigen Autoren behauptet wird, die clausula sei sinngemäß in vielen Einzelvorschriften oder zumindest in dem Grundsatz von Treu und Glauben enthalten 150 . 142

Ausdrücklich gegen die Clausel etwa v. Wächter, Pandektenrecht I, S. 439. ι « Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 275 f., m. Nachw.; s. auch Gieg, Conditione, S. 85 ff.; Köbler, Clausula, S. 62 ff. 1 44 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 98/2; S. 514 Fn. 5. 145 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 1, erachtete die fehlende Auseinandersetzung Windscheids mit der Lehre von der clausula rebus sie stantibus denn auch „als einen entschiedenen Mangel seines grundlegenden Werkes". 146 Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 290. 147 Hingegen vermochte die Clausel bei naturrechtlich orientierten Autoren einen höheren Stellenwert einzunehmen, s. etwa Gros, Lehrbuch, § 232, S. 94; einen Überblick über die Literatur des Natur- und Völkerrechts zu dieser Frage gibt Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 279 ff. us s. die Nachw. bei Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 276 ff.

w Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 109, 175 zum Darlehensrecht; RGZ 50, S. 255, 257; RGZ 60, S. 55, 58 f.; RGZ 65, S. 185, 188 u. 192; RGZ 86, S. 397, 398. 150 So etwa Stahl, Clausula, S. 49 ff.; Leetz, Clausula, S. 10 ff.; Bindewald, Clausula, S. 22; Oppenheimer, Clausula, S. 7; Köbler, Clausula, S. 68 ff.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

II. Die Inhomogenität der Clausel-Lehren und die Kontinuität der Lehren von der Geschäftsgrundlage 1. Die wechselvolle Geschichte des Clausel-Gedankens ist ein Spiegelbild des Widerstreits zwischen zwei diametral entgegengesetzten Prinzipien. Gerade die Suche nach einem „gerechten" Ausgleich dieser Prinzipien bildet aber die eigentliche zeitlose Fragestellung, wie sie auch in dem eingangs geschilderten Interessengegensatz zwischen den tilgungswilligen Darlehensnehmern und den Kreditinstituten beispielhaft zutage getreten ist. Findet einerseits das Bestreben Anerkennung, in bestimmten Fällen einen über gegenwärtige oder zukünftige Umstände irrenden Vertragspartner von seinen vertraglichen Pflichten ganz oder teilweise zu befreien, so wird dem andererseits das Prinzip der Vertragstreue entgegengehalten und gefordert, den Irrtum im Beweggrund ausnahmslos für unbeachtlich zu erklären. Aus dieser grundlegenden Antinomie ergab und ergibt sich noch heute das Erfordernis, sowohl den Grund als auch die Grenzen für die Berücksichtigung solcher veränderter Sachlagen zu benennen. Es galt und gilt bis heute aufzuzeigen, weshalb und damit wann eine Clausel oder Geschäftsgrundlage eine Vertragspartei von der Verbindlichkeit ihres Versprechens zu befreien vermag. Anhand der skizzierten Entwicklungsgeschichte der Lehre von der clausula rebus sie stantibus zeigt sich zunächst die erhebliche Inhomogenität der unter diesem Etikett zusammengefassten literarischen Stellungnahmen aus mehr als sieben Jahrhunderten, die sich mit dieser Problematik beschäftigten. Freilich blieb das Grundanliegen sämtlicher Stimmen dasselbe, „das Gebiet zu begrenzen" und „die Fälle zu bestimmen, wo eine an sich rechtsgiltig abgegebene Willenserklärung darum als nicht weiter rechtswirksam angesehen werden darf, weil die Sachlage so geartet ist oder sich so gestaltet hat, dass der Erklärende, wenn er in voller Kenntnis der Sachlage (bezw. der später eingetretenen Veränderung derselben) gewesen wäre, seine Erklärung überhaupt nicht oder doch so nicht abgegeben hätte" 151 . Trotz dieses gemeinsamen Ziels weisen die Begründungen für ein Abgehen von einer vertraglichen Bindung erhebliche Unterschiede auf. So lassen sich einerseits die „subjektiven" und andererseits die „objektiven" Ansätze herauskristallisieren. Während die „subjektiven" Lehren (Pillius, Bartolus, Baldus, Leyser, Kopp, Eberhard) den maßgeblichen Grund einer Berücksichtigung veränderter Umstände in erster Linie in dem „fehlenden" Willen der benachteiligten Partei finden wollen und damit darin, dass diese Partei den Vertrag unter diesen Umständen nicht gewollt haben würde, nehmen die „objektiven" Lehren (Alciatus, Grotius, Cocceji, Weber) den „Irrtum" nur zum Anlass, um aufgrund einer normativen Wertung ein Abgehen vom Vertrag zu erlauben. 2. Nicht nur in dem Anliegen, ein übergreifendes Prinzip der Limitierung der vertraglichen Bindung offenzulegen, sondern auch in den grundlegenden Begründungsmustern, mit denen eine Lösung vom Vertrag gerechtfertigt wird, zeigt sich 151 Pfaff, Festschrift für Unger, S. 221, 290.

Α. Die Lehren von der clausula rebus sie stantibus als Vorläufer

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aber - soviel sei den nachfolgenden Darstellungen der jüngeren Stellungnahmen vorweggenommen - eine erstaunliche Kontinuität der Lehren von der Geschäftsgrundlage mit den Clausel-Lehren. Denn auch sämtliche auf dem heutigen „Markt" befindlichen Konzeptionen zur Geschäftsgrundlage bewegen sich zwischen den Ausgangspunkten der subjektiven und der objektiven Betrachtungsweise. Die clausula-Lehren sind mithin nicht nur als „Vorläufer" der modernen Lehren von der Geschäftsgrundlage zu begreifen, sondern sie sind mit diesen sogar in hohem Maße identisch. Anerkennt man, dass der Zäsur, die mit dem Inkrafttreten des BGB verbunden war, für die hier behandelte Problematik keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, so hat man vielmehr die historische Kontinuität zu betonen und die Lehren von der Clausel als frühe Formen der Geschäftsgrundlagenlehre einzuordnen. Ferner gilt es aber auch, die Zeitlosigkeit der Begründungsansätze nicht nur in ihrer phänomenologischen, sondern auch in ihrer inhaltlichen Dimension zu erfassen. Denn die Dogmengeschichte ist zugleich das Abbild der der rechtlichen Beurteilung unausweichlich vorgegebenen Ausgangspunkte zur Lösung der aufgeworfenen Problematik. Denknotwendig kann das Abgehen von der vertraglichen Bindung nur entweder subjektiv oder aber objektiv legitimiert werden. Die ein schneidende Trennlinie zwischen den Konzeptionen verläuft daher nicht formal als zeitliches oder begriffsjuristisches Merkmal, indem den Bezeichnungen der clausula und der Geschäftsgrundlage maßgebliche Bedeutung zukäme, sondern vielmehr allein inhaltlich zwischen den „subjektiven" und den „objektiven" Lehren. Auch für die folgende systematische Auseinandersetzung mit den neueren Versuchen zur Lösung der Problematik der Störung des Verwendungszwecks bleibt daher die Unterscheidung zwischen „subjektiver" und „objektiver" Rechtfertigung des Abgehens vom Vertrag von entscheidender Bedeutung. Indessen gilt auch dies nur cum grano salis, ohne dass die gewonnene Differenzierung dadurch ihre grundlegende Maßgeblichkeit verlöre. Denn die Grenzen zwischen den Lehren, die den Urgrund für das Entfallen der Gegenleistung bei einer Störung des Verwendungszwecks entweder in einer - subjektiven - Selbstbeschränkung des Willens oder aber in einer - objektiven - Unverbindlichkeit der Willenserklärung erblicken, sind mehr fließend als starr. Zwangsläufig bedingen sich subjektive und objektive Kriterien jeweils gegenseitig. So stellte bereits Locher fest: „Wer auf den Parteiwillen abstellt, wird den empirisch feststellbaren Willen nach objektiven Maßstäben ergänzen müssen, wer einen gesetzlichen Rechtsbehelf annimmt, kann des subjektiven Elements in dem gesetzlichen Tatbestand nicht entraten." 152 Ebenso resümierte Oertmann, jeder „Anhänger der Willenswirkung" müsse auch sachlich-objektive Gründe für die Anerkennung einer Selbstbeschränkung des Willens benennen und wer sich „der Auffassung von einer gesetzlichen Bedeutsamkeit" verschrieben habe, der müsse die Anknüpfung an den privatautonomen Willen der Vertragsparteien aufzeigen 153. Treffend schrieb schließlich auch Kariowa im Jahr 152 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 23.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

1877: „Der einzelne Laie, der das betreffende zusammengesetzte Rechtsgeschäft vornimmt, wird sich nicht immer klar zum Bewusstsein bringen, was das Recht ihn wollen lässt. Recht und Rechtswissenschaft denken für ihn und bringen in begriffsmässige, juristische Gestalt, was von ihm unvollkommen, in nicht juristisch technischer Fassung gedacht und gewollt ist." 1 5 4

B. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung des Willens (sog. subjektive Lehren) I. Der einseitige Vorbehalt des Willens 1. Die Lehre Windscheids von der Voraussetzung a) Die folgende systematische Analyse der Lehren von der Geschäftsgrundlage - und ebenso eine Kritik hieran - soll ihren Ausgangspunkt bei den sog. subjektiven Lehren nehmen, also bei denjenigen, die den fehlenden Willen des Erklärenden als die maßgebliche Rechtfertigung für eine Lösung vom Vertrag bei einer Störung des Verwendungszwecks erachten. Innerhalb dieses subjektiven Ansatzes ist zunächst die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass dem auf einem Irrtum beruhenden Willensmangel in der Weise Einfluss auf die vertragliche Bindung gewährt werden kann, dass man dem erklärten Willen jeweils einen entsprechenden einseitigen Vorbehalt zuschreibt. Es kommt daher für unser Thema der Lehre Windscheids von der Voraussetzung 155 besondere Bedeutung zu, in der der Gedanke einer Beachtlichkeit der einseitigen Selbstbeschränkung des Willens formuliert worden ist. Nach Windscheid bedeutet der von ihm kreierte Begriff der Voraussetzung eine Selbstbeschränkung des Willens, die ebenso wie die Bedingung oder die Befristung „das Rechtsverhältnis, welches durch die Willenserklärung begründet wird, von einem gewissen Zustande der Dinge abhängig macht" 156 . Windscheid unterschied jedoch zwischen der Voraussetzung als „unentwickelter Bedingung", also einer „Willensbeschränkung, die nicht zur Bedingung entwickelt ist" 1 5 7 und der Bedingung selbst. Maßgeblich für die Abgrenzung sei, ob aus der Willenserklärung hervorgeht, dass der Vorbehalt als Bedingung oder als Voraussetzung gewollt 153 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 130. 154 Kariowa, Rechtsgeschäft, S. 177.

155 Windscheid, Voraussetzung; Windscheid/Kipp, Pandekten, §§ 97 ff.; Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161 ff. 156 Windscheid, Voraussetzung, S. 1. 157 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 97, S. 507.

Β. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung

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ist 1 5 8 . Anders als Bedingung und Befristung berühre die Voraussetzung die Existenz des Willens des Erklärenden und damit des Rechtsgeschäfts nicht 1 5 9 . Jedoch sei Voraussetzung „dasjenige, ohne welches man nicht gewollt haben würde" 160 . Ist der Zustand der Dinge anders als vorausgesetzt, so bestehe das Rechtsverhältnis mit dem „wirklichen", aber gegen den „eigentlichen" Willen des Erklärenden. „Wenn der vorausgesetzte Zustand der Dinge nicht ist, oder nicht eintritt, oder aufhört zu sein", existiere „das durch die Willenserklärung begründete Rechtsverhältnis nicht ohne, und doch gegen den Willen des Erklärenden" 161 . Ermangelt ein Rechtsverhältnis des „eigentlichen Willens", so bestehe es ohne Rechtsgrund. Die Ermangelung der Voraussetzung führe dazu, dass zwar ein Wille des Erklärenden existiert, „das Recht" diesen Willen aber für „unwirksam" erkläre, „wenn derselbe nicht dem eigentlichen Willen entspricht" 162 . Die Geltendmachung eines Anspruchs dürfe daher mit einer exceptio (doli) zurückgewiesen und die Erstattung dessen, was jemand „aus einer Willenserklärung hat, deren Voraussetzung ermangelt", könne mit einer condictio verlangt werden. Der Irrtum, dem der Erklärende über den vorausgesetzten Zustand der Dinge unterliegt, ist nach Windscheid jedoch nicht der eigentliche Grund der exceptio und der condictio. Der Irrtum sei nur insofern erforderlich, „als dem sich auf die Ermangelung der Voraussetzung berufenden ohne Irrthum nicht geglaubt werden könnte, daß er in der That unter einer Voraussetzung geleistet habe". „Wer sich darauf beruft, daß die Voraussetzung seiner Willenserklärung nie existent gewesen sei, muß in der Regel sich im Irrthume befunden haben, wenn ihm geglaubt werden soll, daß er unter dieser Voraussetzung geleistet habe, ... daß hinter dem erklärten Willen ein anderer, der eigentliche, stand." 163 b) Selbstverständlich erkannte auch Windscheid die Gefahr, dass mit dem eigentlichen Willen „jedwedes Moment, welches bei einer Willenserklärung von dem Erklärenden in Betracht gezogen worden ist" und damit sämtlichen Beweggründen Einfluss auf das Rechtsverhältnis zugebilligt werden könnte. Auch ihm war schließlich bekannt, „daß das römische Recht dem s. g. Irrthume im Beweggrunde Einfluß auf den Bestand der Willenserklärung nicht einräumt" 164 . So sei es in dem von Lenel 165 gebildeten Fall, in dem je mand Sachen kauft „mit der Erklärung, sie seien für die Ausstattung seiner Tochter bestimmt" „nicht dem mindesten Zweifel unterworfen, daß ein Rückforderungsrecht nicht begründet ist, wenn das 158 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 166. 159 Windscheid, Voraussetzung, S. 1; Windscheid/ Kipp, Pandektenrecht, § 97, S. 510. 160 Windscheid, Voraussetzung, S. 7. 161 Windscheid, Voraussetzung, S. 2. 162 Windscheid, Voraussetzung, S. 2 f. 163 Windscheid, Voraussetzung, S. 6; Windscheid/ Kipp, Pandektenrecht, § 97, S. 510. 164 Windscheid, Voraussetzung, S. 4. 165 Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 225 f. 4 Quass

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Verlöbnis aufgelöst wird" 1 6 6 . Denn: „Auf Willenserklärungen unter Lebenden muß sich Jeder, wie sie abgegeben worden sind, verlassen können. Wird er in seiner Erwartung, daß die als gewollt erklärten rechtlichen Folgen auch wirklich eintreten, getäuscht, so ist das ein großes Uebel." 167 Da aber „das Recht aus überwiegenden Gründen auch vor diesem Uebel nicht" zurückschrecke, versuchte Windscheid dieses „Uebels" Herr zu werden, indem er verlangte, dass die Beschränkung des Willens dem Empfänger der Willenserklärung „als eine erkennbare entgegengetreten" sein muss 168 . Nur gegenüber demjenigen, der die Beschränkung des Willens hätte erkennen müssen, könne diese geltend gemacht werden. Es sei jedoch „an und für sich gleichgültig", ob dieser „die Erkenntnis aus der Willenserklärung selbst, oder nur aus den sie begleitenden Umständen geschöpft hat" 1 6 9 . Obwohl „die Gefahr vorhanden ist, daß eine leichtsinnige Rechtsanwendung die Sicherheit des Rechtsverkehrs in ungemeinem Grade beeinträchtige", nahm Windscheid auch dort eine Voraussetzung an, „wo sie ... durch das Medium des sonstigen feststehenden Inhaltes der Willenserklärung nicht zur Erscheinung gekommen ist". Er wolle daher nicht „die Möglichkeit einer stillschweigenden Willenserklärung in dieser speziellen Anwendung leugnen" 170 . c) „Die Quelle der Entscheidung", ob eine Erklärung unter dem Vorbehalt einer Voraussetzung abgegeben worden ist, kann nach Windscheid „natürlich nur die Auslegung des Willens des Erklärenden sein" 171 . Windscheid wollte hierfür zwischen den „Absichten als solchen" und der „ersten Absicht", in der eine Willenserklärung abgegeben worden ist, unterscheiden. Die Voraussetzung trete in der Willenserklärung nur dann erkennbar hervor, wenn es sich um „die ersten Absichten" handle, „vor denen keine anderen stehen" 172 : „Niemand nimmt eine Vermögenszuwendung um ihrer selbst willen vor. Jede Vermögenszuwendung hat ein Warum, einen Zweck, einen ersten Zweck. Er ist derjenige Zweck, welcher die Vermögenszuwendung aus dem Nichts hervorruft. Wird er nicht erreicht, so ist es ebenso sicher, daß der Zuwendende für diesen Fall die Vermögenszuwendung nicht gewollt haben würde, ... Man darf also sagen, daß die Erreichung des ersten Zwecks der Vermögenszuwendung ihre Voraussetzung bildet. Die Erreichung des ersten Zwecks der Vermögenszuwendung ist nicht möglich ohne eine gewisse Gestaltung der Verhältnisse. Der Zuwendende weiß dies, und man kann daher auch

166 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161,169. 167 Windscheid, Voraussetzung, S. 82; ders., AcP 78 (1892), S. 161, 169: „Wie könnte mit einer anderen Regel irgend welche Sicherheit des Verkehrs bestehen?" 168 Windscheid, Voraussetzung, S. 83. 169 Windscheid, Voraussetzung, S. 83. 170 Windscheid, Voraussetzung, S. 108 f. πι Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 166. 172 Windscheid, Voraussetzung, S. 87.

Β. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung

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die erforderliche Gestaltung der Verhältnisse als die Voraussetzung seiner Leistung bezeichnen."173 Die „erste Absicht" sei somit diejenige, „auf welche zunächst und unmittelbar der Wille gerichtet ist". Gegenüber dieser „ersten Absicht" sei der Wille nicht selbständig, - weil er es nicht vermag, weil er erst durch sie ein Lebensfähiges wird. Ohne sie ist nur ein Schatten vorhanden, ein Schema ohne Fleisch und Bein, - eine Vermögensaufopferung schlechthin, eine Vermögensaufopferung in abstracto, ein Ding, das gewiß nicht gewollt ist, - und doch gewollt ist, - wirklich gewollt ist, aber nicht eigentlich" 174 . Beispielsweise sei „eine erste Absicht dieser A r t . . . die Absicht zu schenken." Ferner „die Absicht, durch die Leistung, die man macht, eine Gegenleistung zu erlangen", wenn „ohne zweiseitigen Vertrag um einer Gegenleistung willen geleistet werde" 175 . Des weiteren sei auch die Absicht, durch eine Leistung „eine Verbindlichkeit zu tilgen" eine „erste Absicht" 176 . Die Erkenntnis, ob es sich bei der „Absicht" um eine solche „erste Absicht" handle, wollte Windscheid indessen allein aus der Auslegung der Willenserklärung selbst gewinnen. Denn es handle sich nicht etwa um eine „beliebig gesetzte sog. Voraussetzung" 177, sondern „um eine Voraussetzung, die nach den Regeln der Auslegung als gewollt objektiv und subjektiv erkannt werden kann" 1 7 8 . Andererseits genüge „die bloße Mitteilung der Motive ... zur Begründung einer Voraussetzung im Rechtssinn nicht", vielmehr sei erforderlich „das Erkennbarwerden des Motivs als eine Willensbeschränkung" 179.

2. Die Lehre von der Voraussetzung als einseitige Berücksichtigung der Beweggründe des Erklärenden a) Windscheids Lehre von der Voraussetzung fand bekanntlich keinen Eingang in das BGB. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Kritik Lenels 180 erklärte sich die Kommission für die zweite Beratung des Entwurfs des BGB für überzeugt, „daß diese Lehre die Sicherheit des Verkehrs gefährde und deshalb als Grundlage für das Gesetzbuch sich nicht eigne". Ihre Aufnahme in das Gesetz brächte die Gefahr mit sich, dass „sich für die Beurteilung der Unterschied zwischen Voraus173 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 175. 174

175 176 177 178 179

Windscheid, Voraussetzung, S. 87 f. Windscheid, Voraussetzung, S. 88. Windscheid, Voraussetzung, S. 93 ff. So aber RGZ 24, S. 169, 170. Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 197. Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 198.

180 AcP 74 (1889), S. 213, 226: „Wie konnte ein Gelehrter wie Windscheid auf eine so offensichtlich unhaltbare Lehre kommen?" - Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 199, entgegnete dem: „Ich glaube nicht, daß der Werth der Lenel'schen Beweisführung dem sieghaften Selbstbewußtsein entspricht, mit dem er auftritt." 4*

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Setzung und Motiv verwische und die Praxis irrtümlicherweise dahin gelangen könne, die Einwirkung eines außerhalb des Vertrages liegenden Beweggrundes zu beachten" 181 . Ungeachtet der weitgehend berechtigten Kritik, die an Windscheids Entwurf zur Lösung auch der Fälle der Störung des Verwendungszwecks geübt worden ist - und auf die noch zurückzukommen sein wird - , ist die Lehre von der Voraussetzung indessen zunächst als eine dem Prinzip der Privatautonomie verhaftete Konzeption zu würdigen. Sie nimmt den Willen des Erklärenden ganz im Sinne der Willenstheorie als den grundsätzlichen Maßstab für die Geltung der Erklärung und benennt so das zutreffende erste Grundaxiom für die Fälle, in denen sich die Wirklichkeit anders entwickelt, als der Erklärende „vorausgesetzt" hat. Anerkennt man den Leitgedanken der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen als einen der Rechtsordnung vorgegebenen und in ihr zu verwirklichenden Wert 182 , so kann man nicht umhin, den - wie ihn Windscheid nennt - „eigentlichen Willen" als den richtigen ersten Grundansatz zur Lösung der hier behandelten Problematik zu erfassen. Denn finden die vereinbarten Rechtsfolgen eines Vertrags ihre Rechtfertigung in der Selbstbestimmung der Vertragsparteien 183 , dann rechtfertigt grundsätzlich - und damit unter dem Vorbehalt einer normativen Einschränkung dieses ersten Grundansatzes - nur der umfassend zu verstehende Wille das auf ihm basierende Rechtsgeschäft. Angesichts dessen kann es bei der Frage nach dem „erklärten Willen" auch nicht nur darauf ankommen, ob ein „wirklicher Wille" bei Abgabe der Erklärung gegeben ist, ob also der Erklärende die Erklärung als solche gewollt hat oder nicht. Denn die diesen Willen erst hervorbringenden Absichten, Beweggründe und Motive sind schließlich nicht minder geeignet, diesen Willen zu charakterisieren. Die Relevanz dieses „eigentlichen Willens" zeigt sich bereits in der Unbeachtlichkeit der durch eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung hervorgerufenen Erklärung, wie sie heute in § 123 Abs. 1 BGB rechtstechnisch als Anfechtungsgrund ihre gesetzliche Anerkennung gefunden hat. Aber auch bei einer Störung des Verwendungszwecks verhält es sich im Grundansatz nicht anders. Stehen die von dem Erklärenden geplanten Verwendungszwecke hinsichtlich einer gekauften Sache geradezu im Mittelpunkt seines wirtschaftlichen Interesses, so stellt es eine künstliche Verkürzung der rechtlich maßgeblichen Gesichtspunkte dar, wenn man diesen Beweggrund bei der rechtlichen Betrachtung von vornherein ausblendet. Auch dann, wenn sich die Verhältnisse anders gestalten, als der Erklärende vorausgesetzt hatte und er unter diesen Umständen die Erklärung gerade nicht gewollt haben würde, besteht diese ohne seinen Willen. Der bei einer Störung des Verwendungszwecks fehlende „eigentliche Wille" ist daher - freilich immer nur als erster Grundgedanke verstanden - für die 181 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 690. 182 Flume, Rechtsgeschäft, § 1 / 1, S. 1. 183 Flume, Rechtsgeschäft, § 1 / 2 e), S. 5.

Β. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung

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Rechtsordnung die Rechtfertigung, die Erklärung trotz des bei Abgabe der Erklärung vorhandenen „wirklichen Willens" als grundsätzlich unwirksam zu behandeln. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Lehre Schmidt-Rimplers von der „Richtigkeitsfunktion des Vertrags" wird auf diesen Gedanken nochmals zurückzukommen sein 184 . b) Indessen kann eine solche Überlegung nur den ersten Ausgangspunkt für die Behandlung der Problematik bilden. Denn eine Rechtsordnung, die den Willen der Rechtssubjekte und damit den Gedanken der Privatautonomie verwirklichen soll, kann notwendigerweise den „eigentlichen" oder „wahren" Willen nur eingeschränkt berücksichtigen. Der vielbeschworene Gesichtspunkt der „Sicherheit des Rechtsverkehrs" ist nur ein Ausdruck für die grundlegende Einsicht, dass das Rechtsinstitut des Vertrags unbrauchbar wäre, wenn jeder Zustand, der nicht den tatsächlich oder auch nur latent vorhandenen Vorstellungen des Erklärenden entspricht, es ihm ermöglichte, sich von seinen Vertragspflichten zu befreien. Denn die Bereitschaft, einen Vertrag zu schließen, setzt notwendigerweise ein bestimmtes Maß an „Vertrauen" in den Bestand des Rechtsgeschäfts und damit in eine grundsätzliche Bindung des Vertragspartners an seine Erklärung voraus. Ist das Rechtsinstitut des Vertrags ein Instrument der Rechtsordnung, mit dem den Rechtssubjekten die Möglichkeit gegeben werden soll, ihren Willen zur maximalen Entfaltung zu bringen, so könnte dieses seine Aufgabe gerade nicht erfüllen, wenn eben dieser Wille in unbeschränktem Maße Berücksichtigung fände 185 . Es ist somit, wie es gerade Windscheid heraushob, eine juristische Technik unentbehrlich, die diesem Erfordernis als Gegengewicht zur unbeschränkten Berücksichtigung des Willens Geltung verschafft 186. In gewisser Hinsicht handelt es sich bei diesem Gegengewicht also durchaus um eine Einschränkung der Privatautonomie durch die Rechtsordnung und damit um ein heteronomes Element der vertraglichen Verpflichtung. Als „technisches" Mittel zur Erreichung dieses Zwecks der weitgehenden Bindung an geschlossene Verträge hat die scharfe Unterscheidung zwischen dem Motiv und der causa in unserer Rechtsordnung eine lange Tradition. Von der in der Rechtsgeschäftslehre des Mittelalters nicht dem Rechtsgeschäft zugeordneten causa impulsiva sagte etwa Baldus (1327 bis 1400): „Proprie non est causa, sed est quoddam motivum." 187 Dieser Differenzierung zwischen causa und motivum 184 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 11: „Nicht die Anfechtbarkeit der Willenserklärung wegen Motivirrtums bedarf ... einer besonderen Begründung, sondern der Ausschluß der Anfechtbarkeit."; s. hierzu ausführlich unten u. 2. Kap. C. I. 2. 185 s. hierzu noch ausführlich unten u. 2. Kap. C. I. 2. c). 186 In einem solchen Gegengewicht ist aber nicht etwa nur ein erheblicher Abwägungsgesichtspunkt zu erblicken, durch den eine Art Kompromiss zwischen der Willensmaxime und dem Verkehrsschutz veranlasst wäre, sondern vielmehr ein Gegenprinzip, das bei bestimmten Willensmängeln zu deren uneingeschränkter Unbeachtlichkeit führt. 187 Baldus, Kommentar zu Cod. 1, 3, 51 unter N. 5; zit. nach Flume, Rechtsgeschäft, §121 5, S. 158.

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kommt mithin der alleinige Zweck zu, den beachtlichen Irrtum vom unbeachtlichen zu scheiden und damit, der Selbstbeschränkung des „eigentlichen" Willens nur in begrenztem Umfang Einfluss auf die Wirksamkeit der Leistungsverpflichtung zu gewähren 188. c) Windscheids Lehre von der Voraussetzung handelt von eben dieser Antinomie, indem in ihr die Voraussetzung als causa der Willenserklärung von den sonstigen Beweggründen - den sog. Motiven - unterschieden wird. Das von der Rechtsordnung geforderte Gegenprinzip der Verbindlichkeit des Leistungsversprechens soll durch einen vertraglichen Konsens durchbrochen werden, der die vorausgesetzten Umstände als für den Vertrag maßgeblich erklärt. Indem Windscheid aber ausschließlich die Willenserklärung nur eines der Vertragspartner zum Untersuchungsgegenstand für die Frage macht, ob der Vertrag unter dem Vorbehalt einer „Voraussetzung" steht, musste er geradezu zwangsläufig an der Aufgabe scheitern, zugleich die Grenzen der Beachtlichkeit der Selbstbeschränkung des Willens zu definieren. Nach Windscheid soll die Beachtlichkeit einer Voraussetzung erfordern, dass eine Willenserklärung erkennbar unter dieser Voraussetzung abgegeben ist, die Voraussetzung also Inhalt des mindestens stillschweigend erklärten Willens geworden ist. Auch Lenel verstand daher die Vorstellung Windscheids dahingehend, dass „der Adressat der Willenserklärung, indem er das Geschäft abschließt, diese Voraussetzung gleichsam acceptire, sich ihr unterwerfe und sich also nachgehends nicht beklagen könne, wenn das Geschäft aufgrund derselben angefochten werde" 1 8 9 . Indem der andere Vertragspartner den Vertrag trotz der erkennbaren Voraussetzung schließt, soll er diese nach Windscheids Lehre also auch als Inhalt des Vertrags akzeptiert haben. Ist der andere Vertragspartner mit der Geltung der Voraussetzung als Vertragsinhalt nicht einverstanden, so könne er schließlich von dem Vertrag Abstand nehmen. Indessen ist der von Windscheid behauptete Konsens hinsichtlich der Voraussetzung rein fiktiv. Denn aus der bloßen Erkennbarkeit der Voraussetzung, also dessen, ohne welches ein Vertragspartner „nicht gewollt haben würde", folgt noch keineswegs das Einverständnis des anderen Vertragspartners, diese einseitige Voraussetzung zur Geltungsbedingung der Vertragspflichten zu erheben. Es stellt sich also die Frage, aus welchem Grund die Annahme gerechtfertigt sein soll, dass ein Geschäftspartner die mitgeteilte Voraussetzung als causa der Erklärung und nicht nur als rechtlich bedeutungslose Mitteilung auffassen muss 190 . Schließlich könnte man ebenso gerade umgekehrt argumentieren, dass der Erklärende bei Nichteintritt bzw. Änderung der erwarteten Umstände an dem Vertrag festzuhalten sei, wenn er den Vertrag trotz einer Voraussetzung geschlossen hat. Ist er mit den 188 s. zur rechtshistorischen Entwicklung und Dogmatik der Lehre von der Unbeachtlichkeit des Motivirrtums Wieling, Jura 2001, S. 577, 578 ff., mit zahlreichen Nachweisen. 189 Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 223; ähnlich auch Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 3 f.

190 Ähnlich auch Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 225.

Β. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung

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Rechtsfolgen des Vertrags nur unter bestimmten Voraussetzungen einverstanden, so obliege es ihm, die Voraussetzung zu einer Bedingung zu erheben, die allerdings einer vertraglichen Vereinbarung bedarf 191 . Genau genommen verlangte Windscheid somit nicht wirklich, dass der Vertragspartner in die Voraussetzung eingewilligt haben muss. Vielmehr folgert er - zu Unrecht - aus dem Umstand der Kenntnis oder der Erkennbarkeit der Voraussetzung für den Gegner, dass er diese zwangsläufig auch akzeptiert habe. Da also die sich aus der Willenserklärung nur eines Vertragspartners ergebende Voraussetzung nicht eigentlich von einem Konsens der Vertragsparteien getragen wird, bleibt sie eine einseitige Selbstbeschränkung des Willens, die somit gerade nicht zum Inhalt des Vertrags gehört. Es ist gegen Windscheids Lehre von der Voraussetzung daher der grundlegende Einwand zu erheben, dass sie eine einseitige Selbstbeschränkung des Willens zur causa des Rechtsgeschäfts und damit zum geltungsbeschränkenden Inhalt des Vertrags erhebt. Soll die unentwickelte Bedingung auch Vertragsinhalt sein, so setzt dies die Akzeptanz durch den Vertragspartner voraus. Den Beweis, dass der Vertragspartner eine erkennbar in Erscheinung getretene Voraussetzung als Vertragsinhalt akzeptiert, hat Windscheid indessen nicht geführt. Ungeachtet der praktischen Auslegungsprobleme, die bei der Frage auftreten, ob eine Willenserklärung unter einer Voraussetzung abgegeben wurde und insbesondere, ob die Voraussetzung für den Vertragspartner erkennbar war, fehlt somit der Lehre von der Voraussetzung das erforderliche Element, das es rechtfertigt, die (einseitige) Selbstbeschränkung des Willens trotz des Gegenpols der sog. „Sicherheit des Rechtsverkehrs" als maßgeblich für die Geltung der vertraglichen Pflichten anzuerkennen. d) Auf diesem grundlegenden Befund fußt letztlich die Kritik, die in Schrifttum und Rechtsprechung gegenüber der Voraussetzungslehre vorgebracht worden ist. Insbesondere wurde bemängelt, dass zwischen der „Voraussetzung" im Sinne Windscheids und einem Motiv kein Unterschied bestehe und sich daher eine Unterscheidung nicht durchführen lasse 192 . Zu Recht bemerkte Lenel: „Ein solcher Rechtssatz würde im materiellen Ergebnis darauf hinauslaufen, dem anderen Theil eine Bedingung zu octroyiren, die dieser als solche nicht acceptirt hat 1 9 3 ." Krückmann kritisierte, man könne „von einem Nichtgewollthaben niemals sprechen, wenn in der Willenserklärung auch nicht der leiseste Ansatz zu einer Bedingung enthalten ist" 1 9 4 . „Wenn eine Partei, weil sie nach Abgabe der Erklärung ihren Willen geändert hat, gegen ihre eigene äußerlich unbedingte und vorbehaltlose 191

So das Argument derjenigen Autoren, die eine Berufung auf die Unzumutbarkeit der Vertragserfüllung bei einer „Vorhersehbarkeit" der Zweckstörung ausschließen wollen; s. hierzu noch i. Folg. unten u. D. I. 3. 192 Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 220 ff.; Wendt, Reurecht I, S. 19 f.; Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 3; Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 4 f.; Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 21 f.; RGZ 24, S. 169; RGZ 62, S. 267, 268; Wieling, Jura 2001, S. 577, 584. 193 Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 221. 194 Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 3.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Erklärung angehen will, muss ihr dazu ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite stehen, sie muss die besonders zu rechtfertigende Erlaubnis haben, anderswollen zu dürfen. Diesen Rechtfertigungsgrund hat Windscheid nicht angegeben." 1 9 5 Auch mit dem Erfordernis, dass es sich bei der Voraussetzung um eine sog. „erste Absicht" handeln müsse, erreichte Windscheid nicht die erforderliche Einschränkung der viel zu weit reichenden Beachtlichkeit des „eigentlichen Willens". Demjenigen Zweck, „welcher die Vermögenszuwendung aus dem Nichts hervorruft" 1 9 6 und derjenigen Absicht, „auf welche zunächst und unmittelbar der Wille gerichtet ist", kommt immer noch dieselbe Weite zu, die Windscheid selbst als „großes Uebel" bezeichnete. Zudem erscheint auch dieses Abgrenzungsmerkmal als nicht praktikabel. Versucht man, das Kriterium der „ersten Absicht" beispielsweise bei der Lösung des oben bereits dargestellten Krönungszugfalls 197 anzuwenden, in dem der gemietete Fensterplatz aufgrund des Ausfalls des geplanten Krönungszugs für den Mieter nutzlos und damit wertlos wurde, so könnte man zwar argumentieren, dass das Betrachten des Krönungszugs derjenige Zweck sei, „auf welchen zunächst und unmittelbar der Wille des Mieters gerichtet" war. Andererseits ließe es sich aber auch mit guten Gründen vertreten, dass sich die „erste Absicht" des Mieters allein auf den Fensterplatz als solchen bezog. Ebenso kann bei der Gewährung eines Darlehens kaum verneint werden, dass die Absicht des Darlehensnehmers primär „darauf gerichtet" ist, das Geld etwa für bestimmte Konsumzwecke zu verwenden. Dennoch wird man die Störung einer solchen Nutzung nicht als eine Willensbeschränkung gelten lassen, die eine Lösung vom Vertrag rechtfertigen könnte. Die gefährliche Unbestimmtheit des Kriteriums der „ersten Absicht" tritt weiter angesichts des ebenfalls bereits erwähnten Schulfalls zutage, in dem ein Brautvater eine Aussteuer für seine verlobte Tochter erwirbt, die Hochzeit jedoch überraschend ausfällt 198 . Auch hier könnte man behaupten, die „erste Absicht" des Käufers sei die Verwendung der Ausstattungsgegenstände als Hochzeitsausstattung seiner Tochter gewesen. Nach Windscheid ist es jedoch in diesem Fall „nicht dem mindesten Zweifel unterworfen, dass ein Rückforderungsrecht nicht begründet ist, wenn das Verlöbnis aufgelöst wird" 1 9 9 . Wie sehr sich das in der Lehre von der Voraussetzung fehlende, die Selbstbeschränkung des Willens wiederum beschränkende Moment als ein Mangel dieser Lehre erweist, wird ferner anhand von zwei Fällen aus dem Lehrbuch von Bekker 2 0 0 deutlich, die Windscheid wie folgt behandelt201: „Jemand kauft Wertpapiere 195 Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 10. 196 Windscheid, Voraussetzung, S. 175. 197 Vgl. oben u.l.Kap. A.II. 2. 198 Vgl. oben u.l.Kap. A. II. 1. 199 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 169, s. bereits oben u. 1. b).

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in der Meinung, daß sie im Kurse steigen werden; der Bankier hat ihm gesagt, daß dies auch seine Meinung sei. Kein Zweifel, daß der Käufer den Kauf nicht rückgängig machen kann, wenn die Papiere fallen. Hätte er freilich, wie Bekker den Fall darstellt, gesagt: er kaufe ,in der erklärten Voraussetzung' des Steigens, so würde ich anders entscheiden." Es soll also nach der Auffassung von Windscheid auch hier allein einseitig von dem als „beschränkt" erkennbaren Willen des Erklärenden - und nicht etwa von einem wirklichen Konsens - abhängen, ob der Erklärende bei Nichteintritt der vorausgesetzten Umstände an das Geschäft gebunden bleibt. Auch im zweiten Beispielsfall macht Windscheid deutlich, dass er den Erklärungsempfänger bereits dadurch in ausreichender Weise gegen die „Vereinbarung" erkennbarer Voraussetzungen geschützt ansieht, dass es dem Erklärungsempfänger freisteht, ob er den Vertrag unter der Voraussetzung abschließt: „Jemand kauft ein Eisenbahnbillett in der erklärten Voraussetzung, daß er es persönlich werde benützen können, würde er wohl von dem Schalterbeamten die Antwort erhalten, daß er sich auf eine solche Beschränkung nicht einlasse." Schließlich dokumentiert Windscheids Lösung eines weiteren Falles anschaulich die Fragwürdigkeit seiner Lehre: „Es kauft Jemand ein Grundstück in der Erwartung, daß dasselbe durch Anlegung einer öffentlichen Straße für Bau zwecke werde verwendbar werden. Erscheint ihm die Anlegung der Straße als ungewiß, so wird er sagen, er kaufe unter der Bedingung der Anlegung. Nun aber ist die Anlegung der Straße von den zuständigen Organen beschlossen, es fehlt nur noch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde, deren Ertheilung in Aussicht steht, aber noch nicht erfolgt ist. Deswegen hält es der Käufer für angemessen, zu erklären, daß er in der sicheren Voraussetzung der Ertheilung der Genehmigung kaufe: wird man aus seiner Erklärung eine Bedingung herauslesen wollen?" 202 Auch hier ist nicht der eigentliche Grund benannt, weshalb gerade die Anlegung der Straße im Unterschied zu anderen Motiven als Voraussetzung Eingang in den Vertrag gefunden haben soll. Die normative Wertung, nach der sich die Einbeziehung der Anlegung der Straße in das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis bemisst, bleibt bei Windscheid vielmehr im Dunkel. Wie noch zu zeigen sein wird, stellt es aber das Grundproblem sämtlicher noch zu behandelnder Lösungsversuche der Zweckstörungsproblematik dar, dass sie nicht zu erklären vermögen, weshalb ein bestimmter Verwendungszweck als causa der Gegenleistung anerkannt werden soll.

200 Bekker, Pandekten II, S. 276. 201 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 198, Fn. 73. 202 Windscheid, AcP 78 (1892), S. 161, 164.

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II. Der akzeptierte Vorbehalt des Willens 1. Die Lehre Oertmanns von der Geschäftsgrundlage a) Aus der angesichts der Windscheid'schen Voraussetzungslehre gewonnenen Erkenntnis, dass „ein einseitiger Vermerk bloß einer Partei... nicht wohl vertragsmäßige Folgen haben könne" 203 , ergibt sich systematisch eine zweite Möglichkeit, aus der Selbstbeschränkung des Willens das Entfallen der Gegenleistungspflicht bei einer Störung des Verwendungszwecks zu begründen. Es ist dies der von Oertmann vorgeschlagene Weg, die Selbstbeschränkung des Willens immer dann als beachtlich anzuerkennen, wenn diese von der Gegenpartei tatsächlich akzeptiert worden ist. Das Motiv werde so zur Grundlage des Vertrags und damit zu dessen causa, wenn sie „eine dem gesamten beiderseitigen Geschäft übereinstimmend gemeinsame Grund- und Unterlage ist" 2 0 4 . Die „Geschäftsgrundlage" ist daher nach der Oertmann'sehen Formel „die beim Geschäftsschluß zutage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut" 205 . Die Geschäftsgrundlage wurde von Oertmann - ebensowenig wie zuvor von Windscheid die Voraussetzung - nicht etwa als „unmittelbarer Bestandteil, beschränkende Klausel des Geschäftswillens und der geschäftlichen Erklärung" begriffen, sondern nur als „Willensergänzung". Diese erläutere „nicht den Parteiwillen, wie er nun einmal da ist und nur noch der klärenden Ermittelung bedarf," sondern sie ergebe „nur hypothetisch, wie er vermutlich beschaffen gewesen wäre, wenn die Parteien die Verschiedenheit der Entwicklungsmöglichkeiten ins Auge gefaßt hätten". Die Geschäftsgrundlage trete „im geschäftlichen Tatbestand nicht als dessen Bestandteil hervor". Sie habe „nicht Auslegungswert für den Sinn der Erklärung und damit des Geschäfts," sondern stehe „neben oder, wenn man will, hinter diesem" 206 . Sie sei also nicht stillschweigend miterklärte Bedingung. Vielmehr handle „es sich bei ihr um Umstände, die die Parteien zur Bedingung erhoben haben würden, wenn sie sich der Zweifelhaftigkeit des Umstandes bewußt gewesen wären" 207 . Die Geschäftsgrundlage, die sich „auf das Sein oder den Fortbestand oder den Neueintritt gewisser Umstände" beziehen kann, bleibt aber bei Oertmann davon abhängig, „was die Parteien sich als maßgebende Grundlage vorgestellt haben" 208 . 203

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 3. Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 24; Hervorheb. nicht i. O. 205 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 37. 206 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 33, 133 f. 204

207 208

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 38 f. Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 35.

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Er fasst die Geschäftsgrundlage somit „subjektiv" und „beschränkt" „die Bedeutsamkeit auf solche Umstände, die für den Willensentschluß ... maßgebend ... waren". Die Rechtsordnung habe „nur die Folgerungen zu ziehen, die sich daraus ergeben, daß der Parteiwille auf diesem oder jenem Umstand als auf seiner Grundlage beruht" 209 . Bewertete man die Wirkung hingegen „nach objektiven Gesichtspunkten . . . , so würde man jeder Partei ein Rücktrittsrecht geben, soweit gewisse für den durchschnittlichen Willensentschluß typisch maßgebende Umstände sich geändert haben". Einerseits riefe dies jedoch „eine maßlose Unsicherheit" hervor, andererseits würde man so „den besonderen Parteiwillen, den individuellen Interessen Gewalt antun". Denn „Inhalt und Gegenstand des Geschäfts bestimmen sich durch die Parteien," also könne „es doch auch nur von ihnen abhängen, ob und welche Umstände eine maßgebende Grundlage für ihren Geschäftsschluß abgeben sollen" 210 . Nur die Folgen eines Fehlens der Geschäftsgrundlage ergeben sich nach Oertmann aus dem Gesetz, indem der Geschäftsgrundlage „Bedeutung nicht auf Grund des Parteiwillens, sondern auf Grund gesetzlicher Anerkennung" zuzuerkennen sei. Es handle sich „um die gesetzliche Verwertung von Momenten, die dem Willensbildungsprozeß der Parteien angehört haben, als ihrem Willensentschluß zugrunde liegende Vorstellungen" 211. b) Der „entschiedene Gegensatz gegenüber einer einseitigen, dem Gegner bloß erkennbaren Voraussetzung im Sinne Windscheids " bestehe darin, dass die „einseitige erkennbare, aber vom Gegner trotzdem nicht erkannte und daher nicht gebilligte Voraussetzung ... belanglos" sei 2 1 2 . Von dem „bloßen Motiv aber auch von der Voraussetzung in dem Sinne Windscheids" unterscheide sich die Geschäftsgrundlage also dadurch, dass es sich „nicht nur um die subjektive Grundlage für den Willensentschluß und die Erklärung einer der... beteiligten Personen" handle, sondern „um die objektive Grundlage des Geschäfts als solchen" 213 . Die Geschäftsgrundlage müsse daher „stets für beide" Parteien „bestanden haben", indem „der Gegner des Irrenden" zwar „nicht selbst die falsche Vorstellung" hege, „aber er weiß, daß sie die Grundlage für dessen Willensentschluß gebildet hat. Und wenn er mit dieser Kenntnis auf das Geschäft eingeht, so erhebt er auch seinerseits diesen Umstand ohne weiteres zu einem für das Geschäft entscheidenden, zur objektiven Geschäftsgrundlage" 214. Es reiche zwar nicht, „daß das Motiv dem Gegner mitgeteilt wird", denn „in dem äußeren Tatbestande des Geschäftes" müsse „auf den Umstand als die Grundlage der Abmachung erkennbar Bezug genommen sein". Es genüge aber eine stillschweigende Bezugnahme, indem „das Geschäft, sei es vom Beobachtungsstandpunkt des objektiven Beurteilers, sei es von dem 209 210

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 36, 142, 154.

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 36, Hervorheb. i. O. Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 128 ff., insb. S. 134 f., 142. 212 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 38; Hervorheb. i. O. 2 13 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 27, 29, 132. 214 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 28 f.

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subjektiven Standpunkt der Parteien, in erkennbarer Beziehung auf diesen oder jenen als vorhanden oder künftig eintretend vorgestellten Umstand geschlossen wird" 2 1 5 . c) Oertmann erklärte schließlich die Fälle den Eigenschaftsirrtums i.S. des § 119 Abs. 2 BGB für einen Unterfall des Fehlens der Geschäftsgrundlage, sofern es sich nicht nur um einen einseitigen Irrtum über die Eigenschaft handle, sondern „die in Wahrheit nicht vorhandene Eigenschaft beiderseits als Vertragsgrundlage unterstellt" ist 2 1 6 . Ebenso sei das Wandlungsrecht „bei Mängeln der Kaufsache" nach § 459 Abs. 1 BGB a.F. ein Fall, in dem „die Anerkennung der Geschäftsgrundlage das leitende rechtspolitische Prinzip gebildet hat". „Denn es ist die selbstverständliche, dem Verkäufer ohne weiteres klar werdende Grundlage für den Geschäftswillen des Käufers, daß die Ware zum gewöhnlichen Gebrauchszwecke auch wirklich verwendbar sei" 2 1 7 . Schließlich soll auch für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks die Geschäftsgrundlage den treffenden Gesichtspunkt bezeichnen, da „die Vorstellung der Partei... von der Eignung des Geschäfts für einen zu erreichenden Zweck ... zwar... zunächst subjektiv" sei, diese werde „aber darüber hinausgehoben dadurch, daß der Gegner sie erkennt und in ihrer Bedeutung für den Geschäftsschluß mindestens stillschweigend genehmigt" 218 .

2. Die Oertmann'sche Formel als Fiktion eines Konsenses a) Die Lehre Oertmanns und seine sog. subjektive Formel hatten durchschlagenden Erfolg: sie wurden zur „herrschenden Meinung" und seit RGZ 103, S. 328, 332 2 1 9 , zur „ständigen Rechtsprechung" 220, auch wenn der „Formel" in der heutigen Rechtsprechung eine „entscheidungserhebliche oder tatbestandsbildende Funktion" nicht mehr zugesprochen wird 2 2 1 . Die Lehre von der Geschäftsgrundlage bildet seitdem einen „(nahezu) allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz", der es ermöglichen soll, den starren „Grundsatz der Vertragstreue (pacta sunt servanda)" zugunsten einer erwünschten Flexibilität zur „Anpassung des Vertragsinhalts an die veränderten Verhältnisse" einzuschränken 222. Eine bestechende Wirkung muss wohl insbesondere von dem metaphorischen Begriff der „Geschäftsgrund215

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 29 f. 16 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 50 ff., 125.

2

217

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 71 f., 125 f. Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 141, 149. 219 Urteil vom 3. Februar 1922 - „Vigogne-Spinnerei". 22 0 s. etwa BGHZ 2, S. 176, 188 ff.; BGHZ 25, S. 390, 392; BGHZ 84, S. 1, 8 f.; BGHZ 89, S. 226, 231; BGHZ 120, S. 11, 23; BGHZ 121, S. 378, 391; BGHZ 128, S. 230, 236; BGH NJW 1984, S. 1746,1747; BGH NJW 1991, S. 1478; BGH NJW 1993, S. 1856, 1859. 218

22 1 Köhler, Unmöglichkeit, S. 117; Kegel, Gutachten, S. 157, 161; Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 112; Rüthers, Auslegung, S. 52; Emmerich, Grundlagen, S. 449. 222 So etwa Jauernig/ Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 242 Rn. 64.

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läge" selbst ausgegangen sein, durch den es möglich schien, all jene Umstände in eine neben den Vertragsrahmen tretende Hilfskategorie zusammenzufassen, die zwar nicht als Vertragsinhalt angesehen werden können, aber dennoch in rechtlicher Hinsicht Beachtung finden sollen 223 . Oertmann verfolgte ebenso wie Windscheid einen subjektiven Ausgangspunkt, indem er die Vorstellungen der Parteien von den Umständen als hypothetische Willensergänzung verstand, aus denen die Rechtsordnung lediglich die Folgerungen zu ziehen habe 224 . Die Vorstellung von dem „Sein", dem „Fortbestand" oder dem „Neueintritt gewisser Umstände" muss nach Oertmann als psychologische Tatsache empirisch nachweisbar sein. Es wurde daher der Einwand erhoben, dass es nicht gerechtfertigt erscheine, generell solche Umstände, von denen sich die Parteien gerade keine Vorstellungen gemacht haben, für unbeachtlich zu erklären. Insbesondere, wenn es sich um unvorhersehbare Ereignisse wie etwa Kriege, Naturkatastrophen oder eine schwere Erkrankung einer Partei handelt, könne man kaum sagen, die Parteien hätten sich hierüber irgendwelche Vorstellungen gemacht, auf denen sich dann ihr Geschäftswille aufbaue 225. So kann es beispielsweise beim Krönungszugfall in der Tat auch keinen Unterschied machen, ob der zu krönende König vorhersehbar an einem alten Leiden erkrankt, das den Vertragsparteien bekannt gewesen ist, oder ob er einem von den Parteien nicht bedachten Attentat zum Opfer fällt und deshalb der Festzug nicht stattfinden kann. Dieser Einwand verkennt indessen, dass die Oertmann'sehe Formel so weit gefasst ist, dass das Bestehen einer Geschäftsgrundlage an diesem Erfordernis wohl niemals scheitern wird. Gerade bei der Vorstellung vom „Fortbestand ... gewisser Umstände" anerkannte Oertmann, dass „der psychologische Vorgang am abgeblaßtesten" sei, „weil man sich über die Konstanz der vorhandenen Verhältnisse um so weniger Gedanken macht, je selbstverständlicher man damit rechnet. 223 Rothoeft, Irrtumslehre, § 9 Ziff. 1; ders., AcP 170 (1970), S. 230, 233, 236, unter Hinweis auf die Ursächlichkeit der Lehre Zitelmanns (Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879), der diejenigen Parteivorstellungen als unbeachtlich aus der sog. „Absicht" ausschied, die nicht erforderlich sind, um die erstrebten Rechtsfolgen zu individualisieren. Die übrigen Vorstellungen von der Wirklichkeit, wie etwa die Eigenschaften oder der Verwendungszweck einer Sache, konnten demnach nicht als Teil des rechtsgeschäftlichen Willens begriffen werden, so dass eine Kategorie neben dem Vertrag gefunden werden musste, um diese Umstände als vertragserheblich erfassen zu können; s. hierzu Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 13; ders., Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 498, und noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. I. 4. c). 224 in dieser Interpretation ebenso Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 7: „Er hielt... an dem Ausgangspunkt Windscheids, nämlich einer rein psychologisch verstandenen »Willenstheorie', fest und verstand unter der GG demgemäß eine psychologisch-reale Vorstellung, die für den Willensentschluß der einen Geschäftspartei bestimmend geworden sei." 225 Stampe, JhJb 72 (1922), S. 348, 382; Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 16 ff.; SchmidtRimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 22; Kegel, in: Kegel /Rupp/Zweigert, Einwirkung, S. 108; Kegel, Gutachten, S. 13; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 314; Jauernig/ Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 242 Rn. 67; P. Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 179; Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 89; Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 7 f.; Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 7 f.; Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 24.

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Aber fehlen tut die Vorstellung auch hier nicht. Denn ganz ohne Vorstellungen handelt niemand; wer bei seinem Willensentschluß nicht die Vorstellung eines möglichen Wechsels der Dinge gehabt hat, der baut ihn eben auf der Grundlage der vorhandenen oder als vorhanden angenommenen Gestaltung der Gegenwart auf' 2 2 6 . Notwendigerweise beschränkte Oertmann also seine Geschäftsgrundlage in Wahrheit gar nicht auf psychologisch-reale Vorstellungen, sondern muss sie auf sämtliche logisch-immanente Voraussetzungen der Willenserklärung erweitern 227 . Eine Beschränkung wäre schließlich auch kaum durchführbar, denn es ist allein eine Frage des Bezugspunktes, ob man zu einer psychologisch-realen Vorstellung gelangt oder nicht. Beim Krönungszugfall etwa kann man sowohl die Vorstellung von der fortbestehenden Gesundheit des Königs für maßgeblich erachten als auch die Vorstellung von dem Defilee des Krönungszuges selbst. Jeder Krieg, jede Naturkatastrophe, jede Erkrankung einer Partei hat schließlich nicht als solche Auswirkungen auf den hypothetischen Partei willen. Die Tatsache, dass man bei bestimmten veränderten Umständen „nicht gewollt haben würde", ergibt sich vielmehr erst durch die Auswirkungen dieser Umstände auf solche Umstände, über die sich die Parteien unzweifelhaft Gedanken gemacht haben 228 . Insbesondere werden die Vertragschließenden ausnahmslos eine Vorstellung davon haben, wie die vertragliche Leistung verwendet werden könnte. Eine wirkliche subjektive Eingrenzung ist somit bei Oertmann gar nicht erfolgt und konnte auch nicht erfolgen. Vielmehr ist insoweit „eine klare Umgrenzung seines Begriffs nicht gelungen" 229 . b) Oertmann schränkte die Beachtlichkeit des hypothetischen Parteiwillens indessen durch ein zweites und bedeutsameres Erfordernis ein: Seine Lehre verlangt, dass der betreffende Umstand für das gesamte Geschäft und nicht nur für die einzelne Erklärung zur Grundlage geworden sein muss. Damit seien „alle die Bedenken, die man aus Gründen der Verkehrssicherheit mit Recht ... geltend gemacht hat, ... belanglos" 230 . Dem wäre an sich nicht zu widersprechen, da es durchaus gerechtfertigt erscheint, den Anspruch des Gegners zumindest immer dann von den Hoffnungen, Erwartungen und Beweggründen des Erklärenden abhängig zu machen, wenn sich der Gegner damit einverstanden erklärt hat. Denn ein „Vertrag ist 'richtig', weil und soweit er von der beiderseitigen Selbstbestimmung der Vertragschließenden getragen ist" 2 3 1 . Die Parteien selbst sind frei, ihr Rechtsverhältnis 226

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 37, Hervorheb. i. O. Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 10. 228 Daher war etwa der BGH in der Klimbim-Entscheidung, BGHZ 133, S. 281, 293, in der es um die Auswirkungen der Wiedervereinigung auf einen urheberrechtlichen Nutzungsvertrag ging, der Auffassung, es komme nicht darauf an, ob sich die Parteien „bewusste Vorstellungen über den Fortbestand der DDR gemacht haben," es genüge, dass „dieser für sie selbstverständlich war". 229 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 9: „Diese methodische Unklarheit wirkt sich nun aber praktisch dahin aus, daß die Oertmann'sche Formel geradezu uferlose Ausdehnung gewinnt." 230 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 30. 23 1 Flume, Rechtsgeschäft, § 1 / 6 a), S. 8. 227

Β. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund einer Selbstbeschränkung

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im Rahmen der Rechtsordnung zu gestalten, so dass ein Einverständnis des Erklärungsgegners in die Maßgeblichkeit eines Umstands jedes Bedenken beseitigt, die Gegenleistungspflicht etwa im Falle der Zweckstörung entfallen zu lassen. Oertmann erkannte durchaus richtig, dass „Inhalt und Gegenstand des Geschäfts ... sich durch die Parteien" bestimmen und es also „doch auch nur von ihnen abhängen" könne, „ob und welche Umstände eine maßgebliche Grundlage für ihren Geschäftsschluß abgeben sollen" 232 . Erhebt also „der Gegner des Irrenden" den Umstand „zu einem für das Geschäft entscheidenden, zur objektiven Geschäftsgrundlage", so scheint die Andersartigkeit des Umstands Grund genug zu sein, um dem Gegner das Verwendungsrisiko aufzuerlegen. Bei genauerer Betrachtung folgt jedoch aus der Oertmann'sehen Formel ein solches Einverständnis des Gegners nicht. Selbst aus der positiven Kenntnis des Erklärungsempfängers sowohl von der Vorstellung des Erklärenden über einen bestimmten Umstand, als auch davon, dass dieser Umstand für den Erklärenden „die Grundlage für dessen Willensentschluß gebildet hat", folgt keineswegs das Einverständnis des Erklärungsempfängers, diesen Umstand auch zu einer Grundlage des gesamten Geschäfts zu erheben. Einem unterlassenen Widerspruch dürfte vielmehr meist nur die Bedeutung zukommen, dass der Gegner den geplanten Verwendungszweck zur Kenntnis nimmt 2 3 3 . Eine Vereinbarung über die Beachtlichkeit eines Parteimotivs besteht in der Regel also gerade nicht. Allenfalls kann in dem Einverständnis mit dem Verwendungszweck der anderen Vertragspartei eine stillschweigende Vereinbarung erblickt werden, nach der etwa eine verkaufte Sache eine bestimmte Beschaffenheit aufweisen muss, die sie zu diesem Zweck geeignet macht. Eine Abrede über die Maßgeblichkeit eines außerhalb des Leistungsgegenstands liegenden Umstands für das Geschäft ist damit jedoch nicht ohne weiteres verbunden. Aus der Tatsache, dass ein Vertragspartner einen Vertrag in Kenntnis des geplanten Verwendungszwecks seines Gegenüber schließt, ergibt sich aber ebensowenig ein objektiver Grund, bei einer Störung dieses Verwendungszwecks die Gegenleistungspflicht entfallen zu lassen. Denn die schlichte Kenntnis von der geplanten Nutzung rechtfertigt es noch nicht, den Gegner so zu behandeln, als habe er sein Einverständnis in die Maßgeblichkeit dieses Verwendungszwecks erklärt. Es besteht keine allgemeine Pflicht oder Obliegenheit, Vorstellungen des Vertragspartners zu beanstanden234. Selbst die erkannte Selbstbeschränkung des Willens kann daher nicht bedeuten, dass der Anspruch des Erklärungsgegners von bestimmten äußeren Umständen abhängig zu machen wäre. Den bereits erwähnten Testfall

232

Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 36. 33 Ebenso Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 4 ff., 67; Stampe, JhJb 72 (1922), S. 348, 381 f.; Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 22; Kegel, Gutachten, S. 156; Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 32 f., 90 f.; Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 237; Häsemeyer, Festgabe für Weitnauer, S. 67, 71; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 64 f. 2 34 Ebenso Köhler, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 298. 2

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Lenels 235 , in dem der Vater die Aussteuer ausdrücklich für die Heirat seiner Tochter kauft, die Hochzeit jedoch wider Erwarten ausfällt, müsste Oertmann konsequenterweise im Sinne einer Beachtlichkeit des mitgeteilten und damit vom Gegner erkannten Motivs lösen! Nicht das mehr oder minder starke Hervortreten eines Umstands in der Erklärung kann also das maßgebliche Kriterium sein, das den sonst unbeachtlichen Beweggrund zur beachtlichen Geschäftsgrundlage erhebt. Auch Oertmann gelingt es daher nicht, einen materialen Grund dafür zu benennen, weshalb sich aus einem Vertragsschluss in Kenntnis des geplanten Verwendungszwecks des Gläubigers der Sachleistung ergeben soll, dass der Schuldner der Sachleistung das Risiko einer Andersartigkeit der Wirklichkeit, die zu einer Störung des Verwendungszwecks führt, zu tragen hat. Kurzum glückt es auch Oertmann nicht, die Geschäftsgrundlage von den Motiven abzugrenzen 236. c) Zu welchen zweifelhaften Ergebnissen letztlich die Unklarheit von Grund und Grenze der causa der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung führt, zeigte Oertmann selbst anhand eines Beispielsfalles 237: „Ich entsinne mich noch eines in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Industriekreisen meiner westfälischen Heimat vielbesprochenen Falles: ein großes Werk hatte einen Dauervertrag über die Lieferung der bei der Stahlherstellung übrigbleibenden Schlacke zu niedrigem Preise geschlossen. Infolge technischer Erfindungen ergab sich demnächst eine sehr bedeutende Verwendungsmöglichkeit für die Schlacke, und jenes Werk, das sie seinerseits wegen jenes Vertrags nicht für sich behalten konnte, wurde konkurrenzunfähig und in seinem Bestände erschüttert. Ob es ihm damals gelungen ist, vom Vertrag loszukommen, weiß ich nicht. Im Sinne der vorliegenden Arbeit wäre ihm die Möglichkeit zweifellos zuzusprechen." Oertmann rechtfertigte seine Lösung mit der offenbar von dem Gedanken der Billigkeit geprägten Erwägung, „die übernommene Pflicht würde dem Schuldner zum Ruin werden, dem Gläubiger ungezählte und ungeahnte Millionengewinne in den Schoß werfen können" 238 . Ebenso wie zuvor bereits Windscheid, scheiterte also auch Oertmann an der Aufgabe, den maßgeblichen Grund für eine Beachtlichkeit der Veränderung von bestimmten Umständen zu finden, die die Parteien zwar nicht in die vertragliche Vereinbarung aufgenommen haben, aber dennoch ein Abgehen von der vertraglichen Bindung rechtfertigen sollen. Fragt man nach der Ursache dafür, dass auch Oertmanns Geschäftsgrundlagenlehre nicht den zutreffenden subjektiven Anhaltspunkt für ein objektives Leistungsverweigerungsrecht zu nennen vermag, so dürfte das Fazit lauten, dass Oertmann an der Vielgestaltigkeit der Fälle scheitern musste, für die er die Geschäftsgrundlage als allgemeines Rechtsprinzip einzuführen ge235 Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 265 f. 236 Ebenso Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 7 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 314; Ρ Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 179; Jauernig / Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 242 Rn. 67. 237 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 136 Fn. 1. 238 Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 136.

C. Die hypothetische Partei Vereinbarung

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dachte. Von der Feststellung einzelner gesetzlich oder quellenmäßig oder durch die Rechtsprechung anerkannter Fälle behauptete Oertmann das in ihnen angeblich gefundene allgemeine Prinzip ableiten zu können 239 . Jedoch sind die „der Lehre von der Geschäftsgrundlage zugeordneten Fälle ... in Wahrheit so verschiedenartig, daß sie einheitlich gar nicht erfaßt werden können" 240 . Der rechtfertigende Grund für ein Entfallen der Gegenleistungspflicht bei einer Störung des Verwendungszwecks ist also erst noch zu finden 241 .

C. Die hypothetische Parteivereinbarung bei hypothetischer Kenntnis bzw. Berücksichtigung des Risikos der Störung des Verwendungszwecks I. Die Geschäftsgrundlage als die den Vertragsparteien gemeinsame Wertungsgrundlage 1. Die Lehre Schmidt-Rimplers von der Richtigkeitsfunktion des Vertrags a) Weder die Lehre von der Voraussetzung noch die Oertmann'sehe Lehre von der Geschäftsgrundlage vermochten mithin zu erklären, weshalb und damit in welchen Fällen die Gegenleistungspflicht bei einer Störung des Verwendungszwecks entfallen kann. Ist weder die Vorstellung von einer dem Geschäftsgegner „erkennbaren" noch von einer von diesem „erkannten" Selbstbeschränkung des Willens zur Klärung der Problematik geeignet, so ergibt sich systematisch die weitere Möglichkeit, sich vorzustellen, wie die Parteien hypothetisch bei einer Kenntnis bzw. Berücksichtigung des Risikos der Andersartigkeit der Wirklichkeit kontrahiert hätten. Eine heute weit verbreitete Lehre, die die Rechtsfolgen veränderter Umstände in dieser Weise aus einer „ergänzenden Auslegung" des Vertrags zu gewinnen versucht, nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Lehre Schmidt-Rimplers von der „Richtigkeitsfunktion des Vertrags". Schmidt-Rimpler wandte sich zwar selbst ausdrücklich gegen alle „Theorien, welche die Lösung in der Auslegung des Vertrages sehen" 242 , jedoch meinte man später nicht zu Unrecht, dass solche Theorien in der Konsequenz der Lehre von der Richtigkeitsfunktion des Vertrags liegen.

239 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 21. 240 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 499; ebenso H. Lange, Festschrift für Gieseke, S. 21, passim. 241 lange punkt 242

Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 23: „Darum dreht sich der Streit und wird er sich so drehen, als es nicht gelingt, sich über den maßgebenden rechtspolitischen Gesichtszu verständigen." Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 23 ff.

5 Quass

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Ähnlich wie später etwa auch Medicus 243 wollte Schmidt-Rimpler „aus dem Wesen des Vertragsinstitutes" ableiten, dass ein „Wegfall oder Fehlen der Geschäftsgrundlage ... die vereinbarte Rechtsfolge gerade um des Vertrages willen nicht oder nicht unverändert nach sich ziehen" dürfe 244 . Die Basis der Theorie Schmidt-Rimplers zur Geschäftsgrundlage bildeten die folgenden Überlegungen: Durch den Vertrag „als rechtliches Institut" soll nach Schmidt-Rimpler „nicht schlechthin irgendwelcher Wille der Parteien zur Durchführung gebracht..., sondern menschliches Zusammenleben richtig geordnet... werden" 245 . In sehr vielen Fällen führe „der Mechanismus des Vertrages ... aus dem Grunde, daß niemand eine unrichtige Rechtsfolge auf sich nehmen will ... zum richtigen Ausgleich zumindest im Verhältnis der Parteien". Der Vertrag sei insofern „nicht nur gewollter Kompromiß entgegengesetzter Interessen, ... sondern ... ein Ausgleich entgegengesetzter Interessen im Sinne des Richtigen" 246 . Maßgebend „für die Rechtsfolge" sei „die Wertung der Parteien, ... wie sie, durch den Druck des Einigungspartners bestimmt, endgültig gestaltet ist". Diese Wertung der Parteien ruhe „auf vielen Wertungsmomenten", wie etwa die Erwägung eines Käufers „wozu er die Sache gebrauchen" oder „welche Zwecke er mit ihr erreichen kann", auch wenn diese „nicht immer klar in das Bewußtsein zu treten" brauchten 247. Beruhe „so die rechtliche Anerkennung der vereinbarten Rechtsfolge darauf, daß ... eine gewisse Gewähr für ihre Richtigkeit besteht," so ergebe sich „ohne weiteres, daß die Rechtsfolge mangels Richtigkeitsgewähr da nicht anerkannt werden dürfte, wo die Wertung auch nur einer Partei entweder auf falschen Voraussetzungen beruht, weil die Wertung alsdann schon von vornherein keine Gewähr für die Richtigkeit bietet, oder Voraussetzungen, auf denen die Wertung beruht, nachträglich fortfallen, weil alsdann die Rechtsfolge jedenfalls auf Grund der vorgenommenen Wertung nicht mehr richtig ist" 2 4 8 . b) Der daraus folgenden „Negierung der Rechtsfolge" stehe „aber nun im Vertragsrecht ein anderer Richtigkeitsgedanke entgegen, nämlich der der Verkehrssicherheit oder des Vertrauensschutzes" 249. Es sei also „die alte Antinomie zwischen sachlicher Richtigkeit und dem Schutz der Verkehrssicherheit, wie er in der Maßgeblichkeit der Erklärung gegenüber dem Willen, im Gutglaubenserwerb der 243

Festschrift für Flume I, S. 629, 631 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. II. 2. Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1,3. 24 5 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 5; ders., AcP 147 (1941), S. 131, 138, 155 f. 24 6 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 6; ders., AcP 147 (1941), S. 131, 157. 24 ? Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 9 f.; ders., AcP 147 (1941), S. 131, 151 ff. 244

248

Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 10; ders., AcP 147 (1941), S. 131, 188 ff. 249 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 11; ders., AcP 147 (1941), S. 131, 183.

C. Die hypothetische Partei Vereinbarung

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fremden Sache wie überhaupt im Gutglaubensschutz immer wieder auftritt". Die „sachliche Richtigkeit" dürfe aber „nur dann hintangesetzt werden, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert, und nur insoweit, als dies der Fall ist" 2 5 0 . c) Die Verkehrssicherheit erfordere dann nicht, „daß das Fehlen der Wertungsgrundlage unberücksichtigt bleibt", „wenn die fehlende Wertungsgrundlage der einen Partei auch für die andere ... Grundlage" der „Wertung war", wenn also „diese Grundlage für die Wertung beider Parteien maßgeblich war". Denn kein Vertragspartner könne verlangen, „daß eine Rechtsfolge vom Recht gewährleistet wird, die er selbst von seiner vertragsmäßig maßgeblichen, also gegebenenfalls schon durch den Gegner beeinflußten Endwer tung aus nicht für richtig hält, also auch nicht subjektiv als richtig begründen kann" 2 5 1 . Die Wertung sei auch für die andere Partei Grundlage der Wertung, wenn diese selbst die vereinbarte Rechtsfolge, wenn sie ihren „eigenen Wertungsgrundsätzen treu bleibt, ... als unrichtig empfinden muß". „Praktisch gesehen" falle dem Gegner „der unveränderte Eintritt der Rechtsfolge als ein von ihm selbst eigentlich unerwartetes Geschenk, das er gar nicht rechtfertigen kann, in den Schoß" und dieser empfinde es auch so. Wenn der Gegner etwa im Krönungszugfall „eine erhebliche Summe dafür bekommt, daß sich jemand von dem ihm zur Besichtigung des Krönungszuges vermieteten Fensterplatz aus das gewöhnliche Straßenleben ansehen kann, nachdem der Krönungszug ausgefallen ist", so müsse er selbst, „wenn er seinen eigenen Wertungsgrundsätzen treu bleibt, dies alles als unrichtig empfinden" 252 .

2. Das Erfordernis eines objektiven Wertungsmoments a) Der Ausgangspunkt der Lehre Schmidt-Rimplers entspricht dem willenstheoretischen Ansatz der Lehre Windscheids von der Voraussetzung. Die Geltung eines vertraglichen Versprechens beruht auf der Anerkennung des Willens des Versprechenden durch die Rechtsordnung und die Maßgeblichkeit des Parteiwillens wird durch die Funktion des Vertrags gerechtfertigt, der im Regelfall zu „richtigen" Rechtsfolgen führt. Die Lehre von der Richtigkeitsfunktion des Vertrags ist daher zunächst als ein Bekenntnis zum Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen und damit zum Prinzip der Selbstbestimmung des Menschen zu würdigen. Der zeitliche Zusammenhang der Entstehung dieser Lehre mit einer Epoche der deutschen Geschichte, in der „sich in der 250 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 12; ders., AcP 147 (1941), S. 131, 191 f. 251 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 12 f. 252 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 14 f. Das Argument, dass der Vermieter im Hinblick auf den Krönungszug „seine Forderung bemessen" habe, findet sich auch bei Leonhard, Irrthum, S. 262; Brox, Irrtumsanfechtung, S. 182; Lehmann, Allgemeiner Teil, §35 A VII, S. 275. 5*

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Auffassung über die Bedeutung der Privatautonomie eine grundsätzliche Wandlung vollzogen" hatte 253 und in der Larenz im Jahre 1936 den Begriff der Geschäftsgrundlage rein objektiv, „nicht subjektiv von den Zwecken und Beweggründen einer Partei oder beider Parteien aus" verstehen wollte, „um den Vertrag überhaupt als sinnvoll, als eine brauchbare und den Grundsätzen der völkischen Ordnung angemessene Gestaltung erscheinen zu lassen" 254 , verleiht dieser „Legitimation" der Privatautonomie weitere Bedeutsamkeit. Ist ein Wille hinsichtlich der Rechtsfolge zwar „wirklich" vorhanden, jedoch „eigentlich" 255 nicht gegeben, da die Wertungsgrundlagen in Wirklichkeit anders sind oder sich anders entwickeln als vom Versprechenden angenommen wurde, so ist nach den Konzeptionen Windscheids und Schmidt-Rimplers das vertragliche Versprechen seiner Grundlage beraubt. Die Rechtsordnung hat hier grundsätzlich keinen Anlass mehr, den „wirklichen" Willen und damit das vertragliche Versprechen als verbindlich anzuerkennen. Während die rein willenstheoretischen Ansätze den Willensmangel als solchen betonen und aus der „erkennbaren" (Windscheid) oder „erkannten" (Oertmann) Bedeutsamkeit eines Umstands für eine Vertragspartei die entsprechenden Rechtsfolgen legitimieren wollen, fokussiert SchmidtRimpler - sozusagen aus einer anderen Perspektive - das Anliegen der Rechtsordnung, für „richtige" Rechtsfolgen zu sorgen. Eine solche „richtige" Rechtsfolge sei immer dann nicht gegeben, wenn sich ein Umstand geändert hat, der für zumindest eine Vertragspartei eine maßgebliche Wertungsgrundlage gebildet hat. SchmidtRimpler postuliert damit also keine objektive Richtigkeitskontrolle des Vertrags, sondern bemisst die „Richtigkeit" - abgesehen von Fällen „grober offenliegender Unrichtigkeit, insbesondere bei Gesetzes- und Sittenverstoß (§§ 134, 138 BGB)" -

253

Stoll, Vertrag und Unrecht, 1. Halbband, § 1 III 1, S. 6: „Der Nationalsozialismus geht vom Gemeinschaftsgedanken aus. Der Einzelne ist nur ein Glied in der großen Kette der Gemeinschaft und empfängt nur als Glied dieser Kette seinen Wert.... Der Parteiwille ist nur Anstoß und Grundlage des Vertrages, aber nicht einziger Gestalter seines Inhaltes." Deutlich auch Felgentraeger, Vertrag und Unrecht, 1. Halbband, § 5 III 1, S. 15: „Für die Gemeinschaft aber hat es (das Schuldverhältnis) die Aufgabe der Vermittelung des Gütererwerbes und des Schutzes der Güterordnung. Nur um dieses höheren Gemeinschaftszweckes willen ist das Schuldverhältnis rechtswirksam, und es kann nur solange Rechtswirkungen äußern, als es diesen Zwecken zu dienen vermag." 254 Larenz, Vertrag und Unrecht, S. 162 ff.; s. auch Felgentraeger, Vertrag und Unrecht, 1. Halbband, § 3412, S. 133; Larenz, Vertrag und Unrecht, S. 11: „Den Vertrag als Gestaltungsmittel im Rechtsverkehr gilt es nun nicht mehr nur als Beziehung zweier Personen, sondern in seiner Funktion innerhalb der Volksordnung und damit als Verwirklichung von Gemeinschaftsaufgaben zu sehen."; ders., Vertrag und Unrecht, S. 23 f.: „Nicht die Willkür der Vertragschließenden ist das erste, sondern die völkische Ordnung, mit der im Einklang stehen muß, was Anerkennung in der Gemeinschaft, d. h. rechtliche Geltung finden soll. ... Die Bindung an das Wort, die Verpflichtungskraft des Versprechens ist die eine sittliche Grundlage des Rechtsverkehrs. ... Ein Mann, ein Wort! Die andere sittliche Grundlage des Vertragsrechts ist der Vorrang der Gemeinschaftsordnung (,Gemeinnutz geht vor Eigennutz') vor dem im übrigen nicht ausgeschalteten, aber ihr als dienend eingefügten Einzelwillen." 255 Vgl. die Terminologie bei Windscheid, Voraussetzung, S. 2.

C. Die hypothetische Partei Vereinbarung

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ausschließlich nach den subjektiven Wertungen und Wertungsgrundlagen und damit ebenso nach dem „eigentlichen" Willen der Vertragsparteien. Es unterscheiden sich mithin die subjektiven Lehren von den heute vornehmlich vertretenen objektiven Lehren bereits in ihrer grundsätzlichen Betrachtungsweise. Sie nehmen nicht etwa die Verlässlichkeit der Willenserklärung als den Ausgangspunkt, von dem aus die Durchbrechung des Axioms zu rechtfertigen wäre, sondern sie wechseln den Blickwinkel, indem sie umgekehrt die grundsätzliche Beachtlichkeit eines jeden Motivirrtums anerkennen und die Verlässlichkeit der Willenserklärung als ein dieses Grundprinzip nur beschränkendes Gegenprinzip erfassen. Es ist also mit den Worten Schmidt-Rimplers - immer als Grundansatz verstanden nicht etwa „die Anfechtbarkeit wegen Motivirrtums" besonders zu rechtfertigen, sondern vielmehr der „Ausschluss der Anfechtbarkeit" 256 . Es ist damit die „Verkehrssicherheit" und der „Vertrauensschutz" (nur) als ein Gegenprinzip zu verstehen, das die prinzipielle Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit einer Erklärung ausschließt, die bei Kenntnis der veränderten Umstände nicht gewollt worden wäre. Diese Erkenntnis bedeutet aber zugleich, dass immer dann, wenn die Beachtung dieses Gegenprinzips nicht mehr geboten ist, sich wiederum die Grundregel Bahn bricht, nach der selbst der Irrtum im Beweggrund ein Abgehen von der vertraglichen Bindung rechtfertigt. Wird also das Gegenprinzip der Verkehrssicherheit und des Vertrauensschutzes durch eine weitere Wertung durchbrochen, so ist wiederum der „sachlichen Richtigkeit" durch die Anfechtbarkeit der Erklärung, respektive durch ein Leistungsverweigerungsrecht, Rechnung zu tragen. Variiert man beispielsweise den von Lenel gebildeten Aussteuerfall dahingehend, dass der Verkäufer sowohl den Verwendungszweck seines Kunden gekannt, als auch - anders als der irrende Brautvater - sichere Kenntnis davon gehabt hat, dass die Hochzeit der Tochter ausfallen und damit die vom Käufer beabsichtigte Verwendung vereitelt wird, so wird kaum zweifelhaft sein, dass dem Verkäufer der „Vertrauensschutz", auf den er sich sonst grundsätzlich berufen kann, ausnahmsweise zu versagen ist. Eine derartige „Bösgläubigkeit" des Verkäufers rechtfertigt es nicht mehr, dem sonst erforderlichen „Verkehrsschutz" zugunsten des Verkäufers gegenüber einem Irrtum im Beweggrund als vorrangig zu bewerten, so dass hier selbst dem lediglich in einem Motiv Irrenden ein Anfechtungsrecht zustehen muss 257 . b) Die grundlegende Bedeutung dieser Erkenntnisse für das geltende Recht ergibt sich nicht nur aus der - unseres Erachtens gegebenen - Schlüssigkeit des dargestellten Modells. Vielmehr kann die Auffassung der mit der Schaffung des BGB befassten Juristen als ein weiterer Beleg dafür angeführt werden, dass sich dieser Grundansatz in das System des bürgerlich-rechtlichen Irrtumsrechts harmonisch einfügt. Bereits die erste Kommission (1881 bis 1887) ließ sich von der Grundauffassung leiten, „daß der entscheidende Umstand, der eine Erklärung taug256 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 11. 257 s. hierzu auch noch i. Folg. unten u. 3. Kap.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

lieh macht, rechtliche Wirkungen hervorzubringen, in dem durch die Erklärung an den Tag gelegten Wollen dieser Wirkungen liegt (Willensdogma)". Denn „die Rechtsordnung" gewähre „dem Einzelnen die Möglichkeit, innerhalb gewisser, durch höhere Rücksichten bedingter Schranken seine rechtlichen Verhältnisse frei zu gestalten". Diese Überzeugung führte zu dem klaren Bekenntnis, es werde dem „auf die Hervorbringung einer Rechtswirkung gerichteten Willen ... in Anerkennung dieses Willens Folge gegeben" und es trete daher „die beabsichtigte rechtliche Gestaltung ... ein, weil sie gewollt ist" 2 5 8 . „Andererseits" wurde aber dem „Verkehrsinteresse" ein „nicht geringes Gewicht" beigemessen. Denn „dem Verkehre" sei es „wenig förderlich, wenn die Vermittlerin" des Willens, „die Willenserklärung, keine Gewähr für ihren rechtlichen Bestand in sich birgt". Obwohl sich die erste Kommission daher bewusst war, dass die „Sicherheit und Freiheit wirtschaftlicher Bewegung ... beeinträchtigt" werde, „wenn der dem Erklärenden Gegenüberstehende auf dessen Worte sich nicht verlassen kann", entschied sie sich aber nicht für die grundsätzliche Geltung dessen „was als gewollt erklärt ist", sondern in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung jener Zeit 2 5 9 gerade gegen die „Aufgabe des grundsätzlich richtigen Willensdogmas". Vielmehr versuchte die erste Kommission einen Ausgleich zwischen den beiden Interessen dadurch herbeizuführen, indem sie erklärte: „Der Entwurf folgt dem Willensdogma, durchbricht es aber in verschiedenen Richtungen." Gleichzeitig ließ man aber auch keinen Zweifel daran, dass die Durchbrechung den rein zahlenmäßig häufigsten Fall bildet. Denn es wurde „im Allgemeinen ... festgehalten, daß der Erklärende zu seiner Erklärung stehen muß, soweit das Verkehrsinteresse dafür spricht" 260 . Bereits die Mitglieder der ersten Kommission erkannten also, dass immer dann, wenn der Verkehrs- oder Vertrauensschutz es nicht mehr verlangt, den Erklärenden an sein Versprechen zu binden, dem Willensmangel der maßgebliche Vorrang einzuräumen ist. Die zweite Kommission (1890 bis 1895) gelangte aufgrund der sich gegenüberstehenden Lager der Anhänger der Willenstheorie einerseits und der Erklärungstheorie andererseits nicht mehr zu derartigen grundlegenden Erkenntnissen über das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Willensmaxime und Verkehrsinteresse. Vielmehr „verständigte" man sich nur noch dahin, „daß sich weder das Willensdogma noch die ihm gegenüberstehende Vertrauensmaxime (Erklärungstheorie) ohne erhebliche Modifikationen durchführen lasse und daß es daher nöthig sein werde, die einzelnen in Betracht kommenden Fälle getrennt ins Auge zu fassen, ohne zu der einen oder der anderen Theorie positiv Stellung zu nehmen" 261 . Aus dieser in den Protokollen über die Beratung der zweiten Kommission niedergelegten Kom258 Motive bei Mugdan, Materialien I, S. 457. 259 Vgl. über den Meinungsstand bezüglich der Willens- und Erklärungstheorie am Ende des 19. Jahrhunderts Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 75 Fn. 1 a). 2 60 Motive bei Mugdan, Materialien I, S. 457, Hervorheb. nicht i. O. 261

Protokolle bei Mugdan, Materialien I, S. 710.

C. Die hypothetische Parteiereinbarung

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promissformel folgerte man später, auch „das Gesetz" habe über die Problematik des Einflusses von Willensmängeln auf die Gültigkeit der Rechtsgeschäfte in einem „Kompromiss" entschieden. Die tatsächlich getroffene Regelung zeigt jedoch ein anderes Bild. Zwar normierte man weder im Sinne der Erklärungstheorie nur noch die „Erklärung" als das Essentiale der Willenserklärung noch ist im Sinne der Willenstheorie als Rechtsfolge der Nichtübereinstimmung von Wille und Erklärung für das BGB die Nichtigkeit der Erklärung bestimmt worden. Jedoch liegt das Nichtigkeitsdogma der Willenstheorie auch der Regelung des geltenden Rechts betreffs der Willensmängel und insbesondere der Regelung des Irrtums zugrunde, wenn auch die Nichtigkeit zur Anfechtbarkeit abgeschwächt ist 2 6 2 Denn obwohl man nicht zu der einen oder anderen Theorie positiv Stellung nehmen wollte, übernahm man in der Sache die maßgeblichen Einzelbestimmungen des ersten Entwurfs, so insbesondere die Regelung der Mentalreservation, des Scheingeschäfts und des Mangels der Ernstlichkeit 263 . Aber auch hinsichtlich der Regelung des Inhalts- und Erklärungsirrtums wich man - abgesehen von der „technischen" Ausgestaltung als Anfechtungsrecht anstelle der Nichtigkeit - nur deshalb in der Formulierung vom Entwurf ab, um „eine Ausdrucksweise zu wählen, durch die der im Wesentlichen psychologischen Frage, ob allgemein von Nichtübereinstimmung des Willens mit der Erklärung in Folge Irrthumes, im Gegensatz zum Irrthume im Beweggrunde, gesprochen werden könne oder ob es sich nicht vielmehr in allen Fällen um einen Irrthum im Beweggrund handle, nicht vorgegriffen und der Wissenschaft freie Hand gelassen wird". „Von anderer Seite" bescheinigte man der neuen Fassung sogar, „einen schärferen und klareren Ausdruck des auch dem Entw. zu Grunde liegenden Gedankens" gefunden zu haben 264 . Blickt man auf den dem Entwurf zugrundeliegenden Gedanken, so ist dieser aber gerade von der Erkenntnis geprägt, dass die mit Willensmängeln behaftete Willenserklärung fehlerhaft ist, weil sie nicht die inhaltliche Rechtfertigung der Selbstbestimmung in sich trägt. Denn die erste Kommission hatte sich entschieden, „das konkret vorliegende Rechtsgeschäft ... ins Auge" zu fassen. Für dieses sei wesentlich Jeder Bestandteil, welcher mit der Erklärung dergestalt in ursächlichem Zusammenhange steht, dass sich annehmen lässt, bei mangelndem Irrthume wäre die Willenserklärung nicht abgegeben worden" 265 . Freilich ist diese Auffassung nicht dahingehend zu verstehen, dass jeder Motivirrtum beachtlich sein soll. Denn auch die erste Kommission erachtete nur den „Irrthum in der Erklärungshandlung" und den „Irrthum über den Inhalt der Erklärung" für beachtlich 266 . Jedoch besagt dies nichts gegen den Befund, dass die Antinomie zwischen der 262 Flume, Rechtsgeschäft, § 4/8, S. 60. 263 Protokolle bei Mugdan, Materialien I, S. 710, 711, 712. 264 Protokolle bei Mugdan, Materialien I, S. 716 f. 265 Motive bei Mugdan, Materialien I, S. 462, Hervorheb. nicht i. O. 266 Motive bei Mugdan, Materialien I, S. 460 f.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Selbstbestimmung und dem Vertrauensschutz auch dem geltenden Recht zugrunde liegt. Denn hinsichtlich des Irrtums im Beweggrund ist in den §§ 119 ff. BGB der Vertrauensschutz und damit die Selbstverantwortung der Selbstbestimmung als vorrangiges Korrelat gegenübergestellt, so dass der Erklärende das Risiko der Verfehlung der Selbstbestimmung tragen und einen irrtümlichen Erklärungsakt unanfechtbar gelten lassen muss. Insoweit haben die Verfasser des BGB also der Selbstverantwortung den Vorrang gegenüber dem Mangel der inhaltlichen Rechtfertigung der Erklärung durch die Selbstbestimmung gewährt. Soweit aber der Vertrauensschutz zu versagen ist und damit dem Verkehrsinteresse nicht mehr der Vorrang vor der Selbstbestimmung gebührt, bleibt es auch nach dem geltenden Recht dabei, dass bei einem Willensmangel schlechthin - und damit auch bei einem Irrtum im Beweggrund - das Risiko der Verfehlung der Selbstbestimmung nicht mehr von dem die Selbstbestimmung Ausübenden, sondern von dem zu tragen ist, welchen das fragliche Rechtsverhältnis zugleich mit dem Erklärenden angeht. c) Es handelt sich somit um eine grundlegende und unseres Erachtens zutreffende Erkenntnis, wenn Schmidt-Rimpler feststellte, es stehe die „Antinomie zwischen sachlicher Richtigkeit und dem Schutz der Verkehrssicherheit oder des Vertrauensschutzes" bei Verträgen, insbesondere beim gegenseitigen Vertrag, der umfassenden Berücksichtigung der fehlerhaften Wertung und damit des „eigentlichen Willens" entgegen. Es ist damit das Gegenaxiom bezeichnet, das es rechtfertigt, Verträge trotz eines Irrtums im Motiv für unanfechtbar zu erklären. Führt die subjektive Betrachtung, also die Maßgeblichkeit des „eigentlichen" Willens, zur „Unrichtigkeit" des Vertrags und damit zur grundsätzlichen Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der vereinbarten Rechtsfolge, so wird dieser subjektive Ausgangspunkt überlagert durch das objektive Kriterium der „Verkehrssicherheit" oder des „Vertrauensschutzes", kurzum der Notwendigkeit, vertragliche Versprechen grundsätzlich bindend auszugestalten, damit sich der privatautonome Parteiwille durch den Vertragsschluss zu verwirklichen vermag. Denn erst indem die unbeschränkte Beachtlichkeit des Partei willens gegenüber der Verlässlichkeit des Vertrags zurücktritt, wird es dem Parteiwillen ermöglicht, sich durch den Abschluss von Verträgen zu entfalten. Die Unbeachtlichkeit des Motivirrtums ist somit nicht etwa als ein Gegensatz zur Selbstbestimmung zu verstehen, sondern vielmehr gerade um der Privatautonomie willen eine schiere Notwendigkeit. Denn ein vertragliches Versprechen ohne Verbindlichkeit ist ohne jeden Wert 267 . Wäre nicht nur für den Ausnahmefall, wie etwa für die Anfechtungsgründe des § 119 Abs. 1 BGB 2 6 8 , sondern auch bei Irrtümern im Beweggrund und damit in einer Vielzahl von Fällen das vertragliche Versprechen ohne wirkliche Bindungswirkung, so entfiele letztlich die Möglichkeit, Rechtspositionen allein durch den privatautonom betätigten Wil-

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s. bereits oben u. 2. Kap. Β. I. 2. a) und b). 68 Zum Eigenschaftsirrtum i. S. des § 119 Abs. 2 BGB s. noch i. Folg. unten u. 3. Kap. B. I. 4. c). 2

C. Die hypothetische Partei Vereinbarung

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len zu übertragen. Der Charakter dieses Gegenprinzips als „Aiisnahmeregel" sollte indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass phänomenologisch gerade umgekehrt die Beachtung dieser Ausnahme zahlenmäßig die Regel darstellt, so dass der Grundsatz der Vertragstreue für die Anhänger der Erklärungstheorie, die nur noch die „Erklärung" als das Essentiale der Willenserklärung ansahen, geradezu als das eigentliche Axiom erscheinen musste. d) So zutreffend die Erkenntnisse Schmidt-Rimplers über die Antinomie von Selbstbestimmung und Vertrauensschutz sind; die Frage, in welchen Fällen der Störung des Verwendungszwecks der Richtigkeit des Vertrags gegenüber dem Vertrauensschutz Vorrang einzuräumen ist, blieb auch in Schmidt-Rimplers Lehre unbeantwortet. Als maßgebliches Kriterium schlug Schmidt-Rimpler die den Vertragsparteien gemeinsame Wertungsgrundlage vor. Zugunsten der Anfechtbarkeit der Willenserklärung soll der Schutz des Verkehrs dann nicht erforderlich sein, wenn die Wertungsgrundlage „für die Wertung beider Parteien maßgeblich war". Es sei also eine hypothetische Situation zu betrachten, in der die Parteien die Kenntnis von der Andersartigkeit eines Umstandes, wie etwa im Krönungszugfall von dem Ausfallen des Krönungszuges, gehabt hätten. Maßgeblich für den Schutz des Gegners soll jeweils sein, ob der Vertrag auch aus der Sicht des Gegners in dieser hypothetischen Situation mit denselben „richtigen" Rechtsfolgen zustande gekommen wäre. Immer dann, wenn der Gegner nicht hätte erwarten können, dass die Rechtsfolge auch bei dem veränderten Umstand vereinbart worden wäre, sei der Umstand auch als dessen „Wertungsgrundlage" anzusehen. Der Mietzins für den Fensterplatz sei also, wenn der Krönungszug ausfällt, nicht geschuldet, wenn und weil der Vermieter den Fensterplatz ohne den geplanten Krönungszug nicht vermietet hätte. Nach Schmidt-Rimpler ist also die „Wertungsgrundlage" nicht nur Beweggrund im vordergründigen Sinne, sondern derjenige Umstand, der als Grund für die vereinbarte Rechtsfolge und damit für den Vertrag aus der Sicht der Vertragsparteien wirklich maßgeblich war. Bei kritischer Betrachtung des Lösungsvorschlags von Schmidt-Rimpler fragt es sich jedoch bereits, nach welcher Regel festzustellen sein soll, ob der Gegner die vereinbarte Rechtsfolge auch unter veränderten Umständen als „richtig" angesehen hätte. Schmidt-Rimpler benannte kein Kriterium, an dem die gemeinsame „Wertungsgrundlage" gemessen werden könnte und dessen Erfüllung dazu führt, dass dem Gegner die vereinbarte Rechtsfolge „als ein von ihm selbst eigentlich unerwartetes Geschenk, das er gar nicht rechtfertigen kann, in den Schoß fällt". Stattdessen erfolgen vage Umschreibungen, die letztlich nur auf den Gedanken abstellen, ob der Gegner die vereinbarte Rechtsfolge für „richtig hält", als „richtig begründen kann" oder aber „als unrichtig empfinden" muss. Gegen die Konzeption von der Wertungsgrundlage spricht aber insbesondere, dass sich die Fälle, in denen Schmidt-Rimpler einen Wegfall der Geschäftsgrundlage annehmen will, in dem Vorhandensein einer „gemeinsamen Wertungsgrundlage", in nichts von den Fällen unterscheiden, in denen die Unbeachtlichkeit des

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Irrtums im Beweggrund allgemein anerkannt ist. Denn bei keinem Beweggrund, der für die Willensbildung des Erklärenden maßgeblich war, kann der Gegner erwarten, dass die Rechtsfolge auch bei veränderten Umständen vereinbart worden wäre. Die Betrachtung einer hypothetischen Situation, in der die volle Kenntnis von den andersartigen oder veränderten Umständen angenommen wird, führt also als solche noch nicht zu einer Lösung für die tatsächliche Situation, in der die Vertragsparteien auf einen bestimmten Zustand der Umstände vertraut haben. Die Tatsache, dass bei einer Störung des Verwendungszwecks der Vertrag für den Gläubiger der Sachleistung „unrichtig" ist, wird man nicht bestreiten wollen. Fraglich ist aber vielmehr, wer das Risiko dieser Unrichtigkeit zu tragen hat und aus welchem Grund eine solche Gefahrtragung bestehen soll. Scheitert der Verwendungszweck des Gläubigers, so ist es eine höchst subjektive - und damit als Kriterium untaugliche - Frage, ob auch der Schuldner die vereinbarte Rechtsfolge, wenn er seinen eigenen Wertungsgrundsätzen (welchen?) treu bleibt, als unrichtig empfindet. Schmidt-Rimpler unterstellte daher in Wahrheit trotz seiner subjektivistischen Formulierungen einen objektiven Maßstab für die ausnahmsweise Beachtlichkeit des Irrtums im Beweggrund. Nur aufgrund einer normativen Wertung kann sich schließlich auch bemessen, ob ein Vertragspartner die vereinbarte Rechtsfolge mit den Worten Schmidt-Rimplers - „für richtig halten muß" 269. Das eigentliche objektive Werturteil bleibt bei Schmidt-Rimpler jedoch im Dunkel und es bleibt somit auch die jeweilige Fallentscheidung einem nicht rationalisierten Rechtsempfinden überlassen. Nicht zuletzt wirkt sich diese Unvollständigkeit der Lehre von Schmidt-Rimpler 270 auf ihre Praktikabilität bei der Lösung konkreter Fälle aus. Nach Schmidt-Rimpler soll es etwa beim Aussteuerfall darauf ankommen, ob der Verkäufer „die Zahlung des Kaufpreises nur als gerechtfertigt ansieht, wenn der Käufer die Möbel zu diesem Zwecke verwenden kann" 2 7 1 . Schmidt-Rimpler beantwortete aber nicht die entscheidende Frage, weshalb die Hochzeit der Tochter des Käufers nicht auch Wertungsgrundlage des Verkäufers war und dieser daher die Zahlung des Kaufpreises auch bei einem Scheitern der Heiratspläne als gerechtfertigt ansehen darf. Es fehlt also gerade die Benennung des objektiv-normativen Wertungsmoments, das Schmidt-Rimpler in seiner Lehre von der Richtigkeit des Vertrags impliziert. e) Es zeigt sich nach allem gerade anhand der Lehre von Schmidt-Rimpler, dass das Wertungsmoment des „Verkehrsinteresses" schon logisch nicht erneut von einem subjektiven Umstand durchbrochen werden kann, es vielmehr eines objektiven Gesichtspunkts bedarf, der als normative Wertung an die subjektiv gestaltete vertragliche Regelung anknüpft. Es ist dies der tiefere Grund, weshalb die rein 269 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 14, Hervorheb. nicht i. O. 270 Dies entspricht indessen auch seinem erklärten „Anliegen, nur eine grundsätzliche Lösung des Problems der Geschäftsgrundlage abzuleiten", vgl. Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1,4. 271 Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 25.

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subjektivistischen Lösungsversuche Windscheids und Oertmanns nicht zu überzeugen vermochten und weshalb auch die Lehre von der Richtigkeitsfunktion des Vertrags keine tragfähige Lösung unserer Problematik bietet. Denn zum einen ist die Tatsache, dass eine Erklärung aufgrund einer unrichtigen Wertungsgrundlage abgegeben wurde und daher des „eigentlichen Willens" ermangelt, wegen der grundsätzlichen Vorrangigkeit der Verlässlichkeit des Versprechens gegenüber der Richtigkeit des Vertrags für die rechtliche Wertung geradezu „verbraucht". Die fehlende Richtigkeit des Vertrags, die die Rechtsordnung zugunsten des Vertrauensschutzes für unbeachtlich erklärt, kann schon logisch nicht erneut herangezogen werden, um eine Durchbrechung des Vertrauensschutzes zu rechtfertigen. Zum anderen kann es aber auch nicht darauf ankommen, ob der Erklärungsgegner den „eigentlichen Willen" gehabt hätte, selbst bei veränderten Umständen, wie insbesondere bei einer Störung des Verwendungszwecks, an der vereinbarten Rechtsfolge festzuhalten. Denn der Gegner, dem die Störung des Verwendungszwecks nicht schadet, hat schließlich kein Interesse an einer Veränderung der Rechtsfolgen; ein entsprechender Wille hierzu wird ihm daher auch nicht ohne Gewalt zu unterstellen sein. Aus den „Wertungsgrundlagen" des Gegners wird man mithin ebenso kein subjektives Kriterium gewinnen können. Es ist also vielmehr ein weiterer, über die Antinomie zwischen der Richtigkeit des Vertrags und dem Vertrauensschutz hinausgreifender, objektiver Aspekt zu finden, der den Vertrauensschutz in bestimmten Fällen zu überlagern vermag. Will man das Entfallen der Gegenleistungspflicht in bestimmten Fällen der Störung des Verwendungszwecks rechtfertigen, so verlangt gerade die von Schmidt-Rimpler zutreffend erkannte „Antinomie" zwischen dem „eigentlichen Willen" der Vertragspartei, deren Wertungsgrundlagen sich als falsch erwiesen haben, und dem „Schutz der Verkehrssicherheit" ein objektives Kriterium, das den grundsätzlich erforderlichen „Vertrauensschutz" wiederum durchbricht. Denn dieses objektive Wertungsmoment - das erst noch zu finden ist - nimmt „das Recht" zum Anlass, dem Gegner die Berufung auf den Vertrauensschutz zu versagen. Nicht ein hypothetisches Einverständnis des Gegners mit einer den veränderten Wertungsgrundlagen des Erklärenden angepassten Rechtsfolge kann mithin das ausschlaggebende Kriterium sein, sondern eine normative Regelung im Hinblick auf den tatsächlichen Inhalt der privatautonomen Vereinbarung. Der Schutz der „Verkehrssicherheit" ist etwa im Fensterplatzfall nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Vermieter die vereinbarte Rechtsfolge nicht gewollt hätte, wenn ihm der Ausfall des Krönungszuges hypothetisch bekannt gewesen wäre, vielmehr ist die vereinbarte Rechtsfolge in diesem Fall schlichtweg von Rechts wegen unbeachtlich, weil die Vereinbarung einen bestimmten tatsächlichen Inhalt hat. Dieses Vorgehen der Rechtsordnung im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zeigt sich auch in anderen Fällen, in denen der „Verkehrsschutz" eine Ausnahme erfährt. So bilden etwa beim „gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten" nach § 932 BGB der fehlende „gute Glaube" und die Tatsache, dass gemäß § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB „die Sache dem Eigentümer ... abhanden gekommen war"

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jeweils die Grundlage für eine objektive Wertung, durch die das Gesetz den Schutz des Vertrauens des Erwerbers durchbricht, den die Rechtsordnung grundsätzlich an den Besitz der Sache knüpft. Der Eigentumserwerb scheitert hier schließlich nicht etwa daran, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, denn dieser Umstand ist bereits aufgrund der Wertung, die den Verkehrsschutz als vorrangig ansieht, für unbeachtlich erklärt worden. Ebensowenig ist es maßgeblich, ob der Erwerber den Eigentumsübergang „als richtig empfinden muss". Vielmehr verneint die Rechtsordnung den Übergang des Eigentums aufgrund der „Bösgläubigkeit" des Erwerbers respektive der Tatsache, dass die Sache „abhanden" gekommen war und damit aus einem zusätzlichen und objektiven Grund. Auch die Regelung des § 116 BGB entspricht diesem grundlegenden Prinzip der Versagung des „Verkehrsschutzes" nach Maßgabe von objektiven Kriterien. Die Unbeachtlichkeit der Mentalreservation scheint nur auf den ersten Blick dem Primat des parteiautonomen Willens zu widersprechen. Denn es ist der „Verkehrsschutz", der ganz selbstverständlich dazu führen muss, dass die Rechtsordnung auch eine willentlich abgegebene Erklärung, der ein Wille hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht zugrunde liegt, dann als wirksam behandelt, wenn der Willensmangel lediglich in einem insgeheimen Vorbehalt besteht. Während noch zur Zeit der Kodifikation des BGB die eher theoretische Frage umstritten war, wie sich diese Regelung mit dem „Willensdogma" vertrage 272 , ist heute für die Mentalreservation der Vertrauensschutz als Korrelat der Privatautonomie anerkannt 273. Durch den Satz 2 des § 116 BGB wird nun ein weiteres objektives Kriterium dem „Verkehrsschutz" entgegengestellt, indem die vereinbarte Rechtsfolge nicht eintritt, wenn der Empfänger den Vorbehalt kennt. Nicht etwa, weil der Empfänger die Rechtsfolge nicht wollen würde oder diese nach seinen eigenen Wertungen nicht „als richtig begründen" könnte, sondern weil seine „Bösgläubigkeit" seinen Schutz nicht rechtfertigt, wird die Erklärung für nichtig erachtet 274. Erst dieses objektive Kriterium führt also dazu, dass man mit den Worten Schmidt-Rimplers sagen könnte, der Gegner müsse in den Fällen der Mentalreservation die vereinbarte Rechtsfolge „als unrichtig empfinden" und könne sie nur „als ein von ihm selbst eigentlich unerwartetes Geschenk" betrachten 275.

272 s. die Nachw. bei Binder, ArchRWPhil 5 (1911/12), S. 414, 423 ff.; Henle, Willenstheorie, S. 39; Wolff, JhJb 81 (1931), S. 53, 136 ff.; Kramer, Einigung, S. 122 f. 273 Motive bei Mugdan, Materialien I, S. 458; MünchKomm/ Kramer, BGB, § 116 Rn. 1; Flume, Rechtsgeschäft, § 20/1, S. 402. 274 Ebenso Wolff, JhJb 81 (1931), S. 53, 199. 275 Von einem Teil der Lehre wird die Nichtigkeitsanordnung des § 116 Satz 2 BGB für „rechtspolitisch" fragwürdig erachtet, da der arglistig Täuschende schlechthin keinen Schutz verdiene. So etwa Larenz, Allgemeiner Teil, § 20 I a), S. 364; ders., Auslegung, S. 89; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 35 II 1 b), S. 656, Rn. 9 ff.; AK/Hart, BGB, § 116 Rn. 1; MünchKomm/Kramer, BGB, § 116 Rn. 8; Soergel/Hefermehl, BGB, § 116 Rn. 2. Anders hingegen Flume, Rechtsgeschäft, § 20/1, S. 403; Medicus, Allgemeiner Teil, § 40 I 2 a) bb), Rn. 593; Pohl, AcP 177 (1977), S. 52, 62; Staudinger/Dilcher, BGB, § 116 Rn. 8.

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II. Die Methode der ergänzenden Vertragsauslegung 1. Die Lehre Brox' von der Interessenjurisprudenz und ihre Vorläufer a) Als ein erster Befund der Untersuchung ist nach alldem festzuhalten, dass die Antwort auf die Frage, ob die vereinbarte Rechtsfolge bei einer Störung des Verwendungszwecks „richtig" ist, nicht allein den subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner entnommen werden kann, sondern derartige Vorstellungen nur den Ausgangspunkt für eine objektive Wertung und damit für ein objektives Kriterium zu bilden vermögen. Deutlicher noch als Schmidt-Rimpler hat dies Brox erkannt, der sich um eine Weiterentwicklung der Lehre von der Richtigkeitsfunktion des Vertrags bemühte. Anstatt aber nun nach dem oder den entscheidenden Kriterien zu fahnden, wollte Brox nur mit einer verfeinerten Methodik, nämlich mittels der „Methode der Interessenjurisprudenz", aus der „Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen" die „richtigen" Rechtsfolgen bestimmen. Für Brox stellte sich die Lehre von der Geschäftsgrundlage „in Wahrheit" nur „als ein Anwendungsfall der ergänzenden Auslegung dar" 2 7 6 . Schon durch „sorgfältige Interessenabwägung" könnten daher „die Fälle ermittelt werden, in denen der Vertragspartner in seinem Vertrauen nicht schutzwürdig ist und deshalb das unrichtige Wertungsmoment berücksichtigt werden kann" 2 7 7 . So begründete er etwa im Aussteuerfall die Unbeachtlichkeit des geplanten Verwendungszwecks mit der psychologischen Erkenntnis, dass es „für die Wertung des Verkäufers, zu welchem Preise er ein bestimmtes Möbelstück verkaufen sollte, ... keine Rolle" gespielt habe, „wozu der Käufer die Möbel verwenden wollte" 2 7 8 . Liege hingegen eine „fehlende Schutzwürdigkeit" vor, so habe dies nicht nur zur Folge, dass die vereinbarte Rechtsfolge nicht gilt. Vielmehr könnten die Gerichte „die Vertragspflichten rechtsgestaltend sehr erheblich ändern, sofern dies geboten ist, um zu einer Leistungsfestsetzung zu gelangen, die den beachtlichen Interessen beider Parteien gerecht wird". Solche Ergebnisse wollte Brox „dadurch finden, daß wir zu ermitteln suchen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die wirklichen Verhältnisse bei ihrer Wertung berücksichtigt hätten" 279 . Als „'lex privata' der Parteien" sei das Rechtsgeschäft „primär aus seinem jeweiligen konkreten Sinn und Zweck heraus auszulegen und zu ergänzen". „Die Ausfüllung" einer „auszufüllenden Lücke" bestimme sich danach, „was die Parteien redlicherweise gewollt hätten", „was also im konkreten Fall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zweckmäßig, billig und gerecht ist" 2 8 0 . 276 Brox, JZ 1966, S. 761, 767; ebenso Nicklisch, BB 1980, S. 949 ff.; Mayer-Maly, Festschrift für Flume I, S. 621, 626; Wieling, Jura 2001, S. 577, 584. 277 Brox, Irrtumsanfechtung, S. 181 f.; ders., Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 426 ff., S. 203 ff. 278 Brox, Irrtumsanfechtung, S. 181; ders., Allgemeiner Teil, § 20 Rn. 428, S. 206. 279 Brox, Irrtumsanfechtung, S. 185. 280 Brox, JZ 1966, S. 761, 765 f.; ebenso Ebel, DB 1978, S. 679, 681.

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b) Bereits früher wurden ähnliche Lehren vertreten. So wollte etwa Bockel mit seiner im Jahre 1922 erschienenen Schrift über die Veränderung der Vertragsgrundlagen einen „kleinen Schritt hinüber auf den festen Boden" gehen, den „die Klausel" - also die clausula rebus sie stantibus - biete: Nach dieser werde „im Zweifel jeder Vertrag hinfällig bei einer nicht voraussehbaren wesentlichen Veränderung der Vertragsgrundlagen". Denn es werde „allgemein jedem Vertragsschließenden die vernünftige geschäftliche Entschließung unterstellt, daß er eine solche Versicherung gegen unvorhersehbare wesentliche Veränderungen sich selbst ausbedingen und auch seinem Vertragsgegner zugestehen wollte" 2 8 1 . Ebenso bemühte Karl Larenz den Begriff des redlich denkenden Vertragspartners bei den Fällen, die er der Fallgruppe der „subjektiven" Geschäftsgrundlage - im Gegensatz zur „objektiven" Geschäftsgrundlage 282 - unterstellte. Die „subjektive" Geschäftsgrundlage ist nach Larenz „eine den Vertragsschließenden gemeinsame Vorstellung, von der sich beide bei der Festsetzung des Vertragsinhalts haben leiten lassen". „Die Vorstellung" müsse „also nicht nur für eine, sondern für jede Partei einen Beweggrund zum Abschluß des Vertrages gebildet haben, sei es, daß sie bei Kenntnis ihrer Unrichtigkeit selbst nicht abgeschlossen, sei es, daß sie dann, redliche Denkweise unterstellt, den Vertrag der anderen Partei nicht angesonnen hätte". Handle es sich um einen derartigen „beiderseitigen Motivirrtum", so sei dieser im Gegensatz zum „einseitigen Motivirrtum" beachtlich 283 . Im Krönungszugfall sei daher der Ausfall des Korsos beachtlich, weil dessen Betrachtung zum einen für den Mieter das Motiv zum Abschluss des Vertrags gewesen war und zum anderen der Vermieter, „wenn er gewußt hätte, daß der Zug nicht stattfinden würde" ebenfalls nicht kontrahiert hätte, weil es ihm als redlich denkendem Menschen ferngelegen hätte, „dem Mieter die Miete eines Fensterplatzes" anzusin„ 2 8 4

nen Auch Heinrich Lehmann verfuhr mit seiner nach einer „Verbindung objektiver und subjektiver Momente" suchenden sog. Vereinigungsformel nach demselben Muster und maß den gewollten Vertrag am hypothetischen „redlichen Vertrag". Ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage" soll nach Lehmann vorliegen, „wenn der Vertragsgegner sich nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf den Zweck des Vertrags auf die Abhängigmachung desselben von dem fraglichen Umstand eingelassen hätte oder redlicherweise hätte einlassen müssen, wenn man die Unsicherheit des Umstands bei Vertragsschluß in Betracht gezogen hätte". Im Krönungszugfall etwa dürfe „man ohne Willkür sagen, daß der Vermieter sich mit der Vorausset281

Bockel, Vertragsgrundlagen, S. 46. s. hierzu i. Folg. unten u. D. III. 283 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 20 f., Hervorheb. i. O.; ders., Allgemeiner Teil, § 20 III, S. 20 ff.; ebenso Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 38, S. 708 Rn. 5; S. 709 Rn. 7. 284 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 47, 163; zustimmend Dießelhorst, Geschäftsgrundlage, S. 153, 157; als allein beachtlich befinden den „gemeinsamen Motivirrtum" Stötter, Irrtum, passim; ders., JZ 1963, S. 123 ff.; ders., AcP 166 (1966), S. 149 ff.; ders., JZ 1967, S. 147 ff.; ders., NJW 1971, S. 2281 ff., und Goltz, Motivirrtum, S. 210 ff. 282

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zung des Mieters als Vertragsgrundlage einverstanden erklärt hat, schon deshalb, weil der erhöhte Preis, den er fordert, nur mit Rücksicht auf den Festzug gerechtfertigt erscheint". Deshalb sei „es billig, dem Mieter den Rücktritt vom Vertrag freizugeben, wenn der Festzug wider Erwarten nicht stattfindet" 285 . c) Die von Brox propagierte Methode der ergänzenden Vertragsauslegung weist ferner erhebliche Gemeinsamkeiten mit denjenigen Lehren auf, die die Möglichkeit, den geplanten Verwendungszweck zu verwirklichen, in bestimmten Fällen als eine „stillschweigend vereinbarte Bedingung", also als eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Geltung des Rechtsgeschäfts, erfassen wollten. Auch hier liegt die Vorstellung zugrunde, die Rechtsfolge sei auch bei veränderten Umständen durch den Vertrag selbst geregelt und es könne diese Regelung mit dem Mittel der Auslegung ans Licht gebracht werden. Ist eine Bedingung stillschweigend vereinbart, so handelt es sich indessen nicht mehr nur um eine bloße einseitige Selbstbeschränkung des Willens, sondern um eine Beschränkung der Vertragsgeltung, die auch durch den Vertragspartner in die Regelung des Rechtsgeschäfts einbezogen worden ist. Als einer der Verfechter dieser Lehre schrieb etwa Rudolf Leonhard über das Verhältnis zwischen „stillschweigender Bedingung" und „Beweggrund": „Gerade so wie der Geschäftsinhalt und namentlich die gewollte Rechtsfolge oft nur stillschweigend erklärt ist, also aus den gewählten Ausdrücken erst gefolgert werden muss, so sind auch die Bedingungen des Geschäftes vielfach tacitae, d. h. sie können nicht direkt aus den Worten der Abrede, sondern müssen anderswoher, d. h. durch eine Vergleichung derselben mit dem allgemein Ueblichen entnommen werden" 2 8 6 . Es müssten „aus Erwartungen oder Voraussetzungen, welche beiderseits als maßgebend anerkannt werden, stillschweigende Bedingungen dann abstrahiert werden, wenn nur durch deren Festsetzungen diesen Erwartungen und Voraussetzungen genüge geschehen kann" 2 8 7 . Einen konkreten Maßstab hierfür benannte Leonhard jedoch nicht, sondern beließ es bei dem allgemeinen Hinweis, dass „nur, wenn anzunehmen ist, daß der andere" „auf den Beweggrund eines Contrahenten" „einging und ihn in die lex contractus mit aufnahm," daraus „eine stillschweigende Vertragsbedingung" folge. Sei er „bei der Vertragsredaction übergangen, so ist er für die Vertragswirkung gleichgültig" 288 . 285 Lehmann, Allgemeiner Teil (14. Aufl.), § 35 A VII, S. 273 ff., 275, 277, Hervorheb. i. O.; Enneccerus / Lehmann, Schuldrecht, § 41 II 4, S. 177 ff., 179; ebenso Lehmann/Hübner, Allgemeiner Teil (16. Aufl.), § 35 AVII, S. 288 ff., 292; anders jedoch Enneccerus / Nipperdey, Allgemeiner Teil II, § 177 III 2, S. 1077 f. 286 R. Leonhard, Irrthum, S. 252 f. (2. Aufl.: S. 256 ff.); zu den conditiones tacitae s. auch R. Leonhard, Allgemeiner Teil, § 87 II a), S. 385 ff. 287 R. Leonhard, Irrthum, S. 254, s. auch S. 255 Fn. 1, 261 f.; ähnlich auch E. Wolf, Allgemeiner Teil, § 10 IV a), S. 492, der etwa im Krönungszugfall die Bedingung, dass der Festzug stattfindet, als „stillschweigend vereinbart" ansieht, „auch wenn die Vertragschließenden nicht an die Möglichkeit gedacht haben, daß der Zug abgesagt werden könnte". 288 R. Leonhard, Irrthum, S. 264, s. a. S. 271.

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Ganz ähnlich wie bei Leonhard erfolgte schließlich auch bei Dernburg die Abgrenzung zwischen den „Bewegungsgründen oder den Motiven" einerseits und den sog. „Vorgedanken" andererseits, die „dem Geschäfte seinem Begriffe nach essentiell" sind, anhand einer stillschweigend vereinbarten Bedingung: Entscheidend sei, ob ein Umstand „durch den Willen der Betheiligten zum Essentiale erhoben ist". So erklärte Dernburg die heute in § 610 BGB a.F. bzw. § 490 Abs. 1 BGB n.F. positivierte Regel über das Widerrufsrecht des Darlehensgebers bei einer wesentlichen Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers damit, dass hier „im Zweifel eine stillschweigende Geschäftsbedingung, nicht bloßes Motiv" vorliege 289 .

2. Die Lehre Medicus' von der vertraglichen Risikozuweisung a) Auch Dieter Medicus versprach sich von der „ergänzenden Vertragsauslegung" eine Lösung der Zweckstörungsproblematik. Nach Medicus soll „die Auslegung ergeben" können, „wo die Grenzen der vertraglichen Risikozuweisung liegen" 2 9 0 . Diese Grenze beschränke „von vornherein die vertragliche Bindung der durch die Veränderung der Umstände oder ihrer Beurteilung benachteiligten Partei". Es bestehe daher kein „antithetischer" „Gegensatz" zwischen der „Vertragstreue und der unter dem Titel »Geschäftsgrundlage 4 praktizierten Begrenzung der Risikoübernahme" 291. Vielmehr führe „gerade die durch Auslegung gewonnene Begrenzung des Risikos zum richtigen Verständnis und damit erst zur Respektierung des Vertrages". „Daß ein Vertrag zu erfüllen ist, soweit er reicht," ließe „sich ja gar nicht ernsthaft bestreiten". „Zweifeln" könne „man nur daran, wie weit er reicht". Die „richtigen Argumente und Ergebnisse" ließen sich „besser als durch den diffusen Hinweis auf die Vertragstreue durch Besinnung auf die anerkannten Auslegungsregeln erreichen". Wesentlich sei hier „insbesondere das ergänzende Gesetzesrecht, die Verkehrssitte sowie nach Treu und Glauben die Höhe der auch als Risikoprämie aufzufassenden Gegenleistung (§ 157 BGB); ... im Grundsatz unwesentlich" sei dagegen, „ob die Wertungsgrundlage durch eine falsche Vorstellung oder durch Nichtbedenken des Richtigen verschoben worden ist, ebenso, ob es sich um gegenwärtige oder künftige Umstände handelt" 292 . Sei ein Umstand 289 Dernburg, Pandekten I, S. 222; ähnlich auch Manigk, Irrtum, S. 137 f., zu § 119 Abs. 2 BGB; Burchardt, Gruchots Beiträge 39 (1895), S. 14, 34 f.; Wieling, Jura 1985, S. 505, 508 ff.; ders. JuS 1986, S. 272, 273 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 317 f., 320; Rothoeft, Irrtumslehre, § 20; ders., AcP 170 (1970), S. 230, 237; Dießelhorst, Geschäftsgrundlage, S. 153, 167. 290 Medicus, Festschrift für Flume I, S. 629, 631. 291 Die Einheitlichkeit der Rechtsinstitute betont auch Nicklisch, BB 1980, S. 949 ff.; gegen Nicklisch aber Littbarski, JZ 1981, S. 8 ff.; gegen Littbarski wiederum Chr. Müller, JZ 1981, S. 337 f. 292 Medicus, Festschrift für Flume I, S. 629, 631 f.

C. Die hypothetische Parteiereinbarung

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„im Vertrag nicht zutreffend berücksichtigt worden", so liege eine „Vertragslücke" vor, so dass „die Parallele zur Gesetzesauslegung" naheliege. Das „dabei verwendete Verfahren des Weiterdenkens auf der Basis der lückenhaften Regelung" könne „möglicherweise auch für Verträge passen". Es liefe „auf die Frage hinaus, was bei zutreffender Kenntnis oder Voraussicht der Wirklichkeit vereinbart worden wäre" 293 . b) Medicus konzedierte den Einwand, „daß die Berufung auf einen hypothetischen Parteiwillen zum Mißbrauch verleiten kann: sei es, daß ,sie nur als Surrogat für technisch richtigere Begründungen verwendet wird', sei es, ,daß es sich um eine Ausuferung bloßer Billigkeitserwägungen handelt'". „Man behauptet das, was man für sachlich richtig hält, als von den Parteien gewollt und erspart sich so die nötige Angabe der sachlichen Richtigkeitsargumente." Jedoch lasse sich mit dem „Hinweis auf solche Mißbräuche allein ... die Eignung der ergänzenden Vertragsauslegung zur Ermittlung der Rechtsfolgen von Grundlagenstörungen nicht in Frage stellen" 294 . Ergebe sich, dass der Vertrag „bei Kenntnis der Wirklichkeit" „mit anderem Inhalt geschlossen worden wäre," dann könne „die durch die Grundlagenstörung entstandene Vertragslücke mit eben diesem Inhalt gefüllt werden". „Bisweilen" seien aber die „Einzelheiten des hypothetischen Parteiwillens ... kaum zu ermitteln". „Die Rechtsprechung" setze dann „zur Lückenfüllug ihre eigenen Richtigkeitsoder Billigkeitserwägungen ein". Ergebe sich dagegen, „daß eine Einigung bei Kenntnis der Parteien von der Wirklichkeit nicht gelungen wäre," so werde „dem Rechnung getragen, indem man den Zwang zur Erfüllung des Vertrages zumindest erheblich lockert (Recht zu außerordentlicher Kündigung, Rücktritt o.ä.)". „Nur ausnahmsweise" bekäme der Vertrag „einen ganz neuen Inhalt", indem „die Rechtslage dann ohne Rücksicht auf den hypothetischen Parteiwillen nach reinen Billigkeitserwägungen gestaltet" werde 295 .

3. Die ergänzende Vertragsauslegung als Einfallstor für subjektive Gerechtigkeitsvorstellungen a) Bei den Vertretern der Lehre der „ergänzenden Vertragsauslegung" und der stillschweigend implizierten Bedingung steht insgesamt das Anliegen im Vordergrund, eine Methode aufzuzeigen, mittels der dem konkreten Vertrag entsprechende und damit als „gerecht" empfundene Rechtsfolgen ermittelt werden können. Es sollen, so der Grundtenor dieser Lehren, jeweils vor allem aus dem konkreten Vertrag selbst die Maßstäbe gewonnen werden, die aufzeigen, was die Parteien hypo293 Medicus, Festschrift für Flume I, S. 629, 637; zustimmend Willoweit, JuS 1988, S. 833, 840. 294 Medicus, Festschrift für Flume I, S. 629, 638 f. 295 Medicus, Festschrift für Flume I, S. 629, 645; Hervorheb. nicht i. O. 6 Quass

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

thetisch und redlicherweise bei Kenntnis oder Voraussicht der Wirklichkeit bzw. bei einer Berücksichtigung des Risikos einer Änderung der Umstände vereinbart hätten. Als einziges sachliches - also nicht nur methodologisches - Kriterium wird die Höhe des vereinbarten Entgeltes genannt, die ein Indiz für das von einem redlichen Vertragspartner übernommene Verwendungsrisiko darstellen könne. Medicus selbst formulierte jedoch treffend die maßgeblichen Einwände, die einer Lösung der Problematik der Störung des Verwendungszwecks mit der Methode der „ergänzenden Vertragsauslegung" entgegenstehen. Denn die entscheidenden Wertungen, die es rechtfertigen können, die vereinbarte Rechtsfolge durch eine andere zu ersetzen, sind notwendigerweise objektiver Natur und ergeben sich wie bereits gezeigt aus der Rechtsordnung im Hinblick auf die Parteivereinbarungen und nicht etwa subjektivistisch aus einem hypothetischen Parteiwillen 296 . Man behauptet eben das als vereinbart, was man für sachlich richtig hält, ohne die wahren - objektiven - Quellen des als richtig Empfundenen aufzudecken. Der konkrete durch die Parteien geregelte Vertrag kann daher „nur" den Ausgangspunkt bilden, an dem sich die objektiven Wertungen zu orientieren haben. Der „hypothetische Parteiwille" wird insofern von den Vertretern der Methode der ergänzenden Vertragsauslegung zwangsläufig immer „mehr oder weniger objektiviert". Die ergänzende Auslegung wird daher zu Recht üblicherweise der „normativen Auslegung" zugerechnet 297. Demgegenüber gilt es zu erkennen, dass die Parteien zwar die Möglichkeit haben, Regelungen für den Fall veränderter Umstände zu vereinbaren. Liegt aber weder eine solche ausdrückliche Regelung vor und ist auch eine zwar stillschweigende, aber jedenfalls tatsächlich gewollte, also psychologisch existent als eine in das Bewusstsein der Parteien gedrungene Vereinbarung nicht getroffen, so bleibt nichts anderes übrig, als ausschließlich auf das dispositive Gesetzesrecht zurückzugreifen, das für sämtliche gleichartigen Fälle, also für einen „solchen Vertrag" gilt 2 9 8 . b) Gegen das Anliegen der Methode der ergänzenden Vertragsauslegung, in erster Linie den Vertrag als „lex specialis" zur Beurteilung heranzuziehen, wäre an sich nichts einzuwenden. Denn die rechtsgeschäftliche Regelung ist so, wie sie von den Beteiligten gesetzt worden ist, zu respektieren 299. Es ist zwar durchaus richtig, „zunächst von dem Vertrag auszugehen", denn es handelt sich, wie Flume formulierte, „ - wie immer im Vertragsrecht - darum zu unterscheiden, was von den Parteien vereinbart worden ist und welche Rechtsfolgen sich für das Verhältnis von Vertrag und Wirklichkeit aus einer rechtlichen Wertung in Ansehung des be296

Ebenso Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 23; s. oben u. 2. Kap. C. 2. e). 297 Hume, Rechtsgeschäft, § 16/4 a), S. 322, § 26/3, S. 500 f., § 26/5, S. 507 ff.; Nicklisch, BB 1980, S. 949, 950; Mayer-Maly, Festschrift für Flume I, S. 621; BGHZ 9, S. 273, 278; BGH NJW 1978, S. 695. 298 Flume, Rechtsgeschäft, § 16/4, b), S. 324; Häsemeyer, Festgabe für Weitnauer, S. 67, 73. 299 Flume, Rechtsgeschäft, § 16/4 d), S. 326.

C. Die hypothetische Parteiereinbarung

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treffenden Vertragstypus ergeben" 300 . Die Vertreter einer ergänzenden Auslegung gehen indessen über diesen Ansatz weit hinaus und versuchen, die hinter dem Parteiwillen stehenden gegenläufigen, jedoch von den Vertragsparteien nicht durch eine rechtsgeschäftliche Regelung zum Ausgleich gebrachten Interessen nun selbst zu einem „gerechten" Ausgleich zu bringen. Der unter der Hand verwendete objektiv-normative Maßstab für einen derartigen „gerechten" Ausgleich wird dabei durch die Metapher des sog. „redlichen" Vertragspartners verbrämt, in den man die Gerechtigkeitsvorstellungen der zur Entscheidung berufenen Personen hineinprojiziert. Erklärt man aber mit dieser Methode die auf diese Weise gewonnene Rechtsfolge für eine hypothetisch und damit „eigentlich" von den Parteien gewollte Rechtsfolge, so wird die Tatsache verschleiert, dass es sich hierbei in Wahrheit nicht mehr um die Verwirklichung des Willens der Parteien handelt, sondern um eine „im konkreten Fall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zweckmäßige, billige und gerechte" 301 und damit auch bei der ergänzenden Auslegung um eine aus objektiven Wertungen gewonnene Rechtsfolge. Es handelt sich also bei dem Maßstab des redlich denkenden Vertragspartners um zwar subjektiv eingekleidetes, jedoch originär objektives Recht 302 . Wird der so ergänzte „Vertragsinhalt" zu dem erklärt, was „die Parteien gewollt haben würden", so gerät dies somit regelmäßig zu einer Fiktion 3 0 3 . Denn zum einen wird so die Frage aufgeworfen, woher man die Erkenntnis gewinnen will, dass die von der Veränderung der Wirklichkeit nicht nachteilig betroffene Vertragspartei auch den Willen hatte oder gehabt hätte, „redlich" zu sein. Unter dem Primat der Privatautonomie muss es schließlich jedermann freistehen, vertragliche Abreden selbst dann nicht zu vereinbaren, wenn diese allgemein als „gerecht" empfunden werden sollten. Zutreffend stellte bereits Nipperdey fest, „daß sich niemand - auch nicht,redlicherweise' - darauf einzulassen braucht, einen Vertrag unter einer Bedingung zu schließen, die zudem noch im Interesse einer Vertragspartei liegt". Lehne es „der Vertragsgegner bei Vertragsschluß ausdrücklich ab, einen Umstand - mag er für den anderen auch noch so bedeutsam sein - als Bedingung in den Vertrag aufzunehmen, so kommt der Vertrag entweder ohne Bedingung oder gar nicht zustande; unredlich handelt der Vertragsgegner in keinem der beiden Fälle". Daher sei es „auch nicht möglich, rückblickend zu sagen, der Vertragsgegner hätte ... sich redlicherweise darauf einlassen müssen, daß der Umstand als Bedingung in den Vertrag aufgenommen wird" 3 0 4 .

300 Flume, Festschrift für den DJT I, S. 135, 208. 301 So Brox, JZ 1966, S. 761, 756 f. 302 Flume, Festschrift für den DJT I, S. 135, 209: „Was man der durchschnittlichen Absicht der Parteien' unterstellt, ist in Wahrheit die rechtliche Wertung in Hinsicht auf den Vertragstypus." Ebenso Esser, JZ 1958, S. 113, 114; Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 34 Fn. 102. 303 Ebenso Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 39; Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 28, 30 ff.; Lüderitz, Auslegung, S. 452; Sandrock, Vertragsauslegung, S. 1 ff. *

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Der zweite und entscheidende Einwand gegen die Methode der Interessenjurisprudenz und der ergänzenden Vertragsauslegung folgt jedoch daraus, dass sie Tür und Tor öffnet für die unterschiedlichsten subjektiven GerechtigkeitsVorstellungen der zur Entscheidung berufenen Personen. Indem in erster Linie die redlichen „Parteiinteressen" von Bedeutung sein sollen und nur als ein weiterer Aspekt unter vielen anderen das „ergänzende Gesetzesrecht" für maßgeblich erklärt wird, eröffnet sich ein Einfallstor für die verschiedenartigsten Erwägungen, die mit den nach dem Vertrag und dem Gesetz maßgeblichen Gesichtspunkten unter Umständen nichts mehr gemein haben. Es besteht damit tendenziell die Gefahr, dass höchst subjektive Vorstellungen des jeweils zur Entscheidung berufenen Richters Eingang in die Beurteilung des Falles finden, wenn der Richter offen aufgerufen wird, zu beurteilen, was „redlich denkende Parteien unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zweckmäßig, billig und gerecht" in einer hypothetischen Situation vereinbart hätten. Die Vorstellung, man könne der Problematik der Störung des Verwendungszwecks mit einer Methode der ergänzenden Vertragsauslegung beikommen, ist daher nicht nur falsch 305 , sondern für die Rechtsordnung auch höchst gefährlich. Denn in der Tendenz ist zu befürchten, dass die dem Gesetz zugrundeliegende Wertungen aus dem Blickfeld geraten und gerade umgekehrt sogar der Rechtsordnung vollkommen fremde oder sogar anerkanntermaßen unbeachtliche Erwägungen eine Rolle spielen könnten. Darüber hinaus könnten Rechtsfolgen, die möglicherweise aufgrund von gesetzesfremden Wertungen gewonnen werden, sogar unter dem Etikett der „ergänzenden Vertragsauslegung" als „eigentlich" von den Vertragsparteien gewollte Rechtsfolgen legitimiert werden. Die wahre Quelle der konkreten rechtlichen Wertung würde so bis zur Unkenntlichkeit vernebelt und die Klarheit und Nachprüfbarkeit der Entscheidung erschwert. Beispielsweise könnte ein Richter es als entscheidungserheblich erachten, dass durch die Störung des Verwendungszwecks dem Gläubiger der wirtschaftliche Ruin droht 306 . „Bewertet" er solchermaßen die Interessen der Parteien und setzt er dann noch „zur Lückenfüllung" seine „eigenen Richtigkeits- oder Billigkeitserwägungen ein", so kann er gar nicht umhin, daraus zu schließen, dass die benachteiligte Partei dieses äußerste Risiko der Existenzvernichtung keinesfalls tragen wollte und die Vertragspartner den Vertrag ohne den insoweit beiderseitigen Motivirrtum „redlicherweise" über-

304 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil II, § 177 III 2, S. 1078; ähnlich Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 237: „ . . . hätten die Parteien sie (die Umstände) wirklich bedacht, so hätte sich der Schuldner eben nicht ohne ausdrücklichen Anpassungsvorbehalt verpflichtet, der Gläubiger sich jedoch einer solchen Übernahme des Enttäuschungsrisikos gerade widersetzt." 305 Flume, Rechtsgeschäft, § 16/4 d), S. 327, § 26/3, S. 500: „Diese Formulierung ist nichts anderes als eine Umschreibung dafür, daß eine gerechte Lösung zu suchen ist." 306 So in der Tat etwa RGZ 102, S. 272, 273; RGZ 163, S. 91, 96; RGZ 166, S. 40, 48 ff.; OGHZ 1, S. 62, 70 f.; OGHZ 1, S. 386, 394 ff.; BGHZ 17, S. 317, 327; BGHZ 25, S. 293, 298 f.; BGH JZ 1952, S. 751; s. auch Emmerich, Leistungsstörungen, S. 320.

C. Die hypothetische Parteiereinbarung

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haupt nicht oder jedenfalls nicht zu den vereinbarten Bedingungen geschlossen hätten. c) Bei den Lehren, nach denen die Lösung der Zweckstörungsfälle mittels des Instituts der „stillschweigenden Bedingung" gewonnen wird, handelt es sich nur um eine andere Formulierung für die Methode der „ergänzenden Vertragsauslegung". Die Annahme, der Schuldner der Leistung habe sich stillschweigend mit einer Bedingung einverstanden erklärt, nach der der Anspruch auf die Gegenleistung nur dann fortbestehen soll, wenn die Erreichung eines bestimmten Verwendungszwecks möglich ist, gerät selbst bei einer „subjektiven Ungewißheit hinsichtlich des fraglichen Umstandes", die zumeist als die psychologische Voraussetzung für die Annahme einer stillschweigenden Bedingung angesehen wird 3 0 7 , fast immer zur bloßen Unterstellung. Denn auch die stillschweigende Bedingung setzt notwendigerweise immer einen „redlichen" Vertragspartner voraus und erklärt so zum privatautonom Gewollten, was in Wirklichkeit normativen und damit heteronomen Ursprungs ist. Es besteht kein „Interesse" des Schuldners der Sachleistung an der Verwirklichung des Verwendungszwecks des Gläubigers und es kann daher auch nicht ohne Willkür ein Wille des Schuldners zu einer Bedingung impliziert werden. Dem BGH ist insofern beizupflichten, wenn dessen I. Senat im Jahre 1953 im „Bohrhämmer-Urteil" 308 , bei dem die Käuferin die bestellte Ware wider Erwarten nicht wie vorgesehen an die Behörden der Ostzone weiterveräußern konnte, feststellte, das eigene Interesse der Verkäuferin „an der Durchführung des Vertrages" habe sich „in der vertragsgemäßen Abnahme und Bezahlung der Hämmer" durch die Käuferin erschöpft. „Bei dieser Interessenlage" - so der BGH - „wäre es nur dann gerechtfertigt gewesen, den Verwendungszweck der Hämmer als echte Vertragsbedingung zu werten, wenn ein dahingehender Parteiwille in den vertraglichen Abmachungen eindeutig zum Ausdruck gekommen wäre."

307 Flume, Rechtsgeschäft, § 36/6, S. 699; Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 38 ff. 308 BGH MDR 1953, S. 282 ff., und BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 12; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 4. b).

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Wertungen (sog. objektive Lehren) I. Die Störung des Verwendungszwecks als eine Frage der Billigkeit 1. Die Lehren von der Unzumutbarkeit der Gegenleistungspflicht a) Die Lehre Erich Kaufmanns vom „Wesenszweck" des Geschäfts Erweisen sich somit insgesamt die sog. subjektiven Lehren als ungeeignet, die Befreiung von der Gegenleistungspflicht in bestimmten Fällen der Störung des Verwendungszwecks zu rechtfertigen, so bleibt die Aussicht, die Lösung der Problematik anhand objektiver Kriterien zu finden. Ebenso wie in der Rechtsprechung spielt in diesem Rahmen auch im Schrifttum verbreitet das Kriterium der „Unzumutbarkeit" eine zentrale Rolle. Bereits Erich Kaufmann verwendete in seiner im Jahre 1911 erschienenen Schrift über „Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sie stantibus" den Begriff der Zumutbarkeit als eine objektive Beschränkung der vertraglichen Leistungspflichten, die er subjektiv dem Willen der Vertragsparteien unterstellte. Kaufmann versuchte aufgrund seiner völkerrechtlichen Perspektive die Rechtsfolgen bei einem Eintritt „nicht erwarteter Umstände" nicht aus einer gesetzten Rechtsordnung, sondern aus einer „Auslegung des Vertragswillens" zu gewinnen 3 0 9 . Sei einem Versprechen „ein ganz bestimmter Wille zugrunde gelegen", so habe „über diesen Willen hinaus ... keine Bindung stattfinden sollen" 310 . Das „tatsächlich Gewollte", verstehe man aber erst, wenn man wisse, „aus welchen allgemeineren normativen Gesichtspunkten es gewollt ist:,warum 4 es gewollt ist" 3 1 1 . Kaufmann legte daher jeder Willenserklärung auch normative Inhalte bei, indem in jedem Willen „eine dessen fragmentarische und unvollkommene Natur erweiternde und ergänzende normative Gesetzlichkeit" stecke, „die als solche mitgewollt sein muß: zum mindesten in dem Sinne, daß die jedenfalls notwendige Ergänzung nicht aus den willkürlichen wirtschaftlichen Zwecken des Gegenkontrahenten oder eines anderen beschränkten Individuums erfolgt, sondern nach überindividueller Gesetzlichkeit, nach ,Treu und Glauben 4 " 312 . Kaufmann verstand „das Rechtliche" damit nicht als „etwas von außen Hinzutretendes", sondern glaubte, dass „in der Parteiabsicht selbst bereits eine Beziehung zum Rechtlichen" 309 E. Kaufmann, Wesen, S. 100. 310 E. Kaufmann, Wesen, S. 80. 311 E. Kaufmann, Wesen, S. 85. 312 E. Kaufmann, Wesen, S. 95 f.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n

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wohne. So sollen beispielsweise auch „zwei Männer, die einander in der Wüste begegnen" und „einen Kauf- oder Tauschvertrag schließen" sich gegenseitig „die Geltung des Rechtssatzes pacta sunt servanda" anerkennen. Das „spezifische Rechtsvertrauen" sei daher „allen Rechtsgeschäften notwendig immanent" 313 . Aufgrund „dieser Gesetzlichkeiten' in jedem rechtlichen Wollen", forderte Kaufmann, dass, anders als nach Windscheids Lehre von der Voraussetzung, „die Klausel auch Platz greifen soll, wenn auch nur der verpflichtete Teil eine beschränkte Leistung gewollt, ja sogar wenn keiner der Kontrahenten beim Vertragsschluß die Beschränkung in seinen ,empirischen Willen' aufgenommen hatte" 314 . Es komme „überall, wo an Willenserklärungen Folgen geknüpft sind, nur auf die eine Frage an, was man dem Willen eines Geschäftssubjektes auf Grund seines Gesamtverhaltens und der Gesamtlage imputieren darf", „was man dem »Wirkungswillen4 als gewollt ,zumuten4 darf 4 . Was „,als gewollt zugemutet4 werden44 dürfe, sei zwar „je nach der Eigenart der verschiedenen Geschäftstypen verschieden 44315 . Maßgeblich sei aber jeweils ein „Wesenszweck des Geschäftes 44. Da „inhaltlich angesehen immer das Wesentliche der wirtschaftlichen Parteiabsicht zugleich als Rechtserfolg gewollt44 sein müsse, sei jedenfalls der „Wesenszweck44 „als rechtlich Gewolltes in der Parteiabsicht enthalten 44316 .

b) Die Lehre Krückmanns vom virtuellen

Vorbehalt

Krückmann betonte insbesondere in seinem 1929 erschienenen Aufsatz „Die Voraussetzung als virtueller Vorbehalt 44317 unter dem Eindruck der Lehre Windscheids von der Voraussetzung die „Virtualität" der Voraussetzung. Die „Selbstbeschränkung des Willens44, der fehlende „eigentliche Wille", den Oertmann und Locher 318 als „aktuell44 behandelt hätten, sei der Sache nach nur „virtuell 44 , indem „Voraussetzung44 nicht nur der „aktuelle Beweggrund44, sondern insbesondere auch der „Gegengrund44 sei, „ohne den man nicht gewollt haben würde 44319 . Das „Virtuelle44 sei „notwendig der Erklärung immanent44, so dass „jeder in der Erklärung ... enthaltene virtuelle Vorbehalt ohne weiteres von der Gegenpartei »angenommen444 sei, wenn „die Gegenpartei ihn nicht vertragsmäßig ausgeschaltet44 habe 320 . 313 E. Kaufmann, Wesen, S. 90. 314 E. Kaufmann, Wesen, S. 105. 315 E. Kaufmann, Wesen, S. 107, Hervorheb. i. O. 316 E. Kaufmann, Wesen, S. 92, Hervorheb. i. O.; zu Kaufmann s. auch Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 12 f.; Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 8; MünchKomm/Roth, BGB, Band 2 a, §313Rn. 49. 317 Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1 ff.; s. auch ders., AcP 128 (1928), S. 157 ff.; ders., AcP 116 (1918), S. 157 ff. 318 s. zu Locher, AcP 121 (1923), S. 1 ff., sogleich unten u. II. 319 Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1,45 ff.; ders. AcP 128 (1928), S. 157, 176. 320 Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 62 f.; ders., AcP 128 (1928), S. 157, 175 f.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Es komme aber dennoch immer darauf an, „was sich die Gegenpartei als Geschäftsinhalt gefallen lassen" müsse 321 . Denn wenn eine Partei, „weil sie nach Abgabe der Erklärung ihren Willen geändert hat, gegen ihre eigene äußerlich unbedingte und vorbehaltlose Erklärung angehen" wolle, so müsse ihr dazu „ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite stehen" 322 . Diese „rechtfertigende Erlaubnis" sah Krückmann in der „Nichtzumutbarkeit" der Bindung an die frühere Willenserklärung. Eine „Sinn-, Zweck- und Gegenstandslosigkeit" des Vertrags erkläre „ausreichend", „weshalb es nicht zumutbar ist, daß der Erklärende bei seiner Erklärung bleibe" 323 . Der „Begriff der Nichtzumutbarkeit" sei zudem durchaus „praktisch brauchbar", da nach dem „Sprichwort casum sentit dominus" jede Partei die Gefahr für alle Ereignisse trage, „die sich bei ihr, in dem zu ihr gehörenden Personen-, Sach- und Wirkungskreis, überhaupt ihrem Lebenskreis, insbesondere ihrem Vermögenskreis ereignen". Durch die Beachtung der Regel, dass eine Partei „ihre Unwissenheit, ihre Unkenntnis nicht auf die Gegenpartei abwälzen" dürfe, entfalle „einer der wirksamsten, wenn nicht der wirksamste Gegengrund gegen Windscheids Lehre, daß sie die Verkehrssicherheit erschüttere". „Zuweilen" versage zwar auch diese Regel, dann aber gebe „die reine Zumutbarkeitserwägung doch das Nötige her, weil es sich um die Störung der Aequivalenz oder eine unerträgliche Beschwerung" handle 324 .

c) Die Lehre Fikentschers von der Vertrauensgrundlage Von Fikentscher wurde versucht, den Begriff des „Redlichen" „weiter aufzuhellen", der zuvor bereits Eingang in die sog. Lehmann4sehe Vereinigungsformel und in die Lehre von der ergänzenden Vertragsauslegung gefunden hatte 325 . In seiner Schrift „Die Geschäftsgrundlage als Frage des Vertragsrisikos" entwickelte Fikentscher den Begriff der „Vertrauensgrundlage 4', bei dem „es immer um das Vertrauen einer Partei in bestimmte Umstände44 gehe 326 . Demnach seien „die einseitig gebliebenen Motive44 als „Vertragsrisiken 44 von den Parteien grundsätzlich selbst zu tragen 327 . Es gebe jedoch Fälle, „in denen das objektive Recht den Risikorahmen einer Partei für überzogen hält", der sich aus einer Änderung der Umstände ergibt. Jenseits einer solchen „Belastungsgrenze44 würden „ausnahmsweise ,Moti ve4 vertragserheblich 44, indem deren falsche Einschätzung ein Festhalten am Vertrag „ungerecht" und „unzumutbar44 mache, und daher eine „Korrektur des Vertrages" erforderlich sei 3 2 8 . Die „Vertrauensgrundlage 44 umfasse daher „die nicht in den ver321 322 323 324

Krückmann, Krückmann, Krückmann, Krückmann,

AcP AcP AcP AcP

131 (1929), S. 131 (1929), S. 131 (1929), S. 131 (1929), S.

1, 64. 1, 10. 1, 11 f.; ders., AcP 128 (1928), S. 157, 158. 1, 70 ff.; ders., AcP 128 (1928), S. 157, 186 f.

325 s. oben u. 2. Kap. C. II. 326 Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 35. 327 Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 29.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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traglichen Risikorahmen einer Partei aufgenommenen Umstände, deren Bedeutung für das von der Partei eingegangene Vertragsrisiko aber doch so groß ist, daß die Abweichung der Wirklichkeit von der Vorstellung der Partei bei der Bildung ihres Zweckwillens es für die Partei unzumutbar macht, am Vertrag festgehalten zu werden" 3 2 9 . Die Zuordnung des jeweiligen „Vertragsrisikos" und damit die Bezeichnung der „Unzumutbarkeitsgrenze" ergebe sich aus einer „Auslegung des Vertrags, der Verkehrssitte, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder des Gesetzes". Es sei „durch Vergleich mit der für das Rechtsgeschäft vorgesehenen typischen oder einzelgeschäftlichen Risikoverteilung zu ermitteln, was durch die Risikotragung bezüglich dieses Umstands gelten soll" 3 3 0 . Fikentscher unterließ es jedoch, seine allgemein gehaltenen Äußerungen hinsichtlich der Fälle der Störung des Verwendungszwecks zu präzisieren oder zu konkretisieren. Als einziges Beispiel führte er den Fertighausfall 331 an, in dem die Käufer von Fertighäusern an diesen kein Interesse mehr hatten, weil die zuständige Baubehörde nicht genehmigte, dass die Fertighäuser auf dem von den Käufern gepachteten Grundstück aufgestellt werden, das ihnen der Verkäufer vermittelt hatte. Auch hier beließ es Fikentscher aber bei der Erwägung, dass „man die Last des Risikos beiden Parteien aufzubürden habe", wenn man davon ausgehe, „daß Holzfertighäuser keineswegs überall genehmigt werden". Gehe man „weiter davon aus, daß es irgendwo im Bereich der klagenden Bauherrn möglich sein könnte, geeignete Grundstücke zu finden", erscheine „die Entscheidung des BGH zutreffend" 332 .

d) Die Lehren vom Äquivalenzprinzip (1) Verschiedentlich wurde in neuerer Zeit versucht, der Idee von der Zumutbarkeit durch ein dem gegenseitigen Vertrag innewohnendes „Äquivalenzprinzip" konkretere Gestalt zu geben. Insbesondere Chiotellis betonte „die Funktion des gegenseitigen Vertrages . . . , daß jede Partei ihre Leistung nur wegen und zum Zwecke der Erlangung der Gegenleistung erbringt". Daraus ergebe sich ein „dem BGB zugrundeliegendes Verständnis des Äquivalenzprinzips", nach dem „die Parteien bei der Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses der Leistungen im Vertrag grundsätzlich frei sind", und das Gesetz zu einer „Gleichwertigkeit der im Vertrag einander gegenüberstehenden Leistungen" tendiere 333 .

328

Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 31 ff. Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 35 f.; ders. Schuldrecht, § 27 II; ebenso Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 32 ff.; Heiermann, BauR 1971, S. 221, 222 ff. 33 0 Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 32 f., 43 f., 46 f. 329

33

1 BGH JZ 1966, S. 409 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 3. c). Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 66 f. 333 Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 21 f. 332

2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

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So sehe etwa der Käufer „in dem von ihm zu zahlenden Preis ein Äquivalent für die zu leistende Sache selbst und deren Verwendung". Dem „Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung" lege der Käufer immer auch den „von ihm verfolgten weiteren Zweck" zugrunde. „Jede Beeinträchtigung dieses weiteren Zwecks wegen veränderter oder andersliegender Umstände" bewirke also „eine Äquivalenzstörung für den Käufer, die er aber gemäß der gesetzes- und verkehrstypischen Risikoverteilung hinnehmen" müsse 334 . Die Rechtsordnung greife erst ein, „wenn die Äquivalenzstörung ... das Maß des Angemessenen übersteigt", jedoch sei das Äquivalenzprinzip selbst „nicht in der Lage, weitere Anhaltspunkte für diese Richtung zu liefern", da „sein normativer Gehalt... allgemeiner und abstrakter Natur" sei 3 3 5 . Zum Teil gebe das dispositive Recht einen „Bewertungsmaßstab für die Interessenbewertung im konkreten Fall", indem die „Sachmängelhaftungs-", „Irrtums-" und „Unmöglichkeitsvorschriften" analog angewendet werden könnten. Es handle sich hierbei um „Geschäftsgrundlagenstörungen im weiteren Sinne". Wenn „das Gesetz aber keine solchen Anhaltspunkte" aufweise, so ergebe die „Unzumutbarkeit der Leistung" als eine „Geschäftsgrundlage im engen Sinne" ein „weiteres", „allgemeines Prinzip", das „in § 242" seinen „positiven Ausdruck" gefunden habe. Dieses Prinzip sei „stark" von einer „Gerechtigkeit in ihrer individualisierenden Tendenz geprägt" und liefere „Maßstäbe, die die Beurteilung eines konkreten Falles" ermöglichten. Die „Unzumutbarkeit" bewerte „die Interessenlage in einer gegebenen Situation" und gebe „einem Interesse den Vorrang" 336 . Hierbei lasse sich „das ganze Arsenal der aus § 242 von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Prinzipien und Institute ... verwenden", wie „z. B." „Unzulässigkeit der Rechtsausübung, Rechtsmißbrauch, Arglisteinrede, Verwirkung, Widerspruch zu eigenem früheren und jetzigen Verhalten, unzulässige Berufung auf Verjährung, auf Ausschlußfrist, auf Formnichtigkeit". „Durch dieses Zusammenspiel" gewinne „die Nichtzumutbarkeit einen konkreten normativen Inhalt" und liefere „Maßstäbe für die Interessenabwägung und -bewertung eines gegebenen Sachverhalts" 337. Infolgedessen ergebe sich etwa im bereits erwähnten Fertighausfall 338 die Unzumutbarkeit ... aus dem Prinzip des unzulässigen venire contra factum proprium". Wie bereits erwähnt, hatte in diesem Fall der Verkäufer von Fertighäusern auf Verlangen der Käufer diesen auch Pachtverträge für Grundstücke vermittelt, auf denen die Käufer die Häuser jedoch nicht aufstellen konnten, da die erforderliche Baugenehmigung nicht zu erlangen war. Nach Chiotellis soll hier maßgeblich gewesen sein, ob auch der Verkäufer davon ausging, dass die Genehmigung erteilt würde, auf die es den Käufern entscheidend angekommen sei. Er habe „nur so die Käufer 334

Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 115. Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 33, 36. 33 6 Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 35 ff., 99 ff. 335

337 33

Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 39 f. « BGH JZ 1966, S. 409 f.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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zum Vertragsschluß veranlassen können" und setze „sich mit seinem eigenen früheren Verhalten bei Vertragsschluß in Widerspruch", wenn er nunmehr erkläre, „auf diesen Umstand komme es nicht an" 3 3 9 . Überhaupt verstoße in Fällen, „in denen der Verkäufer selbst den Käufer auf den evtl. weiteren oder wirtschaftlichen Zweck aufmerksam gemacht hat, und ihn dadurch ... zum Abschluß des Kaufvertrages veranlaßt hat" „gegen Treu und Glauben, was die Äquivalenzstörung für den Käufer unzumutbar" mache 340 . Im Apothekenkonzessionsfall 341, bei dem eine zum Preis von DM 60.000 verkaufte sog. Realkonzession zum Betrieb einer Apotheke 14 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags einen erheblichen Teil ihres Verkaufswerts verlor, weil das Bundesverwaltungsgericht die Bedürfnisprüfung zur Errichtung einer Apotheke für verfassungswidrig erklärt hatte, soll hingegen das quantitative Kriterium „des Ausmaßes der Äquivalenzstörung" entscheidend gewesen sein. „In der Mehrzahl der Fälle" genüge insofern „die Abweichung von dem ursprünglichen Gleichgewicht" um „einen viel niedrigeren Prozentsatz" als „100%", um eine „unzumutbare Äquivalenzstörung" zu verursachen. Jedoch sei andererseits in den 14 Monaten, in denen der Käufer die Apotheke betrieben hatte, „ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Verkäuferin entstanden". Dieses „qualitative Merkmal" mildere „die Unzumutbarkeit der eingetretenen Äquivalenzstörung", so dass nur die „Befreiung von einem Teil" des noch nicht bezahlten „Restkaufpreises (7.000 DM)" gerechtfertigt sei 3 4 2 . (2) Das „Äquivalenzprinzip" wurde aber auch schon früher als das maßgebliche Kriterium für eine Berücksichtigung veränderter Umstände angesehen343. So beantwortete etwa Wieacker die selbstgestellte Frage, „wann das Gegenopfer der Vertragspartei infolge ihrer Erwartungsenttäuschung so unverhältnismäßig wird, daß es ihr gerechterweise nicht mehr zugemutet werden sollte", mit der These, dass im gegenseitigen Vertrag „eine schwere objektive Äquivalenzstörung den Vertragspartner von der vollen Gegenleistung" entbinde 344 . „Nur das Synallagma" sei „per 339 Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 40 f.; ebenso Köhler, Unmöglichkeit, S. 150, der generell das Prinzip des Verbots des venire contra factum proprium und den Grundsatz der „Risikonutznießung" als die „konkretisierenden Weitungsprinzipien" des Instituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erachtet, in JA 1979, S. 498, 503, aber auch eine Fülle weiterer Umstände für abwägungserheblich hält, wie etwa die „Vorhersehbarkeit der Störung", die Frage, „aus welcher ,Sphäre' das Hindernis herrührt", „ein auffälliges Mißverhältnis' zwischen Leistung und Gegenleistung, ... die absolute Höhe der Belastung, die Wirtschaftskraft des Betroffenen, die Dauer des Vertrages, ein machtbedingtes Ungleichgewicht der beiderseitigen Leistungen" sowie unter bestimmten Umständen sogar die „drohende Existenzvernichtung". 340 34

Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 115 f. 1 BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 33; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 3. f).

342

Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 135 f. Entsprechende Ansätze finden sich etwa auch bei Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 34 ff.; Köbler, Clausula, S. 205 ff., 214 ff.; Jickeli, Vertrag, S. 259 ff. 344 Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 248 f. 343

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

definitionem objektive Zweckverknüpfung der beiden Leistungen, ... die deshalb prinzipielle Beachtung der Äquivalenzstörungen" ermögliche. Dieser „Vertragszweck" sei vereitelt, wenn die vom Vertragsgegner richtig erbrachte Sachleistung dem Gläubiger infolge individueller Umstände keinen Nutzen mehr bringt, der sein Gegenopfer lohnend macht" 345 . Während Wieacker allgemein bei „Störungen der Äquivalenz von über 50 Prozent... Anlaß zu einer Prüfung einer laesio enormis" gegeben sieht, soll bei den Fällen einer sonstigen „Zwecklosigkeit" der Leistung für den Empfänger die Lösung jedoch allein den „konkreten Vorschriften für die einzelnen Schuldverhältnisse" und den „zweckspezifischen Abreden" der Parteien entnommen werden 346 . „Solche Risiken, von denen sie nach diesen Grundsätzen nicht entlastet ist," müsse „eine Vertragspartei grundsätzlich immer selbst tragen", denn es könne „kein formulierbarer Gesichtspunkt der materialen Vertragsgerechtigkeit aufgefunden werden . . . , der generell-typisch den Empfänger einer Leistung gegen Gegenleistung vom Risiko der individuellen Nützlichkeit des Empfangenen auf Kosten des Leistenden freistellen könnte" 347 . (3) Ferner versuchte Rothoeft in der „Anwendung des Äquivalenzprinzips die Lösung" zu finden, da dieser „Grundsatz das Ausmaß der ergänzenden Interpretation des Vertrages" bestimme. Nach Rothoeft sind sämtliche Umstände „Vertragsbestandteil", die „für die sinnvolle Verwirklichung des beiderseitigen Zweckstrebens erforderlich und damit in rechtlicher Hinsicht beachtlich" sind. Damit sollen die Faktoren, „die für die Leistungsbereitschaft oder für die Festsetzung der Höhe der Gegenleistung maßgeblich gewesen sind, als rechtlich beachtlich anzusehen sein". Ein Ausgleich einer „Störung des Äquivalenzverhältnisses" geschehe „durch die Annahme einer Verpflichtung der Parteien, ein gestörtes Äquivalenzverhältnis im Wege der Anpassung an die veränderten Umstände (wiederherzustellen" 348 . (4) Schließlich ist in diesem Zusammenhang die Lehre Häsemeyers zu nennen, der zu einer „offenen normativen Vertragskontrolle" durch eine „unmittelbare, konturierende Anknüpfung an den Gedanken der Vertragsgerechtigkeit" übergehen wollte. Die „Austauschgerechtigkeit" beim gegenseitigen Vertrag sei betroffen, wenn die „Wertmaßstäbe", die die Vertragsparteien „gemeinsam einer konkreten Leistungsbewertung zugrunde" legten, sich als unrichtig erweisen" 349 . So handle es sich etwa auch im Krönungszugfall „um das Versagen eines in den Vertrag einbezogenen Wertmaßstabes" und damit um eine „Äquivalenzstörung". Der Mietwert eines Fensterplatzes zur Betrachtung des Krönungszuges sei entfallen, wenn der Krönungszug ausfällt und dieser Umstand „die darauf aufbauende Äquivalenzstörung" zerstört 350 . 345 Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 248 f., 252. 346 Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 252 ff., unter in Fn. 117 ausdrücklich erklärter Übereinstimmung mit Flume. 347 Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 254 f. 348 Rothoeft, AcP 170 (1970), S. 230, 237 f. 349 Häsemeyer, Festgabe für Weitnauer, S. 67, 76.

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Wertungen

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2. Die Unbestimmtheit des Begriffs von der Unzumutbarkeit a) Das grundsätzliche Dilemma der Lehren von der Unzumutbarkeit (1) Bei der Frage des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage sollen, so die gemeinsame Quintessenz der Lehren von der Unzumutbarkeit der Gegenleistungspflicht, sämtliche Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung finden und in die umfassende Abwägung einfließen können. Es soll sich nach den Umständen des Einzelfalls bemessen, ob die veränderte Wirklichkeit den „Wesenszweck des Geschäfts" berührt (E. Kaufmann), ob der Vertrag „sinn-, zweck und gegenstandslos" geworden (Krückmann), ob die „Belastungsgrenze" überschritten (Fikentscher, Haarmann) oder ob das „Äquivalenzverhältnis" gestört (Chiotellis, Wieacker, Rothoeft, Häsemeyer, Köbler) ist. Aus diesen Gesichtspunkten und Wertungen ergebe sich sodann bei gerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen ggf. die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag. Das Problem des so herausgebildeten Begriffs von der Unzumutbarkeit ist seine Unbestimmtheit. Sofern man freilich annimmt, das Kriterium der Unzumutbarkeit falle mit der Rechtsvernunft schlechthin zusammen, indem durch dieses der aequitas oder der Billigkeit gegenüber der allzu strengen vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung zum Durchbruch verholfen wird 3 5 1 , erscheint es von vornherein gegenüber jeder Kritik gefeit. Denn indem so die „materiale" Gerechtigkeit per Definition zu dessen Wesensmerkmal erklärt wird, erhält jede anhand des Maßstabs der Zumutbarkeit getroffene Fallentscheidung das Gütesiegel, den höchsten Zweck jeder rechtlichen Beurteilung erfüllt zu haben. Fragwürdig wird die Lehre von der Unzumutbarkeit der Leistungspflicht jedoch, wenn man bedenkt, dass jeweils höchst unterschiedliche Ansichten darüber naheliegen können, was im konkreten Fall als zumutbar und was als unzumutbar anzusehen sein soll. Die Beurteilung eines Falles wird so dem subjektiven Rechtsempfinden des jeweiligen Betrachters anheim gegeben, dessen Ergebnis daher nur in eingeschränktem Maß von Dritten objektiv nachvollzogen werden kann. Die Verwirklichung einer „Gerechtigkeit" gerät so zu einer bloßen unbewiesenen Behauptung. Die verwirrende Vielfalt der von der Rechtsprechung als maßgeblich erachteten Umstände bei einer Störung des Verwendungszwecks gibt davon ein beredtes Zeugnis 352 . Während man es für die gerichtliche Praxis noch als akzeptabel erachten mag, wenn ein Urteil mehr auf die Gesichtspunkte des Einzelfalls abstellt, anstatt die Entscheidung aus allgemein gültigen Regeln zu deduzieren, kann der Druck des Entscheidungszwangs der Lehre nicht zugute gehalten werden. Denn deren Aufgabe ist es

350 351 352

Häsemeyer, Festgabe für Weitnauer, S. 67, 79 f. s. etwa Emmerich, Leistungsstörungen, S. 316. s. hierzu bereits oben u. 1. Kap. B.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

gerade, die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte zu isolieren und hieraus generell-abstrakte Regeln zu formulieren. (2) Indessen ist es der Literatur bislang nicht gelungen, den Begriff der Zumutbarkeit auch nur einigermaßen zu präzisieren 353. Erich Kaufmann versuchte zwar die für das Völkerrecht entscheidende Frage zu beantworten, weshalb objektiven Rechtssätzen auch ohne eine übergeordnete Rechtsordnung für Vertragsverhältnisse Gültigkeit zukommt, jedoch bleibt der Begriff des „Wesenszwecks des Geschäfts" völlig im Dunkel und damit gerade das entscheidende Problem ungelöst, „was man dem ,Wirkungswillen' als gewollt,zumuten' darf'. Festzuhalten ist jedoch, dass bereits Kaufmann die Relevanz des „Wesentlichen der wirtschaftlichen Parteiabsicht" für den „gewollten Rechtserfolg" erkannte. Gerade die Bedeutung des im Zentrum des wirtschaftlichen Interesses des Gläubigers stehenden Verwendungszwecks für den gewollten Inhalt des Vertrags wird aber - wie noch zu zeigen sein wird - den entscheidenden Gesichtspunkt für die Lösung der behandelten Problematik bilden. (3) Ebenso wenig glückte es Krückmann, für die als „virtuellen Vorbehalt" bezeichnete „Nichtzumutbarkeit" praktikable Maßstäbe zu liefern. Eine „Sinn-, Zweck- und Gegenstandslosigkeit" des Vertrags bei einer Störung des Verwendungszwecks aufgrund veränderter äußerer Umstände, ließe sich zwar etwa für den Krönungszugfall durchaus begründen. Jedoch wird die Lieferung der Waren ebenso für den Käufer im bereits erwähnten Aussteuerfall „sinn-, zweck- und gegenstandslos", wenn die geplante Hochzeit seiner Tochter ausfällt, für die er die Aussteuer erwerben wollte. Dieses Merkmal ist bei einer Störung des Verwendungszwecks für den Gläubiger der Sachleistung eben immer - und umgekehrt für den Schuldner niemals - gegeben und taugt daher nicht für eine Abgrenzung zwischen beachtlicher und unbeachtlicher Zweckstörung. Die Anwendbarkeit der Regel casum sentit dominus, die Krückmann als eine Einschränkung der Beachtlichkeit solcher veränderter Umstände versteht, die den Vertrag sinn-, zweck- und gegenstandslos machen, muss hingegen so lange zweifelhaft bleiben, als sie allein auf den Gläubiger, nicht aber auf den Schuldner bezogen wird. Will man in bestimmten Fällen der Zweckstörung die „Nichtzumutbarkeit" der Bindung an die frühere Willenserklärung begründen, so ist erst noch zu verdeutlichen, weshalb hier der casus gerade nicht den Gläubiger getroffen hat. Im Krönungszugfall kann es beispielsweise spiegelbildlich nur der Vermieter gewesen sein, den der Zufall als dominus seines „Personen-, Sach- und Wirkungskreises" getroffen, und der daher die Gefahr für die Absage des Korsos zu tragen hat. Es wäre also von Krückmann zu zeigen gewesen, weshalb der Krönungszug den „Personen-, Sach- und Wirkungskreis" des Vermieters der Sachleistung und nicht denjenigen des Mieters betrifft.

353 Ebenso Littbarski, AcP 180 (1980), S. 420, 423; E. Wolf, Allgemeiner Teil, § 10 IV b), S. 495 ff.

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In Anbetracht der heute allgemein geteilten Überzeugung, es sei zwischen dem geschuldeten primären Vertragszweck und dem nicht geschuldeten und daher im Risikobereich des Gläubigers liegenden, sekundären Verwendungszweck zu unterscheiden, ist dieser Beweis jedoch von Krückmann nicht nur nicht geführt worden, sondern es widerspräche diese Annahme geradezu den Grundsätzen der anerkannten vertraglichen Risikoverteilung. In der Tat scheint es auf den ersten Blick auch schwer verständlich, etwa die außerhalb des Wirkungskreises des Vermieters liegende Erkrankung eines Königs als ein Ereignis zu erfassen, für das er die Gefahr tragen soll. Schließlich liegt es weder an ihm noch an seinem zur Verfügung gestellten Fensterplatz, wenn der Mieter die Mietsache nicht wie beabsichtigt zu verwenden vermag. (4) Auch Fikentscher gelang es mit seiner Lehre von der Vertrauensgrundlage nicht, den Grund und die Grenzen einer Gefahrtragung des Schuldners für bestimmte Störungen des Verwendungszwecks aufzuzeigen 354. Die nach Fikentscher vom Vertragsinhalt zu unterscheidende Vertrauensgrundlage bezeichnet diejenigen Parteimotive, die aufgrund einer objektiv zu bestimmenden Unzumutbarkeit ausnahmsweise rechtserheblich sein sollen. Obwohl die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung das Vertragsrisiko einer Partei eindeutig zuweist, könne so die „Risikoverteilung zu Lasten der Gegenpartei" „umschlagen". Die Lehre von der Zumutbarkeit findet damit neben der durch die Rechtsprechung geprägten Praxis bei Fikentscher ihre wohl reinste Formulierung 355 : die Vertrauensgrundlage bedeutet die Überschreitung einer - wie auch immer zu ermittelnden - „Belastungs-" oder „Opfergrenze", die den Gegenpol zu dem vertraglichen und gesetzlichen „Risikorahmen" der Vertragsparteien bilden soll. Indem aber die Vertrauensgrundlage dem vertraglichen und gesetzlichen Risikorahmen gegenübergestellt wird, können schon logisch nicht die Maßstäbe für eine Überschreitung der „Opfergrenze" erneut aus der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung entnommen werden. Denn diese bezeichnet ja gerade den Risikorahmen, der nun durchbrochen werden soll. Fikentscher behauptet somit zu Unrecht, die Unzumutbarkeitsgrenze ergebe sich nach seiner Konzeption aus einer „Auslegung des Vertrags, der Verkehrssitte, der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder des Gesetzes". Aufgrund dieser konzeptionellen Widersprüchlichkeit verwundert es nicht, dass sich Fikentscher um keine wirkliche Präzisierung seiner Grundgedanken bemüht; seine Lösung des Fertighausfalles ist hierfür bezeichnend356.

354 Kritisch auch Dießelhorst, Geschäftsgrundlage, S. 153, 159; Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 181; Medicus, Festschrift für Flume I, S. 629, 633 f. 355 Für das Kriterium der Zumutbarkeit als „zutreffenden Gerechtigkeitsmaßstab" treten zudem ebenfalls ein: H. Lange, Festschrift für Gieseke, S. 21 ff., insb. S. 36 ff.; Esser, JZ 1958, S. 113, 114; Soergel / Siebert-Knopp, BGB (10. Aufl.), § 242 Rn. 371; Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 182 ff.; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 38 IV, S. 715 ff., insb. Rn. 34, 41; MünchKomm/Roth, BGB, Band 2 a, § 313 Rn. 76 ff.; Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 34 ff., insb. S. 36: „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit"; Jickeli, Vertrag, S. 260 ff.; Görk, Einheit, S. 18 f.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

b) Die Wertungsoffenheit der Lehren vom Aquivalenzprinzip (1) Schließlich blieb auch denjenigen Versuchen der Erfolg versagt, die den Begriff der Unzumutbarkeit mit einem dem BGB angeblich zugrundeliegenden Äquivalenzprinzip aufzuhellen gedachten. Konkrete Maßstäbe konnten sich hieraus bislang nicht ableiten lassen, wie Chiotellis und Wieacker selbst ausdrücklich betonten. Vielmehr wird das Äquivalenzprinzip zum Teil auf die bloße Quantifizierung einer Belastungsgrenze reduziert, die daher notwendigerweise mit einer gewissen Willkür irgendwo zwischen 50 und 100 Prozent festgesetzt wird. Chiotellis will sogar „das ganze Arsenal" zur „Bewertung der Interessenlage" heranziehen, das der Begriff von Treu und Glauben in sich berge. Wie wenig auch diese - wiederum unbestimmten - Rechtsfiguren zur Klärung beizutragen vermögen, zeigt er jedoch selbst anhand seiner Beispiele. Ungeklärt bleibt etwa beim Apothekenkonzessionsfall, was man sich unter einem „gewissen Vertrauensverhältnis" vorzustellen hat, das zwischen den Vertragsparteien entstanden sein soll und das die „Unzumutbarkeit der eingetretenen Äquivalenzstörung" mildere. Offenbar soll bei Schuldverhältnissen eine Unzumutbarkeit umso weniger gegeben sein, je länger der Vertragsschluss zurückliegt. Ebenso wenig lässt sich der Fertighausfall darauf reduzieren, es liege ein widersprüchliches Verhalten des Verkäufers vor. Es kann nicht entscheidend sein, dass es den Käufern hier auf die Bebaubarkeit der von einem Dritten verpachteten Grundstücke besonders angekommen ist, denn dies ist bei jedem Umstand der Fall, von dem ein geplanter Verwendungszweck abhängig ist. Ebenso entspricht es gerade der Regel, wenn der Verkäufer „davon ausgeht", dass die mitgeteilte Verwendung gelingen wird. Zudem wird auch nicht selten der Verkäufer durch Werbung und sonstige Anpreisungen seiner Ware auf den Nutzen seines Produktes aufmerksam machen und so die Käufer zum Vertragsschluss „veranlassen". Dennoch wird 356 Daß Fikentscher auf eine Herausbildung strikter Regeln auch gar keinen Wert legt, macht er schließlich selbst deutlich, indem er erklärt, die Lehmann'sehe Formel verdiene „am ehesten Zustimmung", da nach dieser „der Richter die Möglichkeit" habe, den „gewollten Vertrag am »redlichen' zu messen und damit alle Freiheit, das gewünschte (!) Ergebnis zu erzielenvgl. Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 12 f., Hervorheb. nicht i. O.; deutlich auch Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 37, der im Gefolge der Lehre Fikentschers erklärt: „Der Begriff der Unzumutbarkeit dient also als Hinweis darauf, der Richter möge das tun, was dem Gesetzgeber unmöglich ist, nämlich die generell nicht bestimmbare Grenze vertragsgemäßen Verhaltens für den konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Einzelumstände und unter Zurückgehen auf die erkennbaren, herrschenden Rechts- und Wertvorstellungen selbst ziehen. ... Der Richter ist lediglich an die in den Normen konkretisierte Gerechtigkeitsidee gebunden." Weiter erläutert Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 39 f.: „Daß der Begriff der Unzumutbarkeit alle Nachteile einer Generalklausel hat, wird nicht verkannt. Verfeinerte Formeln, die die jeweilige Wertung scheinbar vorwegnehmen, führen aber lediglich zur Verschleierung des eigentlichen Wertungsprozesses. ... Ob die Grenze zur Unzumutbarkeit überschritten ist und damit der Tatbestand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegeben ist, kann nur der Richter im Einzelfall anhand des Vertragsrisikos, das die Parteien eingegangen sind, bestimmen."; s. zu Haarmann auch Littbarski, AcP 180 (1980), S. 420 ff.

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man nicht in all diesen Fällen ein „widersprüchliches Verhalten" feststellen können, wenn der Verkäufer trotz der Störung des Verwendungszwecks auf seinen Entgeltanspruch beharrt. Selbst im Aussteuerfall wird es dem Brautvater entscheidend auf die Hochzeit angekommen sein und der Verkäufer, der selbstverständlich von dem Gelingen der Heiratspläne ausging, konnte auch hier nur wegen der bevorstehenden Heirat den Käufer „zum Vertragsschluss veranlassen". Dennoch ist der Kaufpreis in derartigen Fällen zu entrichten. Indessen übersieht insbesondere Chiotellis, dass im Fertighausfall in einem ganz anderen Sinne möglicherweise durchaus ein „widersprüchliches Verhalten" des Verkäufers gegeben war. Denn der in der Entscheidung mitgeteilte Sachverhalt legt eine Auslegung des Vertrags nahe, nach der sich der Verkäufer verpflichtet hatte, neben der Übereignung der Fertighäuser zusätzlich auch bebaubare Pachtgrundstücke in schöner und ruhiger Lage zu vermitteln. Erfasst man so die Vermittlung geeigneter Flächen als zusätzliche Leistungspflicht im Rahmen eines einheitlichen Vertrags, so handelt es sich, falls sich die vermittelten Grundstücke als zur Bebauung untauglich erweisen, um eine schlichte Nichterfüllung des Vertrags. Entscheidend ist also, ob die Auslegung der Vereinbarung eine Pflicht des Verkäufers zur Vermittlung geeigneter Pachtgrundstücke ergibt. War dies der Fall, so verhielt sich der Verkäufer freilich insofern widersprüchlich, als er die Gegenleistung verlangte, obwohl er seine eigenen Leistungspflichten noch nicht erfüllt hatte. Insofern wäre selbstverständlich zugleich das Äquivalenzverhältnis der beiderseitigen Leistungen gestört gewesen. Unter der Prämisse einer derartigen tatrichterlichen Auslegung des Vertrags sah der BGH daher den Verkäufer wohl zu Recht weiterhin als verpflichtet an, den Käufern gleichwertige Ersatzgrundstücke zu verschaffen 357, auch wenn die Entscheidung unzutreffend auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt worden war. Der Fertighausfall hätte also durch eine schlichte Klärung der vertraglichen Leistungsinhalte gelöst werden können. Im Falle einer Pflicht des Verkäufers zur Vermittlung geeigneter Pachtgrundstücke hätte es daher weder einer Berufung auf die „Unzumutbarkeit" der Gegenleistungspflicht noch einer richterlichen Abänderung des Vertragsinhalts bedurft. (2) Die Figuren des „widersprüchlichen Verhaltens", der „unzulässigen Rechtsausübung" oder des „Rechtsmissbrauchs", die nach Chiotellis die konkreten Maßstäbe für die Beurteilung konkreter Fälle liefern sollen, entpuppen sich somit als eine bloße formale Hülse, in der im Kern - entgegen eigener Beteuerungen 358 eben doch wieder das Prinzip der Unzumutbarkeit im Sinne der „Billigkeit" zutage tritt. Dem postulierten „Prinzip" kommt eben doch „eine dem Gesetz fremde korrektive Funktion" 359 zu. „Methodische Besinnung", „kasuistische Tradition" und „dogmatische Kontrolle" sollen nach Chiotellis zwar die erforderliche „Rechtssicherheit" schaffen. Aus der Erkenntnis, das „positive Recht" sei „bruchstückhaft 357 BGH JZ 1966, S. 409,410; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 3. c). 358 Vgl. Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 49 ff. 359 Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 38 Fn. 179. 7 Quass

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angesichts der Vielgestaltigkeit des Lebens und des beschränkten menschlichen Erkenntnisvermögens", wird jedoch gefolgert, dass die Gerechtigkeit mit „Mitleid, Erbarmen, Menschenliebe u. dgl." erfasst werden könne und diese als „Billigkeit" „das bruchstückhafte positive Recht im Hinblick auf das hic et nunc Konkrete" ergänze. Ein „gewisses subjektives Empfinden", „nämlich das Rechtsgefühl" greife deshalb ein, „weil überhaupt ein objektiver Maßstab" fehle. Von Chiotellis wurde somit offen ausgesprochen, was den Lehren von der Zumutbarkeit ganz allgemein zugrundezuliegen scheint, nämlich die trügerische Hoffnung, dass „über längere Zeit... die Billigkeitsentscheidung zu einer Gerechtigkeitsmaxime erstarkt", so dass aus dem „subjektiven Empfinden" ein „objektiver Maßstab" entstehe360. Es soll also gar nicht in erster Linie versucht werden, das zunächst spontan empfundene Rechtsgefühl in einem zweiten Schritt zu rationalisieren, sondern vielmehr die Empfindung so lange tradiert werden, bis sie sich zu einer allgemein anerkannten Regel entwickelt hat. Die konkrete Falllösung soll nicht darauf abzielen, den objektiven normativen Kern der spontanen subjektiven Empfindung freizulegen, sondern sie soll auf der Ebene des bloßen Gefühls der „Gerechtigkeit" verbleiben. Nicht mehr die Vernünftigkeit soll dem gefundenen Rechtssatz als Legitimation dienen, sondern die pure gefühlsmäßige Empfindung wird als alleinige Quelle der Erkenntnis hypostasiert. In dem Glauben, dass hierdurch richterliche Entscheidungen prognostizierbar werden, versucht man „Rechtssicherheit" nicht mehr durch die Herausbildung nachvollziehbarer in die Rechtsdogmatik eingebetteter Regeln, sondern nur noch durch „gleichmäßige Anwendung" des als „gerecht" Empfundenen zu erzielen 361 . (3) Gleichwohl sollte nach allem der richtige Kern der Vorstellung von einem Äquivalenzprinzip nicht verkannt werden, das seine eigentliche Bedeutung jedoch nicht im Zusammenhang mit der Figur einer Unzumutbarkeit, sondern vielmehr im Hinblick auf den Inhalt der vertraglichen Leistungspflichten erlangt. Denn indem jede Partei ihre Leistung nur um der Gegenleistung willen verspricht, setzen die Vertragspartner durch die privatautonome Bestimmung der Inhalte ihrer Leistungen ihre Pflichten in ein Verhältnis, das sie subjektiv als angemessen erachten 362. 360 Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung, S. 52 ff. 361 s. zu Chiotellis auch die Rezension von Teubner, ZHR 146 (1982), S. 625 ff., der indessen sogar noch die „Steigerung von Unbestimmtheit" fordert und die Funktion der Generalklausel des § 242 BGB darin erblickt, „gegenüber den Parteivereinbarungen gesellschaftliche Anforderungen," insbesondere von „Politik", „Wirtschaft" und „Recht" durchzusetzen. In diesem Sinne wohl auch G. Roth, Festschrift für Habscheid, S. 253, 259, der eine „Tendenz moderner Rechtsentwicklung weg von präzise definierten Rechtsnormen (Konditionalprogrammen) und hin zu offenen Standards und ausfüllungsbedürftigen Generalklauseln (Zweckprogrammen)" beschreibt, bei der der Richter „seine Entscheidung nicht unter dem Deckmantel gesetzestreuer Subsumtion (...), sondern als offene Rechtsgestaltung bzw. -fortbildung" trifft. Die so für den Einzelfall - „eingebunden in ein Netzwerk vorgegebener Anhaltspunkte und Wertungshilfen (im Gesetz, in Präjudizien, in publizierten Lehrmeinungen etc.)" - gefundene Lösung gewinne ihrerseits „allgemeine Bedeutung als Bezugspunkt der Orientierung und Auseinandersetzung für künftige Problemfälle, als Baustein richterlicher Evolution".

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Häsemeyer will nun an die Stelle von subjektiven „Wertmaßstäben" eine „normative Vertragskontrolle" setzen und so die „Äquivalenzbestimmung" berichtigen. Damit ersetzt Häsemeyer jedoch die privatautonom und subjektiv festgelegte Äquivalenz durch einen objektiven Maßstab der Gleichwertigkeit der Leistungen, so dass wiederum zu fragen ist, nach welchem Maßstab sich dieser normative Wertmaßstab richten soll. Es bleibt somit auch bei Häsemeyer offen, weshalb etwa ein Krönungszug für „den Mietwert eines Fensterplatzes" maßgeblich ist, da es gerade keinen objektiven Maßstab gibt, an welchem die privatautonome Gestaltung der Rechtsverhältnisse gemessen werden könnte 363 . Es kann also für unsere Problematik nicht ein „objektives" Wertverhältnis entscheidend sein, sondern vielmehr das Kriterium, ob ein bestimmter Verwendungszweck oder Umstand in die wechselseitige Bewertung der Leistung und damit in die „subjektive Leistungsäquivalenz" Eingang gefunden hat. Denn nur bei einer Einbeziehung des Verwendungszwecks in die umfassend zu verstehende Leistung kann die „Austauschgerechtigkeit" betroffen und damit das „Äquivalenzverhältnis" zwischen den beiderseitigen Leistungen gestört sein. Insofern ist Rothoeft beizupflichten, wenn er sämtliche „Faktoren, die für... die Festsetzung der Höhe der Gegenleistung maßgeblich gewesen sind" als „Vertragsbestandteil" anerkennt. Ob aber ein Umstand oder ein Verwendungszweck ein derartiger Rang zukommt, ist die eigentliche Frage. Die Formulierung entsprechender Kriterien wäre die eigentliche Aufgabe gewesen, die keiner der Anhänger des Äquivalenzprinzips zu lösen vermochte und vor dem Wieacker vielmehr ganz offen kapitulierte, da angeblich „kein formulierbarer Gesichtspunkt der materialen Vertragsgerechtigkeit aufgefunden werden" könne.

3. Die Vorhersehbarkeit von Risiken als Kriterium der Unzumutbarkeit a) Die Vorhersehbarkeit als Wertungsgesichtspunkt und als Indiz für den Vertragsinhalt (1) In einer Reihe von älteren Entscheidungen des BGH zum Wegfall der Geschäftsgrundlage 364 und in vielen der literarischen Stellungnahmen, die die Lehre von der Geschäftsgrundlage als eine Frage der Billigkeit oder der ergänzenden Auslegung des Vertrags ansehen, wird insbesondere für maßgeblich erachtet, ob 362

s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. I. 3. 363 Hume, Rechtsgeschäft, § 1 / 6 a), S. 8. 364 BGH W M 1964, S. 1025; BGH W M 1965, S. 843, 845; BGH W M 1966, S. 475; BGH WM 1968, S. 1248, 1249; BGH WM 1969, S. 64, 65; BGH W M 1972, S. 656; BGH BB 1973, S. 1139; BGH W M 1977, S. 946; BGH NJW 1979, S. 1818; BGH NJW 1978, S. 2390; BGHZ 74, S. 370, 374; in neueren Entscheidungen wird auf die Frage der Vorhersehbarkeit offenbar kein entscheidender Wert gelegt. τ

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die Andersartigkeit des Umstands, der eine Grundlage des Geschäfts bilde, von dem dadurch nachteilig betroffenen Vertragspartner „vorhergesehen 4' werden konnte 365 . Damit sollen den Vertragschließenden nicht etwa hellseherische Fähigkeiten abverlangt werden, jedoch meint man einer Vertragspartei das Risiko veränderter Umstände umso mehr zumuten zu können, je wahrscheinlicher die Veränderung erschien und je eher der von der Andersartigkeit nachteilig Betroffene daher mit einer Enttäuschung seiner Erwartungen rechnen musste. Im Rahmen der Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls versteht man die Vorhersehbarkeit etwa der Störung eines Verwendungszwecks als einen Grund, dem enttäuschten Gläubiger die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu versagen, indem „die Grenzen des Zumutbaren umso höher angesetzt werden, je leichter vorhersehbar ein Ereignis war und umgekehrt". Die „Vorhersehbarkeit" soll also zur Folge haben, „daß der in seiner Sphäre tatsächlich Belastete auch grundsätzlich belastet bleiben soll" 3 6 6 . Für den paradigmatischen Krönungszugfall hieße dies, dass der Mieter des Fensterplatzes den Mietzins schuldet, wenn die Erkrankung des Königs oder der Ausfall des Krönungszuges erkennbar wahrscheinlich war und von dem Mieter daher „vorhergesehen" werden konnte. (2) Die Begründung für die Maßgeblichkeit einer Vorhersehbarkeit von Risiken erfolgt gewöhnlich auf zwei sich vermengenden Ebenen. Zum einen wird argumentiert, es sei insbesondere dann nicht unbillig, einer Vertragspartei das Risiko der Störung ihres Verwendungszwecks aufzuerlegen, wenn das Risiko des Scheiterns so hoch war, dass sie von vornherein mit dem Eintritt des Schadens rechnen musste. Die Vertragspartei sei sozusagen „bewusst" ein Risiko eingegangen und sie könne sich daher hinterher nicht beklagen, wenn sich das Risiko verwirklicht habe. Bei einer Vorhersehbarkeit der Störung sei es „Sache des betroffenen Vertragspartners, sich gegen die daraus drohenden Nachteile zu sichern" 367 . Nach Kegel hat man die Hilfe zu versagen, wenn der Betroffene mit einer Störung rechnen musste und damit „die Schadenswahrscheinlichkeit so groß war, daß für einen vernünftigen Menschen in der Lage des Betroffenen Grund bestand, den Vertragsschluß zu unterlassen oder jedenfalls eine Sicherung in den Vertrag aufzunehmen". Unterlasse er dies, so handle es sich um ein „Verschulden gegen sich selbst" 368 . In ähnlicher Weise wollte etwa Lembke 369 den nachteilig betroffenen Vertragspartner - den sog. „Clausulainteressenten" - mit dem Scheitern seines Verwen365 Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 186; Kegel, Gutachten, S. 135, 201, 203; Kegel/ Rupp/Zweigert, Einwirkung, S. 149; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 38 IV 2 b), S. 716 Rn. 37; Stötter, AcP 166 (1966), S. 149, 181; Köhler, ZHR 144 (1980), S. 589, 594; Köhler, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 303; Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 62 f.; Görk, Einheit, S. 20 f.; MünchKomm/Roth, BGB (3. Aufl.), § 242 Rn. 543, Band 2 a, § 313 Rn. 71; Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rn. 246. 366 Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rn. 246. 367 Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 186. 368 Kegel, Gutachten, S. 203. 369 Lembke, Vorhersehbarkeit, S. 174 f.

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dungszwecks belasten, wenn die Geschäftsgrundlagenstörung „erkennbar" war. Denn nach Lembke ergibt sich die „Unvermeidbarkeit des Scheiterns der Parteien" daraus, dass sie „im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vollständig erkennen" können, „welche Umstände vorhanden sein oder fehlen müssen, damit der Vertrag sinnvoll bleibt". Diese „Unvermeidbarkeit" sei „der Grund für die Anerkennung der Erheblichkeit der Geschäftsgrundlagenstörung" und damit „auch zugleich deren Voraussetzung". Konnte „der Clausulainteressent die Geschäftsgrundlagenstörung erkennen", so habe er „grundsätzlich die Möglichkeit" gehabt, zu „vermeiden, mit diesem Vertrag in diese Situation zu geraten". Besondere Bedeutung kommt der „Vorhersehbarkeit" auch bei Henssler zu, nach dem die Vorhersehbarkeit sogar ein „zentrales Kriterium für die Verteilung des Risikos von Vertragsstörungen" bilden soll. Eine Risikoverlagerung verbiete „sich hier von vornherein", denn die Partei habe ihre „eigenen Interessen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt wahrgenommen", wenn sie sich weder „um eine vertragliche Umverteilung des Risikos" bemüht, noch „ - wenn der Kontrahent hierauf nicht eingeht - das Risiko durch kompensatorische Maßnahmen wie etwa den Abschluß einer Versicherung oder eines Gegengeschäftes" ausgleicht. Unterlasse sie „beide Handlungsalternativen", so erscheine „die strikte gesetzliche Risikoverteilung auch unter dem Aspekt der individuellen Vertragsgerechtigkeit nicht als unbillig" 3 7 0 . (3) Auf einer anderen Ebene bewegt sich die Argumentation, nach der die Vorhersehbarkeit eines Risikos nicht nur als Anlass für Billigkeitserwägungen verstanden, sondern die Maßgeblichkeit der Vorhersehbarkeit auf den Inhalt des Vertrags selbst gestützt wird. So will etwa Ulmer aus dem Grad der Vorhersehbarkeit der Störung einen Rückschluss auf den Inhalt des Vertrags ziehen, indem daran ersichtlich sein soll, welches Interesse sich in dem konkreten Vertragsverhältnis durchgesetzt hat. Der Vorhersehbarkeit soll daher für die „im Auslegungswege vorzunehmende Ermittlung der Risikobereiche der Vertragspartner, ihres Umfangs und ihrer Grenzen" besondere Bedeutung zukommen. Wer „in Kenntnis" einer Gefahr kontrahiere, könne sich bei tatsächlich erfolgter Störung „nicht auf die Störung" berufen 371 . Denn dies zeige, dass es der Partei „entweder nicht wichtig oder nicht möglich war, im Vertrag eine entsprechende Klausel durchzusetzen, so daß sie konkludent dieses Risiko übernommen " habe 372 .

b) Die Fragwürdigkeit

des Kriteriums

von der Vorhersehbarkeit

(1) Mit dem Kriterium der „Vorhersehbarkeit" der Geschäftsgrundlagenstörung soll bestimmt werden, ob einer Vertragspartei das Festhalten an der vertraglich 370 Henssler, Risiko, S. 50 f., 86. 371 Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 183, 185. 372 Emmerich, Leistungsstörungen, S. 324, Hervorheb. nicht i. O.; ebenso Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 107; Köhler, JA 1979, S. 498, 503; ähnlich Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 38 IV 2 b), S. 716 Rn. 37; Görk, Einheit, S. 20 f.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

bestimmten Rechtsfolge zugemutet werden kann. Es ist jedoch bereits aufgrund des unbestimmten Maßstabs der „Vorhersehbarkeit" und der Schwierigkeiten bei ihrer Feststellung im Einzelfall fraglich, ob dieses Kriterium auch nur annähernd praktikabel verwendbar sein kann. Denn in der Mehrzahl der Fälle wird man kaum entscheiden können, ob ein Anderssein der Umstände „vorhersehbar" war oder nicht. Auch Ulmer räumt ein, es seien „Beurteilungskriterien" für den „Maßstab der Vorhersehbarkeit" „bisher kaum entwickelt" und es könne „die Prüfung der Vorhersehbarkeit im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten verursachen" 373. Ebenso vermag Henssler nur einen vagen Maßstab zu liefern, wenn er fordert, es müssten „konkrete Hinweise vorgelegen haben, nach denen ... eine bestimmte Störung zu erwarten war" 3 7 4 . Doch selbst wenn man sich auf ein bestimmtes Richtmaß einigen würde, bliebe es für die allermeisten Fälle recht schwierig, eine derartige statistische Schadenswahrscheinlichkeit anzugeben375. War beispielsweise im Krönungszugfall das Ausfallen des Krönungszuges etwa dann „vorhersehbar", wenn der König an einer chronischen Krankheit litt, die akut zum Ausbruch kam? Will man etwa daran den Rückforderungsanspruch des Mieters scheitern lassen? (2) Ferner bleibt fraglich, wie man das postulierte „Verschulden gegen sich selbst" mit entsprechenden Sorgfaltsanforderungen in Einklang bringen will. Da es bei den Fällen der Störung des Verwendungszwecks um eine Zuweisung der Risikoverwirklichung bei Zufällen geht, ist es von vornherein fragwürdig, das Risiko nach Verschuldenskriterien zu verteilen. Eine Vertragspartei trifft eben weder gegenüber ihrem Vertragspartner noch gegenüber sich selbst eine Pflicht oder Obliegenheit, sich über die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns ihrer Vertragszwecke zu informieren und danach zu entscheiden, ob sie einen Vertrag schließt. Nach den Anhängern des Kriteriums der Vorhersehbarkeit soll die betroffene Vertragspartei jedoch das Risiko tragen, wenn sie den Eintritt des Schadens erkennen musste. Auch hier ergibt sich zudem die Schwierigkeit, einen praktikablen Sorgfaltsmaßstab zu finden. Folgt man etwa Henssler, der die Anforderungen an die Informationsobliegenheiten der Parteien an einem „besonnenen und gewissenhaften Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises" bemessen w i l l 3 7 6 , so dürfte dieser Vorschlag im Einzelfall wohl kaum weiterhelfen. Oblag es beispielsweise im Krönungszugfall dem Mieter, sich vor Vertragsschluss in Tageszeitungen oder einschlägigen Illustrierten über den Gesundheitszustand des Königs zu unterrichten? Und selbst wenn man eine derartige Obliegenheit annehmen würde: Soll dies den 373 Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 189. 374 Henssler, Risiko, S. 53 f.; nach Köhler, ZHR 144 (1980), S. 589, 595, ist Vorhersehbarkeit „gleichbedeutend mit der Möglichkeit einer Information über Ausmaß und Häufigkeit der Risiko Verwirklichung bei zumutbaren Kosten"; man stelle sich insofern die Anforderungen vor, die danach an die Darlegungs- und Beweislast von Prozeßparteien zu stellen wären! 375 Henssler, Risiko, S. 54, will mit den ermittelten Werten - wie beispielsweise einer „Wahrscheinlichkeit von 80% für durchschnittliche Kostensteigerungen von 5%" - sogar noch wirtschaftsmathematische Berechnungen anstellen. 376 Henssler, Risiko, S. 56 f.; anders Koller, Risikozurechnung, S. 221 ff.

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Vermieter von seiner Einstandspflicht für die Nutz- und Wertlosigkeit seines vermieteten Fensterplatzes entlasten? (3) Die entscheidenden Einwände gegen das Kriterium der „Vorhersehbarkeit" ergeben sich jedoch nicht einmal aus seiner mangelnden Praktikabilität. Vielmehr ist es doch fragwürdig, ob die vorhersehbare Störung des Verwendungszwecks in jedem Fall keine Beachtung verdient. Fragwürdig ist des weiteren, ob jede Vorhersehbarkeit der Zweckstörung die Haftung des Sachleistungsschuldners für eine dadurch herbeigeführte „Wertlosigkeit" seiner Leistung gänzlich aufhebt, gleich welcher Art die vertragliche Leistung und die Störung ist. Wenn sich ein Vertragspartner trotz eines bestehenden Schadensrisikos auf einen Vertrag einlässt, so bedeutet dies - abgesehen von spekulativen Geschäften - keineswegs zugleich, dass er dieses Risiko in Kauf genommen hat. Vielmehr werden in vielen Fällen beide Vertragspartner und wird insbesondere der Gläubiger schlichtweg darauf vertrauen, dass sich das Risiko nicht verwirklicht. Zumeist wird die Andersartigkeit der Umstände angesichts der Vielgestaltigkeit der Ursachen, die eine Störung des Verwendungszwecks bewirken können, von den Vertragsparteien schon gar nicht in Betracht gezogen. Der „vorhersehbare" Schadenseintritt erscheint vielmehr erst aus der ex-post-Perspektive eines Richters als offensichtliche Gefahr, da sich die Betrachtung naturgemäß auf diejenige der vielen möglichen, den Verwendungszweck vereitelnden Ursachen reduziert, die für die Störung des Verwendungszwecks auch tatsächlich kausal geworden ist. Ist der Gläubiger nicht gerade ein ausgesprochen spekulatives Geschäft eingegangen, so erwartet er als „sichere" Folge der Vertragserfüllung durch den Schuldner die Erreichung seines Verwendungszwecks. Dies zeigt bereits die Tatsache des Vertragsschlusses selbst, da vernünftigerweise kaum ein Gläubiger - immer abgesehen von Spekulationsgeschäften - seine Gegenleistung auf eine Leistung investieren wird, die aus seiner Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks nicht verwendbar und damit für ihn vollkommen wertlos ist. Der Gläubiger wird also zumeist auf den Eintritt des Erfolgs vertrauen und es entspricht somit keineswegs der „Billigkeit", ihm schlechthin das Risiko für die Störung des - wenn auch vorhersehbaren - Verwendungszwecks aufzubürden. Aber selbst dann, wenn das bestehende Risiko den Parteien deutlich in Erscheinung getreten ist, heißt dies nicht, dass dieses Risiko deshalb bei seiner Verwirklichung dem Gläubiger schlechthin aufzuerlegen wäre. Denn den Vertragsparteien kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass ihnen die den Juristen so geläufige Faustregel vom Verwendungsrisiko des Gläubigers bekannt ist. Vielmehr ist umgekehrt anzunehmen, dass gerade in den Fällen, in denen den Vertragsparteien die Gefahr der vollständigen Entwertung der Leistung bewusst war, sie die Gefahrtragung des Schuldners als eine Selbstverständlichkeit erachteten. Denn es erscheint gerade umgekehrt als eine natürliche und spontane Gerechtigkeitsvorstellung, dass der Gläubiger für eine vollständig entwertete Leistung auch keine Gegenleistung erbringen muss. Das Bestehen dieses übermächtigen Gerechtigkeits-

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

postulats wird schließlich gerade durch die Existenz der Lehren von der Geschäftsgrundlage und der clausula rebus sie stantibus belegt, die dieser Rechtsüberzeugung gegenüber allen Dogmen und Rechtsregeln zeitlos zum Durchbruch verholfen haben. (4) Verwirklicht sich das Risiko dennoch entgegen den Erwartungen der Vertragsparteien, so hat die Rechtsordnung mithin Regeln bereitzustellen, die das Risiko einer Vertragspartei im Hinblick auf den Vertrag „gerecht" zuweisen. Es ist nun aber nutzlos, in einer solchen Situation wieder auf den Vertrag selbst zu verweisen und aus der Tatsache des Vertragschlusses auf eine vertragliche Übernahme des fraglichen Risikos zu schließen. Einen „Willen", das Risiko der Verwendbarkeit der Leistung zu tragen, wird man einer Vertragspartei schwerlich unterstellen können. Der Wille hierzu ergibt sich aber auch nicht schlüssig daraus, dass die Vertragsparteien keine besondere vertragliche Regelung über die Risikoverteilung getroffen haben. Die Empfehlung, gegebenenfalls ein Rücktrittsrecht oder gar eine Bedingung zu vereinbaren, ist lebensfremd 377. In der Atmosphäre eines gelingenden Vertragsschlusses vertrauen die Vertragspartner vielmehr auf das Sein oder den Eintritt bestimmter Umstände auch dann, wenn deren Andersartigkeit mehr oder weniger „vorhersehbar" ist. Es gibt also zumeist gar keinen Anlass, diesen Fall auf die eine oder andere Weise vertraglich zu regeln, vielmehr bleibt er üblicherweise von der vertraglichen Vereinbarung von vornherein ausgeklammert. (5) Schließlich gilt es zu erkennen, dass das Kriterium der Vorhersehbarkeit keine wirkliche Gefahrtragungsregel bilden soll. Die Gefahrtragung des Gläubigers der Sachleistung ergibt sich für die Störung des Verwendungszwecks vielmehr bereits aus dem vorausgesetzten Dogma, der Gläubiger der Sachleistung habe generell das Risiko der Verwendbarkeit der Leistung zu tragen. Die Vorhersehbarkeit ist also lediglich ein Aspekt, der eine Durchbrechung der gesetzlichen Risikoverteilung aufgrund der Ausnahme der „Unzumutbarkeit" ausschließen soll, so dass es bei der Grundregel verbleibt, nach der dem Gläubiger das Verwendungsrisiko auferlegt wird 3 7 8 . Nach allem ist indessen zu fragen, ob diese Grundregel überhaupt zutreffend sein kann. Denn gerade die Tatsache, dass sie häufig durch den diffusen Hinweis auf eine Unzumutbarkeit der Erbringung der Gegenleistung durchbrochen wird, zeigt, dass die wirkliche Gefahrtragungsregel im Hinblick auf die Störungen des Verwendungszwecks noch gar nicht gefunden ist. Liegt der intuitiven Berufung auf eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag aber eine - noch zu findende andere Gefahrtragungsregel zugrunde, so kann die Gefahrtragung nicht von einer Vorhersehbarkeit der Gefahrverwirklichung abhängig sein. Denn ein Risiko ist von der damit belasteten Partei unabhängig davon zu tragen, ob sie das Risiko des Schadenseintritts zuvor erkennen konnte. Als Wertungsmoment ist die Vorhersehbarkeit daher auch sonst dem Gesetz zumindest überall dort vollkommen fremd, 377 So auch Willoweit, JuS 1988, S. 833, 839. 378 Ebenso Lembke, Vorhersehbarkeit, S. 112.

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wo vertragliche Risiken den Vertragsparteien zugeordnet werden. Ebenso wenig wie bei der Haftung für Rechts- oder Sachmängel kommt es im Recht der Unmöglichkeit der Leistung auf eine Vorhersehbarkeit oder ein „Verschulden gegen sich selbst" an. Selbst wenn beide Vertragsparteien den Eintritt der Unmöglichkeit der Leistung oder einen Sachmangel für wahrscheinlich halten, schließt dies die Anwendbarkeit der Regeln der §§ 323 ff, 459 ff, 537 ff, 633 ff BGB a.F. bzw. §§ 280 ff, 311a Abs. 2, 323 ff, 437 ff, 536 ff, 633 ff BGB n.F. nicht aus. Anders ist dies nach der gesetzlichen Konzeption eben nur dann, wenn der Gläubiger die positive Kenntnis nicht nur von dem bloßen Risiko, sondern von dem tatsächlichen Eintritt der Vertragsstörung selbst hatte, wenn ihm also etwa der Mangel bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (vgl. §§ 460, 536b, 651 Abs. 1 BGB a.F. bzw. §§ 442 Abs. 1, 536b, 651 Satz 1 und 2 BGB n.F.). Es spricht somit einiges dafür, dass es sich in vielen Fällen der Störung des Verwendungszwecks um eine Störung des Vertrags und nicht nur um einen Motivirrtum oder um eine Störung der Vertragsgrundlage handelt. Dies zeigt bereits die häufige Behandlung von Zweckstörungen als sog. Umweltfehler durch die Rechtsprechung. Ebenso deuten die Fälle des Kaufs von Bauerwartungsland - bei denen sich der geplante Verwendungszweck aufgrund der „vorhersehbar" ausbleibenden Baugenehmigung nicht realisieren lässt, aber dennoch von der Rechtsprechung ein Wegfall der Geschäftsgrundlage insbesondere dann bejaht wurde, wenn der Kaufpreis dem Wert für Bauland entsprach 379 - darauf hin, dass es sich hierbei um Leistungsstörungen handeln muss. Denn gerade bei einem Kauf von Bauerwartungsland ist das Risiko der Unbebaubarkeit des verkauften (Bau-) Grundstücks durchaus vorhersehbar. Trotz dieser ex ante erkennbar hohen Schadenswahrscheinlichkeit nahm aber die Rechtsprechung entgegen dem Dogma vom Verwendungsrisiko des Gläubigers häufig zu Recht eine Risikoverlagerung zugunsten des Gläubigers an. Erweist sich somit einerseits, dass die Figur der Unzumutbarkeit weder als solche noch in Verbindung mit dem Hilfskriterium der Vorhersehbarkeit eine praktikable Lösung der Fälle der Störung des Verwendungszwecks zu gewährleisten vermag und bleibt andererseits das Verhältnis von Leistung und Verwendungszweck weiter ungeklärt, so zeigt sich, dass der eigentliche Aspekt zur Lösung der Problematik erst noch zu finden ist.

II. Der Verwendungszweck als vereinbarter Parteizweck 1. Die Lehre Lochers vom Geschäftszweck a) Besondere Berücksichtigung fanden die Fälle der Störung des Verwendungszwecks in der im Jahr 1923 erschienenen Arbeit „Geschäftsgrundlage und Ge379 BGH JZ 1977, S. 177 f.; BGHZ 74, S. 370 ff.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 3. b).

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

schäftszweck" 380 von Eugen Locher, der heute als „Begründer" einer „objektiven Theorie der Geschäftsgrundlage" gilt 3 8 1 . Locher betrachtete als „Geschäftsgrundlage" „die Gesamtheit derjenigen Umstände, ohne deren Vorhandensein, Fortbestand oder Eintritt der mit dem Geschäft nach seinem Inhalt bezweckte Erfolg (der Geschäftszweck) durch das Geschäft trotz ordnungsgemäßen Abschlusses und trotz Aufwendung der nach dem Inhalt des Geschäfts den Beteiligten zuzumutenden Opfer nicht erreicht werden kann" 3 8 2 . Zentraler Begriff ist damit bei Locher der sog. „Geschäftszweck" als Ausdruck des Gegensatzes „zum einseitigen Parteizweck (dem bloßen Parteimotiv)" 383 . Die Rechtsverbindlichkeit des Parteiwillens soll immer dann entfallen, wenn - subjektiv - ein „Parteizweck ... durch übereinstimmenden Parteiwillen zu einem Bestandteil des Geschäftsm/za/te erhoben worden ist" und - objektiv - dieser „Geschäftszweck" unerreichbar geworden ist 3 8 4 . Grundsätzlich muss nach Locher „die Gefahr der Untauglichkeit des Geschäfts zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses ... derjenige tragen, dessen Bedürfnis befriedigt werden soll". Anders sei dies nur dann, „wenn der Gegner diese Gefahr übernommen hat". Die „Aufbürdung dieser Gefahr auf die Schultern des Geschäftsgegners" sei gerechtfertigt, wenn „die Erreichung des Erfolges ... durch übereinstimmenden Parteiwillen Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden ist". Dieser „Geschäftszweck" sei „zwar Partei-zweck, aber der Gegner kann sich nicht darüber beklagen, daß er im Falle der Nichterreichung dieses Zweckes an dem Geschäft nicht mehr festhalten könne; denn jeder, der die Erreichung eines Parteizwecks des Geschäftsgegners als Geschäftsinhalt akzeptiert, muß ... wissen, daß der Zweck ... vielleicht nicht erreicht werde ... Er muß sich bewußt sein, daß jede Aufnahme der Erreichung des gegnerischen Parteizwecks in den Geschäftsinhalt, eine ... Gefahr für ihn bedeutet. Versteht er sich trotzdem dazu, so ist es billig, daß er diese Gefahr trage" 385 . Es komme daher darauf an, ob der Geschäftsgegner die „Zweckgebundenheit des Geschäftes beim Geschäftsabschluß mindestens durch Nichtwiderspruch genehmigt hat". „Nur dann" müsse „er sich die Berücksichtigung von Umständen gefallen lassen, die die Tauglichkeit des Rechtsgeschäfts zur Erreichung jenes Zwecks verhindern oder zerstören" 386. 380 Locher, AcP 121 (1923), S. 1 ff. 381 So Emmerich, Leistungsstörungen, S. 315. 382 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 71 f. 383 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 74. 384 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, passim, insb. S. 20 f., 31, Hervorheb. nicht i. O. - Ganz ähnlich begreift später auch Esser, Schuldrecht, § 85, S. 375 ff., 380 f., einen „sachtypischen" oder durch „einverständliche Zweckabrede" einbezogenen „Vertragszweck" als Vertragsinhalt; sei ein derartiger „zweckgebundener Vertrag abgeschlossen", so sei „jede Partei grundsätzlich an dem Risiko der zukünftigen Unerreichbarkeit des Vertragszwecks beteiligt": keine der Parteien dürfe „aus dem Wegfall des Geschäftszwecks Gewinn ziehen", so daß der Schuldner lediglich „Anspruch auf Ersatz seiner - ursprünglich durch die Gegenleistung mit gedeckten - Aufwendungen" habe. 385 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 12 f., Hervorheb. i. O. 386 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 20.

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b) Ist ein Parteizweck zum „Geschäftszweck" erhoben worden, so sei „die Beachtlichkeit seiner Nichterreichung keine aus dem Parteiwillen unmittelbar sich ergebende Rechtsfolge". Locher sah seine Lehre daher „auf der Mittellinie zwischen objektivistischer' und ,subjektivistischer' Lösung des Problems" 387 und er betonte, dass „die Zweckgebundenheit des Rechtsgeschäfts ... nicht eine Selbstbeschränkung des Willens in dem Sinne" bedeute, „daß der als psychologische Realität feststellbare Parteiwille durch die Erreichung des Zwecks bedingt wäre" 388 . Die „Rechtfertigung für die Beachtlichkeit der Nichterreichung des zum ,Geschäftszweck' erhobenen Parteizwecks" liege vielmehr darin, dass „die Rechtsordnung diese Zweckgebundenheit des Rechtsgeschäfts" zulasse und damit „die rechtliche Abhängigkeit des Rechtsgeschäfts von den damit verfolgten Parteizwecken als Grenze der Rechtsverbindlichkeit des Parteiwillens" anerkenne. Denn „wenn die Zweckgebundenheit in den Kreis der rechtserheblichen Beziehungen aufgenommen" werde, müsse „sie auch Rechtsfolgen haben" 389 . „Die Zweckgebundenheit selbst" beruhe „aber... auf dem realen, empirisch feststellbaren Parteiwillen, so daß die Rechtsfolgen der Zweckvereitelung mittelbar allerdings Folgen eines zur psychologischen Realität gewordenen, aber nicht eines auf diese Rechtsfolgen gerichteten Parteiwillens" seien 390 . c) Bei der Vorstellung von dem Parteizweck könne hingegen die „psychologische Realität ... nicht zweifelhaft sein", denn „jeder, der ein Rechtsgeschäft abschließt, ist sich des Zweckes, den er damit verfolgt, sehr wohl bewußt". „Auch die Feststellung der Erkenntnis des Parteizwecks durch den Geschäftsgegner," werde „nicht zu psychologischen Schwierigkeiten führen," denn diese Erkenntnis müsse jeweils „außer Zweifel" stehen 391 . Es handle sich bei der „Abgrenzung der beachtlichen Zwecke" um „ein Problem der rechtsgeschäftlichen Auslegung", indem „die Deutung des Sachverhaltes" ergeben müsse, „daß die eine Partei einen bestimmten Erfolg als Zweck gesetzt, und der Gegner diese Zwecksetzung, wenn auch nicht ausdrücklich anerkannt, so doch zum mindesten erkannt und als solche nicht beanstandet hat" 3 9 2 . Das „Schweigen" des Gegners „zu der Zwecksetzung seines Gegenkontrahenten" könne „nur dann als Zustimmung gedeutet werden, wenn der Schweigende Anlaß zum Reden hatte". „Solchen Anlaß" habe er aber nur dann, wenn der objektive Sinn des dem Erklärungstatbestand angehörenden Verhaltens seines Gegenkontrahenten zu dem Schluss nötigt oder ihn zum mindesten nahelegt, dieser habe die Erreichung seines besonderen Parteizwecks zum Geschäftsbestandteil erheben wollen" 3 9 3 . 387 388 389 390

Locher, AcP Locher, AcP Locher, AcP Locher, AcP

121 (1923), S. 121 (1923), S. 121 (1923), S. 121 (1923), S.

1, 32. 1, 29. 1, 31. 1, 31 f., Hervorheb. i. O.

391 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 20 f. 392 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 63 f. 393 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 67.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Ein „Parteimotiv" werde indessen „nicht schon durch seine Mitteilung an den Gegner beachtlicher Geschäftszweck". Anders liege „die Sache nur dann, wenn der besondere mit dem Geschäft zu erreichende Zweck der einen Partei das Maß ihrer Leistung beeinflußt. M. a. W: Wird bei gegenseitigen Verträgen das mit der Entgeltlichkeit von den Parteien gewollte Gleichmaß der Leistungen nur dadurch hergestellt, daß die Leistung des einen Teils einen besonderen Parteizweck der Gegenpartei erfüllt, so gehört die Erreichung dieses besonderen Erfolgs zum Geschäftsinhalt. Wer ζ. B. ein Hotelzimmer, das an gewöhnlichen Tagen 5000 Mk. kostet, zur Teilnahme an einem in dem Hotel stattfindenden Weltkongreß für den Tag um 15000 Mk. mietet, wird mit Recht von diesem Vertrag, zum mindesten von der Höhe des Preises abgehen dürfen, wenn der Kongreß wegen unvorhergesehener Umstände nicht stattfindet. Wer für die Ermöglichung eines besonderen Zweckes sich besonders reichlich vergüten läßt, der muß auch die Gefahr der Nichterreichung dieses Zweckes tragen". Schließlich sei es „nichts anderes als der Gedanke des Synallagmas, der auch hier in letzter Linie die Entscheidung gibt". Die „Aufbürdung jener Gefahr auf die Schultern des Geschäftsgegners" sei „die Folge davon, daß der besondere Erfolg zum Geschäftsinhalt gehört, weil er das Maß der Gegenleistung bestimmt" 394 . Maßgeblich sei damit immer, ob „die Aufnahme der Erreichung dieses besonderen Parteierfolgs in den Geschäftsinhalt ein notwendiger Faktor" ist, „um die Einigung der Parteien über die besondere Höhe der Gegenleistung der durch jenen Erfolg begünstigten Partei, insbesondere die Zustimmung dieser Partei zu der ihm obliegenden Gegenleistung zu erklären". Dies setze „eine Vergleichung des objektiven Tausch-(Verkehrs-) werts der beiderseitigen Leistungen ... oder genauer eine Vergleichung der Parteiauffassungen über jenen objektiven Verkehrswert der Leistungen voraus" 395 . 2. Der „Geschäftszweck" als eine neben der Leistungsabrede stehende Vereinbarung a) Der „Geschäftszweck" als einseitiger vereinbarter Parteizweck Zuweilen wird die Lehre Lochers missverstanden, indem man ihr unterstellt, sie erkläre mit dem Begriff des Geschäftszwecks einen einseitigen Parteizweck zu einem den Parteien gemeinsamen Zweck. Die Theorie wird daher in toto bereits mit dem Argument verworfen, „jedenfalls bei der Mehrzahl der Austauschverträge" gebe es einen solchen gemeinsamen Zweck nicht, „weil die Parteien hier durchweg gerade nicht gemeinsame, sondern im Gegenteil entgegengesetzte Zwecke verfolgen" 396 Zwar trifft es zu, dass es „abgesehen von den Gesellschafts- und gesell394 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 68 f. 395 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 71. 396 Emmerich, Leistungsstörungen, S. 315; Haarmann, Geschäftsgrundlage, S. 24; kritisch auch Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 30 ff., 96 ff.

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schaftsähnlichen Verträgen ... nur selbständige Zwecke der Parteien" gibt. „Der Vertragszweck ... ist in Wirklichkeit der Zweck eines der Partner" 397 . Letzteres hat Locher jedoch selbst erkannt und mehrfach betont: „Der so verstandene ,Geschäftszweck'" bleibe „trotz seiner Einbeziehung in den Geschäftsinhalt doch Parteizweck" 398 . Locher verstand seinen „Geschäftszweck" somit nicht als einen den Parteien gemeinsamen Zweck des Geschäfts, sondern vielmehr als eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Parteien darüber, dass der einseitige Parteizweck zum „Bestandteil" des Inhalts des Rechtsgeschäfts erhoben worden ist. Gerade in der Einbeziehung des Parteizwecks in den Inhalt statt nur in die Grundlage des Vertrags mit den sich daraus ergebenden Folgen für das Synallagma im gegenseitigen Vertrag, liegt jedoch die geradezu bahnbrechende Erkenntnis seiner Lehre. Die Bedeutung der Lehre vom Geschäftszweck ergibt sich damit aus der Inkorporation bestimmter Zwecke, nämlich der vereinbarten Parteizwecke in den Inhalt des Vertrags und damit in das Austauschverhältnis im gegenseitigen Vertrag. Der Verwendungszweck wird von Locher zwar nicht als Inhalt der Hauptleistungspflicht behandelt - er bleibt insofern nur eine Art „Grundlage" des Vertrags. Jedoch bildet der Verwendungszweck einen neben den Absprachen über die Leistungsinhalte stehenden weiteren Bestandteil der Parteivereinbarungen, durch den er in Bezug zu der vereinbarten Gegenleistung gebracht wird. Entsprechend der Behandlung der Leistungsstörungen scheint so die Erklärung zu gelingen, weshalb durch die Störung des Verwendungszwecks als Geschäftsgrundlagenstörung auch die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung entfallen muss: wenn die Zweckgebundenheit in den Kreis der rechtserheblichen Beziehungen aufgenommen sei, müsse sie schließlich auch Rechtsfolgen haben. Erhält der Schuldner der Hauptleistung eine besondere Vergütung für die Vereinbarung des Geschäftszwecks, so sei es billig, wenn er für die Untauglichkeit des Geschäfts zur Befriedigung dieses Bedürfnisses mit seinem Anspruch auf die Gegenleistung einzustehen habe. Denn es ist dann, wenn man so will, das vertragliche Äquivalenzverhältnis gestört.

b) Die Virtualität

des Geschäftszwecks

Voraussetzung der Einbeziehung des einseitigen Parteizwecks in das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis ist nach der Lehre vom Geschäftszweck jeweils die rechtsgeschäftliche Aufnahme in den Geschäftsinhalt. Einen ausdrücklich erklärten Willen der Vertragsparteien, einen besonderen Parteizweck zum Geschäftsinhalt zu erheben, wird es aber wohl kaum geben. Auch die von Locher angenommene Vereinbarung eines Geschäftszwecks ist daher als fiktiv - oder mit der Begrifflichkeit 397

Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 513; ebenso Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 9, 26; Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 179 f.; Köhler, Unmöglichkeit, S. 7, 137; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 65. 398 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 76.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Krückmanns - als virtuell zu bezeichnen399. Wenn es sich - abgesehen von den Fällen, in denen die Parteien die Störung des Verwendungszwecks vertraglich ausdrücklich geregelt haben - bei der Annahme einer vertraglichen Vereinbarung über den Geschäftszweck aber um einen juristischen Kunstgriff handelt, ist es widersinnig, eine Zustimmung des Geschäftsgegners zu einer „Zwecksetzung" anzunehmen, wenn er ihr nicht widersprochen habe. Denn man kann einer Partei nicht immer schon dann einen ausdrücklichen Widerspruch zumuten, wenn der Gegenkontrahent mit dem Geschäft einen bestimmten Zweck verfolgt und daher ein Interesse daran hat, diesen Zweck zum Geschäftsbestandteil zu erheben 400. Bei jedem gegenseitigen Vertrag verfolgt der Gläubiger der Hauptleistung mit dieser einen bestimmten Verwendungszweck; die von Locher unterstellte Bedeutung des Schweigens des Hauptleistungsschuldners wird daher auch kaum in das Bewusstsein der Vertragsparteien treten. Die „Zweckgebundenheit des Rechtsgeschäfts" beruht mithin keineswegs auf einem, wie Locher behauptet, „realen, empirisch feststellbaren Parteiwillen". „Empirisch feststellbar" wird vielmehr in der Regel nur der beiderseitige Wille zur Festlegung bestimmter Leistungspflichten und die Vorstellung der Parteien von bestimmten möglichen oder geplanten Verwendungszwecken sein. Aus diesen „psychologischen Tatsachen" lässt sich aber nicht schon ohne weiteres auf eine Vertragsabrede schließen.

c) Die Zweiteilung des Vertrags vom Geschäftszweck

in der Lehre

(1) Bei der Lehre vom Geschäftszweck fällt ferner auf, dass ihr offenbar die Vorstellung eines zweigeteilten Vertrags zugrunde liegt. Diese Vorstellung wird insbesondere an dem Kriterium Lochers deutlich, die Vereinbarung eines Geschäftszwecks könne daran erkannt werden, dass der besondere mit dem Geschäft zu erreichende Zweck einer Partei das Maß ihrer Leistung beeinflusst, also gewissermaßen neben dem üblichen Entgelt eine gesonderte Gegenleistung vereinbart wird. Inhalt eines ersten Teils des Vertrags soll also die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung sein, während in einem zweiten Teil jeweils als Geschäftsgrundlage der Geschäftszweck und die hierfür besonders zu entrichtende zusätzliche Vergütung festgelegt wird. Die Rechtsordnung ziehe sodann aus diesen subjektiven Gegebenheiten die objektive Wertung, dass der „Gedanke des Synallagmas" immer dann zum Entfallen der besonderen - oder auch der gesamten Entgeltpflicht führt, wenn der Geschäftszweck unerreichbar geworden ist. Mit einer derartigen Aufspaltung des Schuldvertrags entwirft Locher jedoch ein Modell, das der Wirklichkeit nicht entspricht. Die Parteien vereinbaren bei einem gegenseitigen Vertrag, was als Hauptleistung und was als Gegenleistung geschul399 Ebenso Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 100 f. 400 Ebenso Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 100.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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det werden soll und verstehen dabei die jeweiligen Leistungen als Gegenleistung für die Leistung des jeweiligen Gegenkontrahenten. Neben diese sog. essentialia negotii können zwar weitere vertragliche Regelungen treten. Es wäre jedoch ein überaus seltsames Geschäft, wenn die Vertragspartner darüber hinaus verabredeten, dass der Gläubiger der Hauptleistung diese für einen bestimmten Zweck verwenden kann und der Schuldner dafür nicht nur ein höheres, sondern ein von der Normalvergütung gesondertes Entgelt erhält. Das „unnatürliche" an einer solchen Regelung läge darin, dass die Erreichung des Verwendungszwecks nach den Parteivorstellungen jeweils bereits durch die Hauptleistung als solche ermöglicht werden soll, es daher keiner besonderen Vereinbarung über die Vergütung eines Geschäftszwecks bedarf. Da der Schuldner der Hauptleistung die Befriedigung des vom Gläubiger verfolgten Bedürfnisses in den problematischen Fällen nicht durch ein zusätzliches Leistungsverhalten herbeizuführen hat, sondern bereits die Hauptleistung den Verwendungszweck ermöglichen soll, gibt es keinen Grund, die Ermöglichung des Verwendungszwecks durch ein gesondertes Entgelt zu vergüten. Eine derartige Vereinbarung kann daher auch nicht in den Fällen angenommen werden, in denen die Erreichung des einseitigen Parteizwecks durch einen zufälligen und unvorhergesehenen Umstand unerreichbar wird. Wird etwa, um das von Locher gebildete Beispiel aufzugreifen, ein Hotelzimmer für 15.000 Mk. für einen Zeitraum vermietet, zu dem ein Weltkongress in diesem Hotel stattfindet, so würden es weder Hotelier noch Gast verstehen, wenn man ihnen erklärte, sie hätten neben der Vermietung eine gesonderte Vereinbarung über den Verwendungszweck des Hotelzimmers getroffen. Vielmehr soll nach dem Vertrag bereits die Vereinbarung der Überlassung des Zimmers als solche die Erreichung des besonderen Parteizwecks der Teilnahme an dem Weltkongress ermöglichen. Umgekehrt müsste man sonst annehmen, der Beherbergungsvertrag könne im genannten Beispiel auch ohne diese zusätzliche Vereinbarung geschlossen werden, indem nur der übliche Preis, also 5.000 Mk. vereinbart würde. Dazu wird sich der Hotelier jedoch nicht bereit erklären, denn seine Leistung ist nur einheitlich zu begreifen und könnte für den Zeitraum, zu dem der Weltkongress stattfindet, gar nicht erbracht werden, ohne diesen besonderen Verwendungszweck zu ermöglichen. (2) Aus dieser Willkürlichkeit der „Aufspaltung" des Vertrags ergibt sich der Grund, weshalb das Kriterium Lochers problematisch erscheint, nach dem es darauf ankommen soll, „ob der besondere Erfolg ... das Maß der Gegenleistung bestimmt", indem eine Vergütung vereinbart worden ist, die den „objektiven Verkehrswert" übersteigt. Mit der Lehre Lochers vom Geschäftszweck lässt sich dieses Kriterium nicht begründen, da jede Leistung als solche ihren vollen eigentümlichen „Wert" erst dadurch gewinnt, dass mit dieser Leistung bestimmte Verwendungszwecke ermöglicht werden 401 . Dem vereinbarten Preis kann zwar durchaus 401

Beispielsweise wird bei der Landpacht der Pachtzins einheitlich für das Grundstück und die landwirtschaftliche Nutzung entrichtet, vgl. § 585 Abs. 1 Satz 1 BGB; ausführlich hierzu i. Folg. unten u. 3. Kap. Α. I.

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

eine entscheidende indizielle Bedeutung zukommen, etwa wenn fraglich ist, ob ein Grundstück als Bauland oder nur als Bauerwartungsland verkauft worden ist. Auch hier ergibt sich aber der Preis für das Bauland einheitlich aus der durch die Leistung ermöglichten Nutzung für eine Bebauung und die indizielle Bedeutung besteht allein darin, dass von dem Preis auf den Inhalt der Leistungspflichten geschlossen werden kann, nach der zur Bebauung nutzbares Land geschuldet war. Ein neben dem Wert der eigentlichen Leistungserbringung gesondert vergütbarer Wert einer bestimmten Nutzung ist daher nicht ermittelbar. Bereits durch die Vereinbarung des Inhalts der Hauptleistung selbst sind auch die möglichen Verwendungszwecke determiniert und allein diese bestimmen den „Wert" der Leistung, der in der Höhe der Gegenleistung seinen Ausdruck findet. Der Fensterplatz im Krönungszugfall oder das Hotelzimmer im Beispiel Lochers erhalten ihren „Verkehrswert" gerade durch die durch sie ermöglichte Befriedigung von Bedürfnissen des Gläubigers, die darin bestehen, den Krönungszug betrachten bzw. an dem Weltkongress teilnehmen zu können. Jede Leistung gewinnt eben erst mittels des durch sie ermöglichten Verwendungszwecks ihren eigentümlichen Charakter und mit diesem auch ihren (Markt-) Wert. Ebenso wenig wie die Leistung ohne ihre Nutzungsmöglichkeit erbracht werden kann, kann aber auch die Preisvereinbarung nicht in zwei Bestandteile aufgespalten werden. Denn eine Leistung, bei der man sich jegliche Verwendungsmöglichkeit hinwegdenkt, entbehrt jeden Werts. So ist etwa im Krönungszugfall der Fensterplatz ohne den vorüberziehenden Korso praktisch „wertlos". Die Leistung kann von ihrem Zweck also gar nicht getrennt werden. Die Möglichkeit zur Nutzung ist es vielmehr, die den Wert der Leistung bildet und nicht etwa das schlichte Bereitstellen einer Mietsache. Ein Fensterplatz an einer Straße hat eben als solcher keinen „objektiven Verkehrswert". (3) Es ist somit weder das Kriterium Lochers brauchbar, es komme in allen Fällen auf einen Vergleich zwischen der vereinbarten Gegenleistung mit dem objektiven Verkehrswert der Hauptleistung an, noch kann dem Modell von einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung eines Geschäftszwecks gefolgt werden. Zudem erklärt die Lehre vom Geschäftszweck nicht umfassend, weshalb bei einer Störung des zum Vertragsinhalt erhobenen Verwendungszwecks die Pflicht zur Gegenleistung entfallen soll. Denn ist auch ein „vereinbarter Geschäftszweck" unerreichbar geworden, so hat nach der Lehre vom Geschäftszweck der Schuldner trotz der Zweckabrede seine - gesondert zu betrachtende - Leistung voll und ganz erbracht und damit zumindest einen Teil der Gegenleistung verdient. Scheint nach allem der Befreiung von der Entgeltpflicht der Einwand entgegenzustehen, es sei nicht billig, den Schuldner seiner Vergütung verlustig gehen zu lassen, so wäre dieser nur zu widerlegen, indem man annimmt, der Schuldner habe dem Gläubiger die Erreichung des Geschäftszwecks vertraglich versprochen. Eine Erklärung des Zusammenhangs von Verwendungszweck und Gegenleistungspflicht wird mithin nur dann gelingen, wenn der Verwendungszweck in den Begriff von der vertraglich geschuldeten Leistung einbezogen wird und die sonst als

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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Geschäftsgrundlagenstörungen behandelten Störungen bestimmter Verwendungszwecke als Störungen des durch den Vertragsinhalt bestimmten Leistungsaustauschs erfasst werden. Erst indem man die Störung bestimmter Parteizwecke als Leistungsstörung erkennt, wird also offenbar, weshalb durch diese auch die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung entfallen muss. Auf diese Weise könnten sich die Fälle der Störung des Verwendungszwecks nach den Prinzipien des allgemeinen und des besonderen Leistungsstörungsrechts beurteilen lassen, nach deren Grundaxiom es beim gegenseitigen Vertrag ohne die gehörige Hauptleistung auch keine Pflicht zur Gegenleistung gibt. In jedem gegenseitigen Vertrag und nicht nur in denjenigen, in denen eine gesonderte Vereinbarung über den Geschäftszweck vorliegt, spielt somit der Parteizweck eine besondere Rolle. Nicht eine Vereinbarung neben der Leistungsvereinbarung bestimmt daher den „Geschäftszweck", der dann die Grundlage der Leistungsvereinbarung darstellt, sondern es legt vielmehr die Leistungsvereinbarung selbst mittelbar denjenigen Parteizweck fest, der zum Inhalt des Geschäfts und damit auch zum Inhalt der Leistung gehört. Locher erkannte durchaus zutreffend die Bedeutung des Synallagmas für die Problematik der Störung des Verwendungszwecks. Anders als Oertmann, der allein den erkannten und damit „akzeptierten" Vorbehalt des Willens für eine beachtliche Grundlage des Geschäfts ausreichen ließ, es jedoch nicht vermochte, einen Grund zu benennen, aufgrunddessen aus dem Erkennen der Selbstbeschränkung des Willens das Entfallen der Gegenleistungspflicht folgt, erfasste Locher den „Geschäftszweck" als einen Parteizweck, der durch privatautonome Vereinbarung zum Inhalt des Geschäfts erhoben wird. Ist der „Geschäftszweck" aber ein Zweck, dessen Erreichung dem Gläubiger vom Schuldner versprochen wird, so ergibt sich aus der Gegenseitigkeit des Vertrags, dass die Gegenleistungspflicht ganz oder teilweise entfällt, wenn der vereinbarte „Geschäftszweck" unerreichbar ist. Indem Locher diese Vereinbarung jedoch neben die Leistungsvereinbarung stellte, verkannte er, dass das Synallagma allein durch die Vereinbarung der beiderseitigen Leistungsinhalte bestimmt wird. Locher unterschied die Fälle der Störung des Verwendungszwecks als Fälle der Geschäftsgrundlage denn auch ausdrücklich von den Leistungsstörungen 402 und erblickte in ihnen stattdessen besondere Fälle der Kondiktion wegen Nichterreichung des mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolgs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB 4 0 3 .

402 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 28 f., 59 f., 82 ff., 89 ff. 403 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 47 ff. 8 Quass

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

III. Der Verwendungszweck als objektiver Vertragszweck 1. Die Lehre Larenz' vom objektiven Vertragszweck a) Karl Larenz, der wohl populärste Vertreter einer objektiven Theorie zur Geschäftsgrundlage, unterschied zwischen einer subjektiven und einer objektiven Geschäftsgrundlage 404. Die „Tatbestände" sollten sich zwar gegenseitig „im Leben nicht ausschließen, sondern teilweise überschneiden", jedoch komme der „objektiven GG nur subsidiäre Bedeutung4" zu 4 0 5 . Die Problematik der Störung des Verwendungszwecks ordnete Larenz in erster Linie der Figur der objektiven Geschäftsgrundlage zu. In diesen Fällen hätten sich die Parteien „über die Wichtigkeit des betreffenden Umstandes (und seiner Fortdauer) für den beabsichtigten Vertrag keine Vorstellungen gemacht". Der Umstand müsse, um Auswirkungen auf die Vertragspflichten zu haben, „von der Art" sein, „daß sein Fortfall den Sinn des Vertrages als eines Ausgleichs der beiderseitigen Interessen völlig zerstört," indem „der beiderseits anerkannte, wesentliche Vertragszweck unerreichbar geworden ist" 4 0 6 . Die Rechtsfolgen seien bei einer „Zweckvereitelung" nicht im Sinne der Willenstheorie dem Willen der Vertragsparteien zu entnehmen, sondern vielmehr aus der Bedeutung der Erklärungen durch eine „korrigierende Vertragsauslegung" zu gewinnen, dessen Gegenstand „der aus den beiderseitigen Erklärungen zusammengefügte Vertrag als ein objektiv (verstehbares) Sinngebilde" sei 4 0 7 . Jedem Vertrag sei eine Vertragsgerechtigkeit und die „Idee der ausgleichenden Gerechtigkeit'" immanent, nach der „der Vertrag einen Ausgleich unter den Beteiligten herbeiführen soll, bei dem jede Partei... die Möglichkeit hat, ihr eigenes, elementares Interesse gewahrt zu sehen". Deshalb seien „Verträge so auszulegen ( . . . ) wie ,Treu und Glauben' mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ( . . . ) es erfordern" 408 . Ist „der beiderseits anerkannte, wesentliche Vertragszweck unerreichbar geworden", so verstoße „das Beharren auf unveränderter Vertragserfüllung gegen ,Treu und Glau404

s. zur Larenz'schen subjektiven Geschäftsgrundlage oben u. 2. Kap. C. II. 1. b). 405 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 171; ders. Allgemeiner Teil, § 20 III, S. 391 ff.; ders., DB 1952, S. 116 ff. 406

Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 164 f. 07 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 157, 166. 408 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 162. - Der bereits von E. Kaufmann (s. hierzu oben u. D. I. 1. a)) vertretene Gedanke, daß die veränderten Umstände zugleich sowohl aufgrund der „Vertragsauslegung" als auch aufgrund des objektiven Gebots von „Treu und Glauben" zu berücksichtigen seien, beruht nach Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 167, bei E. Kaufmann ebenso wie bei Larenz auf der Hegel'schen Philosophie: „Der Wille des einzelnen, der im Vertrage als gemeinsamer Wille der Vertragsschließenden rechtsschöpferisch wirkt, und der allgemeine Wille, der sich in der Rechtsordnung - als ihrem Wesen nach sittlicher Ordnung Ausdruck und allgemeine Geltung verschafft, sind dabei nicht als schlechthin gegensätzlich, sondern als in ihrem innersten Kern oder Wesensgrunde miteinander übereinstimmend, wenngleich in ihrer konkreten Einzeläußerung ebenso auch (bis zur Möglichkeit gegensätzlicher Spannung) unterschieden, gedacht." 4

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Weitungen

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ben4, weil es eine Verleugnung des vertragsimmanenten Maßstabes der ausgleichenden Gerechtigkeit bedeuten würde" 409 . b) Unter „Treu und Glauben" sei jedoch nicht etwa eine „in das Ermessen des frei gestaltenden' Richters gestellte Billigkeit" zu verstehen. „Nur solche Umstände" könnten „als GG in Betracht kommen, die gerade dieses konkrete Vertragsverhältnis betreffen, seinen Inhalt und Charakter zu ändern vermögen" 410 . Die „Unmöglichkeit der Zweckerreichung" könne „nur dann den Bestand des Vertrages selbst berühren, wenn es sich nicht nur um den Zweck einer Partei, sondern um den gemeinsamen und in diesem Sinne objektiven Vertragszweck" handle 411 . Ein „objektiver Vertragszweck" liege immer dann vor, „wenn er den Inhalt der Leistung oder - bei Mietverträgen - den Umfang der Berechtigung bestimmen soll, wenn die Höhe der Gegenleistung mit Rücksicht gerade auf diesen Zweck festgesetzt worden ist, oder wenn, wie z. B. bei partiarischen Verträgen, ein gemeinsames Interesse beider Parteien an seiner Erreichung besteht". „Der Zweck" müsse „ferner für das Geschäft in dem Sinne wesentlich sein, daß er nicht, ohne daß das Geschäft seinen Charakter ändert, durch einen anderen ersetzt werden kann" 4 1 2 . Die „weiteren Zwecke einer Partei" gingen „die andere, selbst wenn sie ihr bekannt oder sogar ausdrücklich mitgeteilt sind, grundsätzlich nichts an - es sei denn, daß sie sie auf irgendeine Weise sich zu eigen gemacht, z. B. sie als für ihre Vertragsleistung maßgeblich anerkannt oder mit Rücksicht auf sie die Höhe der Gegenleistung festgesetzt hat". Der betreffende Zweck müsse „bei der Bestimmung des Vertragsinhalts von beiden Parteien berücksichtigt und dadurch zumindest mittelbar im Vertragsinhalt zum Ausdruck gelangt sein" 413 . Eine „Grenze" ergebe sich daraus, „daß die Unerreichbarkeit des Vertragszwecks nicht auf Gründen beruhen darf, die in der Person des Bestellers oder in seinem Einflußbereich (ausgenommen den Fall,höherer Gewalt') gelegen sind" 4 1 4 . c) Als ein Beispiel für den Fortfall des objektiven Verwendungszwecks führte Larenz den vom Reichsgericht entschiedenen „Drehtürfall" 415 an. Hier hatte der Beklagte von der Klägerin „für seine Restaurationsräume deren patentierte amerikanische Drehtür gekauft, erhielt aber nicht die polizeiliche Erlaubnis, sie anzubringen, und verweigerte infolgedessen ihre Abnahme". Die Verkäuferin habe sich den Verwendungszweck des Käufers dann „in dem Maße zu eigen gemacht daß er als objektiver Vertragszweck, als ,Geschäftszweck' im Sinne Lochers angesehen werden kann", wenn sie „die Tür als gerade für die Räumlichkeiten des Käufers passend anempfohlen oder ihren Einbau in dieselben mit übernommen oder 409

Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 165. Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 165. 411 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 104. 412 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 107. 413 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 105. 414 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 107. 4 15 RGZ 62, S. 267 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. IV. 3. a). 410

8*

2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

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aber ausdrücklich eine Tür ,für die Restaurationsräume' des Beklagten zu liefern versprochen hätte". Nur wenn dies der Fall war, dürfe „die Verwendungsmöglichkeit der Tür in den Räumen des Beklagten als die Vertragsgrundlage (im objektiven Sinn) anzusehen sein" 416 . Ebenso verhalte es sich beim „Benzintankanlagenfall" 417, bei dem sich der Kläger „kurz vor dem ersten Weltkriege eine Benzintankanlage gemietet" hatte, „von der er nach Kriegsausbruch wegen der Beschlagnahme alles Benzins und der objektiven Un Verwendbarkeit der Anlage für irgendeinen anderen Zweck keinen Gebrauch mehr machen konnte". Hier komme es darauf an, „daß der jetzt unmöglich gewordene Gebrauch der bestimmungsgemäße', nach dem Vertrage vorausgesetzte war und daß er ,überhaupt', nicht nur gerade für diesen Vertragspartner - aus Gründen, die in seiner Person liegen und daher gerade nur ihn treffen - unmöglich wurde" 418 .

2. Der „Vertragszweck" als Grundlage der Leistungsvereinbarung a) Die Unklarheit des Verhältnisses

von Geschäftsgrundlage

und Vertrag

(1) Auch Larenz gelang es nicht, die Problematik der Störung des Verwendungszwecks zu klären. Denn die Idee der „ausgleichenden Gerechtigkeit" und der „immanenten Vertragsgerechtigkeit", die mittels der Methode der „korrigierenden Vertragsauslegung" einen gerechten „Ausgleich unter den Beteiligten" herbeiführen soll, besagt nicht mehr „als eine Umschreibung dafür, daß eine gerechte Lösung zu suchen ist" 4 1 9 . Ob die maßgeblichen Kriterien bereits dem Vertrag als einem „objektiv (verstehbaren) Sinngebilde" innewohnen oder ob die Rechtsordnung im Hinblick auf den Vertrag diese Kriterien aufstellt, ist insofern gleichgültig, so lange man sich nur in beiden Alternativen an den von den Parteien getroffenen Regelungen des konkreten Vertrags orientiert. Gleichwohl versuchte Larenz, für einzelne Fallgruppen spezielle Maßstäbe zu entwickeln. Die in die „korrigierende Vertragsauslegung" einfließenden Kriterien verstand er dabei als wirklich „objektive" Maßstäbe und schob die so ermittelten Rechtsfolgen nicht etwa - wie insbesondere die Vertreter einer „ergänzenden Vertragsauslegung" - den Parteien als redlicherweise gewollte hypothetische Vertragsvereinbarungen unter. Auch betonte Larenz den Bezug des „Vertragszwecks" zu der Leistung, zum Charakter des Geschäfts und zur Gegenleistung und erkannte als Voraussetzung der Beachtlichkeit des Verwendungszwecks, dass dieser mit der 416

Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 96. 17 RGZ 94, S. 267 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 2. b). 418 Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 98 f. 4 19 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 500. 4

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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Leistung und der Gegenleistung in einem irgendwie gearteten Zusammenhang stehen muss. Jedoch ist bei Larenz für eine Beachtlichkeit des Verwendungszwecks anders als bei Locher - nicht eine gesonderte Vereinbarung über den „Geschäftszweck" erforderlich. Vielmehr soll sich der „Vertragszweck" aus dem Charakter des Vertrags selbst ergeben 420. (2) Indem Larenz jedoch den „Vertragszweck" nicht als Leistungsinhalt oder als einen Bestandteil der Leistung erfasst, sondern nur als „Grundlage" des Vertrags und der vertraglichen Leistung, muss die Berechtigung seiner Kriterien zweifelhaft bleiben. Der „Vertragszweck" soll zwar den „Inhalt der Leistung" und den „Charakter" des Geschäfts „bestimmen" und es soll gegebenenfalls die „Höhe der Gegenleistung" „mit Rücksicht gerade auf diesen Zweck festgesetzt" sein. Der Schuldner soll sich den Verwendungszweck der Gegenpartei unter Umständen auch in dem Sinne „zu eigen" machen, als er diesen für seine „Vertragsleistung maßgeblich anerkennt". Indessen bleibt bei Larenz dennoch das Verhältnis zwischen Vertragszweck, Leistung, Gegenleistung und dem vereinbarten Vertragsinhalt im Dunkel, bleibt unklar, aus welchem Grund sich bloße Geschäftsgrundlagen auf den Inhalt des Geschäfts auswirken können. Es ist von Larenz der Beweis nicht geführt, weshalb nicht zum Vertragsinhalt gehörende Zweckvorstellungen des Gläubigers oder auch beider Parteien dennoch von außen auf den Vertrag einwirken sollen 421 . Der „Vertragszweck" soll lediglich irgendwie Einfluss auf die Leistung und die Gegenleistung haben, so dass letztlich nicht erhellt, weshalb die Vereitelung eines bestimmten Verwendungszwecks der „ausgleichenden Gerechtigkeit" im Wege steht. Es wird nicht der tragende Grund deutlich, weshalb ein geplanter Verwendungszweck, der nur einen Einfluss auf den Charakter und Inhalt der Leistung hat, für die Gegenleistungspflicht maßgeblich sein soll. (3) Es bleiben daher zwangsläufig auch die Kriterien diffus, die Larenz für die Lösung konkreter Fälle vorschlug. Oftmals wird nicht festzustellen sein, ob die Höhe der Gegenleistung nur „mit Rücksicht" gerade auf einen bestimmten Zweck festgesetzt worden ist 4 2 2 . So ist etwa im Benzintankanlagenfall zweifelhaft, ob der Preis für eine Benzintankanlage höher war als für eine sonstige Tankanlage. Hatte der Käufer in dem von Larenz angeführten Drehtürfall die Gegenleistung „mit Rücksicht" auf den Einbau oder nur für die Drehtür als solche versprochen? Auch das Erfordernis, der Gegner müsse den Verwendungszweck „als maßgeblich anerkannt" haben, lässt an Schärfe zu wünschen übrig 423 . So ergibt sich etwa im Drehtürfall nicht ohne weiteres aus dem Versprechen der Lieferung einer Drehtür „für

420

Köhler, Unmöglichkeit, S. 121 ff., versteht daher den Larenz'schen „objektiven Vertragszweck" als den „eigentümlichen Sinngehalt" des Vertrages, der „nachdem er geschlossen wurde, gleichsam ein Eigenleben" führe. 421

Ebenso Beuthien, Zweckerreichung, S. 147, 183. s. hierzu bereits oben u. D. II. 2. c) (2). 423 Kritisch daher auch Köhler, Unmöglichkeit, S. 126 ff.; Beuthien, Zweckerreichung, S. 183; Esser, JZ 1958, S. 113, 115; Wieacker, Festschrift für Nipperdey, S. 783, 810. 422

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

die Restaurationsräume" des Käufers eine Übernahme des Verwendungsrisikos durch den Verkäufer. Ebenso wenig ist bei einer „Anempfehlung" der Drehtür oder bei einem versprochenen Einbau ein tragender Grund benannt, weshalb sich der Lieferant die Verwendung „zu eigen gemacht" haben und ihm die Gefahr für das baupolizeiliche Verbot auferlegt werden soll. Man könnte hier mit denselben Argumenten den Fall ebenso gut mit einem entgegengesetzten Ergebnis entscheiden und behaupten, der „weitere Zweck" des Einbaus der Tür gehe den Verkäufer nichts an, denn der „Charakter des Geschäfts" und der „Inhalt der Leistung" bestehe in der bloßen Lieferung einer funktionsfähigen Drehtür. b) Die Ausblendung des Synallagmas in der Larenz'schen Geschäftsgrundlagenlehre (1) Der Gedanke des Synallagmas tritt in der Larenz'schen Lehre, anders als noch bei Locher, überhaupt nicht mehr hervor. Zwar anerkannte Larenz den „nächsten unmittelbaren Zweck . . . , die Gegenleistung zu erhalten" als „gemeinsamen Vertragszweck". Ebenso war für Larenz die Sachmängelhaftung beim Spezieskauf, wenn also der Verkäufer bei Vertragsschluss „die Eignung der Sache für den von dem Käufer beabsichtigten Gebrauch bejaht", ein bloßer Unterfall der „Unerreichbarkeit des Vertragszweckes" 424. Das in diesen Rechtsfiguren der Unmöglichkeit der Leistung und der Sachmängelhaftung verwirklichte Prinzip der Gegenseitigkeit des Vertrags übertrug Larenz jedoch nicht auf andere Umstände, durch deren Fortfall der Sinn des Vertrags als eines Ausgleichs der beiderseitigen Interessen völlig zerstört wird. Larenz erkannte also nicht, dass eine Partei sich die „weiteren Zwecke" des Geschäftspartners immer, aber auch nur dann „zu eigen gemacht" hat, wenn sie die Möglichkeit, diesen „weiteren Zweck" zu erreichen, der anderen Partei vertraglich versprochen hat. Indem diese Möglichkeit „geschuldet" wird, ohne dass der Schuldner eine Pflicht übernehmen müsste, die Erreichung des Parteizwecks herbeizuführen, wird diese zum Element der Leistung und ist mit dem Leistungsinhalt identisch. Für eine einheitliche Leistung, die auch die Verwendbarkeit für einen bestimmten Zweck umfasst, wird zwar durchaus die „Höhe der Gegenleistung mit Rücksicht gerade auf diesen Zweck festgesetzt". Die Gegenleistung bemisst sich jedoch allein nach dem Wert der Leistung als solcher. Denn ein Wert kann sich nur bei der Vorstellung ergeben, dass die Leistung für bestimmte Zwecke verwendbar ist; eine „nutzlose" Leistung ist hingegen „wertlos". Bildet aber der so durch die Leistungsvereinbarung geschuldete Zweck erst den eigentümlichen Wert der Leistung, so erklärt sich das Entfallen der Gegenleistungspflicht bei „Unerreichbarkeit des Vertragszweckes", ebenso wie bei Unmöglichkeit und Sachmangel aus dem einfachen Prinzip, dass ohne vertragsgemäße Leistung auch keine Gegenleistung entrichtet werden muss 425 . 424

Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 95, 104 f.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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(2) Anders als bei dem nebulösen Hinweis auf „Treu und Glauben" und einen „vertragsimmanenten Maßstab der ausgleichenden Gerechtigkeit" wird so der wirkliche Grund ersichtlich, weshalb immer dann, wenn ein „Vertragszweck" den „Inhalt der Leistung", die „Höhe der Gegenleistung" und überhaupt den „Charakter des Geschäfts" bestimmt, die „Unerreichbarkeit des Vertragszwecks" das Entfallen der Gegenleistungspflicht zur Folge hat: das vertragliche Versprechen der Möglichkeit, den Vertragszweck zu erreichen, steht als Element der Leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis zu dem vertraglichen Versprechen der Gegenleistung. Angesichts des von Larenz beispielhaft angeführten Benzintankanlagenfalls und der - von ihm unvollständig zitierten - Begründung der reichsgerichtlichen Entscheidung, hätte diese Erkenntnis für Larenz indessen greifbar nahegelegen. Denn das Reichsgericht führte aus, der Verlust des Anspruchs auf die Gegenleistung folge „aus dem Wesen des gegenseitigen Vertrags, auf dem sowohl § 323 wie § 537 BGB. beruhen, deren sinngemäße Anwendung hier gerechtfertigt ist. Nach der besonderen Art des Vertragsverhältnisses gestaltet sich die Möglichkeit der Verwendung der Sache zu dem bestimmten Gebrauche zu einem Teile der dem Vermieter obliegenden Leistung im Sinne des § 323; der Wegfall dieser Möglichkeit behaftet die Sache zwar nicht unmittelbar mit einem Fehler im Sinne des § 537, erzeugt aber eine diesem gleiche Wirkung, daß die Sache zu dem vertragsmäßigen Gebrauche nicht mehr tauglich erscheint" 426 .

IV. Der Verwendungszweck als Inhalt der rechtsgeschäftlichen Leistungsvereinbarung 1. Die Lehre Flumes von der Bezugnahme des Rechtsgeschäfts auf die Wirklichkeit a) Nach Flume geht es bei den Fällen der Störung des Verwendungszwecks um das „Verhältnis von Rechtsgeschäft und Wirklichkeit" und damit um die Frage, „welchen Einfluß es auf die rechtsgeschäftliche Regelung hat, wenn die Bezugnahme des Rechtsgeschäfts auf die Wirklichkeit unrichtig ist oder wenn sich die Wirklichkeit nach der Vornahme des Rechtsgeschäfts ändert". Ebenso gehe es in einer Vielzahl von gesetzlichen Normierungen, wie etwa bei den „Regelungen für den Fall der Unmöglichkeit, ... der Gefahrtragung" oder bei der „Sach- und Rechtsmängelhaftung" um eben dieses Verhältnis. Die „Lehre von der Geschäftsgrundlage" bedeute daher „nichts anderes als eine Ergänzung der gesetzlichen Normierungen im Recht der Schuldverträge für die Fälle, von denen man meint, daß sie gesetzlich nicht geregelt seien" 427 . 425 Zu alldem noch i. Folg. unten u. 3. Kap. B. III. 2. 426 RGZ 94, S. 267, 268, Hervorheb. nicht i. O. 427 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 497 f.; ders., Festschrift für den DJT I, S. 135, 207 f.; zustimmend Wieacker, Festschrift für Wilburg, S. 229, 252 ff.; U. Huber, Gutachten,

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

„Der Ausgangspunkt Oertmanns" sei „ein psychologischer" gewesen, da dieser „für den Vertragsschluß die Vorstellung der Vertragschließenden von der Wirklichkeit und den rechtsgeschäftlichen Willen" getrennt habe. Die „Vorstellung von der Wirklichkeit" sei für Oertmann „nicht Teil des rechtsgeschäftlichen Willens, sondern nur,Grundlage 4 desselben" gewesen. Maßgeblich könne aber nicht ein gesonderter Tatbestand „neben dem Geschäft" sein, sondern „nur das ,Geschäft 4" selbst. Es komme daher immer darauf an, „inwieweit sich ein Geschäft auf die Wirklichkeit beziehtDies bestimme sich „nach dem Typus des Geschäfts' 4, jedoch könnten „die Vertragschließenden ... auch abweichend von dem Vertragstypus weitere Umstände in ihre vertragliche Regelung einbeziehen"428. So sei etwa im Krönungszugfall „der Vertrag selbst... auf 4 den „Umstand ausgerichtet44, dass der Krönungszug stattfinde: Vereinbart „war nicht nur die Überlassung des Fensterplatzes", sondern „die Überlassung des Fensterplatzes zur Besichtigung des Krönungszuges44. Der „Besitzer des Fensters44 verpflichte sich „natürlich ... nicht dazu, daß der Aufzug stattfindet 44. Er verpflichte „sich aber zur Gewährung der Besichtigung des Aufzuges von dem bestimmten Fenster aus44. „Die Entscheidung des Falles44 ergebe sich daher „mit Selbstverständlichkeit aus der Regelung der Unmöglichkeit44. „Die vereinbarte Leistung" werde „unmöglich". Der Vermieter werde frei, er verliere „aber auch den Anspruch auf die Gegenleistung" 4 2 9 . b) Es gelte mithin insgesamt, „an Stelle von Einheitslösungen ... jeweils für den konkreten Vertragstypus als naturale negotii die sich für ihn gehörige Regelung der Frage zu finden, wer von den Vertragspartnern das Risiko der Wirklichkeit trägt 44430 . „Nach geltendem Kaufrecht" sei es grundsätzlich „Sache44 des Käufers, „ob und wie er die Kaufsache verwenden kann44. Insoweit trage „er das Risiko der Wirklichkeit 44431 . Wenn hingegen „jemand das Risiko tragen" müsste, „ob der Weiterverkauf gelingt,44 so mache „er in der Regel das Geschäft selbst, damit er für das Risiko des Weiterverkaufs auch die Chance des Gewinns des Weiterverkaufs erhält 44432 .

S. 750 f.; ders., JuS 1972, S. 57, 64 f.; Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 586 f.; ders., Rechtsmängelhaftung, S. 182 ff.; als eine Frage der Leistungsstörung wird die „Parteizweckstörung" auch erfaßt von Stampe, JhJb 72 (1922), S. 348, 395 f., 401; Willoweit, JuS 1988, S. 833, 839; Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 212 ff.; kritisch zur Lehre von der Geschäftsgrundlage auch Esser/Schmidt, Schuldrecht I / 2, § 24 I 2, S. 36 ff. 428 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 498, Hervorheb. nicht i. O. 429 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 499; ders., Festschrift für den DJT I, S. 135, 217 f.; ders., Eigenschaftsirrtum, S. 73 f.; ebenso Emmerich, Grundlagen, § 16 II. 2 c), S. 458 f.; ders., Leistungsstörungen, § 25 II 5, S. 280 f. 430 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 501. 431 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 a), S. 510; ebenso U. Huber, JuS 1972, S. 57, 60. 432 Flume, Festschrift für den DJT I, S. 135, 222.

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c) Ebenso verhalte es sich beim Mietvertrag, jedoch bestimme sich „das von dem Vermieter hinsichtlich des Anspruchs auf den Mietzins zu tragende Risiko" danach, „zu welcher Art von Nutzung die Vermietung erfolgt". Der Vermieter trage „das Risiko der Wirklichkeit für alle Umstände, auf Grund deren der vertragsmäßige Gebrauch unmöglich oder beeinträchtigt wird". So mache es wie im Krönungszugfall auch bei den Tanzlokalfällen 433 und im Benzintankanlagenfall 434 „hinsichtlich der Rechtsfolge, daß der Vermieter den Anspruch auf den Mietzins verliert, keinen Unterschied", „ob der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache wegen der Eigenschaften der Mietsache oder auf Grund anderer Umstände ... nicht möglich ist" 4 3 5 . „Die Frage" sei „nur immer, ob das fragliche Ereignis so in die Vereinbarung einbezogen worden ist, daß dadurch die vertraglich vereinbarte Leistung bestimmt wurde". „Ausnahmsweise" könne so „die Verwendung Teil des Inhalts der Gebrauchsgewährung" sein 436 . Es gehe also „um nichts anderes als darum, ob der fragliche Umstand Inhalt der Leistungsvereinbarung geworden ist". In den Tanzlokalfällen sei „nicht irgendeine Gebrauchsüberlassung, sondern die Nutzung zu dem verbotenen Betriebe Vertragsinhalt". In diesen Fällen sei „die Nutzung schon durch die Räume selbst bestimmt". Die „Restaurations- und Barräume" seien „als solche vermietet" und „als solche nicht benutzbar" gewesen437. „Soweit man die ... behandelten Fälle der Lehre von der Geschäftsgrundlage zugeordnet hat," lasse „man nicht als Inhalt des Mietvertrages gelten, daß die Möglichkeit, die Mietsache zu dem vertragsmäßigen Gebrauch zu nutzen, die Leistung ist, für welche der Mieter den Mietzins zu zahlen hat". „Für einen von den vertraglich vereinbarten Leistungen zu sondernden ,nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolg' oder Vertragszweck" sei „nach der Aufgabe des numerus clausus der Schuldverträge nur noch in Ausnahmefällen Raum" 4 3 8 . d) Beim Dienstvertrag trage ebenfalls der Dienstberechtigte „das Risiko der Möglichkeit der Verwendung". „Die gesetzlich festgelegte Alternative" zwischen „Annahmeverzug des Gläubigers" und „Unmöglichkeit der Leistung" ergebe „aber keine klare Abgrenzung", wenn „beim Dienstberechtigten" nicht „die Voraussetzungen vorliegen, unter denen allein die Leistung der Dienste möglich ist". „Dem Vertragstyp des Dienstvertrages" entspreche es hingegen, „daß der Dienstberechtigte das Risiko für seinen Bereich, insbesondere also das Betriebsrisiko trägt". Auch in dem Fall, „daß ein Privatlehrer engagiert wird und das Kind stirbt," sei „die Risikoverteilung des § 615 die angemessene"439. 433

s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 2. a). s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. IV. 2. b). 43 5 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 510 ff.; ders., Festschrift für den DJT I, S. 135, 224 f. 43 6 Flume, Festschrift für den DJT I, S. 135, 214. 434

437

Flume, Festschrift für den DJT I, S. 135, 216 f., Hervorheb. nicht i. O. 8 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 513. 439 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 c), S. 513 f.; ders., Festschrift für den DJT I, S. 135, 225. 43

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Ebenso trage beim Werkvertrag „der Unternehmer... nicht das Risiko der Möglichkeit der Verwendung durch den Besteller". „Der Fall, daß ein Portal für eine Kirche bestellt ist und die Kirche nach Fertigstellung des Portals vor dem Einbau abbrennt," sei daher „so zu entscheiden, daß die Vergütung gegen Abnahme des Werks zu zahlen ist". Da aber „beim Werkvertrag ... der Unternehmer das Risiko der Wirklichkeit hinsichtlich seines Werks - Leistungsgefahr und Preisgefahr - bis zur Abnahme oder Vollendung (§§ 644, 646)" trägt, könne man in anderen Fällen „fragen, ob eine andere Risikoverteilung, als sie das Gesetz bestimmt, ... ,richtiger4 ist44. Wenn etwa „ein Maler durch Werkvertrag die Ausbesserung von Deckengemälden in einer Kirche übernimmt und die Kirche nach Beginn der Arbeiten abbrennt,44 wenn „ein Arzt ... zu einer Operation gerufen 44 wird, „die nicht stattfinden kann, weil der Patient sie nicht ertragen würde oder schon vor Eintreffen des Arztes verstorben ist44, oder wenn „ein Abschleppunternehmer ... zum Abschleppen eines Wagens bestellt" wird, „der Wagen ... aber des Abschleppens nicht mehr" bedarf, so zeige sich, dass „die gesetzliche Regelung des Werkvertrages ... unvollständig44 sei. „In diesen Fällen44 könne „nicht die Vergütung für das Werk, aber auch nicht nur Aufwendungsersatz verlangt werden44. Vielmehr sei „von dem Besteller eine den tatsächlich erfolgten Bemühungen entsprechende Vergütung zu zahlen" 440 .

2. Die Lehre Beuthiens von der vereinbarten Zweckeignung der Leistung a) Ganz ähnlich wie zuvor Flume erfasste auch Beuthien den Verwendungszweck als „Inhalt der Sachleistungspflicht 44441. Zwar sei der Schuldner „vertraglich nicht gehalten, auch den weiteren Erfolg ( . . . ) herbeizuführen". Jedoch beeinflusse eine „Zweckeinigung der Beteiligten ... den Inhalt der Leistungspflicht selbst44. „Die Zweckbindung" habe zur Folge, „daß der Schuldner seine Leistung nur in einer bestimmten Art und Weise, nämlich zweckbestimmt zu erbringen hat44. Lasse sich „der weitere, in der Leistungspflicht nur als Zweckbindung angelegte Erfolg nicht herbeiführen, 44 so sei „die vom Schuldner zweckbestimmt geschuldete Leistung unmöglich" und daher das „Entgeltrisiko nach den §§ 323 f. oder entsprechenden Grundsätzen zu verteilen 44442 . Die „Zweckabrede" sei als eine „Vereinbarung ohne im einzelnen festgelegte Rechtsfolgen 44 zu bezeichnen. „Vereinbart" werde „nur die Zweckbindung selbst44, während die „vom realen Parteiwillen offengelassenen rechtlichen Zweckstörungsfolgen ... das ergänzende Gesetzesrecht (§§ 323 f.) 44 regle 443 . 440 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 d), S. 514 f.; ders., Festschrift für den DJT I, S. 135, 225 f. 441 Beuthien, Zweckerreichung, S. 159 ff. 442 Beuthien, Zweckerreichung, S. 160 f., 180 f. 443 Beuthien, Zweckerreichung, S. 182, 211 ff.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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b) Beim Krönungszugfall seien sich „beide Vertragsbeteiligten ... dahin einig geworden, daß der Mietgebrauch zwecks Besichtigung eines Festzugs gewährt, aber auch nur entsprechend zweckbezogen gemacht werden sollte". Falle der Festzug aus, so könne der Vermieter „seine zweckbezogene Vermieterleistung nur noch zweckneutral und damit nicht mehr in der geschuldeten Art und Weise erbringen". „Seine Leistung" werde „unmöglich" 444 . Ist die Mietsache bereits vor der Absage des Festzugs überlassen worden, so handle es sich um „einen Fehler im Sinne des § 5371", indem „der geplante Verlauf des Festzuges ... dem gemieteten Fenster vorübergehend eine besondere Eigenschaft, nämlich eine bestimmte Aussicht auf den Festzug" verliehen habe 445 . „Welche Umweltbeziehungen einer Mietsache ... als ... erheblich zu bezeichnen sind," beurteile sich allein vom Vertragsinhalt und damit im Einzelfall auch von der Mietzeit und dem gerade für diese Zeit ausbedungenen Mietgebrauch her". Im Krönungszugfall beziehe sich „der Vertrag... für die gesamte Mietdauer auf ein Umweltereignis, das mit der Mietsache in einen räumlichen Zusammenhang treten und dieser einen bestimmten Vorzug verleihen soll", so dass ein solcher „Gebrauchszweck" zur „vorübergehenden Sacheigenschaft" werde 446 . Auch bei den vom Reichsgericht im ersten Weltkrieg entschiedenen Tanzlokalfällen, in denen Restaurationsräume zum Betrieb von Tanzgaststätten vermietet wurden, die Polizei den Tanzbetrieb wegen des Kriegsausbruchs jedoch verbot, seien die Räume gerade „als Tanzlokal" vermietet gewesen, so dass „diesem einverständlich zweckgebundenen Mietgebrauch entsprechend ... der Vermieter sowohl die räumliche als auch die umweltbezogene Tanzlokaleigenschaft der Mieträume zu gewährleisten" hatte 447 . Hingegen habe in dem vom OLG Bremen entschiedenen Marika-Rökk-Fall 448 , in dem zum Zweck der Aufführung eines Gastspiels mit Marika Rökk eine Sporthalle vermietet worden war, die Hauptdarstellerin jedoch erkrankte, die Absage des Gastspiels „der Mietsache nicht die geschuldete Zweckeignung" genommen. Zwar sei auch dort „die Sachleistungspflicht des Vermieters zweckgebunden", jedoch bleibe „die Halle als solche sowohl nach ihrer räumlichen Beschaffenheit als auch nach den sachbedingten Umweltverhältnissen für eine solche Aufführung tauglich". Es könne nur „der Mieter seinen ihn insoweit allein angehenden, besonderen Verwendungszweck trotz zweckgeeignet möglicher Schuldnerleistung nicht verwirklichen" 449 . Denn der Schuldner brauche „dem Gläubiger nur die Mittel für die Zweckerreichung an die Hand zu geben", während „die Zweckverwirklichung ... bei diesem" liege. Die „Zweckeignung der Schuldnerleistung" sei „immer dann nicht beeinträchtigt, 444

Beuthien, Zweckerreichung, S. 163 f. Beuthien, Zweckerreichung, S. 170. 446 Beuthien, Zweckerreichung, S. 171 f.; ebenso für eine Anwendung der Gewährleistungsregeln Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 23 III 2, S. 31 f.; § 2412 b), S. 39. 447 Beuthien, Zweckerreichung, S. 176. 448 OLG Bremen, NJW 1953, S. 1393 f.; s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. I. 6. 449 Beuthien, Zweckerreichung, S. 176 f. 445

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

wenn nur der Gläubiger den Leistungsgegenstand nicht mehr gebrauchen kann, ein anderer ihn aber zweckgerecht benutzen könnte" 450 . c) „ Wann " aber eine „Zweckvereinbarung Schuldinhalt wird", hängt nach Beuthien „regelmäßig vom Parteiwillen ab". Häufig werde sich der „Zweckbindungswille nur aus Begleitumständen und vom Vertragstyp her ermitteln lassen", indem „viele Verträge schon vom Lebenssachverhalt her, den sie betreffen, sachtypisch zweckgebunden" seien. Lasse sich „der Schuldner auf ein derart sachtypisch zweckbezogenes Geschäft ein", so richte sich „sein Wille notwendig auf das mit, was diesem Sachtypus entspricht" 451 . Als „häufig wiederkehrenden Wertungsgesichtspunkt" bei der Ermittlung des „objektiven Erklärungswertes der rechtsgeschäftlichen Willensäußerungen" nennt Beuthien die Frage, „ob die Zweckbindung nach der Verkehrsauffassung ein so wesentlicher Umstand für die Charakterisierung der Sachleistungspflicht ist, daß die geschuldete Leistung ohne die Zweckeignung zu einer wirtschaftlich ganz anders gearteten Leistung, gleichsam zu einem aliud würde". Ein Anhaltspunkt für einen solchen, „den Charakter des Geschäfts" „prägenden Zweck" sei etwa, „daß die Leistung dem Gläubiger nach der Art des Rechtsgeschäfts nicht zu mehreren Zwecken, sondern wie bei jedem anderen Empfänger lediglich zu einem Zweck dienen kann" 4 5 2 . Außerdem sei eine „zweckgebundene Leistungspflicht" dann anzunehmen, wenn der Verkehrswert der Leistung gerade auf der vom Gläubiger erstrebten Zweckeignung beruht und der Schuldner den Leistungsgegenstand nur wegen dieser bestimmten Zweckeignung zu Geld machen kann". „Ein Anzeichen für die Zweckbindung" sei insbesondere, „daß sich die Zweckeignung der Schuldnerleistung im Preis der vom Gläubiger zu zahlenden Vergütung niederschlägt und sich die Höhe des Entgelts nur mit Rücksicht auf die Zweckeignung des zu Leistenden und der damit vom Gläubiger zu erzielenden Einnahmen rechtfertigt" 453 .

3. Das Leistungsversprechen als Versprechen zur Nutzungsmöglichkeit a) Die Zweckvereinbarung als Rechtfertigung der Gefahrtragung des Schuldners (1) Flume und Beuthien erfassen den Verwendungszweck als Inhalt des Vertrags, indem der Verwendungszweck als rechtsgeschäftlich geregelter Inhalt der Sach450 Beuthien, Zweckerreichung, S. 180 f. 451

Beuthien, Zweckerreichung, S. 183 f., Hervorheb. i. O. Beuthien, Zweckerreichung, S. 185 f.; ebenso hält Henssler, Risiko, S. 84 f., „den Wegfall jeder - bzw. den der einzig sinnvollen - Verwendungsmöglichkeit" für das maßgebliche Kriterium, das die entsprechende Anwendbarkeit des § 323 Abs. 1 BGB rechtfertige; anders aber wieder auf S. 88, wo es auf einen „typischen, dem Schuldner erkennbaren Verwendungszweck" ankommen soll. 452

453

Beuthien, Zweckerreichung, S. 186.

. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund n r t e r u n g

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leistungspflicht für das Gegenseitigkeitsverhältnis Maßgeblichkeit erlangen soll. Der rechtfertigende Grund für das Entfallen der Gegenleistungspflicht bei einer Störung des so „geschuldeten" Verwendungszwecks ergibt sich damit aus einer Anwendung der Regeln über die Unmöglichkeit der Leistung und die Haftung für Sachmängel. Maßgeblich ist für Flume jeweils, „ob der fragliche Umstand Inhalt der Leistungsvereinbarung geworden ist", ob sich also „der Vertrag insoweit auf die Wirklichkeit bezieht". Flume betont somit das Erfordernis, dass ein Umstand oder ein Ereignis, eben die „Wirklichkeit", zum Inhalt der Leistungsvereinbarung wurde. Erst hieraus soll sich ergeben, „zu welcher Art von Nutzung" eine Leistung versprochen worden ist. Bei Beuthien steht hingegen unmittelbar die „Zweckeinigung" im Vordergrund, nach der sich der Inhalt der Sachleistungspflicht richte, während es sich nach der Wirklichkeit bemessen soll, ob die Leistung „zwecktauglich" erbracht werden kann. Trotz dieser Unterschiedlichkeit ergibt sich jedoch insoweit kein wirklicher Gegensatz der Lehren von Flume und Beuthien, da der Verwendungszweck in jedem Fall von bestimmten Umständen der Wirklichkeit abhängig ist. Es ist daher weitgehend dasselbe, ob man sagt, dass sich die Abrede auf bestimmte Umstände bezieht und man hierdurch auf eine bestimmte Zweckabrede schließt, oder ob man annimmt, dass bestimmte Umstände den Inhalt der Zweckabrede bestimmen. So kann etwa im Krönungszugfall sowohl gesagt werden, dass sich die Miete des Fensterplatzes auf den Krönungszug bezieht, als auch, dass der Fensterplatz zum Zweck der Betrachtung des Krönungszugs vermietet ist. (2) Es klang bereits mehrfach an und wird sich im Folgenden noch genauer zeigen, dass die von Flume und Beuthien entwickelten Konzeptionen im Kern den zutreffenden Ansatzpunkt zur Lösung unserer Problematik bezeichnet haben: Der Verwendungszweck wird als ein Element der vertraglichen Leistungspflicht des Sachleistungsschuldners erfasst, soweit er im Rahmen der Leistungsabrede vertraglich vereinbart worden ist. Die Regelungen für die Unmöglichkeit der Leistung sowie für die Sach- und Rechtsmängel könnten dann in der Tat das grundlegende Schema zur Verteilung der vertraglichen Risiken bilden, in das auch die Störung des Verwendungszwecks einzuordnen ist. Die vertragliche Vereinbarung, nach der die Ermöglichung eines bestimmten Verwendungszwecks zum Inhalt der Leistung erhoben wird, könnte insofern auch die gesuchte objektive Rechtfertigung für die Durchbrechung des für das Institut des Schuldvertrags so bedeutsamen „Vertrauensschutzes" sein. Wenn bestimmte Verwendungszwecke nicht lediglich ein Motiv des Gläubigers bleiben, sondern die Möglichkeit, etwa eine Sache zu dem vertragsgemäßen Gebrauch zu nutzen, darüber hinaus nach dem Inhalt der LeistungsVereinbarung diejenige Leistung ist, für welche der Gläubiger das Entgelt zu bezahlen hat, so wäre die Störung des Verwendungszwecks eine rechtlich relevante Leistungsstörung mit der Folge, dass gegebenenfalls die Verpflichtung zur Gegenleistung entfällt. Da im Rahmen dieses Modells der Schuldner im Falle einer Störung des in den Vertrag einbezogenen

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

Verwendungszwecks seine vertraglichen, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten aufgrund der Andersartigkeit der Wirklichkeit nicht erfüllt hat, wäre er in seinem Vertrauen auf die Erbringung der vertraglich vereinbarten Gegenleistung nicht mehr zu schützen. Soweit der Verwendungszweck in dieser Weise als Inhalt und nicht lediglich als Grundlage des Geschäfts erfasst werden könnte, entfiele schließlich zumindest für unsere Fallgruppe auch die Notwendigkeit einer Lehre von der Geschäftsgrundlage.

b) Der Bruch der Lehren mit dem herkömmlichen Verständnis von der Leistung (1) Gleichwohl bleibt auch nach den Arbeiten von Flume und Beuthien eine Reihe von Fragen ungeklärt. Beiden Autoren wurde insbesondere vorgeworfen, sie bestimmten den Leistungsinhalt allein aus dem Blickwinkel der gewünschten Rechtsfolge. Es werde eine „bestimmte Risikoverteilung als angemessen oder dem Parteiwillen entsprechend angenommen" und, „um zur ,passenden' Rechtsfolge des § 323 zu gelangen," würden bestimmte Umstände „in den Leistungsinhalt einbezogen" 454 . In der Tat bezeichnet allein die Behauptung einer Identität von Verwendungszweck und Leistungsinhalt noch nicht das Wertungsmoment, das eine Gleichstellung bestimmter Fälle der Störung des Verwendungszwecks mit der Nichterfüllung der Leistungspflicht rechtfertigen könnte. Denn nach herkömmlichem Verständnis von dem Begriff der „Leistung" kann nur eine bestimmte „Tätigkeit" oder ein bestimmter herbeizuführender „Erfolg" geschuldet sein, während die den Gläubiger betreffende Verwendung zu einem bestimmten „weiteren" Zweck oder Erfolg hiervon unabhängig bleiben soll. So wird etwa beim Sachkauf zu den Hauptleistungspflichten des Verkäufers allein die Verschaffung von Eigentum und Besitz an der Sache sowie - seit der Schuldrechtsreform - auch die Freiheit der Sache von Sachund Rechtsmängeln einschließlich der hierzu erforderlichen Handlungen gezählt 455 . Beim Werkvertrag schuldet der Unternehmer als „Erfolg" allein die rechtzeitige und vertragsgemäße Herstellung des Werks 456 . Auch nach dem herkömmlichen Verständnis vom Mietvertrag hat der Vermieter gemäß §§ 535, 536 BGB lediglich „den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren" und diese „in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande zu überlassen". (2) Anders als nach dieser herkömmlichen Auffassung soll demgegenüber nach Flume und Beuthien beispielsweise bei der Miete nicht nur die Überlassung in einem bestimmten - körperlichen - Zustand, sondern zusätzlich auch „die Mög454 Köhler, Unmöglichkeit, S. 98 ff. 455 s. etwa Palandt/Putzo, BGB, § 433 Rn. 16; Jauernig / Chr. Berger, BGB, § 433 Rn. 18. 456 s. etwa Palandt / Sprau, BGB, § 631 Rn. 12.

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Wertungen

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lichkeit, die Mietsache zu dem vertragsmäßigen Gebrauch zu nutzen", Inhalt der vertraglich vereinbarten Leistung sein. Der Vermieter verspreche also beispielsweise nicht nur, dass sich die Mietsache nach Lage und Beschaffenheit in einem Zustand befindet, durch den der vertragsgemäße Gebrauch ermöglicht wird, sondern er soll ggf. sogar versprechen, dass der vertragsgemäße Gebrauch als solcher möglich sein wird. Damit werden auch andere zufallsbestimmte Umstände, die mit der Mietsache an sich nichts zu tun haben, aber die vertragsgemäße Verwendung verhindern, zur Angelegenheit des Vermieters. Hieran erscheint seltsam, dass zwar eine Abrede hinsichtlich eines Umstands oder eines Verwendungszwecks vorliegen soll, sich durch diese jedoch „an dem, was der Sachleistungsschuldner zu tun und zu lassen hat", nichts ändert. Es fragt sich daher, ob eine Vereinbarung, die die Leistungspflichten in keiner Weise modifiziert, überhaupt einen „substantiierten Regelungsgehalt" und einen „eigenständigen Sinn" besitzt 457 . Ein solches Verständnis bedeutet somit einen Bruch mit der traditionellen Vorstellung von der „Leistung", nach der diese etwa bei der Miete „lediglich in der Überlassung der Mietsache (in dem geforderten Zustand) an den Mieter während der vereinbarten Mietzeit" besteht 458 . Insofern scheint Larenz zu Recht zu kritisieren, dass diese Leistung dem Vermieter im Krönungszugfall nach wie vor möglich ist, „denn das Hindernis weiterer Verwendung gerade zu dem vereinbarten Zweck liegt nicht in der Beschaffenheit der Räume . . . , sondern an einem Umstand, der mit der Beschaffenheit der Sache nichts zu tun, auf den der Vermieter auch keinerlei Einfluß hat" 4 5 9 . Falls man den Begriff der „Leistung" also wie Flume und Beuthien in einem derartigen, um den Verwendungszweck erweiterten Sinn fasst, so stellt sich die von den beiden Autoren nicht erörterte Frage, weshalb es gerechtfertigt sein soll, dem Schuldner auch solche Risiken aufzuerlegen, auf die er typischerweise noch weniger Einfluss hat, als auf die Beschaffenheit seiner zu leistenden Sache. (3) Es kann somit nicht genügen, den Verwendungszweck schlichtweg als vereinbarten Leistungsinhalt zu behandeln, um damit formal die Anwendung des Unmöglichkeitsrechts zu legitimieren. Ebenso wenig reicht es aus, wie Beuthien den Begriff des „Umweltfehlers" so weit „auszulegen", bis sich auch der Verwendungszweck mit Bezeichnungen wie „Zwecktauglichkeit" oder „Zweckeignung" unter die Vorschriften des Sachmängelrechts subsumieren lässt 460 . Vielmehr wäre 457

Dies bezweifelt Köhler, Unmöglichkeit, S. 93 f., nach dem sich „die Bedeutung der angeblichen Vereinbarung einer,Zweckabrede'" daher allein darin „erschöpft", „den Einstieg in das ergänzende Unmöglichkeitsrecht zu ermöglichen, damit § 323 angewendet werden kann". 458 Larenz, Schuldrecht I, § 21 II, S. 327 f. 459

Larenz, Schuldrecht I, S. 327 f., Hervorheb. i. O.; ebenso Dießelhorst, Geschäftsgrundlage, S. 153, 157; ähnlich auch Häsemeyer, Festgabe für Weitnauer, S. 67, 79, der deduziert, daß „der Genuß des Schauspiels" nicht „Inhalt der Leistung des Vermieters" sein könne, „weil der Vermieter nicht für die Durchführung des Festzuges einzustehen hat". 460 Ähnlich auch U. Huber, JuS 1972, S. 57, 60, nach dem „die mangelnde Eignung nicht auf einem Fehler in der äußeren Beschaffenheit der Sache zu beruhen" braucht, „sondern alle

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

es erforderlich aufzuzeigen, welches Grundprinzip hinter dem Recht der Unmöglichkeit und der Sachmängelgewährleistung bzw. Sachmängelhaftung steht, um aufgrund dieser Erkenntnis beurteilen zu können, ob dieses Axiom auch für bestimmte Fälle der Störung des Verwendungszwecks Geltung beanspruchen kann. Es ist mithin erst noch zu klären, in welcher Weise Leistung, Verwendungszweck und Gegenleistung miteinander verknüpft sind. Es fragt sich insbesondere, ob es die Verwendbarkeit der Leistung zu einer bestimmten Nutzung oder die - im herkömmlichen Sinne verstandene - „Leistung" selbst ist, für die der Gläubiger die Gegenleistung verspricht und die damit das synallagmatische Gegenstück zur Entgeltpflicht bildet 461 .

c) Die Zweifelhaftigkeit

der Entscheidungskriterien

(1) Ebenso wie der tiefere Grund der Einbeziehung der Zweckstörung in die Leistungsstörung bleiben bei Flume und Beuthien auch die Voraussetzungen und Grenzen dieser Gleichstellung im Dunkel. Es hat keinen Erkenntnis wert schlicht zu behaupten, der Schuldner verspreche die Leistung in bestimmten Fällen „zu" einem bestimmten Zweck. Auch das Kriterium, es komme darauf an, „zu welcher Art von Nutzung" die Leistung nach dem Vertrag erfolgt, bildet keine praktikable Entscheidungshilfe. Denn es ist gerade die entscheidende Frage, ob ein bestimmter Verwendungszweck oder Umstand in den Vertrag einbezogen worden ist. Stellt man wie Flume darauf ab, ob der Vertrag auf einen bestimmten Umstand „ausgerichtet" war, so findet man diese Voraussetzung in jedem Schuldvertrag als gegeben vor. Schließlich ist es kaum denkbar, dass Vertragsparteien eine Sachleistung ohne irgendeine gemeinsame Vorstellung von den Nutzungsmöglichkeiten vereinbaren, zu denen die Leistung dem Gläubiger dienen könnte. Ohne eine Vorstellung vom Nutzen der Leistung wäre es schließlich auch ganz sinnlos, für diese

wertbildenden Faktoren ... zu berücksichtigen" sind. Dies soll „gewisse Erweiterungen des Geltungsbereichs der Sachmängelhaftung" erlauben. Kritisch gegenüber derartigen Versuchen bereits Esser, Schuldrecht, § 85/2, S. 377, nach dem „derartige Annahmen, mit denen der Mangel im Gesetzessystem verdeckt werden soll,... gekünstelt" sind. - Mißverständlich bleibt bei Beuthien auch, ob die Rechtsfolgen einer „Zweckvereinbarung" auf dem Willen der Vertragsparteien und damit auf einer subjektivistischen Basis beruhen oder ob es sich um eine - noch zu klärende - objektive Wertung im Hinblick auf die Vereinbarung handelt. Denn nach Beuthien, Zweckerreichung, S. 183, soll der Schuldner die „Zweckbindung" anerkennen, wenn „beide Teile das Bewußtsein und den Willen haben, daß sich die Verfehlung oder der Wegfall des in Aussicht genommenen Zweckes rechtlich auf den abgeschlossenen Vertrag auswirken soll". Köhler, Unmöglichkeit, S. 90 ff., kritisiert daher zu Recht, Beuthien komme „zur Anwendung des objektiven, ergänzenden Gesetzesrechts daher in Wahrheit nur über den Weg einer... unbewiesenen psychologischen Voraussetzung", da die Parteien „nicht notwendig Zweifel an der Möglichkeit der Zweckerreichung und auch nicht notwendig den aktuellen Willen" haben, „daß sich die Zweckverfehlung auf den Vertrag auswirken solle". 461

s. zu alldem noch i. Folg. unten u. 3. Kap. Β. I.

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Wetungen

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eine Gegenleistung zu versprechen, es käme der Leistung nämlich sonst gar kein Wert zu. Selbst im „Aussteuerfall" ist beiden Parteien bewusst, dass die zu liefernden Artikel „zum Verschenken an die Braut" verkauft werden. Auch dieser Kaufvertrag war auf den Umstand „ausgerichtet", dass die Hochzeit der Tochter des Käufers stattfinden wird, wenn der Brautvater ausdrücklich deutlich machte, dass er die Aussteuerartikel gerade wegen dieses Ereignisses erstehen wolle. Insoweit „bezogen" sich die Vereinbarungen auch hier auf die Wirklichkeit und der Verkäufer verkaufte die Gegenstände „zum" Verschenken als Hochzeitsgeschenk. Dennoch kann aber im Ergebnis die Hochzeit nicht als Umstand in die vertragliche Regelung einbezogen sein. Im Marika-Rökk-Fall soll nach Flume „die Veranstaltung des Gastspiels mit Marika Rökk ... ausschließlich Sache des Mieters" gewesen sei. Denn „ist der vertragsmäßige Gebrauch der Mietsache an sich möglich," so sei „es allerdings das Risiko des Mieters, ob er den Gebrauch machen kann" 462 . Es soll also zwar der Gebrauch der Halle, nicht aber gerade der Gebrauch zu einem Gastspiel mit Marika Rökk Inhalt der Leistungs Vereinbarung geworden sein. Da aber beide Parteien bei Vertragsschluss gerade eine Veranstaltung mit dieser Künstlerin ins Auge gefasst hatten, wird bei Flume nicht ersichtlich, an welchem Merkmal die Einbeziehung eines fraglichen Umstands in den Inhalt der Leistungsvereinbarung erkannt werden soll. (2) Soll die Möglichkeit zu einer bestimmten Nutzung bei einem entsprechenden Bezug des Vertrags auf die Wirklichkeit zum „Inhalt der Leistungspflicht" gehören, so ist ferner die von Flume vorgenommene Differenzierung nach einzelnen Vertragstypen zweifelhaft. Insbesondere benennt Flume keinen sachlichen Grund, weshalb dem Käufer, anders als dem Mieter, schlechthin das Verwendungsrisiko aufzuerlegen sei. Es existiert auch keine Rechtfertigung, den Gläubiger insofern unterschiedlich zu behandeln, je nachdem ob eine Sache auf Dauer oder nur für eine begrenzte Zeit überlassen werden soll. Hätte es sich in den Tanzlokalfällen oder im Benzintankanlagenfall um Kaufverträge anstatt um Pacht- respektive Mietverträge gehandelt, so müsste es - jedenfalls vor Übergang der „Preisgefahr" ebenfalls darauf ankommen, „zu welcher Art von Nutzung" der Verkauf erfolgte. Die Differenzierung allein nach dem Typus des Schuldvertrags verspricht daher noch kein nachvollziehbares Kriterium. Es bleiben also auch bei Flume die üblichen „Abgrenzungsprobleme" zwischen dem Vertragsinhalt und den einseitigen Motiven bestehen, die das ungelöste Problem sämtlicher Theorien von der Geschäftsgrundlage gebildet haben. (3) Beuthien erklärte hingegen in ausdrücklicher Anlehnung an Larenz, den „Charakter des Geschäfts" zum maßgeblichen „Wertungsgesichtspunkt" für das Vorliegen eines „Zweckbindungswillens". Es bleibt jedoch auch bei Beuthien 462 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 512. 9 Quass

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2. Kap.: Die bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik

offen, was man sich unter dem „Charakter der Sachleistungspflicht" und einer „sachtypischen Zweckbindung" vorzustellen hat. Fraglich ist insbesondere, ob und wie der sonstige vereinbarte Inhalt der Leistungspflicht einen Schluss auf den vereinbarten Verwendungszweck zulässt, sowie ob etwa auch ein Umkehrschluss von einer Zweckabrede auf die übrigen Leistungsinhalte, etwa auf die geschuldete Beschaffenheit einer verkauften Sache, erlaubt sein soll. Fragwürdig muss auch die geradezu „naturwissenschaftliche" Enge des vorgeschlagenen Kriteriums bleiben, nach dem es darauf ankommen soll, ob die Leistung dem Gläubiger nur zu einem einzigen oder „zu mehreren Zwecken" dienen kann. Denn eine Leistung kann, zumindest theoretisch gedacht, immer zu verschiedenen Zwecken genutzt werden. Selbst im Krönungszugfall hätte ein Mieter etwa auf die Idee kommen können, den gewöhnlichen Straßenverkehr zu beobachten, eine Verkehrszählung durchzuführen oder das gegenüberliegende Gebäude zu zeichnen; obwohl der Fensterplatz so „zu mehreren Zwecken" dienen konnte, soll aber nach Beuthien im Krönungszugfall eine Zweckvereinbarung vorliegen. Es hilft somit nicht weiter, auf eine rein zahlenmäßig begrenzte Tauglichkeit zu bestimmten Zwecken abstellen zu wollen. Erklärt nun Beuthien zusätzlich die Höhe des „Verkehrswerts" einer Leistung für maßgeblich, so wäre eine Auseinandersetzung mit dem Faktum erforderlich gewesen, dass jede Leistung ihren eigentlichen „Wert" erst aus ihrer Verwendbarkeit für den Gläubiger gewinnt. Ohne jeglichen Nutzen ist eine Leistung „nutzlos" und damit „wertlos". Kann aber jeder Leistungsgegenstand nur wegen seiner „Zweckeignung" vom Schuldner „zu Geld" gemacht werden, so kann dieser Umstand kein Maßstab für eine nur ausnahmsweise gegebene Zweckabrede sein 463 . (4) Es nimmt daher nicht wunder, wenn sich Beuthiens „Wertungsgesichtspunkte" nicht praktikabel anwenden lassen und er schließlich selbst seine eigenen Beispielsfälle im Ergebnis nach ganz anderen Gesichtspunkten beurteilt. Im MarikaRökk-Fall ist nach dem Maßstab des „Charakters des Geschäfts" wohl kaum zu entscheiden, ob sich die „Zweckeinigung" auf irgendeine Veranstaltung, auf irgendein Konzert oder gerade auf ein Gastspiel mit dieser bestimmten Künstlerin bezog. Aus der Tatsache, dass es sich bei dem Vertragsgegenstand um eine „Sporthalle", d. h. um eine „Mehrzweckhalle" handelte, wäre wohl eher zu schließen gewesen, dass die Mietsache „zu mehreren Zwecken" dienen konnte. Beuthien entscheidet sich dennoch für eine „Zweckbindung" der Sachleistung, was „sich schon daran" zeige, „daß der Mieter die Halle nur zu dem abgesprochenen Zweck nutzen durfte". Jedoch soll trotz der Absage des Gastspiels „die Halle als solche sowohl nach ihrer räumlichen Beschaffenheit als auch nach den sachbedingten Umweltverhältnissen für die Aufführung tauglich" gewesen sein. Ungeachtet der Zweckvereinbarung mit 463 Auch Köhler, Unmöglichkeit, S. 97 f., argumentiert, „der ,Wert der Leistung'", der „dem Bedarf des Gläubigers an dieser Leistung" entspricht, habe „nichts mit dem Leistungsinhalt zu tun". „Ein Schluß vom besonderen Wert einer Leistung unter besonderen Umständen auf den Inhalt und Umfang dieser Leistung" sei daher unzulässig.

D. Die Berücksichtigung der Zweckstörung aufgrund normativer Wertungen

131

dem Inhalt „Gastspiel von Marika Rökk", könne nun das „Gastspiel..., soweit es an der Raumnutzungsgewährung des Vermieters liegt, jederzeit stattfinden". Es soll sich also plötzlich nun doch um einen den Mieter „insoweit allein angehenden, besonderen Verwendungszweck" handeln 464 . Es bleibt somit offen, wie sich diese Argumentation mit der Prämisse vertragen soll, es liege eine „zweckgebundene Sachleistungspflicht" vor. Denn hat der Vermieter die „Zwecktauglichkeit" zu gewährleisten, so ist doch auch die Erkrankung der Hauptdarstellerin als ein „Umweltereignis" anzuerkennen, das den vereinbarten Verwendungszweck vereitelt. Diese Widersprüchlichkeit will Beuthien mit der Regel auflösen, der Schuldner trage „das Risiko der Zweckeignung", dagegen liege „die Gefahr der Zweckerreichung beim Gläubiger". „Die Zweckeignung der Schuldnerleistung" sei „immer dann nicht beeinträchtigt, wenn nur der Gläubiger den Leistungsgegenstand nicht mehr gebrauchen kann, ein anderer ihn aber zweckgerecht benutzen könnte". Es reiche also aus, „daß der Schuldner einen Erfolg herbeizuführen vermag, der an sich und allgemein geeignet ist, einem Zweck, wie ihn der Gläubiger verfolgt, zu dienen" 465 . In der Sache entscheidet Beuthien somit - ebenso wie seinerzeit das OLG Bremen, allerdings mit dem entgegengesetzten Ergebnis - danach, ob eine Unmöglichkeit oder lediglich ein Unvermögen der Nutzung durch den Gläubiger vorliegt. Indessen kann es wohl kaum ernsthaft darauf ankommen, ob eine andere Person dieselbe Sporthalle zu demselben Zeitraum zu demselben Zweck verwenden könnte. Denn auch jedem anderen gedachten Gläubiger wäre es unmöglich gewesen, die Veranstaltung mit der Künstlerin Marika Rökk durchzuführen. Ferner geht es allein darum, das konkrete Schuldverhältnis zu beurteilen. Da sich das Schuldverhältnis lediglich auf die konkreten Vertragspartner bezieht, ist eben immer dann, wenn die Erreichung eines als Leistungsinhalt vereinbarten Zwecks durch die veränderte Wirklichkeit unmöglich geworden ist, die Erreichung dieses Zwecks schlechthin unmöglich 466 .

464 Beuthien, Zweckerreichung, S. 177 f. 465 Beuthien, Zweckerreichung, S. 181. 466 Es ist daher ein anderer Aspekt zu finden, nach dem die Preisgefahr trotz einer Leistungsstörung dem Gläubiger aufgebürdet wird. Als ein solcher Aspekt bietet sich auch die von Beuthien (Zweckerreichung, etwa S. 210 f., s. hierzu noch i. Folg. unten u. 3. Kap. C. II. 3.) vorgeschlagene Variante der „Sphärentheorie" an, nach der zwischen solchen Zweckstörungen unterschieden werden soll, die „risikoneutral" sind und solchen, die in die Risikosphäre des Gläubigers fallen. „Wenn das Erfüllungshindernis seinen Ursprung im Ein Wirkungsbereich des Gläubigers" habe, dann habe dies der Gläubiger im Sinne eines „bis zu einer Risikoverantwortung ausgeweiteten Begriffs des Vertretenmüssens" gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB zu vertreten. Hingegen seien solche „risikoneutrale" Störungen, die „von keinem der Vertragsbeteiligten zu vertreten" sind, vom Schuldner zu tragen. Jedoch sollen nach Beuthien diese Grundsätze im Marika-Rökk-Fall gar nicht zur Anwendung kommen, da der Vertrag hier von vornherein „ungestört" geblieben sei. 9*

3. Kapitel

Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung A. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als exemplarisches Modell für die Gefahrtragung bei Störungen des Verwendungszwecks I. Die heutige Regelung des § 593 BGB und ihre unmittelbaren Vorläufer 1. Die Analyse der dargestellten Lehren und der Rechtsprechung hat gezeigt, dass eine Differenzierung zwischen dem „Inhalt" und der Grundlage des Rechtsgeschäfts hinsichtlich des jedem Vertrag innewohnenden Bezugs auf die Wirklichkeit keine Lösung der Problematik der Störung des Verwendungszwecks verspricht. Als Schwäche sowohl der subjektiven als auch der objektiven Lehren von der Geschäftsgrundlage hat sich - neben den zutage getretenen Begründungsdefiziten - auch gerade der Mangel eines trennscharfen Kriteriums für die Frage erwiesen, ob ein bestimmter Verwendungszweck der Leistung für das konkrete Vertragsverhältnis beachtlich ist oder nicht. Der angesichts der verwirrenden Kasuistik in der Rechtsprechung als Hauptproblem konstatierte „Mangel an Recht" ist damit bis heute nicht behoben. Um eine tragfähige Grundlage für die Herausarbeitung von praktikablen Kriterien zu schaffen ist somit im Folgenden zu untersuchen, ob in Fortentwicklung der Lehren von Flume und Beuthien der Verwendungszweck des Gläubigers als Inhalt des Vertrags, oder genauer als Element des vertraglich vereinbarten Leistungsversprechens erfasst werden kann. Dies freilich nicht in dem Sinne, dass der Sachleistungsschuldner die Erreichung des Verwendungszwecks herbeizuführen hätte, wohl aber, indem er die Gefahr der Nichterreichbarkeit der vertraglich relevanten Nutzung trägt. Da es in den problematischen Fällen regelmäßig an einer ausdrücklichen Abrede der Vertragsparteien über den vertraglichen Verwendungszweck fehlt, wäre im konkreten Fall also jeweils zu fragen, welche Vereinbarung über den Verwendungszweck mit einem „solchen" Vertrag verbunden ist. Kann der so vereinbarte Verwendungszweck in den Inhalt der Leistung einbezogen werden, so ergäbe sich

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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daraus ohne weiteres die entsprechende Anwendbarkeit der gesetzlichen Regeln über die Unmöglichkeit der Leistung sowie über die Sachmängelhaftung auf die Störung des im Einzelfall beachtlichen Verwendungszwecks. Mit einem solchen Ansatz wird auf eine Konzeption zurückgegriffen, die im Kern schon früher, nämlich insbesondere im klassischen römischen Recht und auch im Gemeinen Recht für das Recht der Landpacht unter dem Stichwort der sog. „remissio mercedis" formuliert worden ist. Das zur Lösung unserer Problematik insoweit wertvolle Anschauungsmaterial soll im Folgenden im Überblick dargestellt werden. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, sich vertieft mit dem Nutzungsrisiko bei der Landpacht zu beschäftigen und diesen Vertragstypus als ein Modell für eine generelle Lösung der Problematik der Störung des Verwendungszwecks in Betracht zu ziehen: Wie noch zu zeigen sein wird, ist das Recht der Landpacht - bei allen Unterschieden der Begründungsansätze und Entscheidungskriterien im Einzelnen - einzigartig hinsichtlich der Einheitlichkeit und der Kontinuität der Judizien in der Frage, ob der Verpächter zumindest einen Teil des Verwendungsrisikos des Pächters zu tragen hat. Dieses Phänomen beruht auf dem Umstand, dass - anders als bei anderen Vertragstypen - bei der Landpacht die vertraglich vereinbarte Nutzung vertragstypisch bei einem solchen Vertrag von vornherein mit der landwirtschaftlichen Nutzung determiniert ist. Denn die Pachtsache wird bei der Landpacht - wie es auch § 585 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck bringt - „zur Landwirtschaft" überlassen. Die Landpacht, oder genauer die Zuordnung eines konkreten Vertrags zum Vertragstypus Landpacht, setzt eine Verpachtung von Grundstücken oder Betrieben „zur Landwirtschaft", also zum beabsichtigten Zweck der Landwirtschaft und damit zur landwirtschaftlichen Verwendung voraus 467 . Gehört somit der Verwendungszweck zum Inhalt des Vertrags und ist dieser nicht nur dessen Grundlage, so fragt sich, wie es sich bei der Landpacht auf die Pflicht des Pächters zur Pachtzinszahlung auswirkt, wenn die landwirtschaftliche Nutzung durch veränderte Umstände unmöglich oder beeinträchtigt wird. 2. Die derzeitige positiv-rechtliche Lage stellt sich für diese Fälle nach der herrschenden Ansicht wie folgt dar: Ist nicht schon die Überlassung der Pachtsache an den Pächter unmöglich, sondern beruht die Beeinträchtigung der Fruchtziehung auf Mängeln der Pachtsache, so kommt eine Haftung des Verpächters lediglich aufgrund der Vorschriften über die Gewährleistung bzw. Mängelhaftung nach Maßgabe von § 586 Abs. 2 BGB in Betracht. Wie auch sonst wird allerdings der Begriff des Mangels recht weit gefasst, indem nicht nur „Beschaffenheitsfehler", sondern auch „Umweltfehler" und sogar sog. „administrative Fehler", also gesetzliche oder behördliche Gebrauchshindernisse, Nutzungs- und Fruchtziehungsbeschränkungen, als Mangel der Sache selbst angesehen werden, „soweit diese ihre Ursache in 467

Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 585 Rn. 59; Faßbender/Hötzel/Lukanow, LandpachtR, § 585 Rn. 32; MünchKomm / Voelskow, BGB, § 585 Rn. 2; Soergel / Heintzmann, BGB, § 585 Rn. 8.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

der Beschaffenheit oder der Beziehung zwischen Umwelt und Sache haben" 468 . Auf diese Weise wird der Bereich der „reinen" Zweckstörungsfälle durch eine extensive Ausdehnung des Sachmangelbegriffs erheblich eingeschränkt 469. Jenseits einer derartigen Haftung für Fehler „der Sache" trägt nach heutiger Auffassung der Verpächter jedoch grundsätzlich nicht das Risiko dafür, dass die Pachtsache überhaupt oder in hinreichendem Umfang Früchte hervorbringt. Denn der Verpächter ist zwar aufgrund des Pachtvertrags verpflichtet, dem Pächter den Fruchtgenuss zu gewähren. Jedoch soll er dieser Verpflichtung in aller Regel vollauf genügen, wenn er den Pachtgegenstand zur Fruchtziehung überlässt 470. Obwohl die Fruchtziehung bei der Landpacht „vertraglicher Verwendungszweck" ist, bleibt es also nach herrschender Meinung bei der allgemeinen „vertraglichen Risikoverteilung", nach der der Verpächter das Risiko der Vertragsgemäßheit der Sache und der Pächter das „Verwendungsrisiko" zu tragen hat 4 7 1 . Die bei der Landpacht geltenden Regeln zur Gefahrtragung bei Zweckstörungen fügen sich somit harmonisch in die allgemeine Doktrin vom Verwendungsrisiko des Gläubigers ein. 3. Es verwundert nicht, dass alsbald nach Inkrafttreten des BGB gerade in der sozial sensiblen Branche der Landwirtschaft das Fehlen einer Regelung als unerträglich empfunden wurde, die eine Anpassung der Pachtzinsen an eine verminderte Rentabilität der Pachtbetriebe ermöglicht hätte. Die Gesetzesverfasser hatten aufgrund ihrer prinzipiellen Abneigung gegen jede Billigkeitsregelung auf eine Aufnahme der gemeinrechtlichen remissio mercedis verzichtet 472 . Da die Lehre von der clausula rebus sie stantibus ebensowenig wie die Lehre Windscheids von der Voraussetzung im neuen Gesetz verankert wurden, standen auch keine allgemeinen Institute zur Verfügung, um die brisante Situation der Landpächter nach dem Zusammenbruch von 1918 zu bewältigen. Man sah sich daher genötigt, mit der Pachtschutzverordnung von 1920 473 einen außerordentlichen Rechtsbehelf zu schaffen, der beiden Parteien ein Recht auf Leistungsanpassung für den Fall gewährt, dass die vertraglichen Leistungen wegen veränderten wirtschaftlichen

468 Soergel / Heintzmann, BGB, § 586 Rn. 25, § 587 Rn. 14. 469 s. hierzu bereits oben u. 1. Kap. Β. I. 470 Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 585 Rn. 68; MünchKomm/Voelskow, BGB, § 586 Rn. 1; BGH NJW 1978, S. 2390,2391 (Ertragsrisiko bei Hotelpacht); BGH BB 1974, S. 437 f. (Rentabilität einer Tankstelle). 471 So ausdrücklich Soergel / Heintzmann, BGB, § 587 Rn. 12; Faßbender/Hötzel/Lukanow, LandpachtR, § 587 Rn. 26. 472 s. Mot. bei Mugdan, Materialien II, S. 236 f.; Prot, bei Mugdan, Materialien II, S. 880 ff.; Jakobs/Schubert, Schuldverhältnisse II, S. 621 ff.; s. zur remissio mercedis noch i. Folg.; anders hingegen das europäische Ausland: Frankreich Code Rural Art. L 411 - 1 9 bis 411-23, Schweiz OblR Art. 287, Österreich ABGB § 1104, Italien Cod. civ. Art. 1635-1637, 1648, Holland Pachtwet v. 23. 1. 1958 art. 16. 473 Vom 9. 6. 1920, RGBl. S. 1193.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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Verhältnissen nicht mehr gerechtfertigt erscheinen und dies für einen der Beteiligten eine schwere Unbilligkeit darstellt. Auch heute wird eine dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entsprechende Regelung für die Landpacht als besonders dringlich erachtet. Denn zum einen könnten sich „Veränderungen existenzgefährdend oder existenzvernichtend auswirken, weil das Schwergewicht der landwirtschaftlichen Betriebsformen heute noch vom Familienbetrieb gebildet wird". Zum anderen sei „die Landwirtschaft in besonders hohem Maß von Lenkungsmaßnahmen staatlicher und überstaatlicher Einrichtungen ( . . . ) abhängig, deren Befolgung die wirtschaftliche Abgewogenheit eines Pachtverhältnisses deutlich verändern kann" 4 7 4 . Daher wurde die gegenüber der Pachtschutzordnung nur unwesentlich veränderte Reichspachtschutzverordnung von 1940 475 ab 1952 als bundesdeutsches Landpachtgesetz476 weitergeführt, dessen Bestimmungen man schließlich 1985 als § 593 in das BGB einfügte 477 . Der heutige § 593 BGB wird allgemein als ein spezieller, auf die Landpacht zugeschnittener Anwendungsfall des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angesehen478. Eine rechtlich beachtliche Änderung der Verhältnisse soll durch einen weiten Kreis von Umweltzuständen hervorgerufen werden können. Genannt wird die allgemeine Wirtschaftssituation - wie etwa Geldentwertungen oder anhaltender Preisverfall - , die Erhöhung von Steuern und Abgaben, die Änderung staatlicher und überstaatlicher Lenkungsmaßnahmen - wie etwa Subventionen, Ankaufsverpflichtungen, Quoten oder Stillegungsförderungen - , die für die Bewirtschaftung sonst geltende Rechtslage - wie etwa hinsichtlich des Gebrauchs von Pflanzenschutzmitteln oder der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse in den neuen Bundesländern - , aber insbesondere auch Naturereignisse - wie etwa Dürre, Dauerregen oder Windbruch - oder Unglücksfälle - wie etwa Tierseuchen oder radioaktive Verseuchungen 479. Eine „Änderung der Verhältnisse" im Sinne der Bestimmung ist generell dann gegeben, wenn sich die zu erwartende Rentabilität des Pachtgegenstands verschlechtert hat 4 8 0 . Mittels des Erfordernisses, die Änderung müsse „wesentlich" 474

So Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 593 Rn. 1; s. auch die Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts BTDrucks. 10/509, § 593 Abs. 1 a.E., S. 23. 47 5 Vom 30. 7. 1940, RGBl. I S. 1065. 47 6 Vom 25. 6. 1952, BGBl. I S. 343, 398. 477

BGBl. 1985 I S. 2065. Vgl. Erman/Jendrek, BGB, § 593 Rn. 1; MünchKomm/ Voelskow, BGB, § 593 Rn. 1; Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB, § 593 Rn. 1; Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 593 Rn. 1; Soergel /Heintzmann, BGB, § 593 Rn. 2 f.; Jauernig/Teichmann, BGB, § 593 Rn. 1; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 593 Rn. 2. 479 Vgl. Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB, § 593 Rn. 10 f.; Faßbender/Hötzel/Lukanow, LandpachtR, § 593 Rn. 8; Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 593 Rn. 8; Soergel /Heintzmann, BGB, § 593 Rn. 7. 478

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

und „nachhaltig" sein, soll erreicht werden, dass ganz unbedeutende sowie nur vorübergehende oder in ihrer zeitlichen Dauer noch nicht überschaubare Verschiebungen unbeachtlich bleiben 481 . So gehöre etwa eine „schlechte Ernte ... zum natürlichen Auf und Ab in der Landwirtschaft" und werde „früher oder später von guten Ernten abgelöst" 482 . Eine Vertragsanpassung kann nach § 593 Abs. 1 Satz 2 BGB ebensowenig verlangt werden, soweit der Ertrag infolge der Bewirtschaftung durch den Pächter eine Verbesserung oder Verschlechterung erfährt. Diese Einschränkung des Änderungsanspruchs beruht darauf, dass die Bewirtschaftung allein Sache des Pächters ist. Dieser trägt dementsprechend voll und allein das Risiko für Fehler seiner Arbeitsweise, also auch die Vorteile und Nachteile einer besonders effektiven oder uneffektiven Bewirtschaftung 483. Das Gefüge von Leistung und Gegenleistung soll nicht an den betriebs- und landwirtschaftlichen Fähigkeiten des Pächters zur ertragskräftigen Bewirtschaftung der Pachtsache gemessen werden können 484 . 4. Im Ergebnis verbleibt es somit auch durch die Regelung des § 593 BGB grundsätzlich bei dem Dogma vom „Verwendungsrisiko" des Pächters. Sofern die Pachtsache überlassen werden kann und als solche zur Bewirtschaftung tauglich erscheint, geht der wirtschaftliche Misserfolg zunächst zu Lasten des Pächters, ganz gleich, ob die Ertragsminderung auf einer unsorgfältigen Tätigkeit des Pächters, auf dessen glückloser Tätigkeit oder auf schicksalhaften Ereignissen höherer Gewalt beruht. Das Verwendungsrisiko wird im Rahmen der vertraglichen Risikoverteilung dem Pächter zugewiesen, so dass die Zinsminderung ihre Rechtfertigung nur außerhalb der vertraglichen Leistungspflichten finden kann, nämlich in einer für den Pächter wirtschaftlich übermäßigen und allein deshalb unzumutbaren Störung der Äquivalenz von Aufwand und Ertrag. Die gesetzliche Formulierung vom Missverhältnis der gegenseitigen Verpflichtungen ist daher nicht etwa dahingehend zu missdeuten, es solle eine irgendwie geartete Nichterfüllung des Verpächters vorausgesetzt werden. Die in den Vertrag einbezogene landwirtschaftliche Nutzung bleibt vielmehr als solche bei Störungen des Verwendungszwecks unbeachtlich. Die Landpacht wird somit vom BGB nicht als ein auf eine bestimmte Nutzung bezogener Vertrag erfasst, sondern gleichsam 480 Soergel /Heintzmann, BGB, § 593 Rn. 8. 481 RegEntw, BT-Drucks. 10/509 zu § 593 Abs. 1, S. 23; Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 593 Rn. 10; MünchKomm/ Voelskow, BGB, § 593 Rn. 3; Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB, § 593 Rn. 13. 482 So Soergel / Heintzmann, BGB, § 593 Rn. 14, der aber eine Änderung, die sich „über 2 - 3 Jahre hinaus unvermindert auswirkt und auch nicht anderweitig aufgefangen werden kann" als „nachhaltig" ansieht. 483 Erman/Jendrek, BGB, § 593 Rn. 2; MünchKomm/ Voelskow, BGB, § 593 Rn. 6. 484 Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB, § 593 Rn. 12; Faßbender/Hötzel/Lukanow, LandpachtR, § 593 Rn. 32 f.; Lüdtke-Hendjery, LandpachtR, § 593 Rn. 11; Soergel/Heintzmann, BGB, § 593 Rn. 13. Ebensowenig sollen die „persönlichen Verhältnisse" des Pächters eine Änderung ermöglichen können, s. etwa Lüdtke-Handjery, LandpachtR, § 593 Rn. 18.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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als Kauf der Besitzüberlassung und Duldung der - im wesentlichen außervertraglichen - Nutzungstätigkeit485. Die Zinsänderung ergibt sich nach § 593 BGB nicht etwa aus einem vertraglichen Einstehen des Verpächters für schicksalhafte Störungen des Verwendungszwecks, sondern aus einem übergeordneten Prinzip der „Unzumutbarkeit", welches das Recht auf eine Änderung des Vertrags nach sich zieht und so nur mittelbar auch die vertraglichen Pflichten selbst modifiziert. Das heutige Recht setzt so vor eine Pachtzinsänderung eine Vertragsänderung und begreift damit das Minderungsverlangen des Pächters nicht als eine sich aus dem Vertrag ergebende Folge der Tatsache, dass der Pächter weniger erhalten hat, als der Verpächter ihm versprochen hatte, sondern als eine außerordentliche vertragsfremde Vergünstigung.

II. Die Entwicklungsgeschichte seit Servius 1. Die Störung des Verwendungszwecks im römischen Recht der Landpacht a) Die Gefahrtragung des Verpächters als Nichterfüllung der auf die Nutzung bezogenen Leistungspflicht (1) Die Wurzeln des § 593 BGB reichen jedoch weiter zurück. Dies verwundert keineswegs, musste sich doch schon von alters her das auch heute noch vorhandene Bedürfnis ergeben haben, bestimmte, durch eine Veränderung der außerhalb der Pachtsache liegenden Umstände hervorgerufene Einwirkungen auf die Nutzung des gepachteten landwirtschaftlichen Betriebs bei der Gegenleistungspflicht zu berücksichtigen. Es besteht daher Anlass, das heutige Verständnis vom rechtfertigenden Grund einer vertraglichen Anpassung des Pachtzinses an geänderte Nutzungsbedingungen an dem Maßstab zu überprüfen, ob es sich hierbei um eine zeitlose Gerechtigkeitsvorstellung handelt oder ob sich die Legitimation der Pachtzinsreduzierung über die Zeiten hinweg geändert hat. Die bisherige Annahme, die völlige oder teilweise Befreiung von der Pachtzinsschuld beruhe seit jeher auf dem Gedanken von Treu und Glauben, Zumutbarkeit und Billigkeit, ist aufgrund neuerer Untersuchungen insbesondere von Wolfgang Ernst zweifelhaft geworden. Vielmehr lässt sich daneben auch ein Schema einer sich aus den Vertragspflichten ergebenden Gefahrtragung erkennen, das bis heute nichts an Überzeugungskraft verloren hat. Die folgenden Ausführungen zur Entwicklungsgeschichte der remissio mercedis sind damit nicht etwa akademischer Selbstzweck oder nur Illustration der Zweckstörungsproblematik. Vielmehr bietet das Recht der Landpacht die Chance, den Kern einer bereits in der Vergangenheit zutage getretenen Leitidee anschaulich 485 Ebenso Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 588.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

freizulegen. Zwar bildet die remissio mercedis nur einen Ausschnitt der für sämtliche Vertragstypen bestehenden Problematik der Störung des Verwendungszwecks. Auch kann sicherlich von diesem ganz speziellen Vertragstyp nicht ohne weiteres eine generelle Lösung abgeleitet werden. Jedoch ist zu prüfen, ob nicht der im Folgenden für das Landpachtrecht herauszufilternde Grundgedanke der Gefahrtragung bei Störungen des Verwendungszwecks ein Modell für ein Lösungsschema sein könnte, das übergreifend für sämtliche Schuldvertragstypen nutzbar gemacht werden kann. (2) Für das römische Recht hat die folgende Stelle aus Ulpians Ediktkommentar zu den Vertragspflichten des locator eine zentrale Bedeutung für das Nutzungsrisiko bei der Landpacht 486 : „Die Klage aus dem Pachte wird dem Pächter erteilt. (1) Es wird dieselbe zum Beispiel in solchen Fällen begründet: wenn ihm der Genuss des gepachteten Gegenstandes nicht gestattet wird, (etwa weil ihm der Besitz des ganzen Ackers oder eines Teiles desselben nicht gewährt, oder ein Landhaus nicht ausgebessert wird, oder ein Stall, oder wo sonst seine Herden untergetrieben werden müssen,) oder wenn ihm etwas dem Übereinkommen im Pachtkontrakt zuwider nicht gewährt wird, (in allen diesen Fällen) kann aus dem Pachte geklagt werden. (2) Ob, wenn ein Sturm Unglück angerichtet hat, der Verpächter dem Pächter etwas zu ersetzen habe, ist die Frage. Servius sagt, der Eigentümer muss dem Pächter (die Folgen) solcher Gewalt vertreten, der zu widerstehen unmöglich war, ζ. B. Überschwemmung, Häher- und Starenfraß, und was sonst dem Ähnlichen sich ereigne, oder wenn ein feindlicher Einfall geschehe; wenn jedoch ein Fehler aus der Sache selbst entspringt, so muss der Pächter den Schaden tragen, ζ. B. wenn der Wein sauer wird, (oder) wenn die Saat durch Wurmfraß oder Unkraut verdorben wird. Auch wenn der Brand {oder: Erdrutsch) entsteht und alle Früchte angreift, braucht der Pächter den Schaden nicht zu tragen, um nicht über den aus dem Verlust seiner Einsaat entstehenden Schaden auch noch den Pachtzins für den Acker bezahlen zu müssen; auch wenn Nachtfrost die Oliven verdirbt, oder dasselbe durch ungewöhnliche Sonnenglut sich ereignet, trifft der Schaden den Eigentümer. Wenn sich nichts außergewöhnliches ereignet, trifft der Schaden den Pächter; dies gilt auch in dem Fall, wenn vorüberziehende Truppen aus Mutwillen etwas mit hinfortnehmen. Auch wenn ein Acker durch einen Erdfall dergestalt zusammenstürzt, dass er nirgends mehr vorhanden ist, trifft der Schaden den Eigentümer; denn der Acker muss dem Pächter dergestalt gewährt werden, dass er davon Genuss ziehen kann 4 8 7 ." 486

Die Stelle bezieht sich auf die Landpacht. Hingegen ist für das römische Recht kein entsprechendes Remissionsrecht bei der Miete städtischer Wohngebäude bekannt; s. Frier, Landlords, S. 163. 487 D. 19, 2, 15 pr. - 2 Ulp. 32 ed. Ex conducto actio conductori datur. (1) Competit autem ex his causis fere: ut puta si re quam conduxit frui ei non liceat (forte

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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(3) Das namentlich von Wolfgang Ernst vertretene neuere Verständnis der Stelle gründet sich auf die folgenden Überlegungen: Von besonderer Bedeutung ist zunächst die Themenstellung. Das Fragment behandelt insgesamt die Frage der Nichterfüllung von Vertragspflichten des Verpächters (locator) und ihre Auswirkungen auf die Gegenleistungspflicht. Dies wird zunächst durch das pr. und § 1 deutlich, wonach die Zahlungspflicht dann entfällt, wenn der Pächter (conductor) weniger erhält, als ihm nach dem Vertrag zusteht, etwa wenn ihm der Besitz nicht gewährt oder ein Landhaus nicht ausgebessert wird oder aber Ställe sich nicht in ordnungsgemäßem Zustand befinden. Allgemeiner gesagt: wenn ihm der Genuss des gepachteten Gegenstands nicht gestattet wird (ut puta si re quam conduxit frui ei non liceat) oder sonstige vertragliche Abmachungen nicht eingehalten werden 488 . Im Rahmen dieser übergeordneten Themenstellung behandelt nun § 2 die Frage, wer das Risiko der Gegenleistung in den Fällen trägt, in denen durch zufällige Ereignisse die Ernte zerstört wird. Nach Servius trägt der locator die Gefahr für bestimmte Umstände, die er als „vis, cui resisti non potest" bezeichnet489. Der Zusammenhang mit dem pr. und § 1 lasse erkennen, dass auch hier die Vertragspflicht des Verpächters, „den Genuss des gepachteten Gegenstandes zu gestatten" der Grund der Gefahrtragung ist. Auch das Ende des Fragments zeige, daß die Entscheidungen für einen Zinserlass unmittelbar aus der Vertragspflicht des Verpächters begründet werden: „denn der Acker muss dem Pächter dergestalt gewährt werden, dass er davon Genuss ziehen kann" (oportere enim agrum praestari conductors ut frui possit) 490 . quia possessio ei aut totius agri aut partis non praestatur, aut villa non reficitur vel stabulum vel ubi greges eius stare oporteat) vel si quid in lege conductionis convenit, si hoc non praestatur, ex conductor agetur. (2) Si vis tempestatis calamitosae contigerit, an locator conductori aliquid praestare debeat, videamus. Servius omnem vim, cui resisti non potest, dominum colono praestare debere ait, ut puta fluminum graculorum sturnorum et si quid simile acciderit, aut si incursus hostium fiat: si qua tarnen vitia ex ipsa re oriantur, haec damno coloni esse, veluti si vinum coacuerit, si raucis aut herbis segetes corruptae sint. Sed et si labes facta sit omnemque fructum tulerit, damnum coloni non esse, ne supra damnum seminis amissi mercedes agri praestare cogatur. Sed et si uredo fructum oleae corruperit aut solis fervore non adsueto id acciderit, damnum domini futurum: si vero nihil extra consuetudinem acciderit, damnum coloni esse. Idemque dicendum, si exercitus praeteriens per lasciviam aliquid abstulit. Sed et si ager terrae motu ita corruerit, ut nusquam sit, damno domini esse: oportere enim agrum praestari conductori, ut frui possit. (Übersetzung nach Otto/Schilling/Sintenis, Corpus, S. 437 f.) 488 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 543. 489 Zu der Frage, ob die Echtheit des Fragments bis „ . . . corruptae sint" durch eine Doppelüberlieferung bekräftigt wurde, s. etwa Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 121; Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 551 Fn. 36; Cardilli, Obbligazione, S. 233 f.; Palazzolo, Saggi, S. 138. 490 Dieser Satz soll nach Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 552, Beseler, TR 8 (1928), S. 279, 301, Horak, Rationes I, S. 104, ungeachtet aller Echtheitszweifel bezüglich der ganzen wie eingeschoben wirkenden Reihe von „sed et si labes" bis „ut nusquam sit, damno domini esse" von der exegetischen Literatur als Ausdruck klassischen Rechts anerkannt und auf das Servius-Zitat zurückzubeziehen sein.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Der Bezug der Gefahrtragung zu den Vertragspflichten des Verpächters ergebe sich ferner aus dem - noch näher zu untersuchenden - Unterscheidungskriterium der „vis, cui resisti non potest": die Frage, ob eine „Gewalt, der zu widerstehen unmöglich war" vorliegt, entscheidet darüber, ob der locator die Gefahr zu tragen hat. Da nach dem Text der Verpächter diese Gefahr zu vertreten hat - „dominum colono praestare debere ait,, - , müsse sich das Kriterium auf den Verpächter und damit auf dessen vertragliche Leistungspflicht beziehen. Der locator habe somit die Gefahr für „unwiderstehliche Gewalten" zu tragen, weil hierdurch seine Leistungspflicht unerfüllbar geworden ist 4 9 1 . Es ist mithin nach dem neueren Verständnis der Stelle als ein erster Befund festzuhalten, dass nach Servius der locator aufgrund der Nichterfüllung seiner Vertragspflichten solche Ereignisse zu vertreten hat, die die Ernte vernichten und die „resisti non potest". (4) Es fragt sich indessen, weshalb Servius bestimmte Ernteausfälle mit den Vertragspflichten des Verpächters verbindet. Nach der neueren remissio-Forschung soll dem Schema die Vorstellung zugrunde liegen, dass die Nutzung des Landguts durch landwirtschaftliche Bebauung zum Inhalt des Vertrags gehört, da die Pachtsache gerade zu diesem Zweck überlassen wird und der Pächter seinen Pachtzins vor allem deswegen zahlt, damit er diese Nutzungsmöglichkeit erhält. Dementsprechend werde der Leistungsinhalt der „locatio conducilo" ganz durch die vereinbarte Nutzung bestimmt 492 . Der Satz „denn der Acker muss dem Pächter dergestalt gewährt werden, dass er davon Genuss ziehen kann" (oportere enim agrum praestari conductori, ut frui possit) sei somit die eigentliche Begründung für die Gefahrtragung des Verpächters. Denn „wenn die genannten Kalamitäten das frui licere des Pächters in jedem Fall in Frage stellen, dann erschöpft sich das fruì licere nicht in der Überlassung des Grundstücks ,als solchem' und der Duldung des Pächters durch den locator, dann erweist sich vielmehr das tatsächliche frui posse als dasjenige, was dem conductor aufgrund des Vertrages zusteht" 493 . Hieraus folge, dass der Verpächter eben nicht nur den Besitz zu überlassen, die Bewirtschaftung zu dulden und sonstige vertragliche Abmachungen einzuhalten, sondern auch die Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Nutzung zu gewährleisten hat. Diese Pflicht bedeute weiter, dass bei der Landpacht nicht nur ein Gegenstand auf Zeit überlassen, sondern dass dieser zu einer bestimmten Verwendung, nämlich der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung einschließlich der ertragreichen Ernte verpachtet wird. Der Verpächter stellt dann nicht nur einfach den Acker zur Verfügung, während die individuelle Verwendung durch den Pächter allein dessen

491 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 542; Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 121. 492 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 557. 493 So u. E. überzeugend Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 554; ähnlich Betti, Istituzioni II, S. 426; Alzon, Labeo 12 (1966), S. 311, 314 ff., 336; Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 121; Palazzolo, Saggi, S. 138 f.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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Angelegenheit wäre. Vielmehr habe gerade bei der Landpacht als ein vertypter Sonderfall der Überlassung einer Sache auf Zeit, die Verwendung zur landwirt schaftlichen Bewirtschaftung einen solch starken Bezug zu der Überlassung, dass die Möglichkeit des Pächters, das zur Kultivierung des Landguts zum Inhalt der Leistung des Verpächters erstarkt. Die Leistungspflicht des Verpächters sei selbstverständlich nicht so aufzufassen, dass dieser gehalten wäre, sämtliche Bedingungen zur Kultivierung des Landguts durch ein Leistungsverhalten herbeizuführen. Hinsichtlich der „unwiderstehlichen Gewalten" sei eine solche Verpflichtung auch vollkommen sinnlos. Hier gehe es vielmehr um ein bloßes Einstehen für die zufällige Vereitelung des Verwendungszwecks 494. Wenn aber die Möglichkeit, den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck zu verwirklichen in diesem weiteren Sinn Inhalt der Leistungspflicht des Verpächters ist, so fällt es bei einer schicksalhaften Störung des Verwendungszwecks leicht, die Konsequenzen für die Gegenleistungspflicht zu erkennen. Weil der Pächter weniger erhält, als ihm nach dem Vertrag versprochen wurde, folgt aus der Gegenseitigkeit des Pachtvertrags, dass der conductor von der Pflicht zur Gegenleistung befreit ist. Die Befreiung von der Zinsschuld ist also nicht etwa erst „das wirtschaftliche Ergebnis" 495 , sondern aus dem synallagmatischen Verhältnis selbst würde der Urgrund dafür folgen, dass der Verpächter die Preisgefahr zu tragen hat und damit den Anspruch auf die Zinsen verliert. Indem der Pächter nicht die Nutzungsmöglichkeit erhalten hat, die ihm nach dem Vertrag zusteht, hat der Verpächter den Vertrag nicht erfüllt und damit die Gegenleistung nicht verdient 496 . Es ist daher im Gefolge der neueren remissio-Forschung zu resümieren, dass nach Servius der Vertrag locatio conductio dem Pächter die Möglichkeit gewährt, das Landgut bewirtschaften zu können. Nach Servius trägt somit grundsätzlich der Verpächter das Risiko für sämtliche Umstände, die die Fruchtziehung vereiteln. In dem Ulpianfragment tritt damit gerade der Landpachtvertrag als ein Vertragstypus hervor, dessen Hauptleistung mit der Verwendung des Vertragsgegenstands durch den Gläubiger verknüpft ist. Die Verwendbarkeit der Pachtsache zur bäuerlichen Bewirtschaftung erscheint als das Element der Leistung des Verpächters, für die der Pächter den Mietzins zu entrichten hat. Erhält der Pächter diese Nutzbarkeit nicht und damit weniger, als ihm versprochen wurde, so ergibt sich aus der Gegen494

Vor diesem Hintergrund könne auch das vieldeutige Wort (so Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 121) „praestare" besser im Sinne von „gewährleisten", anstelle von „ersetzen" gedeutet werden; Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 552; Mayer-Maly, Locatio, S. 162. 4 95 So aber Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 121 Fn. 32. 4 96 Verschiedentlich wurde hingegen erwogen, den Verpächter treffe eine Leistungspflicht zur Zahlung von Schadensersatz (Seckel /Levy, SZ 47 (1927), S. 117, 205, 222) oder zur Rückzahlung bereits im voraus geleisteter Pachtzinsen (Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 121). Eine Schadensersatzhaftung wäre jedoch vollkommen überraschend, da das Fragment lediglich von den Folgen der Nichterfüllung handelt. Die Rückzahlungspflicht scheidet hingegen aus, weil das im Text Gesagte dann nur für den Fall der Zahlung praenumerando gelten könnte, während Ulpian die Frage des Nutzungsrisikos ganz allgemein behandelt (Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 552, Fn. 38; Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 121).

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

seitigkeit des Vertragsverhältnisses ohne weiteres, dass die entsprechende Zinszahlungspflicht entfällt. b) Andere Deutungsversuche der servianischen Konzeption Angesichts dieses Schemas versucht die neuere Auffassung, andere Deutungsversuche der servianischen Konzeption zu widerlegen. Da diese zum Teil überraschende Parallelen mit den oben dargestellten objektiven Lehren von der Geschäftsgrundlage aufweisen, die die „Unzumutbarkeit" der Erbringung der Gegenleistung als maßgebliches Kriterium ansehen, soll auch diese Auseinandersetzung im Folgenden kurz skizziert werden. (1) Nach der neueren remissio-Forschung ist der Grund für die Zinsbefreiung insbesondere nicht etwa eine Art „ wirtschaftliche Unmöglichkeit" in dem Sinne, dass dem Pächter bei ausbleibender Ernte die wirtschaftlichen Mittel fehlen, den Pachtzins aufzubringen 497. Ebensowenig könne eine Unzumutbarkeit aus einer wirtschaftlichen Mehrfachbelastung des Pächters als ratio decidendi akzeptiert werden. Auch die Begründung „um nicht über den aus dem Verlust seiner Einsaat entstehenden Schaden auch noch den Pachtzins für den Acker bezahlen zu müssen" (ne supra damnum seminis amissi mercedes agri praestare cogatur) trage eine solche Deutung nicht. Denn hier gelte der Eingriff in das Fragment in der exegetischen Literatur als sicher erwiesen 498 . Erblicke man in der außerordentlichen wirtschaftlichen Belastung des Pächters das maßgebliche Entscheidungsmerkmal, so stünde dies zudem im Widerspruch zu den Entscheidungen, in denen der Pächter keineswegs von seiner Zahlungspflicht entlastet wird, nämlich in den Fällen „wenn ein Fehler aus der Sache selbst entspringt" (si qua tarnen vitia ex ipsa re oriantur) 4 9 9 . Daher könne es entgegen Betti 5 0 0 nicht als Grund der Unterscheidung angesehen werden, dass es eine „Wechselbeziehung und Korrelation zwischen Nachteilgefahren und Vorteilchancen" gebe, die sich gewissermaßen die Waage hielten. Nach Ansicht von Betti wird „das Maß der Nachteilgefahren gewürdigt, die dem Nutznießer erträglich sein soll, um das Gleichgewicht nicht umzuwerfen". Die servia4 97 So aber Johne / Köhn / Weber, Kolonen, S. 226; diese Deutung entspricht aber durchaus der nachklassischen Entwicklung, s. hierzu noch i. Folg. unten u. 2. 498 Diese Legitimation der Zinsbefreiung stellt nach Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 560 f, 562 f, entweder einen nachklassischen Einschub oder eine Erweiterung durch den Spätklassiker Ulpian dar, die nicht mehr auf demselben Rechtsgedanken wie die Entscheidungen des Servius beruht. Insbesondere der Umstand, dass sich das Kriterium „dominum colono praestare debere ait" nicht etwa auf den Pächter, sondern umgekehrt auf den Verpächter und dessen Leistungspflicht bezieht, zeigt nach Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 542, dass gerade nicht die verminderte Leistungsfähigkeit des Pächters der von Servius ins Auge gefasste Grund sein kann, den Zinsanspruch zu versagen. 499 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 561 f. 500 Betti, SZ 82 (1965), S. 1, 20.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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nische Unterscheidung bedarf nach der neueren remissio-Forschung jedoch keiner Legitimation durch den Nachweis ihrer Ausgewogenheit501. Die Gefahrverteilung ergebe sich vielmehr einfach aus dem vereinbarten Verwendungszweck, dessen Möglichkeit der Verpächter zu gewährleisten und den der Pächter durch seine Tätigkeit zu verwirklichen hat. Damit seien auch bereits die Risikobereiche abgesteckt: Der Verpächter trägt die Gefahr für Ereignisse, die die Bebauung von vornherein vereiteln, der Pächter hingegen trägt die Gefahr für Ereignisse, die seine Bebauungsaufgabe betreffen. (2) Ebensowenig tauge das Kriterium der Außergewöhnlichkeit des Schadensereignisses, um zu erklären, weshalb der Pächter von seiner Zahlungspflicht befreit sein soll. Eine solche Erklärung scheint zwar durch die Wendung „wenn sich nichts außergewöhnliches ereignet, trifft der Schaden den Pächter" (si vero nihil extra consuetudinem acciderit, damnum coloni esse) nahezuliegen. Jedoch sei eine solche Begründung schon für sich ungeeignet, einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Zinszahlungspflicht aufzuzeigen. Allenfalls könne dieses Kriterium angeben, von welcher Intensität und in diesem Sinne von welchem Charakter das schädigende zufällige Ereignis sein muss, um der Risikosphäre der einen oder anderen Vertragspartei zugeschlagen zu werden. Dem vorgelagert sei jedoch die Frage nach dem Grund, weshalb derartige außergewöhnlichen Ereignisse vom Verpächter zu tragen sind. Das Kriterium der Außergewöhnlichkeit des Ereignisses sei somit auf einer anderen Ebene angesiedelt und gebe lediglich an, in welchen Fällen die Vertragspflicht des Verpächters nicht erfüllt worden ist, den Acker dergestalt zu gewähren, dass der Pächter davon Genuss ziehen kann. Erst diese Nichterfüllung sei aber der Urgrund für das Entfallen der Pflicht, den vereinbarten Pachtzins zu bezahlen 502 . (3) Von einigen Autoren wurden die „vis, cui resisti non potest" als „vis extraria", also als „von außen" kommende Einwirkungen begriffen 503 . Die Unterschei-

501 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 558. 502 Aus diesem Grund sei auch entgegen Ankum (Ankum, RIDA 19 (1972), S. 219, 225; ebenso Niedermeyer, Byz.-Neugriech. Jahrb. 2 (1921), S. 92 f.; Mayer-Maly, Locatio, S. 192) das Kriterium der Außergewöhnlichkeit nicht auf eine Klassikerkontroverse zurückzuführen, dessen Bericht von den Kompilatoren gestrichen worden sein soll (Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 563 f.). Der Gedanke des Servius sei nicht etwa durch ein neues Haftungskriterium abgelöst worden, sondern das Kriterium der Außergewöhnlichkeit erhalte seine Funktion durch das Zusammenwirken mit dem Gedanken des Servius und könne, selbst wenn es erst in nachklassischer Zeit eingefügt sein sollte, in das durch das Servius-Zitat vorgegebene Recht harmonisch eingeordnet werden (Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 564; Sitzia, St. mem. D'Amelio I, S. 331, 338; de Neeve, SZ 100 (1983), S. 296, 319; s. hierzu noch i. Folg.). Nach Niedermeyer, Byz.-Neugr. Jb 2 (1921), S. 87, 92 f., sollen die Wörter ein Scholion sein, das wahrscheinlich vor Tribonian in den Ulpiantext hineininterpoliert wurde und das den Gedanken, den Servius von der vis, cui resisti non potest, formuliert, auflöst und dafür die objektiv leichter zu erfassende Formel von der Außergewöhnlichkeit des Schadens gibt. 503 Mayer-Maly, Locatio, S. 192; Käser, SZ 74 (1957), S. 155, 170 ff.; Nicosia, RISG 9 (1957/58), S. 403,413 u. öfter; Watson, Obligations, S. 111 ff.; Seager, SD 31 (1965), S. 330,

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

dung „von innen" - „von außen" lässt nach der neueren exegetischen Literatur ein rechtserhebliches Kriterium jedoch nicht erkennen. Es handle sich bei den im Servius-Zitat genannten Schadensereignissen allenfalls zufällig zumeist um solche Geschehnisse, die in diese Kategorien gefasst werden können 504 . Unklar bliebe insbesondere, aus welchem Grund der locator für „von außen" stammende Schäden mit seinem Pachtzinsanspruch einstehen soll. In vielen Fällen, so etwa bei „Wurmfraß" oder „Unkraut" lasse sich zudem nicht unterscheiden, ob diese Gefahren „von außen" oder „von innen" entstehen. (4) Erwägenswert erscheint freilich, ob dem servianischen Schema ein Bezug der Gefahrverteilung zum Eigentum an der Pachtsache zugrundeliegt. Nach Wolfgang Ernst soll die vis, cui resisti non potest, den Tatbestand der Gefahrtragung des Eigentümers hinsichtlich seiner eigenen Sache bezeichnen, da diese als die Zusammenfassung solcher Schadensfälle, die von niemandem abzuwehren sind, nur den Eigentümer treffen kann. Es handle sich um die Gefahrverteilung zwischen dem Pächter, auf den das Risiko nur für Ereignisse „niederen Zufalls" abgewälzt werden kann, und dem Eigentümer, „den das ,Schicksal' der Pachtsache - das Ereignis höherer Gewalt - trifft" 5 0 5 . Werde der Pächter „durch eine vis, cui resisti non potest, an der erfolgreichen Bebauung gehindert", so handle es sich „um ein Ereignis, das, weil es das Grundstück so oder so betroffen hätte, nur den locator als den Eigentümer des Grundstücks angehen kann" 5 0 6 . Diese Deutung wird nicht nur dadurch unterstützt, dass der Text locator und dominus gleichsetzt 507 , sondern insbesondere durch den Umstand, dass die klassische Bedeutung der vis maior - die den sonstigen Qualifikationen der vis, wie vis, cui resisti non potest, vis naturalis und vis divina, entsprechen dürfte - als eine „sachbezogen gedachte Rechtsfigur" erscheint, die eine „positive Risikozurechnung" des als vis maior bezeichneten Ereignisses bewirkt. Der ursprüngliche Begriff der vis maior bezeichne damit keine negative Entlastung von einer Haftung, weil bei höherer Gewalt ein Verschulden nicht mehr in Betracht kommen kann, sondern ganz im Sinne des Prinzips casum sentit dominus - eine positive schadenszuweisende Regel, „indem die als unabwendbar angesehene Betroffenheit einer Sache juristisch zu Lasten dessen ging, dem die Sache gehört" 508 . 331 f.; nach Costa, Locazione, S. 50, soll es nur um die Folgen eines mangelhaften Bodenzustandes gehen. 504 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 558. 505 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 550, 552 f. 506 Ernst, Index 22 (1994), S. 293, 297; ders., Festschrift für Lange, S. 59, 77 f. 507 Hiergegen kann nicht eingewandt werden, der locator brauche nicht notwendig auch Eigentümer zu sein, denn es kommt nicht auf die Eigentümerstellung, sondern auf die Zuordnung der Sache an. Bei der Unterpacht befände sich demnach der locator in einer entsprechenden eigentümerähnlichen Stellung; s. Ernst, SZ 105 (1988), S. 552 Fn. 41; ders., Index 22(1994), S. 293, 316 En. 23. 508 Ernst, Index 22 (1994), S. 293, 294 f., 298 f.; ders., SZ 105 (1988), S. 541, 553 mit Fn. 44.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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Auch wenn sich ein solches Prinzip des „lost must lie where it falls" für die republikanischen Juristen Servius und Alfen sowie für Sabinus und Labeo als Vertreter der Frühklassik nachweisen lassen soll 5 0 9 , bleibt dennoch zweifelhaft, ob auch in dem hier behandelten Fragment die „Eigentumsimmanenz schicksalhafter Ereignisse" für Servius den maßgeblichen Gedanken gebildet haben kann. Denn gerade der entscheidende Gesichtspunkt, die Zuordnung der von dem schicksalhaften Ereignis betroffenen Sache zu einem der Vertragspartner nach dem Kriterium des „Eigentums", ist bei der locatio conductio problematisch. Gerade der conductor rückt, indem ihm der Besitz und das Nutzungsrecht übertragen wird, in eine Position, die ihm diese typischen Befugnisse eines Eigentümers einräumt. Aufgrund dieser eigentüm^ähnlichen Stellung ist es eben auch der Pächter, dem die betroffene Pachtsache als „seine Sache" zugeordnet werden kann. Man müsste Servius somit die Anwendung eines zwiespältigen Kriteriums unterstellen, wenn man die Gefahr einem Vertragspartner deshalb auferlegen wollte, weil sich die höhere Gewalt auf „seine" Sache ausgewirkt hat. Zudem kann das Eigentum des locator ohnehin nur als eine zusätzliche Wertung für seine Zinsgefahrtragung bei einer durch vis, cui resisti non potest, verursachten Nutzungsvereitelung dienen, da das Eigentum des locator als solches keinen Bezug zu der Gegenleistung des conductor aufweist. Es spricht daher mehr dafür, dass das eigentliche Moment die Vertragspflicht des Verpächters bleibt, der als Schuldner das frui licere versprochen und daher zu praestieren hat. Wenn sich „das tatsächliche frui posse als dasjenige" erweist, „was dem conductor aufgrund des Vertrages zusteht" 510 , gewährleistet der locator die Nutzung allein aufgrund seiner Eigenschaft als Schuldner und Vertragspartner und nicht zusätzlich auch noch deshalb, weil er auch der Eigentümer der überlassenen Pachtsache ist. Insofern würde die vis maior auch die ihr eigene Bedeutung als eine Rechtsfrgur behalten, die positiv das Risiko eines schicksalhaften Ereignisses demjenigen zuordnet, den es betrifft. Denn die vis, cui resisti non potest, betrifft in erster Linie die vertragliche Leistung des locator, indem sie das zu praestierende frui posse von vornherein unmöglich macht. Der Satz casum sentit dominus wäre mithin nicht nur im ursprünglichen Sinne auf das Eigentum, sondern vielmehr auf die vertraglichen Leistungspflichten des locator zu beziehen. Ihm könnte die Gefahr für das Ereignis höherer Gewalt zugeordnet werden, gerade weil er dem conductor vertraglich das frui licere zugesagt hat, und weil - dazu sogleich - der casus aufgrund der „Unwiderstehlichkeit" der Gewalten nicht lediglich die dem conductor obliegende Bewirtschaftungstätigkeit getroffen hat.

509 s. Ernst, Index 22 (1994), S. 293, 295 ff. 510 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 553 f. 10 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

c) Die vitia ex ipsa re als Aufgaben- und Gefahrenbereich des Pächters (1) Während die Vereinbarung des geschuldeten Verwendungszwecks beim Landpachtvertrag - folgt man der neueren remissio-Forschung - von Servius eher stillschweigend vorausgesetzt zu sein scheint, behandelt die Ulpianstelle als eigentliche Frage, welche Störungen des Verwendungszwecks vom Pächter und welche vom Verpächter getragen werden müssen, bei welchen Geschehnissen also der Pachtzins zu entrichten ist und bei welchen nicht. Verfolgt man den von der neueren remissio-Forschung aufgegriffenen Gedanken weiter, so lässt sich für die Aufteilung der Gefahrenbereiche das folgende Modell entwerfen 511: Nach dem Fragment soll danach differenziert werden, ob es sich um eine vom locator zu gewährleistende „vis, cui resisti non potest" 512 oder um eine vom conductor zu tragende „vitia ex ipsa re oriantur" handelt. Der rechtfertigende Grund dieser Kriterien erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Es liegt jedoch nach dem Vorgenannten nahe, ihn in den vertraglichen Leistungspflichten und der daraus folgenden vertraglichen Risikoverteilung zu suchen, indem der Legitimationsgrund der Zinsgefahrtragung durch den Verpächter auch die Kriterien bestimmt, nach denen die verwirklichten Gefahren den jeweiligen Risikobereichen der Vertragspartner zuzuordnen sind. Die Vereinbarung des vertraglichen Verwendungszwecks könnte insofern nicht nur die Gewährleistung des Fruchtgenusses legitimieren, sondern sie zugleich auch begrenzen. Der locator verspricht zwar, dass es an sich möglich ist, das Landgut zu kultivieren und einen Ertrag zu erwirtschaften, mehr als diese Möglichkeit zur Nutzung will und soll er jedoch nicht schulden. Der Verpächter übernimmt keine Garantie für einen bestimmten Ernteertrag. Daher trägt der locator das Risiko lediglich für Schäden, die aufgrund „höherer Gewalten" entstehen, wie etwa folgt man der Kasuistik des Fragments - für Sturm, Überschwemmung, Erdrutsch, extremen Frost, ungewöhnliche Sonnenglut, „Brand" und Häher- oder Starenfraß. Ist das Landgut von solchen störenden Einflüssen frei, die den Fruchtgenuss von vornherein unmöglich machen, ist es spiegelbildlich allein die Aufgabe des conductor, die ordnungsgemäße Bewirtschaftung durchzuführen und einen Ernteertrag zu erzielen. Ist die Fruchtziehung das Resultat zweier zu kombinierender Faktoren, nämlich eines Zusammenwirkens der Pachtsache mit der Pachttätigkeit, so können äußere Umstände - insbesondere die Naturgewalten - sowohl die Nutzbarkeit der 511 Hierbei ist indessen vorab einzuräumen, dass dieser Deutungsversuch keineswegs zwingend aus dem Fragment folgt, sondern nur eine von mehreren Möglichkeiten seines Verständnisses bildet. Ein Anspruch auf Authentizität kann hier ohnehin nicht erhoben werden, da die Kürze des Textes, die bestehenden Echtheitszweifel und seine in sich nicht widerspruchsfreie Kasuistik Raum für eine Vielzahl von Interpretationen belässt. Unseres Erachtens hindert dies jedoch nicht daran, die in der Ulpianstelle angedeuteten Kriterien und Begründungsansätze zu einem Modell zusammenzufügen, nach dem die Risiken für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks bei der Landpacht verteilt werden könnten.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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Pachtsache als solche, als auch „nur" die Bebauungstätigkeit des Pächters betreffen. Spätestens die letzteren Ereignisse können jedoch nicht mehr dem Gefahrenbereich des Verpächters zugeordnet werden. Zufällige Umstände, die die Bewirtschaftung selbst betreffen und originär gerade diese vereiteln, sind mithin vom conductor mit der Folge zu tragen, dass er den Pachtzins auch weiterhin schuldet 513 . (2) Dieser begrenzten Reichweite der Gewährleistung könnte durchaus das Kriterium entsprechen, das nach Servius den Gefahrenbereich des Pächters kennzeichnet: Vitia ex ipsa re wären demnach solche Ereignisse, die den Tätigkeitsbereich des Pächters betreffen. Es müsste so die res statt als „Sache, Gegenstand", vielmehr als „Geschäft, Unternehmen, Angelegenheit" oder „Aufgabe" gedeutet und die Passage übersetzt werden mit: „wenn jedoch ein Fehler aus dem Geschäft des Pächters selbst entspringt". Die Realisierung des Verwendungszwecks bliebe insofern auch nach dem servianischen Konzept sehr wohl eine Angelegenheit des Pächters. Wenn das Landgut angesichts der äußeren Umstände zwar zur Verwirklichung des Verwendungszweckes genutzt werden kann, so soll es dem Verpächter nicht zum Nachteil gereichen, wenn der Pächter die ihm gebotenen Möglichkeiten nicht nutzt oder nicht zu nutzen vermag. Allein der Pächter hat das Landgut zu bewirtschaften und den Ernteertrag zu ermöglichen. Betrifft das zufällige Ereignis die Person des Pächters, den Bewirtschaftungsvorgang oder Gegenstände, die der Pächter beizufügen hat, um den vereinbarten Zweck zu verwirklichen, so hat er nicht nur den unmittelbaren Verlust zu tragen, sondern schuldet auch weiterhin den Pachtzins514. Ist in erster Linie die Tätigkeit des Pächters misslungen und erst hierdurch auch die geschuldete Nutzung vereitelt, so handelt es sich um keine von vornherein gegebene Unmöglichkeit der Nutzung. Dann ist primär der Bereich des Pächters betroffen, der daher mit dem hieraus entstehenden Schaden zu belasten ist 5 1 5 . 512

Die modernere Remissio-Forschung hält eine Textkritik an der „vis, cui resisti non potest" nicht für berechtigt, da die im Text genannten Beispiele denjenigen Fällen entsprechen, die auch sonst als „vis maior" behandelt werden; s. Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 544; Mayer/Maly, Festschrift für Steinwenter, S. 58, 61, 65; zu der Echtheit der Unterscheidung s. auch Käser, SZ 74 (1957), S. 155, 170 ff.; Costa, Locazione, S. 48 ff.; Haymann, SZ 48 (1928), S. 314, 391 f., 406; Seckel/Levy, SZ47 (1927), S. 117, 205. 513 Ebenso Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 554; ders., Festschrift für Lange, S. 59,76 f., nach dem man „in dem Ausdruck vitia ex ipsa re ... keinen besonderen Tatbestand für die Zuweisung des Nutzungsrisikos zu suchen" braucht. Das Nutzungsrisiko des Pächters ergebe „sich einfach daraus, daß er die Nutzung als Kulturaufgabe vertraglich übernommen hat". Der Pächter habe „die Bebauung durch Abschluß des Vertrages locatio conductio zu seiner Sache gemacht und daher sind Erfolg oder Mißerfolg, die aus der Bebauung resultieren, seine Sache". 514 In diesem Sinne ist wohl auch Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 550, zu verstehen, der die Grenzziehung in der Frage der Zinsgefahr als dieselbe ansieht wie für die custodia-Haftung. Massgeblich sei danach „die Gefahrverteilung zwischen dem Pächter, der für Verlust und Beschädigungen der Pachtsache durch Ereignisse einstehen muß, gegen die ein Custodient sich typischerweise schützen kann, und dem Eigentümer, den das ,Schicksal' der Pachtsache - das Ereignis höherer Gewalt - trifft". 515 Auch nach Palazzolo (Palazzolo, Saggi, S. 139 ff.; ähnlich Cardilli, Obbligazione, S. 241 ff., 244) soll Servius den Verlust der geschuldeten Früchte aufgrund externer unwider10*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Versteht man die dem Fragment zugrundeliegende Wertung in diesem Sinne, so ließe sich ungeachtet aller Echtheitszweifel 516 sogar ein großer Teil der Kasuistik in das aufgezeigte Konzept einfügen: Das „Unkraut" tritt regelmäßig auf bebauten Feldern auf und wird daher typischerweise auch vom Bauern - mit den jeweiligen zeitgemäßen Mitteln - bekämpft. Das Unkraut betrifft also die Tätigkeit und damit den Gefahrenbereich des Pächters. Misslingt diese Tätigkeit, indem das Unkraut mit oder ohne Verschulden des Pächters Überhand nimmt und die Ernte ganz oder zum Teil vernichtet, so kann dieses Risiko nur den Pächter betreffen. Und dies muss selbst für Fälle gelten, in denen durch Zufall ein nicht vorhersehbarer Totalverlust eintritt. Denn hier bestand die Möglichkeit zur Bebauung des Ackers, sie ist nicht von vornherein vereitelt und wird auch nicht später verhindert, sondern die Bebauung misslingt als solche. Das Ent sprechende hat für den „Wurmfraß" und sonstigen Schädlingsbefall zu gelten. Für den „sauren Wein" ist ebenfalls entscheidend, dass es allein dem Pächter obliegt, den Wein zu keltern. Misslingt dieses Geschäft und wird der Wein sauer, so hat der Pächter die Gefahr auch ohne sein Verschulden zu tragen 517 . Umgekehrt wäre bei dem Gefahrenbereich des Verpächters, den vis, cui resisti non potest, die Bewirtschaftung durch den Pächter von vornherein nicht berührt. Es kann selbstredend nicht zu den Aufgaben eines Bauern zählen, etwaige Stürme, Überschwemmungen, Kriege und Erdrutsche zu verhindern, denn dies sind Schicksalsschläge, die ihrer Art nach von niemandem verhindert werden können und die Bebauungsmöglichkeit schlechthin ausschließen. Auf diese Umstände kann gar kein Einfluss genommen werden, vielmehr ist es eben „unmöglich" ihnen „zu widerstehen". Bei diesen Ereignissen besteht nicht wegen ihrer Intensität, sondern bereits aufgrund ihrer Eigenart - eben als vis maior - von vornherein gar keine Möglichkeit zu Schutzmaßnahmen, so dass der Pächter bei solchen „Katastrophen" nicht dasjenige erhält, was ihm nach dem Kontrakt zusteht, wenn derartige Ereignisse die vereinbarte Nutzung unabwendbar vereiteln.

stehlicher Faktoren demjenigen Verlust gegenübergestellt haben, der aus einem Ereignis entstanden ist, der aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Tätigkeit herrührte. Denn der Pächter hätte den Schaden durch sein Verhalten verhindern können. 516

s. etwa Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 121 Fn. 29, der den Text ab „sed et si labes" nicht mehr Servius zuschreibt. 517 Fraglich bleibt hingegen, weshalb gerade „Brand" sowie „Häher- und Starenfraß" vom Verpächter, hingegen „Unkraut" und „Wurmfraß" vom Pächter zu tragen sein sollen. Ein kategorialer Unterschied zwischen diesen Heimsuchungen offenbart sich nicht. Entweder handelt es sich hier tatsächlich um eine nachklassische Erweiterung, die nicht mehr auf dem servianischen Schema beruht, oder es wäre zu vermuten, dass dem römischen Kolonen gegen die Pflanzenkrankheit und den massenhaften Einfall der Vögel keinerlei Abwehrmittel zur Verfügung standen, so dass diese Schädigungen den übrigen Elementargewalten wie Sturm, Überschwemmung, Frost, Hitze und Krieg gleichzustellen waren. Dass sich nicht sämtliche Fälle zweifelsfrei in das entworfene Modell einordnen lassen, ist indessen unmaßgeblich, da es für uns nicht darauf ankommt, ob es bereits im klassischen römischen Recht in Reinform vorgelegen hat.

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Schließlich könnte auch das in dem Fragment zutage tretende quantitative Element in das vorgeschlagene Modell eingeordnet werden: Die „Außergewöhnlichkeit'4 der Ereignisse wäre danach nicht etwa der tragende Grund der Gefahrtragung, sondern diese wäre für solche Einwirkungen, auf die der Pächter ihrer Art nach keinen Einfluss haben kann, das Kriterium, um gewöhnliche Vorgänge von katastrophalen und damit nutzungsvereitelnden Geschehnissen unterscheiden zu können. Der Pächter hat gewisse normale, gewöhnlich zu erwartende Beeinträchtigungen der Nutzung, wie etwa die „normalen" Schwankungen der Wetterlage hinzunehmen. Wind, Nachtfrost und Sonnenschein können auch im „normalen" Ausmaß geringfügige Schäden verursachen. Erst bei einer Intensität der Beeinträchtigungen, die einer Einschränkung nicht nur der Nutzung, sondern sogar der Nutzbarkeit gleichkommt, ist der Pächter berechtigt einzuwenden, er habe nicht das im Pachtkontrakt Versprochene erhalten. Die Außergewöhnlichkeit des schädigenden Ereignisses wäre also dafür bestimmend, ob es sich um eine vis, cui resisti non potest, handelt, die die Nutzung von vornherein unmöglich macht, indem sie einer Naturkatastrophe gleichkommt. Das Kriterium „si vero nihil extra consuetudinem acciderit" würde sich, obwohl es offenbar erst später hinzugefügt wurde, in die so verstandene Entscheidungsregel des Servius einordnen 518. Für diejenigen Ereignisse, die die Bewirtschaftungsaufgabe des Pächters vereiteln, für solche „Gewalten" also, denen der Kolone typischerweise seine Tätigkeit entgegensetzt, kann diesem Merkmal hingegen keine Bedeutung zukommen. Denn solche Schäden werden dem Pächter ohne Rücksicht auf die Intensität der Ursachen auferlegt. (3) Das aufgezeigte Modell ist freilich von vornherein gegen den denkbaren Einwand zu verteidigen, dass die Regel des römischen Rechts sich auch daraus erklären könnte, dass der Verpächter in den erörterten Fällen allein deshalb den Pachtzins nicht oder nur verkürzt erhält, weil die von ihm zur Verfügung gestellte Sache, also das „Substrat" der Pacht, nicht existent oder nicht die erforderliche Beschaffenheit aufweist. Es würde sich dann gar nicht um Fälle der Störung des Verwendungszwecks handeln, denn fällt schon das Substrat aus, so kommt es auf eine Inkorporierung des Verwendungszwecks in den Vertrag gar nicht mehr an. Vielmehr ginge es dann allein darum, welches Sachsubstrat - „Boden" oder „Ernte" betroffen ist. Da es für die Überzeugungskraft des Modells weniger darauf ankommt, ob die in dem Fragment genannten Fallbeispiele historisch vollkommen authentisch sind, könnte dieser Einwand möglicherweise dahinstehen. In der Tat können sich aber vis, cui resisti non potest, bereits auf die Pachtsache selbst so auswirken, dass die Leistung - im heutigen Sprachgebrauch - unmöglich oder mangelhaft wird. Dies ist sicherlich für den in dem Fragment genannten „Erdfall" gegeben. Andererseits ist die Integrität der Pachtsache in den übrigen, dem Risikobereich des Verpächters zugeordneten Fällen nicht berührt. So ist der „Boden" als Substrat auch nach 518 Ernst, SZ 105 (1988), S. 563 f.; Sitzia, St. mem. D'Amelio I, S. 331, 338; de Neeve, SZ 100 (1983), S. 296, 319.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

einem Sturm, einer Überschwemmung, einem Häher- und Starenfraß, einem feindlichen Einfall, einem (außergewöhnlichen) Nachtfrost oder einer ungewöhnlichen Sonnenglut noch unversehrt vorhanden. Da aber auch diese Ereignisse die Vernichtung der Ernte zur Folge haben, handelt es sich hier um Fälle der Störung des Verwendungszwecks. (4) Erwägenswert ist weiter der Einwand, dass bei einem Misslingen der Bewirtschaftung der Grund für die Gefahrtragung des Pächters in einer irgendwie gearteten Verschuldenszurechnung des Schadens zu finden sei. So erklärt etwa Nicosia die Regel, dass der conductor die vitia ex ipsa re zu tragen hat, mit dem Vorwurf, dass diese bei entsprechender Sorgfalt hätten vermieden werden können 519 . Es ist jedoch eher zweifelhaft, dass sich dem Text ein Anhaltspunkt für einen Schuldvorwurf entnehmen lässt 520 . Selbst bei saurem Wein, bei Wurmfraß, Unkraut und beim Diebstahl durch vorüberziehende Truppen kann es sich um Zufälle handeln, die der Pächter im Zweifel auch mit großen Anstrengungen nicht verhindern konnte. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich diese Ereignisse im Aufgaben- und damit Gefahrenbereich des Pächters niedergeschlagen haben und ihre Folgen daher nach dem Prinzip casum sentit dominus allein von ihm zu tragen sind 521 . (5) Schließlich erscheint es unseres Erachtens für das hier dargestellte Modell nicht erforderlich zu sein, eine vertragliche Bebauungspflicht des Pächters anzunehmen, die er neben der Zinspflicht als eine weitere Leistungspflicht gegenüber dem Verpächter übernommen hätte 522 . Auch eine solche Bebauungspflicht ist in dem Fragment weder ausgesprochen noch nachvollziehbar angedeutet. Sie ist zur Begründung der Gefahrtragung des Pächters auch nicht notwendig. Denn der Risikobereich des Pächters ergibt sich nach dem dargestellten Modell aus dem Gegensatz zu der Gefahrtragung des Verpächters hinsichtlich der vis, cui resisti non potest, denen man mit der Bewirtschaftung nicht widerstehen kann. Die positive Risikozurechnung betrifft bei vitia ex ipsa re den Pächter, weil er insofern der Herr der Bebauungsaufgabe ist und ganz im Sinne der casum-sentit-dominus-Parömie deren Fehlschlag nicht auf den Verpächter abzuwälzen vermag.

519 Nicosia, RISG 9 (1957/58), S. 403,409; ebenso de Neeve, SZ 100 (1983), S. 296, 316, 320; Pinna Parpaglia, Vitia, S. 27 u. öfter; Sitzia, St. mem. D'Amelio I, S. 331, 335 Fn. 10; De Robertis, Responsabilità II, S. 925 ff.; Johne/Köhn/Weber, Kolonen, S. 228; Nörr, Festschrift für Wieacker, S. 115, 122; Frier, Landlords, S. 98. 520 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 556: „weder ausgesprochen noch nachvollziehbar angedeutet"; Ankum, RIDA 19 (1972), S. 219, 225 Fn. 10. 521 Ebenso Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 554 f. 522 So aber Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 554 f., 559, 587 ff.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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2. Die weitere historische Entwicklung a) Der Wandel von der vertraglichen Gewährleistung zum Billigkeitsgedanken in der nachklassischen Entwicklung bis zum justinianischen Recht (1) Folgt man der neueren remissio-Forschung, so überlebte der Gedanke, dass der Verpächter nach dem Vertrag nicht nur das Grundstück als solches zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Möglichkeit der Bewirtschaftung zu gewährleisten hat, das klassische Recht nicht. Spätestens seit der nachklassischen Zeit erscheine die Kultivierung des Ackers als ein allein den Pächter betreffender Verwendungszweck. Das Kriterium der vis maior sei zwar durchaus erhalten geblieben, diente jedoch nicht mehr dazu, eine Nichterfüllung des Pachtvertrags seitens des Verpächters zu indizieren. Der Begriff sei nun gerade umgekehrt auf den Pächter bezogen worden, dessen Ernte ohne sein Verschulden in unerträglicher Weise geschädigt sein muss, damit er in den Genuss der Zinsbefreiung zu gelangen vermag. Die vis maior habe nun nicht mehr eine positive Risikozurechnung bewirkt, sondern eine neue haftungsentlastende Bedeutung im Rahmen der Verschuldenslehre gewonnen. Indem die vis, cui resisti non potest, außerhalb jeder personalen Verantwortung steht, schließe sie jede culpa des Pächters von vornherein aus, die einer Remission entgegenstehen könnte. Die in den vertraglichen Leistungspflichten wurzelnde Entscheidungsfindung sei im Zuge dieser Wandlung des vis-maiorBegriffs nun durch den an der wirtschaftlichen Lage des Pächters ausgerichteten Billigkeitsgedanken ersetzt worden 523 . Der Bedeutungswandel lasse sich bereits in D. 19, 2, 15, 2 selbst erkennen. Die im Text ab „ . . . sed et si labes facta sit omnemque fructum tulerit . . f o l g e n d e n Ausführungen sollen nicht mehr durchgängig auf dem Schema des Servius beruhen. Denn die Begründung, der Pächter sei von der Entgeltpflicht befreit, damit er „nicht über den aus dem Verlust seiner Einsaat entstehenden Schaden auch noch den Pachtzins bezahlen" müsse 524 , stelle maßgeblich auf die außerordentliche wirtschaftliche Belastung des Pächters ab. Eine solche Rechtfertigung für eine Zinsbefreiung stehe im offensichtlichen Widerspruch zu dem Grundgedanken des Servius, der bei „vitia ex ipsa re" selbst im Falle vernichtender Ernteausfälle den Pächter den vollen Pachtzins schulden lässt 525 . 523 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541. 524 „ne supra damnum seminis amissi mercedes agri praestare cogatur" 525 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 561; anders Käser, SZ 74 (1957), 155, 170 ff.; Sitzia, St. mem. D'Amelio I, S. 331, 340. Ob der Eingriff in das Fragment (s. hierzu etwa Käser, SZ 74 (1957), S. 155, 170 ff.; Mayer-Maly, Locatio, S. 162; Watson, Obligations, S. 112; für völlig klassisch nehmen den Text hingegen Visky, RIDA 3 (1949), S. 470 ff.; Betti, St. on. Francisci, S. 131, 192 f.) durch den Spätklassiker Ulpian oder durch einen nachklassischen Bearbeiter erfolgte (s. zu dieser Frage Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 562 ff. mit Nachw.), sei unmaßgeblich. Wesentlich sei allein die Erkenntnis, dass der Grundgedanke des Servius die klassische Epoche nicht überdauert hat.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Die Änderung des Verständnisses von der vis maior wird nach der neueren exegetischen Literatur zudem anhand von D. 19, 2, 25, 6 Gai. 10 ad ed. prov. deutlich. Sie erscheine nun allgemein als eine Ursache für einen Schaden, der dem Pächter nicht zurechenbar i s t 5 2 6 : „Unabwendbare Naturereignisse, welche die Griechen göttliche Gewalt nennen, dürfen dem Pächter nicht zum Schaden gereichen, wenn die Früchte dergestalt verheert worden sind, dass es nicht zu verschmerzen ist; denn einen mäßigen Schaden muss der Pächter schon übernehmen, da ihm selbst der größte Gewinn nicht entzogen wird 5 2 7 . 4 ' Der Verlust des servianischen Prinzips werde weiter bestätigt durch D. 19, 2, 15, 3 Ulp. 32 ad ed.: „Als jemand sich auf den Brand eines Landguts berief und Erlass forderte, wurde ihm rescribiert: ,Wenn du das Grundstück angebaut hast, so muss dir wegen eines plötzlich entstandenen Brandes nach Gebühr zu Hilfe gekommen werden' 528 ." Der Brand werde in diesem unmittelbar dem Servius-Zitat nachfolgenden Fragment nur deshalb als schuldbefreiende vis maior anerkannt, weil der Pächter das Landgut ordnungsgemäß kultiviert hat und ihm mithin kein Vorwurf gemacht werden kann. Der Bezug zu einer sich aus den Vertragspflichten ergebenden Gefahrtragungsregel, die jeweils bestimmte zufällige Ereignisse den Risikobereichen der Vertragsparteien zuweist, fehle hier völlig. Der Billigkeitsgedanke werde auf Seiten des Pächters nur durch die Geringfügigkeit der Schäden und das Verschulden begrenzt 5 2 9 . (2) Insbesondere aber die kaiserrechtliche remissio mercedis, die hier mit einem Zitat aus Papinians Responsen dokumentiert werden soll, sei von der spät- oder nachklassischen Entwicklung geprägt: „Papinianus sagt im vierten Buche seiner Gutachten, dass wenn jemand seinem Pächter in einem Jahre wegen Misswachs Erlass gegeben, und in den folgenden Jahren eine große Fruchtbarkeit eingetreten sei, so steht der Erlass dem Eigentümer nicht entgegen, sondern er kann dann die ganze Pachtsumme auch von dem Jahre, für welches er sie erlassen, einfordern. Dasselbe sagt er auch vom Schaden in Ansehung der Zollpachtung. Dies gilt, selbst wenn der Eigentümer den Erlass wegen des Misswachses in jenem Jahr namentlich 526 Es könne wiederum auf sich beruhen, ob der Bedeutungswandel schon durch den Hochklassiker Gaius oder erst durch nachklassische Bearbeitungen vollzogen wurde. Jedenfalls sei erkennbar, dass man die servianische Konzeption nicht übernommen hat. (Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 564 f., mit Nachw. zur Frage der Echtheit des Fragments; s. auch De Robertis, Responsabilità, S. 138 f.) 527 D. 19, 2, 25, 6 Gai. ad ed. prov. Vis maior, quam Graeci θεοΰ βίαν appellant non debet conductori damnosa esse, si plus, quam tolerabile est, laesi fuerint fructus: alioquin modicum damnum aequo animo ferre debet colonus, cui immodicum lucrum non aufertur. (Übersetzung nach Otto/Schilling/Sintenis, Corpus, S. 444.) 528 Cum quidam incendium fundi allegaret et remissionem desideraret, ita ei rescriptum est: ,Si praedium coluisti, propter casum incendii repentini non immerito subveniendum tibi est'. (Übersetzung nach Otto/Schilling/ Sintenis, Corpus, S. 438.) 529 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 565 f.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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als Geschenk bewilligt hat, als wenn es keine Schenkung, sondern ein Vergleich wäre. Wie aber, wenn das letzte Jahr das unfruchtbare war, für welches er ihm den Erlass zugestanden? Hier ist es richtiger, dass wenn auch die vorigen fruchtbar gewesen und der Verpächter dies gewusst habe, der (Pächter) doch nicht zur Ausgleichung aufgefordert werden könne 5 3 0 ."

Der Ausdruck „remissio mercedis" bezeichne zunächst lediglich die Zinsbefreiung des Pächters, die in dem Zitat aus Papinians Responsen jedoch die Besonderheit aufweise, dass besonders gute Jahre mit besonders schlechten Jahren zu verrechnen seien. Der Tatbestand der „sterilitas" hätte hingegen nach dem Konzept des Servius - wie sie von der neueren remissio-Forschung verstanden wird - keine Zinsbefreiung gerechtfertigt. Denn die Missernte an sich, die ihre Ursache weder in einer Unfruchtbarkeit des Bodens noch in einer Elementarkatastrophe hat, betreffe allein die Wirtschaftstätigkeit des Pächters. Da die Kultivierung des Landguts misslang und nicht etwa die Möglichkeit zur Kultivierung beeinträchtigt worden ist, handle es sich um ein vitium ex ipsa re und nicht um eine vis, cui resisti non potest . Damit werde deutlich, dass die kaiserrechtliche remissio mercedis nicht mehr auf der servianischen Gefahrverteilung beruht, sondern vielmehr die spät- oder nachklassische Entwicklung widerspiegelt, in der sich die Entscheidungen an der Wirtschaftslage des Pächters orientierten. Es gehe nicht mehr um eine sich aus den vertraglichen Pflichten ergebende Gefahrtragung, sondern bereits der schicksalhafte Verlust der Ernte werde als zinsschuldbefreiende Voraussetzung begriffen 532 . Da die außerordentliche wirtschaftliche Belastung des Pächters die maßgebliche Legitimation der Zinsbefreiung abgibt, sei die in dem Papinian-Zitat ausgesprochene Überlegung konsequent, nachfolgende gute Erntejahre, die die vorherigen Verdienstausfälle ausgleichen, dadurch zu berücksichtigen, dass der erlassene Pachtzins nachgezahlt werden muss. 530 D. 19, 2, 15, 4, Ulp. 32 ad ed. Papinianus libro quartto responsorum ait, si uno anno remissionem quis colono dederit ob sterilitatem, deinde sequentibus annis contigit uberitas, nihil obesse domino remissionem, sed integram pensionem etiam eius anni quo remisit exigendam. Hoc idem et in vectigalis damno respondit. sed et si verbo donantionis dominus ob sterilitatem anni remiserit, idem erit dicendum, quasi non sit donatio, sed transactio quid tarnen, si novissimus erat annus sterilis, in quo ei remiserit? Verius dicetur et si superiores uberes fuerunt et seit locator, non debere eum ad computationem vocari. (Übersetzung nach Otto/Schilling/Sintenis, Corpus, S. 438.) 531 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 570. 532 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 567 ff.; hinsichtlich der Rechtsnatur der remissio mercedis nehmen die meisten Autoren an, es handle sich im wesentlichen um die Regelung der Gefahrverteilung, die sich aus dem Vertrag locatio conductio ergibt; vgl. die Nachw. bei Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 568 Fn. 94, insb. Watson, Obligations, S. 110 ff.; Alzon, Labeo 12 (1966), S. 311, 314 ff.; Thomas, St. mem. Donatuti III, S. 1271, 1276 f.; Masi, St. mem. D'Amelio I, S. 273, 283; Sitzia, St. mem. D'Amelio I, S. 331, 360; de Neeve, SZ 100 (1983), S. 296, 339, 328; für eine Deutung als vertragsfremde Vergünstigung, „als Instrument gegen den Verfall der Landwirtschaft" hingegen Mayer-Maly, Locatio, S. 142 ff.; Käser, SZ 74 (1957), S. 155, 174.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

(3) Im griechisch-römischen Recht der Basiliken sei der Billigkeitsgedanke für sämtliche Beispielsfälle zur maßgeblichen Rechtfertigung avanciert 533 . Während die zentrale Entscheidungslegitimation „denn der Acker muss dem Pächter dergestalt gewährt werden, dass er davon Genuss ziehen kann" 5 3 4 in der Paraphrase völlig fehle, sei sie im Scholion nur noch auf den Fall des im Erdbeben abgegangenen Grundstücks bezogen, obwohl hier nicht nur die Nutzung vereitelt wird, sondern das Grundstück selbst überhaupt nicht mehr dem Pächter zur Verfügung steht 535 : Nach der neueren exegetischen Literatur ist damit „der für das klassische Recht entscheidende Gedanke verdrängt, daß dem Pächter nicht bloß das Grundstück ,als solches4 zu praestieren ist, sondern der fundus colendus, die Möglichkeit einer bestimmten Kulturtätigkeit" 536 .

b) Die Entwicklung von der Glosse bis zum preußischen ALR (1) Auch die Glosse 537 versteht die remissio mercedis als einseitige Begünstigung des Pächters und unterscheidet ebenso wenig wie das justinianische Recht zwischen höherer Gewalt und sterilitas. Die Gefahrtragung des conductor für die vitia ex ipsa re erscheint der Glosse als nicht problematisch, da das Nutzungsrisiko dem Pächter zugewiesen wird. Hingegen wird die Begünstigung des Pächters bei einer unabwendbaren sterilitas damit legitimiert, dieser habe für den Fall der ubertas, wenn er also übermäßigen Gewinn erwirtschaftet, einen entsprechend erhöhten Pachtzins zu entrichten. Dieser Äquivalenzgedanke dient der Glosse mithin zur eigentlichen Rechtfertigung der Remission 538 . (2) Bartolus 539 vergleicht die Pacht mit dem Kaufrecht und sieht den Pachtvertrag als Kauf der noch entstehenden Früchte. Da nach D. 18, 1,8 über eine nicht existierende Sache kein Kauf Zustandekommen kann, soll auch aus der Pacht keine 533 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 566. Die Paraphrase zu D. 19, 2, 15, 2 findet sich in Bas. 20, 1, 15, 2: Omnem vim, cui resisti non potest, dominus agnoscit: utputa fluminum, vel gruum, vel sturnorum, vel graculorum, vel similium, vel incursus hostium, vel si labe omnis fructus ablatus fuerit. Neque enim supra damnum seminis etiam mercedem conductor praestat. (Text aus Heimbach, Basilicorum II, S. 342.) 534 „oportere enim agrum praestari conductori, ut frui possit" 535 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 566 f. Schol. 3 zu Bas. 20, 1, 15, 2: Sed et si terrae motu fundus absorptus sit, ut non amplius appareat, simili modo damnum domini est. Dicet enim conductor domino: praesta mihi fundum, ut fructum eius percipiam. Impossibile autem est, fundum terrae voragine absorptum praestare. (Text aus Heimbach, Basilicorum II, S. 344.) 536 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 567. 537 Gl. cui zu D. 19, 2, 25, 6. 538 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 573 f. 539 Zu D. 19, 2, 25, 6.

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Verpflichtung entstehen, wenn die Früchte ausbleiben. Auch Bartolus begreift die remissio mercedis aber als eine außerordentliche Vertragshilfe, indem er den intolerablen Schaden in D. 19, 2, 25, 6 mit dem Tatbestand der laesio enormis nach C. 4, 44, 2 gleichsetzt540. Nach Baldus ergibt sich die remissio mercedis aus dem Umstand, dass die noch nicht perzipierten Früchte im Eigentum des verpachtenden dominus stehen 541 . Er begreift so die Zinsbefreiung als Sachgefahr der Früchte, die mit dem Zeitpunkt der Perzeption auf den Pächter übergeht 542. (3) Hugo Donellus begründet die remissio hingegen wieder aus dem frui licere, das der Verpächter zu praestieren sich verpflichtet habe. Indem sich die Fruchtziehung aus dem Gebrauch der Sache ergebe und der Verpächter diesen praestieren wolle, müsse er auch die Perzeption der Früchte praestieren 543. Auch bei Anton Faber legitimiert sich die Zinsbefreiung aus dem Vertragsinhalt 544 . Umgekehrt erklärt er nun die vitia ex ipsa re als Ausnahmeregel mit dem Verschuldensgedanken545. Begründeten die Humanisten die Zinsbefreiung somit zwar aus dem Inhalt des Vertrags locatio conductio, so begrenzten sie die remissio mercedis jedoch nur aufgrund einer vermeidbaren Unsorgfältigkeit bei der Bestellung des Grundstücks 546. (4) Hugo Grotius begreift die Pacht wiederum unter Verweis auf D. 19, 2, 2 als Kauf der Nutzungsmöglichkeit, so dass der Mieter die Gefahr einer zufällig vereitelten Nutzung ebenso tragen müsse wie der Käufer die Gefahr des zufälligen Sachuntergangs. Die remissio mercedis soll sich allein auf eine vertragliche Abmachung gründen oder aus einer gesetzlichen Begünstigung ergeben können: „Die Pacht und Miete steht, wie Gaius richtig bemerkt, dem Kaufe am nächsten, und es gelten für beide dieselben Regeln: Denn der Preis beim Kauf entspricht dem Zins oder der 540 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 574. 541 „donec pendet in agro damnum contingens in eis contingit in re domini"; zu C. 4, 65, 8; zit. nach Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 575. 542 Additio zu D. 19, 2, 15, 2; s. Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 575. 543 „Usum sequitur fructus, qui ex re percipitur, quem et ipsum conductori praestari volumus. Adeo autem huius perceptio conductori praestanda est, adeoque ut id fiat, ad ius et caussam locationis pertinet, ut placeat fundo locato, si quo anno sterilitas contigerit, quamvis casu sine culpa locatoris, quocumque casu id contigerit; tamen esse hie, quod locator conductori praestare debeat, nempe saltem mercedis remissionem et exonerationem." Donellus, Commentarli, Lib. XIII, Cap. VII, § 9; s. hierzu Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 577. 544 Die Einstandspflicht des Verpächters ergebe sich „ratione illa generali, quae adfertur in fine huius §. quod praestare debeat conductori ut frui possit". Faber, Rationalia I ad D. 19, 2, 15, 2, zit. nach Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 577. 545 „Haec enim cura & Providentia diligentioris coloni impediri potuerunt, neque ad vim maiorem ullmodo pertinent." Faber, Rationalia I ad D. 19, 2, 15, 2, zit. nach Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 578. 546 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 577 f., mit Nachw. zu D. Gothofredus, Cujaz, Voet und Gomez.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Miete, und das Eigentum der Sache dem Recht, sie zu benutzen. So wie also der Untergang der Sache den Eigentümer trifft, so naturgemäß die Unfruchtbarkeit oder andere Zufälle, welche die Benutzung hindern, den Mieter oder Pächter. Der Verpächter behält trotzdem seinen Anspruch auf den Zins, weil er das Recht zum Gebrauch so übergeben hat, wie es bei Abschluss des Vertrags bestand. Doch kann durch Gesetz oder Abkommen etwas anderes vorgeschrieben werden. Wenn jedoch ein Vermieter die Sache, die der Mieter zu benutzen gehindert ist, einem zweiten vermietet, so muss er das von diesem Empfangene dem ersten Mieter herausgeben, damit er sich nicht aus einem fremden Gegenstand bereichere 547." Hingegen w i l l Samuel Pufendorf die Unterscheidung zwischen vis, cui resisti non potest, und vitia ex ipsa re damit rechtfertigen, dass jene den Pächter seltener, diese dagegen häufiger beträfen 5 4 8 . Die Uneinheitlichkeit der Ansichten i m Naturrecht wird ferner durch die Begründung von Christian Wolff dokumentiert, der den Äquivalenzgedanken heranzieht. Danach hätte der locator auch bei einer Eigenbewirtschaftung keinen Gewinn aus dem Grundstück gezogen, so dass er i m Gegensatz zum conductor, der seine Arbeitskraft vergeblich eingesetzt hat, gar keinen Schaden erleide 5 4 9 . (5) I m usus modernus wird von August Leyser der Gedanke der clausula rebus sie stantibus verwendet, um aus dem Inhalt des Vertrags ein Remissionsrecht abzul e i t e n 5 5 0 . Als Beispiel nennt Leyser einen Fall, in dem ein Pächter der Pachtzinsklage „den durch die Weyhnachts-Fluth vom Jahr 1717 erlittenen grossen Schaden" entgegenhält: „Ob nun wohl Klägerin dawider einwendet, es wären Grotius, Habnius und andere von diesem angeführte Auetores der Meynung, ein Pachtmann könne wegen Mißwachses und anderer Unglücks-Fälle gar keinen Erlaß praetendiren. Alldieweil aber die obangeführte Auetores nur von der natürlichen Billigkeit, 547

„Locatio et conductio, ut recte a Caio dictum est, proxima est venditioni et emtioni, eisdemque regulis constistit. Respondent enim pretium pensioni sive mercedi, et rei dominium facultati utendi. Quare sicut res domino périt, ita naturaliter sterilitas, et alii casus qui usum impediunt, damno sunt conductoris: neque eo minus locator ius habebit ad pecuniam promissam, quia ipse facultatem utendi tradidit, quae eo tempore tantum valebat. qnanquam et legibus et pactis immutali id potest. Si tarnen locator, cum conductor primus re uti impeditus esset, alii earn locaverit, quicquid consecutus inde fuerit rependet primo conductori, ne ex re aliena fiat locupletior." Grotius, De Jure, Lib. II, Cap. XII, § XVIII. (Übersetzung nach Schätzel, Grotius, S. 252; Kirchmann, Grotius, S. 419 f.) 548 „Ubi adparet, temperamentum aquitatis consistere in diuisione casuum, queis fruetus possunt intereipi, in frequentiores & rariores." Pufendorf, Jus naturae, Lib. V, Cap. VI, §§ II, III, S. 746 ff., Zitat auf S. 748; s. zu Pufendorf Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 579. 549 „Etenim naturaliter spectanda aequalitas inter usum rei ac mercedem ... Quamobrem si res locata eum habere usum nequeat, quae mercedem adaequat, naturaliter pro usus deficientis merces remittenda". Wolff, Jus naturae, Pars IV, Cap. IV, § 1300, S. 920 f.; s. zu Wolff Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 579 f. 550 Leyser, Meditationes, Vol. IV, Spec. CCXVII, VII., S. 679 f. „Omni promissioni inest tacita restrictio, rebus sie stantibus... Inest ergo eadem promissioni conductoris... At in locatione, quae semper fere fructibus nondum natis aut immaturis celebratur, futura messis aut collectio potissimum consideratur atque intuitu ejus merces promittitur."

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daß nemlich nach selbiger der Pächter keinen Erlaß begehren könne, handeln, hingegen, daß in den geschriebenen Rechten ein anders verordnet sey, zugestehen, gestalt denn solches deutlich ex 1. 15. § 2. Locati, wo insonderheit vom WasserSchaden gehandelt wird, erhellet, welchen Legem andere Lehrer des natürlichen Rechts, insonderheit Pufendorff, der Vernunft und Billigkeit höchst gemäß zu seyn behaupten."551 (6) Auch im preußischen Allgemeinen Landrecht traf grundsätzlich den Pächter das Nutzungsrisiko, zumal dieser nach preußischem Recht das Eigentum an den Früchten nicht erst mit der Perzeption, sondern gleich mit ihrer Entstehung erlangte und ihn so die Sachgefahr treffen musste 552 . Jedoch enthielt das ALR eine an der vis maior und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pächters ausgerichtete Regelung im 21. Titel des ersten Teils 553 . § 299 bestimmte zunächst für die Miete: „Ist der Miether eines Gebäudes durch höhere Gewalt, oder durch einen nicht in seiner Person sich ereignenden Zufall auf längere Zeit, als einen Monath, des Gebrauchs desselben ganz oder zum Theil entsetzt worden: so kann er von dem Vermiether verhältnismäßigen Erlaß am Zinse fordern." Für die Landpacht statuierte sodann § 307: „Ist der Pächter eines Landguts durch einen solchen § 299 beschriebenen Zufall, zur Ausübung seines Nutzungsrechts, auf Ein oder mehrere Jahre außer Stand gesetzt worden: so kann ihm für diese Zeit kein Pachtzins abgefordert werden." Insbesondere gab aber § 478 ein allgemeines Remissionsrecht: „Außer dem allgemeinen Grundsatze § 307 kann der Pächter einen Nachlaß an dem Pachtzinse fordern, wenn der gewöhnliche Ertrag des Guts durch außerordentliche Unglücksfälle beträchtlich vermindert worden." Den Charakter einer an der wirtschaftlichen Situation des Pächters orientierten Billigkeitsregelung erhielten die Bestimmungen auch durch § 484 („Dergleichen Remission findet ferner nur alsdann statt, wenn nicht nur in derjenigen Wirthschaftsrubrik, welche der Unglücksfall betroffen hat, ein erheblicher Verlust nachgewiesen, sondern auch ausgemittelt ist, daß dieser Verlust durch den reichlichem Ertrag der übrigen Rubriken nicht ersetzt worden."), durch § 485 („Der Pächter kann also nur in so fern Remission fordern, als er nachzuweisen vermag, daß das Gut, in dem laufenden Wirtschaftsjahre, durch alle Rubriken zusammen genommen, nach Abzug der Ausgaben, nicht so viel, als der Pachtzins ausmacht, getragen habe.") sowie durch die Klarstellung des § 486 („Das, was solchergestalt an dem Pachtzinse fehlt, ist der Verpächter zu erlassen verbunden."). Neben diesen Befreiungen sah das ALR noch bei „äußeren Zufällen" sog. „Partialremissionen" in den §§ 500 ff. „bey Mißwachs" und in §§ 519 f. „bey Brandschaden" vor, bei denen der Pächter nach § 501 jedoch nur so viel absetzen konnte 551 Leyser, Meditationes, Vol. IV, Spec. CCXVII, VII., S. 679 f. 552 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 581. 553 Vgl. ALR, S. 320, 326 ff.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

„als zur Saat für das folgende Wirtschaftsjahr, und zur Wirthschaftsnothdurft bis zur nächsten Erndte erforderlich war".

c) Die widerstreitenden

Auffassungen im gemeinen Recht

(1) Die herrschende Meinung des jüngeren gemeinen Rechts erfasste die remissio wiederum als Gefahrtragungsregel. Nach Glück „stehen die Früchte der Pachtung vor der Perception nicht auf der Gefahr des Pächters, sondern der Verpächter muß, als Eigenthümer, den Schaden tragen". Denn der Pächter erwerbe „erst durch die Perception, d. h. durch Apprehension des Besitzes, das Eigenthum". Es sei daher „ganz der Natur des zweyseitigen Contracts gemäß, daß wenn der Pächter die Früchte, für deren Perception ihm der Verpächter stehen muß, nicht erhält, derselbe auch in Rücksicht der Früchte versprochene Pachtgeld nicht zu bezahlen schuldig sey" 5 5 4 Trotz einer ausdrücklichen prinzipiellen Ablehnung einer „besonderen Begünstigung des Pächters" 555 tritt bei Glück jedoch in zweiter Linie noch der Billigkeitsgedanke in Erscheinung. So soll der Anspruch auf Erlass wegfallen, „wenn bey einer auf mehrere Jahre eingegangenen Pachtung der Schaden des unglücklichen Jahres schon durch den reichlichen Ertrag der vorhergehenden Jahrgänge ersetzt worden ist" 5 5 6 . „Denn der Verlust des einen Jahrs" müsse hier „immer mit dem Gewinn der übrigen Jahre aufgerechnet werden". Es könne sogar, „wenn auch der Pächter wegen erlittenen Schadens Erlaß erhalten hätte, und hierauf die folgenden Pachtjahre besonders fruchtbar sind, der verwilligte Erlaß widerrufen und der volle Betrag des Pachtgeldes ... noch nachgefordert werden". Denn nach der „Absicht der Contrahenten" sei der Verpächter „nicht gemeint, dem Pächter ein Geschenk zu machen, sondern nur seinen Verlust abzugleichen" 557 . (2) Der auf die Gefahrtragung hinsichtlich der Früchte ausgerichteten Risikoverteilung hielt Seil entgegen, dass die Regel nicht anwendbar sei, wenn „das Grundstück ... gar keine Früchte hervorgebracht hat", da man „diesen Fall nicht zu den 554 Glück, Pandecten 17, 19. Buch, 2. Tit., § 1056, S. 456 f.; ebenso Arndts R. v. Arnesberg, Pandekten, § 312, S. 616; Mackeldey, Lehrbuch II, § 378 pos. 1; Thibaut, System, § 515 c; v. Wening-Ingenheim, Lehrbuch III, § 160; auf ökonomische Aspekte abstellend hingegen Schweppe, Jur. Magazin 1/1, S. 51 ff.; s. auch Puchta, Vorlesungen, S. 235 f. 555 Glück, Pandecten 17, 19. Buch, 2. Tit., § 1056, S. 457 Fn. 52; anders Westphal, Kauf, § 972, S. 594 f. 556 Glück, Pandecten 17, 19. Buch, 2. Tit., § 1056, S. 467. 557 Glück, Pandecten 17, 19. Buch, 2. Tit., § 1056, S. 469 f.; ebenso Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 219 f.; Windscheid, Pandekten, § 400/2, S. 460; Windscheid/Kipp, Pandekten, § 400/2, S. 738; Windscheid, Voraussetzung, S. 122, erklärt diese Regel freilich mit seiner Lehre von der Voraussetzung, indem anzunehmen sei, der Verpächter „habe unter der Voraussetzung erlassen, daß nicht der Verlust des einen Jahres durch den Gewinn eines anderen gedeckt werden würde". Denn es liege „auf der Hand, daß er ihn nur gegen einen Verlust hat decken wollen".

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Zufällen an den Früchten, oder gar den noch nicht percipierten Früchten rechnen" könne. Andererseits sei aber in dem „Begriffe des Wortes sterilitas" der Fall enthalten, dass der Zufall die „hier nur die Früchte tragende Sache selbst" trifft 5 5 8 . Auch Seil begreift die remissio mercedis als eine Antwort auf die Frage „wer den Zufall zu tragen habe", verbindet sie aber daneben mit der Leistungspflicht des Verpächters. Das römische Recht lege „diese Verpflichtung im Allgemeinen dem locator, Verpächter, auf, da er zum einen als dominus fundi „Eigenthümer der mit seiner Hauptsache verbundenen Nebensache" und er zum anderen nach der „Natur des Mieth- und Pachtvertrags" verpflichtet sei, „den gehörigen Gebrauch des verpachteten Gegenstandes" zu leisten, und zwar so, dass der Pachter die Früchte der gepachteten Sache ziehen kann, weil auf den Früchtebezug der ganze Contract gerichtet ist" 5 5 9 . Denn das „Wesen des Pachtcontracts" bestehe „nicht in dem Gebrauch der Sache ganz im Allgemeinen, sondern in dem Gebrauch derselben zu dem besonderen Zwecke des Früchtegenusses (oportere agrum praestari conductori, ut frui possit)", vielmehr habe „die Möglichkeit des Gebrauchs an sich, ohne den Früchtebezug, rechtlich gar keinen Werth" 560 . (3) Auch nach Brinz trifft den Verpächter das periculum rei bei Unfällen, „welche das Wachsthum der Früchte (,Wonne und Weide') treffen (damnum circa fructus)". „Zinsforderungsberechtigt" werde er „nur durch Gewährung (Ermöglichung) des uti frui, und insoweit er dieses gewährt: einmal durch Erstellung des Grundstückes überhaupt, dann durch Erstellung eines in seiner Nutzbarkeit von jener vis divina verschonten Grundstückes". So wie es „keinen Kauf und Kaufschilling sine re", gebe es „auch keinen Pachtschilling ohne Nutzung" 561 . (4) Hatten die genannten Autoren einerseits die remissio mercedis damit erklärt, dass der Verpächter „den Zufall übernehmen" müsse, „weil dieser die Erfüllung seiner Verbindlichkeit unmöglich macht" 562 , so sahen sie sich andererseits mit der Aufgabe konfrontiert, die Einschränkungen dieser Regel, insbesondere im Falle von vitia ex ipsa re, zu legitimieren. Bereits in der gemeinrechtlichen Lehre wurden hier viele aus der romanistischen Literatur bekannte Deutungen vertreten. So ergibt sich nach Seil aus den in den Quellen gegebenen Beispielen, dass die remissio mercedis einen „von Außen hinzukommenden" und „unabwendbaren Zufall" voraussetzt, die der Pächter nicht durch „Anwendung der gehörigen Sorgfalt" verhüten konnte 563 . Vitia ex ipsa re seien also solche Fälle, in denen „dem colonus wenigstens einige culpa zur Last fällt" 5 6 4 . Zudem müsse es sich um eine „ungewöhnliche Ursache des Schadens" handeln und ein „bedeutender Schaden" einge558 Seil, AcP 20 (1837), S. 188,202 ff. 559 Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 190. 560 Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 203. 561 Brinz, Pandekten II / 2, § 331, S. 757 f. 562 So etwa Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 191. 563 Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 210 f., 225 f. 564 Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 213.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

treten sein, indem es nicht genügt, dass nur „geringe oder wenige Früchte hervorgebracht" wurden, sondern es erforderlich ist, dass die Früchte vollkommen „zerstört oder verdorben" sind 565 . Auch nach Brinz muss der Zufall „nicht blos von der Art sein, daß ihm nicht zu entgehen ist, sondern auch von außen kommen ( . . . ) , außergewöhnlich, und von übermäßigem Nachtheil sein", denn „den mäßigen muß sich der Pächter gefallen lassen, da ihm auch der übermäßige Gewinn bleibt 566 . Ein „von Mißwachs überhaupt freies Land" brauche „der Verpächter nicht zu stellen; der der gemeinen Art ist die Gefahr des Pächters" 567. Nach Glück hat der Pächter den Schaden zu tragen, wenn dieser „nicht von Aussen kommt, sondern aus der Sache selbst herrührt, ζ. B. wenn der Wein am Stocke sauer wird, welches in Italien kein ungewöhnlicher Fall seyn mag oder wenn die Saat durch Würmer, welche die Wurzeln anfressen, verdorben oder durch Unkraut erstickt wird". Denn hier habe er den Schaden „gewöhnlich seiner Nachlässigkeit zuzuschreiben. Schon den Römern waren die Mittel zur Abwendung dieser Uebel nicht unbekannt" 568 . Sintenis verweigerte eine Remission bei Schäden aufgrund verderbter Früchte 5 6 9 , während nach Vangerow im Fall einer Unergiebigkeit wegen dem Pächter bekannter schlechter Lage oder sonstiger schlechter Beschaffenheit des Bodens der volle Pachtzins zu zahlen ist 5 7 0 . Nach Westphal sollen die vitia ex ipsa re als vermeidbare, bekannte oder erkennbare Schäden anzusehen sein 571 . (5) Die herrschende Meinung blieb jedoch nicht ohne Widerspruch. Ebenso wie sich Jacobi für das preußische Recht gegen die Vorstellung zur Wehr gesetzt hatte, dass der Verpächter dafür einzustehen habe, „wenn sich der Inhalt des an für sich gewährten jus utendi fruendi an der verpachteten Sache auf Wenig oder Nichts reduciert" 572 , wandte sich auch Westphal für das gemeine Recht gegen die Einordnung der remissio mercedis als Gefahrtragungsregel, da es sich vielmehr um ein Institut der aequitas handle 573 . Auch nach Wendt trifft das periculum rei den Verpächter nur, „wenn die Nutzung durch einen die Sache treffenden Zufall unmöglich wird". Zwar sollen die 565 Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 228 ff. 566 Brinz, Pandekten II / 2, § 331, S. 757 Fn. 28. 567 Brinz, Pandekten II / 2, § 331, S. 758. 568 Glück, Pandecten 17, 19. Buch, 2. Tit., § 1056, S. 449 Fn. 33. 569 Sintenis, Civilrecht II, § 118 Anm. 74, S. 667. 570 Vangerow, Pandekten III, § 641 Anm. 1, S. 448; ebenso auch Seil, AcP 20 (1837), S. 188, 223 ff.: „ . . . denn der Pächter hätte sich ehe er das Grundstück gepachtet, über dessen Ertragsfähigkeit unterrichten ... können". 571 Westphal, Kauf, § 972, S. 596. 572 Jacobi, Remission, S. 16; ebenso Förster, Preuß. Privatrecht II, § 136, S. 224 ff.; Jacobi, Remission, S. 121, schließt hieraus die Forderung nach legislativer Beseitigung der remissio mercedis. 573 Westphal, Kauf, § 972, S. 594 f.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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„Miethgeschäfte" allgemein die „Nutzung zum Inhalt" haben, jedoch wird dies von Wendt nur als Recht zur Nutzung verstanden. Daher sei „bei der Ackerpacht ... der Ausfall der Ernten, deren Reichlichkeit oder Dürftigkeit, im Allgemeinen zum Vortheil oder Nachtheil des Pächters gelegt". Die „Remission des Pachtgeldes" soll den Pächter „nur nach billigem Ermessen entlasten", wenn durch besondere, „außerhalb der gewöhnlichen Erwartungen" liegende Ereignisse „(vis major oder Gottes Gewalt)" ein „Schaden der Ernte" eintritt 574 .

d) Die remissio mercedis in den Beratungen zum BGB (1) Die Auffassung, dass es sich bei der remissio mercedis um ein Instrument der Billigkeit handle, hatte sich schließlich auch bei den Beratungen zum BGB durchgesetzt. Damit war die Regelung für den Geist, aus dem heraus das Gesetz entstand, diskreditiert 575 . Bereits die erste Kommission entschied sich daher - in ausdrücklicher Übereinstimmung mit dem sächsischen GB und dem Dresdner Entwurf von 1866 - „für die gänzliche Beseitigung des Remissionsanspruches". Man ging davon aus, „daß der Verpächter ... zwar die Gefahr solcher Unglücksfälle zu tragen hat, welche, den Pachtgebrauch selbst treffend, überhaupt die Möglichkeit der Fruchtziehung ausschließen oder beeinträchtigen, ζ. B. das verpachtete Grundstück zur Fruchtbestellung untauglich machen, dass dagegen nach den allgemeinen Grundsätzen der Verpächter nicht auch die Wirklichkeit des Fruchtbezuges zu vertreten hat, vielmehr ein Zufall, welcher die Früchte oder deren Entstehung trifft, vom Pächter getragen werden muß". Erscheine aber „das Recht des Pächters, in Fällen der letzteren Art den Pachtzins zu mindern, ein des rechtlichen Fundamentes entbehrendes, blos auf Billigkeit beruhendes Recht", so lasse sich dies nur bei einem dringenden praktischen Bedürfnis rechtfertigen, das aber, „wenigstens bei den Verhältnissen der Gegenwart," nicht vorliege. Zwar sei nicht zu verkennen, „daß die Beseitigung des gesetzlichen Anspruches auf Remission unter Umständen, namentlich bei kurzen Pachtungen und für den weniger vorsichtigen Pächter, zu Härten führen kann". Indessen falle „diese Erwägung gegenüber den ... Bedenken nicht ins Gewicht", so dass es den privatautonomen Vereinbarungen überlassen bleiben könne, „für die Beseitigung etwaiger Härten zu sorgen" 576 . (2) In der zweiten Kommission wurde durch zwei Anträge nochmals vergeblich versucht, die remissio mercedis, die schließlich nicht nur „im weitaus überwiegenden Theile des Deutschen Reiches" geltendes Recht, sondern auch im holländischen, italienischen und Schweizer Recht anerkannt sei, in das BGB zu inkorporieren. Auch die Befürworter der Änderungsanträge erachteten den Erlassanspruch 574 Wendt, Pandekten, § 259, S. 625. 575 Ernst, SZ 105 (1988), S. 541, 583. 576 Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 236 f.; Jakobs / Schubert, Schuld Verhältnisse II, S. 621. 11 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

aber nicht etwa als „eine Folgerung aus allgemeinen Grundsätzen", vielmehr führten sie ins Feld, dass für denselben „beachtenswerte Billigkeitsgründe" sprächen. Schon „nach der natürlichen Auffassung bilde der Pachtzins den Gegenwerth für den wirklichen Fruchtgenuß". Zudem erwachse dem Pächter ein dreifacher Schaden, wenn er neben dem „Verluste der auf die Bestellung verwendeten Arbeit und Kosten" und dem Gewinnausfall auch noch den Pachtzins entrichten müsse. Schließlich träfen die Gründe, aus denen in den Motiven „das Bedürfnis für die Anerkennung eines Erlaßanspruches des Pächters verneint werde ... im Allgemeinen bei kleinen Pachtungen nicht zu" 5 7 7 . Trotz dieser Bedenken ließ sich die Mehrheit der zweiten Kommission jedoch nicht umstimmen, denn „der gesetzliche Anspruch auf Zinsherabsetzung stehe mit der heutigen Auffassung des Pachtverhältnisses nicht im Einklänge: Der Verpächter wolle eine feste Rente beziehen; der Pächter übernehme den Betrieb und mit dem günstigen auch den ungünstigen Erfolg desselben." Es entspreche „im Allgemeinen" nicht der „Billigkeit, den Schaden von dem zunächst Geschädigten auf den Verpächter abzuwälzen, wie bei Nachtheilen, welche der Pächter durch Krankheit, Brand u. dergl. erleide". Ferner führe „die Gewährung eines gesetzlichen Herabsetzungsanspruches ... zu vielfachen Streitigkeiten und bringe den Pächter in Versuchung, die Folgen eines Unglücksfalles zu vergrößern, um die Voraussetzungen für den Anspruch zu schaffen. Schließlich wurde das, angesichts der Vielzahl von heute gerade im Mietrecht streitigen Fällen der Störung des Verwendungszwecks, bemerkenswerte Argument angeführt, es sei nicht gerechtfertigt, „den Remissionsanspruch willkürlich auf die Pachtung landwirtschaftlicher Grundstücke" zu beschränken 578. So blieb es zunächst bei der Beseitigung der remissio mercedis ab dem Inkrafttreten des BGB bis zum bereits oben dargestellten Erlass der Pachtschutzverordnung von 1920. Die in den Beratungen unwidersprochen gebliebene, allgemeine Qualifizierung der remissio mercedis als Billigkeitsregelung verhinderte die Anerkennung als Leistungsstörungstatbestand und damit als sich im Hinblick auf den gegenseitigen Vertrag ergebende Rechtsfolge. Stattdessen erachtete man das Remissionsrecht schlechthin als vertragsfremde und damit grundsätzlich abzulehnende einseitige Begünstigung des Pächters. Eine im ersten Entwurf noch enthaltene klarstellende Bestimmung wurde daher von der zweiten Kommission

577 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 881; kritisch zum Entwurf auch Hartmann, AcP 73 (1888), S. 309, 357 ff., der mahnte, „die moderne Civilgesetzgebung müsse mit einem starken Tropfen sozialpolitischen Oeles gesalbt sein", und dass „eine gewisse Proportionalität zwischen dem Empfangenen und der geschuldeten Gegenleistung ex fide bona nicht außer Augen gelassen werden dürfe". 578 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 882 f.; so auch das Argument Struckmanns im Bundesrat (Justizausschuss) gegen den Antrag Badens, der vorgebrachte „Billigkeitsgrund" müsste sonst „auch zu Ermäßigungsansprüchen bei vielen anderen Verträgen, z. B. der Pacht eines Sommerrestaurants bei einem regnerischen Sommer führen", vgl. Jakobs/ Schubert, Schuldverhältnisse II, S. 627.

Α. Das Nutzungsrisiko bei der Landpacht als Modell für die Gefahrtragung

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gestrichen, da diese etwas ausspreche, was sich „nach den allgemeinen Bestimmungen des Entw. von selbst verstehe" 579 .

III. Die Ergebnisse der historischen Analyse 1. Angesichts der Vielfalt der in der exegetischen Literatur vertretenen Auffassungen zur remissio mercedis lässt sich zunächst festhalten, dass heute keine gefestigte Rechtsauffassung darüber besteht, ob die Remission des Pachtzinses bei der Landpacht auf einer Gefahrtragung des Verpächters oder auf dem Gedanken der Billigkeit beruht. Es ist daher nicht ohne weiteres möglich, die von der neueren remissio-Forschung vertretene Interpretation als eine zeitlose Gerechtigkeitsvorstellung anzuerkennen, die lediglich zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten wäre. Schon die Unklarheit der Quellen selbst, spätestens aber die nachklassische Rechtsentwicklung lassen ein derartiges historisches Argument nicht ohne weiteres zu. Da sich in der Geschichte mit der Begründung der remissio mercedis gleichzeitig auch immer die Kriterien änderten, die von den einzelnen Autoren vor eine Pachtzinsreduzierung gesetzt wurden, lässt sich als weiteres Ergebnis der historischen Analyse festhalten, dass angesichts der Vielzahl der denkbaren Zweckstörungsfälle auch schon in der Geschichte kein vollkommen klarer Gesichtspunkt gefunden worden ist, der generell eine sichere Differenzierung zwischen rechtlich beachtlichen und unbeachtlichen Störungen des Verwendungszwecks erlaubt hätte. Für das Landpachtrecht ergibt sich somit ein ganz ähnliches Bild, wie es bereits allgemein für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks festgestellt werden konnte. Immerhin erscheint jedoch die von der neueren romanistischen Literatur vertretene Auffassung von dem servianischen Schema als plausibel, eine Gefahrtragung des Verpächters aus der Nichterfüllung seiner Vertragspflichten zu begründen, indem der Verpächter zwar nicht die Voraussetzungen der Kultivierung schaffen muss, er jedoch aufgrund der Äquivalenz mit der Gegenleistung des Pächters das Risiko zu tragen hat, wenn durch „unwiderstehliche Gewalten" dem Pächter von vornherein die Möglichkeit genommen ist, den üblichen Ernteertrag zu erzielen. Dies gilt umso mehr, als in dieser Leitidee auch zugleich eine Begrenzung der Gefahrtragung des Verpächters mit angelegt ist, nach der bei einem bloßen Scheitern der Bewirtschaftungstätigkeit als solcher es an sich möglich gewesen ist, das Landgut zu kultivieren und einen Ernteertrag zu erzielen. Aus der vollständigen Vertragserfüllung des Verpächters folgt der Fortbestand der Gegenleistungspflicht des Pächters selbst dann, wenn dies zu seinem wirtschaftlichen Ruin führen sollte.

579 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 883. 11*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Dieser Konzeption lassen sich - in Parallelität zu den neueren objektiven Lehren von der Geschäftsgrundlage - die Auffassungen gegenüberstellen, die die Reduzierung der Pachtzinsen nicht mit einer (teilweisen) Nichterfüllung des Landpachtvertrags, sondern mit der von der Missernte hervorgerufenen prekären wirtschaftlichen Lage des Pächters rechtfertigen. Die so aufgrund des Gedankens der Billigkeit gewährte Remission soll danach immer dann erfolgen, wenn die Schäden außerordentlich hoch und nicht durch eine Verletzung von Sorgfaltspflichten des Pächters hervorgerufen sind. 2. Die Uneinheitlichkeit der Auffassungen zur remissio mercedis hindert indessen nicht daran, das anhand der Ulpianstelle herausgearbeitete Schema einer Gefahrtragung für Störungen des Verwendungszwecks bei der Landpacht als ein exemplarisches Modell für eine generelle Lösung unserer Problematik zu nutzen. Es ist im Folgenden freilich erst noch zu begründen, weshalb der Verwendungszweck des Gläubigers als Element der Leistunspflicht des Sachleistungsschulders erfasst werden kann. Ebenso sind die daraus folgenden Kriterien erst noch herauszuarbeiten, die eine Differenzierung zwischen rechtlich beachtlichen und unbeachtlichen Verwendungszwecken erlauben. Folgt man dem aufgezeigten Schema, so werden die Risikobereiche der Parteien des Landpachtvertrags im Grundatz dergestalt abgegrenzt, dass der Verpächter die Möglichkeit zur vertraglichen Nutzung des Landguts, nämlich zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, gewährleistet, während der Pächter das Risiko des Scheitern seiner Bewirtschaftungstätigkeit trägt. Eine solche begrenzte Gewährleistung des Verpächters für Nutzungsstörungen der Pachtsache setzt voraus, dass die landwirtschaftliche Bewirtschaftung als Verwendungszweck Inhalt des Landpachtvertrags, oder genauer Inhalt der vertraglich vereinbarten Leistungspflicht des Verpächters geworden ist. Gerade für die Landpacht liegt eine solche Vereinbarung aber besonders nahe, auch wenn ausdrückliche Abreden hierüber regelmäßig nicht oder nur unvollkommen vorliegen werden. Denn „durch den Landpachtvertrag wird ein Grundstück ... zur Landwirtschaft verpachtet" (§ 585 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Nutzung der Pachtsache „zur Landwirtschaft" ist damit ein Element der Landpacht als Vertragstypus und entsprechend die Voraussetzung, um einen konkreten Vertrag überhaupt dem Typus der Landpacht zuordnen zu können. Ergibt sich so der vertragstypische Verwendungszweck bereits aus dem „Wesen" des Landpachtvertrags, so folgt umgekehrt aus der Vereinbarung „Verpachtung zur Landwirtschaft" eben diese Typenzuordnung. Die landwirtschaftliche Nutzung als vertragsspezifischer Verwendungszweck und der Vertragstypus Landpacht bedingen sich mithin gegenseitig. Kennzeichnen aber die Vertragstypen nichts anderes als die typisierten Inhalte von Verträgen, so muss sich für den Landpachtvertrag der vertragstypische Verwendungszweck aus dem Inhalt des Vertrags und damit aus den Willenserklärungen der Vertragsparteien ergeben. Entgegen der Lehre von der Geschäftsgrundlage spricht somit viel dafür, dass der Verwendungszweck zumindest bei der Landpacht nicht nur eine Grundlage, sondern vielmehr Inhalt des

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Geschäfts ist. Der Verwendungszweck „zur Landwirtschaft" wäre demnach also Vertragsinhalt; er wäre der vereinbarte „vertragliche Verwendungszweck". Begreift man weiter den vertraglichen Verwendungszweck als Element der Leistung des Verpächters, so handelt es sich bei einer Störung des Verwendungszwecks um eine schlichte Nichterfüllung des Pachtvertrags, indem auch ohne eine Erfüllungspflicht, d. h. ohne eine Pflicht des Verpächters, die Möglichkeit zur vertraglichen Nutzung durch eine Tätigkeit herbeizuführen, dennoch eine Pflicht besteht, für den durch Zufall vereitelten vertraglichen Verwendungszweck mit dem eigenen Anspruch auf die Gegenleistung einzustehen. Das Verständnis des Verwendungszwecks als vertraglichen Verwendungszweck und weiter die Vorstellung von dem vertraglichen Verwendungszweck als Bestandteil der Leistung des Sachleistungsschuldners ist damit jedoch noch keineswegs bewiesen. Das Landpachtrecht soll vielmehr nur als Anschauungsmaterial zur exemplarischen Darstellung eines grundsätzlichen Lösungsmodells dienen. Immerhin gibt das Landpachtrecht und insbesondere seine historische Entwicklung hierfür aufschlussreiche Anhaltspunkte. Die eigentliche Begründung und die hierauf basierende Herausarbeitung von Unterscheidungskriterien ist im Folgenden jedoch erst noch zu leisten.

B. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung I. Der vereinbarte Verwendungszweck als Element der Leistungspflicht 1. Die These Die Auseinandersetzung mit den bisherigen Versuchen zur Lösung der Problematik der Störung des Verwendungszwecks hatte insbesondere gezeigt, dass es der Rechtsprechung und der Lehre bislang nicht gelungen ist, trennscharfe Kriterien für das Vorliegen von rechtlich relevanten Zweckstörungen zu entwickeln. Daneben sind auch nicht unerhebliche Begründungsdefizite zutage getreten. Es muss daher das Anliegen der vorliegenden Arbeit sein, dogmatisch begründete Abgrenzungsmerkmale herauszuarbeiten und ihre Tauglichkeit an konkreten Fällen zu überprüfen. Ein exemplarisches Modell für die Verteilung der Gefahr bei Störungen des Verwendungszwecks ist bereits dargestellt worden. Auf dieser Grundlage lauten unsere Thesen wie folgt: a) Jeder gegenseitige Vertrag beinhaltet eine - zumeist stillschweigende - Abrede über den vertraglich geschuldeten Verwendungszweck der Leistung, der als Bestandteil der Leistung Inhalt und nicht nur Grundlage des Geschäfts ist. Der vertraglich vereinbarte Verwendungszweck ist hierbei nichts anderes als ein gewöhn-

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

licher geschuldeter Erfolg, geschuldet nicht etwa in dem Sinne, dass der Sachleistungsschuldner ihn durch zielgerichtete Leistungshandlungen herbeizuführen hätte, wohl aber in der Weise geschuldet, dass die geschuldete Leistung ohne die Erreichung des geschuldeten Verwendungszwecks nicht erfüllt ist. Die rechtlich relevante Zweckstörung ist damit lediglich eine besondere Form der Leistungsstörung, so dass aus der Nichterreichbarkeit des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks ohne weiteres das Entfallen der Gegenleistungspflicht folgt. Die Kriterien für die Abgrenzung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Störungen des Verwendungszwecks ergeben sich aus diesen Prämissen entsprechend den Regeln des Leistungsstörungsrechts. Die vertraglich vereinbarte Gegenleistung ist immer dann nicht geschuldet, wenn - erstens - die Leistung des Sachleistungsschuldners insoweit nicht vollständig erbracht ist, als der geschuldete Verwendungszweck nicht erreicht werden kann, und - zweitens - die Nichterreichbarkeit des Verwendungszwecks nicht auf einem ursprünglich im Bereich des Gläubigers eingetretenen Umstand beruht. Für die Frage nach dem geschuldeten Verwendungszweck ist es jeweils maßgeblich, welcher Verwendungszweck als Bestandteil der Leistung zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden ist. Haben die Vertragsparteien - wie üblich - keine ausdrückliche Abrede über den geschuldeten Verwendungszweck getroffen, so bestimmt er sich im Wege der Auslegung des Geschäfts nach dem das Leistungsstörungsrecht beherrschenden Äquivalenzgedanken. Denn in gegenseitigen Verträgen ist der geschuldete Verwendungszweck das eigentliche Äquivalent der Gegenleistung, so dass der Wert der Leistung dem vereinbarten Verwendungszweck entsprechen muss. Die Leistungsabrede über den Verwendungszweck beinhaltet, dass die Leistung ihren Wert gerade mittels des durch sie ermöglichten vereinbarten Verwendungszwecks erlangt. Oder anders gewendet: Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Leistung im Falle einer zufälligen Vereitelung dieses Verwendungszwecks per se nutzlos und damit wertlos wird. Als vereinbart ist mithin derjenige Verwendungszweck anzusehen, auf dem bei wertender Betrachtung der zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Preis der Leistung beruht. Maßgebliches Abgrenzungsmerkmal ist also, ob es sich bei dem fraglichen Verwendungszweck um die wertbildende Nutzung der Leistung handelt. Geben die Erklärungen der Vertragsparteien hierfür nichts her, so ist in einer typisierenden Betrachtungsweise derjenige Verwendungszweck geschuldet, auf dem bei wertender Betrachtung der zwischen den Parteien eines „solchen" Vertrags üblicherweise vereinbarte Preis der Leistung beruht. Im Zweifel ist damit nur derjenige Verwendungszweck der vereinbarten Leistung geschuldet, ohne den im Verkehr der Wert einer „solchen" Leistung entfiele. Die Abgrenzung der rechtlich beachtlichen Verwendungszwecke bemisst sich mithin nach zwei kumulativ zu prüfenden Kriterien: Zum einen kommt es darauf an, welchen Verwendungszweck die Parteien als die „Soll-Nutzbarkeit" der Leis-

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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tung - entsprechend der „Soll-Beschaffenheit" einer Sache - vereinbart haben. Zum anderen ist es maßgeblich, ob die Störung dieses vereinbarten Verwendungszwecks nicht Folge eines Ereignisses ist, das sich unmittelbar im persönlichen oder sachlichen Verantwortungsbereich des Gläubigers niedergeschlagen hatte. b) Der Schuldner hat im Sinne des ersten Kriteriums nur dann die Gefahr einer Unrichtigkeit oder Veränderung der von den Parteien angenommenen Wirklichkeit zu tragen, wenn die Sachleistung nach dem Vertrag einen bestimmten Verwendungszweck ermöglichen sollte und gerade dieser Verwendungszweck vereitelt worden ist. Der für die rechtliche Wertung erforderliche subjektive Anknüpfungspunkt ist damit nicht etwa eine Vereinbarung über die Rechtsfolgen der Störung eines bestimmten Verwendungszwecks oder eine (stillschweigende) Vereinbarung über eine auflösende Bedingung des Vertrags, sondern lediglich die Vereinbarung über einen bestimmten Verwendungszweck, der mit der Leistung erreicht werden kann. Die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit des so vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks ergeben sich mithin nicht unmittelbar aus dem Vertrag, sondern ohne weiteres objektiv aus dem Grundsatz des Leistungsstörungsrechts, nach dem der Vertragspartner immer dann von der Gegenleistung befreit wird, wenn die Hauptleistung nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Nach unserer These ist es zur Lösung der Problematik der Störung des Verwendungszwecks erforderlich, eine vereinbarte Soll-Nutzbarkeit der Sachleistung als Bestandteil der Leistung zu begreifen und infolgedessen die Unmöglichkeit des so vereinbarten Verwendungszwecks als Unmöglichkeit der Leistung zu erfassen. Es würde sich hierbei um solche Leistungsstörungen handeln, die Störungen der vertraglichen Nutzung sind. Die rechtlich relevante Störung des Verwendungszwecks soll daher im Folgenden kurz als Nutzungsstörung bezeichnet werden. c) Die rechtliche Beachtlichkeit von Nutzungsstörungen erfährt im Sinne des zweiten genannten Kriteriums eine wichtige Einschränkung durch den Grundsatz, dass die Gefahr für die Erreichbarkeit der vereinbarten Nutzung nur soweit vom Schuldner zu tragen ist, wie die Unmöglichkeit dieses Erfolgs nicht durch ein Ereignis verursacht wurde, das sich originär im Bereich des Gläubigers niedergeschlagen hat. Selbst bei der Unmöglichkeit eines vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks kommt es für die Befreiung von der Gegenleistung daher immer zusätzlich darauf an, ob die Nutzungsstörung nicht durch einen Umstand herbeigeführt worden ist, der originär nicht die Leistung des Sachleistungsschuldners, sondern vielmehr den Sach- oder Lebensbereich des Gläubigers getroffen hat. Wird beispielsweise die Betrachtung des Krönungszugs im Krönungszugfall dadurch unmöglich, dass der Mieter des Fensterplatzes durch eine Krankheit oder einen Verkehrsunfall verhindert ist, so muss der Anspruch des Vermieters auf den vereinbarten Mietzins hiervon notwendigerweise unberührt bleiben. Wird der Erfolg einer bestimmten Nutzung als Bestandteil der Leistung vereinbart, so kann dies immer nur bedeuten, dass diese Nutzung durch die übrigen Inhalte der Leistung, insbesondere die geschuldeten Leistungshandlungen, sowie

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

durch die von den Parteien angenommene Wirklichkeit ermöglicht werden soll. Ist ein geschuldeter Verwendungszweck in der Weise gestört, dass sich die Bezugnahme der Parteien auf die Wirklichkeit durch veränderte Umstände als unrichtig erwiesen hat, so muss der Schuldner hierfür mit seinem Anspruch auf die Gegenleistung einstehen. Hat sich aber der zufällig eingetretene Umstand zunächst unmittelbar in der Person, den Sachen, dem Vermögen oder in den Tätigkeiten des Schuldners, d. h. in den auf Seiten des Schuldners liegenden Voraussetzungen für die Erreichung des vereinbarten Verwendungszwecks niedergeschlagen und ist die vertragliche Nutzung hierdurch vereitelt worden, so ist die vereinbarte Soll-Nutzbarkeit der Leistung gleichwohl nicht entfallen. Denn die Leistung ermöglicht die Erreichung des Verwendungszwecks auch dann, wenn die Nutzung durch einen im Bereich des Gläubigers liegenden Grund zufällig scheitert. In diesem Fall muss der Gläubiger das Risiko der Unrichtigkeit oder der Veränderung der Wirklichkeit tragen und die Gegenleistung erbringen, obwohl er den vertraglich geschuldeten Verwendungszweck nicht zu erreichen vermag, die Leistung also für ihn nutzlos und damit wertlos wird. Im Sinne eines auf das vertragliche Synallagma bezogenen Prinzips casum sentit dominus hat der Gläubiger also die Folgen eines ihn treffenden zufallsbedingten Unglücks auch insoweit zu tragen, als es originär in seinem „Bereich" eingetreten ist und daher nicht das Entfallen der Gegenleistungspflicht rechtfertigen kann.

2. Die vereinbarte Nutzung als Äquivalent der Gegenleistung a) Die als These vorgeschlagenen Kriterien für die Bestimmung rechtlich relevanter Zweckstörungen bedürfen im Folgenden noch der näheren Begründung und der weiteren Präzisierung. Hierfür ist zu klären, weshalb es gerechtfertigt sein könnte, einen vertraglich vereinbarten Verwendungszweck des Gläubigers als inhaltlichen Bestandteil der Leistung des Sachleistungsschuldners zu begreifen. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der Sachleistungsschuldner auch für solche Umstände die Gefahr tragen soll, die mit seiner Leistungshandlung und seinem Leistungsgegenstand unmittelbar nichts zu tun haben und auf die er auch keinerlei Einfluss hat. Es fragt sich hierbei insbesondere, welche Grundprinzipien hinter den Begriffen Leistungsinhalt, Verwendungszweck und Nichterfüllung stehen, die für die Gegenleistungspflicht bei einer Störung des Verwendungszwecks offenbar so bedeutsam sind. Erst die Erkenntnis über den Grund der Gewährleistung bei Nutzungsstörungen kann schließlich auch deren Grenzen einsichtig machen und damit aufzeigen, nach welchen Maßstäben die Gewährleistung ihre Begrenzung in einem Scheitern der Nutzung findet, deren Folgen als Angelegenheit des Gläubigers von ihm selbst zu tragen sind. Für das Verhältnis zwischen Leistung und Verwendungszweck gilt unseres Erachtens folgendes: Der Gläubiger erwirbt den schuldrechtlichen Anspruch auf die vertragliche Leistung nicht etwa als Selbstzweck, sondern weil er einen be-

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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stimmten Nutzen verfolgt, den er mit dieser Leistung des Schuldners verwirklichen zu können glaubt. Für den Gläubiger ist das Leistungsverhalten des Schuldners und auch der Leistungsgegenstand lediglich ein „Mittel zum Zweck". Hinter seiner Nachfrage nach der Leistung des Schuldners steht ausschließlich der Wille zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses, das durch die Erfüllung des Schuldvertrags gestillt werden soll. Locher stellte insoweit treffend fest: „Gerade die Zweckvorstellungen sind es, die beim Geschäftsschluß im Brennpunkt des psychologischen Prozesses liegen, und zwar deshalb, weil sie an die den Parteien regelmäßig am nächsten liegende wirtschaftliche Betrachtungsweise anknüpfen" 580 . Für die rechtliche Beurteilung ist die Unterscheidung zwischen den geschuldeten und den sonstigen geplanten Verwendungszwecken des Gläubigers von entscheidender Bedeutung. Nur erstere sind über die unbeachtlichen Motive emporgehoben, indem sie durch die vertragliche Vereinbarung in den Inhalt der Leistungspflicht und damit in den Inhalt des Vertrags aufgenommen werden. Der Grund, der es rechtfertigt, den vertraglichen Vereinbarungen bei gegenseitigen Verträgen eine Abrede über die Soll-Nutzbarkeit der Leistung beizulegen, besteht darin, dass in gegenseitigen Verträgen die vereinbarte Soll-Nutzbarkeit das eigentliche Äquivalent der Gegenleistung ist. Denn dasjenige, was der Gläubiger als „Leistung" erstrebt, was er erhalten soll und wofür er bezahlen will, ist niemals nur schlicht eine bestimmte Sache, ein bestimmtes Recht, eine bestimmte Dienstleistung oder ein bestimmtes Werk, sondern darüber hinaus vor allem die Verwendbarkeit der Leistung zu bestimmten Zwecken. Erst die Nutzbarkeit einer Leistung verhilft ihr zu einem Wert, der sie zum Gegenstand eines gegenseitigen Vertrags werden lässt. Denn ist eine Leistung ohne jeglichen Nutzen, so ist ihre Erbringung für den Gläubiger ohne Interesse und daher ihre Gegenleistung nicht wert. Ohne einen Verwendungszweck ist jede Sache, jedes Recht und jede Dienst- oder Werkleistung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein sinnloses Gebilde, das jeden Wertes entbehrt. Die Fokussierung des Verwendungszwecks schlägt sich in aller Regel auch in den bewussten Vorstellungen der Parteien eines gegenseitigen Vertrags nieder, da der Verwendungszweck im Zentrum ihres wirtschaftlichen Interesses steht. Das Haben-Wollen der Nutzung wird in der Zivilistik bislang nur durch einen juristischen Kunstgriff von dem Haben-Wollen einer Sache oder einer Tätigkeit des Schuldners abstrahiert. Nur scheinbar beziehen sich die Parteivorstellungen etwa beim Sachkauf lediglich auf die Lieferung einer bestimmten Kaufsache mit einer bestimmten Soll-Beschaffenheit. In Wahrheit ist die Vorstellung von der Kaufsache und ihrer Beschaffenheit nicht von der Vorstellung ihres Verwendungszwecks zu trennen. Für die tatsächliche Vorstellung des Gläubigers von der Leistung steht die Nutzbarkeit dessen im Vordergrund, was er vom Sachleistungsschuldner erhalten 580 Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 61; ebenso bezeichnete Kreß, Allg. Schuldrecht, S. 59, den Zweck als die „Seele des Schuldverhältnisses"; ähnlich auch Köhler, Unmöglichkeit, S. 5 ff., 8 f., der freilich dennoch streng zwischen primären und sekundären Zwecken unterscheidet.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

soll. Und da die Nutzbarkeit für den Wert der Leistung entscheidend ist, muss in der vertraglichen Nutzung der Kern des umfassenden Inhalts der Leistung des Schuldners mit all ihren Modalitäten sowie Haupt- und Nebenpflichten liegen. So dient beim Sachkauf die Übereignung und Besitzverschaffung einer Kaufsache mit bestimmten Eigenschaften ausschließlich einem Zweck, nämlich dem Gläubiger die Erreichung des vertraglichen Verwendungszwecks zu ermöglichen. Nur wegen der Verschaffung dieser Möglichkeit ist der Käufer eben auch bereit, für die Leistung ein Entgelt zu entrichten. Sind aber bestimmte Verwendungszwecke in der Weise wertbildend, dass das Geschäft ohne eine Vorstellung der Vertragsparteien von diesen Nutzungen nicht zustande gekommen und die Gegenleistung nicht in der konkreten Höhe vereinbart worden wäre, so ist es auch gerechtfertigt, die vertragliche Nutzung als Äquivalent der Gegenleistung und damit als Inhalt des Geschäfts zu erfassen. Wird beispielsweise ein Lokal verpachtet, das nach seinen Einrichtungen und seiner Bekanntheit beim Publikum als Tanzlokal gilt, so wird die Nutzung des Lokals zum Tanzbetrieb in der Regel derjenige wertbildende Faktor sein, auf den sich die Vorstellungen der Parteien hinsichtlich der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung bezogen haben. Nur aufgrund dieses Verwendungszwecks kommt der Pachtvertrag überhaupt zustande und wird der Pachtzins gerade in der konkreten Höhe bemessen. Daher war es auch richtig, die Pächter von Tanzlokalen, denen aufgrund des Kriegausbruchs der umsatzbringende Tanzbetrieb verboten wurde, von der Zahlung des Pachtzinses zu befreien, wie es das Reichsgericht in den sog. Tanzlokalfällen aus dem ersten Weltkrieg entschieden hat 5 8 1 . Flume formulierte hierzu aphoristisch: „Soweit man die ... behandelten Fälle der Lehre von der Geschäftsgrundlage zugeordnet hat, läßt man nicht als Inhalt des Mietvertrages gelten, daß die Möglichkeit, die Mietsache zu dem vertragsmäßigen Gebrauch zu nutzen, die Leistung ist, für welche der Mieter den Mietzins zu zahlen hat." 5 8 2 Ganz ebenso wie der Pächter eines Tanzlokals die Räumlichkeiten nicht nur als solche, sondern zum Zweck des Betreibens eines Tanzlokals pachten will, möchte auch der Pächter eines Landguts nicht nur die Grundstücke als solche besitzen, sondern verspricht den Pachtzins gerade dafür, dass er die Grundstücke landwirtschaftlich nutzen kann. Im Krönungszugfall verpflichtete sich der Mieter des Fensterplatzes allein deshalb zur Zahlung des Mietzinses, weil er den Fensterplatz zur Betrachtung des bevorstehenden Krönungszugs nutzen wollte - ohne diese Nutzung wäre der Fensterplatz ja wertlos gewesen583. Ebenso wird ein Auto zum Fahren begehrt, eine Wohnung zum Wohnen und ein Buch zum Lesen. Ein Kauf- oder 581 RGZ 89, S. 203 ff; RGZ 87, S. 277 ff. 582 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 513. 583 Ähnlich bereits Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 499; ders., Festschrift für den DJT I, S. 135, 217 f; ders., Eigenschaftsirrtum, S. 73 f; sowie Emmerich, Grundlagen, § 16 II. 2 c), S. 458 f; ders., Leistungsstörungen, § 25 II 5, S. 280 f; Hk/Schulze, BGB, § 313 Rn. 25; AnwKom/Krebs, Schuldrecht, § 313 Rn. 42.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Mietvertrag über diese Gegenstände wäre ohne diese von den Vertragsparteien angenommenen Nutzungsmöglichkeiten überhaupt nicht vorstellbar. Selbst in den Fällen, in denen ein Gemälde als das Werk eines bestimmten Malers verkauft wird, lässt sich eine besondere vertraglich vereinbarte „Nutzung" darin erblicken, dass der Käufer ein Bild gerade dieses Malers betrachten können soll. Die Tauglichkeit zu diesem „Gebrauch" ist aufgehoben, wenn das Bild von einem anderen Maler stammt 584 . Erst aus der spezifischen und vertraglich vereinbarten Verwendbarkeit der jeweiligen Leistung zu bestimmten Zwecken folgt also der Wert der Leistung, der seinen Ausdruck in der vertraglichen Gegenleistung als Äquivalent der Leistung erfährt. Gerade weil die Einbeziehung des Verwendungszwecks in den Leistungsaustausch der natürlichen Betrachtungsweise der Vertragsparteien beim gegenseitigen Vertrag entspricht und die wertbildende Verwendbarkeit der Leistung als eigentliches Äquivalent der Gegenleistung erscheinen muss, ist es aber auch gerechtfertigt, die Vereinbarung der geschuldeten Leistung unter Einbeziehung des vereinbarten Verwendungszwecks zu erfassen 585. b) In Verkennung dieser Zusammenhänge ist gegen die Verknüpfung des „Wertes der Leistung" mit dem „Leistungsinhalt" eingewandt worden, der Wert einer vertraglichen Leistung entspreche allein „dem Bedarf des Gläubigers an dieser Leistung", die „Intensität des Bedürfnisses nach einer bestimmten Leistung" habe „aber nichts mit dem Leistungsinhalt zu tun". Insbesondere sei daher „ein Schluß vom besonderen Wert einer Leistung unter besonderen Umständen auf den Inhalt und Umfang dieser Leistung ... unzulässig" 586 . Dieser Einwand ist indessen nur insoweit zutreffend, als es bei der Frage, ob ein bestimmter Verwendungszweck zum Inhalt der Leistung gehört, selbstverständlich nicht allein auf das individuelle Bedürfnis des Gläubigers an der Leistung ankommen kann. Denn damit würde dem Gläubiger die Möglichkeit an die Hand gegeben, dem Anspruch auf die Gegenleistung bei Bedarf jeweils eine Vielzahl von Beweggründen entgegenzuhalten. Der Berücksichtigungsfähigkeit einer Unzahl von Motiven des Gläubigers wäre auf diese Weise Tür und Tor geöffnet.

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Eben aufgrund dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der Tatsache, dass sich ein Rechtsgeschäft auf den Umstand der Urheberschaft beziehen kann, ist es gerechtfertigt, die Urheberschaft eines Gemäldes als dessen „Beschaffenheit" im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB anzuerkennen, vgl. Soergel / Huber, BGB, § 459 Rn 74; RGZ 135, S. 340, 341 ff. (van Ruisdael); BGHZ 63, S. 369, 371 (Jawlensky); BGH NJW 1988, S. 2597, 2598 (Leibi/ Duveneck). 585 Dies ist auch der insoweit zutreffende Ausgangspunkt der Lehren vom Äquivalenzprinzip, die allerdings die Bedeutung dieses Grundansatzes für die Gefahrtragung nicht erkennen und den Verwendungszweck als Element der Leistungsäquivalenz nicht dem Inhalt, sondern nur der Grundlage des Geschäfts zuordnen; s. hierzu und zu der daraus folgenden Unfähigkeit, praktikable Kriterien zu entwickeln bereits oben u. 2. Kap. D. I. 1. d), 2. b). 586 Köhler, Unmöglichkeit, S. 97 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Hingegen ist der erhobene Einwand unzutreffend, soweit es um die Frage geht, ob ein Verwendungszweck ein Element der Leistung sein kann. Soweit ein Schuldner versprochen hat, den Erfolg einer bestimmten Bedürfnisbefriedigung eines Gläubigers zu ermöglichen und sich daher der Wert der Leistung an der versprochenen und damit geschuldeten Bedürfnisbefriedigung orientieren wird, hat das Bedürfnis des Gläubigers durchaus etwas mit dem Leistungsinhalt zu tun. Es kommt eben immer darauf an, ob eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung geschuldet ist, auf welchen Verwendungszweck sich also der Vertrag bezieht. Geschuldet sind freilich nicht sämtliche Bedürfnisse des Gläubigers. Die Gesamtheit seiner Bedürfnisse ist aber auch keineswegs maßgeblich für den „Wert" der ihm versprochenen Leistung. Vielmehr bemisst sich der in der Höhe der Gegenleistung zutage tretende „Wert" einer Leistung in aller Regel nach derjenigen Bedürfnisbefriedigung, die auch jedem anderen vergleichbaren Gläubiger bei Abschluss eines „solchen" Vertrags mit dieser Leistung ermöglicht worden wäre. Im Normalfall vereinbaren die Parteien eines gegenseitigen Vertrags nur die übliche Nutzbarkeit als geschuldeten Verwendungszweck. Die genannte Kritik geht daher insoweit fehl, als sie nicht zwischen dem objektiven Marktwert und dem subjektiven „Wert" der Leistung für den konkreten Gläubiger unterscheidet, der sich nach seinen individuellen Bedürfnissen und der individuellen Intensität seiner Bedürfnisse bemisst. Obwohl der subjektive Wert den Marktwert erheblich übertreffen (oder unterschreiten) kann, werden die Vertragspartner in der Regel dennoch einen Preis vereinbaren, der sich in etwa an dem Marktwert einer „solchen" Leistung orientiert. Der in dem konkreten Vertrag als Entgelt zutage tretende (Markt-) Wert ist aber durchaus das Äquivalent einer Leistung, die sich hinsichtlich ihres vereinbarten Verwendungszwecks regelmäßig nur der gewöhnlichen Nutzbarkeit einer solchen Leistung entspricht. c) Es ist daher unseres Erachtens geboten, eine Schlussfolgerung von dem Nutzen und damit dem Wert einer Leistung auf den Inhalt der Leistung zu ziehen, wenn man den Nutzen nicht mehr als bloßes Motiv des Gläubigers, sondern als vereinbarten Verwendungszweck begreift. Verpflichtet sich der Schuldner, eine bestimmte Nutzung der Leistung zu ermöglichen, und lässt er sich gerade diese Nutzungsmöglichkeit mit einer entsprechenden Gegenleistung vergüten, so rechtfertigt das Fehlschlagen der Nutzung im gegenseitigen Vertrag das Entfallen der Gegenleistungspflicht, sofern das Scheitern nicht auf einem im Bereich des Gläubigers eingetretenen Umstand beruht. Es ist daher im Ergebnis festzuhalten, dass das Entgelt in gegenseitigen Verträgen durchaus für einen Verwendungszweck versprochen wird und der Verwendungszweck daher für das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht außer Betracht bleiben kann. Verspricht der Gläubiger die Gegenleistung letztlich allein für eine bestimmte Nutzung, so muss spiegelbildlich die Erklärung des Schuldners das Versprechen umfassen, den Erfolg dieser Nutzung zu ermöglichen. Es ist somit die vertraglich vereinbarte geschuldete Nutzung, die der Schuld-

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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ner als Bestandteil seiner Leistung verspricht, das eigentliche Äquivalent der Gegenleistung und damit der das Leistungsstörungsrecht beherrschende Äquivalenzgedanke die Rechtfertigung, auch die zufallsbedingt gescheiterte geschuldete Nutzung als eine Leistungsstörung zu erfassen.

3. Das Kriterium der wertbildenden Nutzung a) Die Bestimmung der geschuldeten Nutzung als Problem der Auslegung des Geschäfts Die Beschäftigung mit der Problematik der Störung des Verwendungszwecks war seit jeher in erster Linie mit der Suche nach praktikablen Kriterien verbunden, um die unbeachtlichen Motive von rechtlich relevanten Zweckstörungen unterscheiden zu können. Die Analyse der bisherigen Versuche zur Lösung der Problematik hat jedoch gezeigt, dass bislang weder die Rechtsprechung noch die in vielgestaltigen Nuancen vertretenen subjektiven und objektiven Lehren trennscharfe Tatbestandsmerkmale entwickelt haben. Zu den bereits oben kritisierten Begründungsdefiziten namentlich der Lehre von der Geschäftsgrundlage und der Lehre vom Umweltfehler kommt als diagnostizierter Zustand des heute praktizierten Rechts eine verwirrende Vielfalt von Weitungsgesichtspunkten zum Tragen, die die Lösung von entsprechenden praktischen Fällen mehr oder weniger einem wenn auch zumeist geschulten - Rechtsgefühl überlassen. Auch die vorliegende Arbeit kann freilich kein Kriterium anbieten, das für sämtliche Fälle der Störung des Verwendungszwecks eine einfache Lösung verspricht. Angesichts der Vielgestalt der Wirklichkeit wäre der Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt, ein für alle Fallgestaltungen ohne weiteres anwendbares Merkmal entwickeln zu wollen. Es sollen jedoch ausgehend von den genannten Prämissen im Folgenden einige Gesichtspunkte vorgeschlagen werden, die die Beurteilung einer Reihe von Fällen zumindest in einem neuen Licht erscheinen lassen könnten. Maßgeblich für die Frage, ob eine bestimmte Nutzung zum Inhalt der Leistung gehört, ob sie also eine vertragliche Nutzung ist, kann nur die Auslegung des Rechtsgeschäfts sein. Die das Thema der Störung des Verwendungszwecks so beherrschende Frage nach der „Abgrenzung" zwischen beachtlicher causa und unbeachtlichem Motiv lässt sich also nur beantworten, indem man den vertraglichen Konsens als das maßgebliche Kriterium erfasst. Der Beweggrund, die Leistung zu einem bestimmten Zweck verwenden zu können, bleibt so lange eine bloße Hoffnung und damit ein rechtlich irrelevantes Motiv des Gläubigers, wie nicht der Schuldner diese Nutzbarkeit als Element seiner Leistung verspricht. Nur, aber immer auch dann, wenn ein Verwendungszweck durch die vertragliche Abrede zu einem geschuldeten Verwendungszweck emporgehoben wurde, gehört er zum Leistungsinhalt und damit zu der causa der Verpflichtung zur Gegenleistung.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Eine erhebliche Schwierigkeit bei der Abgrenzung zwischen Vertragsinhalt und Motiv hinsichtlich des Verwendungszwecks liegt darin, dass es in der Regel nicht entscheidend sein kann, ob ein bestimmter Verwendungszweck in einer Vertragsurkunde genannt oder sonst bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich zur Sprache gekommen ist, ebensowenig ob er stillschweigend vorausgesetzt wurde oder erkennbar war. Derartige Umstände sind zwar bei der Auslegung des Vertrags zu berücksichtigen, jedoch stellen sie in den allermeisten Fällen nicht mehr als ein untergeordnetes Indiz für die Vereinbarung einer vertraglichen Nutzung dar. Denn auch die weiteren Beweggründe können „zur Sprache kommen", ohne dass sie durch noch so häufige und eindringliche Erwähnung als vereinbarte Inhalte der Leistung anzuerkennen sind 587 . Der bereits mehrfach erwähnte „Aussteuerfall" 588 bildet das Schulbeispiel für dieses Phänomen. Denn hat der Brautvater auch ausdrücklich erklärt, er kaufe die Waren wegen der bevorstehenden Heirat als Aussteuer für seine Tochter und hat der Verkäufer diesen Verwendungszweck auch ausdrücklich „gebilligt", so kann dennoch kaum angenommen werden, dass der Verkäufer diesen Verwendungszweck zum Leistungsinhalt erheben wollte. Für den Fall, dass die Verlobung gelöst wird, vermag eine derartige Erwähnung des Verwendungszwecks - und sei es auch durch beide Vertragspartner - nicht zu bewirken, dass die Pflicht zur Kaufpreiszahlung entfällt. Der Verkäufer will nicht jegliche der vielfältigen möglichen Verwendungszwecke gewährleisten, die ein Käufer erkennbar plant, oder auf die der Verkäufer als Werbeargument sogar noch selbst hingewiesen hat. Andererseits sieht sich beim Krönungszugfall die ganz herrschende Meinung nicht gehindert, die Gegenleistungspflicht zumindest zum Teil selbst dann entfallen zu lassen, wenn von dem Verwendungszweck des vermieteten Fensterplatzes bei Vertragsschluss überhaupt nicht die Rede war. Es sollen hier die sonstigen Umstände des Vertragsschlusses für die Annahme genügen, dass die Betrachtung des Korsos Geschäftsgrundlage oder stillschweigend Vertragsinhalt geworden ist 5 8 9 . Auch bei der Landpacht wird etwa im Falle der Überlassung eines mit Rebstöcken bepflanzten Südhangs kaum darüber zu streiten sein, dass der Gläubiger diesen auch ohne ausdrückliche Nennung der geplanten Nutzungsform „als Weinberg" und damit nicht nur allgemein „zur Landwirtschaft", sondern speziell „zum Weinbau" gepachtet hat. 587 Ebenso Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 67, bezüglich seines „beachtlichen Geschäftszwecks"; aus diesem Grund hatte etwa auch der BGH in der Entscheidung NJW-RR 1992, S. 182 f., keine gewollte „Umverteilung des Verwendungsrisikos" angenommen, obwohl die Absicht des Käufers, das erworbene Grundstück für einen Tausch mit einer dritten Person zu nutzen, sogar in den notariellen Vertrag aufgenommen worden war. 5 88 Nach Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 225 f.; s. auch Wieling, Jura 1985, S. 505, 509; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 314; U. Huber, JuS 1972, S. 57. 589 Larenz, Schuldrecht I, § 21 II, S. 327; ders., Geschäftsgrundlage, S. 47; Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 26; Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 498 f.; ebenso die Entscheidung Krell v. Henry, s. unten u. C. I. 1. a).

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Die geäußerte oder verschwiegene Vorstellung der Vertragsparteien und sogar der Vertragstext selbst steht mithin immer unter dem Vorbehalt, dass sich die Vereinbarung über die geschuldete Nutzung erst aus der Würdigung der weiteren Umstände des Vertragsschlusses und des sonstigen Inhalts des Vertrags ergibt.

b) Die wertbildende Nutzungsform als Indikator der vertraglichen Abrede über den geschuldeten Verwendungszweck Kommt den im Rahmen des Vertragsschlusses geäußerten Erwartungen der Vertragsparteien in der Regel nur ein sehr eingeschränkter Erkenntniswert zu, so muss auf die Überlegung zurückgegriffen werden, welche Nutzung die Parteien übereinstimmend als Äquivalent der Gegenleistung angesehen haben. Denn eine bestimmte Nutzung muss soweit in die vertragliche Abrede einbezogen sein, wie sie Bestandteil des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses ist. Die vereinbarte Äquivalenz wiederum kann sich nur aus dem Verhältnis von vereinbarter Nutzung und vereinbartem Entgelt ergeben. Da sich die Einbeziehung von bestimmten Verwendungszwecken in den Inhalt der Leistung bei gegenseitigen Verträgen dadurch rechtfertigen lässt, dass der geschuldete Verwendungszweck das eigentliche Äquivalent des vom Gläubiger zu zahlenden Entgelts ist, kommt es im Rahmen der Auslegung des Geschäfts für die Bestimmung der geschuldeten Nutzung jeweils darauf an, welcher Verwendungszweck für die Höhe der konkreten Gegenleistung maßgeblich war. Vereinbart ist also immer derjenige Verwendungszweck, auf dem bei wertender Betrachtung der zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Preis der Leistung beruht. Die vertragliche Nutzung ist damit jeweils die wertbildende Nutzung dessen, was der Gläubiger vom Schuldner nach dem Vertrag erhalten soll. Im Sinne einer conditio sine qua non ist mithin immer nur diejenige Nutzungsform als Element der Leistung geschuldet, ohne die der Vertrag überhaupt nicht geschlossen oder die Gegenleistung nicht in dieser Höhe vereinbart worden wäre. In vielen Fällen dürfte sich bereits mit diesem Kriterium weitgehend sicher entscheiden lassen, ob ein vom Gläubiger beabsichtigter Verwendungszweck eine geschuldete Nutzung ist und damit, ob die Nichterreichbarkeit dieses Verwendungszwecks eine Nutzungsstörung darstellt. So ist beispielsweise im Krönungszugfall danach zu fragen, welche Nutzung des Fensterplatzes zu dem Abschluss des Mietvertrags und der vereinbarten Höhe des Mietzinses geführt hat. Geht man davon aus, dass für die Überlassung des Fensterplatzes eine nicht unerhebliche Summe zu zahlen war - in dem Fall Krell v. Henry aus dem Jahr 1903 590 handelte es sich 590 [1903] 2 K.B. 740; s. hierzu Treitel, Unmöglichkeit, S. 95 ff. Der paradigmatische Schulfall der Vermietung eines Fensterplatzes mit Aussicht auf einen geplanten Krönungszug beruht auf der Entscheidung eines Londoner Gerichts aus dem Jahr 1903 in Sachen Krell v. Henry. Krell hatte durch einen am 20. Juni 1902 brieflich geschlossenen Vertrag seine Wohnung überlassen, die auf der Pall Mall am Streckenverlauf zweier geplanter Umzüge lag. In

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

um die beträchtliche Summe von £ 75 - , so kann dies nur damit erklärt werden, dass der Krönungszug genau zu der vereinbarten Mietzeit unter dem Fensterplatz vorüberziehen sollte. Da der Fensterplatz ohne die öffentlich angekündigte Prozession wohl überhaupt nicht oder allenfalls zu einem äußerst niedrigen Preis hätte vermietet werden können, war die Möglichkeit zur Betrachtung des Krönungszugs mithin diejenige Nutzungsform des Fensterplatzes, die mit der Höhe des vereinbarten Mietzinses korrespondierte. Der Verwendungszweck der Betrachtung des Krönungszugs stellte damit die wertbildende Nutzung des Fensterplatzes dar, so dass der Mietvertrag eine stillschweigende Abrede beinhaltete, nach der dieser Verwendungszweck zu der Leistung des Vermieters gehören sollte. Der Mieter hatte das Entgelt nicht für die Gelegenheit zur Betrachtung der Straße, sondern zur Betrachtung des Krönungszugs versprochen. Die Absage des Krönungszugs musste daher wegen einer Nutzungsstörung zur Befreiung von der Gegenleistungspflicht führen Den entgegengesetzten Schulfall bildet der erwähnte Aussteuerfall, in dem der Brautvater in sicherer Erwartung der Hochzeit seiner Tochter verschiedenste Haushaltsgegenstände erworben hatte, die Verlobung jedoch kurz darauf überraschend gelöst wurde 592 . Die wertbildende Nutzung, die für die Bemessung des Kaufpreises beim Erwerb von derartigen Artikeln maßgeblich ist, liegt bei derartigen Geschäften sicherlich nicht gerade in der Möglichkeit, sie anlässlich einer Hochzeit verschenken zu können, sondern vielmehr in dem jeweiligen Gebrauch der einzelnen Gegenstände im Haushalt. Auch wenn es für den Brautvater entscheidend auf den Verwendungszweck „Hochzeitsgeschenk" angekommen sein mag, wird die Höhe des vereinbarten Kaufpreises nicht auf dieser Nutzung beruhen. Der Kaufpreis wäre ohne die vom Käufer beabsichtigte Verwendung der Aussteuerartikel den Briefen, in denen man den Gebrauch „during the days (not the nights) of 26 th and 27 th (June)" gegen ein Entgelt von £ 75 vereinbarte, fand die für den 26. Juni 1902 festgesetzte Krönung Edwards VII. keine Erwähnung. Ebensowenig wurde in den Schreiben die für den 26. Juni 1902 festgesetzte „Coronation Procession" vom Buckingham Palace zur Westminster Abbey oder der einen Tag später angesetzte „Royal Progress" zur City von London genannt. Da der König am 24. Juni an einer Peritionitis (Bauchfellentzündung) erkrankte und hierdurch eine Operation erforderlich wurde, mussten die Krönungszeremonie und die Umzüge verschoben werden. Zwischen den Parteien des Mietvertrags entbrannte daraufhin der Streit über die Vergütung, von der Henry am 20. Juni bereits £ 25 entrichtet hatte. Die Klage Krells auf Zahlung der restlichen £ 50 wurde mit der Begründung abgewiesen, dass der Vertrag durch die Absage der Feierlichkeiten um 10 Uhr am 24. Juni aufgelöst worden sei und dass zu dieser Zeit die £ 50 noch nicht fällig gewesen seien. Die Annahme einer Unmöglichkeit der Erfüllung sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Sache, auf die sich der Vertrag bezieht, zerstört worden ist. Vielmehr sei aus den begleitenden Umständen „the substance of the contract" zu ermitteln. 591 Im Ergebnis und in der Begründung ebenso Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 498 f.; lediglich im Ergebnis ebenso Beuthien, Zweckerreichung, S. 170: „Umweltfehler"; Köhler, Unmöglichkeit, S. 165: „Prinzip der Risikonutznießung"; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 63: „Mangel des Mietobjekts"; Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 247: „Vertragsinhalt"; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 160: „doch mehr als bloß GG". 592 Lenel, AcP 74 (1889), S. 213, 225 f.; s. bereits oben u. 1. Kap. A. II. 1.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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nicht niedriger bemessen worden. Der geplante Zweck des Käufers bleibt daher eine unbeachtliche Motivation, die ein Abgehen vom Vertrag bei der Absage der Hochzeit nicht erlaubt 593 .

c) Die typisierte Nutzungsvereinbarung des Geschäfts

als Mittel der Auslegung

Häufig wird anhand der Erklärungen der Parteien kaum ohne weiteres zu klären sein, ob die vereinbarte Gegenleistung auf der vom Gläubiger beabsichtigten und später gescheiterten Nutzung beruht, ob dieser Verwendungszweck also die wertbildende Nutzung ist. Von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der vertraglichen Vereinbarung über die geschuldete Nutzung und damit für die Auslegung des Vertrags wird dann die Erkenntnis, dass es sich bei der maßgeblichen wertbildenden Nutzung grundsätzlich nur um diejenige Nutzung handeln kann, die typisiert bei einem „solchen" Vertrag den Wert der Leistung bestimmt. Zwar ist bei der Auslegung von Verträgen immer vorrangig auf den Inhalt der konkreten Erklärungen abzustellen, jedoch pflegen die Vertragsparteien regelmäßig keine ausdrücklichen Abreden über den geschuldeten Verwendungszweck zu treffen. Der Verwendungszweck wird bei Vertragsschluss zumeist mehr oder weniger vorausgesetzt. Aber auch bei ausdrücklicher Erwähnung eines Verwendungszwecks kann man nicht sicher sein, ob es sich hierbei nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien wirklich um den geschuldeten Verwendungszweck handeln soll. Den Ausgangspunkt für das richtige Verständnis des übereinstimmenden Parteiwillens kann die weitere Überlegung bilden, dass sich die Parteien eines gegenseitigen Vertrags nicht nur als Individuen, sondern immer gleichzeitig auch als Teilnehmer eines Marktes für dem konkreten Vertrag entsprechende oder ähnliche Leistungen begegnen. In einem solchen gedachten sog. relevanten Markt wird eine Vielzahl von vergleichbaren Verträgen geschlossen. Ergibt sich die wertbildende Nutzung nicht bereits aus der isolierten Analyse der Erklärungen und der den Vertragschluss begleitenden Umstände, so kann der konkrete Vertrag als Typus gedacht und müssen seine Leistungsinhalte notwendigerweise so bestimmt werden, wie sie bei einem „solchen" Vertrag typischerweise als vereinbart gelten. Denkt man derart in typisierten Kategorien, so kann nur angenommen werden, dass etwa ein Verkäufer immer nur denjenigen Verwendungszweck seiner Kaufsache als vertraglichen Verwendungszweck vereinbaren wird, den er bei jedem anderen Käufer, mit dem er einen „solchen" Vertrag geschlossen hätte, ebenfalls als Inhalt seiner Leistungspflicht gelten lassen muss. Sein Einverständnis mit der Vereinbarung von weiteren Verwendungszwecken, die sich nach den unendlich unterschiedlichen, subjektiv-individuellen Bedürfnissen von einzelnen Käufern

593

12 Quass

Im Ergebnis ebenso Beuthien, Zweckerreichung, S. 185 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

bestimmen, kann einem Verkäufer hingegen in der Regel nicht ohne weiteres unterstellt werden. Spiegelbildlich ist ein Käufer in aller Regel auch nur bereit, als Kaufpreis einen Geldbetrag in der Höhe zu bezahlen, der bei einem „solchen" Vertrag typischerweise bezahlt wird. Dies ist zumeist der Marktpreis einer „solchen" Leistung oder jedenfalls ein Preis, der sich in etwa an dem Marktpreis orientiert. Für die Höhe des vereinbarten Kaufpreises kommt es nur im Ausnahmefall auf das subjektive individuelle Bedürfnis des Käufers an. Wird aber der „Wert" einer Leistung entscheidend durch ihren vereinbarten Verwendungszweck bestimmt, so muss dem für eine „solche" Leistung üblichen Marktpreis derjenige Verwendungszweck entsprechen, der bei einem „solchen" Vertrag üblicherweise vereinbart wird, der also vom Verkäufer bei jedem entsprechenden Vertrag als Inhalt seiner Leistung mindestens akzeptiert werden muss. Es kommt also für das vertragliche Äquivalenzverhältnis und damit für den vereinbarten Verwendungszweck in der Regel nicht etwa auf das individuelle Bedürfnis eines Gläubigers nach der Erfüllung eines bestimmten Verwendungszwecks an, sondern auf diejenige Nutzung, die mit einer „solchen" Leistung üblicherweise ermöglicht wird. Denn nur diese Nutzung wird dem Sachleistungsschuldner bei einem „solchen" Vertrag vergütet und nur diese Nutzung kann daher das Äquivalent der dem Marktpreis in etwa entsprechenden Gegenleistung darstellen. Wird dieser Verwendungszweck durch veränderte Umstände gestört, so ist die Leistung unabhängig von dem individuellen Bedürfnis des Gläubigers „objektiv wertlos" oder zumindest „objektiv" in ihrem Wert gemindert. Vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen und besonderer Umstände des Einzelfalls muss daher für die Auslegung von gegenseitigen Verträgen diejenige Nutzung als maßgeblich gelten, die bei einem „solchen" entsprechenden, als Typus gedachten Vertrag als „MindestNutzung" üblicherweise versprochen wird und auf der der zwischen den Parteien eines „solchen" Vertrags üblicherweise vereinbarte Preis der Leistung beruht. Es ist also im Zweifel nur derjenige Verwendungszweck der vereinbarten Leistung geschuldet, ohne den im Verkehr der Wert einer „ solchen " Leistung entfiele. So wird beispielsweise bei der Vermietung eines Pkw der Mietzins nur für die Möglichkeit versprochen, das Auto für Fahrten als solche zu nutzen, da dies der Verwendungszweck ist, der jedem entsprechenden Mieter als Soll-Nutzbarkeit zugestanden werden muss und der mit der Zahlung des Mietzinses vergütet wird. Selbstverständlich schuldet der Autovermieter nicht die Möglichkeit, eine bestimmte vom Mieter geplante Fahrt, etwa in eine bestimmte Stadt, vornehmen zu können. Zwar kann der Pkw auch zu dieser speziellen Fahrt dienen, jedoch ist diese spezielle Fahrt nicht die Mindest-Nutzung, die den Marktwert einer „solchen" Leistung bewirkt, da ja nicht jeder vergleichbare Mieter das Auto zu dieser speziellen Fahrt nutzen würde. Für den Typus des Mietvertrags über einen Pkw ist vielmehr allein die Nutzung des Pkw zum Autofahren als solches maßgeblich. Eine rechtlich relevante Nutzungsstörung liegt daher nur dann vor, wenn das Fahren mit

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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dem gemieteten Pkw allgemein unmöglich ist, etwa weil wegen eines SmogAlarms ein allgemeines behördliches Fahrverbot erlassen wird oder weil ein Unwetter jedes Fahren mit dem Pkw unmöglich macht. Ist es lediglich unmöglich, mit dem gemieteten Pkw ein bestimmtes Fahrtziel zu erreichen, kann dies daher in der Regel selbst dann nicht zu einem Entfallen der Gegenleistungspflicht führen, wenn der Mieter die beabsichtigte Fahrt im Zuge der Anmietung des Pkw ausdrücklich angekündigt hatte. In derselben Weise wird das oben für den Aussteuerfall anhand der Betrachtung der individuellen Vereinbarung gefundene Ergebnis durch die Überlegung bestätigt, dass der Brautvater sicherlich nur den marktüblichen Kaufpreis für die Ausstattungsgegenstände gezahlt haben wird und der Verkäufer daher auch nur die Verwendungszwecke schuldet, für die er auch jedem anderen Käufer einstehen müsste. Die typisierende Betrachtungsweise ermöglicht beispielsweise auch in dem vom OLG Braunschweig im Jahr 1975 entschiedenen Hotelzimmerfall 594 die Abgrenzung zwischen vereinbarter Nutzung und unbeachtlicher Motivation. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt hatte die Beklagte bei einem Frankfurter Hotelbetrieb mehrere Zimmer mit insgesamt 22 Betten vorbestellt, da sie an der geplanten Internationalen Automobilausstellung (IAA) teilnehmen wollte. Da die Ausstellung abgesagt wurde, weigerte sich die Beklagte, die Zimmer abzunehmen und die Rechnung zu bezahlen, in der die Klägerin Beträge für anderweitige Vermietungen und 20 Prozent für ersparte Eigenaufwendungen abgezogen hatte. Das OLG nahm an, es sei bereits durch die Vorbestellung ein sog. Beherbergungsvertrag zustande gekommen und betrachtete „das Stattfinden der IAA und die Möglichkeit die Hotelzimmer zu diesem Zweck gebrauchen zu können" als „Risiko der Beklagten", das „nicht Vertragsinhalt geworden, sondern Motiv der Beklagten geblieben" sei. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung stand der Beklagten nach Ansicht des OLG auch nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu, denn „§ 242 BGB ist nicht dazu da, die im Vertrag liegende Risikoverteilung zu beseitigen" 595 . Dem Urteil des OLG Braunschweig ist mit dem zusätzlichen Argument zuzustimmen, dass die beabsichtigte Teilnahme der Mitarbeiter der Beklagten an der IAA sicherlich nicht zu einem Preis für die Hotelzimmer geführt hat, der über der üblichen Vergütung gelegen hat. Verspricht das Hotel bei einem „solchen" Beherbergungsvertrag ihren Gästen typischerweise nur die Nutzung der Hotelzimmer zur Übernachtung als solche, so kann selbst dann nichts anderes gelten, wenn ein bestimmter Gast die Zimmer erklärtermaßen allein deshalb angemietet hat, weil er an einer bestimmten Messe teilzunehmen beabsichtigt. Denn ist nur der übliche 594 OLG Braunschweig, NJW 1976, S. 570 f. 595 OLG Braunschweig, NJW 1976, S. 570, 571; vgl. zum Rücktrittsrecht auch ohne vertragliche Rücktrittsklausel bei der Reservierung von Hotelzimmern durch ein Reisebüro BGH DB 1977, S. 674 f. 12*

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Preis verabredet, so kann er nicht auf der Vereinbarung eines besonderen Verwendungszwecks beruhen. Durch die Absage der Ausstellung wurden die Hotelzimmer weder „objektiv wertlos" noch „objektiv" in ihrem Wert gemindert. Es lag mithin im Hotelzimmerfall keine Nutzungsstörung vor, so dass von der Beklagten die volle Vergütung unter Abzug anderweitigen Erwerbs und ersparter Aufwendungen nach Maßgabe von § 552 BGB zu entrichten war 5 9 6 . In manchen Fällen kann umgekehrt die Vereinbarung einer deutlich über dem Marktpreis liegenden Gegenleistung als ein Indiz dafür gewertet werden, dass nicht nur die übliche, sondern eine besondere Nutzungsmöglichkeit geschuldet ist, und dass der Vertrag hinsichtlich des vereinbarten Verwendungszwecks einem anderen „Typus" zuzuordnen ist. Denn bietet der Schuldner dem Gläubiger durch seine Leistung ein höheres Maß an Bedürfnisbefriedigung als dies sonst „üblich" ist, so wird er sich dies in der Regel besonders vergüten lassen597. Beispielsweise zeigt beim Kauf von sog. Bauerwartungsland die Vereinbarung eines Kaufpreises, der dem bedeutend höheren Marktpreis für Bauland entspricht, dass der Verkäufer die Verwendbarkeit des Grundstücks „zur Bebauung" versprochen hat. In einer solchen Konstellation ist nicht nur die „Mindest-Nutzung" der Eigentumsverschaffung von Bauerwartungsland vereinbart, die mit der unsicheren Chance verbunden ist, das Grundstück möglicherweise einmal bebauen zu können. Die Bemessung des Kaufpreises ist dann mangels anderer Anhaltspunkte ein Indikator für die Vereinbarung der Parteien über die Bebauung als geschuldete Nutzung der Leistung, da die nach dem Preis für Bauland bemessene Gegenleistung ihr Gegenstück in einer äquivalenten Nutzungsmöglichkeit finden muss. In diesem Fall beinhaltet die Leistung nicht nur die Übereignung von Grund und Boden als solchem, sondern von einem Grundstück, das innerhalb eines bestimmten, in der näheren Zukunft liegenden Zeitraums bebaut werden kann. Scheitert die Bebauung endgültig, etwa weil das Gebiet nicht wie erwartet als Bauland ausgewiesen wird, so ist der geschuldete Erfolg nicht eingetreten und es kann aufgrund der Leistungsstörung der Kaufpreis zurückgefordert werden 598 .

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Anderer Ansicht Menden, NJW 1976, S. 970. Den entgegengesetzten Fall bildet das von Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 68 f., gebildete Schulbeispiel der Miete eines Hotelzimmers zur Teilnahme an einem in dem Hotel stattfindenden Weltkongress zu 15.000 Mk., das an gewöhnlichen Tagen 5.000 Mk. kostet. Findet der Kongress wegen „unvorhergesehener Umstände" nicht statt, so ist die geschuldete Nutzung gestört und der Mietzins nicht geschuldet, da der (erhöhte) Preis auf der Möglichkeit zur Teilnahme an dem Kongress beruhte. S. hierzu bereits oben u. 2. Kap. D. II. 1 c), 2 c) (2). 597 Dieser Gedanke wurde bereits früher vielfach erkannt, vgl. etwa Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 68; Leonhard, Irrthum, S. 262; Brox, Irrtumsanfechtung, S. 182; Beuthien, Zweckerreichung, S. 186; s. hierzu bereits oben u. 2. Kap. D. II. 2. c). 598 Dies entspricht im Ergebnis, nicht aber in der Begründung auch der Rechtsprechung des BGH, vgl. näher unten u. 3. Kap. C. II. 1.

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4. Die verfehlte Unterscheidung zwischen primären und sekundären Leistungszwecken als Fortwirkung der Irrtumslehre Zitelmanns a) Die Lehre Zitelmanns und ihre Folgewirkungen (1) Die Vorstellung von der vertraglichen Nutzung als Element der Leistungspflicht setzt voraus, dass der Verwendungszweck des Gläubigers zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarung gehören kann. Von der herrschenden Ansicht wird diese Frage bis heute verneint, indem die Verfechter der Lehre von der Geschäftsgrundlage die Vorstellungen der Vertragsparteien über den Verwendungszweck entweder den unbeachtlichen Beweggründen des Gläubigers oder der Grundlage des Geschäfts, nicht aber dem Inhalt des Vertrags zuordnen. Diese Prämisse der Lehre von der Geschäftsgrundlage beruht letztlich auf einem hergebrachten psychologischen Modell des Rechtsgeschäfts, das in der Irrtumslehre Zitelmanns 599 seine entscheidende Formulierung erhielt und das damit bis heute fortwirkt, obwohl es seit längerem widerlegt worden ist. Das von Zitelmann entwickelte psychologische Modell des Rechtsgeschäfts ist von dem Anliegen getragen, die Unzahl von unbeachtlichen Motiven von dem für das Leistungsstörungsrecht allein maßgeblichen Inhalt des Rechtsgeschäfts abzugrenzen. Zitelmann unterschied zu diesem Zweck hinsichtlich des „Individualisierungsprozesses" des rechtsgeschäftlichen Willens erstens die motivierenden Vorstellungen, zweitens nach dem Sprachgebrauch Zitelmanns die „Absicht" und drittens die Erklärungshandlung 600. Von diesen Elementen sollten lediglich die „Absicht" und die Erklärungshandlung, nicht aber die motivierenden Vorstellungen zum rechtsgeschäftlichen Willen und damit zum Inhalt des Geschäfts gehören. Als Voraussetzung für eine Vorstellung, „welche zum Inhalt der Absicht gehört", verlangte Zitelmann eine solche über die „concrete Folge" „des eigenen Thuns". Eine „Absicht" liege also nur dann vor, wenn die Vorstellungen von einer Tatsache „dahin gehen, dass diese Thatsache Folge des eigenen Thuns sein werde" 601 . „Die Concretheit" bekomme die „an sich abstracte Vorstellung eines künftigen Geschehens erst dadurch, dass sich ihr die Vorstellung des bestimmten körperlichen Substrats zugesellt, an welchem der neue Zustand eintreten soll". Indem man sich dieses Substrat „individuell und concret" vorstelle, sei „der Erfolg der Handlung völlig individualisiert". „Völlig individuell" sei ein Objekt aber bereits dann bestimmt, wenn es „als ein sinnlich wahrnehmbares Einzelding" aufgefasst werde 602 . Folglich ordnete Zitelmann die irrigen Vorstellungen von den Eigenschaften eines so 599 Das Werk Zitelmanns „Irrtum und Rechtsgeschäft - eine psychologisch-juristische Untersuchung" erschien im Jahr 1879. 600 Zitelmann, Irrtum, S. 463,484. 601 Zitelmann, Irrtum, S. 436. 602 Zitelmann, Irrtum, S. 438 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

individualisierten Leistungsgegenstandes dem unbeachtlichen Motivirrtum zu, da die Eigenschaften weder für die Individualisierung des Substrats erforderlich erschienen, noch sonst eine Folge „des eignen Thuns" sein könnten 603 . Zur Eingrenzung der Irrtümer, die eine Vertragspartei zum Abgehen vom Vertrag berechtigen können, reduzierte Zitelmann somit die „Absicht" auf solche geschuldeten Erfolge, die vom Schuldner durch sein Leistungsverhalten herbeizuführen sind. Diese Enge des Begriffs von der „Absicht" hatte zur Folge, dass die Vorstellungen der Parteien von dem Verwendungszweck der Leistung, wie auch über die Eigenschaften einer Sache nicht dem rechtsgeschäftlichen Willen und damit dem Inhalt des Vertrags zugerechnet werden konnten. (2) Dieses Schema, das in der Folgezeit zur herrschenden Lehre avancierte 604, lebt auch in der heute verbreiteten Unterscheidung zwischen dem primären Leistungszweck und dem weiteren Verwendungszweck fort. Nach dieser Auffassung kann sich der rechtsgeschäftliche Wille, also die „Absicht" im Sinne Zitelmanns, nur auf die Individualisierung des Leistungsgegenstandes und auf die beabsichtigte „Folge des eigenen Tuns", wie etwa die Übertragung des Besitzes und des Eigentums an einer Kaufsache, im Sinne eines primären Leistungszwecks beziehen. Da der sekundäre Leistungszweck nicht durch ein Leistungsverhalten des Schuldners herbeizuführen, sondern seine Verwirklichung von anderen Umständen abhängig ist, könne er nicht Inhalt der Leistungspflicht und damit nicht vertraglich geschuldet sein 605 . Der weitere - sekundäre - Leistungszweck des Gläubigers und mit diesem vor allem sämtliche sonstigen für seine Verwirklichung erforderlichen Umstände, verbleiben demnach auf der Ebene der im Falle eines Irrtums unbeachtlichen Beweggründe 606. In diesem Sinne legt beispielsweise Köhler seiner Arbeit über „Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis" - unter Berufung auf Hartmann 607 , Aristoteles, Thomas von Aquin und Hegel - eine psychologisierende „Kategorialanalyse des Finalprozesses" zugrunde, die im wesentlichen dem Modell Zitelmanns entspricht: Nach Köhler soll beim „menschlichen Handeln" zunächst die „Setzung des Zweckes" (= „motivierende Vorstellung" im Sinne Zitelmanns) erfolgen, der die „Selektion der Mittel" (= „Absicht" im Sinne Zitelmanns) und schließlich die Willenserklärung nachfolge, so dass der primäre und der weitere sekundäre Verwendungszweck des Gläubigers „im Verhältnis von Mittel und Zweck zueinander stehen". Folglich sei der unbeachtliche Verwendungszweck scharf von dem rechtlich relevanten Mittel der Leistungsabrede zu unterscheiden 608. 603 Zitelmann, Irrtum, S. 439 ff. sowie 483 ff. (Résumé). 604 Vgl. etwa die Nachw. bei Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 13; zum entscheidenden Einfluss der Lehre Zitelmanns auf das BGB s. etwa Rothoeft, AcP 170 (1970), S. 230, 233 ff. 605 s. etwa Köhler, Unmöglichkeit, S. 14 f., 93 f., 132 ff.; ders., JA 1979, S. 498, 501; Willoweit, JuS 1988, S. 833. 606 s. etwa Köhler, Unmöglichkeit, S. 5 f., 8 f. 607 Hartmann, Ethik, S. 189 f.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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(3) Die Irrtumslehre Zitelmanns wirkt ferner insbesondere in dem herkömmlichen schuldrechtlichen Leistungsbegriff fort, nach dem Leistung definiert wird als der „Eintritt des Leistungserfolges durch ein Leistungsverhalten des Schuldn e r s " 6 0 9 . Z u m Leistungsinhalt soll danach nur ein Erfolg gehören können, den der Schuldner herbeizuführen hat. Da auch ein geschuldeter Verwendungszweck in der Regel keine Pflicht des Schuldners enthält, den Verwendungszweck durch zielgerichtete Leistungshandlungen herbeizuführen, scheint seine Einbeziehung in den Vertrag, namentlich in den Leistungsinhalt von vornherein nicht in Betracht zu kommen. Entsprechend dieser Prämisse weist der herkömmliche Leistungsbegriff 6 1 0 keinen Bezug zum Verwendungszweck a u f 6 1 1 . Soweit sich i m Schrifttum Untersuchungen über den Begriff der Leistung finden, beschäftigen sich diese überwiegend mit der Frage, wann ein Schuldverhältnis durch Bewirkung der „geschuldeten Leistung" i m Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Hier versteht man die Leistung entweder als ein bloßes Tun oder Unterlassen oder als einen vom Schuldner durch sein Tun zu bewirkenden Erfolg. So ist etwa nach Wieacker „Leistung . . . nicht nur Leistungsverhalten des Schuldners, aber auch nicht nur Eintritt des Leistungserfolges, sondern Eintritt des Leistungserfolges durch ein Leistungsverhalten des Schuldners" 6 1 2 . Der Sprachgebrauch des BGB lasse keinen Zweifel daran, 608 Köhler, Unmöglichkeit, S. 5 ff. 609 Wieacker, Festschrift für Nipperdey I, S. 783, 798, 812. 610 Hierunter ist vorliegend freilich allein der in der Erfüllungslehre relevante Leistungsbegriff zu verstehen, der von dem modernen bereicherungsrechtlichen (finalen) Leistungsbegriff von der bewussten zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens, zu unterscheiden ist. Denn dort geht es nicht darum, ob ein Zweck des Gläubigers Inhalt der Leistung ist, sondern ob der Leistende mit seiner Zuwendung einen Zweck verfolgt, insbesondere ob er zum Zweck der Erfüllung einer Schuld handelt. Einen Versuch, mit der „Leistung" hinsichtlich der Erfüllungslehre und des Bereicherungsrechts „stets den gleichen Sinn zu verbinden", unternimmt insofern etwa Weitnauer, Festschrift für von Caemmerer, S. 255, insb. S. 259 ff. 611 Der Einbeziehung des Verwendungszwecks in den Leistungsbegriff scheint ohnehin bereits die moderne Auffassung entgegenzustehen, nach der dem BGB ein „gegenständlicher Leistungsbegriff" zugrunde liegt (so Emmerich, Leistungsstörungen, § 2 III 1, S. 18 f., m. Nachw.; grundlegend Heinrich Stoll, AcP 136 (1932), S. 257, 273 ff.), indem sich die Leistung nur auf den gegenständlich verstandenen Leistungserfolg beziehen, sich hingegen nicht mit dem gesamten dem Schuldverhältnis entsprechenden Verhalten des Schuldners decken und insbesondere die Modalitäten der Leistung, namentlich der Bereich der Schlechterfüllung, von dem Begriff der Nichterfüllung ausgeklammert bleiben soll. Anders hingegen der weite Leistungsbegriff der Unmöglichkeitslehre Friedrich Mommsens, von dem nach Emmerich, Leistungsstörungen, § 2 III 1, S. 19, § 1 II 1, S. 4 f., auch die „Väter des BGB" ausgegangen sind; vgl. Mommsen, Unmöglichkeit, S. 8, 153, 193; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, §§ 264, 315. 612 Wieacker, Festschrift für Nipperdey I, S. 783, 798, 812; ähnlich Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 7 f., § 18 I, S. 235; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/1, § 6 I, S. 103 f.; Beuthien, Zweckerreichung, S. 9 f., s. auch S. 27 ff., 34 ff.; Westhelle, Nichterfüllung, S. 47 f.; Boehmer, Erfüllungswille, S. 4; Kretschmar, Erfüllung, S. 107 u. 133; Heck, Schuldrecht, S. 160; Scherner, JZ 1971, S. 533 f.; U. Huber, Festschrift für von Caemmerer, S. 837, 845 f.; Stau-

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

„daß die Leistung - mag sie sich nun im Verhalten des Schuldners erschöpfen oder darüber hinaus auch die Erfolgs Verwirklichung einschließen - jedenfalls immer auch auf ein solches Verhalten bezogen ist". Ausdrücklich spreche daher „§ 362 von der Bewirkung der geschuldeten Leistung". „Wenn das Gesetz die Schuld durch Bewirkung der »geschuldeten4 Leistung erlöschen läßt, so kommt darin zum Ausdruck, das es sich den Leistungserfolg in aller Regel gerade durch das Verhalten des Schuldners herbeigeführt denkt: Leistung ist dann Verwirklichung des Gläubigerinteresses durch den Schuldner" 613 . Ebenso ist nach Gernhuber „Leistung, verstanden als Leistungserfolg,... nicht ein wie immer auch zustandegekommenes Ergebnis, sondern ausschließlich ein Ergebnis, das durch Leistungsverhalten bewirkt wurde" 614 . „Nichterfüllung" bedeutet in diesem Zusammenhang spiegelbildlich also grundsätzlich den Nichteintritt des Leistungserfolgs. Es gibt zwar auch Leistungspflichten, wie insbesondere die Unterlassungspflichten, die sich in einem bloßen Leistungsverhalten des Schuldners erschöpfen. Nur im Regelfall haben die Leistungspflichten des Schuldners - als Leistungsverhalten verstanden - eine „finale Struktur"; sind also „erfolgsgerichtet" 615. Hingegen soll es umgekehrt keine Leistungspflichten ohne ein geschuldetes Leistungsverhalten geben oder eine Erfüllung durch Leistung denkbar sein, die nicht mit einem Verhalten des Schuldners verbunden ist. Da der Schuldner in der Regel nicht als verpflichtet angesehen werden dinger/Olzen, BGB, § 362 Rn. 11 f; MünchKomm/ Heinrichs, BGB (3. Aufl.), § 362 Rn. 2; MünchKomm/Wenzel, BGB, Band 2 a, § 362 Rn. 2; MünchKomm / Kramer, BGB, Band 2 a, § 241 Rn. 7; Erman/Werner, BGB, § 241 Rn. 4; RGRK/Weber, BGB, § 362 Rn. 13; BGHZ 40, S. 326, 331; BGHZ 87, S. 156, 162; differenzierend Staudinger/J. Schmidt, BGB (13. Bearb.), § 241 Rn. 75 ff., 85; BGHZ 12, S. 267, 268 f.; undeutlich Palandt/Heinrichs, BGB, § 241 Rn. 4; s. zum Leistungsbegriff auch Henke, Leistung, insb. S. 41 ff. 613 Wieacker, Festschrift für Nipperdey I, S. 783, 786 f., 791, Hervorheb. i. O. - Nach Wieacker, Festschrift für Nipperdey I, S. 783, S. 787, soll dies sogar dann gelten, „wenn der Schuldner versprochen hat, daß ein durch sein Verhalten nicht zu beeinflussendes Ereignis ... geschehe. Auch bei solchen meist als Garantieleistung (im allgemeinsten Sinn) zusammengefaßten Verpflichtungen verspricht er immer noch eigenes Handeln: nämlich ein »Einstehend. h. eigene Schadloshaltung des Gläubigers für sein Interesse am Eintritt oder Ausbleiben jenes Ereignisses, verspricht also eine von ihm selbst zu bewirkende Leistung." In den hier interessierenden Fällen geht es indessen nicht um das Versprechen einer Schadloshaltung im Sinne einer sekundären Leistungspflicht, sondern um die Frage, ob der Verwendungszweck als Inhalt einer primären Leistungspflicht gedacht werden kann, für deren Nichterfüllung der Schuldner grundsätzlich nur mit seinem Anspruch auf die Gegenleistung einzustehen hat. 614 Gernhuber, Erfüllung, § 5 I 3 b), S. 99. 615 U. Huber, Festschrift für von Caemmerer, S. 837, 844 f. Dies ist nach Huber, a. a. O., S. 845 Fn. 22 mit w. Nachw., unbestritten. Freilich beansprucht dieser Grundsatz nur für die Erfüllungslehre Geltung, denn der „Leistungsanspruch", den der Gläubiger im Fall der Nichterfüllung gegen den Schuldner geltend machen kann, richtet sich notwendigerweise nur auf bestimmte Handlungen des Schuldners: Der „Anspruch" ist, wie in § 194 Abs. 1 BGB definiert, das Recht, vom Schuldner „ein Tun oder Unterlassen" zu verlangen. Nur eine Handlung oder Unterlassung, nicht aber der Eintritt eines Erfolgs ist ein geeigneter Gegenstand von Klage und Zwangsvollstreckung; vgl. etwa Huber, a. a. O., S. 846.

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kann, den „Erfolg" der Bedürfnisbefriedigung des Gläubigers, also die Erreichung des beabsichtigten Verwendungszwecks durch sein Leistungsverhalten herbeizuführen, muss auf dem Boden dieser Doktrin der Verwendungszweck aus dem Leistungsbegriff ausgeklammert bleiben. Die Folge hiervon ist, dass der Verwendungszweck nicht als Inhalt der vertraglichen Leistung, sondern lediglich als Beweggrund des Gläubigers für den Abschluss des Vertrags erfasst und daher - abgesehen von den Fällen des Fehlens oder des Fortfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich allein als „Sache" des Gläubigers angesehen wird. Hieraus ergibt sich schließlich konsequent die allgemein anerkannte Faustformel, der Schuldner habe das Risiko seiner Leistungsfähigkeit, der Gläubiger hingegen das Risiko der Verwendbarkeit der Leistung zu tragen 616 . (4) Die Entwicklung der Lehre von der Geschäftsgrundlage und ähnlicher Theorien wurde auf dem Boden dieses Grundverständnisses unausweichlich. Denn das durchaus begrüßenswerte Anliegen der im Gefolge der Irrtumslehre Zitelmanns fortentwickelten Zivilrechtsdogmatik, den vielfältigen Motivationen des Gläubigers im Falle ihres Scheiterns keinen Einfluss auf das vertragliche Austauschverhältnis zuzubilligen, war seit jeher mit dem Problem konfrontiert, dass insbesondere bei der Störung des Verwendungszwecks bestimmte Umstände nach dieser Betrachtungsweise zwar nicht der Willenserklärung und damit dem Vertragsinhalt zugerechnet werden konnten, aber dennoch als bloße Motive im Falle einer Andersartigkeit der Wirklichkeit nicht unberücksichtigt bleiben sollten. Dies zwang die herrschende Meinung seit Oertmann, derartige Umstände in einem Auffangtatbestand, der Geschäftsgrundlage, zu erfassen 617. Über diesen Umweg konnten nun auch die angeblich außerhalb des Geschäfts liegenden Vorstellungen der Parteien über den Verwendungszweck im Falle ihrer Störung unter Umständen Rechtsfolgen auslösen, die einer Leistungsstörung entsprechen. Ferner sah man sich veranlasst, die Störung des Verwendungszwecks in geeigneten Fällen als sog. Umweltfehler und damit als Mangel der Kauf- oder Mietsache zu deklarieren, obwohl die Andersartigkeit der Umwelt mit den Eigenschaften der Sache eigentlich nichts zu tun hat. Umgekehrt konnte auf dem Boden dieser Doktrin eine Lehre kein Gehör finden, die den Verwendungszweck bei entsprechender vertraglicher Abrede in den Inhalt des Geschäfts einbeziehen will. So ist insbesondere im Zuge der Kritik an den Lehren von Flume und Beuthien gegen die Vorstellung von der Nutzung als Element der Leistungsabrede eingewandt worden, eine derartige Abrede besitze „keinen substantiierten Regelungsgehalt" und daher „keinen eigenständigen Sinn", da 616 BGHZ 74, S. 370, 374; BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 83; BGH NJW 1970, S. 1313 f.; Willoweit, JuS 1988, S. 833; Emmerich, Leistungsstörungen, § 28 II 4, S. 342; Beuthien, Zweckerreichung, S. 180; Köhler, Unmöglichkeit, S. 108 f.; Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5, S. 507 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 23 III 2, S. 30 f., § 24, S. 33; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 38 IV 2 d), S. 717 Rn. 40; Palandt/Heinrichs, BGB, § 313 Rn. 43; Soergel / Teichmann, BGB, § 242 Rn. 233; MünchKomm/Roth, BGB, § 242 Rn. 769. 617 Rothoeft, AcP 170 (1970), S. 230, 236.

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sich durch diese „an dem, was der Sachleistungsschuldner zu tun und zu lassen hat" nichts ändere. Der „weitere Zweck des Gläubigers" werde vielmehr „für die Leistung des Schuldners erst relevant, wenn er sich in einer realen Modalität der Leistungsbewirkung niederschlägt" 618. Es bestehe etwa die Vermieterleistung im Krönungszugfall „lediglich in der Überlassung der Mietsache (in dem geforderten Zustand) an den Mieter während der vereinbarten Mietzeit". Werde der Krönungszug abgesagt, so sei „diese Leistung ... nach wie vor möglich". Mit dem „Zustand" der Mietsache könne nach § 535 BGB „nur deren Lage und Beschaffenheit gemeint sein". Auch sei die Mietsache nicht nach § 536 BGB fehlerhaft. Hier liege „das Hindernis weiterer Verwendung gerade zu dem vereinbarten Zweck ... nicht in der Beschaffenheit der Räume - sie sind, für sich genommen, dazu genau so geeignet wie vorher - sondern an einem Umstand, der mit der Beschaffenheit der Sache nichts zu tun, auf den der Vermieter auch keinerlei Einfluß hat". Es bleibe „für diese Fälle daher nur der Weg über den Fortfall der Geschäftsgrundlage" 619.

b) Die Verfehltheit der Lehre Zitelmanns und des herkömmlichen Leistungsbegriffs (1) Die Irrtumslehre Zitelmanns erweist sich in ihren Auswirkungen auf die zivilrechtliche Dogmatik nichts weniger als verhängnisvoll. Indem die Verkürzung des Leistungsbegriffs für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks die scheinbare Notwendigkeit der Rechtsfigur von der Geschäftsgrundlage bewirkte, war der Zivilistik der Weg über eine vernünftige Interpretation des Vertrags versperrt. Folglich suchten Rechtsprechung und Lehre in anderen Kategorien, angefangen bei der „Voraussetzung" und dem „akzepierten Vorbehalt des Willens" über die „Unzumutbarkeit" einschließlich der „Vorhersehbarkeit" bis zum „objektiven Vertragszweck" vergeblich nach trennscharfen Kriterien für die Bestimmung von rechtlich relevanten Verwendungszwecken. Hierbei blieb zumeist unerkannt, dass gerade durch die Enge des Begriffs von der rechtsgeschäftlichen „Absicht" und folglich des Begriffs von der Leistung das berechtigte Anliegen einer klaren tatbestandlichen Eingrenzung des berücksichtigungsfähigen Irrtums nicht verwirklicht werden konnte, indem man mit der Lehre von der Geschäftsgrundlage ein Einfallstor für die Beachtlichkeit von verschiedenartigsten Motiven schaffen musste. Das scheinbare Erfordernis eines derartigen Auffangtatbestands ist damit letztlich eine Folge der Prämisse, dass sich der rechtsgeschäftliche Wille in der Individualisierung eines Substrats und in dem durch die geschuldete Tätigkeit des Schuldners zu bewirkenden Erfolg erschöpft. Infolge der Willkürlichkeit dieses Ausgangspunktes schießt dieses Modell des Vertrags weit über das selbstgesteckte Ziel hinaus, zugunsten des Verkehrsschutzes einen unerträglich weiten Kreis von 618

Köhler, Unmöglichkeit, S. 93 f.; s. hierzu auch bereits oben u. 2. Kap. D. IV. 3. b). 619 Larenz, Schuldrecht I, § 21 II, S. 327 f.; ebenso Köhler, Unmöglichkeit, S. 95.

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Nichtigkeitsgründen zu verhindern. Von vornherein begibt man sich so der Möglichkeit, auch andere Umstände als die Existenz des Substrats und die Fähigkeit des Schuldners zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs als maßgeblich dafür zu begreifen, ob eine Leistung „vertragsgemäß" erbracht worden ist. Dieser Zustand des heute praktizierten Rechts ist umso mehr zu bedauern, als die zugrunde liegende Lehre Zitelmanns keineswegs Zustimmung verdient. Die Lehre ist zudem seit langem von der Rechtsentwicklung überholt worden, obschon sie in den dargestellten Bereichen dessen ungeachtet fortlebt. (2) Gegen das psychologische Modell Zitelmanns spricht von vornherein, dass es psychologisch a priori keineswegs ausgeschlossen, dass sich die sog. „Absicht" im Sinne Zitelmanns, also der rechtsgeschäftliche Wille und damit auch der Inhalt der Leistung, auf eine bestimmte Nutzung beziehen kann. Die Bestimmung der Vertragsgemäßheit der Leistung muss sich keineswegs ausschließlich in einer „realen Modalität der Leistungsbewirkung" niederschlagen. Denn die ausdrückliche oder konkludente Abrede über den Verwendungszweck legt fest, unter welchen Umständen die Leistung des Schuldners vertragsgemäß ist. Die Vereinbarung über den geschuldeten Verwendungszweck besitzt damit durchaus einen „substantiierten Regelungsgehalt", indem sie nämlich bestimmt, welche Bedürfnisbefriedigung der Schuldner dem Gläubiger vertraglich verspricht. Ihr kommt so die im gegenseitigen Vertrag entscheidende Funktion zu, zu definieren, was der Gläubiger als Äquivalent für seine Gegenleistung zu erwarten hat. Nicht erst bei einer Störung des Verwendungszwecks, sondern bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist die Abrede über den geschuldeten Verwendungszweck für den Leistungsinhalt relevant, indem gerade durch sie privatautonom das wirtschaftliche und damit auch das für die rechtliche Weitung maßgebliche Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung festgelegt wird. Das vertragliche Versprechen kann sich „psychologisch" durchaus auch auf Umstände beziehen, die nicht vom Schuldner zu bewirken sind, indem diejenigen Umstände, die zur Erreichung des Verwendungszwecks erforderlich sind, nach der Vertragsabrede für die vertragsgemäße Erfüllung gegeben sein müssen. Dass sich der rechtsgeschäftliche Wille auf einen nicht vom Schuldner herbeizuführenden Verwendungszweck beziehen kann, ist kaum zu bezweifeln. Da - wie gezeigt - der Verwendungszweck „im Brennpunkt des psychologischen Prozesses" liegt, ist es eine ganz der Natur entsprechende Vorstellung, dass der rechtsgeschäftliche Wille die Leistung mit den vorgestellten Nutzungsmöglichkeiten betrifft. Die Vorstellung von der Nutzung eines Gegenstandes ist ja gar nicht von der Vorstellung des Gegenstands selbst zu trennen, da sich jeder Gegenstand nicht zuletzt durch seine Verwendbarkeit definiert. Gerade umgekehrt verlangt das vertragliche Äquivalenzprinzip die Annahme, dass sich der rechtsgeschäftliche Wille auf die für den Wert der Leistung allein maßgebliche Nutzungsmöglichkeit bezieht, da die Bemessung der Gegenleistung auf der - vertraglich vereinbarten - Nutzung beruht. Auch wenn der Verwendungszweck nicht in Form einer Bedingung in den Inhalt des Vertrags aufgenommen wurde, bezieht sich der auf die Leistungsvereinbarung gerichtete

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Wille daher einheitlich auf die Leistung einschließlich des Verwendungszwecks. Bei der Vereinbarung von Verwendungszwecken handelt es sich daher auch nicht etwa um eine besondere, neben der Leistungsvereinbarung stehende Willenserklärung 620 , sondern um ein Element des einheitlichen rechtsgeschäftlichen Willens. (3) Die verbreitete Vorstellung, der rechtsgeschäftliche Wille könne sich nicht auf einen Verwendungszweck beziehen, fand ursprünglich ihre Parallele in der durch Zitelmann begründeten Auffassung, es könnten auch die Eigenschaften von Sachen nicht vom rechtsgeschäftlichen Willen umfasst sein. Indem Zitelmann davon ausging, dass der Wille - die sog. „Absicht,, - als der auf den Erfolg bezogene Wille niemals die Eigenschaften eines bestimmten Leistungsgegenstands betreffen könne, schied er scharf die Vorstellung von den Eigenschaften als bloße „Vorstellung" von dem Willen, hielt er sie nur für ein Motiv des Willens und folgerte daraus, dass bei Unrichtigkeit der Vorstellung von den Eigenschaften des Leistungsgegenstands nur ein Irrtum im Beweggrund, ein Motivirrtum vorliegen könne 621 . Denn auch beim Spezieskauf bestand - nach bisherigem Recht bis zur Änderung des § 433 Abs. 1 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz - keine „Erfüllungspflicht" des Verkäufers zur Leistung der Kaufsache im mangelfreien Zustand, da den Verkäufer in der Regel keine Pflicht zur Nachbesserung trifft 6 2 2 . Im Gefolge dieser Doktrin ist daher sogar die Haftung für Sachmängel beim Kauf vielfach als ein Fall des Fortfalls der Geschäftsgrundlage angesehen worden 623 . In Bezug auf die rechtsgeschäftliche Bedeutung der Eigenschaften von Sachen ist diese Vorstellung, namentlich durch die Arbeiten von Flume über den Eigenschaftsirrtum beim Spezieskauf schon lange widerlegt 624 . Flume wies nach, dass es nicht besondere Vorstellungen von einem Gegenstand „an sich" und von seiner Beschaffenheit gibt, so dass der auf das Geschehen gerichtete Wille, wie Zitelmann annimmt, nur die Vorstellung des Gegenstands als solchen, als raum-zeitlich bestimmten Etwas in sich aufnehmen könnte. Die Vorstellung von der Beschaffenheit ist ebenso wenig von der Vorstellung des Gegenstands zu trennen wie die Beschaffenheit von dem Gegenstand. Deshalb betrifft der auf ein Geschehen bezüglich eines Gegenstands gerichtete Wille entsprechend der einheitlichen Vorstellung des Gegenstands und seiner Beschaffenheit den Gegenstand mit der vorgestellten Beschaffenheit 625. Die heute nicht mehr bezweifelte Vorstellung von den Eigenschaften des Leistungsgegenstands als Element des rechtsgeschäftlichen Willens bei der

620 So hingegen Locher, AcP 121 (1923), S. 1, 98; s. hierzu bereits oben u. 2. Kap. D. II. 2. 621 Zitelmann, Irrtum, S. 439 ff. sowie S. 483 ff. (Résumé). 622 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 35. 623 So etwa bei Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 71 ff.; Heinr. Lange, Festschrift für Giesecke, S. 21, 27; Schmidt-Rimpler, Festschrift für Nipperdey, S. 1, 29; Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 95. 624 Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948. 625 Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 18.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Leistungsvereinbarung hat zur Folge, dass der Eigenschaftsirrtum und der Sachmangel ohne weiteres als Leistungsstörungen erfasst werden können 626 . Analog zum Sachmängelrecht steht aber auch bei der Störung von Verwendungszwecken „psychologisch" nichts im Wege, neben einer „Soll-Beschaffenheit" auch eine „Soll-Nutzbarkeit" als Leistungsinhalt zu erfassen. Auch hier gilt, dass - um die Argumentation von Flume aufzugreifen - es nicht besondere Vorstellungen von einem Gegenstand „an sich" und von seinem Verwendungszweck gibt. Auch hier ist die Vorstellung von dem Verwendungszweck ebenso wenig von der Vorstellung des Gegenstands zu trennen wie der Verwendungszweck von dem Gegenstand. Deshalb betrifft der auf ein Geschehen bezüglich eines bestimmten Gegenstands gerichtete Wille entsprechend der einheitlichen Vorstellung des Gegenstands und seiner Verwendbarkeit den Gegenstand mit der vorgestellten Verwendbarkeit. Der Wille kommt nicht zustande bezüglich eines raum-zeitlich bestimmten Etwas, nicht „Gegenstände" sind das Objekt des Willens sowohl bei rechtsgeschäftlichem wie jedem anderen Handeln, sondern immer nur Gegenstände mit einer bestimmten vorgestellten Verwendbarkeit. So werden nicht „Gegenstände" verkauft, sondern „Reit-Pferde", „Lese-Bücher", „Bau-Grundstücke" usw. Ebenso wie beim Sachmangel bleibt daher auch bei der Nutzungsstörung die tatsächliche Leistung hinter der als vertragsgemäß vereinbarten Erfüllung zurück. Dementsprechend ist nicht der Irrtum des Gläubigers über die Nutzbarkeit der Kaufsache der „eigentliche" Grund für die Beachtlichkeit der Nutzungsstörung, sondern die Tatsache, dass die Schuld hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit nicht dem Rechtsgeschäft entspricht. (4) Die geschuldete Verwendbarkeit kann nach alldem zwanglos als geschuldeter Erfolg erfasst werden. Der Erfolg der Möglichkeit der geschuldeten Nutzung wird zwar nicht in dem Sinne geschuldet, dass der Schuldner ihn herbeizuführen hätte, wohl aber in dem Sinne, dass seine Leistung bei einer Unmöglichkeit der Nutzung nicht erfüllt ist. Ganz ebenso wie der Verkäufer einer Sache mit dem Kaufpreisanspruch für den Erfolg der Rechts- und Sachmängelfreiheit einstehen muss, trägt er auch die Gefahr für die Verwendbarkeit der Kaufsache für den vereinbarten Zweck. So gesehen weist jeder gegenseitige Vertrag mit der Vereinbarung von bestimmten Verwendungszwecken einen Erfolgsbezug auf, wie es sonst bislang nur beim Werkvertrag anerkannt ist. Die in der Literatur verbreitete Vorstellung, es stünden der primäre und der sekundäre Zweck des Gläubigers im Verhältnis von Mittel und Zweck zueinander, und es sei deshalb nur der primäre Zweck relevanter Inhalt des Vertrags, lässt sich infolge dessen nicht mehr halten. Die im Rahmen der Leistungsabrede bestimmte vertragliche Nutzung ist nicht etwa ein sekundärer und damit für die Gegenleistungsgefahr unbeachtlicher Zweck des Gläubigers, sondern als Element der Leistungspflicht Teil des primären Leistungszwecks des Schuldverhältnisses. Die rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines bestimmten Verwendungszwecks ist damit 626

Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 11 ff., 74.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

auch ohne eine „reale Modalität der Leistungsbewirkung" keineswegs eine sinnlose Regelung ohne eigenständigen Gehalt. Vielmehr legt dieses Element der Abrede fest, welche Verwendbarkeit der Leistung als Äquivalent der Gegenleistung der vertragsgemäßen Erfüllung der Leistungspflicht entspricht. Da der Gläubiger das Leistungsentgelt gerade wegen des Verwendungszwecks verspricht, verlangt der Äquivalenzgedanke die Abrede über den Verwendungszweck als selbstverständlichen Inhalt des Geschäfts.

c) Die Bestimmung sonstiger Leistungsinhalte nach dem vereinbarten Verwendungszweck Das gefundene Ergebnis, dass die Vertragsparteien regelmäßig - wenn auch zumeist stillschweigend - Vereinbarungen über den geschuldeten Verwendungszweck treffen, wird dadurch bestätigt, dass sich der Inhalt von Leistungspflichten in gegenseitigen Verträgen auch sonst ganz selbstverständlich anhand des vereinbarten Verwendungszwecks bestimmt. (1) Die Inhalte der Leistungen werden insbesondere beim Sachkauf, bei der Miete sowie beim Werk- und Werklieferungsvertrag maßgeblich durch den geschuldeten Verwendungszweck determiniert. Dass es sich hierbei um einen vereinbarten Verwendungszweck handeln muss, ergibt sich bereits daraus, dass die Leistungspflichten privatautonom durch die Vertragsparteien vereinbart werden und die Abreden daher auch den hierfür maßgeblichen Verwendungszweck erfassen müssen. Für die Frage, ob eine Leistungsstörung vorliegt, genügt es bei den genannten Vertragstypen zwar grundsätzlich, auf die Sache bzw. das Werk selbst abzustellen. Ist die Sache untergegangen oder weist sie nicht die vereinbarten Eigenschaften auf, so kommt es auf den Verwendungszweck des Gläubigers nicht mehr an. Die beabsichtigte Nutzung ist dann ohnehin nicht mehr möglich. Ohne den Gesichtspunkt des Verwendungszwecks ist jedoch vor allem dann nicht mehr auszukommen, wenn keine ausdrücklichen vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarungen vorliegen und mittels einer Auslegung des Vertrags die „SollBeschaffenheit" der Sache ermittelt werden muss. Indem hierfür entscheidend ist, „als was" 6 2 7 die Sache verkauft ist, wird auch maßgeblich, „zu was" die Sache nach dem Vertrag dienen sollte, da die geschuldete Beschaffenheit einer Sache maßgeblich durch die vereinbarte oder typische Verwendbarkeit der Sache bestimmt wird. Wird beispielsweise ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück verkauft, so kommt es bei der Feststellung der vereinbarten physischen Beschaffenheit gemäß § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. auf den „nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch" der Kaufsache an. Ähnlich ist nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. „die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung" bzw. „die gewöhnliche Verwen627 Soergel/Huber, BGB, § 459 Rn. 23.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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dung" von entscheidender Bedeutung. Hierfür ist maßgeblich, ob die Sache nach ihrer physikalischen, chemischen oder sonstigen Beschaffenheit für den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck geeignet ist 6 2 8 . Daher ist das verkaufte Grundstück regelmäßig mangelhaft, wenn sich herausstellt, dass das auf ihm errichtete Wohngebäude bei Gefahrübergang von Feuchtigkeit befallen war 6 2 9 Die Annahme, dass als Sollbeschaffenheit stillschweigend die Abwesenheit von Feuchtigkeit vereinbart worden ist, rechtfertigt sich allein deshalb, weil der geschuldete Verwendungszweck eines Wohnhauses „das Wohnen" ist. Die Möglichkeit zum Bewohnen ist eben die vertraglich vereinbarte und daher geschuldete Nutzung, d. h. der „gewöhnliche oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch" 630 , eines als Wohnhaus verkauften Gebäudes. Die stoffliche Untauglichkeit zu diesem Verwendungszweck führt dazu, dass die Leistung nicht vertragsgemäß ist. Denn ein Wohnhaus hat gewöhnlich all diejenigen Eigenschaften aufzuweisen, die zum Bewohnen erforderlich sind. Ist hingegen die vertragliche Nutzung des Gebäudes nicht das Wohnen, weil die Vertragspartner sich beispielsweise darüber einig waren, dass das Wohnhaus allein zum Zweck des Abbruchs erworben werden soll, so entfällt dementsprechend die Sachmängelhaftung für einen Feuchtigkeitsbefall oder eine Baufälligkeit des Hauses 631 , da die vertragliche Nutzung durch die Beschaffenheitsabweichung nicht vereitelt ist. Unmaßgeblich ist es dann, ob das Gebäude die typischen Eigenschaften eines Wohnhauses aufweist. In derselben Weise erfolgt die Ermittlung der vertragsgemäßen Beschaffenheit auch bei der Miete, indem es für einen Mangel der Mietsache nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf ankommt, ob die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch - also zum vertraglich vereinbarten Verwendungszweck - aufgehoben oder erheblich gemindert ist 6 3 2 . Ebenso ist beim Werkvertrag das Werk gemäß § 633 Abs. 1 BGB a.F. so herzustellen, dass es zu dem „nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch" tauglich ist 6 3 3 . Ebenso ist das Werk nach § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. frei von Sachmängeln, „wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet". Auch hier bestimmt sich also die vertraglich geschuldete Beschaffenheit des Werks nach der vereinbarten Nutzung 634 . (2) In ganz ähnlicher Weise greift die herrschende Meinung auch bei der Differenzierung zwischen teilweiser und vollständiger Unmöglichkeit der Leistung mit 628 s. nur Soergel /Huber, BGB, § 459 Rn. 24. 629 s. zu diesen Fällen RGZ 85, S. 252, 253 f.; BGH NJW-RR 1987, S. 1415, 1416; BGH NJW-RR 1990, S. 78,79; BGH W M 1968, S. 1220, 1221; Jauernig/Vollkommer, BGB, § 434 Rn. 25. 630 s. hierzu etwa Soergel / Huber, BGB, § 459 Rn. 66, 69. 631 Jauernig/Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 459 Rn. 9. 632 Palandt/Weidenkaff, BGB, § 536 Rn. 16; MünchKomm/Voelskow, BGB, § 537 Rn. 2 f. 633 s. nur MünchKomm/Soergel, BGB, § 633 Rn. 15 ff. m. w. Nachw. 634 Ebenso Beuthien, Zweckerreichung, S. 173 ff.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Selbstverständlichkeit auf den Gesichtspunkt des geschuldeten Verwendungszwecks zurück: Selbst wenn die Leistung ihrer Art nach teilbar ist, soll die teilweise Unmöglichkeit der vollständigen Unmöglichkeit gleichstehen, wenn „nach dem besonderen Inhalt und Zweck des Vertrags dem Gläubiger nur mit der vollen Leistung gedient, eine Teilleistung für ihn dagegen sinnlos ist" 6 3 5 . Ist die Leistung physisch nur teilweise unmöglich geworden, so soll also dennoch rechtlich vollständige Leistungsunmöglichkeit anzunehmen sein, wenn mit der noch möglichen Teilleistung das vertragsgemäße Interesse des Gläubigers, nämlich wie in § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. „die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch" bzw. wie in § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. die nach dem Vertrag „vorausgesetzte" oder „gewöhnliche Verwendung" auch nicht teilweise befriedigt werden kann 636 . Wird etwa - um ein Schulbeispiel aufzugreifen - ein bestimmtes „Pferdegespann" verkauft und stirbt eines der vier dazugehörigen Tiere vor Übergabe, so ist die vertraglich vereinbarte Nutzung der Pferde, diese gemeinsam vor eine Kutsche spannen zu können, unmöglich geworden. Sind nur noch drei Pferde am Leben, so bedeutet eine Teilleistung der übriggebliebenen Tiere allein deshalb nicht nur hinsichtlich der Quantität, sondern auch der Qualität etwas anderes als die volle Leistung, weil der Verwendungszweck durch das Unglück vollständig vereitelt worden ist. Der Inhalt der Leistung wird also auch hier durch den vereinbarten Verwendungszweck bestimmt. Die Gegenleistung ist somit insgesamt nicht geschuldet, wenn durch die teilweise Unmöglichkeit die vertragliche Nutzung unmöglich geworden ist 6 3 7 . Entspricht hingegen auch die Verwendbarkeit der Teilleistung der vertraglich geschuldeten Nutzung, wie etwa wenn schlicht „vier Pferde" verkauft worden sind, so ist die Gegenleistung gemäß § 323 Abs. 1 Hs. 2 BGB a.F. bzw. gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BGB n.F. nur anteilig, d. h. entsprechend der noch bestehenden Möglichkeit zur vertraglichen Nutzung zu entrichten. (3) Die vertraglich vereinbarte Nutzung spielt regelmäßig ferner eine maßgebliche Rolle bei der Frage, ob ein sog. absolutes Fixgeschäft vereinbart worden ist. Von absoluten oder strengen Fixgeschäften spricht man gewöhnlich bei Verträgen, die eine Leistung zum Gegenstand haben, die nur in einem ganz bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgen kann und daher unmöglich wird, wenn sie nicht zu diesem Zeitpunkt erfolgt 638 . Der strenge Zeitbezug ergibt 635 BGH NJW-RR 1995, S. 854, m. w. Nachw.; RGZ 140, S. 378, 383; RGZ 170, S. 257, 259; Scherner, JZ 1971, S. 533, 536 m. w. Nachw.; Jauernig/ Vollkommer, BGB, § 275 Rn. 8, § 323 Rn. 8; Erman/ Battes, BGB, § 275 Rn. 9; MünchKomm/Ernst, BGB, Band 2 a, § 275 Rn. 123, mit Beispielen; deutlich insbesondere Staudinger/Löwisch, BGB (13. Bearb.), § 275 Rn. 40: „ . . . weil der Gläubiger mit ihr den Zweck, den er mit der Leistung verfolgt, nicht mehr erreichen kann." 636 Larenz, Schuldrecht I, § 21 I b), S. 311, § 22 I, S. 334; ähnlich Staudinger/Otto, BGB, § 323 Rn. 47. 637 Ebenso Scherner, JZ 1971, S. 533, 536.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

193

sich regelmäßig entweder aus einer ausdrücklichen Abrede oder - wie bereits Beuthien zutreffend festgestellt hat - „aus dem Zweck, welchen die Schuldnerleistung nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung für den Gläubiger haben soll" 6 3 9 . Die Unmöglichkeit folgt beim absoluten Fixgeschäft daraus, dass die Leistung zu einer anderen Zeit den Verwendungszweck nicht mehr erfüllt, für den sie nach dem Inhalt des Vertrags bestimmt ist 6 4 0 Denn Weihnachtsbäume zu Ostern und Osterhasen zu Pfingsten sind eben keine, auch keine verspätete Erfüllung, weil der Gläubiger damit jetzt offenkundig nichts mehr anfangen kann 641 . So begründete beispielsweise der BGH hinsichtlich der Haftung von Fluggesellschaften für Schäden, die aus Verspätungen von Flügen entstehen, das Vorliegen eines absoluten Fixgeschäfts mit dem Argument, der Fluggast „buche gerade deshalb einen im Flugplan aufgeführten Flug, um nach der vorgesehenen Ankunftszeit einen Termin wahrzunehmen oder - bei Weiterflug - einen bestimmten Anschluß zu erreichen". Es gehöre deshalb „zum Inhalt der... geschuldeten Leistungspflicht, Anschlüsse an andere Fluglinien zu ermöglichen" 642 . Freilich handelt es sich bei einer Störung eines absoluten Fixgeschäfts, etwa wenn das für die Fahrt zum Flughafen bestellte Taxi zu spät eintrifft, bereits um eine Nichterfüllung der geschuldeten Leistungshandlung - nämlich der Fahrt zum richtigen Zeitpunkt - und erst in zweiter Linie um eine Störung des Erfolgs der Verwendbarkeit der Leistung, die in der rechtzeitigen Ankunft besteht 643 . Jedoch geht es vorliegend allein um die Erkenntnis, dass sich in der Regel erst aus der Vereinbarung der geschuldeten Nutzung der Inhalt der als strenge Fixschuld geschuldeten Tätigkeit erschließt. Erst aus dem Verwendungszweck der rechtzeitigen Ankunft ergibt sich die entscheidende Bedeutung der Pflicht, die Beförderungsleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen. Die Vorstellung von einer als Inhalt der Leistung geschuldeten Verwendungsmöglichkeit ist hier somit der Vorstellung von den vertragsgemäßen Erfüllungshandlungen vorgelagert.

638 s. etwa BGHZ 99, S. 182, 189; BGHZ 60, S. 14, 16; BGHZ 77, S. 320, 323; BGH NJW 1974, S. 1046, 1047; Palandt/ Heinrichs, BGB, § 271 Rn. 16; MünchKomm/ Janßen, BGB, § 361 Rn. 3; MünchKomm/Emmerich, BGB, § 275 Rn. 35; MünchKomm/Ernst, BGB, Band 2 a, § 275 Rn. 46; MünchKomm/Krieger, BGB, Band 2 a, § 271 Rn. 14; Jauernig / Vollkommer, BGB, § 275 Rn. 14; Staudinger/Löwisch, BGB, § 275 Rn. 5; Larenz, Schuldrecht I, § 211 a), S. 306, § 23 III, S. 361. 639 Beuthien, Zweckerreichung, S. 163. 640 MünchKomm/Emmerich, BGB, § 275 Rn. 35: „ . . . weil sie jetzt eine völlig andere wäre, mit der der Leistungszweck des Gläubigers nicht mehr verwirklicht werden kann."; ebenso MünchKomm/Ernst, BGB, Band 2 a, § 275 Rn. 46;. 641 MünchKomm/Emmerich, BGB (3. Aufl.), § 275 Rn. 44. 642 BGHZ 86, S. 284, 293, Hervorheb. nicht i. O.; s. auch Sonnenberger, Festschrift für Lorenz, S. 595 ff., zu einem vom Cour de Cassation entschiedenen Fall, bei dem die verspätete Zustellung eines Briefs durch ein Unternehmen der französischen Post zu einem erheblichen Schaden beim Absender geführt hatte. 643 Hierauf weist Köhler, Unmöglichkeit, S. 94 f., hin. 13 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

(4) Im Ergebnis ist es somit nicht als etwas Außergewöhnliches anzusehen, dass sich die Vertragspflichten nach der geschuldeten Nutzung bestimmen. Vielmehr ist es in der Praxis gang und gäbe, das Vorliegen von Leistungsstörungen zumindest mittelbar nach der Störung desjenigen Verwendungszwecks zu beurteilen, den zu ermöglichen der Schuldner als Leistung versprochen hat 6 4 4 . Allein mit den Begriffen der Nichtleistung und Mangelhaftigkeit der Leistung ist die Problematik in einer Vielzahl von Fällen nicht zu bewältigen. Es gilt vielmehr, bestimmte Nutzungen als Bestandteil der Leistung und infolgedessen die Unmöglichkeit derartiger vertraglicher Nutzungen als Unmöglichkeit der Leistung zu begreifen.

d) Der vereinbarte

Verwendungszweck

als geschuldeter Erfolg

Die Irrtumslehre Zitelmanns und der herkömmliche schuldrechtliche Leistungsbegriff erscheinen nach alldem insoweit als verfehlt, als nach ihnen der Verwendungszweck von der schuldrechtlichen Leistung ausgeklammert bleiben soll. Denn das Gegenseitigkeitsverhältnis als ein subjektiv von den Vertragsparteien determiniertes Äquivalenzverhältnis lässt sich nur unter Einbeziehung des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks erfassen: Gerade der geschuldete Nutzen ist die Leistung, für die der Gläubiger seine Gegenleistung als Äquivalent verspricht. Ferner hat sich gezeigt, dass es in vielen anderen Fällen schon lange üblich ist, den Inhalt der „Leistung" nach dem geschuldeten Verwendungszweck zu bestimmen. Schließlich können aber auch die Einwände als widerlegt gelten, nach denen man unter „Leistung" sinnvollerweise nur einen durch ein Leistungsverhalten herbeizuführenden Erfolg verstehen kann. Vielmehr kann sich der rechtsgeschäftliche Wille auch auf einen nicht herbeizuführenden Erfolg oder auf jeden anderen Umstand beziehen, der für die Verwirklichung eines Verwendungszwecks erforderlich ist. Mit der Forderung, der Erfolg müsse nach dem Vertrag durch ein Leistungsverhalten herbeizuführen sein, bezweckt die herrschende Meinung zum einen zu verhindern, dass ein unerträglich weiter Kreis von Beweggründen des Gläubigers Einfluss auf das Schuldverhältnis gewinnt, und zum anderen, die Fälle der sog. Zweckerreichung, in denen der geschuldete Erfolg ohne eine Leistungshandlung des Schuldners eintritt, von der Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB auszunehmen 6 4 5 . Mit dem herkömmlichen Begriff von der schuldrechtlichen Leistung 644 Weiteres reiches Anschauungsmaterial bieten die unten u. IV. behandelten Fälle, in denen die ältere Rechtsprechung zum Teil sogar ausdrücklich den Verwendungszweck als Inhalt der Leistung anerkannt hat. 645 s. etwa die „Nutzanwendungen" Wieackers, Festschrift für Nipperdey, S. 783, 806 ff.: „Wenn Leistung der durch das Verhalten des Schuldners herbeigeführte Erfolg ist, so ist der Folgerung nicht auszuweichen, daß die Leistung hier zufällig (objektiv) unmöglich geworden ist." Die Fälle der „Zweckerreichung" werden heute denn auch einhellig als solche der Unmöglichkeit behandelt, s. unten u. II. 1.; Streit besteht allein darüber, wer die Vergütungsgefahr zu tragen hat. Wieacker, a. a. O., S. 808, sieht hier - entgegen der herrschenden Mei-

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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schießt die herrschende Meinung jedoch über beide Ziele hinaus. Für die Abgrenzung der Leistungsstörung vom Motivirrtum ist dies hinsichtlich der Fälle der Störung des Verwendungszwecks gezeigt worden. Dies gilt aber ebenso für die Fälle der Erfüllung ohne eine die Erfüllung bewirkende Leistungshandlung646. Denn die herrschende Meinung muss notwendigerweise eingestehen, dass der Eintritt eines jeden geschuldeten Leistungserfolgs - auch im Sinne des sog. primären Leistungszwecks - nicht nur von dem Leistungsverhalten des Schuldners, sondern in der Regel auch von anderen Umständen abhängig ist, auf die der Schuldner von vornherein gerade keinen Einfluss besitzt. Erfüllung tritt - abgesehen von den Fällen, in denen nur ein Unterlassen oder eine nicht erfolgsbezogene Tätigkeit geschuldet wird - eben immer erst dann ein, wenn der Schuldner die geschuldete Leistungshandlung erbracht und auch sämtliche weiteren Erfordernisse gegeben sind, die zum Eintritt des geschuldeten Erfolgs führen. Beispielsweise ist bei der geschuldeten Verschaffung des Eigentums an einem Grundstück die Leistung erst dann bewirkt, wenn die erforderlichen Erklärungen des Schuldners abgegeben und das Grundbuchamt das Recht im Grundbuch eingetragen hat. Die Leistungshandlung reicht bei erfolgsbezogenen Pflichten eben zumeist nicht aus, um die Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB herbeizuführen 647. Im Ergebnis entpuppt sich somit der geschuldete Verwendungszweck als nichts anderes als ein gewöhnlicher geschuldeter Erfolg. Nicht in prinzipieller, sondern nur in phänomenologischer Hinsicht unterscheidet sich der geschuldete Verwendungszweck von „anderen" von der herrschenden Meinung anerkannten geschuldeten Erfolgen im Sinne des sog. primären Leistungszwecks. Die Andersartigkeit besteht lediglich darin, dass bei der als Erfolg geschuldeten Verwendbarkeit eines Leistungsverhaltens die Ursächlichkeit des Leistungsverhaltens in ihrer Bedeutsamkeit hinter der Ursächlichkeit der äußeren Umstände graduell zurücktritt. So ist etwa im Krönungszugfall sowohl das Leistungsverhalten des Vermieters, das in der Überlassung des Fensterplatzes besteht, als auch das vorbeiziehende Krönungsdefilee jeweils ein kausaler Umstand für die Erreichung des geschuldeten Erfolgs, der darin liegt, den Korso vom Fensterplatz aus betrachten zu können. Es steht hier nur das Vorüberziehen des Krönungszugs gegenüber der Überlassung des Fensterplatzes derart im Vordergrund, dass man sich bislang daran gehindert sah, den Nutzen des Leistungsverhaltens als geschuldeten Leistungserfolg und damit als Element der Leistung anzuerkennen. Da aber für jede erfolgsbezogene Leistungspflicht auch solche Umstände conditi! sine qua non für den Eintritt des Erfolgs und damit der Erfüllung sind, die der nung - „abgesehen von § 307 und Sonderregelungen wie § 645 ... keinen zureichenden Grund, die gesetzliche Zuweisung der Risikosphären in §§ 323, 324 und 300 I I zu verschieben und dem Schuldner die Vergütungsgefahr abzunehmen". 646 Ohnehin muss es zweifelhaft erscheinen, den Begriff von der Leistung an dem speziellen und praktisch kaum relevanten Sonderfall der „Zweckerreichung" auszurichten. 647 MünchKomm/Heinrichs, BGB (3. Aufl.), § 362 Rn. 2; MünchKomm/Wenzel, BGB, Band 2 a, § 362 Rn. 2. 1

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Schuldner nach dem Vertrag nicht herbeizuführen hat 6 4 8 , sollte auch in Fällen, in denen diese „anderen Umstände" gegenüber dem Leistungsverhalten in ihrer kausalen Bedeutsamkeit für den Leistungserfolg phänomenologisch das Übergewicht haben, nicht mehr geleugnet werden, dass der Verwendungszweck ein geschuldeter Erfolg sein kann.

II. Die Störung des Verwendungszwecks aufgrund von im Bereich des Gläubigers liegenden Umständen 1. Das Problem Nach der gefundenen Grundregel von der Nutzungsstörung muss der Schuldner der Hauptleistung die Gefahr für die zufällige Störung des Verwendungszwecks tragen, soweit er diesen Verwendungszweck als Element seiner Leistung versprochen hat. Spiegelbildlich ergibt sich daher eine Gefahrtragung des Gläubigers bei Störungen des Verwendungszwecks, wenn der fragliche Verwendungszweck nicht als Element der Leistung geschuldet war. Die Störung des Verwendungszwecks ist dann - nach dem hier vorgeschlagenen Sprachgebrauch - keine „Nutzungsstörung". Hiervon sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der durch veränderte Umstände unmöglich gewordene Verwendungszweck zwar vereinbart und damit geschuldet ist, also eine „Nutzungsstörung" vorliegt, die Störungursache jedoch gewissermaßen aus der Sphäre des Gläubigers stammt. Die für solche Konstellationen neu zu beantwortende Frage nach dem Verwendungsrisiko stellt sich beispielsweise in der Variante des paradigmatischen Krönungszugfalls, bei der zwar der Krönungszug stattfindet, der Mieter aber den Fensterplatz aufgrund einer plötzlich auftretenden Krankheit seiner Person nicht zur Betrachtung des Defilees benutzen kann. Mietet ein Konzertveranstalter eine Konzerthalle für eine bestimmte Musikdarbietung, erkrankt jedoch die von ihm hierfür engagierte Künstlerin kurz vor der Aufführung, so fragt es sich ebenfalls, ob der vereinbarte Mietzins zu entrichten ist, obwohl die Halle nicht genutzt werden kann. Ferner ist zu entscheiden, wer die Gefahr bei einem Verkauf von zukünftigem Bauland zu tragen hat, wenn die versprochene bauliche Nutzung des Grundstücks nicht an einer fehlenden Baugenehmigung, sondern daran scheitert, dass dem Gläubiger die Finanzierung des Bauvorhabens nicht gelingt. Auch in derartigen Fällen ist - die Vereinbarung des Verwendungszwecks unterstellt - die geschuldete Nutzung gestört, so dass die Gegenleistungspflicht nach der oben genannten Grundregel an sich entfallen müsste. Dennoch ist man hier 648 Hierzu zählt - wie bereits erwähnt - insbesondere auch die vereinbarte Beschaffenheit der Kaufsache beim Spezieskauf.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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gemeinhin eher geneigt, das Risiko dem Gläubiger der Sachleistung aufzuerlegen. Unklar ist jedoch, weshalb und unter welchen Voraussetzungen die Gefahr hier trotz einer „Nutzungsstörung" auf den Gläubiger zu verlagern ist. Zwar kann für die Variante des Krönungszugfalls die Lösung bereits aus § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB entnommen werden, da der Mieter durch einen „in seiner Person" liegenden Grund an dem Gebrauch des Fensterplatzes gehindert ist. In dem Fall der Miete der Konzerthalle könnte man der Anwendung des § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB jedoch entgegenhalten, dass die Erkrankung der Künstlerin kein „in der Person" des Konzertveranstalters liegender Grund ist. Es fragt sich daher, ob die Bestimmung entsprechend angewendet werden kann. Bei dem Verkauf von zukünftigem Bauland scheint es schließlich gänzlich an einer einschlägigen gesetzlichen Regelung über die Verteilung der Gefahr zu fehlen, da der Käufer sich weder nach § 293 BGB im Annahme Verzug befindet noch die Unmöglichkeit des Verwendungszwecks von ihm entsprechend §§ 324 Abs. 1 Satz 1, 276 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. „zu vertreten" bzw. entsprechend § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. für die Unmöglichkeit allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Auch hier ist es daher fraglich, nach welchen Regeln sich die Gefahrtragung für das Verwendungsrisiko bemisst. Die Problematik ist indessen nicht neu, treten vergleichbare Konstellationen doch auch bei „normalen" Leistungsstörungen auf. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind insbesondere die Fälle der „Zweckvereitelung" im Werkvertrags-, Arbeits- und Dienstvertragsrecht, in denen die Sache oder Person, an der die Leistung zu erbringen gewesen wäre - also das sog. Leistungssubstrat - , untergeht oder sich als für die Erfüllung ungeeignet erweist 649 . Auch hier ist die Leistung aus einem Grund „unmöglich" geworden, der gewissermaßen aus der Sphäre des Gläubigers zu stammen scheint, so dass die strikte Anwendung des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. von der überwiegenden Meinung als nicht sachgerecht empfunden wird. Im engen Zusammenhang hiermit werden ferner die Fälle der „Zweckerreichung" beim Werkvertrag diskutiert, in denen der geschuldete Erfolg bereits auf andere Weise ohne ein Zutun des Schuldners eingetreten ist 6 5 0 . 649 650

s. zur Problematik und zu Beispielsfällen bereits oben u. 1. Kap. A. III.

s. zur Problematik und zu Beispielsfällen bereits oben u. 1. Kap. A. III. - Auch bei der Fallgruppe der „Zweckerreichung" ist mittlerweile im neueren Schrifttum das Vorliegen einer Unmöglichkeit der Leistung praktisch allgemein anerkannt, da der Schuldner den Leistungserfolg nicht durch sein schuldbezogenes Leistungsverhalten erfüllt hat und auch nicht mehr erfüllen kann, s. etwa Larenz, Schuldrecht I, § 21 I c), S. 315; Beuthien, Zweckerreichung, S. 16 f., 20; Degel, Zweckerreichung, S. 104; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 77 I I 2 a, S. 306; Wieacker, Festschrift für Nipperdey, S. 783, 807; MünchKomm/Wenzel, BGB, Band 2 a, § 362 Rn. 2; Soergel/Zeiss, BGB, vor § 362 Rn. 3; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 23 III, S. 27 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 25 II 4, S. 277 f.; bereits früher: Titze, Unmöglichkeit, S. 25; Rehbein, BGB, § 362 BGB Anm. 1 c, S. 262; Warneyer, BGB, § 275 BGB Anm. I; Kreß, Allg. Schuldrecht, S. 166; Leonhard, Allg. Schuldrecht, S. 645 f.; Barnstedt, Rechtsgrundlosigkeit, S. 28; anders noch die sog. Zweckerreichungslehre, die die

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Da Lösungskonzepte bislang vornehmlich anhand der Fallgruppe der Zweckvereitelung entwickelt wurden, ist die hierzu ergangene Rechtsprechung sowie das einschlägige Schrifttum von außerordentlichem Interesse für die Klärung der Fälle, in denen die Ursache der Störung des geschuldeten Verwendungszwecks im Bereich des Gläubigers liegt.

2. Das Substratsrisiko im Werkvertragsrecht a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (1) Für das Werkvertragsrecht löst die heute herrschende Meinung die Problematik der Zweckvereitelung unter entsprechender Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB. Von grundlegender Bedeutung ist die Entscheidung des BGH im „Scheunenbrandfall" 651, bei dem eine vom Werkunternehmer noch nicht fertiggestellte Scheune abbrannte, weil der Besteller bereits Heu in ihr gelagert hatte, das sich - wohl aufgrund nicht vollständiger Trocknung - selbst entzündete. Der BGH befand, dass aufgrund der Einlagerung des Heus - ebenso wie bei dem Untergang eines Werks infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung - die Erfüllung der Leistung des Werkunternehmers durch eine Handlung des Bestellers gestört worden ist. Da die Einlagerung des Heus einer Bestelleranweisung entspreche, sei die analoge Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gerechtfertigt. Den eigentlichen leading case dieser Fallgruppe bildet jedoch die TeneriffareiseEntscheidung des BGH aus dem Jahr 1972 652 , nach deren mitgeteilten Sachverhalt ein Familienvater eine für seine Familie gebuchte Pauschalreise nach Teneriffa stornieren wollte, weil an seiner vierjährigen, an einer Bronchitis erkrankten Tochter nicht die erforderliche Pockenschutzimpfung durchgefühlt werden konnte, die die spanischen Behörden nach Vertragsschluss als Einreiseerfordernis angeordnet hatten. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung, die sich heute an § 65Ii BGB zu orientieren hätte 653 , eine nachträgliche unverschuldete Unmöglichkeit der als „absolutes Fixgeschäft" charakterisierten Werkleistung des Reiseveranstalters fest. Es verneinte jedoch einen Annahme Verzug der an der Reise gehinderten Familie, da nach § 297 BGB ein Annahmeverzug des Gläubigers nicht gegeben sein könne,

anderweitige Zweckerreichung zumeist unter dem Begriff vom „Wegfall des Gläubigerinteresses" als einen neben der Leistungsunmöglichkeit stehenden Erlöschensgrund für die Leistungspflicht respektive das Schuldverhältnis ansah; s. etwa Klein, Zweckerreichung, S. 116; ders., ArchBürgR 31 (1908), S. 214, 216; Krückmann, AcP 101 (1907), S. 1, 255 f.; Siber, Schuldrecht, S. 90, 124; Henle, Schuldrecht, S. 416; Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl., § 362 Einl. Rn. 102 bis 131, mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 651 BGHZ 40, S. 71 ff. 652 BGHZ 60, S. 14 ff. 653 s. hierzu Teichmann, JZ 1986, S. 759, 761.

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wenn die dem Schuldner obliegende Leistung unmöglich ist. Ebenso wenig erachteten die Richter (im Gegensatz zum Berufungsgericht) eine analoge Anwendung des § 324 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 326 Abs. 2 BGB n.F.) als sachgerecht. Aber auch die sich daraus an für sich ergebende Rechtsfolge des § 323 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.) mochte das Gericht nicht akzeptieren. Stattdessen sei „der Rechtsgedanke des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend anzuwenden", denn der Besteller stehe „der Gefahr, die sich aus der etwaigen Untauglichkeit der Person zur Herbeiführung des erstrebten Erfolges ergibt, ... näher als der Unternehmer". Dies erfordere „vor allem der Billigkeitsgedanke, von dem die im Gesetz getroffene Regelung beherrscht" werde „und der diesen als einen für beide Teile annehmbaren Ausgleich der widerstreitenden Interessen erscheinen" lasse 654 . Es liege § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB die Überlegung zugrunde, der Besteller solle „zu dem Nachteil, der ihm aus dem Untergang, der Verschlechterung oder der Unausführbarkeit des Werks infolge eines Mangels des Stoffes erwachsen ist, nicht zusätzlich den Schaden haben, daß er dem Unternehmer auch noch den entgangenen Gewinn aus den nicht auszuführenden Arbeiten (worauf die Regelung des § 324 BGB praktisch hinausläuft) ersetzen muß". Der Unternehmer solle „sich bei dem ,Unglück', das den Besteller getroffen hat, mit dem Entgelt für die von ihm bereits erbrachten Leistungen nebst Auslagenersatz begnügen" 655 . (2) Die in der Teneriffareise-Entscheidung formulierten Grundsätze wandte der BGH sodann auch in der Frostertunnel-Entscheidung 656 aus dem Jahr 1980 an, in der er jedoch für den konkreten Fall die Voraussetzungen des Teilvergütungsanspruchs als nicht gegeben ansah. Die Bestellerin hatte die Isolierungsarbeiten für einen sog. Frostertunnel in einem Fabrikneubau übernommen. Während sie die Auskleidung mit Isolierplatten selbst bewerkstelligte, beauftragte sie die (Sub-) Unternehmerin und spätere Klägerin mit dem Verschäumen der verbleibenden Zwischenräume mit Polyurethan-Hartschaum. Vermutlich durch Schweißarbeiten einer weiteren an dem Fabrikbau arbeitenden Firma entstand ein größerer Brand, durch den die bis dahin erbrachten Arbeiten beider Parteien weitgehend zerstört wurden. Eine Fertigstellung des Frostertunnels unterblieb, da die Fabrik später nach geänderten Plänen erstellt wurde. Die Unternehmerin verlangte die Bezahlung desjenigen Teils der vertragsmäßigen Vergütung, der der bis zum Brand geleisteten Arbeit entsprach. Der BGH nahm diesen Fall zum Anlass, zu den Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendbarkeit des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB noch einmal grundsätzlich wie folgt Stellung zu nehmen: „Diese Vorschrift beruht auf Billigkeit. Ihre entspre654 BGHZ 60, S. 14, 17, 20, Hervorheb. i. O. 655 BGHZ 60, S. 14, 21 f.; s. zu dieser Entscheidung auch E. Wolf, DB 1974, S. 465 ff., der eine anfängliche objektive Unmöglichkeit (§ 306 BGB a.F.) annehmen will und gegen die Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB anführt, es habe weder ein Werkvertrag vorgelegen, noch habe der Unternehmer, wie es der Tatbestand erfordert, mit der Ausführung des Werks begonnen. 656 BGHZ 78, S. 352 ff.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

chende Anwendung ist deshalb in Fällen geboten, in denen die Leistung des Unternehmers aus Umständen untergeht oder unmöglich wird, die in der Person des Bestellers liegen ... oder auf Handlungen des Bestellers zurückgehen . . . , auch wenn es insoweit an einem Verschulden des Bestellers fehlt. In derartigen Fällen steht der Besteller der sich aus diesen Umständen ergebenden Gefahr für das Werk näher als der Unternehmer ... Die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB führt in solchen Fällen zu einem beiden Parteien des Werkvertrages gerecht werdenden billigen Interessenausgleich. Der Unternehmer erhält (nur) die erbrachte und untergegangene Werkleistung bezahlt. Der Besteller braucht den darüber hinausgehenden Teil der vereinbarten Vergütung nicht zu entrichten." Anders als das Berufungsgericht wollte das höchste deutsche Zivilgericht § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB jedoch „weder unmittelbar noch entsprechend" anwenden. „Das Werk . . . , nämlich die durch das Ausschäumen erbrachte Leistung," sei „jedenfalls nicht infolge eines Mangels des schon mit Isolierplatten ausgekleideten Tunnels (des ,Stoffes') untergegangen". Vielmehr beruhe „der Untergang allein auf dem Brand" 657 . Die auf der „Billigkeit" beruhende Vorschrift sei auch nicht deshalb entsprechend anzuwenden, weil die Bestellerin der „Gefahr für das Werk näher" gestanden wäre als die Unternehmerin. Denn die Werkleistung sei „nicht aus einem der Beklagten zuzurechnenden Grunde untergegangen", denn „den Brand" habe „die Beklagte nicht verursacht". Vielmehr hätten eben „Unternehmer und Subunternehmer gleichzeitig und in naher räumlicher Beziehung an ihren Werken" gearbeitet 658. Auch der beklagten Bestellerin habe schließlich ihrerseits kein vertraglicher Vergütungsanspruch gegen den Bauherrn zugestanden. Denn gehe „eine Bauleistung vor ihrer Abnahme aufgrund eines an der Baustelle entstandenen Brandes unter und trifft den Bauherrn daran kein Verschulden," so sei „der zufällige Untergang dem Bauherrn nur dann im Sinne des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB anzulasten, wenn der Brand auf Umstände in seiner Person oder auf seine Handlung zurückgeht". Etwas „Risikoerhöhendes" habe der Bauherr durch „die gleichzeitige Beauftragung" auch der die Schweißarbeiten ausführenden Handwerker jedoch nicht getan 659 . (3) Der BGH setzte diese Rechtsprechung sodann in der Entscheidung BGHZ 83, S. 197 ff., aus dem Jahr 1982 fort, in der die Richter über einen Anspruch auf Werklohn für die Lieferung und Montage einer Tierkörperverwertungsanlage zu entscheiden hatten. Nach den Vereinbarungen, die der BGH einheitlich als Werklieferungsvertrag qualifizierte, sollten die Leistungen in Mahabad im Iran erbracht werden. Nachdem die Materiallieferung bereits im Jahr 1977 ausgeführt worden war, unterblieb die Montage wegen der ab 1978 im Iran herrschenden politischen Unruhen.

657 BGHZ, 78, S. 352, 354, Hervorheb. i. O. 658 BGHZ, 78, S. 352, 355. 659 BGHZ, 78, S. 352, 356.

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Nach Auffassung des BGH war der Krieg als zeitweiliges Erfüllungshindernis einem dauernden gleichzuachten, da nach über drei Jahren nicht abzusehen war, „ob und wann sich in diesem Land die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse wieder normalisieren" 660. Die Unternehmerin, die auf Zahlung der Vergütung geklagt hatte, sei daher gemäß § 275 BGB von ihrer MontageVerpflichtung frei geworden. Ein Annahmeverzug scheide jedoch aus, da dies nach § 297 BGB die Möglichkeit der Leistung voraussetze 661. Stattdessen hielt das Gericht wiederum „die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB für geboten, um der besonderen Interessenlage gerecht zu werden und dem in dieser Vorschrift verankerten Billigkeitsgedanken Geltung zu verschaffen", so dass der Zahlungsanspruch „für die Materiallieferung trotz nicht ausgeführter Montage bestehen geblieben sei" 6 6 2 . Aus dem Umstand, dass sich „das Leistungshindernis ... aus den politischen Verhältnissen am Ort der Leistung" ergeben hatte, schloss das Gericht, die Bestellerin müsse „als Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Vertragspartnern ... eher mit einem am Ort der Leistung auftretenden Leistungshindernis dieser Art rechnen als die Klägerin, die sich gegenüber der Beklagten als einem inländischen Vertragspartner zur Leistung verpflichtet hat" 6 6 3 . (4) Ihren vorläufigen Abschluss fand die Rechtsprechung des BGH zur Zweckvereitelung beim Werkvertrag sodann in der Schürmann-Bau-Entscheidung aus dem Jahr 1997 664 . Hier hatte die Beklagte die Klägerin im August 1992 mit der Starkstrominstallation und weiteren Elektroarbeiten für den sog. Schürmann-Bau in Bonn beauftragt. Am 22./23. Dezember 1993 überstieg das Rheinhochwasser, das einen Pegelstand von 53,38 m über NN erreichte, den Rand der als Schlitzwandtopf ausgebildeten Baugrube und überflutete sie. Der durch das einströmende Wasser verursachte Auftrieb des Baukörpers hatte zur Folge, dass die Wände des Baukörpers rissen und die bis zu diesem Zeitpunkt von der Klägerin erbrachten und nicht abgenommenen Leistungen sowie von ihr eingelagertes Material und Werkzeuge zerstört wurden. Die Klägerin verlangte nebst der Bezahlung der Vergütung für erbrachte Leistungen die Erstattung von Auslagen, den Ersatz für zerstörtes und eingelagertes Material und Werkzeuge sowie einen Ausgleich für ihr entstandene „Stillstandskosten". Der BGH hielt die Vorschrift des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB für entsprechend anwendbar und den Vergütungsanspruch für die erbrachten und zerstörten Leistungen für begründet. Das Gericht berief sich hierbei auf die im Frostertunnelfall 665 660 BGHZ 83, S. 197, 200 f. 661 BGHZ, 83, S. 197, 202. 662 BGHZ, 83, S. 197, 203 f. Der vom Gericht für ebenfalls „entscheidend" erachtete Umstand, dass die Bestellerin die Vergütung für die Anlagenteile von dem iranischen Auftraggeber bereits erhalten hatte, kann bei der vorliegenden Untersuchung außer Betracht bleiben. 663 BGHZ, 83, S. 197, 204. 664 BGH NJW 1998, S. 456 ff. = JZ 1998, S. 410 ff., mit Anm. Kohler, JZ 1998, S. 413 f. 665 BGHZ 78, S. 352, 354 f.; s. oben u. (2).

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

angestellten Erwägungen und äußerte ergänzend die Überzeugung, „Rechtfertigung für die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Fallsituationen, die vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst werden," sei „die objektive Verantwortlichkeit des Auftraggebers für den Eintritt des Schadens in Risikolagen, die den geregelten Fällen vergleichbar sind". Nach diesen Grundsätzen sei § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegend anwendbar, „weil die Beklagte das Risiko einer Überflutung dadurch objektiv zurechenbar herbeigeführt hat, daß ... der von ihr vorgesehene ausreichende Hochwasserschutz teilweise wieder beseitigt worden war". Da die Beklagte als Bauherrin „der Gefahr, die sich aus der Beschaffenheit des Hochwasserschutzes ergab, näher als die Klägerin" gestanden habe, entspreche es „der Billigkeit, in entsprechender Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB einen für beide Parteien gerechten und billigen Interessenausgleich herbeizufüh-

b) Die Zustimmung der herrschenden Lehre In der Literatur finden die von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze weitgehend Zustimmung 667 . Zwar sei der „Untergang des Leistungssubstrates ... ein anderes als ein ihm nur anhaftender Mangel, in der Wirkung diesem hier aber gleich, so daß die analoge Anwendung gerechtfertigt" sei 6 6 8 . Die „innere Rechtfertigung" für den Teilvergütungsanspruch ergebe sich „aus Billigkeitsrücksichten", namentlich „aus der Tatsache, daß der Besteller,näher zur Gefahr'" stehe. Weil der Besteller dem Unternehmer den Stoff zur Verfügung zu stellen habe, sei diese „Lieferung" „Sache des Gläubigers'", ihn treffe daher „auch eine natürliche Verantwortung' für den Stoff" 669 . Trage „der Besteller die Vergütungsgefahr schon dann, wenn er - ohne sein Verschulden - ein mangelhaftes Substrat liefert," so müsse „dies erst recht ( . . . ) gelten, wenn er überhaupt kein Leistungssubstrat zur Verfügung stellen kann" 6 7 0 . Hingegen wird es allgemein abgelehnt, dem Besteller in diesen Fällen die volle Gegenleistungsgefahr aufzuerlegen, denn „dies hieße, ihn mit einer Garantiehaftung hinsichtlich seines Stoffes" zu „belegen" 671 . 666 BGH NJW 1998, S. 456, 457. 667 Larenz, Schuldrecht I, § 21 I c), S. 312 ff.; Esser/ Weyers, Schuldrecht II, § 34 III 1 a), S. 291; Medicus, JZ 1973, S. 369 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 269; Hüffer, Leistungsstörungen, S. 31 ff.; Siegburg, Festschrift für Korbion, S. 411, 417 ff.; Huber, JuS 1972, S. 57, 62; Teichmann, Gutachten, S. A 89 f.; Koller, Risikozurechnung, S. 288 ff.; Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 191 ff.; MünchKomm/Soergel, BGB, § 645 Rn. 6; Staudinger/Otto, BGB, § 324 Rn. 33 f.; Staudinger/Peters, BGB, § 645 Rn. 34 ff.; Soergel/ Wiedemann, BGB, § 324 Rn. 1 f., 25; Soergel/Zeiss, BGB, vor § 362 Rn. 3; Erman / Battes, BGB, § 324 Rn. 2; Erman/Seiler, BGB, § 645 Rn. 11; kritisch hingegen Soergel / Teichmann, BGB, § 645 Rn. 15, nach dem das Kriterium des „Näher-Dran-Seins" viel zu vage ist und gerade nicht dem entspricht, was der Gesetzgeber wollte. 668 Larenz, Schuldrecht I, § 211 c), S. 314; Köhler, Unmöglichkeit, S. 34 ff. 669 Köhler, Unmöglichkeit, S. 36 f. 670 Köhler, Unmöglichkeit, S. 40.

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c) Die Verfehltheit der entsprechenden Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB (1) Die Zweifelhaftigkeit der von der herrschenden Meinung zugrunde gelegten Prämisse (a) Die Überzeugungskraft einer entsprechenden Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB in den Fällen der Zweckvereitelung steht und fällt mit der Annahme, dass die analoge Anwendung und erst recht die gesetzliche Regelung „gerecht und billig" ist 6 7 2 . Nach der zugrundeliegenden These führe diese, unter der Voraussetzung, dass der Besteller der Gefahr „näher" stand, die zur Zerstörung des Werks führte, zu einem für beide Parteien billigen Interessenausgleich, indem dem Unternehmer die bisher erbrachte Werkleistung vergütet wird, jedoch der Besteller den darüber hinausgehenden Teil der vereinbarten Vergütung nicht mehr zu entrichten hat. Damit werden beide Parteien - ähnlich wie im Falle der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses - so gestellt, wie wenn im Augenblick des Schadenseintritts das werkvertragliche Schuldverhältnis mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben worden wäre: Alle bislang dem Werkleistungsstand entsprechenden Ansprüche bleiben bestehen und werden fällig, soweit die Werkleistung erbracht wurde; anders als bei der Vorschrift des § 649 BGB, die ebenfalls die Folgen einer Kündigung regelt, erlöschen jedoch alle zukünftigen Verpflichtungen 673. Die Überzeugung des BGH, die Vorschrift des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB beruhe auf dem „Billigkeitsgedanken", findet zwar ihre Bestätigung in der Entstehungsgeschichte der Norm, jedoch zeigt gerade der von den Gesetzesverfassern zur Begründung herangezogene Hinweis auf die „Billigkeitsrücksichten", dass man eher von dogmatischer Klarheit entfernt war, als dass man in der so nur schwach legitimierten Vorschrift einen übergreifenden Rechtsgedanken verwirklicht sah 674 . Beide Kommissionen hatten das bei der Miete und beim Dienstvertrag verwirklichte Prinzip, nach dem die Gegenleistung bereits mit dem Bereitstellen der Hauptleistung verdient sein sollte, in erster Linie deshalb für den Werkvertrag abgelehnt, weil dies „dem Wesen des Werkvertrags" widerspreche, „welches darin bestehe, daß der Vertrag auf die Herbeiführung eines Erfolges gerichtet sei" 6 7 5 . „Bei dem Werkvertrage" werde „die Vergütung nicht für die Arbeit als solche, sondern für die Herstellung eines Arbeitsproduktes versprochen". Daher könne „wegen der Vorleistungspflicht des Uebernehmers ... der Grundsatz, daß der Uebernehmer 671 Köhler, Unmöglichkeit, S. 37. 672 Kritisch zu der weitgehenden Gefahrtragung des Unternehmers bereits Strohal, JhJb 33 (1894), S. 361, 386; Oertmann, GrünhutsZ 24 (1897), S. 1, 48; später Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), S. 309,423. 673 Kohler, JZ 1998, S. 413, 414. 674 Ebenso Picker, JZ 1985, S. 693, 703: „In dem Widerstreit zwischen Folgerichtigkeit und Billigkeit wurde ... nur eben kompromißlerisch-salomonisch halbiert..." 675 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 935.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

keinen Anspruch auf die Gegenleistung erheben kann, mithin die Gefahr zu tragen hat, wenn das Werk vor der Vollendung durch Zufall zu Grunde gegangen ist, als selbstverständlich bezeichnet werden" 676 . Allein „aus Billigkeitsrücksichten" konzedierte man sodann den Prinzipienbruch, der darin bestand, die umfassende Gefahrtragung des auf den Erfolg verpflichteten Unternehmers durch die heute in § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB normierte Sonderregelung zu ersetzen 677. Gerade weil die Vorschrift nur als eine systemfremde „Ausnahme" betrachtet wurde, sah die 1. Kommission auch keinen „Grund", „in der Begünstigung des Uebernehmers noch weiter zu gehen und dem Letzteren im Anschlüsse an eine für das gemeine Recht vertretene, indessen bestrittene Ansicht ( . . . ) , den Anspruch auf die volle Gegenleistung, jedoch nach Abzug der ersparten Aufwendungen und der durch die freigewordene Arbeitskraft erlangten Vortheile, zu geben" 678 . Der heutige § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ist somit das Produkt einer einerseits umfassenden Gefahrtragung des auf den Erfolg verpflichteten Unternehmers und einer andererseits als unausweichlich empfundenen Konzession an die Gerechtigkeit 6 7 9 . Diese Konzession beruht augenscheinlich darauf, dass jede Werkleistung partiell auch Elemente einer Dienstleistung in sich trägt. Nach Picker setzte sich daher die (teilweise) Gefahrtragung des Bestellers somit „selbst gegen das Dogma der Erfolgsbezogenheit dieses Vertrags und somit selbst gegen gravierende praktische und theoretische Skrupel" durch, so dass es nahe liegt, in der Vorschrift den „dogmenwidrigen Durchbruch eines übermächtigen Gerechtigkeitspostulats" zu erblicken 680 . Nach alldem ist es zweifelhaft, ob es sich bei der Durchbrechung der umfassenden Gefahrtragung des Unternehmers wirklich nur um „Billigkeitsrücksichten" handelt. Vielmehr drängt sich die Vermutung auf, dass das Gerechtigkeitsempfinden auf einem grundlegenden Prinzip beruht, durch das die Gegenleistungsgefahr ganz oder zum Teil auf den Gläubiger zu verlagern ist, wenn die Unmöglichkeit der Werkleistung auf einer Zerstörung oder Ungeeignetheit des von ihm zur Verfügung zu stellenden Leistungssubstrats beruht. 676

Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 278. Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 935. 678 Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 280; ein entsprechender Antrag wurde daher abgelehnt, vgl. die Prot, der 1. Kommission, S. 2336, 2338 = Jakobs / Schubert, Beratung, S. 901 f.; auch der 2. Kommission lag ein Änderungsantrag vor, mit dem erreicht werden sollte, dass Ereignisse der „höheren Gewalt", der „Zufall in der Person" des Bestellers und „beim" Besteller eintretende Zufälle nicht zu Lasten des Werkunternehmers gehen: „Ist das Werk vor der Abnahme oder... in Folge eines bei dem Besteller eingetretenen Umstandes ... unausführbar geworden, so hat der Uebernehmer Anspruch auf Ersatz der in der Vergütung nicht mitbegriffenen Auslagen ..."; der Änderungsantrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Formulierung „bei dem Besteller eingetretener Umstand" zu unbestimmt und zu unpraktikabel sei und zu Streitigkeiten führe; vgl. Protokolle bei Mugdan, Materialien II, S. 935. 677

™ Picker, JZ 1985, S. 693, 694. 680 Picker, JZ 1985, S. 693, 695.

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(b) Empfindet man es allgemein als „gerecht", dem Unternehmer nicht auch dann die volle Gefahr aufzuerlegen, wenn die Unmöglichkeit der Werkleistung auf der Ungeeignetheit oder der Zerstörung des vom Gläubiger zu stellenden Leistungssubstrats beruht, so stellt sich die Frage, weshalb dem Unternehmer in diesen Fällen nicht die volle Vergütung - freilich unter Abzug ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs - zugestanden wird. Steht der Besteller der Gefahr für das Werk in den Fällen „näher" als der Unternehmer, in denen die Leistung des Unternehmers aus Umständen untergeht oder unmöglich wird, die in der Person oder dem sonstigen Substrat des Bestellers liegen oder auf Handlungen des Bestellers zurückgehen, so erscheint es als konsequent, die Gefahrtragung des Unternehmers vollständig zu durchbrechen und den Besteller gemäß § 649 BGB grundsätzlich mit der vollen Vergütung zu belasten681. Die Argumente der herrschenden Meinung gegen die Anwendbarkeit des § 649 BGB sind schwach. Sie hält der Durchbrechung des § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB durch § 649 BGB statt durch § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich erneut eine Billigkeitserwägung entgegen: Es wird ins Feld geführt, der Gläubiger solle „zu dem Nachteil, der ihm aus dem Untergang, der Verschlechterung oder der Unausführbarkeit des Werks infolge eines Mangels des Stoffes erwachsen ist, nicht zusätzlich den Schaden haben, daß er dem Unternehmer auch noch den entgangenen Gewinn ... ersetzen muß" 6 8 2 Auch wenn die als solche unbestreitbare Tatsache, dass der Gläubiger durch den Schaden an dem Leistungssubstrat ohnehin wirtschaftlich belastet ist, auf den ersten Blick als ein überzeugendes Wertungsmoment erscheinen mag, ergeben sich doch bei näherer Betrachtung erhebliche Zweifel an der Geeignetheit der hierdurch ausgelösten Rechtsfolgen, die „ausgleichende Vertragsgerechtigkeit" auch wirklich herzustellen. Blickt man nämlich auf die dieser Wertung notwendig zugrundeliegende Prämisse, der Schaden am Leistungssubstrat sei ein maßgeblicher Umstand für das Leistungsentgelt und damit für das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, so wird mit der Fragwürdigkeit dieser Vorgabe auch erkennbar, wie bedenklich es ist, den Unternehmer mittels einer derartigen „Doppelschadens-Theorie" mittelbar mit dem Schaden des Bestellers zu belas. 6 8 3

ten Entscheidend ist, dass der Schaden am Leistungssubstrat des Bestellers mit der Leistungsbeziehung genauso wenig zu tun hat, wie ein Schaden an jedem anderen Gegenstand aus dem Vermögen des Bestellers. Der Unternehmer verspricht allein, das Werk so wie vereinbart herzustellen, hingegen gibt er nicht etwa ein Versprechen ab, das Substrat bleibe in seiner Integrität erhalten und werde nicht durch Zufallsereignisse beschädigt. Der Unternehmer hat das Leistungssubstrat dem Be681 Für einen grundsätzlichen Anspruch auf das volle Entgelt etwa Picker, JZ 1985, S. 693, 703 f.; Koller, Risikozurechnung, S. 196, 294 ff.; ansatzweise Beuthien, Zweckerreichung, S. 72 ff., 76 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I / 2 , § 23 II 1, S. 25 f.; Hüffer, Leistungsstörungen, S. 247 ff. 652 BGHZ 60, S. 14, 21 f. 653 Ebenso wohl Medicus, JZ 1973, S. 369, 370.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

steller nicht etwa zu verschaffen, sondern er übernimmt lediglich die Verpflichtung, seine Arbeit an dem Substrat zu verrichten. Ihm wird also mit anderen Worten „ein fremder Organisations- und Rechtsgüterbereich zur eigenen Leistungshandlung eröffnet". „Der fremde Rechtskreis wird" dem Unternehmer „zum Vollzug seines eigenen Beitrags lediglich zur Verfügung gestellt" 684 . Erweist sich das Substrat für die Leistungserbringung als ungeeignet, so gibt es zwar an der Unmöglichkeit der Leistung nichts zu deuteln. Jedoch betrifft diese Leistungsstörung allein die Leistung selbst, nicht aber den Schaden an dem Substrat. Hinsichtlich eines Mangels des „Stoffes" als solchem stellt sich die Frage einer Nichterfüllung schon gar nicht, da der Schuldner dessen Zustand gar nicht in sein Leistungsversprechen aufgenommen hat. Ebenso wie ein Mieter seine Pflicht zur Zahlung des Mietzinses nicht deswegen mindern kann, weil ihm etwa durch eine Erkrankung nicht nur der Gebrauch der Mietsache unmöglich geworden ist, sondern ihn darüber hinaus erhebliche Krankheitskosten belasten, kann auch der Besteller keine derartigen außerhalb des Vertragsverhältnisses angesiedelten Umstände seiner Vergütungspflicht entgegenhalten, die gerade sein Leistungssubstrat betroffen haben. Ist dem Unternehmer insofern eine Nichtleistung nicht entgegenzuhalten, hat der Besteller also insofern nicht weniger erhalten, als ihm versprochen worden war, so kann auch der Anspruch auf die Gegenleistung nicht von diesem Umstand abhängig sein. Der geplante Erfolg der Herstellung des Werks ist gescheitert, wenn er die Sache, in die er die Werkleistung investiert hatte, verliert oder sich diese verschlechtert. Den Unternehmer kann hingegen der Schaden an der Sache selbst von vornherein nicht betreffen, denn mit diesem hat sein Leistungsversprechen nichts zu tun. Ein Grund, diesen Schaden auf den Schuldner aufgrund einer Billigkeitserwägung mittelbar ganz oder teilweise über den Umweg der Preisgefahr durch die partielle Befreiung von der Entgeltpflicht abzuwälzen, ist also nicht ersichtlich. (c) Hat somit der Substanzschaden an dem Leistungssubstrat bei der juristischen Wertung außer Betracht zu bleiben, so entfällt auch das einzige Argument, das die herrschende Meinung der Belastung des Bestellers mit der grundsätzlich vollen Vergütung in Anwendung des § 649 BGB entgegenhält. Die Regelung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ist somit keineswegs ein „glücklicher Kompromiß zwischen den beiden Extremen" 685 , sondern eine systemfremde Billigkeitsnorm, deren Rechtfertigung nicht nur im Dunkel bleibt, sondern deren Rechtsfolge umgekehrt gerade den Unternehmer „unbillig" belastet. Denn soweit der Unternehmer noch gar nicht tätig geworden ist, soll er allenfalls den Ersatz seiner Aufwendungen erhalten und ansonsten - ohne dass ihm das schädigende Ereignis zugerechnet werden könnte - leer ausgehen. Seine für den Gläubiger bereit gehaltene Arbeitskraft verfällt ungenutzt und damit auch sein zur Existenzsicherung erforderlicher Ver684 Picker, JZ 1985, S. 693, 704. 685 So aber Köhler, Unmöglichkeit, S. 37.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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dienst, während der Gläubiger insofern weitgehend von seinen Vertragspflichten befreit wird 6 8 6 Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Unterschied zwischen der Anwendung von § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 649 BGB im Ergebnis nicht unerheblich durch die Verpflichtung des Unternehmers nivelliert wird, dasjenige anzurechnen, was er an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. An die anderweitige Verwendbarkeit der Kräfte und Mittel des Unternehmers sollte man hierbei keine allzu hohen Anforderungen stellen.

(2) Die Zufallsbetroffenheit des Leistungssubstrats als tragender Wertungsgesichtspunkt (a) Die maßgebliche Wertung, die zu der Durchbrechung der grundsätzlichen Gefahrtragung des Werkunternehmers nach § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB führt, gründet im Kern auf dem Umstand, dass der Unternehmer - soweit sein Bereich betroffen ist - in der Lage wäre, seinen Beitrag zur Herstellung des vereinbarten Werks zu erbringen und sich die Unmöglichkeit der Herstellung oder die Zerstörung der bisherigen Arbeiten allein daraus ergibt, dass sich der Zufall in dem Leistungssubstrat des Bestellers niedergeschlagen hat. War es aber eigentlich der Besteller, den das Schicksal traf, und ist kausal durch dieses zufällige Ereignis auch die Herstellung des Werks unmöglich geworden, so muss der Schaden nach der Regel casum sentit dominus wohl oder übel dort verbleiben, wo er sich ursprünglich niedergeschlagen hat. Angesichts der Zufälligkeit des Ereignisses gibt es hier gerade keinen Grund, den Schaden, der in der sinnlosen Investition der Werkleistung auf das Leistungssubstrat besteht, auch nur teilweise mittelbar auf den Unternehmer abzuwälzen, indem die Vergütung entsprechend § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB herabgesetzt würde 687 . Es gilt somit in den Fällen der Zweckerreichung zu erkennen, dass die „Einschlagstelle" des Zufalls den tragenden Wertungsgesichtspunkt bildet. Hat der Zufall nicht den Herstellungsvorgang, sondern vielmehr das Leistungssubstrat getroffen, das durch ein zufälliges Ereignis zerstört oder für die Herstellung des Werks ungeeignet wurde, so ist diese Kausalitätsbeziehung der maßgebliche Grund, dem Gläubiger die Gegenleistungsgefahr trotz einer Unmöglichkeit der Leistung aufzubürden. Soweit die Unmöglichkeit der Leistung auf der Ungeeignetheit des Leistungssubstrats beruht, ist daher die Grundregel des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F., nach der der Unternehmer für die Erreichung des versprochenen Leistungserfolgs einzustehen hat, zu seinen Gunsten durch die Gefahrtragungsregel des § 649 BGB zu durchbrechen. 686 Ebenso Picker, JZ 1985, S. 693, 703. 687 s. zum Grundsatz casum sentit dominus unten u. Β. II. 5. a).

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

(b) Die Fixierung auf den beim Werkvertrag geschuldeten Erfolg verstellte demgegenüber den Gesetzesverfassern ebenso wie der herrschenden Meinung den Blick auf das übergreifende Wer tungsmoment, nach dem solche Störungen, die sich in dem Bereich des Gläubigers, insbesondere in den von diesem zu stellenden Leistungssubstraten niederschlagen, allein dessen Schicksal sind und er deshalb die Gefahr für seine sich als sinnlos erwiesene Investition zu tragen hat. Es verstellte der Doktrinarismus, der das „Wesen" des Werkvertrags in Gegenüberstellung zur Sach- und Dienstmiete überhöhte, den Blick für diejenigen Wertungen, die auch die Regelungen der §§ 537, 615 BGB bestimmt hatten 688 . Umgekehrt erscheint gerade der Anspruch des Unternehmers auf das volle Entgelt einschließlich des vollen Gewinns - freilich reduziert um etwaige ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb - als „gerecht", indem ihm das Entgelt einerseits vertraglich versprochen wurde und es andererseits für den Besteller keinen rechtfertigenden Grund gibt, den entstandenen Schaden auf seinen Vertragspartner auch nur teilweise abzuwälzen. Die als systemwidrig erkannte Regelung des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB sollte daher durch die Anwendung des § 649 BGB ersetzt werden, durch die das Recht des Werkvertrags auf der Grundlage eines gemeinsamen, die Schuldvertragstypen übergreifenden Wertungsgesichtspunkts mit den Regelungen der §§ 537, 615 BGB harmonisiert werden könnte. Der Unternehmer würde grundsätzlich die volle ihm vertraglich zugesagte Vergütung erhalten, freilich unter Abzug der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs, jedoch einschließlich eines eventuellen Gewinns. Hingegen sollte es dem Besteller mangels eines Zurechnungsgrundes verwehrt werden, den Fehlschlag seiner Investition, der ihn als sein Schicksal primär getroffen hat, auch nur zum Teil auf den Unternehmer abzuwälzen. (c) Für die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle ergäben sich damit die folgenden Ergebnisse: Im Teneriffareisefall 689 hatte sich das Schicksal bei der vierjährigen Tochter des Bestellers in Form einer Bronchitis niedergeschlagen; erst kausal hierdurch wurde auch die Reiseleistung für die Veranstalterin unmöglich. Daher war von dem Beklagten die volle Vergütung unter Anrechnung von ersparten Aufwendungen und des anderweitigen - auch böswillig unterlassenen - Erwerbs geschuldet690. Dem vergleichbar entstand im Frostertunnelfall 691 der Brand an dem Frostertunnel und damit im Bereich des Bestellers. Der Frostertunnel war im Verhältnis zum Unternehmer gerade vom Besteller zur Erbringung der Werkleistung als Substrat zur Verfügung gestellt worden. Der Untergang des Substrats bewirkte daher auch 688 Picker, JZ 1985, S. 693, 704; s. zu § 537 BGB: Rädler, NJW 1993, S. 689 ff. 689 BGHZ 60, S. 14 ff.; s. oben u. a) (1). 690 Insofern im Ergebnis zutreffend die Vorinstanz, die der Klägerin dem Grunde nach die verlangten 75 Prozent des Gesamtpreises nach § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. mit der Begründung zuerkannte, der Erlass des Einreiseverbots falle in die „Gefahrensphäre" des Beklagten. 691 BGHZ 78, S. 352 ff.; s. oben u. a) (2).

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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die Gefahrtragung des Bestellers hinsichtlich der Unmöglichkeit der Leistung des Unternehmers nach Maßgabe von § 649 BGB. Desgleichen war es im Schürmann-Bau-Fall 692 die Baustelle der Bestellerin, an der die Unternehmerin die Arbeiten zu erbringen hatte und durch deren Überschwemmung die Fertigstellung der Installation scheiterte. Maßgeblich war hierbei - wie auch noch zu zeigen sein wird 6 9 3 - nicht etwa, ob der Gläubiger durch eine Handlung oder ein Unterlassen eine Risikoerhöhung herbeigeführt hatte, sondern allein der Umstand, dass der Zufall sich in dem von ihm zur Verfügung zu stellenden Leistungssubstrat niedergeschlagen hat. Schließlich betrafen auch die politischen Unruhen am Leistungsort in dem Fall der Lieferung einer Tierkörperverwertungsanlage in den Iran 6 9 4 den Bereich des Bestellers, wodurch die Erstellung der Anlage für den Unternehmer unmöglich wurde. Freilich ist, wie der BGH richtig sah, die Festlegung des Leistungsortes nicht eine „einseitig vom Besteller getroffene Anweisung im Sinne des § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern lediglich eine nähere Beschreibung der vertraglich geschuldeten Leistung" 695 . Jedoch geht es nicht um eine verschuldensähnliche Zurechnung der Unmöglichkeit durch eine fehlerhafte „Anweisung", sondern um die Gefahrtragung für Zufälle, die sich im Bereich des Gläubigers ausgewirkt und erst hierdurch die Unmöglichkeit der Leistung bewirkt haben. Der Unternehmer verspricht zwar, die Leistung an dem vertraglich vereinbarten Ort zu erbringen, befindet sich dieser Ort jedoch außerhalb seines „eigenen" räumlich-umgrenzten Bereiches, so kann ihm dieser nicht als seine „Sphäre" zugeordnet werden. Ist dieser Ort vielmehr im Interesse des Bestellers bestimmt worden, weil dieser dort eigene vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen oder andere Verwendungszwecke zu erreichen beabsichtigte, so treffen zufällige Ereignisse diesen Ort als allein dessen Bereich. Die Bestellerin geriet daher auch hier aufgrund einer „Annahmeunmöglichkeit" in „Annahmeverzug" und hatte gemäß §§ 644 Abs. 1 Satz 2, 649 BGB grundsätzlich das volle Entgelt zu entrichten, jedoch auch hier wieder unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen und des durch die Unmöglichkeit der Montage ermöglichten anderweitigen Erwerbs.

3. Das Betriebs- und Substratsrisiko im Arbeits- und Dienstvertragsrecht a) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (1) Eine ganz andere Entwicklung als das Werkvertragsrecht nahm das Dienstund Arbeitsvertragsrecht in der Frage der Gefahrtragung bei einer durch das Ar692 BGH NJW 1998, S. 456 ff.; s. oben u. a) (4). 693 s. unten u. 3. b). 694 BGHZ 83, S. 197 ff.; s. oben u. a) (3); für eine Lösung des Falles mittels einer sog. Risikobeherrschbarkeitsanalyse Kronke, JuS 1984, S. 758, 760 ff. 695 BGHZ, 83, S. 197, 202 f. 1 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

beitssubstrat bedingten Unmöglichkeit der Leistung. Lange Zeit war die literarische Diskussion von dem Streit zwischen den Anhängern der „Unmöglichkeitstheorie" und den Verfechtern der „Annahmeverzugstheorie" beherrscht. Der tiefgreifenden Auseinandersetzung lag das lähmende Dilemma zugrunde, sich aufgrund der positivrechtlichen Lage scheinbar zwingend zwischen der Anwendung des § 323 Abs. 1 BGB a.F., der bei Unmöglichkeit der Leistung zum Fortfall des Lohnanspruches führt, und derjenigen des § 615 BGB entscheiden zu müssen, der bei Annahmeverzug die Pflicht zur Fortzahlung des Entgelts statuiert. Fixiert auf die im Gesetz verwendeten Begriffe galt und gilt bis heute als vorherrschende Ansicht, Annahme Verzug und Unmöglichkeit schlössen sich, wie es in § 297 BGB auch gesetzlich verankert ist, geradezu naturgesetzlich aus. Ein Annahmeverzug scheide aus, sobald der Schuldner auch selbst zu leisten außerstande ist, denn nur, wenn die Schuldnerleistung an sich möglich ist, könne sie dem Gläubiger angeboten werden und nur bei möglichen Leistungen könne man davon sprechen, dass der Gläubiger sie nicht annimmt 696 . Auf dem Boden dieser gemeinsamen Dogmatik entwickelten sich jedoch zwei diametral gegensätzliche Lager. Die Anhänger der Annahmeverzugstheorie lösten die einschlägigen Fälle mit der Anwendung des § 615 BGB 6 9 7 . Sie stimmten so zwar mit dem überwiegenden Judiz überein, nach dem es angemessen sei, dem Dienst- oder Arbeitnehmer den Anspruch auf den Lohn zu belassen, falls die Erbringung der Dienste an einer Lahmlegung oder Vernichtung des Betriebs scheiterte. Zugleich setzten sie sich aber dem Vorwurf aus, die Wirklichkeit zu verzerren, indem sie den Eintritt einer Unmöglichkeit leugneten. Die Verfechter der sog. Unmöglichkeitslehre gelangten hingegen aufgrund des Lehrsatzes, dass der Annahmeverzug die Möglichkeit der Leistung voraussetze, zu einer gesetzestechnisch bedingten Ablehnung des Lohnanspruches gemäß § 323 Abs. 1 BGB a.F. Das Ergebnis wollte jedoch selbst vielen Anhängern dieser Lehre nicht behagen698. (2) Das Reichsgericht „beendete" in seiner berühmten Entscheidung zum Kieler Straßenbahnerstreik aus dem Jahr 1923 diesen festgefahrenen dogmatischen Streit

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Beuthien, Zweckerreichung, S. 17; Nassauer, Sphärentheorien, S. 44; Köhler, Unmöglichkeit, S. 55 mit Fn. 160; Staudinger/Löwisch, BGB, § 297 Rn. 3 ff.; Soergel/ Wiedemann, BGB, § 297 Rn. 2; Soergel / Kraft, BGB, § 615 Rn. 30; MünchKomm/Thode, BGB, § 297 Rn. 2; MünchKomm/ Ernst, BGB, Band 2 a, § 293 Rn. 7. 697 Trautmann, Gruchot 59 (1915), S. 434,450 ff., 456 f.; Oertmann, AcP 116 (1918), S. 1, insb. 29 ff., 35 f.; ders., LZ 1927, S. 1176, 1177, 1184; ders., BGB, § 293 Anm. 3 b; Titze, JW 1922, S. 548 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse (12. Aufl.), § 144 III, S. 524 f.; Sinzheimer, Grundzüge, S. 189 f.; Köhler, ArchBürgR 13 (1897), S. 149 ff., insb. S. 200, 253 ff., 258 ff.; Boer, Gruchot 54, (1910), S. 493 ff., insb. S. 496 ff.; später auch noch Gursky, AcP 173 (1973), S. 450, 454 f.; Nassauer, Sphärentheorien, S. 40 ff., 57 ff. 698 Lotmar, Arbeitsvertrag II, S. 282, insb. 340 ff., 357 ff.; Titze Unmöglichkeit, S. 23 ff.; Rümelin, Dienstvertrag, S. 81 f.; Kisch, Unmöglichkeit, S. 77 ff.; Dernburg, BürgR II/2, § 305 II, S. 443 ff.; Planck/Gunkel, BGB, § 616 Anm. 5; Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 99 ff.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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für die Praxis des Arbeitsrechts durch die von ihm entwickelte Betriebsrisikolehre, nach der man, um in Fällen dieser Art „zu einer befriedigenden Lösung" zu kommen, „überhaupt nicht von den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgehen" dürfe. Vielmehr müsse man „die sozialen Verhältnisse ins Auge fassen, wie sie sich seither entwickelt" hätten 699 . Vom Bundesarbeitsgericht wurde die Betriebsrisikolehre in ausdrücklicher Übereinstimmung mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung von Anfang an übernommen 700. Die vom BAG festgestellte „Lücke im Gesetz" wird seither durch einen modernen, sozialpolitisch motivierten Schutz des lohnabhängigen Arbeitnehmers und damit in ausdrücklicher Abkehr von den beiden Normen des BGB durch eine generelle Gefahrtragung des Dienstherrn für aus seinem Bereich stammende Störungen gefüllt. Als „Bereich des Unternehmers" gilt hierbei die von ihm „beherrschte oder doch beeinflußte oder beeinflußbare Gefahrenzone" 701. Auch eine noch immer stark verbreitete Auffassung im Schrifttum entnimmt die Regelung der Gegenleistungsgefahr nicht dem Gesetz, sondern vertritt die These, dass das Problem der Lohngefahrtragung im Arbeitsvertrag heute „richterrechtlich" nach spezifisch arbeitsrechtlichen Regeln gelöst sei 7 0 2 . Die sog. arbeitsrechtliche Betriebsrisikolehre wurde durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit der ergänzenden Regelung des § 615 Satz 3 BGB teilweise kodifiziert. Der Gesetzgeber unterließ jedoch eine genauere Ausformung des Rechtsinstituts, so dass § 615 Satz 3 BGB 699 RGZ 106, S. 272, 275. 700 BAG AP BGB, § 615 Nr. 2 Betriebsrisiko, Bl. 1; BAG, AP BGB, § 615 Nr. 3, Bl. 1 R; BAG, AP BGB, § 615 Nr. 4, Bl. 1; BAG, AP BGB, § 615 Nr. 8, Bl. 1 R; BAG, AP BGB, § 615 Nr. 14, Bl. 1 R, 2 R; BAG, AP BGB, § 615 Nr. 15, Bl. 2; ausführliche Darstellungen der Entwicklung der Betriebsrisikolehre namentlich durch die Judikatur etwa bei Jörns, Betriebsrisiko, S. 19 ff.; Kalb, Betriebsrisikolehre, S. 22 ff.; Ehmann, Betriebsrisikolehre, S. 85 ff.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, § 44 IV 2, S. 349 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht I, § 421, S. 598 ff.; Staudinger/Richardi, BGB, § 615 Rn. 193 ff.

701 BAG AP BGB § 615 Betriebsrisiko Nr. 3. 702 Nikisch, Arbeitsrecht I, § 421, S. 598 ff.; ders., SJZ 1948, Sp. 14 f.; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, § 44 IV 2, S. 352 ff.; Bulla, DB 1965, S. 1517, 1518; Beierstedt, AuR 1966, S. 225 ff.; Neumann-Duesberg, JuS 1970, S. 68, 69; Mayer-Maly, BB 1979, S. 1305, 1309; Biedenkopf, Betriebsrisikolehre, S. 1, 14 ff.; Fabricius, Leistungsstörungen, S. 90 f.; Konzen, AcP 177 (1977), S. 473, 538 ff.; Lieb, Arbeitsrecht, § 2 II, S. 53 Rn. 160 ff.; ders., in: Lieb/v. Stebut/Zöllner (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, S. 163, 186 f., 234 f.; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, § 101 I, V, S. 761 ff., 765 f.; Brox, Arbeitsrecht, Rn. 169 f.; ders., Allg. Schuldrecht, Rn. 259; Dütz, Arbeitsrecht, Rn. 249 f.; Gaul, Arbeitsrecht I, G I, Rn. 15 ff.; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 57 II 1 b, S. 242 f.; Esser, Schuldrecht, § 34 III 2, S. 220; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 23 II 2, S. 26 f.; Esser/Weyers, Schuldrecht II, § 29 II, S. 246 f.; Larenz, Schuldrecht II/1, § 52 II a, S. 320; Köhler, Unmöglichkeit, S. 51 f., 112 f.; Koller, Risikozurechnung, S. 390 ff.; Soergel /Wiedemann, BGB, vor § 323 Rn. Rn. 8 f.; Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 615 Rn. 21 ff.; MünchKomm/Schaub, BGB, § 615 Rn. 109 ff.; Jörns, Betriebsrisiko, S. 106 ff.; Erman, JZ 1965, S. 657 ff.; Dörner, Arbeitsrecht I, S. 150; Schmid/Trink-Hinterberger, Arbeitsrecht, § 8 V 1, S. 112; von Schenck, Sphäre, S. 197 ff.; Söllner, AcP 167 (1967), S. 132, 141 ff. 1*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

als Rechtsfolgenverweisung die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung der Vergütung (nur) für diejenigen Fälle anordnet, in denen dies nach der Betriebsrisikolehre der Fall ist. Eine eigene gesetzgeberische Entscheidung der Frage, in welchen Fällen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen hat, enthält das Gesetz damit nicht 7 0 3 . (3) Demgegenüber wird im arbeitsrechtlichen Schrifttum, namentlich von Picker seit einigen Jahren wieder verstärkt dafür plädiert, „die eingestandenermaßen vage und unkonturierte, deshalb zumeist als bloßer Topos weitergeschleppte Figur der Betriebsrisikolehre aufzugeben und stattdessen die Lösung wieder aus dem BGB abzuleiten". „Konkret" bestehe „in dieser Gegenbewegung also bei aller Verschiedenheit in den Details Einigkeit in der Grundüberzeugung, dass diese Figur eine sachlich verfehlte, zumindest eine überflüssige Rechtsschöpfung darstellt, die gleichsam freirechtlich nachzuschaffen versucht, was in Wahrheit das positive Recht schon bereitstellt" 704 .

b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (1) Für das Dienstvertragsrecht behilft sich der BGH auf verschiedenartige Weise. In der arbeitsrechtsorientierten Entscheidung BGHZ 10, S. 187 ff. wandte das höchste deutsche Zivilgericht die arbeitsrechtliche Betriebsrisikolehre selbst auf den Vergütungsanspruch eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft entsprechend an, der seine Dienste nicht mehr erbringen konnte, weil der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft infolge von Kriegsereignissen stillgelegt und später unter Treuhandverwaltung gestellt worden war. Ein Vorstandsmitglied bedürfe zwar „nicht des gleichen Schutzes ... wie ein abhängiger Arbeitnehmer", jedoch sei „unter besonderen Umständen ... eine teilweise Anwendung dieser Rechtsgrund703 AnwKom/Dauner-Lieb, Schuldrecht, § 615 Rn. 2 f.; Palandt/Putzo, BGB, § 615 Rn. 21; Hk/Eckert, BGB, § 615 Rn. 4; Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucksache 14/6857, S. 47 f. zu Nr. 21. 704 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 815; s. hierzu außer den unten u. b) Genannten etwa Scholz/Konzen, Aussperrung, S. 210 f.; Richardi / Ossenbühl, Arbeitskampf, S. 79 ff.; Seiter, DB 1981, S. 578 ff.; ders., EzA BetrVG 1972, § 87 Nr. 6, S. 30 c ff; ders., RdA 1979, S. 393, 399; Gagel, BB 1984, S. 2006, 2009 f.; Erman/Hanau, BGB, § 615 Rn. 57; Eisemann, AuR 1981, S. 357, 359 ff.; Mayer-Maly, BB 1979, S. 1305, 1308 ff.; ders., ZfA 1980, S. 473, 482 f.; Baumann, Arbeitskampf, S. 27 ff.; (Däubler-) Colneric, Arbeitskampfrecht, Rn. 605 ff.; Dossow, BB 1988, S. 2455, 2458 f.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 215 ff.; Rückert, ZfA 1983, S. 1, 8 ff.; Schiemann, JuS 1983, S. 649, 657; v. Stebut, RdA 1985, S. 66, 71 f.; Wank, Arbeitnehmer, S. 70; ders., Übungen, S. 44 ff.; Mückenberger, Produktionsverflechtung, S. 157 ff.; Otto, Arbeitsrecht, § 8 II 1 b, S. 171; Möller, Freiheit, S. 82 ff.; MünchArbR/Boewer, § 76 Rn. 12, § 77 Rn. 13 ff.; Beuthien, Arbeitskampf, S. 8 ff., 14; Däubler, Arbeitsrecht II, S. 431; Gitter, Arbeitsrecht, S. 87; Jauernig/ Schlechtriem, BGB, 9. Aufl., § 615 Rn. 7; Fikentscher, Schuldrecht, § 44 III, Rn. 876; Bletz, JR 1985, S. 228, 230 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 25 II, S. 274 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 c), S. 513; K. Ernst, Wegerisiko, S. 66 ff.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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sätze auf das Vorstandsverhältnis geboten", wenn sich das Dienstverhältnis „dem Arbeitsverhältnis nähert". „Die vom Reichsgericht für Arbeitsverhältnisse entwickelten Grundsätze über die Nichtanwendung der §§ 323 ff. BGB" seien entsprechend anzuwenden, wenn „die Berufung einer Kapitalgesellschaft auf die Leistungsfreiheit nach § 323 Abs. 1 BGB im Rahmen der durch die Sozialgesetzgebung weitgehend anerkannten Betriebsgemeinschaft gegenüber einem langjährigen und bewährten Vorstandsmitglied gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt und insoweit eine unzulässige Rechtsausübung darstellt" 705 . Die Entscheidungsgründe zeigen, dass der BGH für den Dienstvertrag den wahren Begründungsgesichtspunkt für eine Fortzahlung des Entgelts bei substratsbedingten Leistungsstörungen noch nicht gefunden hatte. Erscheint es von vornherein als seltsam, wenn ein Elementaranspruch wie der auf Gehalt nur mit Hilfe von Treu und Glauben bejaht werden konnte 706 , kann es zudem nicht richtig sein, ein Vorstandsmitglied - bei dem eine soziale Schutzbedürftigkeit nicht vorliegt erst zum gewöhnlichen Arbeitnehmer umzudeuten und sodann auf diesen die auf sozialen Schutz gegründete Betriebsrisikolehre entsprechend anzuwenden. Völlig belanglos musste es ferner sein, dass es um ein „bewährtes" Mitglied des Vorstands ging, da für einen durchschnittlich tüchtigen Dienstnehmer wohl kaum etwas anderes gelten kann 707 . Die gewagte Analogie zur Betriebsrisikolehre deutet demgegenüber - wie Picker zutreffend feststellte - darauf hin, „daß die Kriterien, die die Risikozuweisung an den Dienstberechtigten legitimieren, ebenso wie beim Arbeitsvertrag auch bei Dienstverträgen bestehen können, daß sie potentiell mithin beiden Formen von Dienstverträgen gemein sind und deshalb hier wie dort ein und dieselbe Rechtsfolge fordern" 708 . Rechtlich begründbar wird die Entscheidung vielmehr erst dann, wenn man erkennt, dass hier - ebenso wie beim Werkvertrag und beim Arbeitsvertrag - die Grundregel des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. durch eine weitere Gefahrtragungsregel durchbrochen wird. Auch im Dienstvertrags- und Arbeitsrecht entspricht es einer unmittelbar einsichtigen Wertung, die Vergütungsgefahr der Vertragspartner „in zwei konkrete, sozial erfaßbare Risikosphären" aufzuteilen, indem der Dienstherr die Vergütung zu entrichten hat, wenn sich Zufall und Unglück zunächst in seinem Bereich ausgewirkt haben und erst kausal durch dieses Ereignis auch die Dienst- oder Arbeitsleistung unmöglich geworden ist. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen die Leistung infolge des Fehlens oder der Untauglichkeit von Material, Gerätschaft oder des gesamten Betriebs des Dienstherrn - also kurz der Leistungssubstrate - nicht erbracht werden kann 709 .

705 706 707 708 709

BGHZ 10, S. 187, 191 ff. Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 842 f. Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 843. picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 844, Hervorheb. i. Ο. Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 817 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

(2) In der zweiten Leitentscheidung BGHZ 24, S. 91 ff. kreierte der BGH demgegenüber eine Spielart der „Annahmeverzugstheorie", indem er zwischen Annahmeunmöglichkeit und Annahmeunvermögen des Gläubigers zu differenzieren versuchte. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt hatte bei einem Βeratungsvertrag der Dienstgeber nach Vertragsschluss seinen Geschäftsbetrieb eingestellt, da die von ihm gehandelten Waren aufgrund staatlicher Sperrmaßnahmen nicht mehr zu beziehen waren. Der freiberuflich tätige Berater bot jedoch seine Dienste weiterhin an und verlangte sein Honorar aus dem Beratungsvertrag. Der BGH nahm an, die Gläubigerin sei gemäß § 615 BGB in Annahmeverzug geraten. Zwar könne „der Gläubiger nicht in Verzug kommen, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung unmöglich ist (vgl. § 297 BGB)". Der Kläger sei jedoch in der Lage gewesen, „die ihm obliegende Leistung zu erbringen". Denn diese sei „nicht schon dadurch unmöglich geworden, dass die Gesellschaft nicht mehr zu der erforderlichen Mitwirkung, nämlich der Erteilung von Aufträgen an den Kläger und der Entgegennahme seiner Beratung in der Lage war". Vielmehr habe es sich „nur um ein subjektives Unvermögen der Gesellschaft" gehandelt. „Eine solche Unmöglichkeit" sei „zu verneinen, wenn der Gläubiger nur durch ein in seinem eigenen Bereich liegendes Unvermögen gehindert ist, die ihm angebotene Leistung anzunehmen. Anders liegt es bei Hindernissen, die nicht nur in der Person des Gläubigers, sondern allgemein nicht behebbar sind. Dann allerdings ist eine Unmöglichkeit der Leistung mit den Rechtsfolgen der §§ 323 ff. BGB anzunehmen .. , " 7 1 0 . Der BGH ignorierte in dieser Entscheidung mit seinen Bemühungen, die Unmöglichkeit der Leistung hinwegzuinterpretieren, allem voran die Tatsache, dass auch der nur subjektive Verhinderungsgrund auf Seiten des Gläubigers zwingend zur Folge hat, dass die Leistung objektiv nicht erbracht werden kann, wenn die Mitwirkung seitens des Gläubigers eine Voraussetzung für die Leistung selbst darstellt. Auch bloßes „Unvermögen" zur Mitwirkungshandlung führt also denknotwendig dazu, dass bei der mitwirkungsabhängigen Leistung als solcher Unmöglichkeit eintritt. Ihrem Wesen nach ist die Dienstleistung ebenso wie durch die Zeit eben auch durch die Person des Empfängers spezifiziert 711. Ferner bezeichnet die Unterscheidung zwischen Annahmeunmöglichkeit und - Unvermögen aber auch keinen materialen Gesichtspunkt, denn der Entgeltanspruch des Beraters konnte keinesfalls davon abhängig sein, ob andere (vergleichbare?) Unternehmen in der Lage gewesen wären, seine Beratung in Anspruch zu nehmen. Denn der Kläger schuldete nicht schlechthin Beratung, sondern Inhalt seiner Leistungspflicht war die Beratung des konkreten Betriebs der Beklagten; nur ihr gegenüber war daher eine Erfüllung möglich 712 .

710 BGHZ 24, S. 91, 96, Hervorheb. i. O. 711 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 848 f. 712 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 848 f.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Als der in Wahrheit tragende Gesichtspunkt, der zum Entgeltanspruch des Klägers nach § 615 BGB führte, wäre daher auch in diesem Fall der Umstand anzusehen gewesen, dass der Berater seine Dienste weiterhin anbot, er also ohne die Einstellung des Geschäftsbetriebs der Beklagten in der Lage gewesen wäre, seinen Teil zur Durchführung der vereinbarten Dienstleistung beizutragen. Seine Leistung wurde zwar unmöglich, jedoch lag dies gerade an der zufälligen Störung, die sich im Bereich der Beklagten niedergeschlagen hatte. Für in seinem eigenen Bereich liegende Hindernisse soll aber der Dienstberechtigte selbst einstehen müssen. Ist das Hindernis dem Dienstnehmer nicht zurechenbar, so sollte der Dienstgeber auch keine Möglichkeit haben, dessen Folgen auf den Dienstnehmer abzuwälzen713. (3) In den im Jahr 1984 entschiedenen beiden Internatsfällen entnahm der BGH die Lösung hingegen den §§ 626 Abs. 1 und 628 BGB. Im ersten Fall 7 1 4 hatte ein Internatsschüler anlässlich eines Wochenendaufenthalts bei den Eltern einen Selbstmordversuch unternommen, weil er nicht in das Internat zurückkehren wollte; bei einer unfreiwilligen Unterbringung hätte die Gefahr eines erneuten Suizidversuchs bestanden. Der BGH bejahte aufgrunddessen ein Recht zur Kündigung aus „wichtigem Grund" gemäß § 626 Abs. 1 BGB, da den Eltern die weitere Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zumutbar sei. Im zweiten Fall 7 1 5 sah sich das Internat gezwungen, einen Schüler wegen wiederholter grober Disziplinlosigkeiten von der Anstalt zu verweisen. Auch hier habe - so der BGH - ein „wichtiger Grund" vorgelegen, jedoch sei „ein vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles" durch die wiederholten schweren Verstöße des Schülers gegen die Schul- und Internatsordnung gegeben, das die Eltern nach § 278 BGB zu vertreten hätten. Die Eltern hätten daher nach § 628 Abs. 2 BGB anders als im ersten Fall die Internatsgebühren in Form von Schadensersatz fortzuentrichten. Auch in diesen beiden Fällen handelte es sich in Wahrheit jeweils rechtlich um eine Unmöglichkeit der Dienstleistung, die hier nur durch das technische Mittel der Kündigung aus „wichtigem Grund" geltend gemacht wurde. Denn weder der lebensmüde noch der renitente Schüler konnte weiterhin im Internat ausgebildet werden 716 . Die sich aus § 323 Abs. 1 BGB a.F. ergebende Rechtsfolge wollte der BGH jedoch durch Zumutbarkeitserwägungen bzw. durch die Zurechnung nach § 278 BGB vermeiden. Indessen konnte im ersten Fall die Frage der „Zumutbarkeit" einer Fortsetzung des Vertrags für die Eltern bereits deshalb nicht entscheidend sein, weil auch das Internat ein derart gefährdetes Kind nicht weiter aufnehmen musste, die Fortsetzung des Vertrags also auch für das Internat „unzumutbar" war 7 1 7 . Die konkrete „Unzumutbarkeit" der weiteren Leistungserbringung stellte sich also nur als eine Folge einer Störung dar, die rechtlich als „Unmöglichkeit" zu 713 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 850 f. 714 BGH NJW 1984, S. 2091 ff. 715 BGH NJW 1984, S. 2093 f. 716 Picker, JZ 1985, S. 641, 650 f. 717 Picker, JZ 1985, S. 641, 642.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

qualifizieren gewesen wäre. Ebenso wenig konnte den Eltern im zweiten Fall das Fehlverhalten ihres ungezogenen Sohnes unter dem Aspekt eines Verschuldens ihres Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zugerechnet werden. Denn die Eltern hatten sich nicht etwa bei der Erfüllung einer eigenen Verhaltenspflicht einer Hilfsperson bedient, sondern das Kind sollte nach dem Vertrag lediglich das Objekt der Erziehung - also Leistungssubstrat - sein 718 . Inhalt des schuldnerischen Leistungs Versprechens war es zwar jeweils gewesen, gerade diese bestimmten Schüler im Internat zu erziehen. Jedoch war auch hier das Risiko der Unmöglichkeit aufgrund der Ungeeignetheit der Schüler für die Internatsausbildung jeweils ausschließlich den Eltern zuzuweisen. Da das Schicksal gerade deren Kinder mit den abnormen Verhaltensstörungen belegt hatte und diese Konstitution kausal für die erst hierdurch verursachte Leistungsunmöglichkeit geworden war, hätte sich die Durchbrechung der Gefahrtragungsregel des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. mit der Folge ergeben, dass die Internate die Eltern an deren Entgeltversprechen festhalten konnten. Der Zufall traf also in beiden Fällen die Eltern, die dessen Folgen mangels eines Zurechnungsgrundes nicht auf die Internate abwälzen durften. Der Abschluss der Internatsverträge erwies sich vielmehr als Fehlinvestition in ihre versagenden „Leistungssubstrate" 719. Die Rechtsfolgen waren daher in den Internatsfällen jeweils § 615 BGB und nicht etwa den §§ 626 Abs. 1, 628 BGB zu entnehmen. Die Entgeltpflicht wäre somit allein um die ersparten Aufwendungen zu kürzen gewesen, wobei derartige Ersparnisse durch die in den jeweiligen Internats Verträgen vorgesehenen Pauschalminderungen bereits Berücksichtigung gefunden hatten.

c) Die Lehre vom Substratsrisiko (1) Gegenüber der dargestellten Judikatur hat sich - wie bereits erwähnt - im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht eine, mit der hier vertretenen Konzeption übereinstimmende und im Vordringen begriffene Ansicht etabliert, die eine Rückbesinnung auf das in § 615 BGB positivierte „Prinzip des Substratsrisikos" verficht, das als „dienstvertragliche Gefahrtragungsregel" „für jeden Vertrag" gelte, „der die Leistung irgendwelcher entgeltlicher Dienste zum Gegenstand hat" 7 2 0 . Sei es, dass sich die Störung des Verwendungszwecks dadurch ergibt, dass sich der 718 Picker, JZ 1985, S. 641, 643 f. 719 Ausführlich Picker, JZ 1985, S. 641, 642 ff., S. 693,705 f. 720 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 817; ders., JZ 1979, S. 285 ff.; ders. JZ 1985, S. 693 ff.; ders., Festschrift für Locher, S. 477 ff.; ders., Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549 ff.; Richardi, Anm. zu BAG AP GG Art. 9 Nr. 70, 71 Arbeitskampf, Bl. 5 ff.; ders., Festschrift für Strasser, S. 451, 455 ff.; ders., JuS 1984, S. 825, 834 f.; ders., ZfA 1985, S. 101, 115 f.; ders., NJW 1987, S. 1231, 1234 f.; Staudinger/Richardi, BGB, § 615 Rn. 3 ff., 22 ff., 40 ff., 185 ff., 200 ff., 238; Soergel/Kraft, BGB, § 615 Rn. 70 ff.; Heckelmann/Franzen, Arbeitsrecht, S. 76 Rn. 24; Reuter, JuS 1996, S. 658, 659; LAG Niedersachsen, LAGE § 615 BGB Nr. 40; Walk, Leistungshindernisse, S. 68 ff.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Dienstherr selbst nicht als „Substrat" bereitstellen kann, an dem die Dienste erbracht werden sollen, oder sei es, dass die beim Arbeitsvertrag besonders typische Störung eintritt, dass „wegen Fehlens, Untauglichkeit oder Nichtfunktionierens von Material, Gerätschaft oder Betrieb die vereinbarte Arbeit nicht erbracht werden kann" 7 2 1 , jeweils sei die Risikosphäre des Dienstherrn betroffen, der daher „die Folgen von Zufall und Unglück nicht nur im Rahmen der generellen casumsentit-dominus-Regel zu tragen" hat. Die Folgen „von Zufall und Unglück" träfen den Dienstherrn „darüber hinaus auch im Hinblick auf die Gegenleistungsgefahr" 722 , da diese „mangels Zurechenbarkeit und damit Abwälzbarkeit wohl oder übel den treffen müssen, in dessen Person oder Vermögen sie sich als sein Schicksal ereignen" 723 . (2) Für die Lehre vom Substratsrisiko spricht ferner, dass die angebliche „quälende Alternative" zwischen Unmöglichkeit und Annahmeverzug nicht einmal nach dem Gesetz gegeben ist. Denn bereits die Analyse der Entstehungsgeschichte des § 615 BGB erhellt das darin angelegte Tertium einer „Annahmeunmöglichkeit", also einer Unmöglichkeit, die nach der 1. Kommission darauf beruht, dass der „Dienstverpflichtete" „seinerseits die Dienste zu leisten im Stande ist, der Dienstberechtigte aber sie nicht annehmen will oder, wenn auch ohne seine Schuld, nicht annehmen kann". Das dem 1. Entwurf zum BGB zugrunde liegende Prinzip sah bei der Dienstmiete anders als bei der Sachmiete zwar nicht vor, „daß der zur Vorleistung verpflichtete Vermiether der Vorleistungspflicht durch den einseitigen Akt Genüge leistet, mittels welcher er dem Miether die vermiethete Sache behufs des vertragsmäßigen Gebrauchs zur Verfügung stellt, sofern nur der Ausübung des Gebrauchs ein objektives Hindernis nicht entgegensteht, und daß jener einseitige Akt nicht blos als Erfüllung der Vorleistungspflicht wirkt, sondern die wirkliche (reelle) Erfüllung der Letzteren enthält und demzufolge die Vorschriften über den Annahmeverzug nicht weiter in Betracht kommen können" 724 . Es könne „jedenfalls nicht ausgesprochen werden, daß die Dienstleistung erfolgt sei, wenn die betr. Erfordernisse vorliegen, dh. wenn der Dienstverpflichtete zur Vorleistung fertig war und er rechtzeitig und ordnungsgemäß sich zur Erfüllung erboten hatte". Es sei auch eine „Fiktion", wenn man ausspräche, „daß die Dienstleistung alsdann als bewirkt gelte". Die 1. Kommission zog hieraus jedoch nicht etwa den Schluss, der Dienstverpflichtete habe wie beim Werkvertrag die Gefahr für jede Unmöglichkeit der Leistung zu tragen. Vielmehr anerkannte sie die der Sachmiete entsprechende tragende Wertung und befand, es sei „angemessener und zugleich einfacher . . . , die an die Fiktion sich knüpfenden Folgen hervorzuheben, also zu bestimmen, daß der 721 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 818; ders., Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 577. 722 Picker, Festschrift für Kissel, S. 813, 818. 723 Picker, Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 589. 724 Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 257; s. zum Mietrecht, Materialien II, S. 222.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Dienstverpflichtete eintretenden Falles Anspruch auf die vertragsmäßige Vergütung habe, ohne zur Nachleistung der Dienste verbunden zu sein". Die Voraussetzungen könnten daher einfach „von den Erfordernissen des Annahmeverzuges des Dienstberechtigten abhängig gemacht werden" 725 . Es sollte somit bereits die bloße Tatsache der Nichtannahme der Dienste durch den Dienstnehmer die Rechtsfolge des heutigen § 615 BGB auslösen. Auf die Unmöglichkeit der Leistung sollte es ebensowenig ankommen wie auf eine Zurechenbarkeit oder auf ein Verschulden der Unmöglichkeit. Diese Regelung des 1. Entwurfs wurde sodann von der 2. Kommission nicht mehr verändert, so dass selbst ein Antrag, der das von der 1. Kommission zugrundegelegte Prinzip klarstellensollte, keine Aufnahme fand 726 . Nach der daher für das Verständnis der Regelung des § 615 BGB entscheidenden Auffassung der 1. Kommission war damit eine „Unmöglichkeit" der Leistungserbringung gerade nicht zu leugnen, wenn der Dienstherr die Dienstleistung nicht anzunehmen vermochte. Anders als Windscheid, der im gemeinen Recht entsprechend der Sachmiete auch für den Dienstvertrag die Fiktion verfocht, dass „der Arbeiter, welcher seine Dienste Demjenigen, dem er sie versprochen hat, zur Disposition stellt, seine Verbindlichkeit erfüllt hat" 7 2 7 , erachtete die 1. Kommission dieses Prinzip „für den Dienstvertrag ... keineswegs als selbstverständlich, da einleuchtend die beiden angegebenen Erfordernisse nicht genügen, um die wirkliche (reelle) Dienstleistung annehmen zu können, und nach den allgemeinen Bestimmungen über den Annahmeverzug ein ... Anbieten der Dienste nicht als Erfüllung wirkt" 7 2 8 . Andererseits sahen sich die Gesetzesverfasser durch diese Erkenntnis nicht gehindert, aufgrund derselben Wertungen wie bei der Sachmiete auch bei der Dienstmiete die Gefahr für die Gegenleistungspflicht dem Dienstnehmer immer auch dann aufzuerlegen, wenn er durch einen in seinen Verhältnissen liegenden Grund, namentlich durch Fehlen oder Ungeeignetheit der Arbeitssubstrate, an der Annahme der Dienste gehindert war. Die Väter des BGB erkannten also durchaus, dass es sich hierbei um Fälle der Unmöglichkeit und damit nicht um Annahmeverzug im eigentlichen Sinne handelt, stellten diese jedoch bewusst in der Rechtsfolge dem Annahmeverzug gleich, da man die zugrundeliegenden Wertungen als identisch erfasst hatte 729 . Es war dann jedoch einerseits die sprachliche Blassheit des neugeschaffenen Begriffs des Annahmeverzugs und andererseits die „Begriffsaporie" eines „textbebrütenden frühen Gesetzespositivismus"730, die es verhinderten, dass dem der 725

726 727 728 729 730

Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 258. Zur Genese des § 615 BGB s. Picker, Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 564 ff. Windscheid, HeidelbKritZ 2 (1855), S. 106, 138 f. Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 257. Ebenso Rädler, NJW 1993, S. 689, 691 f. Picker, Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 579.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Regelung des § 615 BGB zugrundeliegenden, ebenso einfachen wie einsichtigen Prinzip und seinen materiellen Wertungsgesichtspunkten auch in der Folgezeit Anerkennung zuteil wurde. Die Prognose der 1. Kommission, durch die „Bezugnahme auf die Erfordernisse des Annahmeverzuges" gewinne „das Gesetz an Einfachheit und Verständlichkeit" 731 führte so zu der fälschlichen Annahme, § 615 BGB betreffe „unmittelbar nur den Fall des Annahmeverzuges, d. h. der auf der fehlenden Mitwirkung des Dienstberechtigten beruhenden Verzögerung der Leistung" 732 . Hieraus wurde - insoweit durchaus konsequent - der Schluss gezogen, es liege hinsichtlich derjenigen Fälle eine „Lücke im Gesetz" vor, in denen durch Zufall der Verwendungszweck des Dienstberechtigten durch eine Ungeeignetheit des Leistungssubstrats endgültig gescheitert ist. Man schlug daher für diese Konstellationen zum Teil sogar eine analoge Anwendung der Norm vor, da „das Ausbleiben einer in der Person oder der Sphäre des Dienstberechtigten gelegenen Voraussetzung der Leistung gleich zu erachten" sei 733 . Überwiegend zog man sich aber - angesichts der vorhandenen bürgerlich-rechtlichen Gefahrtragungsregel unnötigerweise - auf die Figur der Kündigung aus „wichtigem Grund" zurück oder rief für das Arbeits- und sogar für das Dienstvertragsrecht, das sozialpolitisch motivierte Institut vom „Betriebsrisiko" ins Leben.

4. Die Sphärentheorie a) Die Lehre von der Risikoverantwortung (1) Es hat derweil nicht an Versuchen gemangelt, aus den Vorschriften des allgemeinen und besonderen Schuldrechts ganz andere grundlegende Prinzipen herauszufiltern, nach denen das Entgeltrisiko bei allen gesetzlichen Schuldvertragstypen gleichermaßen zu verteilen sei. Größere Bedeutung hat insbesondere die sog. Sphärentheorie erlangt, von der sich auch die neuere Rechtsprechung des BGH zu § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr ausdrücklich abgrenzt 734. Auch die vom 731

Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 258. 32 Larenz, Schuldrecht I, § 21 I c), S. 314; ähnlich Beuthien, Zweckerreichung, S. 235 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 25 I, S. 272 f.; Fikentscher, Schuldrecht, § 46 V 2, S. 265 Rn. 386, nach denen der Begriff des Annahmeverzuges generell voraussetzen soll, dass dem Gläubiger die Annahme nur vorübergehend unmöglich ist, indem der Schuldner bei „Angebot" der Leistung überhaupt leistungsfähig und leistungsbereit sein muss. 7

7

33 Larenz, Schuldrecht I, § 21 I c), S. 314; Köhler, Unmöglichkeit, S. 56: „Gesamtanalogie zu den §§ 615, 552". 734

BGHZ 78, S. 352, 354 f.: „Rechtfertigung für die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 Satzl BGB ... ist die objektive Verantwortlichkeit des Auftraggebers für den Eintritt des Schadens ..."; BGH NJW 1998, S. 456, 457: „ . . . in denen die Leistung des Unternehmers aus Umständen untergeht oder unmöglich wird, die in der Person des Bestellers liegen ... oder auf Handlungen des Bestellers zurückgehen . . . , auch wenn es insoweit an einem Verschulden des Bestellers fehlt. In derartigen Fällen steht der Besteller der sich aus diesen

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

B A G praktizierte Betriebsrisikolehre ist maßgeblich durch den Sphärengedanken b e s t i m m t 7 3 5 , auch wenn der eigentlich tragende und jeweils entscheidende Gesichtspunkt die Bewahrung der Existenzsicherung des Arbeitnehmers ist. Bei allen Unterschieden in den Details ist den verschiedenen Varianten der Sphärentheorie jedenfalls gemein, dass nicht der Ort des Schadenseintritts über die Risikotragung entscheiden soll, sondern die „Sphäre" als ein „Bereich der Entstehung oder der Beherrschbarkeit bestimmter Gefahren" erfasst w i r d 7 3 6 . (2) U m nicht über die i m Detail zwischen den Varianten der „Sphärentheorie" bestehenden Unterschiede den Blick für die grundsätzliche Problematik zu verlieren, soll vorliegend die Lehre Beuthiens von der Risikoverantwortung stellvertretend für die weiteren Spielarten der „Sphärentheorie" dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden 7 3 7 .

Umständen ergebenden Gefahr für das Werk näher als der Unternehmer." Anders hingegen noch BGHZ 40, S. 71, 74 f.; BGHZ 60, S. 14, 19. 735 S. Nassauer, Sphärentheorien, S. 75 ff.; Walk, Leistungshindernisse, S. 23 ff.; vgl. nur BAG AP BGB § 615 Betriebsrisiko Nr. 15, Bl. 2: „ . . . muß der Arbeitgeber... auch insoweit die Verantwortung und damit die Folgen tragen, die sich daraus ergeben, daß die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und die Entgegennahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber aus Gründen unmöglich wird, die in seinem Einflußbereich liegen." 7 36 Erman, JZ 1965, S. 657 ff.; Rümelin, Dienstvertrag, S. 129 f., 136 f.; Heck, Schuldrecht, § 37, S. 112; Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 57 II, S. 242 f., § 153 II 1 a, S. 657; v. Schenck, Sphäre, S. 78 ff., 334, 403, passim; Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, § 23 II, S. 25 f.; Blomeyer, Schuldrecht, § 36 I 1, S. 215; Staudinger/J. Schmidt, BGB, § 242 Rn. 1329 ff.; Soergel/Siebert, BGB, § 645 Rn. 1; Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 59 f.; ders., Schuldrecht, § 44 III 5 d), S. 245 Rn. 355; Teichmann, Gutachten, S. 90; Söllner, AcP 167 (1967), S. 132, 142 f.; Beierstedt, AuR 1966, S. 225, 230; Molitor, Schuldrecht BT, § 11 III, S. 90 f.; Pfizenmaier, Vertragsinhalt, S. 167; Staudinger/Peters, BGB, § 645 Rn. 29; Henssler, Risiko, S. 62; Eike Schmidt, AcP 175 (1975), S. 165, 167; Koller, Risikozurechnung, S. 80 ff., 438; Staudinger /Weber, BGB, 11. Aufl., § 242 Anm. C 3, C 4; Soergel/R. Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 254 Rn. 8 ff.; Lorenz-Meyer, Haftungsstruktur, S. 104; Hübner, Schadenszurechnung, S. 56 ff.; schon früher: Jakubezky, Bemerkungen, S. 139; Strohal, JhJb 33 (1894), S. 361, 386; Oertmann, GrünhutsZ 24 (1897), S. 1, 48 ff.; ders., AcP 116 (1918), S. 1, 20 ff., 46; ders., DR 1922, Sp. 5, 9; ders, Schuldverhältnisse I, § 293 Anm. 3 b, S. 211; Crome, System II, S. 149 mit Fn. 31; Rümelin, Dienstvertrag, S. 128; Heck, Grundriß, § 37, S. 112, § 116, S. 348; Wilburg, Elemente, S. 29, 40, 115. 737

Kritisch zur „Sphärentheorie" auch Soergel /Teichmann, BGB, § 645 Rn. 14; Staudinger/Peters, BGB, § 645 Rn. 29; RGRK/Glanzmann, BGB, § 645 Rn. 4; MünchKomm/ Ernst, BGB, Band 2 a, § 326 Rn. 55 ff.; MünchKomm/Emmerich, BGB, vor § 275 Rn. 34; MünchKomm/Emmerich, BGB (3. Aufl.), § 324 Rn. 11; Palandt / Sprau, BGB, § 645 Rn. 9; Siegburg, Festschrift für Korbion, S. 411, 418 f.; Emmerich, Leistungsstörungen, § 25 II 2, S. 275; Esser/Weyers, Schuldrecht II, § 34 III 1 a), S. 291; Bletz, JR 1985, S. 228 ff.; Köhler, Unmöglichkeit, S. 20 ff.; Picker, JZ 1979, S. 285 ff.; ders., JZ 1985, S. 641 ff., 693 ff.; Richardi, JuS 1984, S. 825, 834 ff.; Rückert, ZfA 1983, S. 1 ff.; von Craushaar, BauR 1987, S. 14, 16 f.; Walk, Leistungshindernisse, S. 29 ff.; Nassauer, Sphärentheorien, passim, bes. S. 65 ff., 175 ff.; unentschieden MünchKomm/Soergel, BGB, § 645 Rn. 11; aus der älteren Literatur: Kohler, ArchBürgR 13 (1897), S. 149, 260; Hachenburg, Dienstvertrag, S. 27; Riezler, Werkvertrag, S. 145; Leonhard, Besonderes Schuldrecht, § 116, S. 226 f.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Nach Beuthien soll sich aus § 324 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 326 Abs. 2 BGB n.F.) eine „Risikoverantwortung" des Gläubigers für solche zufälligen Ereignisse ergeben, die ihm „als von ihm zu vertreten zugerechnet werden" können 738 . Den Gläubiger treffe die „Risikoverantwortung" zum einen, „soweit er das Leistungshindernis in seinem Ursprung und seinen Folgen hätte beherrschen können" und zum anderen, soweit es sich zwar um „unbeherrschbare Schäden" handelt, diese jedoch „so unmittelbar mit der Person oder den privaten beziehungsweise wirtschaftlich-beruflichen Lebensbeziehungen des Gläubigers zusammenhängen, daß sie bei wertender Betrachtung als allein ,sein Schicksal' (jede andere Person muß als an diesem Schaden unbeteiligt anzusehen sein) erscheinen und daher von ihm mit allen wirtschaftlichen Nebenfolgen getragen werden müssen" 739 . „Verantwortung" sei dabei „im Sinne eines wirtschaftlichen Einstehenmüssens für das eigene Risiko zu verstehen". Die „von § 552 S. 1 geregelten Fälle der Gebrauchsüberlassungsunmöglichkeit" ließen sich dementsprechend „auch über § 324 I erfassen", so dass § 552 Satz 1 BGB (jetzt: § 537 Abs. 1 BGB) „insoweit gegenüber § 324 I ... nur bestätigende Funktion" zukomme. Die „Risikozurechnung" kehre zudem „vor allem in den §§ 645 I und 649 wieder" 740 . Der maßgebliche Unterschied der Lehre Beuthiens gegenüber der Lehre vom Substratsrisiko besteht also darin, dass nicht sämtliche, sich in der Sphäre des Gläubigers auswirkenden „unbeherrschbaren Schäden" vom Gläubiger zu vertreten sind. Vielmehr habe der Gläubiger nicht „die wirtschaftliche Last sphärenneutraler Schicksalsschläge", also nicht die „vom Gläubiger nicht beherrschbaren und ihrem Ursprung nach aus neutraler Sphäre stammenden Schäden " zu tragen 741 . (3) Beuthien versuchte, seine Lehre anhand der Schiffsschleppfälle 742 zu verdeutlichen. In dem Fall der „Zweckvereitelung", in dem das auf Grund gelaufene Schiff vor Eintreffen des herbeigerufenen Schleppers wegen einer Sturmflut sinkt, sei „die Störungsursache (Sturmflut) für den Gläubiger unbeherrschbar". Aber auch sonst sei hier dessen Risikosphäre nicht betroffen, denn entscheidend sei nicht, „wo sich der Schaden auswirkt, sondern woher seine Ursache stammt". „Die Wetterlage" gehe auch „nicht auf die Gefahr des Werkbestellers". Er trage „auch nicht deshalb das Risiko, weil er dem Schuldner nicht den Gegenstand zur Verfügung zu stellen vermag, an dem oder mit dem dieser seine Werkleistung erbringen sollte". Es komme vielmehr darauf an, „ob der Gläubiger nach dem Sinn des Vertrags das Leistungssubstrat zu beschaffen und zu unterhalten hat ( . . . ) oder ob er das als vorhanden vorausgesetzte Leistungssubstrat dem Schuldner nur zugänglich zu machen hat". „Der Schiffseigner" habe „nur das letztere zu tun", so dass 7 38 Beuthien, Zweckerreichung, S. 80; zustimmend Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/2, §23 II 1, S. 26. 739 Beuthien, Zweckerreichung, S. 80, 81, 88. 740 Beuthien, Zweckerreichung, S. 84, 87.

741 Beuthien, Zweckerreichung, S. 88, Hervorheb. nicht i. O. 742 s. oben u. 1. Kap. A. III. 1.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

ihn ein „besonderes Risiko" deshalb nicht treffe 743 . Im Ergebnis sei daher nach § 323 Abs. 1 Hs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.) keine Vergütung zu entrichten. Anders will Beuthien hingegen im Fall der „Zweckerreichung" entscheiden, wenn das Schiff durch eine Sturmflut „von alleine" freikommt. Zwar habe der Gläubiger auch hier die Sturmflut als Ursache der Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten, jedoch handle es sich „um eine rechtliche Ausnahmesituation, die es angesichts einer ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit verlangen" könne, „daß der Gläubiger dem Schuldner einen Teil seines Risikos abnimmt". „Das Vergütungsrisiko" sei und bleibe „an sich beim Schuldner", es gehe „nicht um eine Risikoverteilung", sondern um eine „Risiko&eteiligung", da „einer (Gläubiger) alles hat, während der andere (Schuldner) nicht nur nichts bekommt, sondern dazu auf seinen Unkosten sitzen bleiben soll" 7 4 4 . „Von der Vertragsgerechtigkeit (§ 242) her" sei es dem Gläubiger hier daher „eher zuzumuten, sein Glück ( . . . ) wertmäßig mit dem Schuldner in Höhe der von diesem gemachten Aufwendungen zu teilen, als dem Schuldner im Unglück ( . . . ) sein Aufwandsrisiko abzunehmen und sich den gesamten Schaden aufzuladen". Dem Gläubiger bleibe „Glücks genug, wenn er für das, was er haben wollte, nicht das volle Entgelt zu zahlen, sondern lediglich den Schuldneraufwand zu erstatten braucht" 745 . Im Ergebnis verliere der Schuldner also bei einer anderweitigen Zweckerreichung „jeden Anspruch auf die Gegenleistung", erhalte jedoch einen Anspruch auf Ersatz seiner objektiv erforderlichen Aufwendungen 746.

b) Die Verfehltheit

der Zurechnung von Zufallsschäden

(1) Man kann die Lehre Beuthiens sicherlich nicht schon mit dem Hinweis abtun, die Risikozurechnung unter Anknüpfung an § 324 Abs. 1 BGB a.F. entspreche nicht dem „Begriff des Vertretenmüssens" hinsichtlich seiner „sonstigen Bedeutung in der Terminologie des Gesetzes" insbesondere in § 276 bis 278 BGB 7 4 7 . Denn immerhin verwendete vor der Schuldrechtsmodernisierung das Gesetz diesen Begriff auch selbst in den §§ 439 Abs. 1, 460 S. 1, 461, 462 BGB a.F. bei der verschuldensunabhängigen Rechts- und Sachmängelhaftung. Freilich wäre es seltsam, wenn dasselbe Ereignis, etwa die Erkrankung eines Vertragspartners, „in der Person des Schuldners sich als ein zufälliger, in der Person des Gläubigers aber als ein zu vertretender Umstand darstellen sollte" 748 . Auch durch den mit dem Schuld743

Beuthien, Zweckerreichung, S. 89. Beuthien, Zweckerreichung, S. 111, Hervorheb. i. O. 74 5 Beuthien, Zweckerreichung, S. 118 und 212 f. 744

746

Beuthien, Zweckerreichung, S. 123 ff. So aber Köhler, Unmöglichkeit, S. 53; Medicus, Schuldrecht I, § 42 IV 2, S. 234 Rn. 501; Staudinger/Otto, BGB, § 324 Rn. 19 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 21 I c), S. 313, § 25 III, S. 399 ff.; Fikentscher, Schuldrecht, § 44 III 2 b, S. 237 Rn. 344. 747

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

223

rechtsmodernisierungsgesetz in § 326 Abs. 2 BGB n.F. neu eingefügten Kriterium, ob der Gläubiger für den Umstand „allein oder weit überwiegend verantwortlich' 4 ist, ändert sich hieran nichts. Es spricht also durchaus „die ,Symmetrie' zu den §§ 323, 325 BGB" a.F. sowie „die Existenz des 2. Absatzes" 749 der Bestimmung gegen eine derartige Deutung des § 324 Abs. 1 BGB a.F., die das „Vertretenmüssen" von jedem „Vorwurf" abkoppelt. Letzte Zweifel daran, dass der „Begriff des Vertretenmüssens" im Zusammenhang mit den §§ 323 ff. BGB a.F. bei gesetzespositivistischer Betrachtung nur „Verschulden" bedeuten kann, beseitigt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm, die von Erwägungen der 1. Kommission hinsichtlich „einer vom Gläubiger verschuldeten Unmöglichkeit der Leistung" geleitet ist 7 5 0 (2) Damit ist jedoch zunächst nur die Zweifelhaftigkeit der Anknüpfung gerade an § 324 Abs. 1 BGB a.F. dargetan, hingegen noch nicht ein Widerspruch der Lehre mit „dem System und den Wertungen des Bürgerlichen Schuldrechts" 751. Die Verfehltheit der Lehre von der Risikoverantwortung erweist sich indessen, wenn man den Geltungsgrund der Risikotragung des Gläubigers einerseits und der des Schuldners andererseits hinterfragt. Nach den Verfechtern der Sphärentheorie soll der Gläubiger auch „unbeherrschbare Schäden" zu vertreten haben, für deren Eintritt ihm gerade kein Vorwurf im Sinne einer Pflicht- oder Obliegenheitsverletzung zu machen ist. Der Zurechnungsgrund kann und soll damit erklärtermaßen nicht ein Fehlverhalten des Gläubigers, sondern die Tatsache sein, dass der Schaden als allein „sein Schicksal" erscheine. Andererseits soll der Gläubiger aber auch nicht das Risiko für zufällige Schicksalsschläge schlechthin tragen, sondern nur für solche, die aus seiner Sphäre stammen. Mit anderen Worten soll sich „die Risikoverantwortlichkeit des Gläubigers ... stark der Gefahrtragung für Zufallsschäden nähern", jedoch gerade „nicht gleichgesetzt" werden 752 . Angesichts dieser Anforderungen an eine Risikozurechnung bleibt die materiale Rechtfertigung der Risikoverteilung bei der Sphärentheorie im Dunkel. Denn entweder handelt es sich bei der „Risikoverantwortlichkeit" um einen bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Zurechnungsgrund aufgrund eines Vorwurfs, der Gläubiger habe die ihm obliegende Sorgfalt nicht beobachtet, oder doch um eine Risikotragung von Zufallsschäden kraft „Sachnähe", die jedoch eigentlich der Gefahrtragung vorbehalten sein sollte. Indem die Vertreter der Sphärentheorie eine dritte Kategorie der sog. „neutralen Sphäre" kreieren, die als „höhere Gewalt" den Schuldner von der „Risikoverantwortlichkeit" entlasten soll, entfernen sie sich 748 Köhler, Unmöglichkeit, S. 53. 749 Picker, JZ 1985, S. 693, 702. 750

Motive bei Mugdan, Materialien II, S. 115. Beuthien, Zweckerreichung, S. 80, setzt dem indessen nicht ohne Berechtigung entgegen, die Motive verböten nicht, „§ 324 I mit dem Risikogedanken zu verbinden". 751 So aber Köhler, Unmöglichkeit, S. 54. 752 Beuthien, Zweckerreichung, S. 87.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

jedoch von beiden Alternativen der Legitimation für eine Durchbrechung des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. Gerechte Ergebnisse lassen sich so nicht immer erzielen, denn es liegt in der Konsequenz dieser Konstruktion, dass sämtliche anderen Schäden, also insbesondere auch diejenigen aus „neutraler Sphäre", spiegelbildlich dem Schuldner angelastet werden müssen, indem dieser - wie etwa in der ersten Variante des Schiffsschleppfalls - den Anspruch auf die Vergütung verliert. Dem liegt offenbar die Prämisse zugrunde, dass bei einem Fehlen oder bei der Untauglichkeit des Leistungssubstrats immer auch die „Sphäre" des Schuldners betroffen ist. Liege die Störungsursache in „neutraler Sphäre", so trägt nach Beuthien der Schuldner die „seiner Leistung eigentümliche Preisgefahr weiter". § 323 Abs. 1 BGB a.F. treffe eine Grundentscheidung, nach der jeder Schuldner grundsätzlich das Risiko dafür trage, „daß die eigene Leistung erbringbar bleibt". „Vermag der Schuldner nicht zu leisten", könne „er vom Gläubiger keine Vergütung erwarten", denn „es wird eben seine Leistung unmöglich". Es falle damit „seine Verdienstchance dahin". „Sein Einsatz" gehe „verloren". „In einem anderen Sinne" gelte „auch hier: casum sentit dominus" 753 . Erstaunlich ist hierbei, dass Beuthien den Satz „casum sentit dominus" einzig und allein auf den Schuldner bezieht, während die Regel für den Gläubiger offenbar nicht gleichfalls gelten und der Gläubiger nur für ihm im Sinne einer „Risikoverantwortung" „zurechenbare" Schäden das Risiko tragen soll. Es kann indessen nicht unbeachtet bleiben, dass sich auch bei einer Unmöglichkeit der Leistung, die durch einen Schaden „aus neutraler Sphäre" am Leistungssubstrat des Gläubigers herbeigeführt wurde, der Zufall gerade in seinem Substrat ausgewirkt hat und seine Investition gescheitert ist, die er durch den Vertragsschluss auf sein Substrat tätigte. Tritt der casus in dieser Weise sowohl beim Schuldner als auch beim Gläubiger ein, so ist nicht einzusehen, weshalb allein ersterer als dominus herangezogen werden soll, wenn es darum geht, die Folgen aus der Verwirklichung eines Risikos zu tragen. So stammt in den Schiffsschleppfällen die Sturmflut sowohl für den Kapitän des in Not geratenen Schiffes als auch für den Kapitän des Schleppers „aus neutraler Sphäre" - ein überzeugendes Entscheidungskriterium stellt uns der Gedanke des „Herstammens" des verwirklichten Risikos somit nicht zur Verfügung. (3) Demgegenüber gilt es als tragenden Wertungsgesichtspunkt zu erfassen, dass eine Kausalitätsbeziehung zwischen der Ungeeignetheit des Leistungssubstrats und der Unmöglichkeit der Leistung besteht. Denn erst durch das Freikommen oder Sinken des Schiffs wird das Freischleppen entbehrlich, während der Schlepper bereitsteht, seinen Beitrag zur Erfüllung zu leisten. Allein deshalb, weil das Substrat des Gläubigers sich als „mangelhaft" erweist, ist auch das Werk nicht herstellbar. Logisch wie zeitlich ist dieser Ursachenzusammenhang etwa in den Schiffsfällen geradezu sinnlich erfassbar: zunächst trifft das Schicksal in Form einer Sturmflut den Eigner des Schiffes und notwendigerweise erst dadurch und 753

Beuthien, Zweckerreichung, S. 108, Hervorheb. i. O.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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danach den Schlepperkapitän, der nun seine Arbeit nicht mehr zu verrichten vermag. Gerade diese Kausalitätsbeziehung ist auch der eigentliche Grund, weshalb das Rechtsempfinden zumeist gegenüber „der Normalsituation des § 323 BGB" (a.F.) umschlägt und das Bild gezeichnet wird, der Schuldner komme nicht „mit leeren Händen", sondern umgekehrt „leistungsbereit" zum Gläubiger. Demgegenüber bleibt bei der Sphärentheorie nicht nur die Legitimation der „Risikoverantwortlichkeit" des Gläubigers für „aus seiner Sphäre stammende" Schäden im Unklaren, vielmehr ist auch die „Risikotragung" des Schuldners für die aus „neutraler Sphäre" stammende Zerstörung des Leistungssubstrats nicht plausibel begründbar. (4) Die fehlende Fundierung der „Sphärentheorie" zeitigt ihre Folgen in der Unbrauchbarkeit der von ihr hervorgebrachten Entscheidungskriterien, insbesondere der Kategorie der „neutralen Sphäre". Erklärtermaßen soll es darauf ankommen, woher die Ursache des Schadens stammt, unbeachtlich sei hingegen, wo sich der Schaden auswirkt. In Wahrheit lässt sich jedoch angesichts der Vielzahl der möglichen Ursachen kaum eine wirklich sortierende Unterscheidung treffen. Schon in den Schiffsfällen Beuthiens mag man lange darüber nachsinnen, ob nun die Sturmflut oder aber das freischwimmende respektive sinkende Schiff selbst die Ursache dafür ist, dass es nicht mehr freigeschleppt werden kann. Wäre das Schiff etwa schwerer gewesen und wäre es daher nicht von alleine freigekommen, hätte man es stabiler gebaut und wäre es daher nicht zerbrochen und gesunken, so wäre jeweils auch die Leistung möglich geblieben. Auch das Substrat mit allen seinen Eigenschaften ist also immer gemeinsam mit den Umwelteinflüssen ursächlich für die Unmöglichkeit der an diesem Substrat zu erbringenden Leistung. Die Leistungsstörung setzt in diesen Fällen also immer eine Anfälligkeit, eine Art Verletzlichkeit des Substrats voraus. Ununterscheidbar gehen hintereinander und nebeneinander stehende Ursachen ineinander über. Ohne Willkür hätte daher etwa auch im Teneriffareise-Fall 754 nicht entschieden werden können, ob das Risiko von der vierjährigen Tochter stammte, die an einer Bronchitis erkrankt war und deshalb nicht gegen Pocken geimpft werden und daher nicht nach Teneriffa reisen konnte 755 . Rührte nicht auch hier das Risiko vielmehr aus „neutraler Sphäre", indem das Kind als das Opfer einer von Dritten übertragenen Virusinfektion erscheinen muss? Noch weniger stammte aus ihrer Sphäre die in Deutschland seinerzeit grassierende Pockenepidemie oder gar die Anordnung der spanischen Behörden, dass zur Einreise eine Pockenschutzimpfung erforderlich ist. Indem jedes Leistungssubstrat also notwendigerweise Eigenschaften haben muss, die es für den Eintritt eines zur Unmöglichkeit der an ihm zu erbringenden Leistung führenden „Unglücks" anfällig machten, lässt sich das Substrat selbst nicht mehr von einer dahinter stehenden Ursache aus angeblich „neutraler Sphäre" 754 BGHZ 60, S. 14 ff.; s. oben u. 1. a) (1). 755 Beuthien, Zweckerreichung, S. 84, rechnet Krankheit offenbar generell der „Sphäre" des Gläubigers zu. 15 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

unterscheiden. Angesichts der quälenden Frage, ob die das Kind befallende Krankheit oder das von der Krankheit befallene Kind die Ursache für die Unmöglichkeit der Reiseleistung ist, gibt es daher nur eine Folgerung: Allein die Tatsache, dass das Schicksal diese Person getroffen hat, taugt als maßgeblicher Wertungsgesichtspunkt. (5) Die Verfehltheit von Geltungsgrund und Kriterien der Sphärentheorie wird schließlich dadurch bestätigt, dass bei Beuthien unter der Hand ganz andere Wertungen zum Vorschein kommen, die sich als die für den Autor eigentlich maßgeblichen Gesichtspunkte entpuppen. Ebenso wie der BGH im Teneriffareise-Fall die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 Satz 1 B G B 7 5 6 mit der „Doppelschadens-Theorie" zu legitimieren versuchte, argumentiert auch Beuthien - freilich nun bezogen auf die §§ 323, 324 BGB a.F. - es solle der Gläubiger nicht „zu seinem Sachschaden (Verlust des Schiffes) dem Schuldner noch die jetzt nutzlosen Aufwendungen erstatten". Der Gläubiger werde sonst „auf diese Weise doppelt getroffen". Er habe die Leistungsstörung weder zu vertreten noch stehe er der Entgeltsgefahr „deshalb näher, weil der die Schuldnerleistung vereitelnde Zufall gerade bei ihm und nicht beim Schuldner zugeschlagen hat" 7 5 7 . Es ist also auch bei Beuthien wiederum der Gedanke der Billigkeit, der „ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit", der das Urteil letztlich bestimmen soll. Kann schon der Gedanke der Belastung des Gläubigers durch einen „doppelten" Schaden auch nicht annähernd die Gefahrtragung des Schuldners begründen, da der Schaden am Substrat mit dem Schuldverhältnis nichts zu tun hat, so muss sich Beuthiens Lehre umso mehr in den Fällen in Weitungswidersprüche verstricken, in denen dem Gläubiger trotz der Ungeeignetheit des Leistungssubstrats an diesem selbst kein Schaden entstanden ist. Genau diese Konstellation begegnet uns in derjenigen Variante des Schiffsschleppfalls, in der der Dampfer durch eine Sturmflut „von alleine" wieder fahrtüchtig wird. Vollends jetzt widerstrebt aber selbst das Rechtsempfinden Beuthiens einer Gefahrtragung des Schuldners für aus „neutraler Sphäre" stammende Schäden und er gönnt dem Schuldner daher nun immerhin in Form eines Anspruchs auf Ersatz seiner Aufwendungen eine „Risikobeteiligung" des Gläubigers. (6) Plausibel und praktikabel erscheint es demgegenüber, schlichtweg danach zu fragen, in welcher „Sphäre" sich der Zufall niedergeschlagen hat und wer demnach mangels anderweitiger Zurechnungskriterien - wie etwa einem Verschulden oder einer ObliegenheitsVerletzung - wohl oder übel den Schaden selbst tragen muss. Ist bei den Schiffsschleppfällen die Unmöglichkeit der Leistung allein dadurch eingetreten, dass das vom Gläubiger zu stellende Leistungssubstrat untergeht oder „von alleine" freikommt, so können die Folgen eines derartigen Zufalls, der den Bereich des Gläubigers betrifft, nicht auf den Schuldner abgewälzt werden. Ist der „Mangel des Stoffs" die conditio sine qua non für die Unmöglichkeit der Leistung, 756 BGHZ 60, S. 14, 20 f. 757 Beuthien, Zweckerreichung, S. 110.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

227

so ist der Zufall kein Umstand, der die Vertragspartner gleichmäßig trifft und dessen Folgen nach einer „billigen" Schadens- oder Gewinnverteilung aufzuspalten wären. Die durch den Vertragsschluss getätigte Investition des Gläubigers erweist sich als für ihn sinnlos, ganz ebenso, wie wenn die Sturmflut mit ihren rettenden oder vernichtenden Folgen erst kurz nach dem Freischleppen eingesetzt hätte. Denn misslingt ein - sei es auch vertraglich geschuldeter - Erfolg, so ist dieses Scheitern immer dann allein vom Gläubiger zu tragen, wenn es bei einer wertenden Betrachtung als gerade „sein Schicksal" erscheint, das sich nur durch eine weitere kausale Beziehung in Form der Unmöglichkeit der Leistung mittelbar auch beim Schuldner auswirkt. Nur in dieser Hinsicht könnte maßgeblich darauf abgestellt werden, aus welchem Bereich oder aus welcher „Sphäre" die Ursache für die Unmöglichkeit „stammt": Schon dann, wenn sich das vom Gläubiger zu stellende Leistungssubstrat als für die Leistung ungeeignet erweist, „stammt" die Ursache der Unmöglichkeit aus der „Sphäre" des Gläubigers und gerade nicht aus derjenigen des Dienstnehmers oder Werkunternehmers. Der Gläubiger ist insofern „näher dran", die Gefahr zu tragen. Die wirklich „billige" und der „Vertragsgerechtigkeit" entsprechende Lösung der Fälle der Zweckerreichung und Zweckvereitelung ergibt sich somit aus Prinzip der Substratsgefahrtragung.

5. Das Prinzip casum sentit dominus als Grenze der Gefahrtragung des Schuldners bei Nutzungsstörungen a) Es hat sich gezeigt, dass die Lehre von der Substratsgefahrtragung für die Fälle der Zweckvereitelung im Werkvertrags-, Arbeits- und Dienstvertragsrecht ein trennscharfes Abgrenzungsmerkmal bereitstellt: Hat sich der Zufall in dem Leistungssubstrat des Gläubigers niedergeschlagen und ist die Leistung hierdurch unmöglich geworden, so sind nach §§ 323 Abs. 1, 649 BGB a.F. oder §§ 323 Abs. 1, 615 BGB a.F. bzw. nach §§ 326 Abs. 1 Satz 1, 649 BGB n.F. oder §§ 326 Abs. 1 Satz 1, 615 BGB n.F. zwar die vom Schuldner ersparten Aufwendungen sowie ein anderweitiger Erwerb anzurechnen, jedoch ist die Gegenleistung im übrigen in voller Höhe geschuldet. Obwohl die Lehre von der Substratsgefahrtragung für die Fälle der Unmöglichkeit des - sog. primären - Leistungszwecks entwickelt wurde, kann sie auch für die Fälle der Störung des Verwendungszwecks nutzbar gemacht werden. Denn hinter dieser Lehre steht als allgemeiner Gedanke das in das Leistungsstörungsrecht erweiterte Urprinzip casum sentit dominus, das für sämtliche Vertragstypen unabhängig davon gilt, ob sich die Störung in einem Leistungssubstrat oder sonst in der Sphäre des Gläubigers niedergeschlagen hat. Nach diesem Prinzip muss derjenige, den das Schicksal trifft, den es durch Zufall und Unglück schädigt, dessen Folgen grundsätzlich auch selbst tragen. Nur 15*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

dann, wenn die Schädigung einer anderen Person zuzurechnen ist, wird es dem Geschädigten erlaubt, den Schaden auf diese - und nur auf diese - Person abzuwälzen 758 . Im Verhältnis zu allen anderen Personen verbleiben die Zufallsfolgen hingegen gerade dort, wo sie sich niedergeschlagen haben. Denn es gibt dann keine Rechtfertigung, eine andere als die unmittelbar betroffene Person mit diesen Einbußen zu belasten. Bei diesem Entscheidungskriterium geht es mithin darum, die Folgen von Zufall oder Unglück dort zu erfassen, wo sie sich physisch niederschlagen, wo kurz also das Schicksal „einschlägt". Entscheidend ist folglich auch nicht etwa die Ursache des ohnehin nicht zu steuernden Unglücks, sondern die Tatsache, dass es die Person oder die Sache des einen oder des anderen Vertragspartners trifft. Es wird damit auf spontan nachvollziehbare Weise dem Grundjudiz Rechnung getragen, dass Zufalls- und Unglücksschäden mangels Zurechenbarkeit und damit Abwälzbarkeit wohl oder übel denjenigen treffen müssen, in dessen Person oder Vermögen sie sich als sein Schicksal ereignen 759. Das Prinzip casum sentit dominus beinhaltet also nicht etwa eine Anspruchsgrundlage zum Ersatz von Schäden. Vielmehr beschreibt dieser Satz die Rechtslage für den Fall, dass sich „höhere Gewalt", „vis maior", das „Schicksal" oder kurz der „Zufall" im Rechtssinne in dem Bereich einer Person niederschlägt und daher gerade kein Ersatzanspruch die Folgen eines Nachteils auf eine andere Person verlagert 760 . Erweitert man dieses Urprinzip in das Leistungsstörungsrecht, so erklärt sich zunächst die Wertung, die der - für die Unmöglichkeit der Leistung nahezu selbstverständlich anmutenden - Regelung des § 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. zugrunde liegt: Kann eine Vertragspartei die vertragliche Leistung nicht oder nicht so wie vereinbart erbringen, so verbleiben nach der casum-sentitdominus-Regel die Folgen dieses Schicksalsschlags bei demjenigen, in dessen Bereich sich der Zufall ausgewirkt hat. Vereitelt der Zufall die Sachleistung, so kann der Schuldner diese Einbuße nicht auf seinen Vertragspartner abwälzen, indem er dennoch die Gegenleistung erhält. Denn die Vereitelung der Sachleistung spielt sich in der Regel in der sozial erfassbaren Sphäre des Schuldners ab; der durch Zufall eingetretene Verlust seiner Leistungsfähigkeit ist daher auch von ihm selbst zu tragen. 758 Die Zurechnung kann hierbei auf einer vorwerfbaren Pflichtverletzung, aber auch auf der Verwirklichung eines Tatbestandes der vom Verschuldenserfordernis unabhängigen Gefährdungshaftung beruhen. 759 Picker, Gedächtnisschrift Hofmeister, S. 549, 589; s. auch Krückmann, AcP 131 (1929), S. 1, 70; Wacke, Festschrift für Hübner, S. 669, 670 f.; Wächter, AcP 15 (1832), S. 97 ff.; Holmes, Law, S. 94: „Reason demands that loss shall lie where it falls"; vgl. zum Satz „casum sentit dominus" als Grundlage einer Gefahrtragung nach der „Sphärentheorie" v. Schenck, Sphäre, S. 225; Hübner, Schadenszurechnung, S. 56 ff., 70; vgl. zur Haftungsbegründung durch den Satz „casum sentit dominus" auch Esser, Gefährdungshaftung, S. 32; Rother, Haftungsbeschränkung, S. 87; vgl. zur Bedeutung von „casum sentit dominus" im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB Soergel /Mertens, BGB, § 254 Rn. 2; Lorenz-Meyer, Haftungsstruktur, S. 104; Wilburg, Schadensrecht, S. 39. 760

Insofern zutreffend auch Nassauer, Sphärentheorien, S. 109, 239.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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Ist hingegen die Sachleistung nur deswegen unmöglich, weil das Leistungssubstrat des Gläubigers, an dem die Sachleistung zu erbringen gewesen wäre, untergeht oder sich als für die Erfüllung ungeeignet erweist, so müssen nach der casumsentit-dominus-Regel die Folgen dieses Zufallsereignisses vom Gläubiger zu tragen sein. Denn dann beruht die Leistungsunmöglichkeit gerade nicht auf einem Umstand, der sich unmittelbar in der Sphäre des Schuldners niedergeschlagen hätte. Vielmehr erscheint das Scheitern der Vertragserfüllung dann bei einer wertenden Betrachtung umgekehrt als ein „Schicksal" des Gläubigers, das sich nur mittels einer weiteren kausalen Beziehung mittelbar auf die Hauptleistung ausgewirkt hat. Der Schuldner ist hier durch den casus nicht als „dominus" seiner Leistung betroffen, sondern nur als mittelbares „Opfer" einer Kausalkette, die ihren Ursprung im Bereich des Gläubigers genommen hatte 761 . Diese Grenze der im Recht der Unmöglichkeit sowie der Sach- und Rechtsmängel verwirklichten prinzipiellen Pflicht des Schuldners, für die eigene Leistungsfähigkeit mit dem Anspruch auf die Gegenleistung einzustehen, findet für den Arbeits- und Dienstvertrag sowie den Werkvertrag ihren positiv-gesetzlichen Ausdruck in den §§ 615 Satz 1, 649 Satz 1 BGB. b) Der Begrenzung der Gefahrtragung des Sachleistungsschuldners kommt jedoch darüber hinaus allgemeine Geltung für sämtliche gegenseitigen Verträge zu. Denn es entspricht auch in Schuldverhältnissen, in denen die Leistung nicht an einem Leistungssubstrat zu erbringen ist, einem elementaren Gerechtigkeitspostulat, die Gegenleistungsgefahr allein demjenigen Vertragspartner zuzuweisen, in dessen Bereich sich der Zufall nun einmal zunächst und unmittelbar ausgewirkt hat. Hat sich das Schicksal gerade nicht gleichmäßig bei beiden Vertragspartnern niedergeschlagen, sondern sich erst durch eine ursächliche Beziehung von dem unmittelbar betroffenen Bereich des Gläubigers auf den Bereich des Schuldners ausgewirkt, so kommt auch keine Schadensteilung in Betracht. Mangels Zurechenund damit Abwälzbarkeit der Folgen von Unglück und Zufall verbleibt die Einbuße wohl oder übel bei demjenigen, den sie primär getroffen hat. Daher bleibt die Gegenleistung auch dann geschuldet, wenn die Leistung wegen einer dauernden Annahme- oder Mitwirkungsunmöglichkeit des Gläubigers nicht erbracht werden kann.

761

Diese entscheidende Kausalitätsbeziehung übersieht Nassauer, Sphärentheorien, S. 109 f., 239 f., bei seiner Kritik, nach der der Satz „casum sentit dominus" beispielsweise bei einer Betriebsstörung in seiner konsequenten Anwendung dazu führen soll, dass die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung als Nachteil der Arbeitnehmer bei diesen verbleibt, so dass die Arbeitnehmer bei Betriebsstörungen jeweils keinen Lohn erhalten würden. Angesichts solcher Rechtsfolgen ergebe sich, „daß der Satz ,casum sentit dominus' in keiner Form als allgemeines Gesetz der Gefahrtragungshaftung existiert und auch keine »Sphärentheorie' aus diesem Satz ableitbar ist". Nassauer widerlegt sich indessen selbst, indem er den maßgeblichen Gesichtspunkt benennt: „Erst infolge dieses Nachteils des Arbeitgebers können die Arbeitnehmer nicht arbeiten."

230

3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Erfasst man die Störung des vereinbarten und daher geschuldeten Verwendungszwecks mit der hier vertretenen Konzeption als Leistungsstörung, so muss diese Regel folglich auch für die Fälle gelten, in denen der geschuldete Verwendungszweck allein deswegen nicht erreichbar ist, weil sich das störende Ereignis zunächst und unmittelbar in der sozial erfassbaren Sphäre des Gläubigers niedergeschlagen hat. Denn ist die Nutzungsstörung dadurch eingetreten, dass sich das Schicksal in der Person, in dem Vermögen oder in dem Aufgabenkreis des Gläubigers niedergeschlagen hat, so beruht sie nicht auf einer hinter den vertraglichen Vereinbarungen zurückbleibenden Leistung des Schuldners. Die Regelung des § 537 Abs. 1 BGB entspricht eben diesem Prinzip: Ist der Mieter erkrankt und kann der Fensterplatz im Krönungszugfall daher von ihm nicht genutzt werden, so bleibt der Anspruch auf die Gegenleistung hiervon unberührt. Dasselbe muss aber auch gelten, wenn nicht der Mieter einer Konzerthalle selbst erkrankt, sondern die von ihm für die Veranstaltung des geplanten Konzerts engagierte Künstlerin. Denn es gehört zum Aufgabenbereich des Mieters als Veranstalter des Konzerts, für den Auftritt der Künstlerin Sorge zu tragen. § 537 Abs. 1 BGB ist hier daher ohne weiteres entsprechend anzuwenden. Schließlich hat nach dem Grundgedanken der in das Leistungsstörungsrecht erweiterten casum-sentit-dominus-Regel auch der Käufer von zukünftigem Bauland den Kaufpreis zu bezahlen, wenn ihm die Finanzierung des von ihm geplanten Bauvorhabens nicht gelingt. Auch hier gehört die Aufgabe der Finanzierung ebenso wie die übrigen Maßnahmen für die Organisation der Bebauung zum sozial erfassbaren Bereich des Käufers. Der Gläubiger erhält den Anspruch auf die Leistung einschließlich der vereinbarten Verwendbarkeit also gewissermaßen immer nur mit der normativen Einschränkung, dass es ihm nur „ermöglicht" wird, die vereinbarte Nutzung zu erzielen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, ob eine objektive Unmöglichkeit oder ein subjektives Unvermögen zur Nutzung vorliegt, wie der insofern möglicherweise missverständliche Ausdruck „Möglichkeit zur Nutzung" suggerieren könnte. Vielmehr trägt der Gläubiger auch bei objektiver Nutzungsunmöglichkeit, wenn also die Nutzung für jedermann unmöglich ist, das Risiko der Gegenleistung, sofern sich nur die Unmöglichkeit ursprünglich in seinem sozial erfassbaren Bereich ausgewirkt hat. Nach dem in § 324 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F., §§ 537 Abs. 1 Satz 2, 615 Satz 2, 649 Satz 2 BGB zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken soll der Schuldner in diesen Fällen jedoch nicht besser stehen, als er bei einer Erreichung des geschuldeten Verwendungszwecks gestanden wäre. Gegebenenfalls hat er daher im Wege der Vorteilsausgleichung etwaige ersparte Aufwendungen und durch anderweitige Verwertung der Leistung erworbene oder böswillig nicht erworbene Vorteile in Anrechnung zu bringen. Dies gilt freilich nur, soweit die Leistung - im Sinne des primären Leistungszwecks verstanden aufgrund der Störung des Verwendungszwecks nicht erfüllt wird.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

231

c) Die Geltung des Prinzips casum sentit dominus als Grenze der Gefahrtragung des Schuldners für Nutzungsstörungen scheint sich bei einem Blick zurück auf das Nutzungsrisiko im klassischen römischen Recht der Landpacht zu bestätigen, wie es uns möglicherweise modellhaft in dem Fragment D. 19, 2, 15 pr. überliefert worden ist 7 6 2 . Danach verbleiben die vitia ex ipsa re oriantur, also die „Schäden, die aus dem Geschäft des Pächters selbst entspringen", stets beim Pächter, selbst wenn sie den Verlust der gesamten Ernte bedeuten sollten. Entscheidend ist auch hier, ob der Bereich des Verpächters oder des Pächters durch das zufällige Ereignis betroffen ist, oder kurz, wo das „Schicksal" eingeschlagen hat. Als der Bereich des Pächters gilt sein „Geschäft" der Bewirtschaftung der Pachtsache. Der Gegenbegriff der vis, cui resisti non potest, bezeichnet somit diejenigen Beeinträchtigungen, denen der Pächter typischerweise keine Bewirtschaftungstätigkeit entgegensetzt. Insgesamt könnte sich so ein System der lückenlosen Zuordnung von Risiken für die Störungen ergeben, die die versprochene Nutzung der Pachtsache betreffen, ohne dass es der Figur einer „neutralen Sphäre" bedürfte. Der Bereich der „Bewirtschaftung" des Pächters umfasst zunächst all das, was er zum landwirtschaftlichen Betrieb typischerweise beiträgt, um den vertraglichen Verwendungszweck zu verwirklichen. Es handelt sich hierbei etwa um seine Arbeitskräfte, Arbeitsgeräte, Nutztiere oder sein Saatgut, insgesamt also modern ausgedrückt um sämtliche betriebliche Produktionsfaktoren unter Ausnahme desjenigen Faktors, der in der Leistung des Verpächters besteht. Können also durch Zufall die Faktoren Betriebsführung, Arbeitskräfte, sächliche Betriebsmittel oder Werkstoffe nicht optimal eingesetzt werden und misslingt hierdurch die Nutzung, so ist der Risikobereich des Pächters betroffen. Darüber hinaus kann die Nutzung aber auch trotz des ungestörten Einsatzes dieser Faktoren misslingen und dennoch der Bereich der Bewirtschaftung betroffen sein. Die Unterscheidung könnte daher danach vorzunehmen sein, ob es sich um Ereignisse handelt, auf die der Pächter typischerweise durch seine Bewirtschaftungstätigkeit Einfluss nimmt oder um solche Zufälle, die bereits ihrer Art nach seiner Einwirkung entzogen sind. Maßgeblich ist mithin nicht in erster Linie die Intensität des Unglücksfalles, sondern dessen Wesensart, die dafür bestimmend ist, ob die Nutzung von vornherein vereitelt ist oder die Nutzungstätigkeit selbst misslingt. So hat der Pächter auf Unglücksfälle wie Sturm, Hagel, Überschwemmung, Nachtfrost und ungewöhnliche Sonnenglut keinen Einfluss. Solche Ereignisse vereiteln die landwirtschaftliche Nutzung vielmehr von vornherein, so dass hier der Verpächter die Gefahr zu tragen hat. Hingegen beinhaltet die Bewirtschaftung eines Landguts typischerweise den Schutz der Aussaat vor Unkraut und Schädlingsbefall, indem diese mit den jeweils zeitgemäßen Mittel bekämpft werden. Scheitern die Maßnah762

s. oben u. Α. II. 1. c).

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

men des Pächters, so ist sein Bereich selbst dann betroffen, wenn dieselben Beeinträchtigungen eine solche Intensität erlangen, dass die Nutzung insgesamt misslingt. Auch ohne ein unsorgfältiges Wirtschaften hat er somit das Risiko für derartige Zufälle zu tragen, die den Erfolg seiner Tätigkeit vereiteln, indem er diesen Unglücksfällen allein deshalb machtlos gegenübersteht, weil diese in ihrer Intensität die Gegen Wirkungskapazitäten des Pächters übersteigen.

III. Die Konsequenzen einer Erfassung der Nutzungsstörung als Leistungsstörung 1. Die entsprechende Anwendung der Regeln über die Sachmängelhaftung Erfasst man den vereinbarten Verwendungszweck bei gegenseitigen Verträgen als geschuldeten Inhalt des Vertrags, so ergibt sich hieraus bei einer Störung der geschuldeten Nutzung die entsprechende Anwendbarkeit der Regeln des bürgerlich-rechtlichen Leistungsstörungsrechts. Neben den Regelungen des allgemeinen Schuldrechts in den §§ 320 ff. BGB kommen hierfür insbesondere die Bestimmungen des besonderen Schuldrechts zur Sachmängelhaftung in Betracht. Die Analogie zu der Haftung bei Sachmängeln hat den Vorteil, dass der Gläubiger seine Rechte gegebenenfalls flexibel geltend machen kann. Anders als bei der physischen Unmöglichkeit der Leistung, wie etwa der zufälligen Zerstörung der Sache beim Spezieskauf oder bei einer überobligatorischen Leistungserschwerung, besteht hier kein Anlass, die beiderseitigen Vertragspflichten per se hinfällig werden zu lassen763. Es gibt keinen Grund, etwa den Vermieter des Fensterplatzes im Krönungszugfall von seiner Pflicht zur Überlassung der Wohnung zu befreien, wenn der Krönungszug abgesagt wird 7 6 4 . Denn er wird hierdurch nicht gezwungen, mehr zu leisten als er vertraglich versprochen hat. Stattdessen sollte es dem Belieben des Schuldners anheim gegeben werden, ob es ihm als sinnvoll erscheint, von dem Fenster nur den gewöhnlichen Straßenverkehr zu beobachten. Es ist bei Leistungsstörungen eben immer maßgeblich, welches Element des Leistungsinhalts „unmöglich" geworden ist und ob der Schuldner dieses herbeizuführen hatte oder ob er für den Misserfolg nur im Sinne einer Haftung einzustehen hat. Trifft den Schuldner von vornherein gar keine Erfüllungspflicht hinsichtlich der geschuldeten Nutzung, so gibt es - ebenso wie beim Sachmangel - auch keinen Anlass, ihn von dieser Pflicht zu befreien. Umgekehrt können die übrigen Leistungspflichten, die noch als „möglich" anzusehen sind, selbstverständlich in Kraft bleiben 765 . Daher sollte man es wie im Sachmängelrecht in der Regel allein 7 63 So aber Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 499; Beuthien, Zweckerreichung, S. 164, 147, 212 f. 764 Ebenso Köhler, Unmöglichkeit, S. 105 ff.; 197 f.

Β. Die Nutzungsstörung als Leistungsstörung

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dem Gläubiger überlassen, ob er dennoch auf der Durchführung des Vertrags bestehen will, weil er nun vielleicht eine andere als die geschuldete Verwendung beabsichtigt. Es bieten sich daher für die Nutzungsstörungen weniger die „starren" Regelungen der §§ 275, 323 Abs. 1 BGB a.F. bzw. §§ 275, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. als vielmehr die für die einzelnen gesetzlichen Schuldvertragstypen geregelten Vorschriften über die Mängelhaftung hinsichtlich der Rechtsfolgen zur analogen Anwendung an. Dies bedeutet auch, dass die Gegenleistung ggf. teilweise zu mindern ist, wenn die geschuldete Nutzung nicht vollständig unmöglich, sondern nur teilweise beeinträchtigt ist. Die entsprechende Anwendung der Regeln über die Sachmängelhaftung hat ferner zur Folge, dass der „Übergang der Gefahr", also regelmäßig die Erfüllung 766 , eine zeitliche Grenze darstellt, bis zu der Einwirkungen der Umwelt auf die vereinbarte Nutzung eine Gefahrtragung des Schuldners auslösen können 767 . Schließlich können die jeweils maßgeblichen VerjährungsVorschriften entsprechend angewendet werden.

2. Der Abschied von den Lehren vom Umweltfehler und von der Lehre von der Geschäftsgrundlage für die Fälle der Nutzungsstörung Mit der Rückbesinnung auf die vertraglichen Vereinbarungen als maßgebliches Entscheidungskriterium bei Störungen des Verwendungszwecks und damit auf die Regeln des bürgerlich-rechtlichen Leistungsstörungsrechts scheint der „Mangel an Recht" behoben, den die Rechtsprechung und die herrschende Lehre veranlasst hat, die Begriffe des Umweltfehlers und der Geschäftsgrundlage aus Taufe zu heben. Es musste also gar nicht neu erfunden werden, was das geltende Recht in Wahrheit schon bereitstellt. Folgt man der hier vertretenen Konzeption, so wäre für die Fallgruppe der Störung des Verwendungszwecks daher der Abschied von diesen Rechtsfiguren geboten. Dabei ist jedoch zu betonen und im Folgenden noch zu zeigen, dass sich bei der konkreten Anwendung gegenüber den Lehren vom Umweltfehler und von der Geschäftsgrundlage im Ergebnis kaum Unterschiede ergeben. Dies sollte auch nicht verwundern, wollen doch auch sämtliche Verfechter dieser Figuren die vertragli765 Es gibt auch entgegen Esser, Schuldrecht, § 85/1, S. 375, und Fikentscher, Schuldrecht, § 39 V I 4, keinen Grundsatz, dass nur „sinnvolle" Verpflichtungen einzuhalten wären, denn es gibt gerade keinen objektiven Maßstab, an dem ein „Sinn" einer Leistung gemessen werden könnte. 7 66 Die Ausnahmen etwa der §§ 446,447 Abs. 1 BGB sind selbstverständlich zu beachten. 7 7 * Ebenso Flume, Rechtsgeschäft, § 26/6 b), S. 520, Ulmer, AcP 174 (1974), S. 167, 186; anders Köhler, Unmöglichkeit, S. 182, nach dem der „Gefahrübergang kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Risikoverlagerung" sein kann, da sich Umweltveränderungen außerhalb des „Einfluß- und Risikobereichs beider Parteien" vollziehen.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

chen Vereinbarungen so weit wie möglich berücksichtigen. Vorliegend geht es daher auch allein darum, den eigentlichen Wertungsgesichtspunkt aufzudecken, der das Judiz sonst eher unbewusst bestimmt haben mag. Mit dem Äquivalenzgedanken ist möglicherweise ein Gesichtspunkt benannt, der dogmatisch begründbar macht, weshalb die Gegenleistungspflicht in bestimmten Fällen der Störung des Verwendungszwecks entfallen muss. Vor allem geht es aber auch darum, ein präziseres Merkmal zu finden, mit dem die unbeachtlichen Beweggründe von dem beachtlichen Vertragsinhalt abgegrenzt werden können. Ob das Kriterium des „wertbildenden Verwendungszwecks" dies leisten kann, soll im Folgenden an Hand konkreter Fallgestaltungen überprüft werden.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung I. Die Nutzungsstörung bei der Miete und der Pacht 1. Die Krönungszugfälle a) Für den auf der Entscheidung Krell v. Henry 768 aus dem Jahr 1903 beruhenden paradigmatischen Schulfall von der Vermietung eines Fensterplatzes mit Aussicht auf einen geplanten Krönungszug wurde bereits oben gezeigt, dass die Betrachtung des Krönungszugs die vereinbarte und daher geschuldete Nutzung des vermieteten Fensterplatzes ist 7 6 9 . Als vereinbart ist nach dem von uns vorgeschlagenen Auslegungskriterium derjenige Verwendungszweck anzusehen, auf dem bei weitender Betrachtung der zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Preis einer Leistung beruht. Da der Fensterplatz ohne den geplanten Umzug bei objektiver Betrachtung wertlos gewesen und nicht - auch nicht zu einem anderen Verwendungszweck - vermietet worden wäre, ist seine Betrachtung als die wertbildende und damit vereinbarte Nutzung anzuerkennen. Bei einem Ausfall des Krönungszugs muss daher - wie es auch das Londoner Gericht nach englischem Recht entschieden hatte - der Mietzins entsprechend § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entrichtet werden 770 . b) Hingegen befand ein englisches Gericht in einem anderen Krönungszugfall, nämlich dem Fall Herne Bay Steamboat ν. Hutton 771 zu Recht, dass der Mietzins 768 [1903] 2 K.B. 740; s. hierzu Treitel, Unmöglichkeit, S. 95 ff. 769 s. oben u. 3. Kap. Β. I. 3. b). 770 Im Ergebnis einhellige Meinung, so insbesondere Flume, Rechtsgeschäft, § 26/3, S. 498 f.: Vereinbarung der Überlassung des Fensterplatzes zur Besichtigung des Krönungszugs und daher Unmöglichkeit der Leistung; Beuthien, Zweckerreichung, S. 170: Umweltfehler; Köhler, Unmöglichkeit, S. 165: Prinzip der Risikonutznießung; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 63: Mangel des Mietobjekts; Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 247: Vertragsinhalt; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 160: „doch mehr als bloß GG".

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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in vollem Umfang geschuldet ist: Ein Dampfer war bei Spithead für den 28. Juni 1902 gemietet worden „for the purpose of viewing the naval review, and for a day's cruise round the fleet; also on Sunday, June 29 th for a similar purpose". Der Mieter beabsichtigte, eine Dampferrundfahrt zur Betrachtung der anlässlich der Krönung Edwards VII. geplanten naval review durchzuführen und die Sitzplätze Zuschauern gegen Entgelt zu überlassen. Durch die Erkrankung des Königs wurde die Flottenparade jedoch abgesagt und die geplante Rundfahrt verlor ihre maßgebliche Attraktion. Das Gericht entschied, dass der Dampfer zwar für eine Besichtigungsfahrt gemietet, jedoch der Vertrag durch den Ausfall nur einer der Attraktionen nicht aufgelöst worden sei. Daher sei die Parade „merely the motive or inducement to one party" gewesen. Leider ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich, ob der Mietzins für den Dampfer wegen der Flottenparade außergewöhnlich hoch bemessen worden war. War dies nicht der Fall, so ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Reederei ihre Schiffe sicherlich auch an anderen Tagen gegen ein entsprechendes Entgelt vermietete und damit auch ohne Flottenparade vergleichbare Rundfahrten ermöglichte. Dies spricht dafür, dass das vereinbarte Entgelt für die Überlassung des Dampfers nicht auf dem Verwendungszweck der Betrachtung der naval review beruhte, vielmehr war der Dampfer auch ohne sie sein Geld wert. Zwar hätte der konkrete Mieter den Vertrag ohne die Krönungsfeierlichkeit sicherlich nicht geschlossen, jedoch kommt es hierauf nicht entscheidend an. Vielmehr ist maßgeblich, dass die Nutzung des Dampfers ohne die Feierlichkeit im Verkehr denselben Wert gehabt hätte. Als objektiv wertbildende Nutzung konnte daher nur allgemein der Gebrauch des Schiffs zu Rundfahrten als solche anerkannt werden. In diesem Sinne war mangels besonderer Abreden auch der konkrete Vertrag zu verstehen. Die Nutzung anlässlich der Flottenparade war dann nur ein unbeachtlicher Beweggrund des Mieters, jedoch nicht Inhalt des Vertrags, so dass die Absage des Ereignisses die vertragliche Äquivalenz nicht beeinträchtigte und eine Befreiung von der Gegenleistungspflicht nicht in Betracht kam 7 7 2 .

2. Die Tanzlokalfälle Das Reichsgericht hatte sich bereits im Rahmen sog. Tanzlokalfälle aus der Zeit des ersten Weltkriegs mit der Problematik der Störung des Verwendungszwecks auseinandergesetzt. a) In dem in der Entscheidung RGZ 89, S. 203 ff., geschilderten Fall waren im Januar 1914 in Hamburg-Altona gelegene Räume, in denen bis dahin die Tanzwirtschaft „Palais de danse" betrieben wurde, nebst Wirtschaftsinventar „zum Betrieb 771 [1903] 2 K.B. 683; s. hierzu Treitel, Unmöglichkeit, S. 100 f. 772 im Ergebnis ebenso Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 75 f.; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 63; Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 247 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

eines Ballhauses" verpachtet worden. Aus § 1 des Vertrags ergab sich, dass die verpachteten Räume die Eigenschaften einer Tanzwirtschaft hatten. Der Pächter konnte den Betrieb als Tanzgaststätte jedoch nicht aufrechterhalten, da im November 1914 die Veranstaltung öffentlicher Tänze in Altona infolge des Kriegsausbruchs untersagt wurde. Das RG beurteilte den durch das Tanzverbot geschaffenen Zustand als einen Fehler der Pachtsache im Sinne von § 537 BGB a.F., sah aber zugleich auch eine unverschuldete nachträgliche Unmöglichkeit als gegeben an 7 7 3 . Ein ganz ähnlicher Sachverhalt lag der Entscheidung RGZ 87, S. 277 ff., zugrunde. Hier war Gegenstand eines im Mai 1913 geschlossenen Pachtvertrags ein in Berlin-Halensee gelegenes „Restaurations-Etablissement Kaiser-Wilhelm-Garten" nebst Inventar, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts „baulich und hinsichtlich der sonstigen erforderlichen Ausstattung im wesentlichen schon derartig eingerichtet war", dass der Betrieb einer Gastwirtschaft in ihnen beginnen konnte. Das in den Räumen betriebene Geschäft hatte nicht nur während der Pachtzeit, sondern „auch während der fast dreißigjährigen Zeit der Benutzung der Räume vor dem Vertragsschluß ausschließlich oder doch vorwiegend auf dem Tanzbetriebe beruht. Dieser war die eigentliche Einnahmequelle gewesen; die Räume seien überhaupt nur an den Tanztagen geöffnet gewesen, und außer Montags und Freitags sei an allen Tagen, also fünfmal wöchentlich getanzt worden". Infolge des Krieges wurde auch in Großberlin einschließlich Halensee ab August 1914 die Veranstaltung öffentlicher Tänze polizeilich untersagt, so dass das Etablissement seine gewinnbringende Attraktion verlor. Das Reichsgericht hielt den Minderungsanspruch des Pächters für gerechtfertigt, da der Tanzbetrieb die eigentliche Quelle des Erwerbs aus der Gastwirtschaft zur Zeit des Vertragsschlusses gebildet hatte 774 . Das Reichsgericht stellte in diesen Entscheidungen mithin jeweils auf die vertraglichen Vereinbarungen ab und entnahm die Rechtsfolgen der von ihm bejahten Leistungsstörungen den Gewährleistungsregeln. Die Lehre vom Umweltfehler, die das Reichsgericht in der Venusbergentscheidung aus dem Jahr 1939 entwickelte, 773 RGZ 89, S. 203, 205. 774 RGZ 87, S. 277, 279. Ähnlich gelagert ist auch die „Nachtlokal-Entscheidung" RGZ 88, S. 96 ff.: „ . . . bestand der vertragsmäßige Gebrauch (§ 542 BGB) in der Benutzung als Nachtwirtschaft." Dem entsprechen auch die Entscheidungen RG, Recht 1919, Nr. 2103 (der Mieter mietet Reklameflächen; das Anbringen von Reklame wird jedoch von der Behörde nicht gestattet); RG JW 1913, S. 596 (eine Fabrikanlage wird für eine bestimmte Fabrikation gemietet; die Fabrikation wird jedoch verboten); OLG Celle, LZ 1915, Sp. 1041 (vor Ausbruch des ersten Weltkriegs mietete der Schuldner für die Badesaison ein Haus auf einer Nordseeinsel, um es an Badegäste unterzuvermieten; jedoch wurde mit Kriegsausbruch der Aufenthalt auf der Insel verboten und der Badebetrieb eingestellt) und RGZ 91, S. 54 f. (derselbe Anlass führte dazu, dass ein auf der Insel Borkum gemieteter Laden seine Kundschaft verlor). Anders hingegen RGZ 79, S. 92 f: hier mietete der Mieter Büroräume, um darin ein Stellenvermittlungsbüro zu eröffnen; es stellte sich jedoch heraus, dass die beabsichtigte Tätigkeit gesetzlich verboten ist. Hier waren wohl nur Büroräume als solche vermietet worden, da die Eigenart der Räume nicht gerade die Nutzung als Stellenvermittlungsbüro nahe legte.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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und die Lehre von der Geschäftsgrundlage, die nach der Veröffentlichung der Arbeiten Oertmanns im Jahr 1921 ihren Siegeszug antrat, spielten hier noch keine Rolle. b) Die Frage nach der wertbildenden Nutzung der Tanzlokale hätte in diesen Entscheidungen den maßgeblichen Gesichtspunkt dafür bilden können, ob das behördliche Tanzverbot zu einer Gewährleistung der Verpächter führt. Entscheidend wäre gewesen, ob die Höhe der vereinbarten Pachtzinsen nach den Vorstellungen der Vertragsparteien gerade auf der Nutzung der verpachteten Räume „als Tanzlokal" beruhte. Hierfür hätte das Gericht feststellen müssen, ob die Gegenleistung auch bei einem bereits vor dem Vertragsschluss bestehenden Tanzverbot in derselben Höhe vereinbart worden wäre. Für die Vereinbarung des Tanzbetriebs als vertraglich geschuldete Nutzung der Lokale spricht im ersten Fall bereits die ausdrückliche Erwähnung im Vertrag, dass die Räume „zum Betrieb eines Ballhauses" verpachtet werden und dass das Lokal die Bezeichnung „Palais de danse" trug. Von herausragender Bedeutung dürfte jedoch zum einen gewesen sein, dass die Räume, die nach Inventar und Baulichkeit - näheres ergibt sich aus dem Tatbestand der Entscheidung leider nicht - den Charakter einer „Tanzwirtschaft" hatten, und zum anderen, dass das „Palais de danse" beim Publikum gerade als Tanzlokal bekannt war. Im zweiten Fall war es maßgeblich, dass der Betrieb des „Kaiser-Wilhelm-Gartens" bereits dreißig Jahre vor dem Vertragsschluss ausschließlich oder doch vorwiegend auf dem Tanzbetrieb beruht hatte und das Lokal daher ebenfalls ein entsprechendes Renommée bei seinen Gästen erworben haben dürfte. In beiden Fällen ist daher davon auszugehen, dass Umsatz und Gewinn der Betriebe ausschließlich oder zumindest vorwiegend von den Tanzveranstaltungen abhängig waren. Diese Umstände sprechen wiederum dafür, dass jeweils die Höhe der vereinbarten Pachtzinsen bei wertender Betrachtung gerade auf der Nutzung der Lokale „als Tanzlokale" beruhte. Es handelte sich eben nicht nur um gewöhnliche Lokale, sondern um Betriebe, deren Ertrag bzw. Ertragswert auf das Engste mit dem Tanz verknüpft war. Ohne Erlaubnis zum Tanzen waren die Lokale weitgehend in ihrem Wert gemindert, sie wären daher sicherlich nicht zu demselben Preis zu verpachten gewesen. Da mithin die Nutzung der Pachtsache „als Tanzlokal" jeweils für die Höhe der Gegenleistung maßgeblich gewesen sein muss, ist auch im Rahmen der Auslegung des Geschäfts anzunehmen, dass diese Nutzung vertraglich vereinbart und daher als inhaltlicher Bestandteil der Leistung des Verpächters geschuldet war. Der Äquivalenzgedanke verlangt dann, dass die durch das Tanzverbot hervorgerufene Beeinträchtigung Auswirkungen auf die Gegenleistungspflicht hat. Soweit ein Gaststättenbetrieb auch ohne die Tanzveranstaltungen in eingeschränktem Umfang möglich blieb, hätte die Nutzungsstörung jedoch keine gänzliche Befreiung von der Entrichtung der Pachtzinsen bewirkt, vielmehr wären sie entsprechend § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich (erheblich) zu mindern gewesen.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

3. Der Benzintankanlagenfall a) Besonders instruktiv ist auch der vom Reichsgericht im Jahr 1919 entschiedene Benzintankanlagenfall 775. Gegenstand des Mietvertrags bildete hier eine Tankanlage, die „so beschaffen und so besonders eingerichtet" war, „daß sie nur zu einer ganz bestimmten Art der Verwendung, der Aufnahme von Benzin und vielleicht von ähnlichen Stoffen, geeignet war". „Infolge der behördlichen Beschlagnahme und der Veräußerungsverbote sowie infolge des Verschwindens des Benzins aus dem Handel" konnte der Mieter während des Krieges von der Anlage jedoch keinen Gebrauch machen. Das RG sah es „als gerechtfertigt" an, „den Anspruch auf den Zins für diese Anlage fortfallen zu lassen", da sich „ohne weiteres" erhelle, dass nur die Verwendung zur Aufnahme von Benzin „als die nach dem Inhalte des Vertrags vorausgesetzte und gewollte angesehen werden kann". Der Vermieter, der „in dem mit Rücksicht auf diese besondere Einrichtung bemessenen Mietpreise auch die Vergütung gerade für die Überlassung der Sache zu dem bestimmten Gebrauch " erhalte, verliere „den Anspruch auf diese Vergütung, wenn der bestimmungsmäßige Gebrauch überhaupt, nicht nur gerade für die Person des Mieters, unmöglich wird". Es folge dies „aus dem Wesen des gegenseitigen Vertrags, auf dem sowohl § 323 wie § 537 BGB. beruhen, deren sinngemäße Anwendung hier gerechtfertigt" sei. Denn - so das RG in später nicht wiedergewonnener Klarheit - es gestalte sich „nach der besonderen Art des Vertragsverhältnisses ... die Möglichkeit der Verwendung der Sache zu dem bestimmten Gebrauche zu einem Teile der dem Vermieter obliegenden Leistung im Sinne des § 323; der Wegfall dieser Möglichkeit" behafte „die Sache zwar nicht unmittelbar mit einem Fehler im Sinne des § 537," erzeuge „aber eine diesem gleiche Wirkung, daß die Sache zu dem vertragsmäßigen Gebrauche nicht mehr tauglich erscheint" 776 . b) Den ebenso knappen wie prägnanten Ausführungen des RG ist kaum etwas hinzuzufügen, gehen sie doch ohne Bedenken über die Unterscheidung zwischen „primären" Leistungszwecken und weiteren Verwendungszwecken mit der treffenden Begründung hinweg, dass der Mietpreis mit Rücksicht auf die besondere Verwendbarkeit der Anlage zum Tanken von Benzin bemessen wurde und der Vermieter die Vergütung daher gerade für die Überlassung der Sache zu diesem bestimmten Gebrauch erhalten sollte. Das RG anerkannte damit nicht nur, dass die Verwendung der Tankanlage zur Aufnahme von Benzin zum Inhalt des Vertrags gehört, sondern insbesondere auch, dass die Vergütung im vertraglichen Synallagma zu diesem Verwendungszweck steht. Die Aufnahme von Benzin war der nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendungszweck der vermieteten Tankanlage, weil die Mietsache ohne diese Gebrauchsmöglichkeit objektiv wertlos und nicht vermietbar gewesen wäre. Sie stellte die wertbildende und damit stillschweigend vereinbarte 775 RGZ 94, S. 267 f. 776 RGZ 94, S. 267, 268, Hervorheb. nicht i. O.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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Nutzung dar, deren Unmöglichkeit entsprechend § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB (jetzt: § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB) den Mieter von der Entrichtung des Mietzinses befreite.

4. Die Wettbewerbsverbotsfälle a) Auch in Fällen, in denen der Verwendungszweck von vermieteten Ladenlokalen durch Wettbewerber gestört wurde, hat die Rechtsprechung den Aspekt der vertraglich geschuldeten Nutzung herangezogen. Lehrreich ist ein im Jahr 1928 vom Reichsgericht entschiedener Fall, in dem am Essener Bahnhofsvorplatz ein Ladenlokal mit der Verpflichtung der Eigentümerin vermietet wurde, kein weiteres Zigarrengeschäft in demselben Gebäude zu dulden 777 . Das betreffende Grundstück wurde später von der Stadt Essen erworben, die damit in das Mietverhältnis eintrat. Die Stadt vermietete sodann ein von ihr auf dem Platz in unmittelbarer Nähe der Eingangstür des vermieteten Ladens errichtetes Verkaufshäuschen an eine Gesellschaft mit der Berechtigung, Zigarrenhandel zu betreiben. Der Mieter verlangte Schadensersatz und Minderung, da sein Laden durch das Häuschen fast vollständig verdeckt und ihm durch den darin betriebenen Zigarrenhandel empfindliche Konkurrenz bereitet werde. Das Reichsgericht bejahte die Anwendbarkeit der §§ 537, 538 BGB a.F. (jetzt: § 536 BGB) und damit die Vertragsverletzung durch die Stadt als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vermieterin, da die „zweckentsprechende Verwertung des Ladens als Verkaufsraum" es erfordere, „daß er von dem sich auf der Straße bewegenden Publikum ohne Mühe gesehen werden kann und dadurch Käufer für die feilgebotenen Waren anzulocken vermag". Gehöre es „zum Inhalt des Mietvertrags," dass der Kläger „im Laden ... Zigarrenhandel treiben ... darf, so wird die vertragsmäßige Benutzung des Raumes gefährdet, wenn in so unmittelbarer Nähe, wie das Häuschen aufgestellt ist, Zigarren von einem anderen feilgeboten werden" 7 7 8 . Da sich das Vermietungsverbot nur auf das Gebäude selbst und nicht auf Vermietungen an Wettbewerber außerhalb des Gebäudes, sei es auch in seiner unmittelbaren Nähe bezog, lag keine Verletzung des vertraglichen Exklusivitätsrechts vor. Weil die vermieteten Räume auch selbst frei von Mängeln waren, kam es darauf an, ob die Vermietung des Verkaufshäuschens eine Störung des vereinbarten Verwendungszwecks darstellte. Für die Vereinbarung des Betriebs eines Zigarrengeschäfts als geschuldete Nutzung könnte zwar sprechen, dass es der Vermieterin vertraglich verboten war, ein weiteres Zigarrengeschäft in demselben Gebäude zu dulden. Da in den vermieteten Räumen sicherlich auch andere Waren als Zigarren verkauft werden konnten, ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Höhe des vereinbarten Mietzinses gerade auf der Nutzung als Zigarrengeschäft beruhte. Hieran 777 RGZ 119, S. 353 ff. 778 RGZ 119, S. 353, 355 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

ändert sich selbst dann nichts, wenn der Mietzins auch mit Rücksicht auf die Exklusivitätsvereinbarung bemessen wurde. Denn auch als Gemüseladen wäre das Ladenlokal objektiv sein Geld wert gewesen, so dass wohl im wesentlichen lediglich die Nutzung als Einzelhandelsgeschäft allgemein für die Höhe der Gegenleistung maßgeblich gewesen sein dürfte. Daher ist bereits zu bezweifeln, dass die Nutzung speziell als Zigarrengeschäft vertraglich vereinbart und damit von der Stadt geschuldet war. Doch selbst wenn der Verwendungszweck des Betriebs eines Zigarrengeschäfts als vereinbart anzusehen war, konnte eine Minderung des Mietzinses wegen einer verstärkten Konkurrenz nicht in Betracht kommen. Wie auch sonst liegt sogar eine erdrückende Verschärfung der Wettbewerbssituation bei der Geschäftsraummiete grundsätzlich im Risikobereich des Mieters, da die Positionierung im Markt das ureigenste Geschäft des Mieters ist und daher in seiner sozial erfassbaren Sphäre liegt. Störungen des Verwendungszwecks, die sich unmittelbar in dieser Sphäre niederschlagen, können keine Auswirkungen auf die vertragliche Äquivalenz haben. Der Wettbewerb des neuen Kiosks als solcher stellte daher keine Nutzungsstörung dar, auch wenn die Stadt ihn sogar noch selbst gefördert hatte. Eine Nutzungsstörung konnte daher allenfalls insofern bejaht werden, als der Laden - unabhängig von der Art der darin vertriebenen Waren - durch das neue Verkaufshäuschen fast vollständig verdeckt worden ist. Denn zur Nutzung eines Verkaufsraums gehört es in der Tat, dass er von der Kundschaft überhaupt gesehen werden kann. Da die Stadt die Störung selbst zu vertreten hatte, konnte daher allenfalls mit dieser Begründung die entsprechende Anwendung der §§ 537 Abs. 1 Satz 1, 538 Abs. 1 BGB a.F. gerechtfertigt werden. b) In RGZ 131, S. 274 ff., entschied das Reichsgericht entgegengesetzt. Nach dem Sachverhalt war ein kleiner Laden vermietet worden, in dem der Mieter ein Juweliergeschäft betrieb. Später vermietete die Vermieterin einen weiteren Geschäftsraum, der von dem Laden des Mieters durch zwei andere Läden getrennt war, an einen zweiten Juwelier. Das RG verneinte einen Anspruch des Mieters auf Unterlassung der Aufnahme des weiteren Juweliergeschäfts, denn „nur aus dem besonderen Vertragszweck, den die Nennung im Schriftvertrag, die Einrichtung der Räume (so ζ. B. bei Schankwirtschaften) oder ein anderer Umstand klarstellen mag" könne „eine Pflicht folgen, dem Geschäftsmieter fühlbaren Wettbewerb fernzuhalten, ... insoweit als der Vermieter dazu imstande" ist 7 7 9 . Auch in diesem Fall hatte der Vermieter zwar den Verwendungszweck des Mieters gestört, jedoch handelte es sich auch hier nicht um die vereinbarte und damit geschuldete Nutzung des Ladenlokals. Der Geschäftsraum war als solcher vermietet, nicht gerade als Juweliergeschäft, da die Höhe des Mietzinses sicherlich nicht mit Rücksicht auf die Nutzung des Ladens speziell als Juweliergeschäft, sondern nur allgemein als Einzelhandelsgeschäft bemessen worden war. Bei objektiver Be779

RGZ 131, S. 274, 275

f.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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trachtung waren die Räume ihr Geld wert, gleichgültig, welche Waren darin verkauft werden sollten. Das RG hatte daher eine Nutzungsstörung zu Recht verneint.

5. Die Einkaufszentrumfälle a) In einem im Jahr 1988 vom OLG Koblenz entschiedenen Fall war ein Ladenlokal zur Einrichtung eines Kosmetikinstituts auf die feste Dauer von zehn Jahren vermietet worden 780 . Der Laden befand sich in einem neu zu errichtenden überdachten Einkaufszentrum mit 32 Geschäftslokalen, das eine Palette verschiedenster Einzelhandelsbetriebe umfassen sollte. Tatsächlich wurde jedoch nur in 14 oder 15 Ladenlokalen der Geschäftsbetrieb aufgenommen und es war „auch bei vorsichtiger Prognose zuverlässig abzusehen, daß der Klägerin die Vollvermietung der Ladenpassage nicht gelingen werde". Da der allgemeine Kundenzustrom ausblieb, erwirtschaftete die Beklagte in den Monaten ihrer Geschäftstätigkeit noch nicht einmal die Mietkosten und kündigte daher den Mietvertrag fristlos. Die Klägerin bestand hingegen auf der weiteren Bezahlung des Mietzinses. Das OLG Koblenz sah die „Funktion der Ladenpassage als eines Branchenvielfalt und allgemeinen Kundenzustrom repräsentierenden Einkaufszentrums" als Geschäftsgrundlage an und erachtete wegen deren „Nichteintritts" „die Fortsetzung des Mietvertrages" als „schlechthin unzumutbar". Es habe sich „nicht um den üblichen Fall der Ladenanmietung", sondern um ein Objekt gehandelt, „von dessen noch nicht erwiesener Funktionsfähigkeit als Einkaufszentrum die kaufmännische Betreibbarkeit des Ladens wesentlich abhing". Der Mieter sei hier „nicht nur auf seinen eigenen kaufmännischen Weitblick, sondern gleichermaßen auf das angewiesen, was ihm der Vermieter zur Attraktivität des Zentrums an die Hand gibt-781.

b) Der Bundesgerichtshof hat in zwei ähnlichen, einander parallelen Fällen entgegengesetzt entschieden782. Auch hier waren Ladenlokale zum Betrieb von Fachgeschäften für Wäsche und Dessous bzw. für Spielwaren und Kindermoden in einem projektierten Einkaufszentrum zunächst für die Dauer von zehn Jahren unter Vorlage von Grundrisszeichnungen und eines Standortprospekts vermietet worden. Die Mietverträge enthielten unter anderem nähere Regelungen über die Nutzung 780 OLG Koblenz, NJW-RR 1989, S. 400 ff. 781 OLG Koblenz, NJW-RR 1989, S. 400,401. 782 BGH NJW 2000, S. 1714 ff.; BGH NJW-RR 2000, S. 1535; s. hierzu Waas, ZMR 2001, S. 493 ff., sowie die Urteilsanmerkungen von Emde, EWiR 2001, S. 157, 158; Leo, MDR 2000, S. 824 f.; Eckert, EWiR 2000, S. 469 f.; Wellensiek, BR 2000, S. 396; Emmerich, JuS 2000, S. 918 f.; Emmerich, L M BGB § 537 Nr. 51 (10/2000); Seifert, NJ 2001, S. 200; Lammel, L M BGB § 242 (Bb) Nr. 175 (1 /2001); ähnliche Fälle behandeln auch die Entscheidungen BGH NJW 1981, S. 2405 f., und OLG Düsseldorf, BB 1991, S. 159 f., jeweils unter Verneinung sowohl einer Mängelhaftung als auch eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage; s. auch OLG München, BB 1996, S. 1243 f.; OLG Naumburg, NZM 1998, S. 373 f. 1 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

der Mieträume, die Betriebspflicht, die Ladenöffnungszeiten und die Verpflichtung des Mieters, einer zu gründenden Werbegemeinschaft anzugehören, sowie über die Aufgaben des Vermieters, unter anderem hinsichtlich der „Organisation eines objektbezogenen Center-Managements", wodurch „die Voraussetzungen und Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg des Objekts geschaffen werden" sollten. Es wurden in dem Einkaufszentrum dann jedoch nur 50 % der Läden auf zwei Dritteln der Gesamtfläche vermietet. Die Mieter beanstandeten, dass Zusagen über eine günstige Erreichbarkeit des Einkaufszentrums von der Innenstadt, das Vorhandensein einer erheblichen Anzahl von Parkplätzen und die Vollvermietung nicht eingehalten wurden und sie daher in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien. Der BGH verneinte (entgegen der Vorinstanz der ersten Entscheidung) jeweils das Vorliegen eines Sachmangels, da die beanstandeten Umstände nicht zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Ladenlokals zu dem vereinbarten Zweck geführt haben. Ebenso wenig sei die Vollvermietung des Einkaufszentrums eine zusicherungsfähige Eigenschaft, da sie - mangels eines notwendigen Bezugs zur Beschaffenheit des Mietobjekts - keinen Umstand darstelle, der dem Mietobjekt - auf Dauer - als „Eigenschaft" anhafte 783. Die Mieter waren aber nach Ansicht des BGH (entgegen der Vorinstanz der zweiten Entscheidung) jeweils auch nicht wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt, sich von ihren vertraglich eingegangenen Verpflichtungen zu lösen. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage sei grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der beiden Parteien fallen sollen. Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trage grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehöre bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Diese im Gewerberaummietrecht angelegte Risikoverteilung ändere sich nicht dadurch, dass das vermietete Geschäft in einem Einkaufszentrum liegt und nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter erwartet, die notwendige geschäftsbelebende Funktion des Einkaufszentrums werde verwirklicht werden können. Eine vertragliche Änderung dieser Risikoverteilung und Vereinbarung, dass der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters - ganz oder zum Teil - übernimmt, sei nicht erfolgt 784 . c) Auch in diesen Fällen waren die vermieteten Räume nicht mangelhaft, sondern „nur" ihre Nutzung als Kosmetiksalon bzw. Einzelhandelsgeschäfte dadurch gestört, dass die Kundschaft wegen der mangelnden Attraktivität des Einkaufszentrums und mit ihr auch der Umsatz und der Ertrag weitgehend ausblieb. Die Entscheidung des OLG Koblenz verdient lediglich in Teilen der Begründung sowie im Ergebnis Zustimmung, da sie zu Unrecht auf die Lehre von der Geschäftsgrundlage gestützt worden war. Die wirklich maßgeblichen Wertungen und Entschei783 BGH NJW 2000, S. 1714, 1715 f. 784 BGH NJW 2000, S. 1714, 1716 f.; BGH NJW-RR 2000, S. 1535, 1536.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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dungskriterien mussten daher im Dunkel bleiben. Die Entscheidungen des BGH verkennen grundsätzlich die Bedeutung der Gesamtkonzeption eines Einkaufszentrums für den vertraglichen Nutzungsweit der vermieteten Ladenlokale. Richtigerweise ist in den genannten Fällen der Äquivalenzgedanke zu berücksichtigen. Maßgeblich ist jeweils, ob die beiderseitigen Leistungspflichten trotz des Leerstands der anderen Läden und der weiteren Beeinträchtigungen des Einkaufszentrums sich noch in einem angemessenen Verhältnis zueinander befinden. Entscheidend ist daher, ob der Betrieb eines Ladens in einem voll vermieteten Einkaufszentrum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen, also ein vom Vermieter geschuldeter Verwendungszweck war. War also nur die Nutzung des Ladens als solche geschuldet, so kam eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrags nicht in Betracht. Dass die Nutzung in einem voll vermieteten Einkaufszentrum geschuldet war, wäre insbesondere dann anzunehmen gewesen, wenn der Wert der Nutzung des Ladens nach den Vorstellungen der Vertragsparteien auf der Vollvermietung beruhte und ohne die Völlvermietung zumindest erheblich reduziert ist. Ist bei objektiver Betrachtung auszuschließen, dass ein solcher Mietvertrag im Falle der Kenntnis von den dauernden Leerständen gar nicht geschlossen oder jedenfalls der Mietzins nicht annähernd in derselben Höhe vereinbart worden wäre, so hätte das Ausbleiben der Vollvermietung das Recht zur Minderung des Mietzinses und zur fristlosen Kündigung des Vertrags zur Folge haben müssen. Nach den ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen sollte jeweils ein Ladenlokal in einem Einkaufszentrum überlassen werden. Das Ladenlokal erlangte also gerade dadurch einen besonderen Wert, dass es in die Gesamtkonzeption eines Einkaufszentrums eingebunden war, das durch eine annähernd vollständige Vermietung sämtlicher Geschäftslokale diese Bezeichnung auch verdient. Demgegenüber ist ein Laden in einem wirtschaftlich „toten" Einkaufszentrum für die wenigen dort verbliebenen Einzelhändler und sonstigen Gewerbetreibenden objektiv weitgehend nutzlos und damit wertlos, da die Kundschaft solche Zentren üblicherweise sogar eher meidet. Auch aus dem dauernden Leerstand der übrigen Ladenlokale ergibt sich, dass derartige Geschäftsräume nicht oder nur mit ganz erheblichen Abschlägen beim Mietzins vermietbar sind. Es ist daher anzunehmen, dass es sich bei der Vollvermietung des Zentrums nach dem Vertrag um den maßgeblichen wertbildenden Umstand für die Nutzung der Mietsache handeln sollte. Es war daher nicht nur die Nutzung der überlassenen Räume als Laden schlechthin, sondern speziell ihre Nutzung als Laden in einer Einkaufspassage vereinbart und vom Vermieter geschuldet. Die Nutzungsstörung folgt somit nicht etwa aus dem ausbleibenden Umsatz des Kosmetikinstituts bzw. der Einzelhandelsgeschäfte als solchem, sondern aus dem Umstand, dass der geschäftliche Misserfolg auf dem Leerstand des Einkaufszentrums beruhte und die annähernde Vollvermietung als Voraussetzung für den Wert der Mietsache vom Vermieter geschuldet war. Während der Verwendungszweck der Erzielung eines Ertrags grundsätzlich im Risiko1*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

bereich des Mieters eines Geschäftsraums liegt, 785 verhält es sich grundsätzlich anders, wenn die Nutzung in einem Einkaufszentrum vertraglich vereinbart ist, bei hohen Leerständen jedoch von einem existierenden Einkaufszentrum nicht die Rede sein kann. Der Mietzins konnte daher entsprechend § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. gemindert werden 786 . Da auch ein Sachmangel eine „Vorenthaltung des vertragsmäßigen Gebrauchs" darstellen kann 7 8 7 und die Behinderung des Gebrauchs wohl erheblich war, kam daneben eine fristlose Kündigung entsprechend § 542 BGB a.F. in Betracht.

6. Der Marika-Rökk-Fall a) In dem vom OLG Bremen im Jahre 1952 entschiedenen Marika-Rökk-Fall 788 hatte ein Konzertveranstalter eine Sporthalle für zwei Tage „zum Zwecke der Aufführung des Gastspiels ,Zwei Stunden für Dich 4 " gegen einen Mietzins in Höhe von 15 Prozent der Bruttoeinnahmen, mindestens jedoch DM 1.500 gemietet. Das Gastspiel konnte jedoch infolge einer Verletzung, die sich Frau Rökk in Bad P. zugezogen hatte, nicht durchgeführt werden. Das OLG nahm an, dass nach dem Inhalt und Zweck des Vertrags die Durchführung des Gastspiels der Frau Marika Rökk „Vertragsinhalt" geworden sei und die Mieterin von der Zahlung des Mietzinses frei werde, „wenn von keiner Partei zu vertretende Umstände den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache unmöglich machen, § 323 Abs. 1 BGB". b) Abgesehen von der ausdrücklichen Erwähnung des Verwendungszwecks im Text des Mietvertrags sprach jedoch in diesem Fall nichts dafür, dass die Vertrags7 85 Nach allgemeiner Meinung gehört die Verwirklichung der Erwartung, in gemieteten Räumen als Unternehmer Gewinne zu erzielen und nicht etwa Verluste zu machen, grundsätzlich zum Risikobereich des Mieters. Deshalb könne auch der Umstand, dass der Mieter auf dem Mietgrundstück wirtschaftlichen Erfolg haben werde, nicht Gegenstand der nach § 242 BGB rechtlich zu beachtenden Geschäftsgrundlage sein. Vgl. aus der Rechtsprechung etwa BGH, W M 1964, S. 1025; BGH, NJW 1977, S. 2262; BGH, W M 1987, S. 322; BGH, W M 1987, S. 1008; BGH, NJW 1978, S. 2390; BGH, NJW 1981, S. 2405; OLG Düsseldorf, BB 1991, S. 159 f.; OLG München, ZMR 1995, S. 295; OLG München, ZMR 1996, S. 135; OLG München, ZMR 1996, S. 256; OLG Celle, NJW-RR 1996, S. 1099; weitere Nachweise bei Bub/Treier/Bub, Handbuch, II Rn. 636 f., S. 321 f.; s. insbesondere die Entscheidung BGH NJW 1982, S. 2062 f., nach der der Verpächter bei einem Kiesabbauvertrag - vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Regelung - zwar für das Vorhandensein von Kies einzustehen hat, nicht aber dafür, dass sich der Abbau für den Pächter wirtschaftlich lohnt. 786 Das OLG Koblenz hatte hingegen angenommen, ein Fehler i. S. des § 537 BGB bestehe nur, „wenn die tatsächlichen Umstände oder rechtlichen Verhältnisse die Tauglichkeit der Mietsache unmittelbar beeinträchtigen"; s. zu diesem Erfordernis BGH NJW 1971, S. 424, 425; BGH NJW 1981, S. 2405. 787 Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 542 Rn. 5. 788 OLG Bremen, NJW 1953, S. 1393 f.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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Parteien das Gastspiel von Marika Rökk als geschuldete Nutzung der Sporthalle vereinbart hätten. Die Erwähnung der Veranstaltung im Vertragstext stellte indessen nur klar, dass die Halle für diesen Zweck nach ihrer Beschaffenheit geeignet sein musste. Auch die Beteiligung der Vermieterin am Umsatz konnte nicht ausschlaggebend sein. Denn solange man nicht die Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks und damit einen Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 705 ff. BGB annimmt, bleibt es dabei, dass selbst bei einem partiarischen Mietvertrag die Nutzung ein Zweck allein des Mieters ist 7 8 9 . Der Konzertveranstalter hatte die Räume zwar für die beabsichtigte Musikdarbietung gemietet. Insbesondere die Beschaffenheit der Halle legte jedoch keine Nutzung gerade für eine Show-Veranstaltung und schon gar nicht gerade für ein Gastspiel einer bestimmten Künstlerin nahe. Vielmehr kann eine Sporthalle zu vielfältigen Zwecken gemietet werden. Der Wert der Sporthalle beruhte bei objektiv-wertender Betrachtung nicht gerade auf ihrer Verwendbarkeit für das Gastspiel von Marika Rökk, so dass auch der Mietzins sicherlich nicht danach bemessen wurde. Der Vermieter stellte eben nicht eine „Marika-Rökk-Halle", sondern eine Mehrzweckhalle zur Verfügung. Geschuldet und damit Inhalt der Leistung war damit allein die Möglichkeit zur Veranstaltung irgendeines Ereignisses, sei es nun ein Sportwettkampf, ein Parteitag oder eben eine Musikdarbietung. Mangels einer Nutzungsstörung war daher zwar nicht die Umsatzbeteiligung, jedoch die Mindestvergütung von DM 1.500 zu entrichten 790 . Aber selbst wenn man mit dem OLG Bremen annehmen würde, dass das Gastspiel von Marika Rökk „Vertragsinhalt" und die geschuldete Nutzung der Sporthalle war, ergibt sich dennoch die fortbestehende Zahlungspflicht des Mieters aus einer zumindest entsprechenden Anwendung des § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn als in der Person des Mieters liegende Gründe sind sämtliche Schicksalsschläge anzusehen, die sich unmittelbar und primär in der sozial erfassbaren Sphäre des Mieters niederschlagen. Hier war es das eigene „Geschäft" und der eigene Aufgabenbereich des Mieters, für die Mitwirkung der darbietenden Künstler und seines sonstigen Personals Sorge zu tragen 791 . Scheitert dieses Geschäft des Mieters, so kann dies - abgesehen von dem Vorteilsausgleich gemäß § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB - keine Auswirkung auf das Vertragsverhältnis mit dem Vermieter haben. Entgegen der Ansicht des OLG Bremen kommt es für § 537 Abs. 1 BGB (früher: § 552 Satz 1 BGB) auch nicht darauf an, ob eine objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Nutzung vorliegt, ob also auch ein gedachter Dritter durch die Erkrankung von Marika Rökk an der Ausübung des Gebrauchs der Sporthalle ge789 Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 512 f.; anders Larenz, Schuldrecht I, § 21 II, S. 327. 790 Ebenso Flume, Rechtsgeschäft, § 26/5 b), S. 512; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 63; kritisch auch Kraft, NJW 1953, S. 1751 f.; Donau, NJW 1954, S. 177; Willoweit, JuS 1988, S. 833, 839; Bub/Treier, Handbuch, I I Rn. 630; S. 317. 791 s. hierzu bereits oben u. 3. Kap. Β. II. 5. b).

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

hindert gewesen wäre 792 . Denn es gibt keinen rechtfertigenden Grund, dem Vermieter das Risiko für Zufälle aufzuerlegen, die sich im „Bereich" des Mieters niedergeschlagen haben. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Zufälle handelt, die hypothetisch jeden Mieter getroffen hätten.

7. Der Hotelpachtfall a) In dem vom BGH entschiedenen Hotelpachtfall 793 war ein Strandhotel in Juist ab dem Jahr 1965 für 20 Jahre „zum Betrieb eines Kur- und Erholungsheims" überlassen worden. Der Verpächter hatte sich verpflichtet, vor Beginn des Pachtbetriebs die Zimmer zur Seeseite und die Restaurationsräume mit einer Heizung auszustatten, den Außenanstrich des Gebäudes zu erneuern und laufend den Anstrich der Fassade und den der Fenster sowie das Dach in Ordnung zu halten. Hingegen war der Pächterin das Recht eingeräumt, bauliche Veränderungen auf ihre Kosten durchzuführen, „wie sie den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Pächterin entsprechen". Im Jahr 1974 machte die Pächterin eine Reduzierung des Pachtzinses sowie weitere Modernisierungsmaßnahmen im Heizungs- und Sanitärbereich geltend. Die Pächterin begründete ihr Verlangen mit dem Hinweis, dass in den vergangenen Jahren wegen der mangelhaften sanitären Ausstattung des Hauses kostendeckende Preise nicht zu erzielen gewesen seien, infolgedessen sie mittlerweile DM 800.000 Verlust erlitten habe. Der BGH schloss zwar aus der vertraglichen Abrede über den Verwendungszweck, dass die Räume für den Betrieb eines Kur- und Erholungsheims „nach ihrer baulichen Beschaffenheit, ihrer Einrichtung und Ausstattung in der Weise geeignet sein mußten, daß ein darin betriebenes Unternehmen wirtschaftliche Früchte abwirft". Das Gericht versagte aber dennoch die Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage und nahm an, dass nach dem Pachtvertrag die Verpächterpflicht, das Hotel während der Vertragsdauer in einem zur sinnvollen Nutzung geeigneten baulichen Zustand zu erhalten, durch die vereinbarten Renovierungsleistungen erfüllt sein sollte. Das weitere Investitionsrisiko, dass sich daraus ergab, dass Hotelgäste im Laufe der Vertragsdauer höhere Ansprüche an den Komfort stellen und durch Zentralheizung beheizbare Zimmer mit Bad / WC oder Dusche / WC verlangen, sei durch die vertragliche Bestimmung, dass die Pächterin bauliche Veränderungen entsprechend ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen auf eigene Kosten durchführen kann, der Pächterin auferlegt worden 794 . b) In dem vom BGH entschiedenen Hotelpachtfall ging es in erster Linie nicht um die Störung des Verwendungszwecks, sondern um die Beschaffenheit der Pachtsache und damit um das Vorliegen eines Sachmangels. Auch für die vertrag792 OLG Bremen, NJW 1953, S. 1393,1394. 793 BGH NJW 1978, S. 2390 ff. 794 BGH, NJW 1978, S. 2390, 2391.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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liehe Soll-Beschaffenheit der Pachtsache kann die vertragliche Soll-Nutzbarkeit jedoch maßgebliche Bedeutung erlangen, da die geschuldeten Eigenschaften einer Sache durch ihre vereinbarte Verwendbarkeit bestimmt werden. So kommt es schon nach dem Wortlaut des §§ 536 Abs. 1 Satz 1, 581 Abs. 2 BGB auf den „vertragsgemäßen Gebrauch" der verpachteten Sache an 7 9 5 . Da es sich bei der Pachtsache um ein Strandhotel in Juist handelte, lag es nahe anzunehmen, dass die Verpachtung als solche und auch die Höhe des Pachtzinses nach den Vorstellungen der Vertragsparteien auf der Verwendbarkeit des Gebäudes für den Betrieb eines Hotels bzw. Kur- und Erholungsheims beruhte. Die Verwendung zu diesem Zweck konnte also durchaus als die vereinbarte und damit geschuldete Nutzung angesehen werden. Folglich musste sich auch die geschuldete bauliche Beschaffenheit, die Einrichtung und Ausstattung nach diesem Verwendungszweck bemessen. Ändern sich die Ansprüche der Gäste an die Ausstattung während der Laufzeit des Pachtvertrags und ist die vertragliche Nutzung der Pachtsache dadurch bei wertender Betrachtung erheblich gestört, so kann dies eine entsprechende Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit zur Folge haben. Voraussetzung ist jedoch, dass die fehlende Rentabilität des Betriebs nicht auf Ursachen beruht, die sich in der sozial erfassbaren Sphäre des Pächters unmittelbar und primär niedergeschlagen haben. Zu dieser Sphäre des Pächters gehört aber auch der ihm nach dem Vertrag zugewiesene Aufgabenbereich. In dem entschiedenen Fall bestand die Besonderheit, dass die Verpflichtungen zur Instandhaltung und Renovierung im Pachtvertrag detailliert geregelt waren. Nach der Auslegung der Vereinbarungen durch den BGH waren Modernisierungsmaßnahmen über die von dem Verpächter übernommenen Arbeiten hinaus gerade der Pächterin auferlegt worden. Die Unterlassung der Renovierungen konnte daher keinen Sachmangel begründen. Die Pächterin hatte daher auch das Verwendungsrisiko jedenfalls insoweit zu tragen, als der Hotelbetrieb durch gesteigerte Ansprüche der Gäste an den Komfort unrentabel geworden und sie der ihr zugewiesenen „Aufgabe" der Modernisierung der Zimmer nicht nachgekommen war 7 9 6 .

795 s. hierzu oben u. 3. Kap. Β. I. 4. c) (1). 796 Dem Hotelpachtfall ganz ähnlich ist auch der „Wohnheimfall" BGH NJW-RR 1991, S. 267 f., in dem ein bisheriges gewerbliches Wohnheim zum zukünftigen Betrieb als „Wohnheim und Pension" mit der Maßgabe untervermietet wurde, dass der Untermieter die Genehmigung des Eigentümers beschafft, die für die Änderung der Nutzung erforderlich war. Die Verweigerung der Zustimmung des Eigentümers in den Betrieb als „Wohnheim und Pension" ließ nach Ansicht des BGH den Anspruch des Mieters auf den Mietzins gemäß § 552 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 537 Abs. 1 BGB) unberührt. Habe der Untermieter vertraglich ein bestimmtes Risiko übernommen, so gehe es zu seinen Lasten, wenn sich das Risiko dahin verwirklicht, dass er an einem dem vertraglich festgelegten Verwendungszweck entsprechenden Gebrauch der Mietsache gehindert wird.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

II. Die Nutzungsstörung beim Kauf 1. Der Kauf von Bauerwartungsland a) In den Fällen des Kaufs von sog. Bauerwartungsland geht es um Grundstücke, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach den maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen nicht bebaubar sind, die Vertragsparteien jedoch ihre zukünftige Bebaubarkeit bei Vertragschluss erwartet hatten. Die Störung des Verwendungszwecks tritt in diesen Konstellationen jeweils dadurch ein, dass ein erwarteter Bebauungsplan nicht wirksam oder schlicht die behördliche Genehmigung zur geplanten Bebauung versagt wird. Nach der Rechtsprechung des BGH soll zwar die - sich nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften bemessende - Bebaubarkeit eines Grundstücks Gegenstand einer vertraglichen Beschaffenheitsangabe i.S. des § 459 Abs. 1 BGB a.F. sein können 797 . So wurde etwa in der Entscheidung BGHZ 117, S. 159 ff., für maßgeblich erachtet, ob das Grundstück „als Bauplatz" verkauft wurde und deshalb der Kaufpreis demjenigen für Bauland entsprach 798. Dies soll jedoch nur insoweit gelten, als „es sich um eine Eigenschaft handelt, die nach dem Vertragsinhalt bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden sein sollte". Denn „nur für solche Eigenschaften" könne „sinnvollerweise eine rasche Aufklärung etwaiger Fehler und eine kurzfristige Abwicklung des Vertragsverhältnisses (vgl. § 477 BGB) gewollt sein". Bei dem endgültigen Ausbleiben der vereinbarten künftigen Bebaubarkeit könne es sich daher nicht mehr um eine Beschaffenheit handeln 799 . Es könnten in diesen Fällen allenfalls die Regeln über das Fehlen und den Fortbestand der Geschäftsgrundlage anwendbar sein, für die dann die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. zur Anwendung gelange 800 . Nach einem Urteil des BGH aus dem Jahr 1976 801 soll es daher für den Kaufpreisanspruch bei einer Unbebaubarkeit des verkauften Bauerwartungslands darauf ankommen, ob „sich ausnahmsweise der Geschäftswille beider Parteien auf dem Motiv der einen aufbaut" und der „Käufer dadurch das Risiko, ob er den - sachmängelfrei gelieferten - Kaufgegenstand wie beabsichtigt verwenden kann, nicht selbst zu tragen hat". Trotz dieses Ausgangspunkts legten die Richter des V. Senats jedoch bei der Prüfung der genannten Voraussetzungen dieselben Kriterien an, wie sie es bei der Prüfung des Vorliegens einer Beschaffenheitsangabe getan hätten: Da der „Makler dem Kläger das Grundstück als Land angeboten" habe, „das in Kürze 797 s. etwa BGHZ 117, S. 159, 162, m. w. Nachw. 798 BGHZ 117, S. 159, 164. 799 So auch Soergel/Huber, BGB, § 459 Rn. 23, 227. eoo BGH JZ 1977, S. 177; BGHZ 117, S. 159, 163; so auch Johlen, NJW 1979, S. 1531, 1533; Emmerich, JuS 1979, S. 902 ff.; Staudinger/J. Schmidt, BGB, § 242 Rn. 1310; Miersch, JuS 2001, S. 1083, 1086 f. soi BGH JZ 1977, S. 177 f.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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bebaut werden könne" und „der Vertragstext selbst ... einen ,in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplan4 sowie die Absicht des Klägers, ,ein Bauvorhaben im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu errichten'" erwähnt habe, lägen „besondere Umstände vor, die ausnahmsweise eine solche Würdigung" zuließen 802 . Auch in der Entscheidung BGHZ 74, S. 370 ff., beurteilte das höchste deutsche Zivilgericht einen Kauf von Bauerwartungsland danach, ob „Einigkeit erzielt worden ist, daß das Grundstück zum Zwecke der Bebauung gekauft werde und die Auflassung daher" einer baurechtlichen Genehmigung bedurfte 803 . Die Richter konstatierten somit eine Risikotragung des Verkäufers aufgrund einer Abrede über die geschuldete Verwendbarkeit der Kaufsache. Es kam ihnen daher in Wahrheit gar nicht auf das in den Gründen zuvor aufgestellte Erfordernis an, ob „im Wege ergänzender Vertragsauslegung" eine „Vertragslücke" dahingehend „zu schließen" ist, „daß die Vertragsparteien irrtümlich geglaubt hätten, das Risiko künftiger Bebaubarkeit lückenlos zu Lasten des Verkäufers geregelt zu haben". b) Obwohl es bei der gegenwärtigen Bebaubarkeit um eine Leistungsstörung, bei der zukünftigen Bebaubarkeit aber angeblich um eine bloße Störung des weiteren, vom Vertrag nicht erfassten Verwendungszwecks gehen soll, beurteilt der BGH also beide Fälle, die gegenwärtige und die zukünftige Bebaubarkeit im Ergebnis einheitlich nach dem - zutreffenden - Maßstab des Inhalts des Kaufvertrags. Diese zunächst überraschend erscheinende Übereinstimmung wird jedoch zur Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass es sich bei beiden Konstellationen in Wahrheit um eine Störung des Verwendungszwecks handelt. Denn das Bestehen öffentlich-rechtlicher Bestimmungen ist keine „Eigenschaft" der Sache selbst. Beurteilt man diese Fälle sodann einheitlich unter dem Aspekt, ob sich aus den Vertragsvereinbarungen und den in Erscheinung getretenen Umständen das Versprechen des Verkäufers ergibt, ein Grundstück zu leisten, das in allernächster Zeit bebaut werden kann, so erweist sich das baurechtliche Verbot gegebenenfalls in beiden Fällen als eine Störung der vereinbarten und daher geschuldeten Nutzung. Für die Auslegung des Vertrags hinsichtlich der vereinbarten Nutzung sind dann diejenigen Umstände maßgeblich, auf die auch der BGH in der Entscheidung BGHZ 117, S. 159 ff., abgestellt hatte: die Höhe des Kaufpreises im Verhältnis zu den auf dem Markt erzielbaren Preisen für bebaubare bzw. unbebaubare Grundstücke sowie die gemeinsame Vorstellung der Vertragsparteien, dass das Grundstück in näherer Zukunft bebaut werden kann. Regelmäßig ist es eben auch beim Kauf von Bauerwartungsland nahezu allein der Verwendungszweck der Bebauung, der den Wert und damit den Preis für ein Grundstücks ausmacht. Es sollte daher in dieser Fallgruppe die Unterscheidung zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Bebaubarkeit und damit zwischen der Sachmängelhaftung auf802 BGH, JZ 1977, S. 177 f. 803 BGHZ 74, S. 370, 377.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

grund eines sog. Umweltfehlers und den Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage aufgegeben und die Unbebaubarkeit der Grundstücke einheitlich als Nutzungsstörung erfasst werden, wenn das Land „als Bauland" verkauft worden ist. Hingegen kann es kaum überzeugen, die Differenzierung allein mit den im Gefolge anwendbaren Verjährungsbestimmungen des § 477 BGB a.F. bzw. § 195 BGB a.F. zu rechtfertigen. Wendet man auf beide Fälle einheitlich die Regeln über die Sachmängelhaftung entsprechend an, so erscheint die einjährige bzw. zweijährige Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F. keineswegs als ein unangemessen kurzer Zeitraum für die Feststellung, ob das Grundstück bebaubar ist. c) Für die Prüfung, ob eine bauliche Nutzung versprochen worden ist, der Käufer seine Gegenleistung also gerade für die Bebaubarkeit des Grundstücks versprochen hat, kommt es nach alldem wiederum darauf an, ob der vereinbarte Preis für das Grundstück auf seiner angenommenen bzw. erwarteten Bebaubarkeit beruht. Hierfür sind - wie immer bei der Auslegung von Verträgen - die den Parteien bei Vertragsschluss in Erscheinung getretenen Umstände, insbesondere die baurechtliche Lage sowie die örtlichen Marktpreise für unbebaubare und bebaubare Grundstücke zu beachten. Gegen die Vereinbarung der Bebauung des Grundstücks als geschuldete Nutzung spricht zunächst regelmäßig, dass es in den problematischen Konstellationen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an einem Bebauungsplan fehlt. Dies gilt auch dann, wenn den Parteierklärungen zu entnehmen ist, dass es sich um Bauerwartungsland handeln soll. Denn eine erwartete Bebaubarkeit ist eben noch keine sicher feststehende Bebaubarkeit. Auch bei entsprechenden Erwartungen der Vertragsparteien kann daher unter Umständen auch lediglich vereinbart sein, dass die nicht ganz fernliegende, aber immerhin ungewisse Chance zur Bebauung besteht. Zu Recht stellte der BGH fest, der Käufer habe beim Kauf von Bauerwartungsland grundsätzlich das Risiko der Verwendbarkeit zu tragen, da „ein solches Geschäft typischerweise ein Element der Unsicherheit einschließt, weil in aller Regel gerade nicht feststeht, ob und gegebenenfalls wann das Grundstück bebaubar werden wird" 8 0 4 . Eine andere rechtliche Beurteilung ist jedoch geboten, wenn das vertraglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis auf die Bebaubarkeit ausgerichtet ist. Entspricht der vereinbarte Preis dem örtlichen Marktpreis für bebaubare Grundstücke, so ist kaum anzunehmen, dass der Käufer lediglich eine nur ungewisse Chance auf die bauliche Verwendung erhalten sollte. Die Vertragsparteien haben dann für ihr Vertragsverhältnis verbindlich vereinbart, dass es sich bei dem Kaufgrundstück trotz der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden öffentlich-rechtlichen Unbebaubarkeit um Bauland - eben um zukünftiges Bauland - handeln soll. In einem solchen 804 BGHZ 74, S. 370, 374, mit w. Nachw.; wortgleich OLG Rostock NJW-RR 1995, S. 1104, 1105; s. auch BGHZ 101, S. 143, 151 f., hinsichtlich der Bestellung eines Erbbaurechts.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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Fall ist die Nutzung der Bebauung vereinbart und geschuldet, so dass der Verkäufer hierfür einzustehen hat, wenn sich die Bebaubarkeit nicht bis zum Ablauf der Verjährungsfrist ergibt. Umgekehrt wird ein verhältnismäßig „niedriger" Kaufpreis in derartigen Fällen regelmäßig entscheidend gegen eine derartige NutzungsVereinbarung sprechen. Die Auslegung des Geschäfts ergibt dann, dass kein (zukünftiges) Bauland, sondern nur ein Grundstück verbunden mit einer ungewissen Chance auf seine zukünftige Bebaubarkeit geschuldet sein sollte. So hatten die Vertragspartner in einem vom BGH im Jahre 1980 entschiedenen Fall 8 0 5 zwar „das Risiko der Bebaubarkeit als sehr gering angesehen", waren sich dessen jedoch sehr wohl bewusst. Die Höhe des Kaufpreises lag daher auch „über dem für Ackerland und unter dem für Bauland". Die Käufer kauften daher gemessen an der vertraglichen Verwendungsabrede das Grundstück gerade nur als Bauerwartungsland und nicht etwa als (zukünftiges) Bauland. Eine Nutzung des Grundstücks zur Bebauung war daher nicht geschuldet. d) In den meisten Entscheidungen zum Kauf von Bauerwartungsland kamen die Gerichte auch unter Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlage oder der ergänzenden Vertragsauslegung zu Ergebnissen, die sich ebenso bei den hier vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien ergeben hätten. Dennoch handelt es sich vorliegend nicht um Fragen rein akademischer Natur, da unseres Erachtens mit der Maßgeblichkeit des vertraglich vereinbarten Äquivalenzverhältnisses ein präziseres Abgrenzungsmerkmal zur Verfügung steht. So führte etwa die in der - im Ergebnis Zustimmung verdienenden - Entscheidung BGHZ 74, S. 370, 377, aufgestellte Behauptung, es könne nur „im Wege ergänzender Vertragsauslegung" dem Vertrag selbst eine gegenüber dem Verwendungsrisiko des Gläubigers veränderte Risikoverteilung entnommen werden, in einem nur wenige Monate später ergangenen Urteil desselben V. Senats806 zu einer Verkennung der maßgeblichen Wertungen. Obwohl sich die Parteien in dem zugrunde liegenden Fall über die vermeintlich sichere Bebaubarkeit des Grundstücks verständigt hatten und obwohl der Geschäftsführer der Verkäuferin erklärt hatte, eine Rückfrage bei der Stadt, „ob das Kaufobjekt zweifelsfrei in Kürze zu Bauland erklärt werden würde", „könne nur nachteilig sein; sei auch nicht erforderlich, weil er auf Grund seiner persönlichen guten Beziehungen zu dem Planungsbüro wisse, daß die Ausweisung des Kaufobjektes als Baugelände auch bei der Stadt in Ordnung gehen werde", verneinte das Gericht die Gefahrtragung der Verkäuferin. Stattdessen entschieden sich die Richter dafür, den Gedanken der „Vorhersehbarkeit" der Störung des Verwendungszwecks 807 für maßgeblich zu erklären und befanden, es sei der Käuferin die Möglichkeit verblieben, „für den Fall nicht fristgerechter Bebaubarkeit der Grundfläche eine vertragliche Sicherung zu verein805 BGH W M 1981, S. 14 f. 806 BGH DB 1980, S. 83 f. 807 s. hierzu bereits oben u. 2. Kap. D. I. 3.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

baren, einen niedrigeren Kaufpreis anzustreben oder notfalls von dem Kauf abzusehen". „Daß sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machte," sei „im Rahmen der Geschäftsgrundlage ihrem Risikobereich zuzurechnen". Aus dem Fehlen einer vertraglichen Absicherung der Käuferin folge also, dass das „Verwendungsrisiko hier" auch nicht „entgegen der Regel auf den Verkäufer verlagert worden sei Die übereinstimmende sichere Annahme beider Vertragsparteien, das Kaufobjekt werde „in Kürze zu Bauland erklärt werden", hätte indessen eher dafür gesprochen, auf eine vereinbarte „Soll-Verwendbarkeit" des Kaufgrundstücks als Bauland zu schließen. Dasselbe gilt insbesondere für den Umstand, dass die Käuferin keinen niedrigeren Kaufpreis angestrebt hatte. Die Bebaubarkeit stellte schließlich auch hier den maßgeblichen wertbildenden Faktor für das Grundstück dar. Der BGH hätte daher prüfen - und ggf. die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurückverweisen - müssen, ob der vereinbarte Preis dem üblichen örtlichen Marktpreis für bebaubare Grundstücke entsprach. Ist dies der Fall, so hatte es die Käuferin gerade deshalb unterlassen, eine vertragliche Überwälzung des Risikos zu vereinbaren, weil sie die Ungewissheit darüber, ob die Grundfläche bebaubar sein werde, aufgrund der Angaben des Geschäftsführers der Verkäuferin für ausgeräumt hielt und auf die zukünftige Bebaubarkeit vertraute. Hatte die Verkäuferin diese Ansicht ausdrücklich geteilt, so kann es der Käuferin nicht ernsthaft entgegengehalten werden, sie habe von einer vertraglichen Absicherung und der Vereinbarung eines geringeren Kaufpreises abgesehen. Die gesetzlichen Regeln des Leistungsstörungsrechts haben gerade den Zweck, derartige Konflikte im Hinblick auf die von den Parteien vertraglich festgelegten Leistungsinhalte zu lösen. Sie setzen hingegen keine Regelung solcher Störungen im Vertrag selbst voraus. Auf eine „Voraussehbarkeit" kann es daher im Leistungsstörungsrecht generell nicht ankommen. Mit der Argumentation des V. Senats müsste man sonst etwa auch gegenüber einem Käufer, der seine Rechte wegen eines Sachmangels geltend macht, ggf. einwenden können, die Fehlerhaftigkeit der Kaufsache sei „voraussehbar" gewesen, so dass eine fehlende vertragliche Regelung dieses Risikos zu seinen Lasten gehe.

2. Der Drehtürfall a) In dem vom Reichsgericht im Jahr 1906 entschiedenen Drehtürfall 809 , hatte der Inhaber eines Restaurants „für seine Restaurationsräume" eine „patentierte amerikanische Drehtür" gekauft. Der vorgesehene Einbau konnte jedoch nicht erfolgen, da das Polizeipräsidium „aus sicherheitspolizeilichen Gründen die erforderliche Genehmigung ... zur Anbringung der Drehtür" versagte. Das RG wies die 808 BGH, DB 1980, S. 83, 84; zustimmend Miersch, JuS 2001, S. 1083, 1087. 809 RGZ 62, S. 267 f.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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Klage auf Zahlung des Kaufpreises ab, da „der Beklagte sich nach dem Zeugnis des Vertreters des Klägers nur unter dem Vorbehalt polizeilicher Genehmigung der Tür hat binden wollen", so dass „dieser Vorbehalt zum Vertragsinhalt erhoben worden" sei 8 1 0 . b) Geht man davon aus, dass die Vertragsparteien als Bedingung vereinbart haben, dass der Einbau der verkauften Drehtür polizeilich genehmigt wird, so ist der Fall einfach zu entscheiden. Schwieriger wird es jedoch, wenn hierüber keine ausdrücklichen Abreden getroffen worden sind. Selbst wenn der Käufer ausdrücklich erwähnt, dass der Einbau der Tür einer polizeilichen Genehmigung bedarf, bliebe dann jedenfalls zweifelhaft, ob auch die Erklärung des Vertreters des Verkäufers so verstanden werden konnte, dass er mit einer entsprechenden - stillschweigend vereinbarten - Bedingung einverstanden war. Die Annahme, dass der Vorbehalt polizeilicher Genehmigung per se zum Vertragsinhalt erhoben wurde, wäre dann mit Larenz als „Fiktion" zu bezeichnen, „da die Parteien mit der Versagung der Genehmigung überhaupt nicht rechneten und deshalb auch keine Bestimmung für diesen Fall treffen wollten" 811 . Fehlt die Vereinbarung einer Bedingung, so kommt es mithin darauf an, welcher Verwendungszweck der Drehtür vertraglich vereinbart worden ist und ob die Störung dieses Verwendungszwecks zu einem Entfallen der Gegenleistungspflicht führt. Da der Wert und damit der Preis für eine Drehtür objektiv darauf beruht, dass sie in öffentlich zugängliche Gebäude eingebaut werden darf, war der Einbau in die Restaurationsräume sicherlich als die vereinbarte und damit geschuldete Nutzung anzuerkennen. Falls die Drehtür von der Polizeibehörde als generell nicht genehmigungsfähig angesehen wurde, lag daher eine Nutzungsstörung vor mit der Folge des Rechts zur Wandlung des Kaufvertrags entsprechend § 459 Abs. 1 BGB a.F. War es umgekehrt gerade die Beschaffenheit der Restaurationsräume des Käufers, die dazu führte, dass der Einbau der Drehtür verboten wurde, so kann hingegen kein Recht zur Wandlung bestehen. War die Eigenart oder Beschaffenheit des Gebäudes die Ursache für die Versagung der Genehmigung, so ist dies ein nutzungsvereitelnder Umstand, der sich unmittelbar und primär in der sozial erfassbaren Sphäre des Käufers niedergeschlagen hat. Dann nämlich war es gewissermaßen die Sache oder der „Stoff 4 , also das Leistungssubstrat des Käufers, der sich für die Erreichung des vertraglichen Verwendungszwecks der Drehtür als ungeeignet erwies. Die Unmöglichkeit des vom Verkäufer versprochenen Erfolgs, dass die Drehtür in die Räume des Käufers eingebaut werden kann, war dann kausal durch einen Umstand verursacht, der im Bereich des Käufers eingetreten war und sich nur mittelbar auf die Möglichkeit der Vertragserfüllung ausgewirkt hatte. In dieser Variante des Falls wäre der Kaufpreis vom Käufer trotz der Nutzungsstörung zu entrichten gewesen812. 810 RGZ, 62, S. 267, 268. su Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 96.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

3. Der Bierlieferungsfall a) Im Jahr 1985 lag dem BGH ein Fall zur Entscheidung vor, in dem der Betreiber einer Gaststätte sich in einer überwiegend formularmäßig gestalteten „Vereinbarung" gegenüber einer Brauerei verpflichtet hatte, für seine Gaststätte den gesamten Bedarf an Bieren jeder Art und an alkoholfreien Getränken auf die Dauer von zwanzig Jahren ausschließlich bei der Brauerei zu beziehen813. In der „Vereinbarung" war unter anderem geregelt, dass die Brauerei „für jeden Hektoliter an Getränken, den der Vertragspartner nicht entsprechend diesem Vertrag von der Brauerei bezieht, ... einen Betrag von DM 20,- verlangen" kann. Fünf Jahre nach Abschluss des ΒierlieferungsVertrags stellte der Gastwirt den Betrieb der Gaststätte ein. Kurze Zeit darauf widersprach die Eigentümerin der Gaststätte der Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses und forderte den Gastwirt bei Klagevermeidung „nochmals" auf, die Gaststätte unverzüglich zu räumen. Der BGH gab zu Bedenken, dass es zweifelhaft sei, ob angesichts eines Bezugszeitraums von zwanzig Jahren „die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts in einer mit den Anschauungen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht zu vereinbarenden Weise eingeschränkt" werde 814 . Da das Berufungsgericht eine Beurteilung des Bierlieferungsvertrags unter diesem Gesichtspunkt bisher noch nicht vorgenommen hatte, sah sich der Senat zwar an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, versäumte jedoch nicht festzustellen, dass „der Bestand des über die Gaststätte geschlossenen Nutzungsverhältnisses in den Risikobereich des Gastwirts" falle. Dies rechtfertige sich zum einen daraus, „daß nach der gesetzlichen Interessenbewertung beim Kaufvertrag das Weiterverwendungsrisiko - hier: der bezogenen Getränke - in der Regel der Sphäre des Käufers zuzurechnen ist (BGHZ 74, 370 (374))". Zum anderen folge dies nicht nur daraus, „daß nicht nur beim Abschluß des Bierlieferungsvertrages der Gastwirt die Dauer und Durchführbarkeit des Gaststättennutzungsvertrages, den er selbst geschlossen hat, ungleich zuverlässiger als der Bierlieferant beurteilen kann, sondern daß darüber hinaus während der Laufzeit des Bierlieferungsvertrages die den Bestand des Nutzungsverhältnisses gefährdenden Umstände aus dem in der Regel allein von dem Gastwirt zu beeinflussenden Gefahrenkreis kommen" 815 . Halte „die 20-jährige Bezugsbindung der erneuten Prüfung durch das Berufungsgericht nicht stand", so werde 812 Ähnlich Beuthien, Zweckerreichung, S. 193. Entgegen der Ansicht von Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 96, kam es im Drehtürfall nicht darauf an, ob der Verkäufer „die Tür als gerade für die Räumlichkeiten des Käufers passend anempfohlen oder ihren Einbau in dieselben mit übernommen oder aber ausdrücklich eine Tür ,für die Restaurationsräume' des Beklagten zu liefern versprochen hatte". Denn weder Anpreisungen, Hinweise zur technischen Möglichkeit des Einbaus noch die zusätzlich übernommene Verpflichtung zum Einbau selbst können ohne weiteres dahin gedeutet werden, dass der Verkäufer eine Garantie für die Verwendbarkeit der Drehtür zum vertraglichen Zweck übernommen hätte. 813 BGH NJW 1985, S. 2693 ff. 814 BGH, NJW 1985, S. 2693, 2694 f. sis BGH, NJW 1985, S. 2693, 2694.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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„es mithin in Anwendung tatrichterlichen Ermessens die angemessene Laufzeit des Vertrages zu bestimmen haben". Von dieser Laufzeit hinge dann auch „die Höhe der Entschädigung wegen eines Minderbezuges" durch den Gastwirt ab 8 1 6 . b) Auch in diesem Fall ging es um eine Störung des Verwendungszwecks, da der ehemalige Gastwirt derart große Mengen an Getränken ohne eine Gaststätte nicht mehr abnehmen konnte. Für die Frage, ob die Entschädigung zu leisten war, kam es daher darauf an, ob der Ausschank der Getränke in der von dem ehemaligen Gastwirt betriebenen Gaststätte die von der Brauerei geschuldete Nutzung der Getränke war. Dies wird man sicherlich verneinen müssen. Zwar ist im Rahmen eines ΒierlieferungsVertrags aufgrund der großen Abnahmemenge davon auszugehen, dass geschuldeter Verwendungszweck des Biers und der anderen Getränke nicht nur das Trinken als solches, sondern der Ausschank in einer Gaststätte ist. Man hätte somit eine Nutzungsstörung etwa dann zu bejahen, wenn der Ausschank von Bier in Gaststätten behördlich verboten würde. Jedoch beruht der Wert der Getränke objektiv nicht darauf, dass sie von dem Käufer in einer bestimmten Gaststätte ausgeschenkt werden können. Es ist daher für das vertragliche Äquivalenzverhältnis unerheblich, ob der Gastwirt den Betrieb seiner Gaststätte einstellt, weil der Pachtvertrag nicht fortgesetzt werden kann. Ohnehin muss er die Gefahr für solche, die Verwendbarkeit der Getränke vereitelnden Umstände tragen, die sich ursprünglich und unmittelbar gerade in seiner sozial erfassbaren Sphäre niedergeschlagen haben. Hierzu gehört aber auch die Aufgabe, für das Vorhandensein von Räumen Sorge zu tragen, in denen die Getränke weiterverkauft werden können. Der Gastwirt war daher - vorbehaltlich der Festlegung einer angemessenen Laufzeit des Vertrags - verpflichtet, die Vergütung für die maßgebliche Bierbezugsmenge fortzuentrichten, freilich nach dem Rechtsgedanken der §§ 324 Abs. 1 Satz 2, 552 Satz 2, 615 Satz 2, 649 Satz 2 BGB a.F. unter Anrechnung dessen, was die Brauerei infolge der Nichtabnahme der Getränke an Aufwendungen erspart oder durch ihre anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hatte. Eine entsprechende Pauschalierung dieses Vorteilsausgleichs hatten die Vertragsparteien in der vertraglichen Regelung festgelegt.

4. Der Fertighausfall a) Zweifelhaft war die Anwendbarkeit der Lehre von der Geschäftsgrundlage auch in dem vom BGH entschiedenen Fertighausfall 817, in dem die Käufer den 816 BGH, NJW 1985, S. 2693, 2696; hingegen entschieden sich die Richter in BGH L M BGB § 247 Nr. 1, bei der der Gastwirt geltend gemacht hatte, die durch Kriegseinwirkungen erfolgte Zerstörung der Gastwirtschaft im Jahre 1944 habe die Grundlage des Bierlieferungsvertrags beseitigt, noch für das Recht des Gastwirts, sich mit Erfolg auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen und dadurch die vorzeitige Beendigung der Bierbezugs Verpflichtung zu erreichen.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Auftrag zur Herstellung und Montage je eines Fertighauses zum Gesamtpreis von je DM 14.000 erteilt hatten. Die Käufer hatten an dem Erwerb der Fertighäuser erklärtermaßen nur dann ein Interesse gehabt, wenn sie diese auch „in gesunder Luft und schöner Lage" aufstellen konnten und brachten dies dem Verkäufer gegenüber auch deutlich zum Ausdruck. Der Verkäufer müsse ihnen deshalb ein ihren Wünschen und finanziellen Möglichkeiten entsprechendes Grundstück verschaffen, auf dem die Häuser aufgestellt werden könnten. Daher vermittelte der Verkäufer Pachtverträge, die die Käufer daraufhin mit einem „Bauern B. in A." abschlossen. Wider Erwarten wurden jedoch die Anträge auf bauaufsichtliche Genehmigung abgelehnt, so dass die Häuser auf diesem Grundstück nicht aufgestellt werden konnten. Die Käufer klagten daher auf Rückgewähr ihrer Anzahlungen. Nach Ansicht des BGH war die gemeinsame Vorstellung der Parteien, dass die Baugenehmigung erlangt werden könne, Geschäftsgrundlage der Kaufverträge über die Fertighäuser geworden. Der Verkäufer hätte nach seinem eigenen Vorbringen „den Verkauf nicht getätigt, wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, daß die Häuser auf den Grundstücken errichtet werden konnten". Diese Sachlage stehe „der Annahme entgegen, daß die Kläger allein mit dem Risiko der Versagung der Baugenehmigung belastet werden sollten, vielmehr handelte es sich um ein gemeinsames Risiko beider Parteien" 818 . Da es für die Käufer nach eigenem Vorbringen nicht entscheidend war, „daß die Häuser gerade auf den ihnen nachgewiesenen Pachtgrundstücken" errichtet wurden, komme es „für die Entscheidung des Rechtsstreits jedoch ausschlaggebend darauf an, ob der Beklagte den Klägern vergeblich geeignete Ersatzgrundstücke angeboten hat". Es bestehe unter dieser Voraussetzung „kein Anlaß, den Klägern zu ermöglichen, sich von dem Vertrage zu lösen, den der Beklagte nach wie vor erfüllen w i l l " 8 1 9 . b) Der Entscheidung ist wohl im Ergebnis, nicht aber in ihrer Begründung zuzustimmen. Es ging bei der Möglichkeit, die Fertighäuser auf dem gepachteten Grundstück aufzustellen nicht um eine „gemeinsame Vorstellung", auf die sich ein „Geschäftswille" aufgebaut haben könnte, sondern ggf. nur um eine schlichte Nichterfüllung des Vertrags. Der wiedergegebene Sachverhalt lässt indessen keine eindeutige Auslegung der Kaufverträge zu, so dass zwei mögliche Varianten in Betracht kommen. Entweder war der Vertrag so auszulegen, dass der Verkäufer nicht nur die Fertighäuser zu liefern, sondern im Rahmen eines einheitlichen Vertrags zusätzlich die Verpflichtung übernommen hatte, zur Bebauung geeignete Grundstücke zu vermitteln. Der Gesamtpreis für die kombinierte Leistung des Verkäufers beruhte dann auch auf der geschuldeten Vermittlung eines Pachtvertrags. In diesem Fall hätte er nicht nur die Häuser als solche geschuldet, sondern auch den Nachweis eines «π BGH JZ 1966, S. 409 f. 818 BGH, JZ 1966, S. 409; zustimmend Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 66 f.; Köhler, Unmöglichkeit, S. 150. 819 BGH, JZ 1966, S. 409,410.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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Grundstücks, das zur Bebauung verwendet werden kann und damit die Möglichkeit zur Nutzung der Häuser auf einem von ihm nachzuweisenden Grundstück. Die Aufstellung auf einem bebaubaren Grundstück wäre dann der vereinbarte vertragliche Verwendungszweck der verkauften Fertighäuser gewesen. Ist der Verkäufer aufgrund der Ungeeignetheit des Grundstücks des „Bauern B. in A." und dadurch, dass er auch kein anderes vertragsgemäßes Grundstück nachwies, dieser Vertragspflicht nicht nachgekommen, so hatte er den Vertrag eben (noch) nicht erfüllt. Die Gegenleistung wäre hingegen geschuldet gewesen, wenn die Auslegung des Vertrags ergeben würde, dass der Verkauf der Fertighäuser und die Vermittlung eines Grundstücks als voneinander unabhängige und streng zu trennende Geschäfte gewollt waren. Denn dann wäre allenfalls die Grundstücksvermittlung gescheitert, die man, wenn hierfür keine besondere Vergütung vereinbart war, als bloße Gefälligkeit einzustufen hätte. Als geschuldete Nutzung der Fertighäuser wäre dann wohl nur das „Bewohnen" als solches vereinbart gewesen, da der Wert der Fertighäuser sicherlich nicht auf der Aufstellung auf dem Grundstück des „Bauern B. in A." beruhte. Der Kaufpreis wäre dann in voller Höhe geschuldet gewesen820. Indem die Käufer den Kauf der Fertighäuser von der Vermittlung geeigneter Pachtgrundstücke abhängig gemacht hatten, spricht indessen viel dafür, die Vermittlung eines Grundstücks als eine im engen Zusammenhang mit dem Verkauf der Fertighäuser stehende, zusätzlich übernommene Leistung des Verkäufers zu erfassen, die durch einen nicht näher bestimmten Teil des einheitlichen Entgelts vergütet werden sollte. Man kann wohl kaum annehmen, der Verkäufer habe seinen Kunden eine bloße Gefälligkeit erweisen wollen. Handelte es sich aber um zwei Leistungspflichten, die untrennbar miteinander verbunden waren, so wäre die teilweise Nichterfüllung der vollständigen Nichterfüllung gleichzustellen gewesen mit der Folge, dass der Verkäufer den Anspruch auf die Vergütung erst dann verlangen konnte, wenn er den Käufern geeignete Ersatzgrundstücke angeboten hat.

5. Der Gaststätteninventarfall a) Dem Fertighausfall ganz ähnlich ist die Entscheidung des BGH zum Gaststätteninventarfall 821. Hier verkaufte ein Hersteller von Ladeneinrichtungen in einer schriftlichen Vereinbarung die gesamte Inneneinrichtung einer Gaststätte und trat zugleich die Rechte aus einem Mietvertrag über noch zu erstellende Räume zum Betrieb einer Gaststätte an den Käufer ab. Das betreffende Gebäude und die darin vorgesehenen Gaststättenräume wurden jedoch nie fertiggestellt.

820

Für dieses Ergebnis Stötter, JZ 1967, S. 147, mit der Begründung, dass das Risiko der Verwendbarkeit einer gekauften Sache beim Käufer liege und eine abweichende vertragliche Regelung nicht vereinbart sei. 821 BGH L M § 242 (Bb) BGB Nr. 54. 1

Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

Der BGH war der Ansicht, dass die Vereinbarung „nicht nur aus dem Kauf der Einrichtung für die geplante Gaststätte, sondern auch in der Verschaffung eines Lokals" bestand. Zwar mochte „es dem Beklagten ... im wesentlichen um den Verkauf der Einrichtung gegangen sein. Für ihn hatte die Überlassung des Mietvertrages nur Hilfsfunktion". Andererseits habe „es auf der Hand" gelegen, „daß es dem Kl. nicht allein auf das Inventar der Gaststätte ankam, sondern mindestens ebenso sehr auf ein geeignetes Lokal". „Der enge Zusammenhang zwischen der Lieferung des Inventars und der Verschaffung' der künftigen Gaststättenräume" sei daher „offensichtlich" 822 . Das Gericht sah infolgedessen den Käufer wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage als berechtigt an, „sich von der Vereinbarung in vollem Umfang loszusagen". b) Ähnlich wie im Fertighausfall kam es auch hier darauf an, ob der Verkäufer die Rechte aus dem Mietvertrag im Rahmen eines einheitlichen Vertrags zusätzlich abgetreten hatte oder ob die Geschäfte voneinander unabhängig waren. Denn grundsätzlich ist es nicht als geschuldete Nutzung eines verkauften Gaststätteninventars anzuerkennen, dass es in bestimmten Räumen aufgestellt werden kann. Da der objektive Wert der Einrichtungsgegenstände nicht darauf beruht, an welchem Ort sie installiert werden, kann in der Regel keine stillschweigende vertragliche Vereinbarung angenommen werden, der Verkäufer habe die Nutzung in den verschafften Räumen versprochen. Eine andere rechtliche Bewertung ist jedoch dann geboten, wenn der Verkauf des Gaststätteninventars und die Abtretung der Rechte aus dem Mietvertrag nach dem Willen der Vertragsparteien in einem untrennbaren Zusammenhang standen, so dass der Verkauf mit der Übernahme des Mietvertrags „stehen und fallen" sollte. In diesem Fall hätte die Vereinbarung des Gesamtentgelts auf der Möglichkeit beruht, das Gaststätteninventar gerade in den vermittelten Mieträumen zu installieren. Infolge dessen hätte das Scheitern des Mietvertrags auch eine Nutzungsstörung des Kaufvertrags und damit eine Nichterfüllung des Vertrags bedeutet823. Ob ein derart enger Zusammenhang zwischen den Leistungen bestand, ist in derartigen Fällen kombinierter Leistungen regelmäßig problematisch. Voraussetzung für die Lösung vom Kaufvertrag war, dass der Käufer den Abschluss des Kaufvertrags von der Abtretung der Rechte aus dem Mietvertrag abhängig gemacht hatte. Der BGH hatte dies bejaht und es sprach in der Tat vieles dafür. Bietet ein Verkäufer seinen Kunden zur Verkaufsförderung als zusätzlichen „Service" die Vermittlung eines Mietvertrags, so stellt dies seine einheitliche kombinierte Leistung dar, für die er das Gesamtentgelt erhält. Der im Vergleich zu anderen Anbietern erhöhte Nutzen der Leistung, die in der Verschaffung von Gaststättenräumen besteht, ist dann nicht nur eine Gefälligkeit, sondern gewissermaßen conditio sine qua non für den Verkauf der Inventargegenstände.

822 BGH, L M § 242 (Bb) BGB Nr. 54 Bl. 3. 823 Ähnlich auch Emmerich, Leistungsstörungen, S. 343 f.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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Nach Köhler soll im Gaststätteninventarfall hingegen das „Prinzip des Verbots des venire contra factum proprium" den „tragenden normativen Gesichtspunkt" bilden. Denn es sei dem Verkäufer „bewußt" gewesen, „daß der Käufer am Inventar nur Interesse hatte, wenn ihm gleichzeitig ein geeignetes Lokal zur Verfügung stand" 824 . Geht man mit Köhler von der Prämisse aus, dass der Verkauf unabhängig neben dem Eintritt in den Mietvertrag erfolgen sollte, so wird man die Kenntnis des Verkäufers, dass die Verfügbarkeit eines Lokals „ausschlaggebend für den Kaufentschluss des anderen" ist, nicht für eine Überwälzung des Verwendungsrisikos genügen lassen können. Denn es ist regelmäßig nicht ausgeschlossen, dass der Käufer auch andere Räume für den Betrieb der Gaststätte anmietet. Von entscheidender Bedeutung war hier vielmehr, ob der Verkauf der Inneneinrichtung und die Abtretung der Rechte an dem Mietvertrag nach den Vereinbarungen der Parteien eine Einheit bildeten, ob also der Kaufvertrag mit der Vertragsübernahme „stehen und fallen" sollte. Der vom BGH konstatierte „offensichtliche" „enge Zusammenhang" dieser Leistungen würde dann bedeuten, dass als Leistungsinhalt Inventar plus Gaststätte vereinbart worden sind. Auf ein „venire contra factum proprium" kommt es dann nicht mehr an. Das „widersprüchliche Verhalten" des Verkäufers besteht dann allein darin, dass er sich erdreistet, den Kaufpreis trotz der Nichterfüllung seiner eigenen Leistungspflichten zu verlangen. c) Einen der BGH-Entscheidung ähnlichen Fall, in dem es noch deutlicher war, dass die Parteien einen Gaststättenpachtvertrag im engen Zusammenhang mit einem Inventarkaufvertrag abgeschlossen hatten, hat im Jahr 1999 das OLG Celle entschieden825. Dort mieteten die Käufer von der Verkäuferin Gewerberäume zum Betrieb einer Gaststätte sowie Wohnräume im ersten Stock desselben Hauses. Am selben Tag erwarben sie das Inventar der Gaststätte und zahlten einen Teilbetrag an. Da die amtliche Lebensmittelüberwachung den Betrieb der Speisegaststätte aufgrund vorhandener Mängel untersagte, kündigten die Käufer das Mietverhältnis fristlos und verlangten die Rückzahlung des angezahlten Kaufpreises. Das OLG Celle gab der Klage mit der Begründung statt, zumindest sei die Geschäftsgrundlage des Inventarkaufvertrags durch die wirksame fristlose Kündigung des Gaststättenmietvertrags nachträglich weggefallen, weil die Parteien mit dem Kaufvertrag und dem am selben Tag abgeschlossenen Gaststättenmietvertrag ausschließlich denselben wirtschaftlichen Zweck verfolgten, nämlich den Käufern in den angemieteten Räumen und unter Verwendung des verkauften Inventars den Betrieb einer Speisegaststätte zu ermöglichen. Es habe der gemeinsamen Vorstellung beider Parteien bei Abschluss des Kaufvertrags entsprochen, dass das Inventar als Kaufgegenstand für die Käufer nur im Zusammenhang mit dem Betrieb der streitbefangenen Gaststätte von Nutzen war. Auf Grund der von den Verkäufern zu vertretenden vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses sei die Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags wesentlich berührt worden. Die notwendige Anpas824 Köhler, Unmöglichkeit, S. 151. 825 OLG Celle, NJW-RR 2000, S. 873 f. 1*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

sung der vertraglichen Vereinbarung mit Rücksicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage führe dazu, den Käufern das Recht zum Rücktritt von den kaufvertraglichen Vereinbarungen zuzubilligen. Auch hier hätte das Gericht - unter Beibehaltung der Argumentation im übrigen - einfacher auf den Aspekt der Nutzungsstörung anstelle eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage abstellen können. Denn das Inventar war objektiv nur deshalb sein Geld wert, weil es im Zusammenhang mit der Vermietung der mangelbehafteten Gaststättenräume verkauft worden ist. Der Kaufvertrag und der darin vereinbarte Kaufpreis beruhte auf der Verwendbarkeit des Inventars in den vermieteten Räumen, so dass die Nutzung des Inventars in den gemieteten Räumen der vereinbarte Verwendungszweck des verkauften Inventars war. Da die Verkäuferin die Beendigung des Mietvertrags zu vertreten hatte, bedeutete die Störung dieses Verwendungszwecks eine Leistungsstörung mit der Folge, dass die Kaufpreisanzahlung zurückerstattet werden musste.

6. Der Fußballspielerfall a) Um eine Störung des Verwendungszwecks ging es auch in einem vom BGH im Jahr 1975 entschiedenen Fall 8 2 6 , in dem ein Fußball-Lizenzspieler auf der Grundlage eines im Juni 1971 geschlossenen Transfervertrags für eine sog. Ablöseentschädigung in Höhe von DM 40.000 von einem Fußball-Bundesligaverein zu einem Verein der Fußball-Regionalliga wechselte. Nachdem er schon dreimal für den neuen Verein gespielt hatte, wurde Anfang August 1971 die Verstrickung des Fußballspielers in den sog. Bundesligaskandal bekannt. Weil er sich anlässlich eines Spiels gegen Arminia Bielefeld Ende Mai 1971 hatte bestechen lassen, belegte ihn der Deutsche Fußballbund (DFB) mit einer Sperre, die seinen sportlichen Einsatz auf Dauer ausschloss. Der BGH gab der Klage des Regionalligavereins auf Rückzahlung der Ablösesumme unter dem Gesichtspunkt des Fehlens der Geschäftsgrundlage statt. Er bejahte die „Unzumutbarkeit", an dem „in Unkenntnis der Bestechung geschlossenen Transfervertrag" festgehalten zu werden. Denn es sei „der persönlich so schwer belastete Spieler . . . , objektiv gesehen, auch für seinen bisherigen Verein entwertet, weil mit der Aufdeckung des Mangels seine Spielberechtigung schlechthin für jeden Verein entfällt". Es erscheine „nach Treu und Glauben nicht gerechtfertigt, ... dem übernehmenden Verein einen ... Geldausgleich aufzubürden, obwohl er mangels Spielerlaubnis - von dem Spieler keinen sportlichen und finanziellen Nutzen mehr haben kann" 8 2 7 . Der Spieler habe „seine persönliche Eignung als Fußballspieler im Bereich des DFB schon durch die unsportliche Handlung als solche" verloren, und damit 826 BGH NJW 1976, S. 565 ff. 827 BGH, NJW 1976, S. 565, 566.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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„schon im Zeitpunkt des Vereinswechsels nicht mehr die rechtlichen Voraussetzungen dafür" erfüllt, „bei einem Verein im DFB zum Einsatz zu kommen". Ein solcher Spieler werde „durch eine unsportliche Handlung der hier vorliegenden Art auch für den Stammverein objektiv , wertlos'". Ein derartiger „Mangel" sei „grundsätzlich dem Risikobereich des alten Vereins zuzurechnen, in dessen Sphäre er entstanden ist" 8 2 8 . b) Verstieße es nicht gegen den heutigen Begriff von der Menschenwürde, den durch eine Geldzahlung begleiteten Transfer eines Fußballspielers als Kauf zu qualifizieren 829 , so hätte der BGH den Fall sicherlich unter Anwendung der Regeln über die (Sach-) Mängelgewährleistung gelöst, wie auch das verwendete Vokabular (Mangel, Eignung, Entwertung) indiziert. Es lag nämlich nach der ständigen Rechtsprechung zum „Umweltfehler" durchaus nahe, die nach den Statuten des DFB fehlende Spielberechtigung als eine Eigenschaft des Fußballspielers zu behandeln. Tatsächlich ging es jedoch um eine Störung des Verwendungszwecks, da die vom DFB verfügte Spielersperre keine Eigenschaft des Fußballspielers selbst, sondern ein außerhalb des Fußballspielers liegender rechtlicher Umstand ist, der seinen Einsatz bei Spielen des Regionalligisten verhinderte. Durch den Transfervertrag verpflichtete sich der transferierende Verein, gegen Zahlung der Ablösesumme in den Vereinswechsel einzuwilligen, den Fußballspieler also für den Einsatz beim neuen Verein „freizugeben". Ist es der wertbildende und damit vom transferierenden Verein versprochene Nutzen eines Lizenz-Fußballspielers, in Fußballspielen der DFB-Ligen sein sportliches Können zu zeigen, so hatte der übernehmende Verein gerade für die Freigabe zu dieser Nutzung die Ablösesumme bezahlt. Die Vereinbarung der Ablösesumme beruhte auf der Spielberechtigung des Fußballspielers. Entfällt diese Verwendungsmöglichkeit, so ist die Freigabe als Hauptleistung des Transfervertrags objektiv wertlos. Da der übernehmende Verein nicht die ihm versprochene Nutzung erhielt, war grundsätzlich entsprechend §§ 323 Abs. 1, 459 Abs. 1 BGB a.F. auch die Gegenleistung nicht zu entrichten 830 . Problematisch war jedoch, ob die Gefahr zum Zeitpunkt des Eintritts der Nutzungsstörung bereits entsprechend § 446 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den neuen Verein übergegangen war. Der BGH erachtete als maßgeblich, dass die nutzungsvereiteln828 BGH, NJW 1976, S. 565, 567, Hervorheb. i. O.; zustimmend Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 165; Köhler, Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 317. 829 Dörner, JuS 1977, S. 225, 226: „ . . . eine mit einem gewissen Hautgout behaftete, weil an Menschenhandel erinnernde Konstruktion .. 830 Dies verkennt Dörner, JuS 1977, S. 225, 227, nach dem der „Zweck des Transfervertrages ... nicht die Verschaffung eines einsatzbereiten Spielers, sondern nur die Verschaffung der Möglichkeit, einen Spieler zu verpflichten und anschließend ggf. einzusetzen" ist. Gerade die Möglichkeit zum Einsatz war dem neuen Verein aber genommen, wodurch der wertbildende Nutzen, den die entgeltliche Freigabe des Spielers hatte, vereitelt war. Das Verwendungsrisiko lag daher entgegen Dörner, a. a. O., S. 228, in dieser Hinsicht - anders als etwa bei einer „plötzlich auftretenden Konditionsschwäche" - nicht beim neuen Verein.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

de Verstrickung des Fußballspielers in den Bundesligaskandal bereits zum Zeitpunkt des Vereinswechsels und damit vor dem Übergang der Gefahr bestanden hatte. Die Belegung mit der Sperre durch den DFB soll lediglich den Vollzug der bereits beim Wechsel vorhandenen Bemakelung des Spielers gebildet haben. Der Entscheidung des BGH ist damit im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zuzustimmen, denn der Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlage hätte es auch hier nicht bedurft 831 . Bemerkenswert ist jedoch, dass der BGH den Übergang der Gefahr für maßgeblich ansah, obwohl es hierauf gewöhnlich nur bei Leistungsstörungen, nicht aber bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ankommt.

7. Der Apothekenkonzessionsfall a) Der Übergang der Gefahr spielte auch in dem vom BGH entschiedenen Apothekenkonzessionsfall 832 eine entscheidende Rolle. Hier verlor eine im Jahr 1956 zum Preis von DM 60.000 verkaufte sog. Realkonzession zum Betrieb einer Apotheke 14 Monate nach dem Abschluss des Kaufvertrags fast vollständig ihren Wert, weil zwischenzeitlich die Bedürfnisprüfung zum Betrieb einer Apotheke für verfassungswidrig erklärt worden war. Es war daher in der Folgezeit jedem Apotheker möglich, ohne eine Bedürfnisprüfung sowie ohne das bislang erforderliche sog. „Betriebsberechtigungsalter" eine sog. Personalkonzession gegen Zahlung einer Verwaltungsgebühr zu erlangen. Die bislang mit der Realkonzession betriebene Apotheke verlor durch die Umstellung der Verwaltungspraxis zudem ihr gesichertes „Einzugsgebiet". Der BGH diagnostizierte daher, „das Gleichgewicht zwischen den beiderseitigen Leistungen, wie es zum Wesen eines gegenseitigen Vertrages gehöre," sei „gestört worden", es liege daher ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor 8 3 3 . 831

Henssler, Risiko, S. 87 f., erblickt den entscheidenden Umstand hingegen darin, dass die Vertragsstörung „dem Verantwortungsbereich des Schuldners" entsprungen sei, da dieser „durch entsprechende Auswahl, Gestaltung des Arbeitsvertrages, Kontrolle und Betreuung ... das Risiko, daß sich der Spieler bestechen ließ ... eher beeinflussen" könne „als der neue Verein". Ebenso Köhler, ZHR 144 (1980), S. 589, 596, nach dem der abgebende Verein „auf diese Weise mit zumutbarem Kostenaufwand das Risiko, daß sich der Spieler bestechen läßt, minimieren" konnte. Eine derartige unterschwellige Beurteilung des Falles nach Verschuldensmaßstäben oder auch nach dem ökonomischen property-rights-Ansatz (das Risiko ist der Partei zuzuweisen, die es besser, d. h. kostengünstiger zu beherrschen und aufzufangen vermag; sog. Näher-Dran-Prinzip) muss jedoch ungeachtet der dogmatischen Zweifelhaftigkeit derartiger Ansätze als lebensfremd erscheinen. Denn die Bestechlichkeit war gerade nicht vermeidbar. S32 BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 33. 833 BGH, L M BGB § 242 (Bb) Nr. 33 Bl. 4, Hervorheb. nicht i. O.; zustimmend Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 191; Fikentscher, Geschäftsgrundlage, S. 73; P. Ulmer, AcP 174 (1974), S. 182, 186; Simon, Vertragsgrundlage, S. 31 f.; Schieferstein, Geschäftsgrundlage, S. 88 ff.; Arndt, Rechtsprechungsänderung, S. 123 f.; Chiotellis, Geschäftsgrundlage, S. 135 f.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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b) Der BGH hatte mit dem Hinweis auf das Gleichgewicht der beiderseitigen Leistungen richtigerweise den Gedanken der vertraglichen Äquivalenz aufgegriffen. Unter dem Gesichtspunkt der vertraglich vereinbarten Nutzung wäre es demnach maßgeblich gewesen, dass der Wert der Realkonzession auf der bisherigen Rechtslage und Verwaltungspraxis beruhte und sie mit der Einführung des Systems der Personalkonzession objektiv nutzlos und damit wertlos wurde. Entfiel die wertbildende Nutzung der Realkonzession, die in dem exklusiven Betrieb einer Apotheke in einem bestimmten Einzugsgebiet bestand, so musste grundsätzlich auch die Pflicht zur Gegenleistung entsprechend § 437 Abs. 1 BGB a.F. entfallen. Während jedoch im Rahmen des Leistungsstörungsrechts und damit auch bei der Nutzungsstörung der Übergang der Gefahr eine Grenze für die Haftung des Verkäufers bildet, blieb dieser Aspekt in der Entscheidung des BGH unbeachtet. Der BGH erörterte daher nicht die eigentlich entscheidende Frage, ob mit der Abtretung der Realkonzession nicht die Gefahr ihrer zufälligen Entwertung entsprechend § 446 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Käufer übergegangen war. Denn es handelte sich ja nicht um ein Dauerschuldverhältnis, sondern um einen mit der Abtretung der Realkonzession von der Verkäuferseite erfüllten Rechtskauf, so dass zum Zeitpunkt der Änderung der Verwaltungspraxis und damit des Eintritts der Nutzungsstörung die Gefahr bereits auf den Käufer als neuen Inhaber der Konzession übergegangen sein dürfte 834 . Anders wäre hingegen zu entscheiden, wenn man annimmt, der Realkonzession habe schon zum Zeitpunkt der Abtretung ein „innerer Gehalt" gefehlt, indem der Konzessionierung der bereits damals bestehende, von der Verwaltung lediglich noch nicht erkannte Makel der Verfassungswidrigkeit anhaftete. Unter dieser Prämisse wäre die Realkonzession bereits vor Übergang der Gefahr nutzos und damit wertlos gewesen mit der Folge, dass der Kaufpreis nicht geschuldet gewesen wäre. Es spricht jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit mehr dafür, auf die geübte Verwaltungpraxis anstatt auf die wirkliche Rechtslage abzustellen, da der Realkonzession zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und in den folgenden 14 Monaten durchaus im Verkehr ein Marktwert zugesprochen wurde. Entscheidet man sich infolgedessen für einen Übergang der Gefahr, so konnte der geleistete Kaufpreis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsstörung zurückverlangt werden.

8. Der Spielautomatenfall a) Im Spielautomatenfall 835 verkaufte der bisherige Pächter einer vorwiegend von Halbwüchsigen besuchten Gaststätte kurz vor Ablauf der Pachtzeit die von 834 Ebenso Flume, Rechtsgeschäft, § 26/6, b), S. 521, Fn. 71; abl. auch Soergel/SiebertKnopp, BGB, § 242 Rn. 440. 835 BGH W M 1967, S. 561 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

ihm aufgestellten Spielautomaten (Musikbox, Flipper und Kicker-Fußballspiele) an einen gewerblichen Automatenaufsteller. In dem zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreis von DM 10.000 war unstreitig ein sog. Platzwert von ca. DM 3.000 bis DM 4.000 enthalten. Dieser war als zusätzliches Entgelt für die Möglichkeit vereinbart, die Automaten in der für günstig gehaltenen Gaststätte anzubringen, weil die Parteien davon ausgingen, die Gaststätte werde weiter ausschließlich oder überwiegend von Halbwüchsigen besucht werden. Der neue Pächter wandelte die Gaststätte jedoch in ein Speiselokal um und entfernte die Automaten. Der Automatenaufsteller verweigerte daraufhin die Zahlung des Kaufpreises, weil die erwarteten Gewinne an anderen Standorten nicht zu erzielen seien. Der BGH hielt wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrags an die veränderten Umstände für geboten. Ein Käufer, der die Kaufsache nicht in der Weise verwerten kann, wie die Vertragsparteien es sich übereinstimmend als für den Vertragsschluss bedeutsam vorgestellt haben, könne sich indessen nach Treu und Glauben vom Vertrag nicht lösen, wenn ihm zuzumuten ist, die Sache in anderer Weise zu verwerten. Da es dem Automatenaufsteller möglich gewesen wäre, die Automaten in einer anderen Gastwirtschaft gewinnbringend aufzustellen, könne sich eine Anpassung des Kaufvertrags beispielsweise in der Art anbieten, dass der Kaufpreis unter Fortfall des „Platzwertes" auf den zur Zeit des Kaufabschlusses angemessenen Wert der Automaten herabgesetzt wird 8 3 6 . b) Auch im Spielautomatenfall hätte es der Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlage nicht bedurft. Nach den vertraglichen Vereinbarungen war der Kaufpreis für die Spielautomaten um 40 bis 70 Prozent höher als marktüblich bemessen worden, weil die Spielautomaten einen „Platzwert" hatten, d. h. weil sie in einer Gaststätte aufgestellt waren, in der aufgrund des Publikums mit hohen Einnahmen zu rechnen war. Die Höhe des Kaufpreises der Spielautomaten beruhte somit zu einem erheblichen Teil auch auf dem Verwendungszweck, sie in dieser Gaststätte betreiben zu können. Die Auslegung des Vertrags ergibt daher, dass der Betrieb an diesem Standort die wertbildende und daher geschuldete Nutzung sein sollte. Aus der Störung dieser vereinbarten Nutzung musste grundsätzlich das Recht des Käufers folgen, entsprechend § 459 Abs. 1 BGB a.F. die Minderung des Kaufpreises um den „Platzwert" zu verlangen 837. Indessen befanden sich die Spielautomaten zum Zeitpunkt des Besitz- und damit Gefahrübergangs, der offenbar sofort erfolgte, in der Gaststätte, das zu diesem Zeitpunkt auch noch in dem bisherigen Stil geführt wurde. Zum Zeitpunkt des Übergangs der Gefahr lag daher noch keine Nutzungsstörung vor. Die Entfernung der Automaten und der Umbau in ein Speiselokal durch den neuen Pächter erfolgte vielmehr erst nach Gefahrübergang. Ebenso wie bei einem nach Gefahrübergang eingetretenen Defekt der Spielautomaten konnte die Minderung daher entspre836 BGH, W M 1967, S. 561, 562. 837 Im Ergebnis ebenso: Köhler, Unmöglichkeit, S. 154 f., 166 f.; ders., Festgabe 50 Jahre BGH, S. 295, 316 f.; anderer Ansicht: Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 230.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

265

chend § 446 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht mehr geltend gemacht werden. Im Ergebnis wäre also entgegen der Ansicht des BGH der volle Kaufpreis zu entrichten Q-3Q

gewesen

.

III. Die Nutzungsstörung beim Werkvertrag und bei der Werklieferung 1. Der Bohrhämmerfall a) In der Bohrhämmerentscheidung 839 des BGH aus dem Jahr 1953 hatte ein in Westberlin ansässiges Unternehmen bei der Herstellerin 600 Bohrhämmer von einem Typ bestellt, der für die fortgeschrittene Bergbautechnik der Westzone nicht mehr modern genug war. Die Bestellerin beabsichtigte daher, die Bohrhämmer in die Ostzone weiterzuliefern. Das Vertragsangebot erfolgte durch ein Bestellschreiben, das der Herstellerin über das „Eisen- und Stahlbüro der DDR" zu einem Zeitpunkt zugeleitet wurde, in dem die „Berliner Blockade" bereits in Kraft getreten war. Dennoch begann die Herstellerin mit der Produktion von Teilmengen der Hämmer; die Mitteilungen hierüber ließ die Bestellerin jedoch unbeantwortet. Schließlich scheiterte die Weiterlieferung der Maschinen an die Behörden der DDR aufgrund der „Berliner Blockade", so dass die Bestellerin an diesen kein Interesse mehr hatte. Die Herstellerin verlangte hingegen die vereinbarte Vergütung. Der BGH bezweifelte, dass der Zweck der Weiterlieferung in die Ostzone „Vertragsinhalt i.S. einer echten Vertragsbedingung nach § 158 BGB geworden ist". Denn die Herstellerin hatte im Rahmen des Werklieferungsvertrags „kein eigenes Interesse daran, in welcher Weise die Beklagte über die Bohrhämmer zu verfügen beabsichtigte. Ihr eigenes Interesse an der Durchführung des Vertrages erschöpfte sich vielmehr in der vertragsgemäßen Abnahme und Bezahlung der Hämmer durch die Beklagte. Bei dieser Interessenlage wäre es nur gerechtfertigt gewesen, den Verwendungszweck der Hämmer als echte Vertragsbedingung zu werten, wenn ein dahingehender Parteiwille in den vertraglichen Abmachungen eindeutig zum Ausdruck gekommen wäre" 840 . Nach Ansicht des Gerichts war jedoch „die Lieferung der Bohrhämmer in die Ostzone und ihre Absetzbarkeit an ostzonale Bedarfsträger" „Geschäftsgrundlage geworden", da der Herstellerin erkennbar gewesen sei, „daß der Absatz der Häm838

Im Ergebnis ebenso: U. Huber, JuS 1972, S. 57, 60, allerdings mit der zu pauschalen Begründung, dass das Risiko der wirtschaftlichen Verwendbarkeit der Kaufsache in die Risikosphäre des Käufers falle. S39 BGH MDR 1953, S. 282 ff.; BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 12; beide Fundstellen geben nur einen - jeweils anderen - Teil der Entscheidungsgründe wieder. 840 BGH MDR 1953, S. 282 f.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

mer in der Ostzone für die Beklagte nicht nur den Beweggrund für die Bestellung bildete, sondern sich ihr Geschäftswille auf die Voraussetzung aufbaute, die Hämmer in der Ostzone absetzen zu können. Wenn die Klägerin bei dieser Sachlage die Bestellung vorbehaltlos bestätigte, so ist damit dieser Verwendungszweck der Hämmer zwar nicht Vertragsinhalt, wohl aber Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden" 841 . Der BGH billigte daher die vom Berufungsgericht vorgenommene „Anpassung der Vertragspflichten an die wirkliche Sachlage unter Berücksichtigung aller Umstände im Hinblick auf Treu und Glauben" „unter Abwägung der beiderseitigen Interessen- und Risikolage im Rahmen seiner aus § 242 BGB fließenden richterlichen Gestaltungsbefugnis". Die Vorinstanz hatte „eine Bindung der Beklagten an den strittigen Vertrag" in Höhe eines Viertels der Gesamtvergütung „für zumutbar erachtet" 842 . b) Die Entscheidung ist sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis zu kritisieren 843 . Zwar ist dem BGH darin zuzustimmen, dass die Vertragsparteien die Lieferung der Bohrhämmer in die Ostzone nicht stillschweigend als Bedingung vereinbart hatten. Denn nach den Feststellungen der Tatsacheninstanz waren beide Parteien übereinstimmend davon ausgegangen, trotz der bei Vertragsschluss bestehenden Blockade werde die Lieferung der Bohrhämmer in die Ostzone in absehbarer Zeit möglich sein 844 . Die Annahme einer vereinbarten Bedingung im Sinne des § 158 BGB wäre vor diesem Hintergrund als Fiktion anzusehen. Jedoch war die Vergütung auch bei derartigen gemeinsamen Vorstellungen in voller Höhe geschuldet, jedenfalls soweit die Bohrhämmer bereits hergestellt worden waren. Im übrigen wäre die Vergütung entsprechend § 649 BGB zu bemessen gewesen. Von entscheidender Bedeutung war auch in diesem Fall, welchen Verwendungszweck die Parteien als die geschuldete Nutzung der Lieferung der Bohrhämmer vereinbart hatten. Da keine ausdrücklichen Abreden hierüber bestanden, kam es darauf an, was objektiv im Verkehr als wertbildende Nutzung der Bohrhämmer angesehen wurde, auf welchem Verwendungszweck also ihr (Markt-) Wert und daher vermutlich auch der vereinbarte Preis beruhte. Als wertbildender Nutzen von Bohrhämmern kann indessen nur das „Bohren" als solches anerkannt werden. Dieses war jedoch mit den hergestellten Bohrern durchaus möglich, so dass keine Nutzungsstörung vorlag. Das Absatzgeschäft war demgegenüber allein Angelegenheit der Bestellerin. Dies gilt selbst dann, wenn der Weiterverkauf in die Ostzone aus der Sicht der Bestellerin die einzig mögliche Verwendbarkeit der Bohrhämmer bildete 845 . Denn

841 BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 12 Bl. 2. 842 BGH MDR 1953, S. 282, 283; BGH L M BGB § 242 (Bb) Nr. 12 Bl. 2 f. 843 Kritisch auch Flume, Festschrift für den DJT I, S. 135, 222 f.; U. Huber, JuS 1972, S. 57, 60, 65; Hartkopf, Leistungsstörungen, S. 227 f.; s. auch Görk, Einheit, S. 220 f. 844 BGH L M § 242 (Bb) BGB Nr. 12 Bl. 2.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

267

es kommt für die wertbildende Nutzung nicht auf die subjektiven Absichten des Gläubigers, als vielmehr auf den üblichen Verwendungszweck einer solchen Leistung an, wie sie die Parteien vereinbart haben. Da die Bohrhämmer wegen ihrer veralteten Technik nur noch in der Ostzone absetzbar waren, ist kaum anzunehmen, dass diese Möglichkeit zum Weiterverkauf zu einem höheren Wert der Bohrhämmer gefühlt hatte, wahrscheinlich ist sogar eher ein Preisabschlag gegenüber Bohrern moderneren Typs.

2. Der Chartervertragsfall a) In dem vom BGH im Jahr 1962 entschiedenen Chartervertragsfall 846 hatte ein Kohlenimporteur mit dem Reeder des Motorschiffs „B." einen als Frachtvertrag im Sinne der §§ 556 ff. HGB zu qualifizierenden Chartervertrag geschlossen, nach dem von November 1958 bis März 1959 konsekutive Kohlentransporte von Stettin nach west- und norddeutschen Ost- und Nordseehäfen erfolgen sollten. Nachdem die Bundesregierung mit Wirkung vom 16. Februar 1959 die Erhebung eines Kohleneinfuhrzolls angeordnet hatte, erklärte der Kohlenimporteur, dass er das Schiff für die restlichen vorgesehenen Reisen im Februar und März 1959 nicht mehr in Anspruch nehme, da der Import der Kohle durch die hoheitliche Maßnahme unrentabel geworden sei. Der BGH lehnte eine entsprechende Anwendung des § 629 HGB sowie der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ab. Die Möglichkeit eines nutzbringenden Absatzes der Güter gehöre in vollem Umfang zum Risikobereich des Befrachters, so dass dem Reeder die von ihm nach § 580 HGB geforderte Fautfracht in Höhe der halben vereinbarten Fracht für die unterbliebenen Reisen zustehe 847 . b) Die Entscheidung des BGH verdient jedenfalls im Ergebnis Zustimmung. Ergab sich aufgrund der Erhebung eines Kohleneinfuhrzolls eine Störung des Verwendungszwecks des Importeurs, der die Kohlen zum Zweck des rentablen Absatzes nach Deutschland einführen wollte, so kam es auf die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Nutzung der Leistung des Reeders an. Mangels ausdrücklicher Abreden auch über eine Beteiligung am Risiko des Importeurs war hierfür auf die wertbildende Nutzung der Transportleistungen abzustellen. Maßgeblich für die Höhe der Fracht war aber sicherlich nicht die Rentabilität der Einfuhr von Kohle nach Deutschland oder das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Einfuhrzöllen, sondern schlicht die Beförderung der oberschlesischen Kohle von Stettin zu den deutschen Seehäfen 848. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Reeder den rent845 Der Aspekt der „einzig möglichen Verwendbarkeit" wird für maßgeblich gehalten von Staudinger/J. Schmidt, BGB, § 242 Rn. 1314; Willoweit, JuS 1988, S. 833, 837. 546 BGH L M HGB § 629 Nr. 1.

547 BGH, L M HGB § 629 Nr. 1 Bl. 3 Ii. Sp.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

ablen Absatz der Kohle in Deutschland als geschuldete Nutzung seiner Transportleistung vereinbart hat. Es war daher die volle Vergütung unter Anrechnung ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs in Form der gesetzlich pauschalierten Fautfracht zu entrichten.

3. Der Tanzkapellenfall a) Eine dem berühmten Krönungszugfall und auch den Tanzlokalfällen ähnliche Konstellation lag dem OLG Karlsruhe im Jahr 1992 zur Entscheidung vor 8 4 9 . Eine Gruppe von Sport-, Musik- und Karnevalsvereinen beabsichtigte, in der örtlichen gemeindeeigenen Halle im Jahr 1991 Faschingsveranstaltungen durchzuführen und verpflichtete eine aus sechs Musikern bestehende Tanzkapelle, an zwei Abenden die musikalische Unterhaltung zu übernehmen. Als Entgelt sollten 75 beziehungsweise 70 Prozent der Eintrittsgelder an die Musiker ausbezahlt werden. Die Gemeinde verweigerte jedoch anlässlich des ausgebrochenen Golfkriegs „wegen der allgemeinen Krisenlage und aus Sicherheitsgründen" die Überlassung der Halle für die Faschingsveranstaltungen sowie die Erteilung der polizeirechtlichen Genehmigung für die vorgesehene Tanzveranstaltung und das Überschreiten der Sperrstunde. Nach den Feststellungen des Gerichts waren „wegen des am 18. 1. 1991 ausgebrochenen Golfkriegs ... in ganz Deutschland Faschings Veranstaltungen ... abgesagt worden. Das Abhalten von Faschingsveranstaltungen wurde von der Bevölkerung in Anbetracht der durch den Golfkrieg ausgelösten weltweiten Krisenstimmung und in Anbetracht des Kriegselends weitgehend abgelehnt. Daneben bestand die Gefahr von Anschlägen extremistischer Kriegsgegner auf öffentliche Veranstaltungen" 850. Die Musiker klagten auf Zahlung der Gagen in Höhe von DM 18.000, die bei Durchführung der beiden Veranstaltungen nach ihrer Auffassung voraussichtlich angefallen wären. Das OLG versagte entgegen der Vorinstanz den Vergütungsanspruch nach §§ 631, 649 Satz 1 BGB ebenso wie einen Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch nach §§ 642, 324 BGB a.F. oder wegen positiver Vertragsverletzung, da die Vereine die NichtVerfügbarkeit der Halle nicht zu vertreten hätten, noch diese in ihrem alleinigen Risikobereich gelegen habe. Die Musiker hätten sich „nach Treu und Glauben auf die Bedingung einlassen müssen, daß der Vertrag nur Geltung haben sollte, wenn die Halle zur Verfügung gestellt wurde und die öffentliche Meinung die Abhaltung der Veranstaltung rechtfertige". Es sei daher „die Verfüg848 Problematisch ist daher die Feststellung des BGH, L M HGB § 629 Nr. 1 Bl. 2 Ii. Sp. und insbesondere Bl. 3 Ii. Sp. über den objektiven Zweck des Vertrags: „Dem hier abgeschlossenen Frachtvertrag über polnische Importkohle liegt als objektiver Zweck zugrunde, den Befrachter durch die Beförderungsleistung instand zu setzen, die Kohle im Inland mit Gewinn zu verwerten." 849 OLG Karlsruhe, NJW 1992, S. 3176 ff. 850 OLG Karlsruhe, NJW 1992, S. 3176, 3177.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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barkeit der Halle und die allgemeine Bereitschaft der Bevölkerung für Faschingsveranstaltungen" beiderseitige Geschäftsgrundlage des Vertrags gewesen. Diese Geschäftsgrundlage für den Musikveranstaltungsvertrag sei mit der Folge entfallen, dass jede Partei ihre finanziellen Ausfälle selbst zu tragen hat 8 5 1 . b) Betrachtet man die Musiker wirtschaftlich als Mitveranstalter der Faschingsveranstaltungen, da sie mit 75 bzw. 70 % an den Eintrittseinnahmen beteiligt waren, so ergibt sich die Lösung des Falles bereits aus den Regelungen des BGB über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. War die Faschingsveranstaltung gemeinsamer Zweck der Vertragsparteien, so endigte die Gesellschaft nach § 726 BGB aufgrund der Unmöglichkeit der Erreichung ihres vereinbarten Zwecks. Gegenseitige Ansprüche bestanden dann von vornherein nicht. Nimmt man hingegen an, dass es sich bei dem Musikveranstaltungsvertrag lediglich um eine Art „partiarischen" Werkvertrag handelte, so ging es im Tanzkapellenfall um eine Unmöglichkeit der Leistung. Da die Gemeinde die Halle nicht zur Verfügung stellte sowie die polizeirechtliche Genehmigung nicht erteilte und daraufhin die Veranstaltungen abgesagt werden musste, entfiel das „Substrat", an dem die Leistung hätte erbracht werden können. Es war den Musikern deswegen unmöglich geworden, bei den Veranstaltungen aufzuspielen. Da es sich um keine Störung des Verwendungszwecks, sondern um eine schlichte Leistungsunmöglichkeit handelte, kam es in diesem Fall auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage ebenso wenig wie auf eine Nutzungsstörung an. Nach dem Prinzip von der Substratsgefahrtragung war es vielmehr entscheidend, ob sich das störende Ereignis unmittelbar und primär in der sozial erfassbaren Sphäre der Vereine niedergeschlagen hatte. Denn unter dieser Voraussetzung wäre es nach dem in das Schuldrecht hinein erweiterten Prinzip casum sentit dominus nicht zu rechtfertigen gewesen, die Folgen des die Vereine treffenden Zufalls auch nur teilweise dadurch auf die Musiker abzuwälzen, dass die versprochene Gage nicht zu erbringen ist. Hierfür sprach im vorliegenden Fall, dass die Faschingslustbarkeiten von den Vereinen veranstaltet wurden und sie daher für ihre gesamte Organisation einschließlich der Anmietung der Halle Sorge trugen. Die Weigerung der Gemeinde, die Halle zu vermieten und der dadurch verursachte Ausfall der Faschingsveranstaltungen bildete daher ein Ereignis, das sich primär und unmittelbar in dem Bereich der Vereine niedergeschlagen hatte. Erst mittelbar hierdurch wurde auch die Leistung der Musiker unmöglich. Ein anderes Ergebnis erscheint hingegen dann sachgerecht, wenn der Auftritt von Tanzkapellen, wie die Gruppe der engagierten Musiker, in der fraglichen Zeit wegen des Ausbruchs des Golfkriegs generell unmöglich gewesen war. Kam es nicht auf die Veranstaltung gerade der Vereine an, sondern wäre eine derartige Musikdarbietung wegen der bestehenden öffentlichen Meinung und der Verwaltungspraxis allgemein gar nicht möglich gewesen, so beruhte die Unmöglichkeit 851 OLG Karlsruhe, NJW 1992, S. 3176, 3177.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

der Leistung nicht auf dem Fehlen des von den Vereinen zur Verfügung zu stellenden Substrats. Vielmehr wäre dann bereits der Auftritt der Musiker ungeachtet der konkreten Veranstaltung und der konkreten Veranstaltungshalle unmöglich gewesen. Ob dies der Fall war, hat das OLG nicht festgestellt. Zwar ist der Auftritt von Tanzkapellen gewöhnlich nicht auf öffentliche Veranstaltungen beschränkt. Jedoch sprach hierfür insbesondere, dass das Abhalten von Faschingsveranstaltungen seinerzeit von der Bevölkerung weitgehend abgelehnt wurde und in ganz Deutschland derartige Veranstaltungen abgesagt worden waren. Es ist daher nicht ganz fernliegend, dass die Musiker im Februar 1991 auch keine anderweitigen Engagements erhalten hätten. Unter dieser Prämisse wäre der Entscheidung des OLG nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis zuzustimmen.

IV. Die Nutzungsstörung beim Darlehen 1. Die Zweckneutralität des Darlehensvertrags a) Nach allem löst sich das eingangs dargestellte Dilemma der Rechtsunsicherheit, für das der Streit um die vorzeitige Rückführung von Darlehen mit fester Laufzeit 852 nur ein neuerliches Symptom ist: Der Widerstreit zwischen Vertragstreuegedanken und Rechtsempfinden, dem man mit den Figuren des Umweltfehlers und der Geschäftsgrundlage Herr zu werden versuchte, wird in Wahrheit bereits durch das geltende Leistungsstörungsrecht bewältigt. Einer dritten, gleichsam zwischen den Beweggründen und dem Vertragsinhalt angesiedelten Kategorie der Geschäftsgrundlage bedarf es daher ebensowenig wie einer Subsumtion unter die Sachmängelvorschriften in Fällen, in denen die Sache selbst keineswegs mit einem Mangel behaftet ist. Denn nachdem die beschriebenen Wertentscheidungen und Regelungsmuster aufgedeckt und diese als konstitutive Elemente des bürgerlichen Rechts erfasst sind, ist das für den heutigen Rechtszustand konstatierte Defizit an Figuren und Regeln behoben. Indem die Kategorie von der Nutzungsstörung den Blick freigibt für die Bedeutsamkeit der sich aus sämtlichen Umständen des Vertragsschlusses ergebenden vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Verwendungszwecks, können auch die Fälle der Störung des Verwendungszwecks nach dem althergebrachten Gefahrtragungsregeln beurteilt werden: Soweit der Schuldner einen Verwendungszweck als Element seiner Leistung versprochen hat, muss er für dessen zufällige Störung mit seinem Anspruch auf die Gegenleistung einstehen, es sei denn, die Störung wurde durch ein Ereignis bewirkt, das seinen Niederschlag ursprünglich im Bereich des Gläubigers gefunden hatte. Das Vergütungsrisiko bemisst sich also in den Fällen der Störung des Verwendungszwecks wie allgemein im Leistungsstörungsrecht nach den Grundpfeilern der privatautonomen Abreden und dem Gerechtig852

s. oben u. 1. Kap. Α. I. und II.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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keitspostulat des Satzes casum sentit dominus. Der scheinbar bestehende Mangel an Gefahrtragungsregeln, der für die herrschende Meinung eine judizkonforme Entscheidung erschwert und nicht selten verhindert, reduziert sich damit auf das Erfordernis, die jeweils gesetzestreue Entscheidung aus den Grundprinzipien des bürgerlich-rechtlichen Leistungsstörungsrechts abzuleiten. b) Ist der auf den ersten Blick bestehende „Mangel an Recht" derart behoben, so ist auch die Lösung der eingangs dargestellten und vom BGH entschiedenen Fäll e 8 5 3 hinsichtlich der Frage des Verwendungsrisikos durch einfache Subsumtion zu gewinnen. Im Falle der Anwendbarkeit der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu geschaffenen Regelung des § 490 Abs. 2 BGB n.F. wären die Fälle nach dieser Vorschrift zu entscheiden. Nach bisherigem Recht beurteilt sich die Entscheidung der Streitfrage, ob mit einer Festzinsvereinbarung ausgestattete Darlehen, bei denen folglich auch das Recht zur ordentlichen Kündigung abbedungen war, vorzeitig vom Darlehensnehmer gekündigt werden können, wenn er aus wirtschaftlichen Gründen die durch Grundpfandrechte besicherten Finanzierungsobjekte benötigt, zunächst danach, ob die Kreditinstitute den vereitelten Verwendungszweck in ihr Leistungsversprechen aufgenommen hatten. Für Gelddarlehen muss aber als generelle Grundregel gelten, dass die Nutzbarkeit von darlehensweise hingegebenen Geldmitteln zu einem bestimmten Zweck regelmäßig keinen Eingang in die vertragliche Leistungsabrede findet. Denn für Geld gibt es keinen speziellen Verwendungszweck, auf dem der zwischen den Parteien vereinbarte Zins beruhen könnte. Geld ist vielmehr in seiner Funktion als gesetzliches Zahlungsund damit Tauschmittel geradezu paradigmatisch für ein fast universell einsetzbares und daher für mannigfache Zwecke verwendbares Gut. Der Marktwert einer Darlehenshingabe, der seinen Ausdruck in der Höhe der als Gegenleistung zu entrichtenden Zinsen findet, bemisst sich daher auch nicht nach dem vom Darlehensnehmer beabsichtigten Verwendungszweck. Ob ein Darlehen für private Konsumzwecke, für eine gewerbliche Investition oder für die Ablösung einer anderen fälligen Darlehensschuld verwendet wird, hat in der Regel keinen Einfluss auf den ausbedungenen Zinssatz. Hierfür ist vielmehr eine Vielzahl von anderen Gesichtspunkten maßgeblich, zu denen insbesondere die Laufzeit des Darlehens, die Bonität des Darlehensnehmers und die gewährten Kreditsicherheiten zählen. Der Darlehensgeber verspricht daher in aller Regel selbst dann keinen Verwendungszweck als Element seiner Leistungspflicht, wenn er den Darlehensnehmer im Rahmen der Werbung oder auch der individuellen Beratung auf bestimmte Möglichkeiten zur Verwendung der Geldmittel noch besonders hinweist 854 .

853 BGH NJW 1997, S. 2875 ff. = BGHZ 136, S. 161 ff. und BGH NJW 1997, S. 2878 ff. 854 Etwas anderes kann freilich unter Umständen etwa in den Fällen gelten, in denen der Darlehensgeber selbst oder ein mit ihm eng verbundener Dritter gleichzeitig Partner desjenigen Vertrags Verhältnisses ist, dessen Gegenleistung durch das Darlehen finanziert werden soll; vgl. etwa Esser/Weyers, Schuldrecht II, § 9 III 3, S. 102 ff.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

c) Die „Zweckneutralität" des Darlehensvertrags findet auch keine generelle Ausnahme bei mit Grundpfandrechten besicherten Baudarlehen, wie sie auch in den beiden vom BGH entschiedenen Fällen gewährt worden waren. Hier erfolgt zwar jeweils eine eigentümliche und immanente Verknüpfung von Darlehen, Verwendungszweck und Kreditsicherheit, indem der Darlehensnehmer in der Regel sogar vertraglich dazu verpflichtet ist, das Darlehen ausschließlich zur Finanzierung von bestimmten Bau- und Baunebenkosten zu verwenden 855. Jedoch wird diese Zweckbindung der Darlehenshingabe nicht wie sonst bei vereinbarten Verwendungszwecken im Interesse des Gläubigers der Hauptleistung, sondern ausschließlich im Interesse des Darlehensgebers vereinbart, dem naturgemäß an einer Werthaltigkeit seiner Kreditsicherheit gelegen ist. Eine solche Abrede über den Verwendungszweck beinhaltet daher weder eine Spezifikation der Leistung des Darlehensgebers noch korrespondiert sie mit einem erhöhten Marktwert des Darlehens. Die Höhe der Zinsen beruht nicht etwa in der Weise auf dem Verwendungszweck, dass der Darlehensnehmer mit der vertraglich vereinbarten Nutzung einen bestimmten „Mehrwert" der der Leistung erhielte, für den er den Zins entrichtet. Vielmehr bedeutet die Verknüpfung des Darlehens mit dem Verwendungszweck umgekehrt eine Einschränkung des Darlehensnehmers gegenüber der sonst bestehenden Möglichkeit, über die Nutzung der Geldmittel frei zu entscheiden. Der Marktwert von derartigen Baudarlehen ist daher aufgrund des „vereinbarten Verwendungszwecks" und der zu bestellenden Grundpfandrechte sogar erheblich geringer, was auch regelmäßig seinen Ausdruck in einem entsprechend niedrigeren effektiven Zinssatz für grundpfandrechtlich besicherte Darlehen findet.

2. Das Verwendungsrisiko des Darlehensnehmers a) War den Darlehensnehmern in den Ausgangsfällen mithin über die Hingabe der Darlehensvaluta hinaus vertraglich kein weiteres Leistungselement versprochen worden, hatten sie vielmehr die Einschränkung des Verwendungszwecks zur Verbilligung des Zinssatzes nur hingenommen, so erscheint es von vornherein als ausgeschlossen, den Darlehensgebern die Störung des - nur insoweit vertraglichen Verwendungszwecks entgegenzuhalten. Die Darlehensgeber hatten dann mit der Hingabe der Valuta ihre Leistung voll erbracht. Der Wert der Leistung wurde durch das Bedürfnis der Darlehensnehmer, das Hausgrundstück zu verkaufen bzw. das Grundstück in eine umfassendere Finanzierung einzubeziehen, objektiv nicht geschmälert. Es lag daher gerade keine Nutzungsstörung vor, so dass die Darlehensnehmer die Gegenleistung in Form der ausbedungenen Zinsen weiter zu entrichten hatten.

855 BGH NJW 1988, S. 263, 264; Palandt/Putzo, BGB, Vorb. v. § 488 Rn. 14; MünchKomm/Westermann, BGB, § 607 Rn. 80; Reichel, AcP 136 (1932), S. 169, 170 ff.; Köndgen, Gewährung, S. 156 f.: „vertraglich vereinbarter Verwendungszweck".

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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b) Es kam daher in den vom BGH im Sommer 1997 entschiedenen Fällen nicht mehr entscheidend auf die Frage an, ob sich der die Verwendung vereitelnde Umstand ursprünglich in der „Sphäre" des Darlehensnehmers niedergeschlagen hatte. Dass dem Darlehensnehmer das Vergütungsrisiko gemäß dem Prinzip casum sentit dominus zuzuweisen war, ergab sich vielmehr bereits daraus, dass es an einer Einbeziehung des Verwendungszwecks als Element der Leistung in die vertragliche Leistungsabrede fehlte. Der Begründung des XI. Senats, die Ursache für den Wunsch nach einer vorzeitigen Darlehensablösung habe „in der Person" des Darlehensnehmers gelegen 856 , kam also eigentlich keine Bedeutung zu. Die Frage, ob der die Zweckstörung bewirkende Umstand gerade den Darlehensnehmer traf oder ob es sich um „höhere Gewalt" handelte oder gar um Vorkommnisse, die jeden vergleichbaren Darlehensnehmer ebenso getroffen hätten, ist eben in derartigen Fällen generell unmaßgeblich. Sei es, dass der Bankkunde eine Umschuldung wegen einer Veränderung des Zinsniveaus betreibt 857 , sei es, dass das mit dem Darlehen zu finanzierende Geschäft gescheitert ist, sei es, dass der Darlehensnehmer plötzlich anderweit einen Zuwachs an Liquidität erfährt oder sei es, dass er seinen Arbeitsplatz wechseln muss oder seine Ehe geschieden wird 8 5 8 , jeweils ist das Verwendungsrisiko bereits mangels einer Nutzungsstörung dem Darlehensnehmer zuzuweisen. Ebenso ist zu entscheiden, wenn das in Aussicht genommene Bauvorhaben überraschend an einer fehlenden Baugenehmigung scheitert. Selbst in dem realitätsfernen Fall, dass ein Gesetzgeber das Errichten von Gebäuden generell verbieten würde, ginge ein derartiger beabsichtigter Verwendungszweck den Darlehensgeber letztlich nichts an. Denn in aller Regel umfasst der geldwerte Nutzen von Darlehen objektiv keinen bestimmten Verwendungszweck, so dass eine Verwendbarkeit auch nicht zu einem Element der Leistung des Darlehensgebers wird. Die Störung eines beabsichtigten Verwendungszwecks kann daher von vornherein nicht in den Risikobereich des Darlehensgebers fallen. Im Darlehensrecht gilt mithin so uneingeschränkt wie sonst wohl nirgends der Grundsatz, dass die weitere Verwendbarkeit des Darlehens allein in den Risikobereich des Darlehensnehmers fällt, er mithin das sog. Verwendungsrisiko trägt.

3. Die Unanwendbarkeit der Geschäftsgrundlagenlehre Jedenfalls im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung, ist daher dem BGH darin zuzustimmen, dass bei einer Störung des Verwendungszwecks eines Darle856 BGH NJW 1997, S. 2875, 2876; BGH NJW 1997, S. 2878. 857 AG Dortmund, W M 1996, S. 1136. 858 Für eine Differenzierung nach derartigen Ursachen etwa MünchKomm/Westermann, BGB, § 608 Rn. 6; Bruchner, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 78 Rn. 101; Metz, ZBB 1994, S. 205, 210. 18 Quass

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

hens eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt 8 5 9 . Im Schrifttum wurde demgegenüber erwogen, „aufgrund der herrschenden Praxis" grundsätzlich gemäß § 157 BGB davon auszugehen, „daß die Parteien ,mit Rücksicht auf die Verkehrssitte' stillschweigend ihren Vereinbarungen die Abmachung zugrundelegen, daß bei Hausverkauf eine Entlassung aus dem Vertrag gegen Entschädigung erfolgt" 860 . Ergänzend wurde zur Legitimation der Loslösung vom Vertrag vorgeschlagen, „zumindest" die Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage heranzuziehen, deren Anwendung hier insbesondere aufgrund einer „Abwägung zwischen den Grundrechten der Vertragsfreiheit der Kreditgeber (Art. 2 GG) und des Grundeigentums der Kreditnehmer (Art. 14 GG)" gerechtfertigt sein soll 8 6 1 . Ob aus derartigen Gesichtspunkten konkrete Maßstäbe abgeleitet werden können, bleibt zweifelhaft. Jedenfalls setzt aber eine derartige, im Wege einer sog. ergänzenden Vertragsauslegung 862 beschworene Anpassung an „veränderte Umstände, deren Beachtung redlicherweise bei Vertragsschluß hätte verlangt werden können" in jedem Fall ein Bewusstsein davon voraus, was als „redlicher" Vertragsinhalt zu gelten hat. Derartigen Interpretationen ist daher entgegenzuhalten, dass die Unterstellung einer derartigen Vereinbarung regelmäßig eine Fiktion darstellt, durch die eine Abrede in den Vertrag hineingedeutet wird, die inhaltlich dem entspricht, was man sich unter einer gerechten Lösung des Konflikts vorstellt. Die Frage, wie denn diese gerechte Lösung auszusehen hat, wird aber gerade durch die Gefahrtragungsregeln des bürgerlichen Rechts beantwortet. Im Fall der Störung des Verwendungszwecks von Darlehen folgt aus diesen Regeln, dass das Verwendungsrisiko vom Darlehensnehmer zu tragen ist. Sieht man einmal von der gundsätzlichen Fragwürdigkeit der Rechtsfigur der Geschäftsgrundlage ab, ist daher im Ergebnis mit dem BGH eine Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage in den Ausgangsfällen bereits deshalb abzulehnen, weil die Darlehensnehmer nach der gesetzlichen Risikoverteilung das Verwendungsrisiko zu tragen haben 863 .

859 BGH, NJW 1997, S. 2875, 2876 und BGH NJW 1997, S. 2878; ebenso bereits BGH NJW 1982, S. 432, 433; BGH NJW-RR 1986, S. 467; BGH NJW 1990, S. 981; BGH NJW 1991, 1817; BGH NJW 1994, S. 2693; s. auch Weber, NJW 1995, S. 2951 ff. 860 Reifner, NJW 1995, S. 86, 89. 861 Reifner, NJW 1995, S. 86, 89; ähnlich Metz, ZBB 1994, S. 205, 210. 862 s. hierzu oben u. 2. Kap. C. II. 863 s. auch bereits BGH NJW 1990, S. 981; ebenso Früh, NJW 1999, S. 2623, 2625; nach Köndgen, Gewährung, S. 157, soll in Fällen, in denen die vorzeitige Darlehenstilgung auf einer beabsichtigten Veräußerung der Immobilie beruht, § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB analog anzuwenden sein; dagegen zu Recht Wenzel, NJW 1995, S. 1433, 1435, da die kreditfinanzierte Immobilie nicht das Leistungssubstrat ist, an dem die Leistung des Darlehensgebers zu erbringen wäre.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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4. Die Rechtsfolgen der Risikoverteilung beim Darlehensvertrag a) Die eigentlichen Schwierigkeiten bei der Lösung der vom BGH entschiedenen Fälle beginnen indessen bei der Überlegung, welche Rechtsfolgen im einzelnen gelten sollen, wenn der Darlehensnehmer aufgrund einer Störung des Verwendungszwecks die vorzeitige Tilgung seines Darlehens begehrt. Zwar wäre dies im Grundsatz einfach zu beantworten: Die Zuweisung des Verwendungsrisikos an den Darlehensnehmer bedeutet, dass dieser trotz der geltend gemachten, den Verwendungszweck vereitelnden Umstände an seinen vertraglichen Pflichten festgehalten wird und daher insbesondere die Gegenleistung in Form der vereinbarten Zinsen erbringen muss. Auch der XI. Senat ließ dem entsprechend in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung 864 in den beiden eingangs genannten Entscheidungen jeweils keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Darlehensnehmer sich aufgrund der Zweckstörung nicht von seinen vertraglichen Verpflichtungen befreien kann. Aus der von den Kreditinstituten zu Recht eingeforderten Vertragskontinuität würde dann jedoch folgen, dass die Darlehensnehmer weder die Zahlung der bedungenen Zinsen verweigern, noch die Darlehensvaluta vorzeitig zurückzahlen dürften. Dem entspricht das Credo der jedenfalls bis zu den beiden Urteilen des XI. Senats vorherrschend vertretenen Auffassung, nach der die vorzeitige Rückzahlung der Darlehensvaluta ausschließlich auf der Grundlage eines frei auszuhandelnden Aufhebungsvertrags erfolgen kann, in dessen Rahmen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung privatautonom - wenn auch zumeist in Anlehnung an die durch die vorzeitige Tilgung entstehenden Einbußen des Darlehensgebers - zu vereinbaren wäre 865 . b) Das höchste deutsche Zivilgericht entschied sich in dem genannten Streit bekanntlich für das Lager derer, die dem Darlehensnehmer von Gesetzes wegen ein Recht zur vorzeitigen Tilgung zubilligen wollen 866 . Nach Auffassung des BGH habe der Darlehensgeber zwar „grundsätzlich einen Anspruch auf die unveränderte Einhaltung der eingegangenen Vertragspflichten". Es sei „der Tilgungs- und Verzinsungsplan jedes Kreditvertrages ... Bestandteil seiner geschäftlichen Kalkulation, deren Störung er ohne berechtigten Grund nicht hinzunehmen" brauche 867 . Der „Grundsatz der Vertragstreue" erfahre „jedoch bei Dauerschuldverhältnissen dann Ausnahmen, wenn berechtigte Interessen eines Vertragsteils dies gebieten". Der BGH führte insoweit ins Feld, dass dem Kreditnehmer „die anderweitige Verwertung des belasteten Gegenstands faktisch unmöglich gemacht" werde, wenn „der Darlehensgeber den Kreditnehmer auch bei einem beabsichtigten Verkauf des 864 Vgl. d i e oben u. 1. Kap. Α. I. Genannten. 865 Vgl. die oben u. 1. Kap. Α. I. Genannten. 866 Vgl. die oben u. 1. Kap. Α. I. Genannten. 867 BGH NJW 1997, S. 2875, 2876 f.; zu den Entscheidungsgründen s. auch bereits oben u. 1. Kap. Α. I. 18*

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

beliehenen Objekts an der unveränderten Durchführung des Darlehensvertrages festhalten" dürfte. Nach Ansicht des Gerichts läge darin „ein Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Kreditnehmers, die das Gesetz - wie § 1136 BGB zeigt - gerade auch bei der grundpfandrechtlichen Belastung von Grundstücken gewahrt wissen w i l l " 8 6 8 . Zudem habe die vorzeitige Kreditabwicklung hier „nicht eine Beseitigung der vertraglichen Bindung, sondern letztlich nur eine vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung zum Ziel". Die vom Kreditnehmer angestrebte Änderung des Kreditvertrags erschöpfe „sich somit letztlich in der Beseitigung der vertraglichen - zeitlich begrenzten - Erfüllunssperre, d. h. in einer Vorverlegung des Erfüllungszeitpunktes" 869. Schließlich sei dem Kreditgeber „in derartigen Fällen eine vorzeitige Kreditabwicklung auch zumutbar, wenn er dadurch keinen finanziellen Nachteil erleidet". Da der Anspruch „auf eine vorzeitige Kreditabwicklung seine Rechtfertigung in der Erhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit" finde, komme es im übrigen „auf den Beweggrund für den Verkauf des beliehenen Objekts nicht an" 8 7 0 . Nach dem BGH stand daher den Kreditnehmern im Ergebnis „ein Anspruch auf Einwilligung in die vorzeitige Kreditabwicklung gegen eine die Interessen" des Darlehensgebers „wahrende Vorfälligkeitsentschädigung" zu. Der Darlehensgeber könne daher „nur den Ausgleich der Nachteile beanspruchen," die ihm durch die vorzeitige Kreditabwicklung entstehen. Der für erforderlich gehaltene Schutz der „wirtschaftlichen Handlungsfreiheit" führe daher zu einem Anspruch auf „Modifizierung des Vertragsinhalts ohne Reduzierung des Leistungsumfangs " 8 7 1 . Diese Rechtsprechung wurde sodann durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB n.F. kodifiziert. c) Beleuchtet man das Ergebnis der Entscheidungen des BGH, so wird deutlich, dass die einzige wirkliche „Modifikation des Vertragsinhalts" darin bestehen soll, dass der Darlehensnehmer das Recht erlangt, die Darlehensvaluta vorzeitig zurückzuzahlen. An der Gegenleistungspflicht, dem „Leistungsumfang" also, soll sich hingegen durch die „vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung" in der Sache nichts ändern 872 . Dem liegt offenbar der Gedanke zugrunde, dass der Darlehensgeber zwar durch die Tilgung den Anspruch auf die Darlehenszinsen verliert 8 7 3 , er jedoch dadurch „keinen Nachteil" erleidet, weil sich dieser Anspruch, 868 BGH NJW 1997, S. 2875, 2877. 869 BGH NJW 1997, S. 2875, 2876. 870 BGH NJW 1997, S. 2875, 2877. 871 BGH, NJW 1997, S. 2875, 2876 f., Hervorheb. nicht i. O.; bestätigt durch BGH NJW 1998, S. 592, 593: „Die Vorfälligkeitsentschädigung dient - ähnlich wie Schadensersatz dem Ausgleich der Nachteile, die die kreditgebende Bank durch die vorzeitige Rückzahlung der Darlehens valuta erleidet." S. zur Berechnung der Vorfälligkeits- bzw. Nichtabnahmeentschädigung auch BGH DB 2001, S. 33 ff. 872 Ebenso Früh, NJW 1999, S. 2623, 2624. 873 s. hierzu grundlegend Mülbert, AcP 192 (1992), S. 447 ff., unter Hinweis auf das Fortleben der Real Vertragstheorie und des Akzessorietätsgrundsatzes.

C. Die Nutzungsstörung in der konkreten Fallanwendung

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quasi eine juristische Sekunde später, in einen Anspruch auf den „Ausgleich der Nachteile" verwandelt, die ihm „durch die vorzeitige Kreditablösung entstanden" sind. Der Darlehensgeber erhält also anstelle des Primäranspruchs auf die Vertragszinsen einen Sekundäranspruch auf das Erfüllungsinteresse. Damit wird aber fraglich, ob es der Rechtsfigur der Vorfälligkeitsentschädigung überhaupt bedarf. Denkbar wäre es demgegenüber, ebenso wie in anderen Fällen der im Risikobereich des Gläubigers liegenden Störung des Verwendungszwecks, eine Gesamtanalogie zu den leistungsstörungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 326 Abs. 2 Satz 2, 537 Abs. 1 Satz 2, 615 Satz 2, 649 Satz 2 BGB zu bilden. Da der Darlehensnehmer das Verwendungsrisiko zu tragen hat, erlöschen seine Zinszahlungsverpflichtungen durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens nicht 874 . Die vorzeitige Tilgung des Darlehens könnte jedoch insoweit Berücksichtigung bei der Berechung der vom Darlehensnehmers geschuldeten Zinsen finden, als der Darlehensgeber entsprechend dem in den genannten Bestimmungen positivierten Grundsatz von der Vorteilsausgleichung dasjenige anrechnen müsste, was er infolge der vorzeitigen Tilgung an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung der Darlehensvaluta erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Im Ergebnis würde sich hierdurch im Vergleich zur Vorfälligkeitsentschädigung nichts ändern. Wie auch immer man ein Recht des Darlehensnehmers auf eine vorzeitige Tilgung der Darlehensverbindlichkeit begründet, wäre dadurch eine systemkonforme, über die einzelnen Vertragstypen hinausreichende „harmonische" Abschwächung des dem Darlehensnehmer zugewiesenen Vergütungsrisikos erreicht. Hingegen wird durch die Figur der Vorfälligkeitsentschädigung weder ein dogmatischer noch ein praktischer Vorteil erlangt. Denn indem bereits der um die Vorteilsausgleichung gekürzte Primäranspruch auf Geld in Form von Zinsen gerichtet ist, unterscheidet sich die Vorfälligkeitsentschädigung von ihm im Ergebnis nicht. Vielmehr sind hier wie dort die Vorteile, die dem Darlehensgeber durch die vorzeitige Tilgung des Darlehens erwachsen, dem Kreditnehmer anzurechnen, sei es nach den schadensersatzrechtlichen Grundsätzen von der Vorteilsausgleichung, die bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung entsprechend § 249 Satz 1 BGB zu beachten sein sollen, oder sei es nach einer Vorteilsausgleichung in Gesamtanalogie zu den leistungsstörungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 326 Abs. 2 Satz 2, 537 Abs. 1 Satz 2, 615 Satz 2, 649 Satz 2 BGB. Bleibt der Anspruch auf die Darlehenszinsen trotz einer vorzeitigen Ablösung des Darlehens bestehen, so bedarf es gar nicht des quasi-schadensrechtlichen Sonderwegs, den man im Darlehensrecht mit der Figur der „Vorfälligkeitsentschädigung" eingeschlagen hat. Im Vergleich zur Vorteilsausgleichung wirkt die Vorfälligkeitsentschädigung, die dem Darlehensgeber den Primäranspruch nimmt, um ihm dann einen Sekundäranspruch zu gewähren, unnötig kompliziert und gekünstelt. Hat die vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung, die in der Rückzah874 Mülbert, AcP 192 (1992), S. 447, 483.

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3. Kap.: Die Störung des Verwendungszwecks als Leistungsstörung

lung des Darlehens besteht - abgesehen von der Anrechnung der Vorteile nach Maßgabe der §§ 326 Abs. 2 Satz 2, 537 Abs. 1 Satz 2, 615 Satz 2, 649 Satz 2 BGB - keine Auswirkungen auf den Bestand des Anspruchs auf die Darlehenszinsen, so würde sich vielmehr auch das Darlehensrecht harmonisch in ein Schema einfügen, das offenbar für alle gegenseitigen Vertragsverhältnisse Geltung beansprucht. Anstelle des im Schuldrecht für den Fall der Nichtabnahme der Leistung in allen anderen Vertragstypen fremdartigen Sekundäranspruchs bliebe es dann auch im Darlehensrecht im Falle der vorzeitigen Tilgung der Schuld bei einem Primäranspruch auf die vertraglichen Zinsen, der lediglich um eine leistungsstörungsrechtliche Vorteilsausgleichung zu kürzen wäre.

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Personen- und Sachregister Alciatus, Andreas 40, 46 Apothekenkonzessionsfall 91, 96, 262 Äquivalenzprinzip 89-92, 96, 98-99, 187 Aussteuerfall 69, 74, 77, 94, 97, 129, 174, 176, 179 Baldus de Ubaldis 39, 46, 53, 155 Bartolus de Sassoferato 39, 46, 154-155 Bauerwartungsland, Kauf von 16, 26, 105, 112, 180, 248-251 Benzintankanlagenfall 16, 20, 116-117, 119, 121, 129, 238 Betriebsrisikolehre 211-213,220 Beuthien, Volker 122, 124-132, 185, 193, 220-222, 224-226 Bierlieferungsfall 254 Bockel, Fritz 78 Bohrhämmerfall 265 Brox, Hans 77,79,83, 180,211 Chartervertragsfall 267 Chiotellis, Aristide 83, 89-91, 93, 96-98, 262 clausula 38, 40-42, 45-47, 78, 86, 104, 134, 156 Cocceji, Heinrich von 5,40,42, 46 Dernburg, Heinrich 80,210,282 Drehtürfall 115, 117,252 Eberhard, J. H. 43, 46 Einkaufszentrumfälle 241 Erklärungstheorie 70 - 71, 73 Ernst, Wolfgang 137, 139, 144 Fertighausfall 89-90, 95-97, 255, 257258 Fikentscher, Wolfgang 25, 61, 83, 87-89, 93, 95-96, 109, 212, 219-220, 222, 233, 256, 262

Flume, Werner 15, 22-23, 32, 35-36, 52-53, 61-62, 65-66, 71, 76-77, 80-85, 92, 95, 99, 109, 116, 119-122, 124-129, 132, 170, 174, 176, 182, 185, 188-189, 212, 232-234, 245, 263, 266 Frostertunnelfall 19,201,208 Fußballspielerfall 260 Gaststätteninventarfall 257, 259 Geschäftszweck, Lehre vom 105-113, 115, 117 Grotius, Hugo 40-42,46, 155-156 Häsemeyer, Ludwig 92-93,99 Henssler, Martin 101-102 Hotelpachtfall 246 Hotelzimmerfall 179-180 Internatsfälle 215-216 Kaufmann, Erich 86 - 87,93 - 94 Kegel, Gerhard 100 Kirchenportalfall 18 Kopp, Carl Philipp 43, 46 Krönungszugfall 15, 56, 61-62, 67, 73, 78, 92, 94, 100, 102, 112, 120-121, 123, 125, 127, 130, 167, 170, 174-175, 186, 195-197, 230, 232, 234, 268 Krückmann, Paul 55, 87-88, 93-95, 110 Landpacht 133-138, 140-141, 146, 157, 163-165, 174, 231 Larenz, Karl 30-31, 68, 78, 114-119, 127, 129,253 Lehmann, Heinrich 78 Leistungsbegriff 183, 185-186, 194 Lembke, Gerd 100-101 Leonhard, Rudolf 79-80 Leyser, Augustin von 42-43,46, 156 Locher, Eugen 47, 87, 106-113, 115, 117-118, 169

Personen- und Sachregister Marika-Rökk-Fall 123,129-130,244 Medicus, Dieter 66,80-82 Oertmann, Paul 25, 34, 47, 58-65, 68, 75, 87, 113, 120, 185,237 Picker, Eduard 204,212-213 Pillius de Medicina 38, 46 remissio mercedis 133-134, 137-138, 152-155, 159-164 Richtigkeitsfunktion des Vertrags, Lehre von der 53, 65, 67, 75, 77 Rothoeft, Dietrich 92-93,99 Scheunenbrandfall 198 Schiffsschleppfälle 18,221,224,226 Schmidt-Rimpler, Walter 53, 65-69, 7 2 77 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 33, 36, 188,211,223, 271,276 Schürmann-Bau-Entscheidung 201 Servius 138-141,144-147,149,151 -153 Sphärentheorie 219-220,223,225-226 Spielautomatenfall 263-264 Substratsrisiko 198, 209, 216-217, 221 Tanzkapellenfall 268-269 Tanzlokalfälle 16, 20, 121, 123, 129, 170, 235,268 Teneriffareise-Entscheidung 198 -199 Tierkörperverwertungsanlage-Entscheidung 200, 209

303

Ulpian 138 Umweltfehler, Lehre vom 20-24, 32, 105, 127, 133, 173, 185, 233, 236, 250, 261, 270 Unzumutbarkeit, Kriterium der 27-28, 3 0 33, 86, 8 9 - 91, 93, 95-99, 104-105, 137, 142, 186,215, 260 Venusberg-Entscheidung 20, 236 Vertragsauslegung, ergänzende 37, 77, 7 9 82, 84-85, 88, 116, 249, 251,274 Vertragszweck, Lehre vom objektiven 26, 28-29, 92, 95, 102, 109, 114-119, 121, 186, 240 Voraussetzung, Lehre von der 48-52, 5 4 59, 65,67, 79, 87, 134, 186 Vorfälligkeitsentschädigung 12-14, 275277 Vorhersehbarkeit, Kriterium der 30, 9 9 105, 186, 251 Weber, Adolph Dieterich 43-44,46 Wieacker, Franz 91-93, 96, 99, 183 Willenstheorie 52,70-71, 114 Windscheid, Bernhard 45, 48-59, 61, 64, 67-68, 75, 87-88, 134,218 Zitelmann, Ernst 181 -183, 185-188, 194 Zweckeignung, Lehre von der vereinbarten 122-124,127,130-131 Zweckerreichung 17, 20, 115, 123, 131, 194, 197, 207, 222, 227 Zweckvereitelung 17, 19-20, 107, 114, 197-198, 201,203, 221,227