Die Österreichische Schule der Nationalökonomie: Markt und unternehmerische Kreativität 3902466030, 9783902466037

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Die Österreichische Schule der Nationalökonomie: Markt und unternehmerische Kreativität
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Friedrich August v. Hayek Institut

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¨ sterreichische Schule der Die O Nationalo¨konomie – Markt und unternehmerische Kreativita¨t Jesu´s Huerta de Soto

Deutsche Erstausgabe Aus der Serie The International Library of Austrian Economics Band 12 Friedrich August v. Hayek Institut Barbara Kolm-Lamprechter, ed.

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Deutsche Erstausgabe Die spanische Ausgabe erschien bei Editorial Sintesis unter dem Titel „La escuela austriaca mercado y creatividad ???????????? “ Aus der Serie: The International Library of Austrian Economics Band 12 Übersetzung: Ingolf Gu¨nter Krumm Korrektur: Philipp Bagus und Guido Zimmermann Friedrich A. v. Hayek Institut Barbara Kolm-Lamprechter, ed. Wipplingerstraße 25, A-1010 Wien Tel +43/1/53451/218 Fax +43/1/53451/233 [email protected] www.hayek-institut.at Erste Auflage 2006 ISBN 3-902466-03-0 „Printed in Austria Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfa¨ltigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder anderes Verfahren) ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfa¨ltigt oder verbreitet werden.“

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Inhaltsverzeichnis Der Autor

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Vorwort von Prof. Socher

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Einleitung

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1. Die Grundsa¨tze der Österreichischen Schule 1.1. Theorie des Handelns versus Theorie der Entscheidungen 1.2. Subjektivismus versus Objektivismus 1.3. Unternehmer versus Homo Oeconomicus 1.4. Unternehmerische Fehlentscheidungen versus a posterioriRationalisierung von Entscheidungen 1.5. Subjektive Information versus objektive Information 1.6. Unternehmerischer Koordinationsprozess versus neoklassisches Gleichgewichts-Modell 1.7. Subjektiver versus objektiver Kostencharakter 1.8. Verbaler Formalismus versus mathematischer Formalismus 1.9. Theorie und Empirie: Unterschiedliche Auffassungen bei der Prognose 1.10. Schlussfolgerungen

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2. Wissen und die Rolle der Unternehmer 2.1. Definition unternehmerischen Handelns 2.2. Information, Wissen und Unternehmertum 2.3. Subjektives und praktisches Wissen 2.4. Privates und verstreutes Wissen 2.5. Stillschweigendes, nicht artikulierbares Wissen 2.6. Der kreative Charakter unternehmerischen Handelns 2.7. Die Schaffung von Information 2.8. Die Übermittlung von Information 2.9. Der Lerneffekt: Koordination und Anpassung 2.10. Axiome der Österreichischen Schule – die wesentlichen Prinzipien 2.11. Konkurrenz und Unternehmerfunktion 2.12. Schlussfolgerungen: Das o¨sterreichische Gesellschaftskonzept

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3. Carl Menger und die Vorla¨ufer der Österreichischen Schule 3.1. Einleitende Bemerkungen 3.2. Die spanischen Scholastiker als Vorla¨ufer der Österreichischen Schule 3.3. Der Niedergang der scholastischen Tradition und der unheilvolle Einfluss von Adam Smith 3.4. Menger und die subjektivistische Perspektive: die Konzeption menschlichen Handelns als Gesamtheit subjektiver Etappen, die subjektive Werttheorie und das Grenznutzengesetz

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3.5. Menger und die o¨konomische Theorie sozialer Institutionen 56 3.6. Der Methodenstreit 57 4. Bo¨hm-Bawerk und die Kapitaltheorie 61 4.1. Einfu¨hrung 61 4.2. Menschliches Handeln als Gesamtheit subjektiver Etappen 61 4.3. Kapital und Kapitalgu¨ter 63 4.4. Zins oder Zinssatz 68 4.5. Bo¨hm-Bawerk versus Marshall 71 4.6. Bo¨hm-Bawerk contra Marx 71 4.7. Bo¨hm-Bawerk contra John Bates Clark 73 4.8. Wieser und das Konzept der Opportunita¨tskosten 77 4.9. Der Triumph des Gleichgewichts-Modells und des Positivismus 77 5. Ludwig von Mises und das dynamische Konzept des Marktes 81 5.1. Einfu¨hrung 81 5.2. Kurzer biographischer Abriss 81 5.3. Theorie des Geldes, des Kredits und der Konjunkturzyklen 83 5.4. Das Theorem u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus 85 5.5. Die Theorie der unternehmerischen Funktion 89 5.6. Die Methode der politischen Ökonomie: Theorie und Geschichte 90 5.7. Schlussfolgerungen 93 6. Friedrich August von Hayek und die spontane Ordnung des Marktes 95 6.1. Biographische Einfu¨hrung 95 6.2. Untersuchungen u¨ber den Konjunkturzyklus: die intertemporale Diskoordination 99 6.3. Auseinandersetzungen mit Keynes und der Chicago School 103 6.4. Die Debatte mit den Sozialisten und die Kritik an den Sozialingenieuren 107 6.5. Recht, Gesetzgebung und Freiheit 110 7. Die Renaissance der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie 115 7.1. Die Krise der Gleichgewichtsanalyse und des mathematischen Formalismus 115 7.2. Rothbard, Kirzner und die Renaissance der Österreichischen Schule 121 7.3. Das aktuelle Forschungsprogramm der Österreichischen Schule und die voraussichtlichen Beitra¨ge fu¨r die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften 123 7.4. Antworten auf Kritik und Kommentare 128 7.5. Schlussfolgerungen: eine vergleichende Bewertung des o¨sterreichischen Paradigmas 132 Literaturverzeichnis 137 Das Institut, Friedrich August v. Hayek 145 Vorstand und wissenschaftlicher Beirat 146 Events und Highlights 147 Publikationen 151

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Der Autor Jesu´s Huerta de Soto promovierte zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften und Doktor der Rechtswissenschaften an der Complutense University in Madrid (Summa Cum Laude und Extraordinary Awards). Er ist Versicherungsmathematiker und hat einen M.B.A. von Standford. Er ist Vizepra¨sident der Mont Pe`lerin Society und Mitglied der Royal Economic Society of London und der American Economic Association. Er erhielt den Ko¨nig Juan Carlos International Prize for Economics ˇ (Madrid, 1983), den Adam Smith Award (Bru¨ssel, 2005) und den Franz Cuhel Memorial Prize for Excellence in Economic Education (Prag, 2006). Seit 2000 ist er Professor fu¨r Politische Ökonomie an der Ko¨nig Juan Carlos University in Madrid. Huerta de Soto ist heute einer der bekanntesten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie. Er hat viele Forschungsarbeiten und Beitra¨ge zu diesem Thema vero¨ffentlicht, darunter Money, Bank Credit and Economic Cycles (2006), Planes de Pensiones Privados (1984), Lecturas de Economia Politica – 3 Ba¨nde – (1986-1987), Socialismo, ca´lculo econo´mico y funcio´n empresarial (1992), Estudios de Economia Politica (1994) und La Escuela Austriaca: mercado y creatividad empresarial (spanische, portugiesische und italienische Ausgabe, 2000). Seine wichtigsten Vero¨ffentlichungen in englischer Sprache sind: “Entrepreneurship and the Economic Analysis of Socialism” (in New Perspectives on Austrian Economics, Gerrit Meijer (ed.), Routledge, 1995);“A Theory of Liberal Nationalism” (Il Politico, nº 4, 1995);“The Crisis and Reform of Social Security”(Journal des Economistes, vol. 5, no. 1, 1994);“A Critical Analysis of Central Banks and Fractional Reserve Free Banking” (The Review of Austrian Economics, vol. 8, no. 2, 1995);“New Light on the Prehistory of the Theory of Banking and the School of Salamanca” (The Review of Austrian Economics, vol. 9, no. 2, 1996); “A Critical Note on Fractional-Reserve Free Banking” (The Quarterly Journal of Austrian Economics, vol. 1, no. 4, 1998);“The Ongoing Methodenstreit of the Austrian School” (Journal des Economistes, vol. 8, no. 1, 1998);“Juan de Mariana:The Influence of the Spanish Scholastics” (in 15 Great Austrian Economists, Ludwig von Mises Institute (ed.), 1999) und “The Ethics of Capitalism” (Journal of Markets & Morality, vol. 2, no. 2, 1999).

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Vorwort Das vorliegende Buch zeigt in typischer Weise den langen Weg der Renaissance der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie: Ein spanischer Autor vero¨ffentlicht zum ersten Mal ein Lehrbuch mit einer systematischen Übersicht der Grundlagen der Österreichischen Schule in deutscher Sprache und wendet sich damit vor allem an Studenten im deutschsprachigen Raum. Rund 100 Jahre seit der Entstehung der Österreichischen Schule (Carl Mengers Grundsa¨tze der Volkswirtschaftslehre1871) war die Renaissance der Schule vor allem in den USA und anderen englisch-sprachigen La¨ndern in Gang gekommen. Die Werke der Österreichischen Schule wurden, so wie der Name der Schule, ins Englische u¨bersetzt (Austrian Economics). Umgekehrt wurde ab den fu¨nziger Jahren im deutschsprachigen Raum die vorherrschende neo-klassische Lehre aus dem anglo-amerikanischen Raum u¨bernommen und die amerikanischen Lehrbu¨cher ins Deutsche u¨bersetzt oder auch gleich in englischer Fassung verwendet. Erst in den neunziger Jahren kann man nun ein Übergreifen der Renaissance auch auf die kontinentalen La¨nder Europas erkennen. Die Austrian Economics gewinnen auch in der Wirtschaftspolitik immer mehr Einfluss, beginnend mit Margaret Thatcher’s Reformkurs bis zur Transformations-Politik von Va´clav Klaus, die sich beide ausdru¨cklich auf die Österreichische Schule als Grundidee berufen. In den Niederlanden, in Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Ungarn usw. bescha¨ftigen sich junge Ökonomen mit der Schule, wenden ihre Grundlagen auf neuen Feldern an, ihre Ideen beeinflusssen die Wirtschaftspolitik. In Deutschland und selbst in Österreich ist die Schule an den Universita¨ten und der Wirtschaftspolitik noch weitgehend vernachla¨ssigt worden. Das mag damit zusammenha¨ngen, dass in der Ordnungspolitik die deutsche Ordo-Schule vorherrschte. Sie ist zwar auch eine neo-liberale Schule, aber fu¨r Kernbereiche der Wirtschaftspolitik, etwa der Wettbewerbspolitik, fordert sie einen starken Staat. Auch in der Forderung nach einer „sozialen“ Verpflichtung des Staates geht vor allem die Praxis der Wirtschaftspolitik (etwa bei der Steuerprogression) weit u¨ber das hinaus, was sich nach der Österreichischen Schule verantworten la¨sst. Es ist deshalb besonders wertvoll, wenn der Autor speziell die o¨sterreichischen Lehren vom „Markt und und unternehmerische Kreativita¨t“ in den Vordergrund seiner Arbeit stellt, weil sie die Grundlage fu¨r die Ablehnung einer staatlichen Wettbewerbspolitik bilden. Es ist bezeichnend fu¨r die verschlungenen Wege der Wiederentdeckung der Österreichischen Schule, dass Reformen der amerikanischen Wettbewerbs-(anti-trust)-Politik „o¨sterreichische“ Ideen beru¨cksichtigen, sodass in der notwendigen Abstimmung der amerikanischen mit der EU-Wettbewerbspolitik, die bisher auf der deutschen Ordo-Idee beruhte, sich auch in der EU und damit Deutschland Reformen anbahnen.

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Ähnliche Wege der Ideen der Österreichischen Schule lassen sich auch auf anderen Gebieten finden, etwa auf dem Gebiet der „Sozialpolitik“, Konjunkturpolitik, Entwicklungs- und Transformationspolitik. Auch in neuen Gebieten, wie die Institutionen-Ökonomik, Public Choice-Theorie, o¨konomische Theorie des Rechtes usw. la¨sst sich ein Einfluss der Lehren der Österreichischen Schule nachweisen. Es sind sogar Erkenntnisse der Österreichischen Schule, die wegen der mangelnden Sprachkenntnisse im anglo-amerikanischen Raum nicht bekannt wurden, nach ihrer Neu-Entdeckung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. („Rationale Erwartungen“ wurden in der Österreichischen Schule schon in den dreissiger Jahren unter dem Titel „neutrales Geld“ und „volkommmene Voraussicht“ diskutiert). Andererseits erhielt einer der bedeutendsten „Austrians“, Gottfried von Haberler, fu¨r seine Beitra¨ge zur Aussenhandels- und Konjunkturtheorie entgegen den Erwartungen vieler Ökonomen keinen Nobelpreis. Immerhin findet man heute in anglo-amerikanischen Lehrbu¨chern der letzten Zeit immer mehr Gedanken der „Austrians“ beru¨cksichtigt, oft ohne ausdru¨ckliche Erwa¨hnung der Herkunft. Das vorliegende Buch in deutscher Sprache sollte also auch dazu beitragen, dass die Erkenntnisse der Österreichischen Schule auf direktem Weg im deutschsprachigen Raum bekannt werden und damit die „Transaktionskosten“ des Umwegs vermieden werden. Dem Autor ist dafu¨r zu danken, dass er in seinem vierten Kapitel die Bo¨hmBawerk`sche Kapitaltheorie ausfu¨hrlich darstellt Es ist ein Gebiet, auf dem die Österreichische Schule wesentlich neue Beitra¨ge geleistet hat, das aber auch heute noch in den meisten anglo-amerikanischen und damit auch in den deutschen Lehrbu¨chern nicht beru¨cksichtgt wird. Dabei ergaben sich in einzelnen Arbeiten durch die Anwendung der o¨sterreichischen Kapitaltheorie auf die Aussenhandels- und Entwicklungso¨konomie wichtige neue Einsichten. Ähnliches gilt auch fu¨r die o¨sterreichische Konjunkturtheorie, die auch in den Lehrbu¨chern noch zu kurz kommt, aber immerhin in der Literatur als eine der Konjunkturerkla¨rungen diskutiert wird, etwa in der Frage der Ursachen der verschiedenen Krisen (wie in Ostasien, Aktienmarkt-Krise 2000). Das vorliegende Buch beschra¨nkt sich aber nicht auf seine Rolle als Lehrbuch, sondern bietet auch denjenigen Ökonomen, die die Lehren der Schule kennen, vielfach Neues. Es sind einmal die dogmenhistorischen Teile, die die Entwicklung von Ideen der Österreichischen Schule bis auf die Schule von Salamanca (16. Jahrhundert) darstellen und kurze Biographien der wichtigen Vertreter der Österreichischen Schule bringen. Dabei kommt auch die Vielfalt der Meinungen innerhalb der Schule zum Ausdruck. Denn liberale Schulen zeichnen sich gerade durch ihre Vielfalt von Ansichten aus, die miteinander im Wettbewerb stehen – und Wettbewerb ist das beste Entdeckungsverfahren (F.A.von Hayek). Friedrich August v. Hayek Institut

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Über ein Lehrbuch hinaus sind im Schlusskapitel Forschungsprogramme der Österreichischen Schule dargestellt und Gebiete genannt, auf denen durch die Anwendung der Lehren neue wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse erwartet werden ko¨nnen, wie z.B. der Geld-, Kredit- und Finanzmarkttheorie, bis zur Theorie der Öffentlichen Gu¨ter und der Wirtschaftsethik. Zum Lehrbuch-Charakter geho¨rt dagegen die Zuru¨ckweisung der Kritiken an der Österreichischen Schule, denn viele Studierende der Ökonomie lernen ihre Lehren nur als Grundlage des Neo-Liberalismus kennen, der sehr ha¨ufig, auch in den Medien, als der Urheber aller Übel der Globalisierung hingestellt wird. Die Erfolge der vom Neo-Liberalismus beeinflussten Politik in vielen La¨ndern werden dabei nur am Rande erwa¨hnt. Dem Hayek-Institut gebu¨hrt großer Dank fu¨r diese Verbreitung der Ideen einer Schule, der nicht nur die nationalo¨konomische Wissenschaft viel verdankt und in Zukunft neue Erkenntnisse verspricht, sondern die auch die Wirtschaftspolitik beeinflusst. Immer mehr Regierungen und internationale Organisationen greifen auf die Lehren zuru¨ck, um eine bessere Politik fu¨r die Entwicklung der Wirtschaft zu betreiben. Je mehr Studierende der Ökonomie die Lehren der Österreichischen Schule verstehen werden, desto gro¨ßere Beitra¨ge fu¨r die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft und der Wirtschaftspolitik ko¨nnen wir erwarten.

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Einleitung Das vorliegende Buch liefert eine konzise Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte und der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie im Vergleich zu dem bis heute in unserer Wissenschaft vorherrschenden Paradigma der Neoklassik. Gleichzeitig wird die Entwicklung des Denkens der Österreichischen Schule von ihren Urspru¨ngen bis in die heutige Zeit untersucht, um zu zeigen, auf welche Weise die Beitra¨ge der Österreichischen Schule die zuku¨nftige Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften bereichern ko¨nnten. Weil die wesentlichen Elemente der Österreichischen Schule im Allgemeinen nicht sehr bekannt sind, werden im ersten Kapitel die von ihr vertretene dynamische Konzeption des Marktes und ihre wichtigsten Unterschiede im Vergleich zu dem bis heute vorherrschenden neoklassischen Paradigma – das trotz seiner Ma¨ngel in der Regel Gegenstand der Studienpla¨ne an unseren Universita¨ten ist – mit Hilfe einer komparativen Analyse vorgestellt. Im zweiten Kapitel wird mit der Koordinierungstendenz des Marktes der Kern der o¨konomischen Theorie der Österreichischen Schule untersucht. Die Koordinationstendenz, die im wesentlichen mit der in der Österreichischen Schule so wichtigen Spezies der Unternehmer verbunden ist, erkla¨rt einerseits das Entstehen der spontanen Ordnung des Marktes, und andererseits die Existenz einer Reihe von Gesetzen, deren Studium den eigentlichen Forschungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaften erst ausmachen. Im dritten Kapitel wird zuna¨chst die Geschichte und die Entwicklung des o¨konomischen Denkens der Österreichischen Schule aufgerollt. Ausgangspunkt ist hierbei das Werk von Carl Menger, dessen geistige Wurzeln sich auf die Beitra¨ge einiger fru¨her und bemerkenswerter Beitra¨ge von Vertretern der Schule von Salamanca, Spanien, zuru¨ckfu¨hren lassen. Das vierte Kapitel ist dem Ökonomen Eugen von Bo¨hm-Bawerk und der Analyse der Kapitaltheorie gewidmet. Die Kapitaltheorie ist eine der Theorien, die ich am sta¨rksten in den Lehrpla¨nen der wirtschaftswissenschaftlichen Fakulta¨ten vermisse. Das fu¨nfte und sechste Kapitel behandeln die Beitra¨ge der wohl wichtigsten Ökonomen der Österreichischen Schule im 20. Jahrhundert: Ludwig von Mises und Friedrich August Hayek. Ohne die Kenntnis ihres Werks ist ein Versta¨ndnis der Entwicklung der modernen Österreichischen Schule bis zum heutigen Tag nahezu unmo¨glich. Das siebte Kapitel widmet sich der Renaissance der Österreichischen Schule. Diese hat ihren Ursprung vornehmlich in der Krise des vorherrschenden Paradigmas der Neoklassik und hat ihren Ausgangspunkt vor allem in den USA und in Europa. Eine Darstellung des Forschungsprogramms der modernen ÖsterreiFriedrich August v. Hayek Institut

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chischen Schule mit ihren Beitra¨gen zur weiteren Entwicklung der Volkswirtschaftslehre bildet den Schluss des Buches. Er geht mit einem Antwortenkatalog zu gela¨ufigen kritischen Kommentaren, die meines Erachtens in der Regel das Resultat von Ignoranz und Unversta¨ndnis der „o¨sterreichischen“ Sicht sind, einher. Es muss natu¨rlich darauf hingewiesen werden, dass eine vollsta¨ndige und detaillierte Darstellung aller Aspekte, die die Österreichische Schule kennzeichnen, unmo¨glich ist. Mit dem vorliegenden Buch wird lediglich versucht, in hoffentlich versta¨ndlicher und auch anregender Form, ihre wichtigsten Beitra¨ge zusammenfassend zu pra¨sentieren. Es dient somit als eine einfache Einfu¨hrung fu¨r Interessierte, die – falls sie sich vertiefend mit einigen angefu¨hrten Punkten bescha¨ftigen wollen – auf die Literaturhinweise an seinem Schluss verwiesen werden. Auf Zitate, die man mit dem Ziel ha¨tte einfu¨gen ko¨nnen, den Inhalt zu erweitern, zu veranschaulichen oder zu erla¨utern, wurde verzichtet. Mein vorrangiges Interesse lag vielmehr darin, in ansprechender Weise das o¨sterreichische Paradigma so darzustellen, dass potenzielle Leser, die mit der Österreichischen Schule nicht vertraut sind, einen Anreiz haben, sich nach Abschluss der Lektu¨re dieses Buches mit diesem fu¨r sie so neuen wie sicherlich auch mitreißenden Ansatz weiter zu bescha¨ftigen.

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¨ sterreichischen Schule 1. Die Grundsa¨tze der O Einer der gro¨ßten Ma¨ngel der Lehrpla¨ne unserer volkswirtschaftlichen Fakulta¨ten besteht darin, dass sie den Studenten bis heute keine vollsta¨ndige und koha¨rente Sicht der wesentlichen theoretischen Beitra¨ge der modernen Österreichischen Schule anbieten. Das vorliegende Kapitel beabsichtigt diese Lu¨cke zu schließen. Daru¨ber hinaus soll ein Überblick u¨ber die wichtigsten Charakteristika der Österreichischen Schule geliefert werden. Diese soll dabei helfen, die historische Entwicklung dieser Schule, die in spa¨teren Kapiteln im Einzelnen aufgezeigt wird, zu verstehen. Zu diesem Zweck werden in Abbildung 1 die wesentlichen Unterschiede zwischen der Österreichischen Schule und dem vorherrschenden Paradigma der Neoklassik, welches heute in der Regel den Unterrichtsgegenstand an unseren Universita¨ten bildet, dargestellt. Die Abbildung ermo¨glicht mit einem Blick die gegensa¨tzlichen Punkte beider Ansa¨tze zu verstehen. Im Anschluss werden diese Gegensa¨tze im Einzelnen besprochen.

1.1. Theorie des Handelns versus Theorie der Entscheidungen Die Vertreter der Österreichischen Schule begreifen die Wirtschaftswissenschaften mehr als eine Theorie des Handelns denn als eine Theorie von Entscheidungen. Diese Auffassung ist das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen der Österreichischen Schule und der Neoklassik. Das Konzept des Handelns ist weiter gefasst als das Konzept der individuellen Entscheidung: Erstens schließt das Konzept des Handelns aus o¨sterreichischer Sicht nicht nur den hypothetischen Entscheidungsprozess in einem Umfeld (in dem die Neoklassiker die Allokation von Ressourcen untersuchen) von „gegebenem" Wissen u¨ber Ziele und Mittel mit ein, sondern – und das ist noch wichtiger – „auch gerade die Festlegung des Zweck-Mittel-Rahmens, innerhalb dessen Allokation und Ökonomisieren stattfinden sollen" (Kirzner, 1978, 27). Zweitens ist es fu¨r die Österreicher nicht so sehr von Bedeutung, dass der Mensch eine Entscheidung trifft, sondern dass er dieselbe als menschliche Handlung in einem Prozess, d.h. in Form einer Sequenz von Interaktionen und koordinierten Handlungen, durchfu¨hrt. Es ist dieser Prozess, der fu¨r die Österreicher den Forschungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaft ausmacht. Die Österreichische Schule ist daher weit davon entfernt, die Wirtschaftswissenschaft lediglich als eine Theorie der Wahlentscheidungen anzusehen, sondern begreift sie als einen theoretischen corpus, der sich mit den Prozessen der sozialen Interaktion bescha¨ftigt. Dieser Prozess kann – je nach Findigkeit der beteiligten Akteure bei der Ausu¨bung ihrer unternehmerischen Handlungen – mehr oder weniger koordiniert sein. In diesem Zusammenhang nehmen die Österreicher eine besonders kritische Haltung gegenu¨ber einer, ihrer Auffassung nach zu engen Konzeption ein, die ihren Ursprung bei Robbins (1932) hat. Robbins definierte die Volkswirtschaftslehre bekanntermaßen als eine Wissenschaft, welche die Verwendung knapper Friedrich August v. Hayek Institut

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14 Es besteht die Mo¨glichkeit reine unternehmerische Fehler zu begehen, die durch unternehmerischen Scharfsinn ha¨tten verhindert werden ko¨nnen, um sich Gewinnchancen gewahr zu werden. Wissen und Information sind subjektiv, verstreut und unterliegen einem sta¨ndigen Wandel (unternehmerische Kreativita¨t). Strenge Unterscheidung zwischen wissenschaftlichem (objektiv) und praktischem Wissen (subjektiv).

Allgemeiner Prozess mit sich selbst koordiAllgemeines oder partielles Gleichgewichtsmodell. nierender Tendenz. Keine Unterscheidung Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroo¨konozwischen Mikro- und Makroo¨konomie: alle mie. o¨konomischen Probleme werden als interdependent analysiert. Prozess der unternehmerischen Rivalita¨t.

Subjektiv (ha¨ngt von unternehmerischer Fin- Objektiv und konstant (ko¨nnen einem Dritten digkeit ab, neue, alternative Ziele zu entdebekannt sein und gemessen werden). cken). Verbale Logik (abstrakt und formal), die subjektiver Zeit und menschlicher Kreativita¨t Raum la¨sst.

4. A-priori-Irrtu¨mer und Gewinne:

5. Konzept der Information:

6. Modellrahmen

7. Konzept der „Konkurrenz"

8. Konzept der „Kosten"

9. Formalismus:

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Empirischer Beweis der Hypothese (zumindest rheto-

Mathematischer Formalismus (symbolische, der Analyse von zeitlosen und konstanten Pha¨nomenen typische Sprache).

Situation oder Modell der „vollsta¨ndigen Konkurrenz".

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Es wird von einer vollsta¨ndigen Information hinsichtlich Zielen und Mitteln ausgegangen (in sicheren Begriffen bzw. Wahrscheinlichkeiten). Die Information ist objektiv und konstant. Keine Unterscheidung zwischen wissenschaftlichem und praktischem (unternehmerischem) Wissen.

Es besteht keine Mo¨glichkeit Fehler zu begehen, die spa¨ter bereut werden ko¨nnen, weil alle vergangenen Entscheidungen in Begriffen von Kosten und Nutzen rationalisiert werden. Unternehmerische Gewinne werden als zusa¨tzliches Produktionseinkommen betrachtet.

Homo oeconomicus.

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10. Beziehung zur empirischen Welt: Aprioristisch-deduktive Argumentation:

Kreativer Unternehmer.

3. Protagonist sozialer Prozesse:

Stereotyp des (objektiven) methodologischen Individualismus.

Subjektivismus.

2. Methodologischer Standpunkt:

Entscheidungstheorie: Restriktionen unterliegende Maximierung (enges Konzept der„Rationalita¨t").

Neoklassisches Paradigma

Theorie des Handelns, verstanden als dynamischer Prozess (Praxeologie).

¨ sterreichisches Paradigma O

1. Konzept des Ökonomischen (wesentliches Prinzip):

Vergleichspunkte

Abbildung 1: Wesentliche Unterschiede zwischen Österreichischer Schule und Neoklassik

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typische Sprache).

Friedrich August v. Hayek Institut Mises, Hayek, Rothbard, Kirzner

17. Vertreter:

Coase, Friedman, Becker, Samuelson, Stiglitz

Neukeynesianismus

Informationso¨konomik

Neue klassische Makroo¨konomik

Ökonomische Analyse des Rechts

Ökonomische Analyse der Familie

Public Choice Theorie

Einflu¨sse der o¨st.Schule finden sich aber schon in:

■ Kritische Analyse institutionellen Zwangs (Sozialismus und Interventionismus)

16. Ju¨ngere Beitra¨ge:

■ ■ Free Banking-Theorien und Konjunkturzy- ■ klen ■ ■ Evolutorische Theorie der Institutionen ■ ■ Theorie der unternehmerischen Funktion ■ ■ Kritische Analyse des Begriffs der „sozialen ■ Gerechtigkeit"

Spezialisten in wirtschaftlichen Eingriffen (piecemeal social engineering). Breites Spektrum hinsichtlich Verpflichtung zur Freiheit.

In der Minderheit, jedoch mit steigendem Ein- In der Mehrheit, aber mit Anzeichen der Auflo¨sung und Zersetzung. fluss.

14. Stellung des Paradigmas:

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Multidisziplina¨re Theoretiker, Philosophen, Liberale

Situation der Krise und des beschleunigten Wandels. Bemerkenswertes Comeback wa¨hrend der letzten 25 Jahre (insbesondere nach der Krise des Keynesianismus und dem Untergang des real existierenden Sozialismus).

13. Aktuelle Situation des Paradigmas:

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15. Soziologie des Paradigmas:

Der Unternehmer.

Der analytische Ökonom („Sozialingenieur").

Die Vorhersage ist ein mit Absicht verfolgtes Ziel, aufUnmo¨glich, weil das, was geschehen wird, von einem zuku¨nftigen unternehmerischen grund der Annahme, dass das Verhalten sich nicht a¨ndert und es keine Unternehmer gibt. Wissen abha¨ngt, das noch nicht geschaffen wurde. Es sind lediglich Mustervoraussagen (pattern predictions) qualitativer und theoretischer Art u¨ber die Konsequenzen des Interventionismus mo¨glich.

12. Verantwortlich fu¨r die Voraussage:

11. Mo¨glichkeit der spezifischen Vorhersage:

Empirischer Beweis der Hypothese (zumindest rheto10. Beziehung zur empirischen Welt: Aprioristisch-deduktive Argumentation: Strenge Trennung von Theorie (Wissenschaft) risch). und Geschichte (Kunst). Geschichte kann keine Theorie widerlegen.

Raum lasst.

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Ressourcen auf alternative Verwendungen, mit dem Ziel der Befriedigung menschlicher Bedu¨rfnisse, untersucht. Die Robbins´sche Konzeption unterstellt implizit ein hinsichtlich Zielen und Mitteln gegebenes Wissen. Das o¨konomische Problem wird damit aber auf ein rein „technisches" Allokations- bzw. Maximierungs- und Optimierungsproblem reduziert, wobei die Restriktionen, denen das zu lo¨sende Problem unterliegt, als bekannt angenommen werden. Das Paradigma der Neoklassik fußt methodologisch auf der Robbins'schen Auffassung. Die Methodologie der Österreichischen Schule steht dieser im Wesentlichen diametral gegenu¨ber. Die Akteure agieren bei Robbins quasi wie Automaten. Sie stellen fast schon eine Karikatur des Menschen dar, da sie sich darauf beschra¨nken, passiv auf Ereignisse zu reagieren. Im Gegensatz zur Auffassung von Robbins betrachten Mises, Kirzner und andere Ökonomen der Österreichischen Schule den Menschen nicht bloß als Akteur, der gegebene Mittel gegebenen Zielen zuteilt. Vielmehr betont die Österreichische Schule das tatsa¨chliche Handeln des Menschen, und hier insbesondere seine sta¨ndige Suche nach neuen Zielen und den hierzu beno¨tigten Mitteln, seine Fa¨higkeit aus der Vergangenheit zu lernen und sein Talent, die Zukunft zu entdecken und durch sein Handeln zu gestalten. Aus diesem Grund ist fu¨r die Österreichische Schule die Ökonomie innerhalb einer wesentlich weiter gefassten Wissenschaft integriert bzw. dieser untergeordnet. Diese Wissenschaft fußt nicht nur auf einer Theorie von Entscheidungen oder Wahlakten, sondern auf einer allgemeinen Theorie menschlichen Handelns. Wenn man mit Hayek fu¨r diese allgemeine Theorie menschlichen Handelns einen Namen beno¨tigt, so wa¨re der Begriff der Praxeologischen Wissenschaften, wie er von Ludwig von Mises klar definiert und reichlich gebraucht wurde, der angebrachteste (Hayek, 1979, 45 und Hayek, 2004, 25).

1.2. Subjektivismus versus Objektivismus Ein zweiter wesentlicher Aspekt der Österreichischen Schule ist der Subjektivismus. Fu¨r die Österreicher ist die subjektivistische Konzeption essentiell. Sie besteht in dem Ziel, die Grundlagen einer Wirtschaftswissenschaft zu schaffen, in deren Zentrum stets der Mensch „aus Fleisch und Blut" als kreativer Akteur und Protagonist aller sozialer Prozesse steht. Den Zusammenhang zwischen Subjektivismus und Ökonomie beschreibt Mises in seinem Hauptwerk, Human Action: "Economics is not about things and tangible material objects; it is about men, their meanings and actions. Goods, commodities, and wealth and all other notions of conduct are not elements of nature; they are elements of human meaning and conduct. He who wants to deal with them must not look at the external world; he must search for them in the meaning of acting men." (Mises, 1996, 92) Aus diesem Grund ist es leicht zu verstehen, dass fu¨r die Österreichische Schule, im Gegensatz zur Neoklassik, die o¨konomischen Restriktionen nicht von objektiven Pha¨nomenen oder materiellen Faktoren der externen Welt abha¨ngen (z.B. von den Ölreserven), sondern vom menschlichen Wissen, das sich im unterneh-

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merischen Verhalten niederschla¨gt. So ha¨tte die Entdeckung und Entwicklung eines Vergasers, der zu einer doppelten Effizienz der Verbrennungsmotoren fu¨hrt, o¨konomisch betrachtet denselben Effekt wie eine Verdoppelung der physischen Ölreserven weltweit. Die Produktion ist fu¨r die Österreichische Schule daher keine physische, quasi exogen gegebene Tatsache; im Gegenteil, sie ein intellektuelles und geistiges Pha¨nomen (Mises, 1996, 140-142).

1.3. Unternehmer versus Homo Oeconomicus Die Funktion des Unternehmers, der ein betra¨chtlicher Teil des folgenden Kapitels gewidmet wird, spielt eine herausragende Rolle in der Österreichischen Schule. In einer rein neoklassisch spezifizierten Modellwelt gla¨nzt der Unternehmer dagegen durch Abwesenheit. Dies kann auch nicht anders sein, denn dieser ist ein der realen Welt zugeho¨riges Pha¨nomen, eine Welt, die sich stets im Ungleichgewicht befindet. Er kann daher auch keine Rolle in GleichgewichtsModellen, denen die Neoklassik in erster Linie ihre Aufmerksamkeit schenkt, spielen. Hinzu kommt, dass die Neoklassik davon ausgeht, dass die Funktion des Unternehmers lediglich ein weiterer Produktionsfaktor ist, der in Abha¨ngigkeit von erwarteten Kosten und Nutzen verwendet werden kann. Hierbei wird allerdings nicht beru¨cksichtigt, dass man sich bei einem derartigen Vorgehen in logische Widerspru¨che verstrickt: Unternehmerische Ressourcen in Abha¨ngigkeit von erwarteten Kosten und Nutzen nachzufragen impliziert na¨mlich daran zu glauben, heute u¨ber eine Information in Form von Erwartungswerten der zuku¨nftigen Nutzen und Kosten zu verfu¨gen, bevor die Information durch den Unternehmer u¨berhaupt erst produziert wurde. Dies bedeutet aber wiederum, dass die prinzipielle Funktion des Unternehmers – wie im weiteren Verlauf noch genauer zu sehen sein wird – darin besteht, neue Informationen, die vorher gar nicht existiert haben, zu schaffen und zu entdecken. Weiterhin kann die Information, ohne dass diese zuna¨chst in einem Prozess angeeignet wird, weder existieren noch bekannt sein. Es kann daher keine dem Menschen mo¨gliche Verhaltensweise geben, die im Voraus eine dem neoklassischen Versta¨ndnis genu¨gende Allokationsentscheidung aufgrund erwarteter Kosten und Nutzen trifft. Fu¨r die Österreichische Schule ist die Annahme, unternehmerische Gewinne leiten sich aus einer einfachen Übernahme des Risikos ab, ein Trugschluss. Das Risiko ist fu¨r sie lediglich ein weiterer Kostenfaktor des Produktionsprozesses, der in keinem Zusammenhang mit dem reinen unternehmerischen Gewinn steht. Der reine unternehmerische Gewinn entsteht immer dann, wenn ein Unternehmer eine Gewinnchance entdeckt, die er vorher nicht wahrgenommen hat und er als Konsequenz daraus sein Handeln a¨ndert, um diese zu nutzen (Mises, 1996, 806-811). Friedrich August v. Hayek Institut

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1.4. Unternehmerische Fehlentscheidungen versus a posterioriRationalisierung von Entscheidungen Gewo¨hnlich wird der unterschiedlichen Rolle, welche das Konzept der Fehlentscheidung in der Österreichischen und in der Neoklassischen Schule spielt, kaum Beachtung geschenkt. Aus Sicht der Österreichischen Schule ist es mo¨glich, dass man reine unternehmerische Fehlentscheidungen trifft. Diese treten dann zu Tage, wenn am Markt auftretende Unternehmer eine Gewinnchance unentdeckt lassen. Durch Entdeckung und Beseitigung von Fehlentscheidungen, ist es genau die Existenz dieses Fehlertyps, die den reinen unternehmerischen Gewinn erst ermo¨glicht. Im Gegensatz dazu existiert in der Neoklassik kein derartiger unternehmerischer Fehler, der a posteriori zuru¨ckgenommen oder bereut werden ko¨nnte. Der Grund hierfu¨r ist, dass die Neoklassische Schule alle Entscheidungen, die in der Vergangenheit gefa¨llt wurden in einem Restriktionen unterworfenen, optimierenden Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse „rationalisiert". Es ist deshalb versta¨ndlich, dass der reine unternehmerische Gewinn in der neoklassischen Welt keine Existenzberechtigung hat, und dass unternehmerische Gewinne lediglich als Entlohnung fu¨r einen weiteren Produktionsfaktor betrachtet werden, oder aber als Einkommen, das aus der Übernahme von Risiko abgeleitet wird.

1.5. Subjektive Information versus objektive Information Unternehmer sind sta¨ndig damit bescha¨ftigt, neue Informationen, die in ihrer Essenz subjektiv, praktisch, verstreut und schwer zu formulieren sind, zu produzieren (Huerta de Soto, 1992, 52-67 und 104-110). Aus diesem Grund ist die subjektive Wahrnehmung dieser Information ein wesentliches Element der Methodologie der Österreichischen Schule. Im Gegensatz dazu fehlt der Neoklassischen Schule dieses Element, weil sie stets dazu tendiert, Information als etwas Objektives zu behandeln. Die Mehrheit der Ökonomen bemerkt in diesem Zusammenhang nicht, dass sich Österreicher und Neoklassiker, wenn sie den Begriff Information verwenden, auf jeweils radikal unterschiedliche Realita¨ten beziehen. Fu¨r die Neoklassik ist Information etwas Objektives, was – genau wie eine Ware – auf dem Markt als Ergebnis einer Maximierungs-Entscheidung gekauft bzw. verkauft wird. Diese – auf verschiedenen Speichermedien abrufbare – „Information" entspricht in keinster Weise der o¨sterreichischen Auffassung von Information im subjektiven Sinne: Information wird hier als ein praktisches, relevantes, subjektives Wissen, das vom einzelnen Akteur interpretiert und in einer konkreten Handlung verwendet wird, verstanden. Hierauf bezieht sich die Kritik der Österreichischen Schule an der neoklassischen Informationso¨konomik im Sinne von Joseph Stiglitz. Denn im Gegensatz zur Österreichischen Schule ist die Neoklassik nicht fa¨hig, ihre Theorie der Information in eine Theorie der Funktion des Unternehmertums zu integrieren. Aus

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o¨sterreichischer Sicht hat jemand wie Stiglitz nicht verstanden, dass Information in ihrer Essenz immer subjektiv ist und dass Ma¨rkte, die er als „unvollkommen" betrachtet, nicht „ineffizient" (im neoklassischen Sinne) sind, sondern diese so genannte „Ineffizienz" vielmehr die Ursache fu¨r das Entstehen potenzieller unternehmerischer Gewinnchancen ist. Diese Gewinnchancen werden in einem von den Unternehmern selbst in Bewegung gehaltenen Koordinationsprozess entdeckt und ausgenutzt (Thomsen, 1992).

1.6. Unternehmerischer Koordinationsprozess versus neoklassisches Gleichgewichts-Modell Die Neoklassische Schule ignoriert gewo¨hnlich in ihrem GleichgewichtsModell die Koordinationsfunktion, die aus Sicht der Österreichischen Schule der Unternehmer innehat. Diese produziert und u¨bermittelt nicht nur die Information sondern – und das ist noch viel wichtiger – sie koordiniert und stimmt die Verhaltensweisen, die in einer Gesellschaft in Erscheinung treten, aufeinander ab. Wie im na¨chsten Kapitel zu sehen sein wird, stellt jede Art sozialer Diskoordination in einer Ökonomie eine Gewinnchance dar, die so lange latent vorhanden ist, wie sie nicht von einem Unternehmer entdeckt wird. Wenn sich indes ein Unternehmer dieser Gewinnchance gewahr wird und sein Verhalten, mit dem Ziel diese Gelegenheit auszunutzen, a¨ndert, verschwindet die Diskoordination. Es findet ein spontaner Koordinationsprozess statt, der zugleich eine Erkla¨rung fu¨r die inha¨rente Stabilita¨t einer Marktwirtschaft liefert. Nur wegen des koordinierenden Charakters der Rolle des Unternehmers in einer Ökonomie ist es mo¨glich, dass eine o¨konomische Theorie als Wissenschaft verstanden werden kann, und sich als ein theoretischer Corpus von koordinierenden und die sozialen Prozesse konstituierenden Gesetzen manifestiert. Die zentrale Rolle des Unternehmertums im Paradigma der Österreichischen Schule erkla¨rt, wieso diese ein besonderes Interesse daran hat, das dynamische Konzept der Konkurrenz – verstanden als ein Prozess der Rivalita¨t – zu untersuchen, wohingegen die Neoklassik ausschließlich die komparative Statik der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, die zwischen verschiedenen Marktformen („vollsta¨ndige" Konkurrenz, Monopol,„unvollsta¨ndige" oder monopolistische Konkurrenz) unterscheidet, fokussiert. Fu¨r die Österreicher macht eine Wirtschaftswissenschaft, die auf einem Gleichgewichts-Modell basiert und die davon ausgeht, dass die relevante Information fu¨r die Konstruktion der Angebots- und Nachfragefunktion „gegeben" ist, keinen Sinn. Im Gegenteil, die Österreichische Schule untersucht in erster Linie Marktprozesse, die sich mo¨glicherweise zu einem Gleichgewicht hin bewegen, das aber in letzter Instanz nie erreicht wird. Mehr noch, man spricht in der Österreichischen Schule inzwischen sogar von einem sozialen big bang-Modell, welches ein grenzenloses, in jedem historischen Moment dem Menschen und der Friedrich August v. Hayek Institut

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Zivilisation gerade mo¨gliches Anwachsen des Wissens in einer angemessenen und harmonischen, d.h. koordinierten Form erlaubt. Der Grund hierfu¨r ist in der Tatsache zu suchen, dass der unternehmerische Prozess der sozialen Koordination niemals inneha¨lt oder sich erscho¨pft. Denn die unternehmerische Handlung besteht grundlegend in der Schaffung und der Übermittlung neuer Information, die wiederum gezwungenermaßen die allgemeine Wahrnehmung der Mittel und Ziele der anderen beteiligten Akteure vera¨ndert. Gleichzeitig verursachen diese neue Ungleichgewichte, neue Gewinnmo¨glichkeiten, die tendenziell von Unternehmern entdeckt und koordiniert werden. Es entsteht somit ein infiniter dynamischer Prozess, der sich kontinuierlich ausdehnt und auf diese Weise die zivilisatorische Entwicklung vorantreibt (Modell des koordinierten sozialen Big Bang) (Huerta de Soto, 1992, 78-79). Das fundamentale o¨konomische Problem, wie es von der Österreichischen Schule aufgefasst wird, ist deshalb demjenigen der Neoklassischen Schule von Grund auf entgegengesetzt: Fu¨r die Österreicher besteht es darin, den dynamischen Prozess der sozialen Koordination zu analysieren. In diesem Prozess sind verschiedene Akteure sta¨ndig damit bescha¨ftigt, nach Mitteln und Zielen zu suchen, die sie im Zusammenhang mit ihren Handlungen als relevant erachten. Hierdurch erzeugen sie auf unternehmerische Weise neue Informationen, die aus eben diesem Grunde niemals „gegeben” sein ko¨nnen, und begru¨nden, ohne sich dessen bewusst zu sein, einen spontanen Koordinationsprozess. Fu¨r die Österreichische Schule ist das fundamentale o¨konomische Problem daher nicht im Sinne der Neoklassik technischer oder technologischer Natur. Die Neoklassik unterstellt na¨mlich, dass Ziele und Mittel gegeben sind bzw. sie formuliert das o¨konomische Problem, als handle es sich lediglich um ein technisches Problem der Optimierung. Aus Sicht der Österreicher besteht das fundamentale o¨konomische Problem nicht in einer Maximierung einer (objektiv) bekannten und gegebenen Restriktionen unterliegenden Funktion, sondern fu¨r sie ist das Problem strikt o¨konomisch: Es stellt sich, weil es erstens viele konkurrierende Ziele und Mittel gibt, und zweitens, weil das Wissen bezu¨glich Zielen und Mitteln nicht gegeben ist, sondern sich verstreut in den Ko¨pfen von unza¨hligen Individuen befindet, die sta¨ndig diese Information ex novo schaffen.Es ist daher unmo¨glich,die existierenden Mo¨glichkeiten und Alternativen sowie die relative Intensita¨t zu kennen, mit der die Akteure ihre Ziele und Mittel verfolgen. Es ist daher notwendig, sich bewusst zu machen, dass selbst jene menschlichen Handlungen, die noch am ehesten einem maximierenden oder optimierenden Verhalten a¨hneln, immer eine unternehmerische Komponente beinhalten, weil der in diese Handlungen implizierte Akteur sich vorher klar gemacht haben muss, dass der genannte automatische, mechanische und reaktive Handlungsablauf der angebrachteste in den konkreten Umsta¨nden des Falles ist, mit dem er sich konfrontiert sieht. Dies impliziert aber, dass die neoklassische Konzeption nur ein spezieller, relativ unbedeutender Fall ist, der in der Konzeption der Österreichischen Schule mit einbezogen bzw. ihr untergeordnet ist. Dank der Österrei-

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chischen Schule ist es damit mo¨glich, die soziale Realita¨t allgemeiner, reicher und umfassender zu erkla¨ren. Fu¨r die Österreichische Schule macht es des Weiteren keinen Sinn, die strenge Trennung zwischen Mikro- und Makroo¨konomie, wie sie von der Neoklassik vorgenommen wird, aufrechtzuerhalten. Im Gegenteil, aus ihrer Sicht sind die o¨konomischen Probleme als eine Einheit zu untersuchen, ohne dass hierbei zwischen einem mikro- und einem makroo¨konomischen Teil unterschieden wird. Die radikale Trennung der mikro- bzw. der makroo¨konomischen Aspekte innerhalb der Wirtschaftswissenschaften ist aus Sicht der Österreichischen Schule einer der charakteristischsten Ma¨ngel moderner Lehrbu¨cher der Politischen Ökonomie. Statt einer einheitlichen Behandlung o¨konomischer Probleme, wie sie von Mises und anderen Österreichern praktiziert wurde, teilen die ga¨ngigen Lehrbu¨cher die Wirtschaftswissenschaften in zwei unterschiedliche Disziplinen auf („Mikroo¨konomie" und „Makroo¨konomie"), die in keiner Verbindung zueinander stehen, und daher auch getrennt gelehrt werden ko¨nnen. Mises wies mit Recht darauf hin, dass die Wurzeln dieser Trennung in der Verwendung von Konzepten liegen – wie z.B. dem allgemeinen Preisniveau -, welchen die Anwendung der subjektiven und marginalen Theorie des Geldwertes unbekannt geblieben ist. Sie blieben deshalb in einer quasi vorwissenschaftlichen Etappe der Wirtschaftswissenschaften verankert, in der versucht wurde, die wissenschaftliche Analyse eher in Begriffen globaler Klassen oder Aggregaten durchzufu¨hren, als in Begriffen von zusa¨tzlichen Einheiten bzw. Marginalbegriffen. Dies erkla¨rt auch das „Warum" der Entwicklung zu einer „dismal science", die auf vermeintlich existierenden mechanischen Beziehungen zwischen makroo¨konomischen Aggregaten basiert und deren Verbindung zum menschlichen Handeln nur schwer – um nicht zu sagen – unmo¨glich, zu verstehen ist (Mises, 1996, 398-402). Es bleibt damit festzuhalten, dass die Ökonomen der Neoklassischen Schule das Gleichgewichts-Modell als den zentralen Fokus ihrer Forschung betrachten. In ihm wird unterstellt, dass die Information – sicher oder in Wahrscheinlichkeitsbegriffen – gegeben ist und dass eine perfekte Anpassung der verschiedenen Modellvariablen stattfindet. Vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus liegt der prinzipielle Schwachpunkt der neoklassischen Methodologie in der Annahme einer perfekten Anpassung der Variablen und Parameter des Modells. Fu¨r sie besteht deshalb die große Gefahr, falsche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Beziehung von Ursache und Wirkung, die zwischen den verschiedenen o¨konomischen Konzepten und Pha¨nomene bestehen, zu ziehen. In der Interpretation der Österreichischen Schule, verha¨lt sich das Gleichgewicht damit wie eine Art Schleier, der eine Entdeckung der tatsa¨chlichen Richtung zwischen dem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang einerseits und o¨konomischen Gesetzma¨ßigkeiten andererseits verhindert. Tatsa¨chlich existieren fu¨r die Neoklassik weniger o¨konomische, tendenziell in Friedrich August v. Hayek Institut

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eine Richtung weisende Gesetze, als vielmehr wechselseitige zirkula¨re Interdependenzen funktionaler Art zwischen verschiedenen Pha¨nomenen, wobei deren Ursache in Form menschlichen Handelns im Dunkeln verbleibt oder als uninteressant angesehen wird.

1.7. Subjektiver versus objektiver Kostencharakter Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Methodologie der Österreichischen Schule ist ihre rein subjektive Konzeption der Kosten. Viele Autoren meinen, dass sich dieser Begriff ohne große Schwierigkeiten innerhalb des vorherrschenden neoklassischen Paradigmas einfu¨gen ließe. Die Vertreter der Neoklassik integrieren die Kosten allerdings nur rhetorisch als „subjektiv" in ihr Theoriegeba¨ude. Realiter findet ihr Kostenbegriff – und dies, obwohl sie die Bedeutung des Konzepts der Opportunita¨tskosten herausstreichen – stets in einer objektiven Weise Eingang in ihre Modelle. Fu¨r die Österreicher hingegen sind Kosten der subjektive Wert, den der Akteur jenen Zielen verleiht, auf die er verzichtet, wenn er sich dafu¨r entschieden hat, einem bestimmten Handlungsverlauf zu folgen bzw. diesen zu unternehmen. Das bedeutet, dass es fu¨r sie keine objektiven Kosten gibt, sondern dass diese kontinuierlich unter allen Umsta¨nden mittels der unternehmerischen Findigkeit entdeckt werden mu¨ssen. Tatsa¨chlich kann es sein, dass viele alternative Mo¨glichkeiten unbemerkt bleiben, die – wenn sie einmal vom Unternehmer entdeckt sind – die subjektive Konzeption der Kosten seitens des Akteurs radikal vera¨ndern. Deshalb existieren keine objektiven Kosten, die dazu tendieren, den Wert der Ziele zu bestimmen. In Wirklichkeit ist es sogar genau umgekehrt: Die Kosten, als subjektiver Wert, werden in Abha¨ngigkeit des subjektiven Wertes, den die verfolgten Ziele (Konsumgu¨ter) fu¨r den Akteur haben, auf sich genommen. Aus diesem Grund sind es fu¨r die Österreichische Schule die Preise der Konsumprodukte, die als Ausdruck der subjektiven Wertscha¨tzungen am Markt die Kosten bestimmen, die der Akteur bereit ist auf sich zu nehmen, um die Endprodukte herzustellen. Es gilt nicht der umgekehrte Fall, wie es in der Regel von der Neoklassik postuliert wird.

1.8. Verbaler Formalismus versus mathematischer Formalismus Ein weiterer Aspekt von Interesse ist die unterschiedliche Position beider Schulen hinsichtlich des Gebrauchs der Mathematik innerhalb der o¨konomischen Analyse. Der Begru¨nder der Österreichischen Schule, Carl Menger, wies schon von Beginn an auf den entscheidenden Vorteil hin, den die verbale Form im Gegensatz zur mathematischen Sprache hat. Dieser besteht darin, das Wesen der o¨konomischen Pha¨nomene aufzunehmen. So fragte sich Menger in einem Brief an Walras:„Wie kann man das Wissen erlangen um mittels der mathematischen Methode das Wesen beispielsweise des Wertes, der Bodenrente, des unternehmerischen Gewinns, des Bimetallismus etc. zu erkennen?" (Walras, 1965, vol. II, 3)

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Der mathematische Formalismus ist besonders dafu¨r geeignet, die von den Neoklassikern untersuchten Gleichgewichtszusta¨nde abzubilden, aber er erlaubt es nicht, die subjektive Realita¨t der Zeit und noch viel weniger die unternehmerische Kreativita¨t darzustellen, die doch gerade den Hauptbestandteil des analytischen Diskurses innerhalb der Österreichischen Schule ausmachen. Wahrscheinlich war es Hans Mayer, der besser als jeder andere zuvor die Unzula¨nglichkeiten des Gebrauchs des mathematischen Formalismus innerhalb der Ökonomik zusammengefasst hat. Er schrieb: „Es ist im Grunde die den mathematischen Gleichgewichtstheorien, mehr oder weniger verdeckt, immanente Fiktion, dass sie nicht gleichzeitig, sondern in genetisch-zeitlicher Abfolge geltende Gro¨ßen als gleichzeitig existierend in simultanen Gleichungen miteinander verbinden. Es wird ein Tatbestand in der „statischen" Betrachtungsweise synchronisiert, wo es sich in Wahrheit um einen Prozeß handelt. Aber ein Entstehungsvorgang la¨sst sich eben nicht ´statisch´ als Ruhezustand betrachten, ohne dass damit gerade das, was sein Wesen ausmacht, eliminiert wird." (Mayer, 1932, 183 f.) Diese Betrachtungen erkla¨ren, warum fu¨r die Österreichische Schule viele der Theorien und Schlussfolgerungen der Neoklassik bezu¨glich des Konsums und der Produktion keinen wirklichen o¨konomischen Sinn ergeben. Zu diesen sinnlosen Schlussfolgerungen za¨hlt z.B. der so genannte Wertgrenznutzen, dessen theoretisches Fundament mehr als zweifelhaft ist. Dieses Gesetz unterstellt, dass der Akteur fa¨hig ist, den Nutzen aller ihm zur Verfu¨gung stehenden Gu¨ter simultan zu bestimmen. Dabei wird allerdings weder beachtet, dass jede Handlung sequentiell und kreativ ist, noch dass die Gu¨ter nicht gleichzeitig unter einem angeblichem Ausgleich ihres Grenznutzens bewertet werden. Vielmehr wird ein Gut nach dem anderen im Kontext verschiedener Etappen und Handlungen betrachtet, fu¨r die nicht nur der entsprechende Grenznutzen verschieden sein kann, sondern dieser nicht einmal vergleichbar ist (Mayer, 1932, 173-176). Als Fazit la¨sst sich sagen: Fu¨r die Österreichische Schule ist der Gebrauch der Mathematik in der Ökonomie ein Fehler, weil die Mathematik vom temporalen Standpunkt und vom Standpunkt der unternehmerischen Kreativita¨t heterogene Gro¨ßen synchron zusammenfasst. Aus demselben Grund macht es fu¨r die Österreichische Schule auch keinen Sinn, wenn die Neoklassik axiomatische Kriterien der Rationalita¨t verwendet. Ein Akteur, der beispielsweise eine Wahl A der Wahl B und die Wahl B der Wahl C vorzieht, kann ohne weiteres die Wahl C der Wahl A vorziehen, ohne „irrational" oder inkoha¨rent zu sein, weil er ganz einfach seine Meinung gea¨ndert haben kann (obwohl dies mo¨glicherweise nur eine Zehntelsekunde lang der Fall war, falls er diese Zeit fu¨r eine Lo¨sung dieses Problems beno¨tigt hat). Aus Sicht der Österreichischen Schule verwechseln die neoklassischen Kriterien der Rationalita¨t das Konzept der Konstanz mit dem Konzept der Koha¨renz (Mises, 1996, 102-104). Friedrich August v. Hayek Institut

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1.9. Theorie und Empirie: Unterschiedliche Auffassungen bei der Prognose Was die Beziehung zur empirischen Welt und die Mo¨glichkeit der Vorhersage betrifft, unterscheidet sich das Paradigma der Österreichischen Schule radikal von dem der Neoklassik. Fu¨r die Österreichische Schule kann der wissenschaftliche „Beobachter" nicht u¨ber die gesamte subjektive Information verfu¨gen, die kontinuierlich und dezentral von den „beobachteten" unternehmerisch handelnden Akteuren, die wiederum die Hauptrolle im sozialen Prozess spielen, geschaffen und entdeckt wird. Diese Tatsache begru¨ndet die o¨sterreichische Sicht, dass eine empirische Beweisfu¨hrung in den Wirtschaftswissenschaften unmo¨glich ist. Aus denselben Gru¨nden, die die theoretische Unmo¨glichkeit des Sozialismus bestimmen (vgl. Kapitel 5 und 6), sind sowohl der Empirismus als auch die KostenNutzen-Analyse bzw. der Utilitarismus in seinem weitesten Sinne in der Volkswirtschaftslehre nicht anwendbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Wissenschaftler oder einen Regierungsvertreter handelt: Beide werden in ihrem Versuch scheitern, sich die notwendige Information eines konkreten Falles zu verschaffen, wenn sie das Ziel verfolgen, ihre Theorie zu verifizieren oder ihren Befehlen einen koordinierenden Inhalt zu geben. Wa¨re dies mo¨glich, wa¨re es auch machbar, diese Information fu¨r die Koordination einer Gesellschaft durch Befehle und Anordnungen zu verwenden, wie es z.B. im Sozialismus bzw. Interventionismus durch „Sozialingenieure" behauptet wird. Ökonomische Theorien wa¨ren demnach empirisch verifizierbar. Aus dem Ökonomieversta¨ndnis der Österreichischen Schule heraus, ist jedoch das sozialistische- bzw. positivistische Ideal oder ein im weitesten Sinne verstandener Utilitarismus aus vier Gru¨nden unmo¨glich. Erstens, aufgrund des unermesslichen Informationsvolumens, um das es sich handelt. Zweitens, aufgrund des verstreuten, subjektiven und stillschweigenden Charakters der relevanten Information. Drittens, aufgrund des dynamischen Charakters des unternehmerischen Prozesses. Man kann keine Information u¨bermitteln, die noch gar nicht von den Unternehmern in einem stetigen, innovativen Prozess geschaffen wurde. Viertens, aufgrund des Effektes des Zwangs und der wissenschaftlichen „Beobachtung" selbst, welche die Informationsschaffung seitens der Unternehmer verfa¨lscht, entstellt, erschwert oder einfach unmo¨glich macht. Dieselben Argumente, die im weiteren Verlauf im Rahmen der Polemik u¨ber die Unmo¨glichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus eingehender untersucht werden, ko¨nnen auch angewendet werden, wenn man der Überzeugung der Österreichischen Schule mehr Gewicht verleihen will, dass es theoretisch unmo¨glich ist, spezifische Vorhersagen im Sinne von Koordinatenpunkten aus Zeit und Raum mit konkretem empirischem Inhalt im Bereich der Wirtschaft durchzufu¨hren. Was morgen geschehen wird, kann heute wissenschaftlich nicht bekannt sein, weil dies zum großen Teil aus Wissen und Information besteht, die unterneh-

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merisch noch nicht geschaffen wurde und aus diesem Grunde heute noch nicht bekannt sein kann. Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften kann man deshalb ho¨chstens „tendenzielle Voraussagen" allgemeiner Art treffen. Hayek hat diese als pattern predictions (Mustervoraussagen) bezeichnet. Diese Voraussagen sind ihrer Natur nach ausschließlich qualitativer, theoretischer und relativer Art und ko¨nnen ho¨chstens dazu dienen, die von institutionellem Zwang (Sozialismus und Interventionismus) auf das Marktsystem ausgeu¨bten Effekte vorherzusagen, na¨mlich die der Unmo¨glichkeit der Koordination und der Anpassung. Es ist weiterhin daran zu erinnern, dass es objektive, direkt und extern zu beobachtende Tatsachen nicht gibt, sondern dass gema¨ß der subjektivistischen Konzeption der Österreichischen Schule die Forschungsobjekte der Wirtschaftswissenschaft sich vielmehr aus Ideen ableiten, die andere daru¨ber haben, was anzustreben und zu tun ist. Diese Ideen sind niemals direkt beobachtbar, sondern lediglich in historischen Begriffen interpretierbar. Um jedoch die soziale Realita¨t – aus der nun einmal Geschichte besteht – interpretieren zu ko¨nnen, ist es zuna¨chst notwendig, (vorher) u¨ber eine Theorie zu verfu¨gen. Außerdem ist ein nicht wissenschaftliches,„verstehendes“ Urteil notwendig, welches nicht objektiv ist, sondern je nach Historiker variieren kann, und das auf diese Weise seine Wissenschaft – die historische Forschung – in eine echte Kunst verwandelt. Schlussendlich betrachten Österreicher empirische Pha¨nomene als kontinuierlich variabel, weil in sozialen Ereignissen weder Parameter noch Konstanten vorhanden, sondern diese insgesamt „variabel" sind. Dies macht es sehr schwierig, um nicht zu sagen, unmo¨glich, die traditionellen Ziele der Ökonometrie und des methodologischen Programms des Positivismus – angefangen bei den Versuchen der Verifizierung bis hin zum Falsifizieren a` la Popper – zu verwirklichen. Im Gegensatz zum positivistischen Ideal der Neoklassiker, strebt die Österreichische Schule danach, ihre Disziplin aprioristisch und deduktiv zu formulieren. Insgesamt betrachtet hat sie das Ziel, ein logisch-deduktives Arsenal von selbst evidenten Kenntnissen bereitzustellen. Bei diesem Arsenal handelt es sich um Axiome wie z.B. dem subjektiven Konzept menschlichen Handelns mit seinen wesentlichen Elementen. Diese sind entweder Ergebnis der Introspektion der eigenen Erfahrung des Wissenschaftlers, oder sind selbstevident, weil sie niemand in Frage stellen kann, ohne sich selbst zu widersprechen (Hoppe, 1995; Caldwell, 1994, 117-138). Fu¨r die Österreicher ist dieses theoretische Instrumentarium unverzichtbar, um die – vulkanischem Magma a¨hnliche – lose Erscheinung komplexer historischer Pha¨nomene, aus denen die soziale Welt besteht, auf angebrachte Weise verstehen zu ko¨nnen. Daru¨ber hinaus erlaubt dieses Instrumentarium eine Vorhersage ku¨nftiger Ereignisse mit einem Minimum an Koha¨renz, Garantien und Erfolgschancen. Es ist diese Vorhersage, die die ureigene Aufgabe des Unternehmers darstellt. Friedrich August v. Hayek Institut

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Es ist vor diesem Hintergrund versta¨ndlich, wieso die Österreicher im Allgemeinen der historischen Forschung eine solch große Bedeutung zuschreiben, und wieso sie diese auf der einen Seite streng von der o¨konomischen Theorie trennen, sie aber andererseits mit der o¨konomischen Theorie kombinieren (Mises, 1985). Hayek bezeichnet die unangebrachte Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode auf das Feld der Sozialwissenschaften als Szientismus (Hayek, 2004). In der natu¨rlichen Umwelt gibt es Konstanten und funktionale Beziehungen, welche die Anwendung der mathematischen Sprache und die Durchfu¨hrung quantitativer Experimente in einem Labor erlauben. Im Unterschied zur Welt der Physik, des Ingenieurwesens und der Naturwissenschaften gibt es fu¨r die Ökonomen der Österreichischen Schule in den Wirtschaftwissenschaften keine funktionalen Beziehungen, und deshalb auch keine mathematischen Funktionen des Angebots, der Nachfrage, der Kosten oder sonst eines o¨konomischen Konzepts. Rufen wir kurz in unser Geda¨chtnis zuru¨ck, dass der Mathematik und der Mengenlehre zufolge, eine Funktion nichts anderes darstellt als eine Korrespondenz zweier Mengen. Hierbei handelt es sich auf der einen Seite um die so genannte Urbildmenge und auf der anderen Seite um die Bildmenge. Der Mensch verfu¨gt von Natur aus u¨ber die kreative Fa¨higkeit, beim Handeln kontinuierlich neue Informationen zu schaffen und zu entdecken, um hiermit Ziele mit Mitteln zu erreichen, von denen er glaubt, dass diese geeignet sind, diese Ziele zu verwirklichen. Es ist daher offensichtlich, dass in der Ökonomik keine der drei Vorraussetzungen gegeben ist, die fu¨r eine funktionelle Beziehung notwendig sind: a.) Die Elemente der Urbildmenge sind weder gegeben, noch sind sie konstant b.) Die Elemente der Bildmenge sind ebenfalls weder gegeben, noch sind sie konstant. Und als wichtigsten Punkt c.), die Korrespondenz zwischen den unter a.) und b.) genannten Elementen beider Mengen ist ebenfalls nicht gegeben, sondern variiert sta¨ndig als Ergebnis des Handelns und der kreativen Fa¨higkeiten des Menschen. Deshalb ist fu¨r den Gebrauch von Funktionen die Konstanz der Information Voraussetzung, welche allerdings auf radikale Weise den Protagonisten aller sozialen Prozesse eliminiert: den Menschen mit seiner von Natur aus gegebenen kreativen unternehmerischen Fa¨higkeit. Der große Verdienst der Österreicher besteht somit darin, auf logische Art und Weise, einen corpus der o¨konomischen Theorie entwickelt zu haben, in dem die Zeit und die Kreativita¨t der Menschen (Praxeologie) Eingang finden. Die Österreichische Schule verzichtet somit auf mathematische Funktionen oder Annahmen der Konstanz der Information, da dies mit der kreativen Natur des Menschen nicht vereinbar ist. Denn fu¨r die Österreicher ist der Mensch der wirkliche und einzige Protagonist aller sozialen Prozesse – er ist der Forschungsgegenstand der Wirtschaftwissenschaften.

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Selbst die namhaftesten Ökonomen der Neoklassischen Schule mussten die Existenz o¨konomischer Gesetze zugeben, wie z.B. die Theorie der Evolution und die Theorie der natu¨rlichen Auslese, deren Richtigkeit empirisch nicht nachpru¨fbar ist (Rosen, 1997). Die Österreichische Schule hat insbesondere auf die Unzula¨nglichkeiten der empirischen Untersuchung hingewiesen, um hierdurch die Entwicklung der o¨konomischen Theorie voranzutreiben. Tatsa¨chlich ko¨nnen empirische Untersuchungen ho¨chstens historisch kontingente Informationen u¨ber bestimmte, realiter stattgefundene Ergebniselemente sozialer Prozesse zur Verfu¨gung stellen. Sie liefern aber keine Informationen bezu¨glich der formalen Struktur dieser Prozesse, deren Kenntnis ja genau der Forschungsgegenstand der o¨konomischen Theorie ist. Oder um es anders auszudru¨cken: Statistiken und empirische Untersuchungen ko¨nnen uns keinerlei theoretisches Wissen verschaffen. Wie wir im weiteren Verlauf sehen werden, war die gegenteilige Überzeugung genau der Fehler, den die Vertreter der Historischen Schule im 19. Jahrhundert machten, und der zum großen Teil von der Neoklassik auch heute noch begangen wird. Wie es Hayek es in seiner Rede anla¨sslich der Verleihung des Nobelpreises zum Ausdruck brachte, mangelt es statistisch messbaren Aggregaten an theoretischem Sinn. Umgekehrt sind viele Konzepte, die theoretisch Sinn machen, weder messbar noch empirisch zu handhaben (Hayek, 1996a, 3 – 15).

1.10.Schlussfolgerungen Die Hauptkritik der Österreicher an der Neoklassik und die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale von ihr sind die Folgenden: erstens konzentriert sich der neoklassische Ansatz mit Hilfe eines Maximierungsmodells ausschließlich auf Gleichgewichtszusta¨nde. Innerhalb dieses Maximierungsmodells wird angenommen, dass die Information, die die Akteure hinsichtlich ihrer Zielfunktion und ihrer Restriktionen beno¨tigen,„gegeben" ist. Zweitens fu¨hrt die in vielen Fa¨llen willku¨rliche Auswahl von Variablen und Parametern – sowohl bezu¨glich der Zielfunktion als auch hinsichtlich der Restriktionen – dazu, nur „offensichtlichere" Aspekte zu beru¨cksichtigen. Damit werden aber andere Aspekte von großer Tragweite (moralische Werte, Gewohnheiten, Traditionen, Institutionen, etc.) u¨bergangen, weil diese empirisch schwerer, oder u¨berhaupt nicht zu handhaben sind. Drittens richtet sich die Neoklassik an mathematischen GleichgewichtsModellen aus, die die wirklichen Kausalbeziehungen verschleiern. Viertens hebt die Neoklassik ihre Schlussfolgerungen auf einen theoretischen Sockel, obwohl es sich bei diesen lediglich um Interpretationen einer historischen Realita¨t handelt. Diese Schlussfolgerungen ko¨nnen zwar unter gewissen Umsta¨nden eine gewisse Relevanz erreichen. Es kann dabei aber nicht angenommen werden, dass sie theoretisch und universell gu¨ltigen Wert besitzen, da in ihnen lediglich ein historisch kontingentes Wissen verko¨rpert ist. Dies heißt jedoch nicht, dass alle neoklassischen Schlussfolgerungen falsch sind. Ein Großteil hat durchaus Wert. Die Österreichische Schule betont aber, dass Friedrich August v. Hayek Institut

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es hinsichtlich der Aussagekraft dieser Schlussfolgerungen keine Sicherheit gibt, und dass diese Sicherheit erho¨ht werden kann, in dem die von den Österreichern befu¨rwortete dynamische Analyse angewendet wird. Ko¨nnte man mit ihrer Hilfe die zahlreichen „falschen" von den „richtigen" Theorien isolieren, und damit die Fehler, die die empiristische Methode und die Gleichgewichtsanalyse implizieren, herausfiltern, so wohnte dem o¨sterreichischen Ansatz eine enorme Sprengkraft inne.

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2. Wissen und die Rolle der Unternehmer In diesem Kapitel werden das Konzept und die Rolle der Unternehmer erla¨utert. Letztere ist in der Österreichischen Schule von fundamentaler Bedeutung, denn sie stellt den Dreh- und Angelpunkt der o¨konomischen Analyse dar. Nur wenn die entscheidende Rolle des Unternehmers und die o¨konomische Bedeutung des von ihm geschaffenen Wissens beim Handeln auf Ma¨rkten erkla¨rt wird, ist es mo¨glich, die der Marktdynamik inha¨rente Koordinationstendenz sowie die historische Entwicklung der Österreichischen Schule, die in detaillierter Form in den folgenden Kapiteln untersucht wird, zu verstehen.

2.1. Definition unternehmerischen Handelns In einem allgemeinen und weit gefassten Sinn fa¨llt fu¨r die Österreichische Schule die Funktion der Unternehmer mit dem menschlichen Handeln an sich zusammen. Jede Person, die handelt, um die Gegenwart zu gestalten und ihre zuku¨nftigen Ziele zu erreichen, agiert quasi wie ein Unternehmer. Obwohl diese Definition auf den ersten Blick als zu weit gefasst erscheinen mag und nicht mit dem heutigen Begriff des „Unternehmers“ u¨bereinstimmt, sollte doch beachtet werden, dass diese Definition vollsta¨ndig konform mit der urspru¨nglichen etymologischen Bedeutung des Begriffs Unternehmen einhergeht. Denn sowohl der spanische Ausdruck fu¨r Unternehmen, empresa, als auch der im Englischen und Franzo¨sischen verwendete Ausdruck, Entrepreneur, stammen etymologisch vom lateinischen Verb in prehendo-endi-ensum ab, was soviel wie entdecken, sehen, wahrnehmen, bemerken oder halten bedeutet. Der lateinische Ausdruck in prehensa schließt die Idee des Handelns im Sinne von nehmen und ergreifen ein. Insgesamt betrachtet ist das Wort „Unternehmen“ damit ein Synonym fu¨r Handeln. So wurde im Franzo¨sischen der Begriff Entrepreneur seit dem Mittelalter fu¨r Personen verwendet, die damit beauftragt waren, wichtige Handlungen im Zusammenhang mit Krieg oder Großprojekten wie dem Bau einer Kathedrale durchzufu¨hren. Im Spanischen bedeutet Unternehmen, gema¨ß dem Wo¨rterbuch der ko¨niglich-spanischen Akademie,„eine beschwerliche und schwierige Handlung, die Mut erfordert“. Im Mittelalter wurde dieser Begriff zudem fu¨r die Benennung von Ehrenabzeichen bestimmter Kavallerieorden verwendet, die unter Eid bedeutende Missionen durchfu¨hrten und denen man dafu¨r dieses Ehrenabzeichen verlieh. Jedenfalls ist die Bedeutung des Wortes „Unternehmen“ im Sinne von Handlung notwendigerweise mit der unternehmerischen Handlung verbunden, die in dem sta¨ndigen Versuch besteht, neue Mittel und Ziele zu suchen, zu entdecken, zu schaffen bzw. sich gewahr zu werden, dass es diese gibt. Der Begriff „Unternehmen“ steht somit im Einklang mit der weiter oben behandelten etymologischen Bedeutung des Wortes in prehendo. Grundlegend und in einem strengen Sinne besteht die Rolle von Unternehmern darin, Gelegenheiten zu entdecken, Ziele zu erreichen, oder – wenn man so Friedrich August v. Hayek Institut

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will – einen Gewinn zu erzielen, den die Umwelt bietet. Des weiteren besteht die Rolle von Unternehmen darin, seine Handlungen darauf auszurichten, diesen Gewinn zu realisieren. Kirzner hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Ausu¨bung der unternehmerischen Aktivita¨t eine spezielle Findigkeit (alertness) impliziert. Unter dieser Findigkeit versteht er eine besta¨ndige Aufmerksamkeit, die es dem Menschen mo¨glich macht, Dinge zu entdecken und sich gewahr zu werden, was in seiner Umgebung geschieht (Kirzner, 1978, 28 und 52). Wahrscheinlich benu¨tzt Kirzner den englischen Begriff alertness, weil der Begriff entrepreneurship franzo¨sischen Ursprungs ist und im Englischen nicht unmittelbar die in den romanischen Sprachen enthaltene Idee von prehendo mit einschließt. Jedenfalls ist die im Spanischen verwendete Bezeichnung perspicaz (dt. scharfsinnig, Scharfsinn) fu¨r die unternehmerische Funktion besser geeignet, weil man diese Bezeichnung – gema¨ß dem Wo¨rterbuch der ko¨niglich-spanischen Akademie – fu¨r den „scharfsinnigen Blick oder das scharfsinnige (Vor-) aussehen, das viel erreicht“ verwendet. Der Begriff Spekulant stammt etymologisch vom lateinischen Wort specula ab. Hierbei handelt es sich um ein Wort, das fu¨r die Bezeichnung der Tu¨rme verwendet wurde, von denen die Wachposten aus weiter Entfernung beobachten konnten, was auf sie zukam. Die beiden Begriffe alertness und Spekulant gehen vollsta¨ndig konform mit den Aktivita¨ten des Unternehmers. Zu diesen za¨hlen z.B. seine Entscheidungen bezu¨glich seines Handelns, der Abscha¨tzung der Effekte seiner Handlungen in der Zukunft und die Durchfu¨hrbarkeit derselben. Obwohl „aufmerksam sein“ auch als Umschreibung fu¨r die Unternehmereigenschaft akzeptiert werden kann, scheint sie jedoch in jedem Fall die weniger passende Bezeichnung im Vergleich zum Begriff der „Scharfsinnigkeit“ oder „Findigkeit“ zu sein, weil erstere eine etwas statischere Haltung impliziert als letztere.

2.2. Information, Wissen und Unternehmertum Man kann die Natur der unternehmerischen Funktion in aller Tiefe, die sie fu¨r die Österreichische Schule besitzt, nicht verstehen, ohne zu begreifen, auf welche Weise der Unternehmer die Information oder das Wissen, u¨ber welches der Akteur verfu¨gt, modifiziert. Einerseits bedeutet das Schaffen, das Wahrnehmen und das Bemerken neuer Mittel und Ziele eine Modifizierung des Wissens des Akteurs in dem Sinne, dass er neue Informationen entdeckt, die vorher nicht existierten. Auf der anderen Seite modifiziert diese Entdeckung die „Landkarte“ oder den Informationskontext, u¨ber den das Subjekt als Akteur verfu¨gt. Daraus ergibt sich unmittelbar folgende Frage: Welche Eigenschaften hat die Information oder das relevante Wissen fu¨r die Ausu¨bung der unternehmerischen Funktion?

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Im Folgenden werden aus o¨sterreichischer Sicht die sechs grundlegenden Eigenschaften des unternehmerischen Wissens eingehend untersucht: 1.) Es handelt sich dabei um ein subjektives Wissen praktischen, nicht wissenschaftlichen Typs. 2.) Das Wissen ist privat. 3.) Es ist verstreut in den Ko¨pfen der Menschen vorhanden. 4.) Gro¨ßtenteils handelt es sich dabei um stillschweigendes Wissen, das aus diesem Grund nicht artikulierbar ist. 5.) Es ist ein Wissen, welches ex nihilo durch unternehmerisches Handeln geschaffen wird. 6.) Wir haben es mit u¨bertragbaren Wissen zu tun, welches gro¨ßtenteils in unbewusster Weise durch ho¨chst komplizierte soziale Prozesse u¨bermittelt wird und dessen Erforschung aus o¨sterreichischer Sicht den Forschungsgegenstand der Wirtschaftwissenschaften ausmacht.

2.3. Subjektives und praktisches Wissen Bei dem Wissen, welches die wichtigste Seite des menschlichen Handelns darstellt, handelt es sich in erster Linie um ein subjektives Wissen praktischen, unwissenschaftlichen Charakters. Praktisches Wissen ist alles Wissen, das nicht auf eine formale Weise dargestellt werden kann. Es ist das einzelne Subjekt, das sich dieses Wissen durch die Praxis, d.h. aus dem ausgefu¨hrten menschlichen Handeln in seinem jeweiligen Kontext, aneignet oder erlernt. Es handelt sich dabei, wie Hayek bemerkt, um relevantes Wissen jeglicher Art innerhalb spezieller Umsta¨nde bezu¨glich subjektiver Koordinaten von Zeit und Raum (Hayek, 1972, 51 und 91). Wir sprechen hier somit von einem Wissen u¨ber menschlich-konkrete Wertscha¨tzungen. Hierbei handelt es sich sowohl um die von dem einzelnen Akteur angestrebten Ziele als auch um sein Wissen u¨ber die Ziele, von denen er glaubt, dass sie auch von anderen Akteuren erstrebt oder verfolgt werden. Gleichzeitig handelt es sich um ein praktisches Wissen hinsichtlich der Mittel, u¨ber die der Akteur bei der Verfolgung seiner Ziele glaubt, verfu¨gen zu ko¨nnen. Im Speziellen handelt es sich bei dem Wissen um alle perso¨nlichen oder unperso¨nlichen Umsta¨nde, die der Akteur innerhalb eines konkreten Handlungszusammenhangs als relevant betrachtet. Es ist in diesem Zusammenhang notwendig darauf hinzuweisen, dass wir die Unterscheidung der Konzepte des „praktischen Wissens“ und des „wissenschaftlichen Wissens“ Michael Oakeshott (Oakeshott, 1991, 12 und 15) verdanken. Seine beiden Konzepte sind mit jenen von Hayeks, der zwischen „verstreuten Wissen“ und „zentralisierten Wissen“ unterscheidet, jenen von Michael Polanyi (1959, 2425) („explizites“ und „implizites“ Wissen), und jenen von Mises’ (Mises, 1996, 107113) „einmaligen Ereignissen“ und „Klasse von Pha¨nomenen“ vergleichbar. Die von den genannten Autoren, obgleich von verschiedenen Standpunkten ausgehend, vollzogene gemeinsame Anna¨herung, an die zwei verschiedenen Grundtypen von Wissen, sei mit Hilfe von Abbildung 2 dargestellt.

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Abbildung 2: Zwei verschiedene Arten von Wissen Oakeshott Hayek Polanyi Mises

Typ A Praktisch (traditionell) Verstreut Implizit (stillschweigend, verborgen) „einmalige Ereignisse“

Typ B Wissenschaftlich (oder technisch) Zentralisiert Explizit (artikuliert) „Klasse von Pha¨nomenen“

ÖKONOMIE (Wissen vom Typ B u¨ber Wissen vom Typ A) Die Beziehung zwischen den beiden Arten von Wissen ist komplex. Einerseits hat jedes wissenschaftliche Wissen (Typ B) eine nicht artikulierbare Basis (Typ A). Des weiteren verwirklicht sich der wissenschaftliche und technische Fortschritt (Typ B) durch neues, leistungsfa¨higeres und ertragreicheres praktisches Wissen (Typ A). Andererseits sind die Wirtschaftwissenschaften die Gesamtheit des Wissen des Typs B (wissenschaftlich) u¨ber die Prozesse der Schaffung und Übertragung von praktischen Wissens (Typ A). Es wird nun versta¨ndlich, dass fu¨r Hayek das hauptsa¨chliche Risiko der Ökonomie als Wissenschaft beim Theoretisieren u¨ber das Wissen des Typs A darin bestand, zu dem Schluss zu kommen, dass die „Szientifisten der Ökonomie“ oder „Sozialingenieure“ den speziellen Inhalt des praktischen Wissens vom Typ A bestimmen, obwohl dieser doch kontinuierlich von den Menschen auf unternehmerischen Niveau geschaffen und gehandhabt wird. Schlimmer noch, es kann sogar dazu kommen, dass der spezifische Inhalt des praktischen Wissens komplett missachtet wird, wie es auf so zutreffende Weise von Oakeshott kritisiert wurde. Fu¨r Oakeshott besteht der Rationalismus in seiner gefa¨hrlichsten, u¨bertriebenen und falschen Version darin zu glauben,„dass praktisches Wissen u¨berhaupt kein Wissen ist, d.h. dass in seinem urspru¨nglichsten Sinne kein anderes Wissen als technisches Wissen besteht“ (Oakeshott, 1991, 15).

2.4. Privates und verstreutes Wissen Praktisches Wissen ist privates und verstreutes Wissen zugleich. Jeder handelnde Mensch besitzt sozusagen nur ein paar „Atome“ oder „Bits“ der Information, die global auf sozialem Niveau geschaffen und u¨bertragen wird. Paradoxerweise besitzt aber nur der Einzelne diese Information, d.h. nur er kennt und interpretiert sie bewusst. Jeder Mensch, der unternehmerisch handelt, vollzieht dies deshalb

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auf eine strikt perso¨nliche und nicht wiederholbare Art und Weise. Denn es ist davon auszugehen, dass der Versuch, bestimmte Ziele und Mittel zu erreichen oder zu erhalten, gema¨ß eines Wissens und einer Sicht der Dinge geschieht, die nur der Einzelne in seinem ganzen Reichtum und Nuancen kennt und die in identischer Form fu¨r keinen anderen Menschen wiederholbar sind. Aus diesem Grund ist das Wissen, von dem wir hier sprechen nicht gegeben oder fu¨r irgendjemand in einer Art Informationsspeicher (wie z.B. in Zeitungen, Fachzeitschriften, Bu¨chern, Statistiken, Computern etc.) verfu¨gbar. Ganz im Gegenteil: das fu¨r das menschliche Handeln relevante Wissen ist eindeutig ein unternehmerisches Wissen praktischer, privater Art. Dieses Wissen „befindet“ sich verstreut in den Ko¨pfen von unternehmerisch handelnden Akteuren. Diese sind es, die die Menschheit konstituieren und sie vorantreiben.

2.5. Stillschweigendes, nicht artikulierbares Wissen Praktisches Wissen ist zu einem großen Teil stillschweigendes (verborgenes), nicht artikulierbares Wissen. Das bedeutet, dass der einzelne Akteur zwar weiß, wie bestimmte Handlungen durchzufu¨hren sind („know how“), er weiß aber nicht, welches die Elemente oder Teile von dem, was er tut, sind, und ob diese falsch oder richtig sind. („know that“). Wenn eine Person beispielsweise Golf zu spielen lernt, lernt sie nicht die Gesamtheit objektiver Regeln wissenschaftlicher Art, die ihr die notwendigen Bewegungen als Ergebnis der Anwendung einer Reihe von Formeln der mathematischen Physik auszuu¨ben erlauben. Vielmehr besteht der Lernprozess in der Aneignung einer Reihe praktischer Verhaltensregeln. Polanyi folgend, kann man gleichermaßen das Beispiel von der Person anfu¨hren, die Fahrrad zu fahren lernt, indem sie versucht, das Gleichgewicht durch den Gebrauch des Lenkers zu halten, womit sie eine Zentrifugalkraft erzeugt, die sie wiederum dazu befa¨higt, das Fahrrad aufrecht zu halten. Dies geschieht ohne Kenntnis oder ein Bewusstsein der physikalischen Gesetze, auf denen die Geschicklichkeit des Lernenden beruht. Im Gegenteil: der Fahrradfahrer benutzt vielmehr seinen „Gleichgewichtssinn“, der ihm in jedem Moment sagt, wie er sich zu verhalten hat, damit er nicht hinfa¨llt. Polanyi (1959, 24-25) behauptet sogar, dass das stillschweigende Wissen (tacit knowledge) tatsa¨chlich das vorherrschende Prinzip alles Wissens ist. Selbst das im ho¨chsten Maße formalisiert-wissenschaftliche Wissen ist stets das Ergebnis einer Intuition oder eines scho¨pferischen Aktes, die beide nichts anderes sind als eine Manifestation stillschweigenden Wissens. Davon abgesehen ist das neue, formalisierte Wissen, welches wir aus Formeln, Bu¨chern, Abbildungen, Karten etc. erlangen, vor allem deshalb von so großer Bedeutung, weil es uns dabei hilft, unseren unternehmerisch-praktischen Informationskontext von verschiedenen, ergiebigeren und vielversprechenderen Standpunkten aus zu reorganisieren, was uns neue Mo¨glichkeiten in der Ausu¨bung der kreativen Intuition ero¨ffnet. Friedrich August v. Hayek Institut

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Die Unmo¨glichkeit, das praktische Wissen zu formulieren, zeigt sich erstens auf „statischem“ Wege in dem Sinne, dass jede scheinbar formulierte Feststellung nur Informationen in dem Maße entha¨lt, dass diese Information aufgrund einer Gesamtheit vorheriger Überzeugungen und nicht artikulierbarem Wissen interpretiert werden kann. Die Unmo¨glichkeit, praktisches Wissen zu formulieren, zeigt sich zweitens auch auf „dynamischem“ Weg, weil der mentale Prozess, der fu¨r ein formales Artikulieren beno¨tigt wird, in sich selbst stillschweigendes, nicht artikulierbares Wissen darstellt. Eine andere Art nicht artikulierbaren Wissens, das eine essenzielle Rolle in der Entwicklung der Gesellschaft spielt, besteht aus der Gesamtheit von Gewohnheiten, Traditionen, Institutionen und rechtlichen bzw. moralischen Regeln. Diese Gesamtheit ermo¨glicht erst die Bildung einer Gesellschaft. Menschen lernen diese Regeln und Traditionen zu befolgen, ohne dass sie hierbei im Stande wa¨ren, detailliert theoretisch zu begru¨nden oder zu artikulieren, welche Rolle die Regeln und Institutionen in den verschieden Situationen und sozialen Prozessen erfu¨llen, auf die die Menschen wiederum Einfluss nehmen. Das gleiche gilt fu¨r die Sprache oder die Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung, die der Unternehmer fu¨r seine Wirtschaftrechnung benu¨tzt, und die ihn bei seinen Entscheidungen leitet. Bei der Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung handelt es sich um ein Konglomerat von Wissen oder praktischen Techniken, das – im Kontext der Marktwirtschaft verwendet – den Unternehmer bei seinem Handeln leitet und ihm dazu dient, seine Ziele zu erreichen. Der Großteil der Unternehmer wa¨re allerdings nicht fa¨hig, eine wissenschaftliche Theorie der Buchfu¨hrung zu formulieren, und noch weniger zu erkla¨ren, auf welche Weise die Buchhaltung dabei hilft, die komplizierten sozialen Prozesse zu koordinieren, welche das soziale und o¨konomische Leben erst ermo¨glichen. Wird im o¨sterreichischen Sinne die angeborene Fa¨higkeit, Gewinnchancen zu entdecken bzw. wahrzunehmen, und das bewusste Verhalten, das darauf abzielt, diese auszunutzen, als unternehmerische Funktion verstanden, so kann man schlussfolgern, dass die Ausu¨bung der unternehmerischen Funktion sich grundsa¨tzlich in stillschweigendem, nicht artikulierbarem Wissen manifestiert.

2.6. Der kreative Charakter unternehmerischen Handelns Unternehmerisches Handeln beno¨tigt keinerlei Mittel, um ausgefu¨hrt zu werden, d.h., es setzt keinerlei Kosten voraus und ist in seiner Essenz kreativ. Der kreative Charakter unternehmerischen Handelns spiegelt sich in Gewinnen wider, die in gewisser Weise aus dem Nichts entstehen, und die aus diesem Grunde als reine unternehmerische Gewinne bezeichnet werden ko¨nnen. Um unternehmerische Gewinne zu erzielen ist es daher nicht notwendig, im Vorhinein u¨ber Mittel zu verfu¨gen. Notwendig ist lediglich, unternehmerisch gut zu handeln. Es kann allerdings nicht genu¨gend betont werden, dass sich aus jedem unternehmerischen Akt drei bedeutsame Effekte ergeben: Erstens, unternehmerisches

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Handeln schafft neue Information, die vorher nicht existiert hat. Zweitens, die Information wird durch den Markt u¨bermittelt. Drittens, als Folge des unternehmerischen Aktes, lernen die beteiligten o¨konomischen Akteure, sich jeweils in Abha¨ngigkeit der Bedu¨rfnisse der anderen zu verhalten. Diese Konsequenzen unternehmerischen Handels im o¨sterreichischen Sinne sind von derart großer Bedeutung, dass es sich lohnt, sie einzeln und ausfu¨hrlich zu untersuchen.

2.7. Die Schaffung von Information Jeder unternehmerische Akt impliziert ex nihilo die Schaffung neuer Information oder Wissens. Diese findet im Denken derjenigen Person statt, die zuerst die unternehmerische Funktion ausu¨bt. Wenn sich beispielsweise eine Person „C“ einer Gewinnchance gewahr wird, wird eine Information in ihrem Verstand erzeugt, die sie vorher nicht hatte.Wenn „C“ handelt und sich zum Beispiel mit „A“ und „B“ in Verbindung setzt, indem er von „B“ billig ein Mittel, welches dieser im Überfluss besitzt, kauft, und dieses Mittel an „A“, der daran dringenden Bedarf hat, (zu einem ho¨heren Preis) weiterverkauft, wird auch in „A“ und „B“ neue Information geschaffen. Person „A“ wird sich beispielsweise bewusst, dass jenes Mittel, welches ihm fehlte und welches er dringend bedarf, um sein Ziel zu erreichen, an einer anderen Stelle am Markt, in gro¨ßeren Mengen als er es sich vorgestellt hat, verfu¨gbar ist. Er kann deshalb ohne Schwierigkeiten die Handlung unternehmen, die er vorher unterlassen hat, weil ihm das genannte Mittel fehlte. Andererseits bemerkt Person „B“, dass die Ressource, u¨ber die er im Überfluss verfu¨gt, und die er deswegen nicht wertscha¨tzte, von anderen Personen begehrt wird. Es lohnt sich daher fu¨r ihn, sie zu erhalten und aufzubewahren, weil er sie zu einem guten Preis verkaufen kann.

¨ bermittlung von Information 2.8. Die U Die Schaffung von Information seitens der Unternehmer impliziert simultan deren Übermittlung am Markt. Jemanden etwas zu u¨bermitteln bedeutet tatsa¨chlich, dass dieser jemand in seinem Verstand einen Teil der Information schafft, der vorher von anderen entdeckt wurde. Im vorherigen Beispiel wurde in strikter Form die Information an Person „B“ u¨bermittelt, dass ihre Ressource wichtig ist und nicht verschwendet werden sollte. An Person „A“ wurde die Information u¨bermittelt, dass sie ihr Ziel, das sie zuna¨chst erst gar nicht in Angriff genommen hat, weil ihr die Ressourcen dazu fehlten, nun weiterverfolgen kann. Person „B“ wurde durch die respektiven Marktpreise zudem auch daru¨ber informiert, dass sie die in Frage stehenden Ressourcen aufbewahrt und wirtschaftlich verwenden soll, weil eine Nachfrage nach ihnen besteht. Die Marktpreise haben in diesem Sinne eine wichtige Transmissionsfunktion, weil sie zu niedrigen Kosten in sequentiellen Wellen u¨ber die ganze Gesellschaft bzw. den ganzen Markt hinweg Informationen u¨bermitteln. Gleichzeitig ko¨nnen alle, die keine Handlung Friedrich August v. Hayek Institut

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unternahmen, weil sie dachten, dass die besagte Ressource nicht existierte, sich diese jetzt verschaffen und ihre Pla¨ne weiterverfolgen. Logischerweise ist die relevante Information immer subjektiv. Sie existiert nicht außerhalb der Personen, die sie entdecken und interpretieren ko¨nnen, sondern es ist immer der Mensch, der sie schafft, wahrnimmt und u¨bermittelt. Die falsche Vorstellung, wonach Information etwas Objektives ist, hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass die von Unternehmern geschaffene, subjektive Information sich in „objektiven“ Zeichen (Preise, Institutionen, Regeln, Unterschriften usw.) widerspiegelt. Diese „objektiven“ Zeichen werden vom Subjekt in seinem spezifischen Handlungszusammenhang entdeckt und (subjektiv) interpretiert. Damit wird es ihm mo¨glich, immer reichere und komplexere neue Information zu schaffen. Die Übermittlung sozialer Information ist stillschweigend und subjektiv, d.h. unartikuliert und gleichzeitig stark komprimiert, weil tatsa¨chlich nur das fu¨r eine Koordination des sozialen Prozesses notwendige Minimum subjektiv u¨bermittelt und erfasst wird. Damit wird aber gleichzeitig die limitierte Fa¨higkeit des menschlichen Gehirns im Hinblick auf die konstante Schaffung, Entdeckung und Übermittlung der neuen Information unternehmerischer Art optimal genutzt.

2.9. Der Lerneffekt: Koordination und Anpassung Wie lernen die sozialen Akteure sich in Abha¨ngigkeit von anderen zu verhalten? Als Folge der von Person „C“ unternommenen unternehmerischen Handlung verschwendet Person „B“ beispielsweise die ihm zu Verfu¨gung stehende Ressource nicht, sondern bewahrt und erha¨lt sie, ihrem eigenen Interesse folgend. Da Person „A“ nun u¨ber die Ressource verfu¨gt, kann sie nun ihre Handlung in Angriff nehmen und ihr Ziel verfolgen. Beide Personen lernen deshalb auf eine koordinierte Art und Weise zu handeln, d.h. sie a¨ndern ihr Verhalten in Abha¨ngigkeit der Bedu¨rfnisse des anderen. Zudem lernen sie auf die bestmo¨gliche Art, die man sich nur vorstellen kann: Sie lernen eigensta¨ndig, ohne sich aber dessen bewusst zu sein. Sie lernen also freiwillig und in einem Kontext, in dem beide ihre Ziele und spezifischen Interessen verfolgen. Dies und nichts anderes ist die Essenz des zugleich wunderbaren, einfachen und effektiven Prozesses, der das Leben in einer Gesellschaft erst ermo¨glicht. Schließlich darf nicht u¨bersehen werden, dass Person „C“, indem sie unternehmerisch ta¨tig wird, nicht nur ein koordiniertes Handeln zwischen „A“ und „B“ , das vorher nicht existiert hat, ermo¨glicht, sondern dass „A“ und „B“ auch eine Wirtschaftlichkeitsrechnung u¨ber ihr Handeln aufstellen und dabei auf Daten oder Informationen zuru¨ckgreifen, die vorher gar nicht vorhanden waren und deren jetziges Vorhandensein ihnen erlaubt, ihre jeweiligen Ziele mit ho¨herer Erfolgswahrscheinlichkeit zu erreichen. Zusammengefasst ist es die als Urteilskraft verstandene Wirtschaftsrechnung, mit deren Hilfe der Wert verschiedener Alternativen oder Handlungsabla¨ufe gescha¨tzt werden kann. Diese wird erst aufgrund der Information, die der unternehmerische Prozess schafft, mo¨glich. Um es anders auszudru¨cken: Ohne die freie

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Ausu¨bung unternehmerischen Handelns in einer Marktwirtschaft wird die Information, die fu¨r jeden Akteur notwendig ist, um in angemessener Weise den Wert alternativer Handlungsweisen zu berechnen bzw. abzuscha¨tzen, nicht geschaffen. Das bedeutet, dass ohne unternehmerisches Handeln eine Wirtschaftlichkeitsrechnung unmo¨glich ist. Dies ist eine der wichtigsten Schlussfolgerungen, zu der die Österreichischen Schule gelangt ist. Gleichzeitig findet sich in ihr das Herzstu¨ck des Theorems der Unmo¨glichkeit der Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen. Wir werden in spa¨teren Kapiteln die Mo¨glichkeit haben, zu diesem von Mises und Hayek entdecktem Theorem zuru¨ckzukehren. Die obigen Ausfu¨hrungen bilden gleichzeitig die wichtigsten und elementarsten Lehren der Sozialwissenschaften und erlauben uns die Schlussfolgerung, dass die unternehmerische Funktion ohne Zweifel die soziale Funktion schlechthin ist, weil erst sie das Zusammenleben in einer Gesellschaft durch die Anpassung und Koordination individuellen Verhaltens ermo¨glicht. Ohne ein Versta¨ndnis der Rolle unternehmerischen Handelns ist es nicht mo¨glich, die Existenz einer Gesellschaft zu begreifen.

¨ sterreichischen Schule -– die wesentlichen 2.10. Axiome der O Prinzipien Vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus betrachtet ist die wirklich wichtige Frage nicht, wer im konkreten Falle die Rolle von Unternehmern einnimmt, obwohl dies in der Praxis die entscheidende Frage ist. Die wirklich wichtige Frage lautet vielmehr, wer die freie Ausu¨bung unternehmerischen Tuns behindert: Wer verhindert, dass jeder auf die ihm beste Weise seine unternehmerische Begabung ausu¨bt und neue Information schafft bzw. die in einem bestimmten Moment entdeckte praktische Information privaten Typs ausnutzt? Es ist daher kein Zufall, dass die Vertreter der Österreichischen Schule im Allgemeinen der politischen Philosophie des Liberalismus nahe stehen, und sich von ganzem Herzen der Verteidigung der freien Marktwirtschaft verpflichtet fu¨hlen. Es ist nicht die Aufgabe eines Ökonomen, sondern eigentlich eher die eines Psychologen, im Detail den Ursprung der dem Menschen innewohnenden Kraft zu untersuchen, die ihn dazu bewegt, in all seinen Handlungsbereichen unternehmerisch zu agieren. Uns interessieren hier vielmehr die zugrunde liegenden Prinzipien: Erstens, tendiert jeder Mensch dazu, diejenigen Informationen zu entdecken, die ihn interessieren. Ist der Mensch, zweitens, hinsichtlich der Verfolgung dieser Ziele und Interessen frei, wirken diese Ziele und Interessen wie Anreize. Sie ermo¨glichen es, dass derjenige, der durch seine Interessen motiviert, unternehmerisch handelt, kontinuierlich die relevante praktische Information wahrnimmt und entdeckt und somit die angestrebten Ziele erreicht. Ist aber, drittens, aus irgendwelchen Gru¨nden die Ausu¨bung der unternehmerischen Funktion in einem bestimmten Bereich des sozialen Lebens begrenzt oder gar ausgeschlossen – z.B. weil Restriktionen rechtlicher, institutioneller oder traditioneller Art bestehen, oder weil der Friedrich August v. Hayek Institut

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Staat in das Marktgeschehen eingreift -, so kommen die Menschen nicht einmal auf die Idee, in diesen verbotenen oder limitierten Bereichen ihre Ziele zu verfolgen. Denn in diesen Bereichen ist die Mo¨glichkeit ein Ziel zu erreichen von vornherein ausgeschlossen. Da die Verfolgung der Ziele unmo¨glich ist, kann es auch keine Anreize geben, diese zu verfolgen. Als Konsequenz hieraus wird die praktische Information, die notwendig wa¨re, um dieses Ziel zu erreichen, weder wahrgenommen noch wird diese entdeckt. Schwerer wiegt, dass die betroffenen Personen sich nicht einmal des enormen Wertes und der großen Anzahl der nicht verfolgten Ziele bewusst sind, die als Folge von institutionellen Restriktionen (Interventionismus oder Sozialismus) nicht in Angriff genommen werden. Schließlich muss man sich vor Augen halten, dass jeder Akteur tendenziell dazu neigt, diese Information zur Erreichung seiner Ziele zu entdecken, da er quasi nur u¨ber einige „Atome“ praktischer Information verfu¨gt. Es handelt sich dabei um Information, u¨ber die – trotz ihrer gesellschaftlichen Bedeutung – allein der Einzelne verfu¨gt, d.h. nur er kennt und interpretiert sie auf bewusste Art und Weise.Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass wir uns dabei nicht auf (artikulierte) Information in Fachzeitschriften, Bu¨chern, Zeitungen, Computern, Statistiken etc. beziehen. Die auf sozialer Ebene einzig relevante Information (bzw. das einzig relevante Wissen) ist diejenige, die in bewusster Form – wenn auch in der Mehrheit der Fa¨lle stillschweigend – jemandem in einem bestimmten historischen Moment bekannt ist. Jedes Mal, wenn eine Person handelt und damit die unternehmerische Funktion ausu¨bt, geschieht dies auf eine charakteristische, d.h. perso¨nliche und nicht wiederholbare Art. Diese hat ihren Ursprung in einer bestimmten Sicht der Welt, die in dem Versuch Ziele zu erreichen, zu finden ist. Diese Ziele wirken als Anreize. Über diese Weltsicht verfu¨gt aber nur der Einzelne mit seinen verschiedenen Eigenschaften und in seinen spezifischen Umsta¨nden. Damit wird es dem Individuum aber ermo¨glicht,Wissen und Information zu erhalten, die es in Abha¨ngigkeit seiner eigenen, von keinem anderen Menschen in gleicher Form wiederholbaren Ziele und Umsta¨nde entdeckt. Hierin liegt die immense Bedeutung, die von der Österreichischen Schule der Freiheit zum unternehmerischen Handeln beigemessen wird. Selbst die bescheidensten, sozial am wenigsten angesehenen und ungebildetsten Personen besitzen zumindest kleine Teile oder Parzellen von exklusivem Wissen und exklusiven Informationen, die im Zeitablauf einen bestimmten Wert erlangen ko¨nnen. Hier tritt der inha¨rent humanistische Charakter des Unternehmertums klar zu Tage; er bewirkt, dass die Ökonomie im Sinne der Österreichischen Schule eine humanistische Wissenschaft ist.

2.11. Konkurrenz und Unternehmerfunktion Der Begriff „Konkurrenz“ stammt vom lateinischen Wort cum petito ab. Urspru¨nglich wurde damit die Konkurrenz von mehreren Bittgesuchen um eine Sache verstanden, deren Zuweisung dem Eigentu¨mer der Sache obliegt: cum

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bedeutet hierbei „mit“ und petere„bitten“,„verlangen“ aber auch „angreifen“ oder „suchen“. Das Wo¨rterbuch der ko¨niglich-spanischen Akademie definiert den Begriff der „Konkurrenz“ als „die Rivalita¨t zwischen zwei oder mehr [Personen], die danach trachten, dieselbe Sache zu erhalten“. Konkurrenz kann daher nur in einem dynamischen Prozess der Rivalita¨t existieren, und nicht in einem Modell „vollkommener Konkurrenz“, in dem viele Anbieter dasselbe Gut zu denselben Preisen verkaufen. Wenn jedoch alle dasselbe zu denselben Preisen verkaufen, konkurriert paradoxerweise niemand mehr (Huerta de Soto, 1994, 56-58). Die unternehmerische Funktion ist aufgrund ihrer Natur und ihrer Definition immer kompetitiv. Denn, wenn ein Akteur eine bestimmte Gewinnchance entdeckt und entsprechend handelt, um diese zu nutzen, tendiert diese Gewinnchance dazu, zu verschwinden. Sie kann daher von anderen Akteuren nicht mehr genutzt werden. Das gleiche gilt fu¨r den Fall, in dem eine Gewinnchance nur teilweise entdeckt wird oder wenn die Gewinnchance zwar in ihrer Gesamtheit entdeckt, aber nur teilweise ausgenutzt wurde. Es verbleibt in diesen beiden Fa¨llen ein latenter Teil, der von anderen Akteuren entdeckt und genutzt wird. Der soziale Prozess ist daher in dem Sinne eindeutig kompetitiv, dass verschiedene Akteure, bewusst oder unbewusst, in eine Rivalita¨t mit dem Ziel zu einander treten, vor den anderen die Gewinnchance wahrzunehmen und zu nutzen. Jeder unternehmerische Akt entdeckt, koordiniert und eliminiert soziale Ungleichgewichte. Wegen seines in seiner Essenz kompetitiven Charakters fu¨hrt er dazu, dass diese Ungleichgewichte, nachdem sie entdeckt und koordiniert worden sind, von anderen Unternehmern nicht mehr wahrgenommen und eliminiert werden ko¨nnen. Es kann nun fa¨lschlicherweise angenommen werden, dass der von den Unternehmern in Gang gesetzte soziale Prozess aufgrund seiner Eigendynamik zum Stillstand oder gar zum Verschwinden gebracht werden kann, falls die Unternehmer einmal an dem Punkt angelangt sind, an dem sie alle Mo¨glichkeiten des sozialen Anpassungsprozesses entdeckt und ausgescho¨pft haben. Der unternehmerische Koordinationsprozess kann jedoch niemals stillstehen noch sich erscho¨pfen. Der Grund hierfu¨r ist, dass der koordinierende Akt darin besteht, neue Informationen zu schaffen und zu u¨bermitteln. Hierdurch wird die allgemeine Wahrnehmung der Ziele und Mittel der betroffenen Unternehmer aber quasi zwangsla¨ufig modifiziert. Als Folge entstehen unza¨hlige neue Ungleichgewichte, die neue unternehmerische Gewinnchancen beinhalten. Dieser Gedankengang ließe sich unendlich weit fortfu¨hren. In jedem Fall handelt es sich um einen infiniten dynamischen Prozess, der dazu fu¨hrt, dass sich die Zivilisation konstant weiterentwickelt. Denn indem unternehmerisches Handeln das nicht aufeinander abgestimmte Verhalten der Mitglieder einer Gesellschaft koordiniert, ermo¨glicht es nicht nur erst das Zusammenleben in einer Gesellschaft, sondern es treibt die Entwicklung der Gesellschaft auch dadurch voran, dass es kontinuierlich neue Ziele und neues Wissen schafft, welche sich wellenarFriedrich August v. Hayek Institut

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tig u¨ber die gesamte Gesellschaft ausbreiten. Des weiteren ermo¨glicht es – und dies ist von besonderer Bedeutung – diese Entwicklung auf eine dem Menschen mo¨glichst angemessene und harmonische Weise. Denn in dem Maße, wie neue Informationen geschaffen werden, wird nicht nur die Entwicklung der Zivilisation vorangetrieben, sondern es entstehen auch neue Ungleichgewichte. Die hierdurch implizierten Gewinnchancen werden von Unternehmern entdeckt und eliminiert. Unternehmerisches Handeln ist somit das Ferment, das die Gesellschaft zusammenha¨lt und das eine harmonische und zivilisatorische Entwicklung erst ermo¨glicht, indem die Ungleichgewichte, die unvermeidlich in jedem Entwicklungsprozess auftreten, tendenziell von ihm koordiniert werden. Der unternehmerische Prozess ist somit eine Art von kontinuierlichem gesellschaftlichen „big bang“, der ein grenzenloses Wachstum des Wissens mo¨glich macht. Im Gegensatz zum partiellen- oder allgemeinen Gleichgewichts-Modell der Neoklassiker, bietet die Österreichische Schule somit ein auf einem „allgemeinen dynamischen Prozess“ oder – wenn man so will – auf einem „gesellschaftlichen big bang“ basierendes alternatives Paradigma an, in dem bei stetiger Expansion des Wissens eine Tendenz zur Koordination besteht. Barrow/Tipler (1986, 658-677) haben in diesem Zusammenhang die Obergrenze der Ausbreitung des Wissens auf unserem Planeten mit einem Wert von „10 hoch 64“ bits errechnet. Dies bedeutet, dass man die bis heute bekannte physische Grenze des Wissenszuwachses um eine Billion Mal vergro¨ßern ko¨nnte. Dieselben Autoren haben mathematisch auch bewiesen, dass die menschliche Zivilisation ihr Wissen, ihren Reichtum und ihre Bevo¨lkerung ohne Limit ausdehnen ko¨nnte. Beide Autoren stu¨tzen ihre wesentliche Beitra¨ge auf die Aussagen der Österreichischen Schule im Allgemeinen und auf Hayek im Speziellen. Sie kommen zu dem Schluss, dass aus volkswirtschaftlicher Sicht viel Unfug von Physikern u¨ber die physischen Grenzen des o¨konomischen Wachstums geschrieben worden ist. Eine richtige Analyse der physischen Grenzen des Wachstums sei dagegen nur mo¨glich, wenn man den Hayek´schen Beitrag zu wu¨rdigen weiß, wonach ein o¨konomisches System mehr immaterielles Wissen als materielle Dinge produziert (Tipler, 1988, 4-5).

2.12. Schlussfolgerungen: Das o¨sterreichische Gesellschaftskonzept Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Gesellschaft als ein spontaner komplexer Prozess verstanden werden kann. Dieser Prozess ist spontan, weil er von niemandem bewusst entworfen werden kann. Die dynamische Struktur ist komplex, weil sie aus Millionen und Aber-Millionen von Personen mit einer unendlichen Vielfalt von sich sta¨ndig a¨ndernden Zielen, Geschma¨ckern, Wertscha¨tzungen und praktischen Wissen besteht. Hinzu kommen Interaktionen von Menschen, die erstens grundlegend aus Austauschbeziehungen bestehen, sich zweitens sehr oft in moneta¨ren Preisen ausdru¨cken, und die drittens immer nach

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Regeln, Gewohnheiten oder Verhaltensmustern vorgenommen werden. Diese Interaktionen werden von der Kraft der unternehmerischen Funktion angetrieben, indem sie besta¨ndig Informationen oder Wissen schafft, entdeckt und u¨bermittelt, die sich widersprechenden Pla¨ne der Akteure in einem kompetitiven Prozess anpasst und koordiniert, und damit das Zusammenleben in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft ermo¨glicht. Das Ziel der Wirtschaftswissenschaften besteht darin, den sozialen Prozess, wie er hier definiert worden ist, zu untersuchen. Deshalb betrachtet die Österreichische Schule es als das essenzielle Ziel der Ökonomie, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie es dank dieser spontanen sozialen Ordnung mo¨glich ist, das enorme Volumen an praktischer Information, das nirgendwo in zentralisierter Form verfu¨gbar ist, sondern sich verstreut in den Ko¨pfen von Millionen Individuen befindet, zu nutzen. Das Ziel der Ökonomie besteht folglich in der Erforschung des dynamischen Informationsentdeckungs- und Transmissionsprozesses, der kontinuierlich von unternehmerischem Tun angetrieben wird, und der die individuellen Pla¨ne tendenziell aufeinander abstimmt und koordiniert, und somit das Zusammenleben in einer Gesellschaft ermo¨glicht. Dieses und kein anderes ist das zentrale o¨konomische Problem. Gegenu¨ber den GleichgewichtsModellen der vorherrschenden Neoklassischen Schule muss man daher besonders kritisch eingestellt sein. So sind fu¨r Hayek diese Modelle nicht von wissenschaftlichem Interesse, weil man in ihnen von gegebenen Informationen ausgeht, was bedeutet, dass das fundamentale o¨konomische Problem bereits vorweg gelo¨st ist (Hayek, 1972, 51 und 91).

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¨ sterreichischen 3. Carl Menger und die Vorla¨ufer der O Schule 3.1. Einleitende Bemerkungen Obwohl ein breiter Konsens daru¨ber besteht, dass die Geburtsstunde der Österreichischen Schule im Jahr 1871 liegt, dem Jahr in dem die „Grundsa¨tze der Volkswirtschaftslehre“ von Carl Menger erschienen sind, besteht der gro¨ßte Verdienst dieses Autors allerdings darin, eine Denktradition katholischen und kontinental-europa¨ischen Ursprungs wieder aufgenommen und vorangetrieben zu haben, die sich bis zu den Anfa¨ngen des philosophischen Denkens in Griechenland und – noch deutlicher – bis zur Tradition des juristischen, philosophischen und politischen Denkens des alten Roms zuru¨ckverfolgen la¨sst. Tatsa¨chlich entdeckte man im antiken Rom, dass Recht Gewohnheitsrecht ist, und dass juristische Institutionen, Sprache und das Wirtschaftssystem das Resultat eines langen evolutiona¨ren Prozesses sind. Dieser Prozess beinhaltet eine enorme Fu¨lle an Informationen und Wissen, welches die mentalen Fa¨higkeiten jedes Regierenden – wie wohlwollend und weise er auch sein mag – u¨bersteigen muss. So wissen wir dank der Überlieferungen Ciceros (aus: De re publica, dt.: Vom Gemeinwesen), dass fu¨r Cato „deshalb der Zustand unseres Staates den u¨brigen Staaten u¨berlegen sei, weil in jenen meist einzelne Ma¨nner gewesen seien, von denen ein jeder sein Gemeinwesen durch seine Gesetze und seine Einrichtungen aufgebaut habe, wie das der Kreter Minos, das der Lakeda¨monier Lykurgus, das der Athener [...] -: unser Gemeinwesen [jedoch] nicht durch eine[s] einzigen Mannes Geist, sondern vieler, nicht in einem Menschenleben, sondern in vielen Generationen und Zeitaltern aufgebaut worden sei. Denn er sagte immer wieder, kein Genie sei so groß je entstanden, dass es je einen gegeben ha¨tte, dem keine Sache entgangen wa¨re, und alle Begabungen auf eines geha¨uft vermo¨chten nicht so viel zu einem Zeitpunkt vorauszusehen, dass sie alles umfassten ohne Umgang mit den Dingen und Altwerden.“ (Cicero, 1960, 172 -173) Wie wir noch sehen werden, wird der Kern dieser Idee das Herzstu¨ck des Mises´schen Arguments der theoretischen Unmo¨glichkeit der sozialistischen Planwirtschaft bilden. Er wird dank des christlichen Humanismus´ und der thomistischen Philosophie des Naturrechts, die sich als eine der Macht jedes Territorialherrschers u¨berlegene und dieser vorhergehenden Ethik begreift, im Mittelalter versta¨rkt vertreten. So untersuchen unter anderen Pedro Juan de Olivi, Bernhardin von Siena und Antonius von Florenz bereits im 15. Jahrhundert die Vorreiterrolle der unternehmerisch-kreativen Fa¨higkeit des Menschen und deren antreibendende Kraft im Hinblick auf die Entwicklung der Marktwirtschaft und der Zivilisation (Rothbard, 1995a, 1-175). Eigentlich waren es aber die Scholastiker Spaniens, die diese antike Denktradition wieder aufnahmen, weiterfu¨hrten und perfektionierten. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die spanischen SchoFriedrich August v. Hayek Institut

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lastiker als die eigentlichen Vorga¨nger der Österreichischen Schule angesehen werden mu¨ssen.

3.2. Die spanischen Scholastiker als Vorla¨ufer der ¨ sterreichischen Schule O Fu¨r Friedrich A. Hayek sind die theoretischen Prinzipien der Marktwirtschaft und die wesentlichen Elemente des Wirtschaftsliberalismus nicht, wie sonst im Allgemeinen angenommen, von Calvinisten und schottischen Protestanten geschaffen worden, sondern sie sind das Resultat der intellektuellen Anstrengungen von Dominikanern und Jesuiten, beides Mitglieder der Schule von Salamanca, im Goldenen Zeitalter Spaniens (Hayek, 2003a, 536). Hayek ging sogar so weit, zwei dieser scholastischen Gelehrten, Luis de Molina und Juan de Lugo, in seinem Vortrag, den er bei Erhalt des Nobelpreises fu¨r Wirtschaftswissenschaften 1974 hielt, zu erwa¨hnen (Hayek, 1996a, 3-15). Beeinflusst vom italienischen Gelehrten Bruno Leoni, begann sich Hayek Anfang der 50er Jahre dem katholisch-spanischen Ursprung der Österreichischen Schule hinzuwenden. Leoni (Leoni, 1991, 76-94) u¨berzeugte Hayek, dass die Wurzeln der dynamischen und subjektiven Konzeption der Ökonomie kontinentalen Ursprungs sind und deshalb, eher als in der Tradition der schottischen Philosophen des 18. Jahrhunderts, im mediterranen Europa und in der Tradition des antiken Griechenlands, Roms und Thomas von Aquin zu suchen sind. Hayek hatte hierbei das sprichwo¨rtliche Glu¨ck, dass eine seiner besten Schu¨lerinnen, Marjorie Grice-Hutchinson sich in Latein und spanischer Literatur spezialisierte und unter seiner Anleitung eine Forschungsarbeit u¨ber den Beitrag der spanischen Scholastiker zur Ökonomie schrieb, die sich mit der Zeit zu einem kleinen Klassiker entwickelt hat (Grice-Hutchinson, 1952). Wer waren nun die intellektuellen Vorla¨ufer der modernen Österreichischen Schule? Die Mehrheit von ihnen geho¨rte dem Orden der Dominikaner und Jesuiten an, und hatte Professuren fu¨r Moral und Theologie an Universita¨ten wie Salamanca und Coimbra inne, die zu den wichtigsten geistigen Zentren wa¨hrend des Goldenen Zeitalter Spaniens za¨hlten (Chafuen, 1986). Im Folgenden sollen ihre wichtigsten Beitra¨ge untersucht werden. Unter den Vorla¨ufern der Österreichischen Schule ist vielleicht an erster Stelle Diego de Covarrubias zu nennen. Covarrubias (1512 – 1577), Sohn eines beru¨hmten Architekten, war Bischof von Segovia – er ist in der dortigen Kathedrale begraben – und mehrere Jahre Minister des Ko¨nigs Philipp II von Spanien. 1555 legte Covarrubias die Grundlagen der subjektiven Werttheorie, auf der die Österreichische Schule beruht. Eine seiner Thesen besagte, dass „der Wert einer Sache nicht von ihrer objektiven Natur, sondern selbst dann von der subjektiven Wertscha¨tzung der Menschen abha¨ngt, wenn diese verru¨ckt sei“. Um diese These zu untermauern, lieferte er das Beispiel, dass in Indien Weizen ho¨her bewertet

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werde als in Spanien, weil ihn die Menschen dort ho¨her scha¨tzen, obwohl der Weizen an beiden Orten objektiv betrachtet gleich beschaffen ist (Covarrubias, 1604, 131). Ein weiterer Beitrag Covarrubias bestand in einer Studie u¨ber die historische Entwicklung der Kaufkraftminderung des Maravedı´, mit der er viele der theoretischen Schlussfolgerungen von Martı´n de Azpilcueta und von Juan de Mariana u¨ber die Quantita¨tstheorie des Geldes vorwegnahm. Diese Studie Covarrubias’, die eine große Anzahl von Statistiken u¨ber die Preisentwicklung im 15. Jahrhundert entha¨lt, wurde in lateinischer Sprache unter dem Titel Veterum collatio numismatum publiziert, und ist von großer Bedeutung, nicht nur, weil es in den folgenden Jahrhunderten von den Italienern Davanzati und Galiani lobend zitiert wurde, sondern vor allem auch, weil es eines der Bu¨cher ist, die Carl Menger (Menger, 1968, 257) in seinen Grundsa¨tzen der Volkswirtschaftslehre zitiert. Die von Covarrubias begonnene subjektivistische Tradition wurde von einem weiteren bedeutenden Scholastiker, Luis Saravia de la Calle, fortgefu¨hrt. Er ist der erste, der eine Erkla¨rung fu¨r die Beziehungen zwischen Kosten und Preisen liefert, wonach es immer die Kosten sind, die tendenziell den Preisen folgen und nicht umgekehrt. Damit widerlegte er bereits zu einem fru¨hen Zeitpunkt die Fehler der klassischen Schule Englands, die spa¨ter als Fundament der Ausbeutungstheorie von Karl Marx und seinen sozialistischen Nachfolgern diente. In seinem auf spanisch, 1544 in Medina del Campo, erschienenen Werk Instruccio´n de mercaderes schreibt er,„dass jene, die den gerechten Preis einer Sache gema¨ß der Arbeit, Kosten und Gefahren, die jemand, der mit der Sache handelt, oder sie herstellt, messen wollen, sehr irren, weil sich der gerechte Preis aus dem Überfluss oder Mangel der Ware, der Ha¨ndler und des Geldes ergibt, und nicht aufgrund der Kosten, Arbeit und Gefahren.“ (Saravia de la Calle, 1949, 53). Außerdem steht vor allem die Funktion des Unternehmers, den er Ha¨ndler (spanisch: mercader) nennt, im Mittelpunkt seines Werks; er folgt auf diese Weise der bereits genannten scholastischen Tradition der dynamischen Rolle des Unternehmers, die sich bis Pedro Juan de Olivi, Antonius von Florenz und vor allem bis Bernhardin von Siena zuru¨ckverfolgen la¨sst (Rothbard, 1995a, 81-88). Ein weiterer bemerkenswerter Beitrag der spanischen Scholastiker ist die Einfu¨hrung des dynamischen Konzepts der Konkurrenz (lat.: concurrentium), verstanden als unternehmerischer Prozess der Rivalita¨t, der den Markt bewegt und die Entwicklung der Gesellschaft vorantreibt. Diese Idee, die das Herzstu¨ck der Markttheorie der Österreichischen Schule sein wird, steht im schroffen Gegensatz zu den Gleichgewichts-Modellen der vollkommenen, monopolistischen Konkurrenz und der Monopoltheorie der Neoklassiker. Bereits die Scholastiker kamen zu dem Schluss, dass die Preise der Gleichgewichts-Modelle (die von ihnen „mathematische Preise“ genannt wurden) und welche die sozialistischen Theoretiker der neoklassischen Schule fu¨r die Rechtfertigung ihres Interventionismus gebrauchen, niemals bekannt sein ko¨nnen. Raymond de Roover schreibt Luis de Molina das dynamische Konzept der Konkurrenz, verstanden als „einen Prozess der RivaFriedrich August v. Hayek Institut

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lita¨t zwischen Ka¨ufern, der dazu fu¨hrt, dass die Preise steigen“, zu. Dieser Prozess hat nichts zu tun mit dem statischen Modell der „vollsta¨ndigen Konkurrenz“, welche im 20. Jahrhundert die so genannten „sozialistischen Markttheoretiker“ in naiver Weise geglaubt haben, auf eine Ordnung anwenden zu ko¨nnen, in der kein Privateigentum existiert (Roover, 1955, 169). Jedoch ist Jero´mino Castillo de Bovadilla derjenige, der dieses Konzept der freien Konkurrenz zwischen Unternehmern in seinem 1585 in Salamanca erschienen Buch Polı´tica para corregidores am besten darstellt; er weist darauf hin, dass die Essenz der Konkurrenz darin besteht, dem Konkurrenten „nachzueifern“ (Popescu, 1987, 141-159). Castillo de Bovadilla formuliert außerdem folgendes Gesetz, Grundlage der Verteidigung des Marktes eines jeden Ökonomen der Österreichischen Schule:„Die Preise werden bei Überfluss, Wetteifer und Konkurrenz der Verka¨ufer sinken.“ (Castillo de Bovadilla, 1978, 2, cap.4, n° 49). Bezu¨glich der Unmo¨glichkeit, dass die Regierenden oder die Analysten, den Gleichgewichts-Preis und andere Daten, die fu¨r eine Marktintervention notwendig sind, kennen, u¨berragen die Beitra¨ge der jesuitischen Kardena¨le Juan de Lugo und Juan de Salas. Juan de Lugo (1583-1660), fragte sich bereits im Jahre 1643 welcher Preis dem Gleichgewichtspreis entsprechen ko¨nne und folgerte, dass dieser von einer so großen Anzahl von Umsta¨nden abha¨nge, so dass nur Gott ihn kennen kann („pretium iustum mathematicum licet soli Deo notum“) (Lugo, 1642, vol. II, 312). Juan de Salas, der sich im Jahre 1617 mit der Mo¨glichkeit der Regierenden befasste, u¨ber die spezifische Information und das Wissen zu verfu¨gen, das auf dynamische Weise (erst) auf dem Markt geschaffen, entdeckt und gehandhabt wird, bemerkt „quas exacte comprehendere et ponderate dei est non hominum“, das heißt, dass nur Gott, und nicht der Mensch, die Information und das Wissen vollsta¨ndig begreifen und abwa¨gen kann, welches im Marktprozess von den o¨konomischen Akteuren in allen ihren speziellen Umsta¨nden von Zeit und Raum gehandhabt wird (Salas, 1617, 4, n° 6,9). Wie noch zu zeigen sein wird, nahmen Juan de Lugo und Juan de Salas um mehr als drei Jahrhunderte die Beitra¨ge der namhaftesten Denker der Österreichischen Schule (speziell von Mises und Hayek) vorweg. Ein weiteres wesentliches Merkmal, das sich spa¨ter in einen wesentlichen Baustein des Theoriegeba¨udes der Österreichischen Schule verwandeln sollte, ist die Zeitpra¨ferenzrate, derzufolge, unter sonst gleichen Umsta¨nden, gegenwa¨rtige Gu¨ter immer ho¨her bewertet werden als zuku¨nftige Gu¨ter. Diese Theorie wurde von Martı´n de Azpilcueta (der in Spanien unter dem Namen „Doktor Navarro“ beru¨hmt ist) 1556 wieder entdeckt, der sie von einem der besten Schu¨ler von Thomas von Aquin, Giles de Lessines, u¨bernahm. De Lessines stellte bereits 1285 fest, dass „man weder die zuku¨nftigen Gu¨tern so hoch scha¨tze wie dieselben, noch dass diese denselben Nutzen fu¨r ihre Besitzer haben wie unmittelbar ver-

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fu¨gbare Gu¨ter. Aus diesem Grunde muss ihr Wert, im Einversta¨ndnis mit der Gerechtigkeit, geringer sein.“ (Dempsey, 1943, 214). Die verzerrenden Effekte der Inflation, verstanden als jede staatliche Politik der Erho¨hung des Geldangebots, wurden ebenfalls von den Scholastikern analysiert. In diesem Bereich ragt insbesondere ein Werk von Juan de Mariana mit dem Titel De monetae mutatione heraus; dieses Buch wurde spa¨ter unter dem Titel Tratado y discurso sobre la moneda de vello´n que al presente se labra en Castilla y de algunos deso´rdenes y abusos ins Spanische u¨bersetzt (Mariana, 1987). In diesem, erstmals im Jahre 1605 erschienenen Werk, kritisiert Mariana die bewusst betriebene Politik der Ausho¨hlung des Geldwertes seitens der Regierenden jener Epoche; obwohl er den damals unbekannten Begriff der „Inflation“ nicht benutzt, erkla¨rt er doch ihre Effekte, die in einen Preisanstieg und eine allgemeine Verzerrung der realen Wirtschaft mu¨nden. Außerdem kritisiert Mariana die Festsetzung von Ho¨chstpreisen um gegen die Inflation anzuka¨mpfen, eine Politik, die er nicht nur fu¨r ungeeignet ha¨lt, die erhofften positiven Effekte zu erreichen, sondern die zudem ho¨chst scha¨dlich fu¨r den Produktionsprozess ist. Mariana verbesserte damit die Analyse entscheidend; bis dato war sie sehr viel einfacher und wurde von Martı´n de Azpilcueta und vor ihm von Kopernikus in seinem Buch Monetae cudendae ratio eher im Stile der Makroo¨konomie vorgenommen, die beide zum ersten Mal die bis heute verbreitete plump vereinfachende und mechanistische Version der Quantita¨tsgleichung verfochten (Azpilcueta, 1965, 74-75). Auf dem Gebiet der Banktheorie machten die spanischen Scholastiker ebenfalls bedeutende Beitra¨ge (Huerta de Soto, 2002a, 73-99). Besonders deutlich ist dies hinsichtlich der Kritik von Saravia de la Calle am Reserve-Kassenkoeffizienten der Banken. Er weist darauf hin, dass der durch die Gewa¨hrung von Krediten an Dritte entstandene und fu¨r eigene Zwecke verwendete Gewinn (d.h. aufgrund des Geldes, das „auf Sicht“ bei den Bankiers hinterlegt wurde) unrechtsma¨ßig ist und einer großen Su¨nde gleichkommt. Seine Lehre deckt sich vollsta¨ndig mit jenen von Anfang an von den klassischen Autoren des ro¨mischen Rechts formulierten Grundsa¨tzen und folgt unmittelbar aus dem Wesen, der Ursache und der Rechtsnatur des depositum irregulare (Saravia de la Calle, 1949, 180-181, 195-197). Auch Martı´n de Azpilcueta und Toma´s de Mercado entwarfen eine pra¨zise und detaillierte Analyse der Bankta¨tigkeit, die, auch wenn sie nicht an das Niveau von Saravia de la Calle heranreichten, eine makellose Abhandlung der rechtlichen Anforderungen, die innerhalb eines Bankdepositenvertrags erfu¨llt sein mu¨ssen, mit einschließen. Alle drei fordern implizit, dass eine Bank mit einem Vollkassenkoeffizient arbeiten muss, ein Vorschlag, der ein fundamentaler Bestandteil der Forderungen der Österreichischen Schule in Bezug auf die Kredit- und Konjunkturtheorie sein wird (Huerta de Soto, 2002b). Weniger rigoros, und aus diesem Grunde fu¨r Banken mit Teilkassenkoeffizienten nachsichtiger, ist die Analyse von Luis de Molina und Juan de Lugo; jedoch ha¨tten diese Autoren, wenn sie gema¨ß Friedrich August v. Hayek Institut

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Dempsey die Funktionsweise und die theoretischen Implikationen der Bank mit Teilkassenkoeffizienten und der aus ihr abgeleiteten Kreditexpansion und Umlaufsmittelinflation im Detail gekannt ha¨tten, wie dies spa¨ter durch die Arbeiten von Mises, Hayek und den anderen Theoretikern der Österreichischen Schule mo¨glich wurde, die Ta¨tigkeit der Banken als institutionellen Wucher bezeichnet (Dempsey, 1943, 225-228). Interessant ist jedoch zu betonen, dass Luis de Molina der erste Theoretiker war, der darauf hinwies, dass Depositen, und im allgemeinen das von der Bank geschaffene Geld – im lateinischen als chirographis pecuniarum bezeichnet – gleich dem effektiv vorhandenen Geld, Bestandteil des Geldangebots sind. Tatsa¨chlich formulierte Molina bereits 1597, und damit viel fru¨her als Pennington 1827, seine Grundidee, dass das Gesamtvolumen der moneta¨ren Transaktionen welche auf einer Messe geta¨tigt werden, nicht mit der Menge von Metallgeld bezahlt werden kann, das auf dieser Messe von Hand zu Hand wandert, sondern (nur) durch den Gebrauch von Geld, das Banken mittels Depositen schaffen und durch Ausgabe von Schecks, die Inhaber von Depositen ausgeben und die auf ihre Guthaben lauten. Auf diese Weise schaffen Banken aus dem Nichts zusa¨tzliches Geld in Form von Depositen, das fu¨r Transaktionen verwendet wird (Molina, 1991, 147). Schließlich schrieb Juan de Mariana ein weiteres Werk mit dem Titel Discurso sobre las enfermedades del la compan˜ia, posthum vero¨ffentlicht im Jahre 1625. In diesem Buch bescha¨ftigt sich Mariana intensiv mit der eindeutig o¨sterreichischen Analyse der Unmo¨glichkeit einer Regierung, eine Zivilgesellschaft mangels der notwendigen Information auf der Grundlage von Zwangsmandaten zu organisieren.Tatsa¨chlich ist es unmo¨glich, dass die Regierung sich die notwendige Information verschaffen kann, die notwendig wa¨re, um ihren Mandaten einen koordinierenden Inhalt zu verleihen. Deshalb tendiert ihre Intervention dazu, Unordnung und Chaos zu schaffen. Bezu¨glich der Regierung meint Mariana, dass „es großer Unsinn ist, wenn der Blinde den fu¨hren will, der sieht“, hinzufu¨gend, dass die Regierungen „weder die Personen noch die Tatsachen kennen, zumindest nicht in all ihren besonderen Umsta¨nden, von denen der Erfolg abha¨ngt. Zwangsla¨ufig begeht man viele und schwerwiegende Fehler und vera¨rgert deshalb die Leute, die eine solch blinde Regierung verachten.“ Mariana schlussfolgert, dass „die Macht und die Fu¨hrung verru¨ckt ist“ und, wenn „es der Gesetze im Übermaß zu viel gibt, da man nicht alle einhalten, nicht einmal behalten kann, verliert man ihnen gegenu¨ber den Respekt“ (Mariana, 1768, 151-155, 216). Zusammenfassend la¨sst sich feststellen, dass die spanischen Scholastiker des Goldenen Zeitalters von Spanien bereits theoretische Prinzipien formulierten, die spa¨ter zu Ecksteinen des Theoriegeba¨udes der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie werden sollten. Als solche ko¨nnen konkret genannt werden: Erstens, die subjektive Werttheorie (Diego de Covarrubias y Leya); zweitens, die

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Entdeckung der wirklichen Beziehung zwischen Preis und Kosten (Luis Saravia de la Calle); drittens, die dynamische Natur des Marktes und die Unmo¨glichkeit, ein Gleichgewichts-Modell zu formulieren (Juan de Lugo und Juan de Salas); viertens, das dynamische Konzept der Konkurrenz verstanden als ein Prozess der Rivalita¨t zwischen Verka¨ufern (Castillo de Bovadilla und Luis de Molina); fu¨nftens, die Wiederentdeckung des Prinzips der Zeitpra¨ferenzrate (Martı´n de Azpilcueta); sechstens, der tief greifend verzerrende Charakter der Inflation hinsichtlich des realen Sektors einer Volkswirtschaft (Juan de Mariana, Diego de Covarrubias und Martı´n de Azpilcueta); siebtens, die kritische Analyse der Banken mit Teilkassenkoeffizienten (Luis Saravia de la Calle und Martı´n de Azpilcueta); achtens, die Entdeckung, dass Bankdepositen Bestandteil des Geldangebots sind (Luis de Molina und Juan de Lugo); neuntens, die Unmo¨glichkeit, eine Gesellschaft mit Hilfe von Zwangsmandaten zu organisieren, weil die notwendige Information, die ihnen einen koordinierenden Charakter verleihen ko¨nnte, nicht vorhanden ist (Juan de Mariana) und zehntens, die liberale Tradition, der zu Folge, jede ungerechtfertigte Marktintervention das Naturrecht verletzt (Juan de Mariana). Deshalb gibt es stichhaltige Gru¨nde dafu¨r, dass die subjektivistische und dynamische Konzeption des Marktes – obwohl diese von Carl Menger 1871 wieder aufgenommen und angetrieben wurde – ihren Ursprung in Spanien hat. Die Tradition des o¨konomischen Denkens der Österreichischen Schule hat folglich seine intellektuellen Wurzeln in Spanien, oder, genauer gesprochen, in der Schule von Salamanca, die, gleich der modernen Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie, und im starken Kontrast zum neoklassischen Paradigma, sich vor allem durch ihren Realita¨tsbezug und Genauigkeit ihrer analytischer Annahmen auszeichnet.

3.3. Der Niedergang der scholastischen Tradition und der unheilvolle Einfluss von Adam Smith Um den Einfluss der spanischen Scholastiker auf die weitere Entwicklung der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie zu verstehen, ist es vor allem notwendig, sich vor Augen zu halten, dass im 16. Jahrhundert Kaiser Karl V. von Spanien seinen Bruder Ferdinand I als Ko¨nig von Österreich ernannte und ihn dorthin entsandte. Österreich (spanisch: „Austria“) bedeutet etymologisch, „Ost-Teil des Reiches“, ein Reich, welches damals praktisch ganz Europa, mit Ausnahme Frankreichs, welches isoliert und von spanischen Streitkra¨ften umringt war, umfasste. Auf diese Weise ist der Ursprung des intellektuellen Einflusses leicht zu ersehen, den die spanischen Scholastiker auf die Österreichische Schule der Nationalo¨konomie hatten; und dies ist kein bloßer Zufall oder ein Streich der Geschichte, sondern Folge der engen Beziehungen, historischer, politischer und kultureller Natur, die sich zwischen Spanien und Österreich ab dem 16. Jahrhundert entwickelten (Be´renguer, 1993, 133-335). Diese Beziehungen wurden u¨ber mehrere Jahrhunderte hinweg aufrechterhalten. Italien spielte dabei als kulturelle Bru¨cke des Friedrich August v. Hayek Institut

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intellektuellen Austausches zwischen beiden Extrempunkten des Imperiums (Spanien und Österreichs) eine wichtige Rolle. Es gibt folglich schlagkra¨ftige Argumente fu¨r die Verteidigung der These, dass die Österreichische Schule der Nationalo¨konomie – zumindest in ihren Urspru¨ngen – in letzter Instanz eine Schule spanischer Tradition ist. In der Tat lag der gro¨ßte Verdienst Carl Mengers in der Wiederentdeckung und dem Vorantreiben dieser katholisch-kontinentalen Tradition spanischen Ursprungs, die praktisch in Vergessenheit geriet und im Niedergang begriffen war. Dies war einerseits die Folge des Triumphs der protestantischen Reformation und der „schwarzen Legende“, die sich gegen alles Spanische richtete. Andererseits – und in noch sta¨rkerem Maße – spielte der negative Einfluss, den der Beitrag Adam Smiths und seine Nachfolger der klassischen Schule auf die Geschichte des o¨konomischen Denkens hatten, eine bedeutende Rolle. Murray N. Rothbard hat darauf hingewiesen, dass Adam Smith das Gebiet der vor ihm entwickelten Beitra¨ge, in deren Mittelpunkt die subjektive Werttheorie, der Unternehmer und der Zins stand und mit deren Hilfe Preise in realen Ma¨rkten erkla¨rt wurden, verließ. Stattdessen ersetzte Adam Smith diesen Ansatz durch seine Arbeitswerttheorie, auf deren Fundament und als natu¨rliche Folge, Marx spa¨ter seine sozialistische Ausbeutungstheorie aufbauen sollte. Außerdem konzentrierte sich Adam Smith ausschließlich auf die Erkla¨rung des langfristigen „natu¨rlichen Gleichgewichtspreises“, ein Gleichgewichts-Modell, in dem die Funktion des Unternehmers durch Abwesenheit gla¨nzt und in welchem man davon ausgeht, dass sa¨mtliche notwendigen Informationen schon gegeben sind. Dieses Gleichgewichts-Modell sollte spa¨ter von den Gleichgewichts-Theoretikern der neoklassischen Schule benutzt werden, um das angebliche „Marktversagen“ zu kritisieren und den Sozialismus und die Intervention des Staates in Ökonomie und Zivilgesellschaft zu rechtfertigen. Weiterhin fu¨hrte Adam Smith den Kalvinismus in die Ökonomie ein. Das wird beispielsweise deutlich, wenn er das Verbot des Wuchers unterstu¨tzt oder wenn er zwischen „produktiven“ und „unproduktiven“ Ta¨tigkeiten unterscheidet. Schließlich brach Adam Smith mit dem radikalen lassez-faire seiner kontinentalen Vorga¨nger des Naturrechts (Spanier, Franzosen und Italiener) und fu¨hrte in die Geschichte des o¨konomischen Denkens einen lauwarmen „Liberalismus“ ein, der sich durch so viele Ausnahmen und Nuancen kennzeichnete, dass ihn sogar viele „sozialdemokratische“ Theoretiker von heute ohne weiteres akzeptieren wu¨rden. Der negative Einfluss, der, aus Sicht der Österreichischen Schule, die klassische englische Schule auf die Wirtschaftswissenschaft hatte, verscha¨rfte sich mit den Nachfolgern von Adam Smith, speziell mit Jeremy Bentham, der den Bazillus eines eng verstandenen Utilitarismus in unsere Wissenschaft einspritzte und damit der Entwicklung der pseudowissenschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse, und dem Aufkommen einer ganzen Tradition von „Sozialingenieuren“ Vorschub

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leistete, die mit Hilfe staatlicher Zwangsmittel fu¨r sich in Anspruch nehmen, eine Gesellschaft nach ihrem Gutdu¨nken formen zu ko¨nnen. Ihren Ho¨hepunkt erreichte in England diese Tendenz mit John Stuart Mill mit seiner Lossagung vom Lassez-faire und seinen zahlreichen Zugesta¨ndnissen an den Sozialismus; in Frankreich erkla¨rt der Triumph des konstruktivistischen Rationalismus kartesianischen Ursprungs die Vorherrschaft des Interventionismus der École Polytechnique und des wissenschaftlichen Sozialismus von Saint-Simon und Comte (Hayek, 2004, 109-238). Glu¨cklicherweise, und trotz des u¨berwa¨ltigenden intellektuellen Imperialismus seitens der Theoretiker der klassischen englischen Schule u¨ber die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften, geriet die von den scholastischen Denkern des Goldenen Zeitalter Spaniens begru¨ndete kontinentale Tradition katholischen Ursprungs nie vollsta¨ndig in Vergessenheit. Vielmehr beeinflusste die scholastische Stro¨mung zwei bedeutende Ökonomen, einen Iren, Cantillon, und einen Franzosen, Turgot, die als die wirklichen Begru¨nder der Wirtschaftswissenschaft betrachtet werden ko¨nnen. Cantillon schrieb 1730 seine Abhandlung u¨ber die Natur des Handels im allgemeinen, ein Werk, das Jevons zu Folge, die erste systematische Abhandlung der Ökonomie ist. In diesem Werk hob Cantillon die Figur des Unternehmers als Motor des Marktprozesses hervor und erkla¨rte außerdem, dass eine Erho¨hung der Geldmenge nicht auf einen Schlag das Preisniveau erho¨ht, sondern diese Erho¨hung sich im realen Sektor etappenweise niederschla¨gt, d.h. sukzessiv durch einen Prozess, der unvermeidlich die aus dem Markt hervorgegangen relativen Preise verzerrt. Es handelt sich hierbei um den beru¨hmten Cantillon-Effekt, der spa¨ter von Hume u¨bernommen, und von Mises und Hayek in ihrer Kapital- und Konjunkturtheorie weiterentwickelt worden ist (Cantillon, 1931). Nachfolgend formulierten Marque´s D´Argenson (1751) und vor allem Turgot – beide sehr viel fru¨her als Adam Smith – den dispersen Charakter von Wissen, den soziale Institutionen, verstanden als spontane Ordnungen, in sich mit einschließen und deren Analyse spa¨ter eines der wesentlichen Elemente des hayekianischen Forschungsprogramm werden sollte. Turgot folgerte in seinen Elogio de Gournay 1759 schon, dass „es nicht notwendig ist, zu beweisen, dass jedes Individuum alleine im Stande ist, mit Kenntnis der Sache u¨ber den vorteilhaftesten Gebrauch seiner La¨ndereien und seiner Mu¨hen zu befinden. Nur es besitzt das besondere Wissen, u¨ber das nicht einmal der weiseste Mann verfu¨gt. Es lernt aus seinen wiederholten Versuchen, aus seinen Erfolgen und Ru¨ckschla¨gen, und auf diese Weise eignet es sich einen speziellen Sinn fu¨r die Gescha¨fte an, der bei weitem geschickter ist als das theoretische Wissen, das ein indifferenter Beobachter sich aneignen ko¨nnte, weil er von der Notwendigkeit getrieben wird“. Turgot bezieht sich auch – und folgt dabei Juan de Mariana – auf die „vollsta¨ndige Unmo¨glichkeit durch starre Regeln und sta¨ndige Kontrollen die unermesslich große Anzahl von Transaktionen zu steuern, die, selbst wenn man nur ihr Ausmaß Friedrich August v. Hayek Institut

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betrachtet, nicht vollsta¨ndig bekannt sein ko¨nnen und die außerdem von einer großen Anzahl von sich sta¨ndig a¨ndernden Umsta¨nden abha¨ngen, die weder kontrolliert und noch weniger vorhergesehen werden ko¨nnen“ (Turgot, 1844, 275 und 288). Selbst in Spanien, wa¨hrend des langen Niedergangs im 18. und 19. Jahrhunderts, verschwand die scholastische Tradition nie vollsta¨ndig, und dies trotz des enormen Minderwertigkeitskomplex, der fu¨r jene Tage gegenu¨ber der angelsa¨chsischen, intellektuellen Welt typisch war. Ein Beleg dafu¨r ist ein weiterer spanischer Autor katholischer Tradition, der fa¨hig war, das Wertparadoxon zu lo¨sen und mit aller Klarheit das Grenznutzengesetz 27 Jahre vor Vero¨ffentlichung von Carl Mengers Grundsa¨tzen der Volkswirtschaftslehre formulierte. Es handelt sich hierbei um den Katalanen Jaime Balmes (1810-1848), der wa¨hrend seines kurzen Lebens der wichtigste thomistische Philosoph in Spanien war. Im Jahre 1844 vero¨ffentlichte er einen Artikel mit dem Titel „Verdadera idea del valor o reflexiones sobre el origen, naturaleza y variedad de los precios“ (dt. etwa: „Der wirkliche Wert oder Gedanken u¨ber den Ursprung, Natur und Verschiedenheit der Preise). In diesem Artikel lo¨ste er nicht nur das Wertparadoxon, sondern legte außerdem in aller Klarheit das Gesetz vom Grenznutzen dar. Balmes stellte sich folgende Frage: „Wie kommt es, dass ein Edelstein mehr wert ist als ein Stu¨ck Brot, ein bequemes Kleid und vielleicht sogar mehr als eine nu¨tzliche und angenehme Behausung“? Er antwortete darauf, dass „es nicht schwierig sei dies zu erkla¨ren; da der Wert einer Sache sein Nutzen oder die Eignung ist, unsere Bedu¨rfnisse zu befriedigen und je notwendiger eine Sache ist, um unsere Bedu¨rfnisse zu befriedigen, desto ho¨her ist ihr Wert; man sollte aber auch beachten, dass, wenn sich die Anzahl der Mittel erho¨ht, die Notwendigkeit jedes einzelnen Mittels sinkt, weil man zwischen vielen wa¨hlen kann und keines unverzichtbar ist.Und deshalb gibt es eine notwendige proportionale Abha¨ngigkeit zwischen Erho¨hung und Senkung des Wertes und dem Mangel und dem Überfluss einer Sache. Ein Stu¨ck Brot, das in einer notwendigen Beziehung zu der Befriedigung unserer Bedu¨rfnisse steht, hat einen geringen Wert, weil Brot in Fu¨lle vorhanden ist; aber wenn ihr den Kreis des Überflusses verengt, wird sein Wert schnell bis zu einem beliebigen Wert steigen, ein Pha¨nomen in Zeiten von Not, an welches sich alle erinnern, welche eine lange Belagerung wa¨hrend des Unheils eines Kriegs miterlebt haben“ (Balmes, 1949, 615-624). Auf diese Weise schloss Balmes den Kreis der kontinentalen Tradition und bereitete den Boden fu¨r deren Vervollsta¨ndigung und Perfektionierung, wenige Jahrzehnte spa¨ter durch Carl Menger und den Rest seiner Schu¨ler der Österreichischen Schule.

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3.4. Menger und die subjektivistische Perspektive: die Konzeption menschlichen Handelns als Gesamtheit subjektiver Etappen, die subjektive Werttheorie und das Grenznutzengesetz Der junge Menger war sich schon fru¨h bewusst, dass die Preistheorie der klassischen Schule, wie sie von Adam Smith und seinen angelsa¨chsischen Nachfolgern entwickelt wurde, viel zu wu¨nschen u¨brig ließ. Seine perso¨nlichen Beobachtungen u¨ber die Funktionsweise der Bo¨rse (wa¨hrend einer gewissen Zeit war er Bo¨rsen-Berichterstatter bei der Wiener Zeitung) und seine Untersuchungen brachten ihn dazu, mit 31 Jahren „in einem Zustand krankhafter Erregung“, wie Hayek schrieb (Hayek, 1968, XII), das Werk zu vollenden, welches offiziell die Geburtsstunde der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie einla¨uten sollte. In diesem Buch, beanspruchte sein Autor die neuen Fundamente zu schaffen, auf der seiner Einscha¨tzung nach es notwendig war, die Wirtschaftswissenschaft von neuem wieder aufzubauen. In ihrer Essenz, bestanden diese Prinzipien in der Formulierung einer Wirtschaftswissenschaft, die auf dem Menschen als kreativen Akteur und Vorreiter der sozialen Prozesse und Ereignisse basiert (Subjektivismus); weiterhin arbeitete Menger auf der Basis des Subjektivismus erstmals in der Geschichte des o¨konomischen Denkens eine vollsta¨ndige subjektivevolutorische Theorie u¨ber die Entstehung und die Entwicklung der sozialen Institutionen (o¨konomischer, juristischer und linguistischer Natur), verstanden als regelgebundene Schemata des Verhaltens, heraus. Diese Ideen sind Bestandteil seines Buches Grundzu¨ge der Volkswirtschaftslehre, das Menger 1871 vero¨ffentlichte und eines der einflussreichsten Werke des o¨konomischen Denkens wurde. Das wichtigste und originellste Unterscheidungsmerkmal des Beitrags Mengers lag deshalb in dem Versuch, die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit vom Menschen ausgehend zu konstruieren und ihm die Vorreiterrolle eines kreativen Akteurs in allen sozialen Prozessen zuzuweisen. Menger betrachtete es als unbedingt erforderlich den sterilen „Objektivismus“ der klassischen englischen Schule zu verlassen. Im Gegensatz zu dieser Schule, die besessen war von der angeblichen Existenz objektiver Gegebenheiten (sozialer Klassen, Aggregaten, materiellen Produktionsfaktoren), sollte der Wissenschaftler stets die subjektive Perspektive des handelnden Menschen einnehmen, um auf diese Weise und durch diese Perspektive, u¨ber das entscheidende Kriterium bei der Ausarbeitung seiner Theorie zu verfu¨gen. Hayek, der diese neue subjektive Konzeption Mengers kommentierte, meinte hierzu:„Es ist wahrscheinlich keine Übertreibung zu sagen, dass in den letzten hundert Jahren jeder bedeutende Fortschritt in der Wirtschaftstheorie ein weiterer Schritt in der konsequenten Anwendung des Subjektivismus war.“ Und fu¨gte hinzu: „Diese Entwicklung ist am konsequentesten wohl von L. v. Mises durchgefu¨hrt worden und ich glaube, dass die meisten Eigentu¨mlichkeiten seiner Ansichten, die zuna¨chst vielen Lesern befremdlich und unannehmbar erscheiFriedrich August v. Hayek Institut

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nen, daher kommen, dass er in der konsequenten Verfolgung des Subjektivismus lange Zeit seinen Zeitgenossen weit voraus war“ (Hayek, 2004, 25). Der vielleicht typischste und originellste Ausdruck des subjektivistischen Ansatzes wie er von Menger vorgeschlagen wurde, war seine Theorie der wirtschaftlichen Gu¨ter verschiedener Ordnung. Menger versteht unter „wirtschaftlichen Gu¨tern erster Ordnung“ Konsumgu¨ter, das heißt Gu¨ter, welche subjektiv die menschlichen Bedu¨rfnisse direkt befriedigen und welche aus diesem Grunde im subjektiven und spezifischen Kontext jeder Handlung das letztendliche Ziel darstellen, welches der Akteur zu erreichen anstrebt. Um dieses Ziel zu erreichen (Gu¨ter 1. Ordnung oder Konsumgu¨ter) ist es notwendig, vorher eine Reihe von Zwischenetappen durchlaufen zu haben, die Menger als „wirtschaftliche Gu¨ter ho¨herer Ordnung“ bezeichnet (zweiter, dritter, vierter Ordnung usw.). Je ho¨her die Ordnung dieser Gu¨ter ist, desto weiter entfernt befinden sie sich von den Konsumgu¨tern. Konkret fu¨hrt Menger an:„ Wenn wir u¨ber die complementa¨ren Gu¨ter irgend einer ho¨heren Ordnung verfu¨gen, so mu¨ssen diese Gu¨ter vorerst in solche der na¨chst niederen und so stufenweise fort verwandelt werden, bis dieselben zu Gu¨tern erster Ordnung gestaltet sind, welche letzteren wir erst der Befriedigung unserer Bedu¨rfnisse in unmittelbarer Weise zufu¨hren ko¨nnen“ (Menger, 1968, 22). Der Kern dieser Idee Mengers ist nichts anderes als die logische Konsequenz seiner subjektivistischen Konzeption: jeder Mensch versucht ein Ziel zu erreichen, welches fu¨r ihn einen bestimmten subjektiven Wert besitzt. In Abha¨ngigkeit dieses Zieles und angespornt von seinem subjektiven Wert, entwirft und unternimmt er ein Aktionsprogramm, welches aus einer Reihe von Etappen besteht, von welchen er glaubt, dass sie notwendig sind, um das gewu¨nschte Ziel zu erreichen. Diese Etappen erhalten außerdem einen subjektiven Nutzen in Abha¨ngigkeit des Wertes des Ziels, welches der Akteur dank des Einsatzes der o¨konomischen Mittel ho¨herer Ordnung zu erreichen hofft. Das ist dasselbe, wie wenn man sagt: der subjektive Nutzen der Mittel oder der wirtschaftlichen Gu¨ter ho¨herer Ordnung wird in letzter Instanz vom subjektiven Wert des Ziels oder Endprodukt des Konsums bestimmt, welches mit Hilfe der genannten Mittel erlangt oder erreicht werden kann. Auf diese Weise, und zum ersten Mal in der Geschichte der Wirtschaftswissenschaften, wird dank Menger der Prozess des Handelns analysiert, der aus einer Reihe von Zwischenetappen besteht, die in der Absicht in Angriff genommen und durchgefu¨hrt werden, ein Ziel oder ein wirtschaftliches Gut erster Ordnung zu erreichen. Jeder Mensch, indem er handelt, versucht bestimmte Ziele zu erreichen, die er entdeckt hat und die aus irgendeinem Grund wichtig fu¨r ihn sind. Die subjektive Wertscha¨tzung, psychologisch mehr oder weniger intensiv, die der Akteur seinem Ziel verleiht, wird Wert genannt. Mittel ist alles, was der Akteur subjektiv fu¨r geeignet ha¨lt, um ein Ziel zu erreichen. Die subjektive Wertscha¨tzung, die der

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Akteur dem Mittel in Abha¨ngigkeit des Wertes des Ziels zuschreibt und mit deren Hilfe er glaubt, sein Ziel zu erreichen, wird Nutzen genannt. In diesem Sinne sind Wert und Nutzen die beiden Seiten derselben Medaille, da der subjektive Wert, welcher der Akteur dem verfolgten Ziel verleiht sich im Mittel, an dessen Nu¨tzlichkeit er glaubt, durch das Konzept des Nutzen widerspiegelt. Somit ist der wichtigste und originellste Beitrag, den wir dem Konzept Mengers verdanken nicht, wie bisher angenommen wurde, die Entdeckung des Grenznutzens (welches er unabha¨ngig und parallel zu Jevons und Walras entwickelte), sondern die subjektivistische Konzeption des Prozesses menschlichen Handelns. Die subjektive Werttheorie und die Entdeckung des Grenznutzen sind nichts anderes als das offensichtliche Korollarium der subjektiven Konzeption des Prozesses des Handelns, den wir ausschließlich Menger verdanken und den wir soeben vorgetragen haben. Tatsa¨chlich bewertet der Mensch als Akteur in einer Abfolge von Etappen die Mittel in Abha¨ngigkeit der Ziele, die er glaubt mit diesen Mitteln erreichen zu ko¨nnen; jedoch vollfu¨hrt er diese Bewertung nicht in einer globalen oder aggregierten Art und Weise sondern in Abha¨ngigkeit verschiedener austauschbarer Einheiten von Mitteln, die im spezifischen Kontext des Handelns wichtig sind. Der Akteur wird dazu tendieren, jede einzelne austauschbare Einheit der Mittel in Abha¨ngigkeit des Wertes, den die letzte Einheit in seiner Wertskala hat, zu bewerten. Schließlich verliert bzw. gewinnt man im Falle des Verlusts oder Hinzufu¨gens einer Einheit den Nutzen dieser einen Einheit. Deshalb ist der Wert dieser letzten Einheit vom Wert abha¨ngig, den ein bestimmtes Ziel in seiner individuellen Wertskala hat und welches man als Konsequenz dieser letzten Einheit verlieren oder gewinnen kann. Fu¨r die Österreichische Schule hat aus diesem Grunde das Gesetz des Grenznutzens weder etwas mit der physiologischen Sa¨ttigung der Bedu¨rfnisse zu tun noch mit Psychologie, sondern es ist ein strikt praxeologisches Gesetz (gema¨ß der Mises´schen Terminologie), d.h. in der Logik menschlichen, unternehmerischen und kreativen Handelns enthalten. Es ist deshalb unverzichtbar, die Theorie des Grenznutzens, wie sie von Menger entwickelt wurde, von den Gesetzen des Grenznutzens gema¨ß Jevons und Walras strikt zu unterscheiden. Tatsa¨chlich ist bei Jevons und Walras der Grenznutzen schlicht etwas einfach „hinzugefu¨gtes“ innerhalb eines mathematischen Gleichgewichts-Modell (im Falle von Jevons eines partiellen, und im Falle von Walras eines allgemeinen Gleichgewichts), in dem der menschliche Prozess des Handelns durch Abwesenheit gla¨nzt und der, unabha¨ngig davon, ob das Gesetz des Grenznutzens eingefu¨hrt wird oder nicht, unvera¨ndert bleibt. Im Gegensatz dazu ist fu¨r Menger die Theorie des Grenznutzens eine ontologische Notwendigkeit bzw. wesentliche Konsequenz seiner eigenen Konzeption menschlichen Handelns als dynamischer Prozess. (Jaffe´, 1976, 511-524). Es darf uns auch nicht u¨berraschen, dass der Gru¨nder der neoklassischen Schule von Chicago, Frank H. Knight, meinte, dass Mengers Theorie der wirtschaftliFriedrich August v. Hayek Institut

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chen Gu¨ter erster Ordnung bzw. ho¨herer Ordnung einer seiner „weniger wichtigen“ Beitra¨ge sei (Knight, 1950). Mit diesem Kommentar enthu¨llt Knight genau die theoretischen Unzula¨nglichkeiten des neoklassischen Gleichgewichtsparadigmas, und speziell die Unzula¨nglichkeiten der von ihm gegru¨ndeten ChicagoSchool: fu¨r diese Schule ist der Produktionsprozess objektiv und augenblicklich, die Zeit spielt nur insofern eine Rolle als sie rein parametrisch interpretiert wird und die Kreativita¨t und die Unsicherheit, jedem unternehmerischen Akt eigen, ist aufgrund des ricardianischen Gleichgewichts, auf welches sich ihre Forscher konzentrieren, ausgelo¨scht.

3.5. Menger und die o¨konomische Theorie sozialer Institutionen Die Grundsa¨tze der Volkswirtschaftslehre von Carl Menger waren fu¨r ihre Zeit ein fortschrittliches Werk: in ihm wurden nicht nur die wichtige Rolle, welche das Konzept der Zeit in der realen Wirtschaft hat, die Unwissenheit, das unternehmerische Wissen, Fehler, als etwas vom menschlichen Handeln untrennbares, die komplementa¨ren Gu¨ter, die sich nach und nach allma¨hlich den Marktprozessen anpassen und die reale Ma¨rkte kennzeichnenden sta¨ndigen Vera¨nderungen und Ungleichgewichte behandelt, sondern das Werk entha¨lt daru¨ber hinaus eine Theorie u¨ber den Ursprung und die Entwicklung der sozialen Institutionen, die spa¨ter von Hayek wieder aufgegriffen und bis zur letzten Konsequenz entwickelt wird. Tatsa¨chlich besteht der zweite, wesentliche Beitrag Mengers darin, das spontane und evolutive Aufkommen der sozialen Institutionen, ausgehend von der subjektivistischen Konzeption des Handelns und der Interaktion der Handelnden, theoretisch erkla¨rt zu haben. Daher ist es keine Laune oder ein Zufall, dass Menger seine Grundsa¨tze der Volkswirtschaftslehre einem der beru¨hmtesten deutschen Historiker widmet: Wilhelm Roscher. Im Methodenstreit zwischen den Vertretern der evolutorischen, historischen und spontanen Konzeption der Institutionen, vertreten von Savigny im juristischen Bereich und von Hume und Burke im Bereich der Philosophie und der Politikwissenschaften einerseits, und den Vertretern der kartesianischen rationalistischen Konzeption andererseits (vertreten durch Thibaut im Bereich der Jurisprudenz und Bentham und den Utilitaristen im Bereich der Ökonomie), glaubt Menger die definitive theoretische Unterstu¨tzung, welche die erste Gruppe beno¨tigte, gegeben zu haben. Die subjektivistische Konzeption von Menger, die auf dem Menschen als Akteur basiert, erkla¨rt durch einen evolutorischen Prozess, in dem unza¨hlige Menschen in ihrem kleinen exklusiven und ihnen eigenen Umfeld subjektiven Wissens, praktischer Erfahrungen, Sehnsu¨chten und Empfindungen agieren, das evolutorische Aufkommen einer Reihe von Verhaltensmustern (Institutionen), die in den rechtlichen, o¨konomischen und sprachlichen Bereichen das Leben in einer Gesellschaft ermo¨glichen. Menger entdeckt, dass das Aufkommen der Institutionen das Ergebnis eines sozialen Prozesses ist, welcher aus einer Vielfalt

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menschlichen Handelns besteht, angefu¨hrt durch eine Anzahl von Menschen als konkrete Ma¨nner und Frauen aus Fleisch und Blut, die in ihren jeweiligen historischen, besonderen Umsta¨nden von Zeit und Raum, fru¨her als andere entdecken, wie sie ihre Ziele leichter erreichen, wenn sie bestimmte Verhaltensmuster annehmen. Auf diese Weise wird ein dezentraler trial and error Prozess in Gang gesetzt, in dem eine Tendenz besteht, dass diejenigen Verhaltensweisen u¨berwiegen werden, die am besten die sozialen Ungleichgewichte koordinieren, so dass aufgrund dieses unbewussten Prozesses des Lernens und der Nachahmung, die Handlungsmuster der kreativsten und erfolgreichsten Personen sich ausbreiten und von den restlichen Mitgliedern der Gesellschaft befolgt werden. Obwohl Menger seine Theorie anhand des Aufkommens und der Entwicklung einer konkreten Institution, der des Geldes, entwickelt bzw. auf diese anwendet (Menger, 1968, 250-285), bemerkt Menger, dass dasselbe theoretische Schema ohne weiteres auf die rechtlichen Institutionen und auf das Aufkommen und die Entwicklung der Sprache anwendbar sei. Menger selbst formuliert die neue Frage, auf der er das neue Forschungsprogramm der Ökonomie aufbauen will, wie folgt:„Wieso vermo¨gen dem Gemeinwohl dienende und fu¨r dessen Entwicklung ho¨chst bedeutsame Institutionen ohne einen auf ihre Begru¨ndung gerichteteten Gemeinwillen zu entstehen” (Menger, 1969, 163). Und es gleicht einem Paradox, dass die fu¨r das Leben in einer Gesellschaft wichtigsten und wesentlichsten Institutionen fu¨r den Menschen (sprachlicher, o¨konomischer, rechtlicher und moralischer Natur) „nicht beabsichtigte Konsequenz menschlichen Handelns sind“ (oder in der Terminologie Mengers,„unbeachsichtigte Resultate“, Menger, 1969, 182), eben weil sie nicht von Menschen geschaffen wurden, da es dem Menschen an den notwendigen intellektuellen Fa¨higkeiten mangelt, um die ungeheure Menge an verstreuter und dynamischer Information, welche die Institutionen in sich vereinigen, aufzunehmen. Vielmehr entstanden diese Institutionen in einem spontanen und evolutiven Prozess im Verlaufe eines sozialen Prozesses menschlicher Interaktionen, welcher fu¨r Menger und die Österreichische Schule das wichtigste Forschungsfeld im Bereich der Wirtschaftswissenschaften darstellen sollte.

3.6. Der Methodenstreit Es kam fu¨r Menger einer großen Entta¨uschung gleich, dass sein Beitrag nicht nur nicht von den Vertretern der historischen Schule verstanden wurde, sondern dass diese Vertreter meinten, Mengers Beitrag fordere den Historizismus heraus. Statt zu erkennen, dass Mengers Beitrag die theoretische Unterstu¨tzung war, welche die evolutorische Konzeption der sozialen Prozesse beno¨tigte, betrachteten sie seine abstrakte und theoretische Analyse als unvereinbar mit dem von ihnen verfochtenen engen Versta¨ndnis des Historizismus. Auf diese Weise entstand die erste, und vielleicht beru¨hmteste Polemik, in welche sich die Österreichische Schule verwickelt sah, der so genannte Methodenstreit, der die intellektuellen Energie Mengers u¨ber mehrere Jahrzehnte hinweg beanspruchen sollte. Die VerFriedrich August v. Hayek Institut

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treter der historischen Schule, angefu¨hrt von Schmoller, waren – genau wie es spa¨ter bei den amerikanischen Institutionalisten der Schule von Thorstein Veblen der Fall sein wird – Opfer eines Hyperrealismus, der sie dazu brachte, eine o¨konomische Theorie von universeller Gu¨ltigkeit abzulehnen und stattdessen die These zu vertreten, dass das einzig gu¨ltige Wissen nur durch die empirische Beobachtung und die Ansammlung von Daten jedes historischen Falls zu erhalten ist. Gegen diese Auffassung publiziert Menger im Jahre 1883 sein zweites wichtiges Buch mit dem Titel Untersuchungen u¨ber die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie insbesondere (Menger, 1969); von Aristoteles ausgehend vertritt er darin die Auffassung, dass das Wissen der sozialen Wirklichkeit zwei gleich wichtige Disziplinen verlangt, die jedoch, trotz ihres komplementa¨ren Charakters, radikal und epistemologisch verschieden sind. Auf der einen Seite die Theorie, welche in einer bestimmten Weise die „Form“ ist (in ihrem aristotelischen Sinne) und welche die Essenz der o¨konomischen Pha¨nomene aufnimmt. Diese theoretische Form entdeckt man mit Hilfe der Introspektion, d.h. durch die innere Reflexion des Wissenschaftlers, die durch die Tatsache ermo¨glicht wird, dass die Ökonomie die einzige Wissenschaft ist, in welcher der Forscher das Privileg hat, u¨ber dieselbe Natur zu verfu¨gen wie der zu untersuchende Gegenstand, was ihm ein wertvolles Wissen aus erster Hand verschafft. Außerdem wird die Theorie in einer logisch-deduktiven Art aufgrund von offensichtlichen Wissen axiomatischen Typs ausgearbeitet. Von der Theorie verschieden ist die Geschichte, welche in einer bestimmten Art und Weise die „Materie“ bildet (in ihrem aristotelischen Sinne) und die sich in empirischen Tatsachen historischer Ereignisse konkretisiert. Fu¨r Menger sind beide Disziplinen, Theorie und Geschichte, gleich wichtig, um die Realita¨t zu erkennen. Aber er lehnt nachdru¨cklich in jedem Fall die Auffassung ab, eine Theorie aus der Geschichte gewinnen zu ko¨nnen. Die Beziehung zwischen beiden ist eher in dem Sinne umgekehrt, als dass die Geschichte nur interpretiert, strukturiert und versta¨ndlich gemacht werden kann, wenn man vorher u¨ber eine o¨konomische Theorie verfu¨gt. Auf diese Weise formuliert Menger, sich dabei auf die bereits von J.B. Say im Großen und Ganzen intuitiv erkannten methodologischen Positionen stu¨tzend, die Fundamente, die spa¨ter die „offizielle“ Methodologie der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie sein sollten. Es ist außerdem notwendig zu erla¨utern, dass es mindestens drei verschiedene Bedeutungen des Begriffs „Historizismus“ gibt. Die erste, die mit der historischen Rechtsschule (Savigny, Burke) identifiziert wird, und die im Gegensatz zum kartesianischen Rationalismus steht, wird von der Österreichischen Schule in ihrer theoretischen Analyse u¨ber die Entstehung der Institutionen verteidigt. Der zweite Begriff ist jener, der mit der historischen Schule der Nationalo¨konomie im Deutschland des 19. Jahrhunderts und den amerikanischen Institutionalisten des 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht wird; beide verneinen die Mo¨glichkeit der Existenz einer abstrakten o¨konomischen Theorie universeller Gu¨ltigkeit,

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wie sie von Menger verteidigt, und von weiteren Ökonomen der Österreichischen Schule spa¨ter weiterentwickelt wurde. Auf dem dritten Typ des Historizismus fußt die positivistische Methodologie der neoklassischen Schule, die, um ihre Theorien zu u¨berpru¨fen, auf die empirische Beobachtung, d.h. in letzter Instanz, auf Geschichte, zuru¨ckgreift. Gema¨ß Hayek ist diese Methode nichts anderes als eine erneute Manifestation des von der Österreichischen Schule kritisierten kartesianischen Rationalismus. (Cubeddu, 1993, 29-30). Es mag kurios erscheinen, hervorzuheben, dass Menger und seine Nachfolger in der Verteidigung ihrer Theorie gegenu¨ber der historischen Schule eine voru¨bergehende Allianz mit den Theoretikern des neoklassischen GleichgewichtsParadigmas eingingen (mit den mathematischen Marginalisten Walras und Jevons und mit den Neoklassikern Alfred Marshall in England bzw. John Bates Clark in den Vereinigten Staaten). Die Vertreter der Österreichischen Schule, der subjektivistischen Tradition und der dynamischen Analyse der Marktprozesse verpflichtet, waren sich u¨ber die großen Unterschiede, die ihr Standpunkt im Vergleich zu den Theoretikern des (partiellen oder allgemeinen) Gleichgewichts hat, wohl bewusst, jedoch scha¨tzten sie ihre temporale Allianz mit den Gleichgewichtstheoretikern als gerechtfertigt ein, um ihr Ziel, die historische Schule zu u¨berwinden, erreichen zu ko¨nnen und den richtigen Status der o¨konomischen Theorie zu verteidigen. Die hohen Kosten dieser Strategie sollten sich erst mehrere Jahrzehnte spa¨ter herausstellen, als in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts („the year of high theory“, wie es Shackle gelungen ausdru¨ckte) die Vertreter der Theorie u¨ber die Historisten obsiegten und dieser Sieg von der Mehrzahl der Vertreter der o¨konomischen Profession als ein Sieg der Theorie des mathematischen Gleichgewichts und nicht als ein Sieg der Theorie der dynamischen sozialen Prozesse, wie sie von Anfang an von Menger und seinen Nachfolgern entwickelt und gefo¨rdert wurde, interpretiert wurde. Jedenfalls, und im Gegensatz zu der Standardversion der Lehrbu¨cher, die den Methodenstreit als eine vergebliche Mu¨he qualifizieren, meinen wir, dass sich in diesem Streit die konzeptionell unvermeidlichen Unterschiede zwischen der Wissenschaft vom menschlichen Handeln (Human Action) und den Naturwissenschaften la¨uterten und abzeichneten, so dass die anhaltende Konfusion auf diesem Gebiet zweifellos darauf zuru¨ckzufu¨hren ist, dass die Ökonomen dem von Menger gemachten Beitrag nicht die notwendige Aufmerksamkeit in der Auseinandersetzung mit der historischen Schule geschenkt haben. (Huerta de Soto, 1982).

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4. Bo¨hm-Bawerk und die Kapitaltheorie 4.1. Einfu¨hrung Der na¨chste theoretische Impuls innerhalb der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie – nach Carl Menger – ging von seinem brillantesten Schu¨ler, Eugen von Bo¨hm-Bawerk (1851-1914), aus. Bo¨hm-Bawerk war Professor fu¨r politische Ökonomie, zuerst in Innsbruck, spa¨ter in Wien, und mehrmals Minister der o¨sterreich-ungarischen Regierung innerhalb der k.u.k-Monarchie. Bo¨hm-Bawerk perfektionierte und verbreitete nicht nur den urspru¨nglich von Carl Menger entworfenen subjektiven Ansatz in den Wirtschaftswissenschaften, sondern weitete ihn durch die Anwendung auf die Theorie des Kapitals und der Zinsen, auch entscheidend aus. In seinem Meisterwerk Kapital und Kapitalzins (1884 –1902), das trotz seines Titels ein komplette Abhandlung der Ökonomie ist, konstruiert Bo¨hm-Bawerk auf dem Fundament der subjektiven und dynamischen Preistheorie das Herzstu¨ck der Kapitaltheorie der Österreichischen Schule. Professoren, die Teile dieses Werks in ihre Vorlesungen aufgenommen haben, ist es gelungen, die weiter oben bereits benannte Lu¨cke hinsichtlich einer Kapitaltheorie, die unverzichtbar ist, um den Marktprozess zu verstehen, zu schließen. Bo¨hm-Bawerk u¨bte mit seiner Kapitaltheorie eine vernichtende Kritik an bereits existierenden Theorien. Diese Kritik war besonders treffend bei seiner Analyse der marxistischen Ausbeutungstheorie und jenen Theorien, die den Ursprung des Zinses in der Grenzproduktivita¨t des Kapitals sehen. Bo¨hm-Bawerk trug stattdessen eine neue Theorie u¨ber die Entstehung des Zinses vor. Er basierte seine Theorie auf das Konzept der Zeitpra¨ferenzrate, welche, wie wir bereits sahen, von dem Thomisten Lessines stammt und von Martı´n de Azpilcueta Ende des 16. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde. Obwohl sein Beitrag zur Erkla¨rung des Zinspha¨nomens nicht perfekt ist, und er sich am Ende, ohne sich dessen bewusst zu sein, teilweise in den Fangnetzen der von ihm in seinem ersten Band so brilliant kritisierten Theorie der Grenzproduktivita¨t des Kapitals verfing, ist es doch der Verdienst von Bo¨hm-Bawerk, das Fundament fu¨r eine Theorie des Kapitals und des Zinses gelegt zu haben. Dieses Fundament wurde spa¨ter von Frank Fetter (Fetter, 1977) und Ludwig von Mises (Mises, 1996, 479-586) perfektioniert und bis in seine letzte theoretische Vera¨stelung weiterentwickelt. Im Anschluss untersuchen wir die der Kapitaltheorie von Bo¨hm-Bawerk zu Grunde liegenden Prinzipien und Weiterentwicklungen der Theorie durch seine Schu¨ler.

4.2. Menschliches Handeln als Gesamtheit subjektiver Etappen „Handeln“ schreibt Mises in seinem Werk Nationalo¨konomie (Mises, 1980, 11) ist bewusstes Verhalten. Wir ko¨nnen auch sagen: Handeln ist Wollen, das sich in Tat und Wirken umsetzt und damit verwirklicht, ist ziel- und zweckbewusstes Sichbenehmen (...) auf die Gegebenheit der Welt und des Lebens“. Wir haben bereits gesehen, Friedrich August v. Hayek Institut

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dass der Mensch, wenn er handelt, danach strebt, bestimmte Ziele zu erreichen, die fu¨r ihn wichtig sind. Dabei setzt er eine Reihe von aus seiner Sicht geeigneten Mitteln ein. Wert und Nutzen sind Konzepte der psychischen Wertscha¨tzung, Spiegelbilder der Ziele und Mittel des Akteurs. Die Mittel [S.77] sind definitionsgema¨ß knapp. Wa¨ren sie fu¨r den Akteur hinsichtlich der von ihm angestrebten Ziele nicht knapp, wu¨rde er sie beim Handeln auch nicht in Betracht ziehen. Ziele und Mittel sind nicht „gegeben“, sondern sind im Gegenteil das Ergebnis der essenziellunternehmerischen Aktivita¨t des Menschen. Diese besteht ja gerade darin – wie wir bereits im zweiten Kapitel sahen – die fu¨r den Akteur relevanten Ziele und Mittel zu schaffen, zu entdecken oder einfach sich ihrer bewusst zu werden. Glaubt der Akteur, fu¨r ihn lohnende Ziele entdeckt zu haben, macht er sich eine Vorstellung von den Mitteln, von denen er glaubt, dass sie sich in seiner Reichweite befinden, um diese Ziele zu erreichen, und reiht sie – fast immer in stillschweigender Form – in einen Handlungsplan ein, den er als Resultat eines Willensaktes, entschieden hat, zu unternehmen und auszufu¨hren. Ein Plan ist deshalb das mentale, prospektive Abbild, das sich der Akteur u¨ber die verschiedenen Etappen, Elemente und mo¨gliche Umsta¨nde, die mit seinem Handeln verbunden sein ko¨nnen, macht. Die Zeit, in der menschliches Handeln immer stattfindet, wird nicht in ihrem deterministischen oder Newtonschen Sinne verstanden, d.h. ausschließlich physisch oder analog, sondern sie wird vom Akteur innerhalb seines Handlungskontextes subjektiv empfunden und erfahren (O´Driscoll und Rizzo, 1996, 52-70). Aus diesem Grunde ist die Zeit eine Kategorie der Wirtschaftswissenschaft, die nicht vom Konzept menschlichen Handelns getrennt werden kann. Eine Handlung, die nicht im Zeitablauf stattfindet oder eine gewisse Zeit beno¨tigt, kann nicht begriffen werden. In der gleichen Weise empfindet der Akteur den Verlauf der Zeit, demgema¨ß er handelt und die verschiedenen Etappen seines Prozesses des Handelns vollendet. Menschliches Handeln, das immer danach trachtet, ein Ziel zu erlangen oder ein Unbehagen zu beenden, beno¨tigt Zeit im Sinne einer Verwirklichung und Vollendung einer Reihe sukzessiver Etappen. Es kann deshalb der Schluss gezogen werden, dass das, was den Akteur von dem Erreichen des gewu¨nschten Ziels trennt, ein Zeitraum – verstanden als eine Reihe sukzessiver Handlungsetappen – ist, aus dem Handeln besteht. Vom prospektiven und subjektiven Standpunkt des Akteurs aus betrachtet, kann man folgende Gesetzma¨ßigkeit formulieren: Vergro¨ßert sich der Zeitraum, die eine Handlung beno¨tigt (d.h. die Anzahl und die Komplexita¨t der sukzessiven Etappen einer Handlung) so besteht immer die Tendenz, dass das Ergebnis oder das angestrebte Ziel einer Handlung einen gro¨ßeren Wert fu¨r den Akteur hat. Der logische Beweis dieses o¨konomischen Gesetzes – d.h., dass Ziele tendenziell einen ho¨heren Wert erreichen, wenn sich der Zeitraum verla¨ngert – kann leicht

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erbracht werden. Wenn dem na¨mlich nicht so wa¨re, d.h. wenn man die Ergebnisse von Handlungen, die la¨nger dauern, nicht ho¨her bewerten wu¨rde, wu¨rden diese niemals vom Akteur unternommen werden, und er wu¨rde stattdessen Ziele von ku¨rzerer Dauer wa¨hlen. Was den Akteur vom zu erreichenden Ziel trennt ist genau eine als Gesamtheit von Etappen in seinem Prozess des Handelns verstandene bestimmte Zeitdauer. Es ist deshalb evident, dass der Mensch, unter sonst gleichen Bedingungen, immer danach strebt, seine Ziele so fru¨h wie mo¨glich zu erreichen, und er nur dann bereit ist, diese Zielerreichung zeitlich zu verschieben, wenn er meint, dass er damit ho¨herwertige Ziele erlangen kann. Damit knu¨pfen wir wieder an der vorhergehenden Abschnitt 4.1 an. Wir behandelten dort die logische Kategorie der Zeitpra¨ferenzrate. Sie besagt, , dass der Akteur, ceteris paribus seine Bedu¨rfnisse oder seine Ziele so schnell wie mo¨glich befriedigen bzw. erreichen will. Anders ausgedru¨ckt: Hat der Akteur zwischen zwei, seiner subjektiven Einscha¨tzung nach gleichwertigen Zielen zu wa¨hlen, wird er stets jenes Ziel bevorzugen, das fru¨her zu erreichen ist. Oder um es noch ku¨rzer zu formulieren: Unter sonst gleichen Bedingungen, werden gegenwa¨rtige Gu¨ter zuku¨nftigen Gu¨ter vorgezogen. Dieses Gesetz der Zeitpra¨ferenzrate ist nichts anderes als der Ausdruck des essenziellen Prinzips, nach dem der Akteur danach strebt, (fu¨r ihn) gleiche Ziele so schnell wie mo¨glich zu erreichen. Die Zeitpra¨ferenzrate ist folglich keine psychologische oder physiologische Kategorie, sondern eine Forderung der logischen Struktur jeder Handlung und im Denken jedes Menschen eingebettet. Deshalb ist die gesetzma¨ßige Tendenz, wie sie weiter oben zum Ausdruck gebracht worden ist, und der zu Folge der Akteur nur dann la¨ngere Handlungen unternimmt, wenn er sich davon die Erlangung von ho¨herwertigen Zielen verspricht, und das Gesetz der Zeitpra¨ferenzrate, nach der unter sonst gleichen Bedingungen immer zeitna¨here Gu¨ter vorgezogen werden, zwei verschiedene Arten, dieselbe Wirklichkeit auszudru¨cken.

4.3. Kapital und Kapitalgu¨ter Der Akteur betrachtet aus subjektiver Sicht Kapitalgu¨ter als Zwischenetappen jedes Handlungsprozesses. Oder wenn man so will: Kapitalgu¨ter sind jene Zwischenetappen, in denen sich jeder vom Akteur unternommene produktive Prozess darstellt bzw. materialisiert. Deshalb sind Kapitalgu¨ter immer in einem teleologischen Kontext zu verstehen, in dem das vom Akteur verfolgte Ziel und seine subjektive Perspektive in Beziehung mit den Zwischenetappen, die notwendig sind, dieses Ziel zu erreichen, die essenziellen definitorischen Elemente bilden. (Kirzner, 1996, 13-122) Wie schon Menger ausfu¨hrte, sind Kapitalgu¨ter deshalb „Gu¨ter ho¨herer Ordnung“, oder wenn man so will, die Produktionsfaktoren, die in jeder Zwischenetappe eines konkreten Prozesses des Handelns vorkommen. Kapitalgu¨ter sind die Verbindung drei wesentlicher Elemente: natu¨rliche Ressourcen, Arbeit und Friedrich August v. Hayek Institut

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Zeit. Sie werden allesamt in einem vom Menschen geschaffenen und durchgefu¨hrten Prozess unternehmerischen Handelns verbunden. Die conditio sine qua non der Produktion von Kapitalgu¨tern ist das Sparen, verstanden als unmittelbarer Konsumverzicht. Tatsa¨chlich wird der Akteur nur dann sukzessiv Zwischenetappen eines zeitlich immer weiter entfernten Prozesses des Handelns erreichen ko¨nnen, wenn er vorher darauf verzichtet hat, Handlungen mit einem (zeitlich) na¨heren Ergebnis zu unternehmen. Er muss also zuvor darauf verzichtet haben, Ziele zu erreichen, die vorher seine Bedu¨rfnisse befriedigen und die aus diesem Grund in zeitlicher Hinsicht na¨her liegen (Konsum). Um diesen wichtigen Aspekt zu veranschaulichen, werden wir zuna¨chst – Bo¨hm-Bawerk folgend – den Spar- und Investitionsprozess eines isolierten Akteurs, beispielsweise Robinson Crusoe auf seiner Insel, darstellen (Bo¨hm-Bawerk, 1959 b, 102-118). Nehmen wir an, Robinson Crusoe ist gerade auf seiner Insel gestrandet und die einzige Mo¨glichkeit, die er zum Überleben hat, ist, Beeren mit der Hand von Bu¨schen und Stra¨uchern zu pflu¨cken. Wenn er den ganzen Tag damit verbringt, Beeren zu pflu¨cken, wird er soviel sammeln, dass ihm dies fu¨r einen Tag reicht, oder sogar noch ein wenig mehr, als fu¨r das nackte Überleben notwendig ist. Nachdem er sich mehrere Wochen auf diese Weise erna¨hrt hat, entdeckt Robinson quasi in einem unternehmerischen Prozess, dass er mit Hilfe eines mehrere Meter langen Stocks die Bu¨sche weiter oben schu¨tteln ko¨nnte und damit eine reichhaltigere und leichtere Beerenernte erzielen ko¨nnte. Robinson sieht sich dabei mit folgendem Problem konfrontiert: Wa¨hrend er, wie er glaubt, fu¨nf Tage beno¨tigt, um einen geeigneten Ast zu finden und daraus einen Stock anzufertigen, muss er zwangsweise auf das Sammeln von Beeren verzichten. Deshalb ist es notwendig, will er den Stock anfertigen, dass er wa¨hrend einiger Tage seinen Beeren-Konsum einschra¨nkt (z.B. dadurch, dass er einige davon auf die Seite legt) bis er u¨ber eine ausreichend große Menge an Beeren verfu¨gt, die es ihm erlaubt, fu¨nf Tage, von denen er annimmt, dass er sie fu¨r den Produktionsprozess des Holzstocks beno¨tigt, keine neuen Beeren sammeln zu mu¨ssen. Nachdem er sein Handeln geplant hat, beschließt Robinson einen Holzstock anzufertigen. Dafu¨r muss er vorher einen Teil der Beeren, die er jeden Tag mit der Hand sammelt, sparen und seinen Konsum einschra¨nken. Es ist klar, dass dies unvermeidlich mit einem Opfer verbunden ist. Aber er glaubt, dass dies durch das von ihm angestrebte Ziel mehr als ausgeglichen wird. Auf diese Weise beschließt er, beispielsweise fu¨r zehn Tage seinen Konsum einzuschra¨nken (das heißt, zu sparen), in dem er u¨berschu¨ssige Beeren in einem Korb in einer Menge sammelt, von der er sich ausrechnet, dass diese ausreicht, um sich wa¨hrend des Anfertigens des Stockes erna¨hren zu ko¨nnen. Mit diesem Beispiel zeigte Bo¨hm-Bawerk, wie jeder Investitionsprozess in Kapitalgu¨ter vorher Sparen, d.h. die Einschra¨nkung des Konsums unter sein potenzielles Niveau, erfordert.

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Wenn Robinson genug Beeren gespart hat, widmet er sich wa¨hrend fu¨nf Tagen der Suche eines geeigneten Astes, aus dem er einen Stock anfertigt, ihn zuna¨chst vom Stamm trennt und spa¨ter perfektioniert. Wie erna¨hrt er sich wa¨hrend des fu¨nf Tage dauernden Produktionsprozesses des Stockes, an denen er gezwungenermaßen nicht Beeren sammeln kann? Ganz einfach! Er erna¨hrt sich von den wa¨hrend der vorhergehenden zehn Tage in einem Korb angesammelten Beeren, die er – dabei wohl etwas an Hunger leidend – von seiner Beerenproduktion „mit der Hand“ gespart hat. Waren die Berechnungen Robinsons richtig, so verfu¨gt er nach Ablauf der fu¨nf Tage u¨ber einen Holzstock (Kapitalgut), der nichts anderes ist als eine Zwischenetappe, die zeitlich weiter entfernt liegt (genau fu¨nf Tage des Sparens) von dem unmittelbaren, bisher von Robinson Crusoe unternommenen,„Beeren –Produktionsprozess“. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu verstehen, dass Robinson versuchen muss, auf die bestmo¨gliche Art und Weise sein gegenwa¨rtiges Verhalten mit seinem vorhersehbaren zuku¨nftigen Verhalten zu koordinieren. Konkret muss er vermeiden, Produktionsprozesse zu unternehmen, deren La¨nge seine Ersparnisse u¨bersteigen. Es wa¨re na¨mlich tragisch, wenn er bei der Produktion eines Kapitalgutes auf halbem Wege bemerken wu¨rde, dass ihm die Beeren ausgehen. In diesem Fall mu¨sste er die Ersparnis konsumieren, ohne das vorgenommene Ziel erreicht zu haben. Ebenso hat er, gemessen an seinem Investitionsziel, zu vermeiden, zuviel zu sparen, da er damit seinen unmittelbaren Konsum unno¨tig stark einschra¨nken wu¨rde. Es ist jedoch genau die subjektive Wertscha¨tzung aufgrund seiner Zeitpra¨ferenzrate, die es Robinson Crusoe ermo¨glicht, in angebrachter Weise sein gegenwa¨rtiges Verhalten mit seinen voraussichtlichen zuku¨nftigen Bedu¨rfnissen und Verhaltensweisen zu koordinieren oder anzupassen. Da seine Zeitpra¨ferenzrate nicht absolut ist, kann er auf einen Teil seines gegenwa¨rtigen Konsums wa¨hrend einiger Tage, in der Hoffnung, damit einen Stock zu produzieren, verzichten. Dass seine Zeitpra¨ferenzrate nicht „Null“ ist, erkla¨rt sich durch die Tatsache, dass er seine Anstrengungen, ein Kapitalgut zu erhalten, durch einen Verzicht (Sparen) wa¨hrend eines limitierten Zeitraums und wa¨hrend einer nicht zu hohen Anzahl von Tagen realisiert. Jedenfalls ist es notwendig zu verstehen, dass es die anfangs tatsa¨chlich gesparten natu¨rlichen Ressourcen sind – verko¨rpert durch die in den Korb gelegten Beeren – , die es Robinson Crusoe erlauben, zu u¨berleben, wa¨hrend er ein Kapitalgut erzeugt, und die ihn davon befreien, Beeren zu sammeln. Im weiteren stufenfo¨rmigen Verlauf, werden einige Kapitalgu¨ter (die gesparten Beeren) durch andere Kapitalgu¨ter (den Holzstock) ersetzt. Dies geschieht in dem Maße, in dem Robinson Crusoe seine Arbeit mit den natu¨rlichen Ressourcen Friedrich August v. Hayek Institut

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durch einen unternehmerischen Prozess, der Zeit beno¨tigt und den Robinson Crusoe dank der zu Beginn gesparten Konsumgu¨ter durchlaufen kann, verbindet. In einer modernen Ökonomie, in der eine Vielzahl von Wirtschaftssubjekten simultan verschiedene Funktionen ausu¨ben, wird derjenige „Kapitalist“ genannt, dessen Funktion im Sparen besteht. Das bedeutet, dass der Kapitalist weniger konsumiert als er schafft oder produziert. Der Kapitalist stellt dem Arbeiter – solange der Produktionsprozess dauert, in den der Arbeiter interveniert – die Konsumgu¨ter, die dieser zum Leben beno¨tigt, zur Verfu¨gung (also analog dem Robinson Crusoe, der als Kapitalist handelt, indem er Beeren spart, von denen er lebt, wa¨hrend er den Holzstock produziert). Deshalb setzt der Kapitalist, indem er spart, Ressourcen (Konsumgu¨ter) frei, von denen jene Arbeiter leben, die sich entfernteren Produktionsstufen, d.h. der Produktion von Kapitalgu¨ter, widmen. Im Unterschied zu dem, was bei Robinson Crusoe geschieht, ist die Struktur der Produktionsprozesse einer modernen Volkswirtschaft hochkomplex und, vom temporalen Zeitpunkt aus betrachtet, sehr ausgedehnt. Sie besteht aus einer Vielzahl von Etappen, die allesamt untereinander verbunden sind und sich ihrerseits in vielfa¨ltige Unterprozesse aufspalten, die sich wiederum in unza¨hligen kontinuierlich von Menschen unternommenen Handelsprozessen entwickeln. Die Produktionsstruktur des Produktionsprozesses eines Automobils besteht beispielsweise aus hunderten, wenn nicht tausenden Produktionsstufen, die einen sehr langen Zeitraum erfordern (mehrere Jahre), angefangen vom Design des Autos (die am weitesten vom Konsum entfernteste Produktionsstufe), u¨ber die Auftra¨ge an die Zulieferer, den Aufbau der verschiedenen Montagelinien, die Bestellung der verschiedenen Teile des Motors und Zubeho¨rs etc., bis hin zu jenen Produktionsstufen, die zeitlich na¨her am Konsum liegen, wie z.B. dem Transport und dem Vertrieb, dem Entwurf einer Werbekampagne und dem Verkauf an die Kunden (Skousen, 1990). Es ist klar, dass beim „reichen“ Robinson Crusoe mit Holzstock und dem „armen“ Robinson Crusoe ohne Holzstock der Unterschied in der Verfu¨gbarkeit eines Kapitalguts liegt, das der „reiche“ Robinson aufgrund eines vorhergehenden „Sparens“ erlangte. Ebenso liegt der entscheidende Unterschied zwischen armen und reichen Gesellschaften nicht darin, dass erstere mehr arbeiten, nicht einmal darin, dass sie vom technologischen Standpunkt aus betrachtet u¨ber gro¨ßere Kenntnisse zu verfu¨gen. Der Unterschied zwischen „Arm“ und „Reich“ liegt hauptsa¨chlich darin begru¨ndet, dass reiche Nationen eine gro¨ßere Verflechtung unternehmerisch wohlinvestierter Kapitalgu¨ter in Form von Maschinen,Werkzeugen, Computern, Informatikprogrammen, Geba¨uden, Halbfertigprodukten etc. besitzen, die durch ein vorheriges Sparen ihrer Bu¨rger mo¨glich wurden. Zudem bestehen die Kapitalgu¨ter nicht ewig, sondern sind voru¨bergehender Natur in dem Sinne, dass sie sich wa¨hrend des Produktionsprozesses entweder physisch abnutzen oder verbrauchen, oder einfach obsolet werden. Das bedeutet, dass der

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o¨konomische Akteur, wenn er den Kapitalgu¨terstock erhalten will, der Abschreibung oder dem Verschleiß der Kapitalgu¨ter begegnen muss. Will er die Anzahl der Produktionsstufen erho¨hen, d.h. die Produktionsprozess verla¨ngern und ihn produktiver machen, so ist es notwendig, Ersparnisse in einem ho¨heren, oder zumindest gleich großen Betrag, der der Abschreibungsrate als buchhalterischem Ausdruck fu¨r die Abnutzung seiner Kapitalgu¨ter entspricht, zu akkumulieren. Als wichtiger innerhalb der Österreichischen Konjunkturtheorie zu beachtender Aspekt kann die Faustregel formuliert werden, dass Kapitalgu¨ter desto schwerer rekonvertibel sind, je na¨her sie sich bei der letzten Stufe des Konsums befinden. Wenn sich deshalb die Bedingungen a¨ndern, der Akteur seine Meinung a¨ndert oder er sich gewahr wird, einen Fehler begangen zu haben, kann es durchaus sein, dass die bis zu diesem Zeitpunkt eingesetzten Kapitalgu¨ter entweder vollsta¨ndig unbrauchbar werden oder die Kapitalgu¨ter nur nach einer mit hohen Kosten verbundener Anpassung weiter verwendet werden ko¨nnen. An dieser Stelle sind wir an einem Punkt angelangt, an dem das Konzept des Kapitals vorgestellt werden kann. Vom o¨konomischen Standpunkt aus betrachtet ist das Kapital vom Konzept des „Kapitalguts“ verschieden. Das Konzept des Kapitals kann als der in Marktpreisen ausgedru¨ckte Wert der Kapitalgu¨ter definiert werden. Dieser Wert basiert auf der Einscha¨tzung individueller Akteure, die Kapitalgu¨ter auf einem freien Markt kaufen bzw. verkaufen. Deshalb ist das Kapital einfach ein abstraktes Konzept oder ein Instrument der Wirtschaftsrechnung, eine subjektive Wertscha¨tzung oder ein subjektives Urteil der Unternehmer u¨ber den Marktwert, den die Kapitalgu¨ter in ihrer Einscha¨tzung erreichen werden. Die Unternehmer werden daher laufend versuchen, unternehmerische Gewinne zu erzielen, indem sie kaufen und verkaufen. Ga¨be es keine Marktpreise und keine subjektive Wertscha¨tzung des Kapitalwerts der Gu¨ter, die die Zwischenetappen der Produktionsprozesse bilden, wa¨re es in einer modernen Gesellschaft weder mo¨glich festzustellen, ob der (letztendliche) Wert der Gu¨ter, die man mit den Kapitalgu¨tern herstellen will, die Kosten des Produktionsprozesses deckt, noch wa¨re es mo¨glich, auf eine koordinierte Art und Weise die Anstrengungen der Individuen, die in die verschiedenen Prozessen des Handelns beteiligt sind, aufeinander abzustimmen. Aus diesem Grund ist in einer sozialistischen Planwirtschaft, in der es weder freie Ma¨rkte noch Marktpreise gibt, trotz der Tatsache, dass es Kapitalgu¨ter gibt, die Existenz von Kapital nicht vorstellbar. Das Fehlen freier Ma¨rkte und die Zwangseingriffe seitens des Staates in das Wirtschaftsgeschehen – beides Wesenszu¨ge des Sozialismus – machen die Ausu¨bung unternehmerischen Handels im Kapitalgu¨terbereich unmo¨glich und tendieren dazu, systematische Ungleichgewichte intertemporaler Art zu schaffen. Genau darin besteht, wie wir noch in spa¨teren Kapiteln sehen werden, das Wesen des Theorems der Unmo¨gFriedrich August v. Hayek Institut

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lichkeit der Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen, wie es von den Theoretikern der Österreichischen Schule entwickelt wurde. Ohne die Freiheit, unternehmerisch aktiv zu sein, und ohne freie Kapitalgu¨ter- und Geldma¨rkte, ist es unmo¨glich, die notwendige Wirtschaftsrechnung hinsichtlich der vertikalen und horizontalen Ausdehnung des Produktionsprozesses durchzufu¨hren. Das Ergebnis wird daher ein allgemein unkoordiniertes Verhalten sein, welches eine Gesellschaft in Unordnung bringt und eine harmonische Entwicklung verhindert. Die Vorreiterrolle innerhalb des unternehmerischen Prozesses der intertemporalen Koordination gebu¨hrt einem nicht wegzudenkenden Marktpreis: dem Preis fu¨r Gegenwartsgu¨ter im Verha¨ltnis zu zuku¨nftigen Gu¨tern. Dieser Preis ist unter dem Namen Zins oder Zinssatz bekannt. Der Zins steuert die Beziehung zwischen Konsum, Sparen und Investitionen in modernen Gesellschaften. Diese Beziehung wird uns im na¨chsten Abschnitt bescha¨ftigen.

4.4. Zins oder Zinssatz Wie wir gesehen haben, bewertet das Individuum in seiner Wertskala – unter sonst gleichen Bedingungen – gegenwa¨rtige Gu¨ter ho¨her als zuku¨nftige Gu¨ter. Jedoch variiert die relative psychische Intensita¨t dieser unterschiedlichen Bewertung zwischen den Menschen, und diese Intensita¨t kann sich selbst bei einer Person im Verlaufe seines Lebens in Abha¨ngigkeit perso¨nlicher Umsta¨nde stark vera¨ndern. Die in der Werteskala jedes Akteurs enthaltene unterschiedliche psychische Intensita¨t der subjektiven Bewertung gegenwa¨rtiger Gu¨ter in Bezug auf zuku¨nftige Gu¨ter fu¨hrt dazu, dass in einem Markt mit vielen o¨konomischen Agenten, die alle eine unterschiedliche und sich a¨ndernde Zeitpra¨ferenz aufweisen, eine Vielzahl an Mo¨glichkeiten gegenseitig gewinnbringenden Tauschs entsteht. Personen mit einer niedrigen Zeitpra¨ferenzrate sind bereit auf gegenwa¨rtige Gu¨ter zu verzichten und stattdessen zuku¨nftige Gu¨ter ho¨heren Werts zu erlangen, indem sie Tauschhandlungen durchfu¨hren, bei denen sie gegenwa¨rtige Gu¨ter mit jenen Akteuren tauschen, deren Zeitpra¨ferenzrate gro¨ßer ist, und die aus diesem Grunde die Gegenwart relativ ho¨her bewerten als die Zukunft. Der Elan und die Scharfsinnigkeit der unternehmerischen Funktion fu¨hren in einer Gesellschaft tendenziell dazu, dass sich ein Marktpreis der gegenwa¨rtigen Gu¨ter in Beziehung zu den zuku¨nftigen Gu¨tern bildet. Aus Sicht der Österreichischen Schule ist der Zins oder der Zinssatz der Marktpreis der gegenwa¨rtigen Gu¨ter in Abha¨ngigkeit der zuku¨nftigen Gu¨ter. Der Zinssatz ist deshalb der auf dem Markt bestimmte Preis. Auf diesem Markt sind Anbieter bzw. Verka¨ufer gegenwa¨rtiger Gu¨ter Sparer, also jene Akteure, die relativ betrachtet eher bereit sind auf unmittelbaren Konsum zu Gunsten des Erhalts eines gro¨ßeren Werts zuku¨nftiger Gu¨ter zu verzichten.

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Die Ka¨ufer oder Nachfrager gegenwa¨rtiger Gu¨ter sind diejenigen, die unmittelbar Gu¨ter und Dienstleistungen konsumieren (Arbeiter, Eigentu¨mer natu¨rlicher Ressourcen bzw. Eigentu¨mer von Kapitalgu¨tern oder jede erdenkliche Kombination dieser beiden Eigentu¨mertypen). Der Markt gegenwa¨rtiger und zuku¨nftiger Gu¨ter, auf dem sich der Preis, welchen wir als Zinssatz bezeichnet haben, bildet, besteht aus der gesamten Produktionsstruktur der Gesellschaft. In dieser Produktionsstruktur verzichten die Sparer oder Kapitalisten auf unmittelbaren Konsum und bieten den Eigentu¨mern der origina¨ren Produktionsfaktoren (Arbeiter und Eigentu¨mer natu¨rlicher Ressourcen) und den Eigentu¨mern der Kapitalgu¨ter zum Tausch gegen den Erhalt des vollsta¨ndigen Eigentums an Konsumgu¨tern gegenwa¨rtige Gu¨ter an, sofern die Produktion derselben in der Zukunft abgeschlossen sein wird. Der Wertunterschied zwischen gegenwa¨rtigen und zuku¨nftigen Gu¨tern tendiert dazu – zieht man von diesem Wertunterschied die positiven Effekte (Gewinne) und die negativen Effekte (Verluste) ab – genau dem Zinssatz zu entsprechen. Wichtig ist auch zu verstehen, dass der so genannte Kreditmarkt auf dem man durch Zahlung eines Zinses Darlehen erhalten kann, nur ein relativ unbedeutender Teil eines allgemeineren Marktes ist. Auf diesem allgemeinen Markt werden gegenwa¨rtige gegen zuku¨nftige Gu¨ter getauscht. Dieser Markt besteht aus der gesamten Produktionsstruktur einer Gesellschaft, auf dem die Eigentu¨mer der origina¨ren Produktionsfaktoren als Nachfrager gegenwa¨rtiger Gu¨ter auftreten und die Sparer diesen gegenwa¨rtige Gu¨ter anbieten. Darum ist der kurz-, mittelund langfristige Kreditmarkt lediglich ein Teilmarkt eines sehr viel umfassenderen Marktes. Auf dem letztgenannten Markt werden gegenwa¨rtige gegen zuku¨nftige Gu¨ter getauscht; im Vergleich dazu hat der Kreditmarkt lediglich eine zweitrangige Funktion bzw. er ha¨ngt vom allgemeinen Markt ab, obwohl er der bekannteste und sichtbarste Markt u¨berhaupt ist. Das hat auch damit zu tun, dass in der externen Welt, die einzigen direkt beobachtbaren Werte einerseits Marktzinsen oder Bruttozinssatz und andererseits (buchhalterisch ermittelte) Bruttogewinne der produktiven Aktivita¨t sind. Der Bruttozinssatz setzt sich aus dem Zinssatz, wie wir ihn definiert haben (manchmal auch als Urzins oder natu¨rlicher Zins bezeichnet), und einer Risikopra¨mie zusammen. Diese Risikopra¨mie wird bei der Berechnung des Tausches von gegenwa¨rtigen und zuku¨nftigen Gu¨tern fu¨r die erwartete Inflation oder Deflation der Kaufkraft der Wa¨hrungseinheit, mit der dieser Tausch vollzogen wird, angesetzt. Der ebenfalls direkt auf dem Markt beobachtbare Bruttogewinn, der durch die spezifische produktive Aktivita¨t innerhalb einer Stufe des Produktionsprozesses erzielt wird, tendiert dazu, sich dem Brutto- oder Marktzinssatz anzugleichen. (Er entspricht ungefa¨hr dem reinen unternehmerischen Gewinn bzw. Verlust.) Da auf jedem Markt die Tendenz besteht, dass unternehmerische Gewinne und VerFriedrich August v. Hayek Institut

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luste als Ergebnis der Konkurrenz zwischen Unternehmer verschwinden, existiert folglich die Tendenz einer Angleichung der buchhalterischen Gewinne jeder produktiven Aktivita¨t in einer Periode an den Brutto-Marktzins. Deshalb ist es mo¨glich, dass ein Unternehmen, obwohl es buchhalterisch Gewinne aufzeigt, in Wirklichkeit unternehmerische Verluste einfa¨hrt, weil diese buchhalterischen Gewinne nicht den notwendigen Mindestwert der impliziten Komponente des Bruttomarktzinssatzes, der von den Kapitalgebern wa¨hrend des Gescha¨ftsjahres angewendet wird, u¨bersteigen. In einer modernen Volkswirtschaft findet die Anpassung zwischen gegenwa¨rtigem und zuku¨nftigem Verhalten durch die auf Ma¨rkten ausgeu¨bte unternehmerische Funktion statt. Auf diesen Ma¨rkten werden gegenwa¨rtige und zuku¨nftige Gu¨ter getauscht und es wird – als Marktpreis von gegenwa¨rtigen Gu¨tern in Abha¨ngigkeit von zuku¨nftigen Gu¨tern – der Zinssatz ermittelt. Je ho¨her damit das Sparen, je mehr gegenwa¨rtige Gu¨ter also unter sonst gleichen Bedingungen angeboten und verkauft werden, desto niedriger wird ihr in zuku¨nftigen Gu¨tern ausgedru¨ckter Preis, der Marktzinssatz sein. Dies wiederum zeigt den Unternehmern an, dass eine ho¨here Verfu¨gbarkeit gegenwa¨rtiger Gu¨ter besteht, die die Dauer und die Komplexita¨t des Produktionsprozesses erho¨ht, und der Prozess damit insgesamt produktiver gestaltet werden kann. Im umgekehrten Falle gilt: Je geringer die Ersparnis ist, d.h. unter sonst gleichen Bedingungen die Akteure weniger bereit sind, auf unmittelbaren Konsum gegenwa¨rtiger Gu¨ter zu verzichten, desto ho¨her wird der Marktzinssatz sein. Deshalb zeigt ein hoher Marktzinssatz an, dass die Ersparnis relativ knapp ist. Dies ist ein unverzichtbares Signal, welches die Unternehmer beachten mu¨ssen, damit die verschiedenen Etappen der Produktionsprozesse nicht ungebu¨hrend verla¨ngert werden und fu¨r eine nachhaltige, gesunde und harmonische Entwicklung der Gesellschaft gefa¨hrliche Ungleichgewichte und Diskordanz erzeugt werden. Zusammengefasst zeigt der Zinssatz den Unternehmern erstens, welche neuen Investitionsobjekte die Unternehmen beginnen sollten und welche nicht, und zweitens, wie das Verhalten zwischen Sparern, Konsumenten und Investoren – nach menschlichem Ermessen – so koordiniert werden kann, dass sich die verschiedenen Produktionsstufen nicht u¨ber das rechte Maß hinaus verla¨ngern oder verku¨rzen. Der Zinssatz als Marktpreis oder soziale Zeitpra¨ferenzrate spielt somit eine entscheidende Rolle bei der Koordinierung des Verhaltens von Sparern, Konsumenten und Produzenten einer modernen Volkswirtschaft; und es ist genau die von Ludwig von Mises und von Friedrich August von Hayek entwickelte Konjunkturtheorie, die erstens die Effekte, die durch eine Manipulation der Zinssa¨tze durch die Zentralbanken auf die Koordination des Verhaltens der o¨konomischen Akteure entstehen, aufzeigt, und die zweitens die damit einhergehende schwere Ver-

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zerrung der Produktionsstruktur, und die folgende schmerzhafte Anpassung dieser Produktionsstruktur in Form einer Rezession analysiert.

4.5. Bo¨hm-Bawerk versus Marshall Trotz der schon erwa¨hnten voru¨bergehenden Allianz zwischen Theoretikern der Österreichischen Schule und Vertretern der neoklassischen Schule wa¨hrend des Methodenstreits, fanden Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts weitere Kontroversen zwischen den Österreichern und den Neoklassikern statt, in denen Bo¨hm-Bawerk die herausragende Rolle spielte. Die erste dieser Kontroversen lieferte sich Bo¨hm-Bawerk mit Alfred Marshall. Bo¨hm-Bawerk warf Marshall vor, dass er durch die Rehabilitation des von Ricardo stammenden Objektivismus – zumindest was die Angebotsseite betrifft – bei der Bestimmung der Preise mittels Angebots- und Nachfragefunktionen die vollsta¨ndige Akzeptanz der von Menger initiierten subjektiven Revolution in der angelsa¨chsischen Welt verhindert habe. Marshall hatte die beru¨hmte Scheren-Metapher gepra¨gt, bei der die beiden Scherenbla¨tter Angebot und Nachfrage darstellen, welche gemeinsam den Preis (das Gleichgewicht) auf dem Markt bestimmen. Wa¨hrend man annahm, dass die Bestimmung der Nachfrage hauptsa¨chlich auf subjektiven Nutzenerwa¨gungen beruhe, wird die Angebotsseite laut Marshall von objektiven Bestimmungsgru¨nden, den historischen Kosten der Produktion (d.h.„gegebenen“ und bekannten Kosten) bestimmt. Bo¨hm-Bawerk lehnte die Lehre von Marshall heftigst ab. Denn in letzter Instanz – so Bo¨hn-Bawerk – verkenne Marshall, dass auch die Kosten subjektiv sind, d.h. die Kosten eine subjektive Wertscha¨tzung der Ziele, auf die man bei einer Handlung verzichtet, beinhalten. Außerdem stellten die moneta¨ren Kosten nichts anderes als die Marktpreise der Produktionsfaktoren dar, die in letzter Instanz durch den Nutzen der alternativen Konsumgu¨ter, die mit diesen Produktionsfaktoren produziert werden ko¨nnen, bestimmt werden. Folglich haben beide Scherenha¨lften (Angebot und Nachfrage), und anders als von Marshall unterstellt, ihren Ursprung in einer subjektiven Nutzenwertscha¨tzung (Bo¨hmBawerk, 1959 c, 97-115 und Bo¨hm-Bawerk, 1962 a, 303-370)

4.6. Bo¨hm-Bawerk contra Marx Von großer Bedeutung ist auch die im 1. Band von Kapital und Kapitalzins von Bo¨hm-Bawerk geu¨bte vernichtende Kritik an der marxistischen Ausbeutungsoder Mehrwerttheorie (Bo¨hm-Bawerk 1959 a, 241-321). Laut Bo¨hm-Bawerk ist die von Marx vertretene Auffassung, alle o¨konomischen Gu¨ter seien Produkt des Faktors Arbeit, nicht haltbar. Es gebe einerseits knappe Naturgu¨ter, die dem Menschen dazu dienen, seine Ziele zu erreichen. Diese Gu¨ter besitzen deshalb die Eigenschaft o¨konomischer Gu¨ter, obwohl sie keinerlei Friedrich August v. Hayek Institut

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menschliche Arbeit beinhalten. Andererseits sei es offensichtlich, dass zwei Gu¨ter, fu¨r die dieselbe Menge Arbeit aufgewendet wird, am Markt einen unterschiedlichen Wert haben ko¨nnen, weil die Zeitperiode, die beno¨tigt wird, um sie zu produzieren, unterschiedlich lang ist. Als zweites Argument fu¨hrt Bo¨hm-Bawerk gegen die Marxsche Theorie an, dass der Wert der Gu¨ter etwas Subjektives ist. Denn der Wert einer Sache ergibt sich, wie bereits gezeigt wurde, aus der Beurteilung des handelnden Akteurs u¨ber die Wichtigkeit der Mittel hinsichtlich des Erreichens bestimmter Ziele. Deshalb ko¨nnen Gu¨ter, die eine große Menge Arbeit beinhalten, einen geringen, oder u¨berhaupt keinen Marktwert haben, wenn sich der Akteur a posteriori gewahr wird, dass ihm diese bei der Erreichung eines bestimmten Zieles nicht nu¨tzen. Drittens widerspra¨chen sich die Theoretiker des Arbeitswertes und verfielen in ein Zirkelargument: Wenn die Arbeit den Gu¨terwert bestimmt, der Arbeitswert aber wiederum durch die fu¨r die Reproduktion und die Erhaltung der Produktionskapazita¨t des Arbeiters notwendigen Gu¨ter bestimmt wird, so bewegt sich die Argumentation im Kreis ohne zu erkla¨ren, was in letzter Instanz den Wert bestimmt. Schließlich kritisiert Bo¨hm-Bawerk die Verteidiger der Ausbeutungstheorie bezu¨glich ihrer offenkundigen Unkenntnis (des Gesetzes) der Zeitpra¨ferenzrate und damit bezu¨glich ihrer Unkenntnis einer logischen Kategorie, innerhalb derer, bei sonst gleichen Bedingungen, gegenwa¨rtige Gu¨ter immer einen ho¨heren Wert haben als zuku¨nftige Gu¨ter. Als Folge ihrer Ignoranz des Gesetzes der Zeitpra¨ferenzrate beabsichtigen die Verteidiger der Ausbeutungstheorie dem Arbeiter mehr zu bezahlen als er wirklich produziert: Dem Arbeiter wird schon jetzt der vollsta¨ndige Wert eines Gutes ausbezahlt, das aber erst nach einem mehr oder weniger langem Zeitraum fertig gestellt sein wird. Folglich gibt es nur zwei Mo¨glichkeiten: Entweder entscheiden sich die Arbeiter dafu¨r das Ende des Produktionsprozesses abzuwarten und bekommen dafu¨r den vollsta¨ndigen Wert des Endproduktes (dies ist der Fall bei Genossenschaften) oder sie stehen in einem Arbeitsvertrag und beziehen im voraus den durch den Zinssatz bestimmten abdiskontierten Wert des Endprodukts als Lohn. Es entbehrt jedoch jedweder Berechtigung, zu versuchen, einem Arbeiter heute den vollsta¨ndigen Wert eines in einem fernen Morgen fertig gestellten Produkts auszubezahlen, da man damit dem Arbeiter einen viel ho¨heren Wert als er tatsa¨chlich produziert hat, bezahlen wu¨rde. Als Antwort auf den 3. Band von „Das Kapital“ publizierte Bo¨hm-Bawerk außerdem im Jahre 1896 Zum Abschluss des Marxschen Systems. Darin zeigt er die logischen Inkonsistenzen und Widerspru¨che von Marx bei dem Versuch auf, die Fehler seiner urspru¨nglich im 1. Band von „Das Kapital“ entwickelten Ausbeutungstheorie zu berichtigen. (Bo¨hm-Bawerk, 1924, 321-435, bzw. Bo¨hm-Bawerk, 1962 b, 201-302).

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4.7. Bo¨hm-Bawerk contra John Bates Clark Die neoklassische Schule folgte in ihrer Betrachtungsweise des Produktivsystems einer der subjektiven Revolution vorangegangenen Tradition. Gema¨ß dieser Tradition produzieren verschiedene Produktionsfaktoren auf horizontale und homogene Weise Konsumgu¨ter und Dienstleistungen, ohne dass dabei – wie es typischerweise bei den Vertretern der Theoretiker der Österreichischen Schule geschieht – die Stellung dieser Produktionsfaktoren innerhalb einer abgestuften Produktionsstruktur tempora¨rer Art beru¨cksichtigt wird. Dieser statische Rahmen wurde von John Bates Clark (1847-1938), Professor fu¨r Ökonomie an der Columbia University of New York, wieder aufgenommen und bis zu seiner letzten Konsequenz weiterentwickelt. Sein dem subjektiven Versta¨ndnis der Kapital- und Zinstheorie entgegengesetzter Ansatz ist bis heute das Fundament, auf das sich das neoklassisch-monetaristische Theorie-Geba¨ude stu¨tzt. Fu¨r Clark sind Produktion und Konsum simultane Pha¨nomene. Es bestehen weder Produktionsstufen noch die Notwendigkeit zu warten, um die entsprechenden Ergebnisse des Produktionsprozesses zu erhalten. Clark betrachtet Kapital quasi als einen permanenten Fonds, der „automatisch“ in Form von Zinsen Ertra¨ge abwirft. Je gro¨ßer dieser Fonds ist, desto niedriger ist der Zins, ohne dass dieser auch in irgendeiner Weise von der Zeitpra¨ferenzrate beeinflusst ist. (Clark, 1893, 302-315; 1895, 257-278; 1907, 351-370). Das F.A. von Hayek gewidmete 6. Kapitel wird zeigen, dass auch Frank H. Knight, Stigler, Friedman und andere Theoretiker der Chicago-School in den Fußstapfen der Clark´schen Konzeption des Kapitals wandern. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die Konzeption des Produktionsprozesses Clarks’ die Umsetzung des Walras’schen allgemeinen Gleichgewichts-Modells auf das Gebiet der Kapitaltheorie ist. Walras entwickelte ein Modell einer Ökonomie im allgemeinen Gleichgewicht, welche durch ein simultanes Gleichungssystem beschrieben wird, und das versucht, die Preisbildung verschiedener Gu¨ter und Dienstleistungen auf den einzelnen Ma¨rkten zu erkla¨ren.Vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus betrachtet, besteht der prinzipielle Mangel des Walrasianischen Modells darin, in einem simultanen Gleichungssmodell Gro¨ßen (Variablen und Parameter) miteinander in Beziehung zu setzen, die nicht in einer simultanen Beziehung zueinander stehen, sondern in einer zeitlichen Abfolge, d.h. sequenziell, gema¨ß des Gangs des von Agenten des o¨konomischen Systems angetriebenen Produktionsprozesses. Zusammenfassend gesagt, ist das Walrasianische allgemeine Gleichgewichts-Modell ein strikt statisches Modell, das vom tempora¨ren Standpunkt aus betrachtet heterogene Gro¨ßen miteinander in Beziehung setzt und nicht den Ablauf der Zeit beru¨cksichtigt, sondern in einer synchronen Form gegenseitige Abha¨ngigkeiten von verschiedenen Variablen und Parameter beschreibt, die in dieser simultanen Form im realen Leben niemals vorkommen. Friedrich August v. Hayek Institut

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Es ist logisch, dass im Rahmen einer Konzeption der Ökonomie, in der sowohl die Zeitdimension als auch der sequenzielle Ablauf der Markprozesse durch Abwesenheit gla¨nzen, es unmo¨glich ist, die realen o¨konomischen Prozesse zu erkla¨ren. Es u¨berrascht dennoch, wie die von Clark verteidigte Theorie dennoch allgemein und bis in unsere Tage so tiefe Wurzeln in der Wirtschaftswissenschaft schlagen konnte und Bestandteil der meisten einfu¨hrenden Lehrbu¨cher fu¨r Studenten ist. In fast allen dieser Lehrbu¨cher wird damit begonnen, das so genannte „Kreislaufmodell“ zu erkla¨ren. In diesem Modell wird die Interdependenz zwischen Produktion, Konsum und des Tauschs der verschiedenen o¨konomischen Agenten (Haushalte, Unternehmen etc.) beschrieben, ohne im Mindesten die Rolle der Zeit im Verlauf der o¨konomischen Geschehnisse zu beru¨cksichtigen. Innerhalb dieses Modellrahmens unterstellt man folglich, dass alles gleichzeitig geschieht. Man „vereinfacht“ fa¨lschlicherweise und ohne Fundament. Außer der Tatsache, dass damit verhindert wird, Antworten auf relevante Fragen zu finden, bildet dieser Modellrahmen ein kaum zu u¨berwindendes Hindernis fu¨r Studenten der Wirtschaftswissenschaften, die genannten Fragen zu stellen, geschweige denn eine Antwort auf sie zu finden. Die Reaktion Bo¨hm-Bawerks auf die objektivistische Position von Clark und seiner Schule ließ nicht lange auf sich warten. Bo¨hm-Bawerk bezeichnete das Kapitalkonzept Clarks als mystisch oder mythologisch. Er wies darauf hin, dass jeder Produktionsprozess nicht als Folge der Beteiligung eines mysterio¨sen homogenen Fonds zu Stande kommt, sondern als Resultat einer Zusammenarbeit von konkreten Kapitalgu¨tern, die vorher immer in einem Zeitraum mit einschließenden Produktionsprozess von Unternehmern geplant, produziert, ausgewa¨hlt und kombiniert wurden. Bo¨hm-Bawerk bema¨ngelte zudem, dass fu¨r Clark Kapital eine Art „value jelly“ oder fiktives Konzept sei. Er ahnte bereits fru¨h, dass der Gebrauch dieses Konzepts schlimme Folgen fu¨r die weitere Entwicklung der o¨konomischen Theorie haben wu¨rde. Mit großem Weitblick wies er darauf hin, wie die Dominanz einer statischen und zirkula¨ren Vision im Clarkschen Sinne unweigerlich zum erneuten Auftreten von Unterkonsumtionstheorien fu¨hren musste, wie dies in der Tat mit dem Aufkommen von John Maynard Keynes und seiner Schule wenige Jahrzehnte spa¨ter auch der Fall sein sollte (Bo¨hm-Bawerk, 1895, 113-131). Bo¨hm-Bawerk hielt Theorien, wie jene von Clark, die den Zins mit der Grenzproduktivita¨t des Kapitals begru¨nden, fu¨r verfehlt. Bo¨hm-Bawerk zu Folge kann damit unter anderem nicht erkla¨rt werden, warum die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Unternehmern nicht dazu fu¨hrt, dass der Gegenwartswert der Kapitalgu¨ter auf dem Markt dazu tendiert, identisch zu sein mit dem Wert des erwarteten Produkts, womit keine Wertdifferenz zwischen Kosten und Produkt im Verlaufe des Produktionsprozesses bestu¨nde. Bo¨hm-Bawerk zeigte zudem, dass

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die auf der Grenzproduktivita¨t des Kapitals basierenden Theorien nichts anderes als Überreste eines objektivistischen Wertkonzepts sind, in dem der Wert durch die historischen Kosten der verschiedenen Gu¨ter und Dienstleistungen bestimmt wird. Jedoch wissen wir spa¨testens seit Luis Saravia de la Calle, dass die Kosten durch die Preise bestimmt werden, und nicht umgekehrt. Das bedeutet aber, dass die Kosten in Kauf genommen werden, weil die o¨konomischen Agenten davon ausgehen, dass der Wert der Konsumgu¨ter ho¨her ist als diese Kosten. Das gleiche geschieht bezu¨glich der Grenzproduktivita¨t jedes Kapitalguts, die in letzter Instanz durch den zuku¨nftigen Wert der Gu¨ter und Dienstleistungen, die mit Hilfe dieser Grenzproduktivita¨t produziert werden, und die abdiskontiert den aktuellen Marktwert des in Frage stehenden Kapitalguts ergeben (der nichts zu tun hat mit seinen Produktionskosten), bestimmt werden. Aus diesem Grunde muss der Zins hinsichtlich der Kapitalgu¨ter eine eigene Entstehung und Existenz haben, die – wie bereits gesagt wurde – in der subjektiven Wertscha¨tzung der Zeitpra¨ferenzrate des Menschen wurzelt. Es ist darum leicht zu verstehen, warum die Theoretiker der Clark-Knight-Schule dem Fehler verfielen anzunehmen, dass der Zins durch die Grenzproduktivita¨t des Kapitals bestimmt wird. Denn fu¨r sie entsprachen sich Zins und Grenzproduktivita¨t, wenn folgende Bedingungen erfu¨llt sind: erstens, ein Umfeld mit perfekten Gleichgewicht, in dem keine Vera¨nderungen stattfinden; zweitens, eine Kapitalkonzeption, bei der sich Kapital aus einem quasi mythischen Fonds bildet, der sich wie von selbst reproduziert, ohne dass der Unternehmer dabei Entscheidungen hinsichtlich der Amortisierung treffen muss; und drittens, ein Versta¨ndnis der Produktion als augenblicklicher Prozess, in dem Zeit keine Rolle spielt. Sind diese drei – sowohl absurden als auch weit von der Realita¨t entfernten – Bedingungen gegeben, entspricht die Grenzproduktivita¨t des Kapitals dem Zins. Es la¨sst sich damit erkla¨ren, dass die Theoretiker, denen ein synchrones und zeitunabha¨ngiges Kapitalkonzept eingeimpft worden war, sich von der mathematischen Gleichheit von Kapitaleinkommen und Zins, welches unter diesen irrealen Bedingungen gegeben ist, ta¨uschen ließen, und mit ihrer Behauptung, dass es die Produktivita¨t ist, welche den Zins bestimmt, und nicht umgekehrt, wie die Österreicher meinen, einen unstatthaften o¨konomischen Sprung vollzogen. Denn fu¨r die Österreichische Schule bestimmt die ho¨here oder niedrigere Grenzproduktivita¨t (d.h. der Wert der zuku¨nftigen Ertragsstro¨me) lediglich den Marktpreis des Kapitalguts. Der Marktpreis tendiert dazu, sich u¨ber den Zinssatz dem (abdiskontierten) Gegenwartswert der erwarteten Ertra¨ge anzugleichen. Parallel dazu fu¨hrt ein Anstieg (Sinken) des Zinses (der durch die Zeitpra¨ferenzrate bestimmt wird) u¨ber eine Abdiskontierung der zuku¨nftigen erwarteten Ertragsstro¨me zu einem Sinken (Anstieg) des aktuellen Werts (Marktpreis) des Kapitalguts (unabha¨ngig von seinen historischen Kosten) und zwar bis auf jenes Friedrich August v. Hayek Institut

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Niveau, das dem Zinssatz (und der notwendigen Abschreibungsrate) entspricht (Bo¨hm-Bawerk, 1959 a, 73-121); Mises, 1996, 524-527). Wa¨hrend Bo¨hm-Bawerk gegenu¨ber den Historizisten ihren Hyperrealismus anprangerte, verurteilte er gegenu¨ber Clark und seinen Anha¨nger deren fehlenden Realita¨tsbezug in ihrem statischen Kapitalkonzept. Denn jeder Produktionsprozess schließt Zeit mit ein, und bevor er sein Ziel erreicht hat, ist es notwendig, eine Reihe von Stufen durchlaufen zu haben. Diese Stufen bestehen aus verschiedenen heterogenen Kapitalgu¨tern, die sich in keinem Fall selbst und automatisch reproduzieren. Vielmehr sind sie Ergebnis konkreten unternehmerischen Handelns und Entscheidungen. Werden diese Entscheidungen nicht getroffen, kann dies Kapitalkonsum und damit sogar eine Vernichtung der bestehenden Kapitalgu¨ter zur Folge haben. Hinzu kommt, dass der Preis der Kapitalgu¨ter nicht von seinen historischen Kosten bestimmt wird, sondern durch die abdiskontierte erwartete zuku¨nftige Produktivita¨t der Kapitalgu¨ter. Es ist somit die Produktivita¨t, die stets dem Zins, der wiederum durch die Zeitpra¨ferenzrate bestimmt wird, folgt, und nicht umgekehrt. Ökonomen der neoklassischen Schule glauben, dass sich der Zinssatz simultan im Gleichgewicht durch Kapitalangebot und -nachfrage bildet. Das Angebot wird durch subjektive Bestimmungsgru¨nde, a¨hnlich der Zeitpra¨ferenzrate, bestimmt, wa¨hrend die Unternehmer Kapital als eine Funktion der Grenzproduktivita¨t des Kapitals nachfragen (d.h. in erster Linie aufgrund von objektiven Überlegungen). Dieser Ansatz, der dem von Marshall in seiner Erkla¨rung der Bestimmung der Marktpreise sehr a¨hnlich ist, wird von Bo¨hm-Bawerk und den Österreichern abgelehnt. Stattdessen stellen sie heraus, wie die Unternehmer (Kapital-)Fonds nachfragen und als reine Intermedia¨re von Arbeitern und Eigentu¨mern der Produktionsfaktoren wirken: Arbeiter und Eigentu¨mer der Produktionsfaktoren fragen mit ihren Lo¨hnen und Faktoreinkommen gegenwa¨rtige Gu¨tern (Konsumgu¨ter) nach und u¨bertragen dafu¨r an die Unternehmer das Eigentum des – evtl. ho¨heren – Wertes der zuku¨nftigen Gu¨ter, die allerdings erst verfu¨gbar sind, wenn der Produktionsprozess abgeschlossen ist. Fu¨r die Ökonomen der Österreichischen Schule werden beide Seiten des Kapitalmarktes, sowohl das Kapitalgu¨terangebot als auch die Kapitalgu¨ternachfrage, von subjektiven Erwa¨gungen in Gestalt der Zeitpra¨ferenzrate bestimmt. Diese Argumentation im Bereich der Bestimmung des Zinssatzes ist Bo¨hm-Bawerks Kritik an Marshall sehr a¨hnlich, da Marshall zumindest auf der Angebotsseite des Preisbildungsprozesses versuchte, die veraltete objektivistische und ricardianische Konzeption aufrechtzuerhalten.

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4.8. Wieser und das Konzept der Opportunita¨tskosten Ein weiterer Theoretiker der Österreichischen Schule ist Friedrich von Wieser (1851-1926), Schwager von Bo¨hm-Bawerk und ebenfalls ordentlicher Professor. Er lehrte zuna¨chst in Prag und spa¨ter in Wien. Obwohl wir Wieser einige interessante Beitra¨ge verdanken, innerhalb derer die Entwicklung der subjektiven Konzepts der Kosten im Sinne Mengers und den Begriff des „Grenznutzens“, den er zum ersten Mal benutzte, haben neuere Forschungsstudien herausgearbeitet, dass Wieser eher ein von der Lusanner, als von der Österreichischen Schule beeinflusster Ökonom war. Mises ging sogar soweit, in seinen Erinnerungen u¨ber Wieser zu schreiben:„Er hat die Lehre in mancher Hinsicht bereichert, doch er war kein scho¨pferischer Denker und hat im ganzen mehr geschadet als genu¨tzt. Er hat den Kern des Subjektivismus nie wirklich erfasst, und daraus entsprangen viele verha¨ngnisvolle Missgriffe. Seine Zurechnungstheorie ist unhaltbar. Seine Wertrechnungsideen berechtigen zur Behauptung, dass er gar nicht der Österreichischen Schule zuzuweisen war, sondern eher der Lausanner, die in Österreich in Rudolf Auspitz und Richard Lieben zwei gla¨nzende Vertreter gefunden hat“ (Mises, 1978, 21).

4.9. Der Triumph des Gleichgewichts-Modells und des Positivismus Aus historischer Sicht ist es interessant festzustellen, dass bis in die 30er Jahre hinein das Gleichgewichts-Modell von Ökonomen eher als intellektuelles Hilfswerkzeug verwendet wurde, welches bei der theoretischen Abbildung der realen Marktprozesse helfen sollte. Jedoch vollzog sich wa¨hrend dieses Jahrzehnts ein Paradigmenwechsel: Das intellektuelle Hilfswerkzeug verwandelte sich in das fu¨r die meisten Ökonomen in das exklusive und einzig relevante Forschungsobjekt. Fu¨r die neoklassische Schule wurde es gar zum Forschungsschwerpunkt, wa¨hrend das Interesse fu¨r Theorien, die dynamische Marktprozesse untersuchen, rapide zuru¨ckging. Die Ökonomen der Österreichischen Schule wurden zunehmend – ohne sich der einschneidenden Vera¨nderungen innerhalb des Mainstreams in den Wirtschaftswissenschaften bewusst zu werden – mit ihrem Forschungsprogramm isoliert. So formulieret z. B. Hicks einmal, dass die Österreicher in Wirklichkeit keine „eigenartige Sekte“, sondern vor den 30er Jahren der Mainstream waren und sich die anderen (d.h. die beginnende Neoklassik und ihre Verteidiger des Gleichgewichts) außerhalb der Hauptstro¨mung der Wirtschaftswissenschaft bewegten. (Hicks, 1973, 12). Fest steht jedenfalls, dass u¨ber mehrere Jahre hinweg eine latente Spannung hinsichtlich der Frage herrschte, ob das Konzept des Gleichgewichts als Hilfswerkzeug oder als Hauptforschungsgegenstand betrachtet werden soll. Illustrativ ist in diesem Zusammenhang der Fall von Pareto, der bereits 1906 dem Friedrich August v. Hayek Institut

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Gleichgewicht einen reinen Hilfscharakter zuerkannte. Er schrieb:„Die Lo¨sung des Systems von Simultangleichungen, welches das Gleichgewicht beschreibt, befindet sich jenseits der Kapazita¨t der Gleichgewichtsanalyse und wu¨rde einen Rollenwechsel erfordern, weil die Mathematik nicht der politischen Ökonomie helfen kann, sondern umgekehrt, es die politische Ökonomie sein wird, welche der Mathematik hilft. In anderen Worten, selbst wenn alle Gleichungen in Wirklichkeit bekannt wa¨ren, das einzige Verfahren sie zu lo¨sen, wa¨re die reale Beobachtung dessen, was der Markt schon erbracht hat (Pareto, 1906, Epigraph 57). Gleichzeitig jedoch kommentiert Pareto in demselben Buch (Pareto, 1906, Epigraph 57) das Indiffenzkurvenkonzept, das zuvor von Edgeworth in die Wirtschaftswissenschaft eingefu¨hrt worden ist. Pareto folgert, dass fu¨r die Bestimmung des o¨konomischen Gleichgewichts, der reale Marktprozess und einschließlich „der Mensch verschwinden kann und uns als Spur ein Foto seiner Geschma¨cker mit der entsprechenden Karte der Indifferenzkurven hinterla¨sst.“ Diese Spannung, oder besser gesagt, dieser Widerspruch zwischen Realismus und Gleichgewichts-Modell zeigt sich noch dramatischer, wenn man das Gesamtwerk Paretos betrachtet, der bekanntermaßen nicht nur ein Gleichgewichtstheoretiker war, sondern auch ein beachtlicher Soziologe und Begru¨nder einer soziologischen Schule innerhalb der italienischen Finanzwissenschaft. In dieser Entwicklung des o¨konomischen Denkens spielte der Siegeszug des Panphysikalismus und des methodologischen Monismus´, wie er von Schlick, Mach und anderen Positivisten des so genannten „Wiener Kreises“ vertreten wurde, eine wichtige Rolle. Sie forderten, die Anwendung der physikalischen Methode mit ihren konstanten funktionalen Beziehungen und Laborversuchen auf alle Gebiete der Wissenschaft, einschließlich der Ökonomie, anzuwenden. Dieses methodologische Ziel, welches Walras nach der Lektu¨re des Traktats des Physikers Poinsot explizit verfochten hatte, wurde auch von Schumpeter vollsta¨ndig und ohne Abstufung in seinem bereits 1908 erschienen Buch Vom Wesen und Hauptinhalt der Wirtschaftswissenschaften verfolgt (Schumpeter, 1970). Wieser, der zumindest was die Methodologie betraf, den Standpunkt der Österreichischen Schule verteidigte, schrieb eine a¨ußerst kritische Rezension zu Schumpeters Panphysikalismus (Wieser, 1911). Konkret kritisierte Wieser Schumpeter dafu¨r, dass dieser dem methodologischen Instrumentalismus verfiel (der spa¨ter von Milton Friedman und den Positivisten der Chicago School u¨bernommen wurde), der versuchte, die der Ökonomik fremden Methoden der Physik und der Mechanik auf die Wirtschaftswissenschaften anzuwenden – ein Laster, das Hayek spa¨ter als Szientismus bezeichnen sollte. Dieses Laster ist ganz besonders deutlich im Falle von Walras, der die Abhandlung des Physikers Louis Poinsot geradezu verschlungen hatte, in der die verschiedenen Teile eines physikalischen, in sich verbundenenen Systems beschrieben werden, das sich durch den Einfluss der Gegenkra¨fte im Gleichgewicht ha¨lt. Walras erza¨hlt, dass er das Buch in wenigen Tagen las und daraufhin beschloss, es als Modell fu¨r sein Forschungspro-

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gramm zu wa¨hlen. Sein Ziel bestand fortan darin, dasselbe fu¨r die Ökonomie zu machen, was Poinsot fu¨r die Welt der Physik und der Mechanik geleistet hatte (Mirowski, 1991). Es erstaunt daher nicht, dass der von der Forschung eingeschlagene Weg sich fu¨r die Österreichische Schule als sehr scha¨dlich herausstellte, weil sie um eine Theorie rang, welche die realen, dynamischen, auf Ma¨rkten stattfindenden und sich niemals im Gleichgewicht befindenden Prozesse untersuchte. Wieser schreibt es den Panphysikalisten zu, nicht anzuerkennen, dass die o¨konomischen theoretischen Gesetze zwangsla¨ufig genetisch-kausal und nicht funktional sein mu¨ssen, weil man die Ursache der Pha¨nomene durch Introspektion erkennt und die funktionalen Beziehungen simultan ablaufen. Zudem wu¨rden weder das Pha¨nomen Zeit noch die unternehmerische Kreativita¨t beru¨cksichtigt, und vom temporalen Standpunkt aus betrachtet heterogene Gro¨ßen zueinander in Beziehung gesetzt. Trotzdem musste noch bis zu den Beitra¨gen von Mises und Hayek gewartet werden, bis sich die Theoretiker der Österreichischen Schule vollends bewusst wurden, welch methodologischer Abgrund sie von ihren Kollegen der neoklassischen Schule trennte. Mit dazu bei trugen zwei wichtige Polemiken, in die sich die Österreicher verwickelt sahen: erstens, die Auseinandersetzung u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus, und zweitens, die Polemik zwischen Hayek und Keynes. In den folgenden Kapiteln werden wir im Einzelnen Gelegenheit finden, die wichtigsten Betra¨ge von Mises und Hayek, und die Bedeutung, welche diese Polemiken fu¨r die spa¨tere Entwicklung des Österreichischen Paradigmas hatten, zu untersuchen.

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5. Ludwig von Mises und das dynamische Konzept des Marktes 5.1. Einfu¨hrung In weit gro¨ßerem Maße als alle anderen Mitglieder der Österreichischen Schule war Ludwig von Mises auf eine intellektuell sehr anregende Weise fa¨hig, die Essenz des von Menger iniziierten Paradigmas, auf eine Reihe neuer Bereiche der Ökonomie anzuwenden, und so der Österreichischen Schule den definitiven Impuls im 20. Jahrhundert zu geben. In seinen posthum vero¨ffentlichten Erinnerungen schreibt er: „Das, was die o¨sterreichische Schule auszeichnet und ihren unverga¨nglichen Ruhm bilden wird, ist gerade, daß sie eine Lehre vom wirtschaftlichen Handeln und nicht eine Lehre vom wirtschaftlichen Gleichgewicht, vom Nichthandeln, ist.“ (Mises, 1978, 21). Durch die Anwendung des Subjektivismus konnte Mises zum ersten Male den Geldwert mit Hilfe des Grenznutzens erkla¨ren. Die o¨sterreichische Konjunkturtheorie, fu¨r die Hayek 1974 der Nobelpreis zugesprochen wurde und die Renaissance der Österreichischen Schule einla¨utete, stammt von ihm. Das gleiche gilt fu¨r die Theorie der unternehmerischen Funktion als koordinierenden Motor des Marktes, die spa¨ter von Israel Kirzner verfeinert wurde. Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts stellte Mises das Theorem u¨ber die Unmo¨glichkeit der Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen auf und sagte den Zusammenbruch des Sozialismus, wie er sich dann 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer auch tatsa¨chlich erreignete, zu einer sehr fru¨hen Zeitpunkt voraus. Schliesslich la¨uterte Mises die methodologischen Fundamente der Österreichischen Schule und stellte den auf dem Konzept des Gleichgewichts basierenden Ansa¨tzen eine alternative, dynamische Theorie gegenu¨ber. Nach einem kurzen biographischen Abriss werden die genannten Punkte besprochen.

5.2. Kurzer biographischer Abriss Ludwig Edler von Mises wurde am 29. September 1881 in Lemberg, das seinerzeit noch zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie geho¨rte, geboren. Heute heißt die Geburtsstadt von Mises Lvov und geho¨rt zur Ukraine. Der Vater von Ludwig besuchte die Polytechnische Hochschule von Zu¨rich und wurde ein bedeutender, auf den Eisenbahnbau spezialisierter Ingenieur. Ludwig war der a¨lteste von drei Bru¨dern, von denen einer als Kind verstarb. Der andere, Richard, ein bekannter Mathematiker und positivistischer Logiker, unterhielt mit Ludwig zeitlebens eine ku¨hle perso¨nliche Beziehung. Wie von Mises selbst bezeugt, wurde er zum Ökonom, nachdem er an Weihnachten des Jahres 1903 die Grundsa¨tze der Volkswirtschaftslehre von Carl Menger las (Mises, 1978, 33). Am 20. Februar 1906 erhielt er im Fach Jura die Doktorwu¨rde und nahm bis 1914 am Seminar teil, das Bo¨hm-Bawerk in der Wiener Universita¨t unterhielt. Mises galt bald – zusammen mit J.A. Schumpeter – als der brillanteste Friedrich August v. Hayek Institut

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Teilnehmer des Seminars. Allerdings betrachtete Mises Schumpeter als konfusen und frivolen Theoretiker. Seiner Meinung nach war Schumpeter sta¨ndig darauf bedacht zu verblu¨ffen und kehrte, indem er sich in den Netzen der neoklassischen Schule verfing, der Tradition der Österreichischen Schule den Ru¨cken zu. Im Jahr 1906 begann Mises mit seiner Ta¨tigkeit als Dozent. Zuerst lehrte er fu¨r sechs Jahre Ökonomie an der Wiener Handelsschule fu¨r Ma¨dchen. Ab 1913 war er fu¨r 20 Jahre Dozent (weil er als Jude keine Chance hatte, ordentlicher Professor zu werden) an der Universita¨t in Wien. 1934 wechselte er als Professor fu¨r Internationale Ökonomie an das Genfer Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs flu¨chtete er angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung von Genf aus in die Vereinigten Staaten, wo er die amerikanische Staatsbu¨rgerschaft erhielt und zum Professor an der New Yorker Universita¨t ernannt wurde. Diese Stelle hielt er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1969 inne. Von 1920 bis 1934 organisierte und leitete Mises das beru¨hmte Privatseminar in seinem Bu¨ro in der Wiener Handelskammer, in der er Leiter und Generalsekreta¨r der Wirtschaftsabteilung war und einen großen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik seines Landes ausu¨bte. In den Versammlungen des Privatseminars, die jeden Freitagnachmittag stattfanden, nahmen nicht nur seine Schu¨ler, die unter Mises ihre Doktorarbeit schrieben, teil, sondern auch hoch angesehene Ökonomen aus der ganzen Welt. Unter den regelma¨ßigen deutschsprachigen SeminarTeilnehmern sind Friedrich A. von Hayek, Fritz Machlup, Gottfried von Haberler, Oskar Morgenstern, Paul L.M. Rosenstein-Rodan, Felix Kaufmann, Alfred Schu¨tz, Richard von Strigl, Karl Menger (Mathematiker und Sohn des Begru¨nders der Österreichischen Schule, Carl Menger) und Erich Voegelin zu nennen. Aus England und den Vereinigten Staaten nahmen u. a. Lionell Robbins, Hugh Gaitskell, Ragnar Nurske und Albert G. Hart teil. Spa¨ter, als Mises bereits in den Vereinigten Staaten war, setzte er sein Seminar zwischen 1948 und 1969 jeden Donnerstagnachmittag an der New Yorker Universita¨t fort. Unter den vielza¨hligen Teilnehmern dieser zweiten Etappe ragen die spa¨teren Professoren Murray N. Rothbard und Israel M. Kirzner hervor. Ludwig von Mises wurde die Ehrendoktorwu¨rde honoris causa der University of New York und – als Hayek dort lehrte – der Albert-Ludwigs-Universita¨t Freiburg im Breisgau zuteil. Er erhielt außerdem 1962 die Ehrenmedaille fu¨r Wissenschaften und Ku¨nste der Österreichischen Republik und wurde 1969 zum Distinguished Fellow der American Economic Association ernannt. Mises starb am 10. Oktober 1973 in New York (genau ein Jahr bevor sein bester Schu¨ler F. A. von Hayek den Nobelpreis fu¨r seine Beitra¨ge zur Wirtschaftswissenschaft erhalten sollte), nachdem er 22 Bu¨cher und Hunderte von Artikeln zu o¨konomischen Themen publiziert hatte, die von Bettina Bien Graves und Robert McGee in zwei

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umfangreichen Ba¨nden katalogisiert und kommentiert worden sind (Bien Greaves und McGee, 1993,1995). Mises hatte das große Glu¨ck ein fast sieben Jahrzehnte wa¨hrendes akademisches Leben entfalten zu ko¨nnen und zu Lebzeiten als weltweit bekannter Ökonom anerkannt zu werden (Rothbard, 1973). Bereits 1944 bezeichnete ihn Henry C. Simons „the greatest living teacher of all times“ (Simons, 1944, 192-193). Milton Friedman, seinerseits positivistischer Ökonom der Chicago-School, und nicht verda¨chtig Sympathien fu¨r die theoretischen Positionen von Mises zu hegen, bezeichnete ihn kurz nach seinem Tode im Jahre 1973 als „one of the great economists of all times“ (Friedman, 1974, 16). Ein anderer Nobelpreistra¨ger, Maurice Allais, schrieb, dass Mises „un homme d´une intelligence exceptionnelle dont les contributions a la science e´conomique ont e´te´ de tout premier ordre“ (d.h.„ein Mann von außerordentlicher Intelligenz war, dessen Beitra¨ge zur Wirtschaftswissenschaften allesamt von erster Ordnung sind“) (Allais, 1989, 307). Schließlich erinnert sich Robbins in seiner Autobiographie an Mises und folgert: „ I fail to comprehend how anyone not blinded by political prejudice can read his main contributions and the magisterial general treatise Human Action, without experiencing at once a sense of rare quality and intellectual stimulus of a high order” (Robbins, 1971, 108).

5.3. Theorie des Geldes, des Kredits und der Konjunkturzyklen Schon zu Beginn seiner akademischen Laufbahn, als Mises am Seminar von Bo¨hm-Bawerk teilnahm, war er sich der Notwendigkeit bewusst, einerseits die von Menger stammende subjektivistische Konzeption auf die Bereiche des Geldes und des Kredits anzuwenden, und andererseits, die Effekte der Geld- und Kreditmanipulation auf die von Bo¨hm-Bawerk entworfene Kapitalgu¨terstruktur zu analysieren. Als Antwort darauf vero¨ffentlichte Mises 1912 im Alter von gerade einmal 31 Jahren sein Werk Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, das bald darauf das geldtheoretische Standardwerk auf dem ganzen europa¨ischen Kontinent wurde. Dieser erste Beitrag von Mises auf dem Feld der moneta¨ren Analyse war ein großer Schritt nach vorne: Der Subjektivismus und die dynamische Konzeption der Österreichischen Schule wurden auf das Gebiet der Geldtheorie angewendet, wobei der Geldwert auf der Basis der Theorie des Grenznutzens erkla¨rt wurde. Damit lo¨ste Mises zum ersten Mal das scheinbar unlo¨sbare Zirkelproblem, von dem man glaubte, es bestu¨nde bezu¨glich der Anwendung der Theorie des Grenznutzens auf das Geld. Zusammengefasst lautet das Zirkel-Problem wie folgt: Der Preis oder die Kaufkraft des Geldes wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Wirtschaftssubjekte ihrerseits fragen Geld nicht gema¨ß dem direkten Nutzen nach, das ihnen Geld stiftet, sondern in Abha¨ngigkeit von seiner Kaufkraft. Mises lo¨ste diese offenbare Zirkel-Argumentation mit seinem Geld-Regressionstheorem (Mises, 1996, 408-417). Diesem Theorem zu Folge, wird die GeldnachFriedrich August v. Hayek Institut

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frage nicht von der heutigen Kaufkraft bestimmt (was in der Tat zum erwa¨hnten Zirkelargument fu¨hren wu¨rde), sondern von den Kenntnissen des Akteurs aufgrund seiner Erfahrungen u¨ber die Kaufkraft des Geldes von gestern. Die Kaufkraft gestern wird seinerseits durch eine Geldnachfrage, die sich aufgrund des Kenntnisstands der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich der Kaufkraft des Geldes von vorgestern bildet, bestimmt. Diesen Gedankengang kann man bis zu dem historischen Punkt weiterfu¨hren, an dem zum ersten Male eine bestimmte Ware (Gold oder Silber) als Tauschmittel nachgefragt wurde. Das Regressionstheorem des Geldes ist folglich nichts anderes als eine zeitliche Anwendung der Theorie von Menger u¨ber das evolutiona¨re Aufkommen der Wa¨hrungseinheit. Wie bereits erwa¨hnt, wurde die Theorie des Geldes und der Umlaufmittel zum geldtheoretischen Standardwerk an allen wichtigen Universita¨ten auf dem europa¨ischen Kontinent.Wir sprachen bewusst von europa¨ischem Kontinent, weil das Buch bis Mitte der 30er Jahre nicht ins Englische u¨bersetzt worden und sein Einfluss in der angelsa¨chsischen Welt deshalb sehr gering war. Keynes gestand beispielsweise:„Ich wu¨rde mich ha¨ufiger auf die Arbeiten dieser Autoren bezogen haben [gemeint sind: Mises, Hans Neisser und Hayek, Anm. des Übers.], wenn ihre Werke, die erst in meinen Besitz gelangten, als diese Seiten bereits im Druck waren, erschienen wa¨ren, als meine Gedanken sich noch auf einer fru¨heren Entwicklungsstufe befanden und wenn meine Kenntnis der deutschen Sprache nicht so du¨rftig wa¨re (im Deutschen kann ich nur das genau verstehen, was ich bereits weiß, so dass neue Gedanken hinter dem Schleier der sprachlichen Schwierigkeiten verborgen bleiben ko¨nnen)“ (Keynes, 1955, 162). Das Buch von Mises entha¨lt zudem, wenn auch nicht in vollsta¨ndiger Form, den Entwurf einer bemerkenswerten Konjunkturtheorie, die mit der Zeit weltweit unter dem Begriff der „Österreichischen Konjunkturtheorie“ bekannt wurde. Mises zeigte hier durch die Anwendung der moneta¨ren Theorie der Currency School auf die subjektive Kapital- und Zinstheorie von Bo¨hm-Bawerk, wie die expansive Schaffung von Krediten und Depositen ohne effektive Spardeckung, zu der ein Zentralbank dirigiertes Banksystem mit Reservekassenkoeffizienten fu¨hrt, nicht nur ein zyklisches und unkontrollierbares Wachsen der Geldmenge generiert, sondern auch (durch die Schaffung ex nihilo neuer Kredite durch ku¨nstlich reduzierte Zinssa¨tze) unweigerlich eine ku¨nstliche und nicht aufrechthaltbare „Verla¨ngerung“ der Produktionsprozesse, die auf diese Weise u¨berma¨ßig kapitalintensiv werden. Mises zu Folge fu¨hrt die Ausweitung dieses Inflationsprozesses fru¨her oder spa¨ter unvermeidlich zu einer Krise oder o¨konomischen Rezession, in der sich die begangenen Investitionsfehler zeigen, die Arbeitslosigkeit massiv ansteigt, und sich die Unternehmer gezwungen sehen, die falsch investierten Ressourcen zu liquidieren oder anderen Verwendungen zuzufu¨hren. Um das wiederholte Auftreten von Konjunkturzyklen zu vermeiden, schla¨gt Mises ein Bankensystem mit

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Vollkassenkoeffizienten fu¨r Sichteinlagen vor.„Es leuchtet ein“, schreibt von Mises am Ende seines Buches,„dass menschlicher Einfluss auf das Umlaufmittelwesen nicht anders ausgeschaltet werden kann als durch Unterdru¨ckung der weiteren Ausgabe von Umlaufmitteln. Der Grundgedanke der Peel‘schen Akte mu¨sste wieder aufgenommen und durch Miteinbeziehung der in Form von Kassenfu¨hrungsguthaben ausgegebenen Umlaufmittel in das gesetzliche Verbot der Neuausgabe in vollkommenerer Weise durchgefu¨hrt werden als dies seinerzeit in England geschah. (...) Es wa¨re ein Irrtum, wollte man annehmen, dass der Bestand der modernen Organisation des Tauschverkehres fu¨r die Zukunft gesichert sei. Sie tra¨gt bereits den Keim der Zersto¨rung. Die Entwicklung des Umlaufmittels muss notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruch fu¨hren.“ (Mises, 1924, 418-419). Die Entwicklung der Theorie der Konjunkturzyklen durch Mises machte es außerdem zum ersten Mal mo¨glich, die beiden Aspekte, die „Mikro“ und die „Makro“ der o¨konomischen Theorie zu integrieren. Bis dahin wurden diese separat betrachtet, weil man glaubte, die Anwendung der Theorie des Grenznutzens auf das Geld wa¨re unmo¨glich. Stattdessen entwickelte man eine Geldtheorie auf der Basis von agregierten Begriffen wie z.B. dem Preisniveau. Außerdem ist mit dem analytischen Instrumentarium von Mises die Erkla¨rung der wiederkehrenden Ereignisse wie Boom und Rezession mo¨glich, wie z.B. die großen Inflationsrezessionen der 70er Jahre oder die Finanz- und Wirtschaftskrisen auf den asiatischen Ma¨rkten (Huerta de Soto, 2002b, 375-392). Es u¨berrascht daher nicht, dass Mises der Hauptverfechter der Gru¨ndung des Österreichischen Konjunkturforschungsinstituts war, an dessen Spitze er zu Beginn F.A. von Hayek setzte. Dieses Institut war als einziges in der Lage, die Große Depression von 1929 als unvermeidliches Resultat moneta¨rer und kreditwirtschaftlicher Exzesse der so genannten „glu¨cklichen 20er Jahre“ vorherzusagen (Skousen, 1993, 247-284). Schließlich ist es notwendig hervorzuheben, dass Mises und seine Schu¨ler ihre Konjunkturtheorie parallel mit ihrer Analyse u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus, die im na¨chsten Abschnitt besprochen wird, entwickelten und verfeinerten, und dass die o¨sterreichische Krisentheorie eine spezielle Anwendung der Effekte ist, welche staatliche Eingriffe in den Bereichen der Steuern und des Geld- und Kreditwesens haben, weil sie immer zur einer systematischen (intra- und intertemporalen) Diskoordination der realen Produktionsstruktur der Volkswirtschaft fu¨hren.

5.4. Das Theorem u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus Der dritte große Beitrag von Mises besteht in seiner Theorie u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus. Aus Sicht von Mises und des Subjektivismus der Österreichischen Schule ist diese Unmo¨glichkeit etwas offensichtliches. Wenn sich die Autoren der neoklassischen Schule sich dessen nicht bewusst sind, so liegt dies in erster Line an ihrem falschen methodologischen Ansatz und hier konkret in der Tatsache, Gleichgewichtszusta¨nde unter der Annahme zu formulieren, dass alle Friedrich August v. Hayek Institut

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hierzu notwendige Information verfu¨gbar ist:„The illusion that a rational order of economic managment is possible in a society based on public ownership of the means of production owed its origin to the value theory of classical economists and its tenacity to the failure of many modern economists to think through consistently to its ultimate conclusions the fundamental theorem of subjectivist theory (...) In truth it was the errors of these schools of thought that made the socialist ideas thrive.” (Mises, 1996, 206) Ist die kreative Fa¨higkeit des handelnden Menschen der Ursprung seines Wollens, seiner Wertungen und seines Wissens, so verhindert fu¨r Mises jedes System, das auf der gewaltta¨tigen Ausu¨bung von Zwang gegenu¨ber dem handelnden Menschen beruht – wie es beim Sozialismus und im geringerem Masse beim Interventionismus der Fall ist – im Denken der individuellen Akteure das Entstehen der Information, die fu¨r die Koordination der Gesellschaft notwendig ist. Mises bemerkte, dass die Wirtschaftsrechnung, verstanden als jedwedes abscha¨tzendes Urteil u¨ber das Handlungs-Ergebnis, ausgedru¨ckt in der Bewertung verschiedener Handlungs-Alternativen, die sich dem Akteur bieten, es erfordert, u¨ber eine Information aus erster Hand zu verfu¨gen. Diese Information aus erster Hand kann in einem System wie dem Sozialismus nicht in Erscheinung treten, weil er auf Zwang basiert und folglich freiwilligen Tausch (in dem sich die individuellen Wertungen darstellen, entdeckt und geschaffen werden) und Gebrauch von Geld (verstanden als freiwillig und allgemein akzeptiertes Tauschmittel) ganz oder teilweise verhindert. Der Begriff und die Analyse der Wirtschaftsrechnung, sowie seine Bedeutung innerhalb der o¨konomischen Theorie, stellen wesentliche Aspekte des Denkens von Mises dar.Vielleicht ist sein gro¨ßtes Verdienst in diesem Zusammenhang, die Beziehung begru¨ndet zu haben, die zwischen der subjektiven Welt individueller Wertungen (ordinale Welt) und der externen Welt der Wertscha¨tzungen (kardinale Welt) besteht. Letztere manifestiert sich durch die in Geldeinheiten fixierten Marktpreise. Die „Bru¨cke“ zwischen beiden Welten wird durch eine interpersonelle Tauschhandlung ermo¨glicht. Dieser Tausch entsteht durch die unterschiedliche subjektive Bewertung der Beteiligten und spiegelt sich in einem moneta¨ren Marktpreis oder in einer historischen, in realen Geldeinheiten ausgedru¨ckten, Tauschrelation wieder, die spa¨ter vom Unternehmer als wertvolle Information fu¨r das Abscha¨tzen der zuku¨nftigen Entwicklung und fu¨r seine Entscheidungsfindung verwendet werden kann. Verhindert man hingegen mit Gewalt das freie Handeln des Menschen, so findet der freiwillige Tausch nicht statt. Damit zersto¨rt man aber die Bru¨cke oder Verbindung, die der Tausch zwischen der subjektiven Welt der Informationsschaffung und den direkten Wertungen (ordinal) einerseits und der externen Welt der Preise (kardinal) andererseits, darstellt. Die Wirtschaftsrechnung wird damit unmo¨glich gemacht (Rothbard, 1991, 64-65).

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Mises systematisierte seine Ideen u¨ber den Sozialismus in seinem 1922 erschienem Werk Die Gemeinwirtschaft – Untersuchungen u¨ber den Sozialismus. Die Gemeinwirtschaft erreichte eine außerordentliche Popularita¨t in Europa und fu¨hrte unter anderem dazu, dass Theoretiker vom Format Hayeks – er selbst war zuna¨chst ein gema¨ßigter Sozialist –, Wilhelm Ro¨pkes und Lionell Robins nach der Lektu¨re dieses Buches ihre Meinung a¨nderten und zum Liberalismus konvertierten. Außerdem war dieses Werk der Beginn der dritten großen Polemik (nach dem Methodenstreit von Menger und der Polemik u¨ber den Kapitalbegriff von Bo¨hm-Bawerk), in die sich die Österreichische Schule eingebunden sah: der Polemik u¨ber die Unmo¨glichkeit der Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen. Diese Auseinandersetzung geho¨rt zu den wichtigsten Debatten in der Geschichte des o¨konomischen Denkens und war fu¨r die Österreichische Schule von gro¨ßter Bedeutung. In der u¨ber mehrere Jahrzehnte andauernden Debatte hatte die Österreichische Schule Gelegenheit, die Aspekte, die ihr Paradigma von anderen Schulen unterscheiden, weiterzuentwickeln und zu la¨utern. Außerdem wird heutzutage, auch von ehemaligen Theoretikern aus dem sozialistischem Lager, allgemein anerkannt, dass in dieser Debatte die Vertreter der Österreichischen Schule obsiegt haben. Robert L. Heilbronner schrieb 1990: „Mises was right... Socialism has been the great tragedy of this century“ (Heilbronner, 1990, 1097 und 1110-1111). Und auch zwei Schu¨ler von Oskar Lange, Brus und Laski, gestanden, dass Lange und die Theoretiker des Sozialismus „never succeeded in confronting the Austrian challenge“ (Brus und Laski, 1985, 60; Huerta de Soto, 1992). Bevor dieser Abschnitt beendet wird, ist es uns ein Anliegen hervorzuheben, dass das Argument von von Mises u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus ein theoretisches Argument ist. Fu¨r ihn impliziert die sozialistische Idee einen intellektuellen Fehler. Es ist in der Praxis nicht mo¨glich eine Gesellschaft mittels Zwangsmandaten zu organisieren, weil es fu¨r das zentrale Kontrollorgan unmo¨glich ist, u¨ber die dafu¨r notwendige Information zu verfu¨gen. Das theoretische Argument von Mises postuliert die praktische Unmo¨glichkeit des Sozialismus. Es ist schlechthin theoretisch, weil Theorie immer eine abstrakte, formale und qualitative Analyse der Wirklichkeit ist, zu der sie nie die Verbindung verlieren darf, sondern im Gegenteil, sie muss so relevant wie mo¨glich fu¨r alle Fa¨lle und Prozesse sein, die in der realen Welt stattfinden. Es ist aus diesem Grund vollkommen falsch anzunehmen – wie dies viele und angesehene Autoren der neoklassischen Schule taten, weil sie nicht fa¨hig waren, den Unterschied zwischen „Theorie“ und Gleichgewichtsanalyse zu sehen –, Mises habe die Unmo¨glichkeit des Sozialismus vom Standpunkt des formalen Gleichgewichts-Modells oder von „der reinen Entscheidungslogik“ aus analysiert. Vielmehr verneinte Mises bereits im Jahre 1920 ausdru¨cklich die Anwendbarkeit seines Theorems auf das GleichgewichtsModells. Friedrich August v. Hayek Institut

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Dieses Modell setzt na¨mlich voraus, dass alle Informationen verfu¨gbar sind und fu¨hrt dazu, dass das fundamentale o¨konomische Problem im Sozialismus per Definition als ab initio gelo¨st betrachtet wird und deshalb vom neoklassischen Theoretiker u¨bergangen wird. Fu¨r Mises besteht im Gegensatz dazu das Problem im Kontrollorgan selbst, weil ihm bei Bekanntgabe eines Erlasses oder Mandats zugunsten oder zuungunsten eines bestimmten o¨konomischen Projekts, die genaue Information fehlt. Das Kontrollorgan kann folglich weder wissen, ob seine Handlung richtig war, noch eine o¨konomische oder rechnerische Wertscha¨tzung durchfu¨hren. Wenn man annimmt, das Kontrollorgan verfu¨ge u¨ber die insgesamt notwendige Information und dass außerdem keine Vera¨nderungen stattfinden, ist offensichtlich, dass sich das Problem der Wirtschaftsrechnung nicht stellt, da man damit von vornherein unterstellt, dass dieses Problem gar nicht besteht. Mises schreibt dazu: „Die statische Wirtschaft vermag ohne Wirtschaftsrechnung auszukommen. Hier wiederholt sich im Wirtschaftlichen ja nur immer wieder dasselbe, und wenn wir annehmen, dass die erste Einrichtung der statischen sozialistischen Wirtschaft auf Grund der letzten Ergebnisse der freien Wirtschaft erfolgt, dann ko¨nnten wir uns ja allenfalls eine wirtschaftlich rationell geleitete sozialistische Produktion vorstellen. Doch das ist eben nur in Gedanken mo¨glich. Ganz abgesehen davon, dass es statische Wirtschaft im Leben nie geben kann, da sich die Daten immerfort vera¨ndern, so dass die Statik des Wirtschaftens nur eine – wenn auch fu¨r unser Denken und fu¨r die Ausbildung unserer Erkenntnis vom Wirtschaftlichen notwendige – gedankliche Annahme ist, der im Leben kein Zustand entspricht, mu¨ssen wir doch annehmen, dass der Übergang zum Sozialismus schon infolge der Ausgleichung der Einkommensunterschiede und der durch sie bedingten Verschiebungen im Verbrauch und mithin auch in der Erzeugung alle Daten derart a¨ndert, dass die Anknu¨pfung an den letzten Zustand der freien Wirtschaft unmo¨glich ist“ (Mises, 1920, 103). Das Argument von Mises u¨ber die logische Unmo¨glichkeit des Sozialismus ist somit theoretischer Art. Allerdings geht sein Argument von einer Theorie und einer Logik menschlichen Handelns aus, welche sich in realen sozialen, dynamischen und spontanen Prozessen abspielen und nicht von einer konstruierten Logik oder Theorie mechanischen Handelns „allwissender“ Subjekte in einem Umfeld perfekter Gleichgewichte, die sowohl inhuman als auch weit entfernt von der Realita¨t ist. Oder, wie es Mises selbst noch besser in seinem Buch Socialism (Zitat findet sich nur in der englischen Ausgabe, Anm. d. Übers.) erkla¨rte: „[...] under stationary conditions there no longer exists a problem of economic calculation to solve. The essential function of economic calculation has by hypothesis already been performed. There is no need for an apparatus of calculation. To use a popular but not altogether satisfactory terminology we can say that the problem of economic calculation is of economic dynamics: it is not a problem of economic statics” (Mises, 1981, 121-122). Diese Aussage von Mises reiht sich nahtlos in die Tradition der Österreichischen Schule, wie sie von Menger begonnen, von

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Bo¨hm-Bawerk weiterentwickelt, und von ihm selbst, als Vertreter der dritten Generation, perfektioniert wurde. Es u¨berrascht nicht, dass allein die Österreichische Schule in der Lage war, das Theorem der Unmo¨glichkeit des Sozialismus zu entdecken. Denn in ihrem Forschungsprogramm konzentrierte sie sich von Beginn an auf die theoretischen Analyse der dynamischen und auf Ma¨rkten tatsa¨chlich stattfindenden Prozesse, und nicht auf die Entwicklung von mechanischen, mehr oder weniger partiellen oder totalen Gleichgewichts-Modellen. Fu¨r sie ist in einer Welt des Gleichgewichts keine Wirtschaftsrechnung notwendig. Deshalb ko¨nnen die Vertreter der neoklassischen Schule, die Chicago School mit eingeschlossen, den Begriff Theorie mit statischer Analyse von Gleichgewichts-Modellen gleichsetzen. Sozialismus stellt fu¨r sie kein theoretisches Problem dar, weil sie in ihren Modellen von der Annahme ausgehen, alle hierfu¨r notwendige Information sei bereits verfu¨gbar. Bezeichnend hierfu¨r ist ein Zitat des Gru¨nders der Chicago School, Frank H. Knight, der die Auffassung vertrat „dass der Sozialismus ein politisches Problem sei, das in Begriffen der Soziologie und der Politik diskutiert werden soll, aber nicht in Begriffen der Ökonomie, weil diese hierzu nur wenig sagen kann.“ (Knight, 1938, 267-268). Demselben Fehler verfielen andere Theoretiker der Neoklassik mit sozialistischer Tendenz, wie Oskar Lange und seine Nachfolger (Lippincot, Dickinson, Durbin, Taylor, Lerner), als sie gegen Mises ins Feld fu¨hrten, die Gleichgewichtsanalyse „zeige“ dass Mises „irre“, weil das walrasianische Simultangleichungssystem die Existenz einer Lo¨sung des Mises‘ schen o¨konomischen Koordinierungsproblems beweise. Keiner dieser Gleichgewichtstheoretiker verstand jemals, worin die von Mises und Hayek aufgezeigte Herausforderung bestand; und weil sie ihre statische Sichtweise aufrechterhielten bemerkten sie auch nicht, dass die von Mises und Hayek formulierten Probleme unbemerkt an ihnen voru¨ber gingen. Wahrscheinlich zeigten sich in keinem anderen Feld der theoretischen Ökonomie deutlicher die verheerenden Effekte, welche die neoklassische und positivistische Methodologie haben kann, wenn selbst hochrangige Theoretiker sich unfa¨hig zeigen, die Probleme der realen o¨konomischen Welt von echtem Interesse wahrzunehmen.

5.5. Die Theorie der unternehmerischen Funktion Das Wesen des vierten Mises‘schen Beitrag im Bereich der Wirtschaftswissenschaften besteht darin, im Menschen den Vorreiter aller sozialen Prozesse erkannt zu haben. Mises stellt heraus, dass die Ökonomie, als sie entstand, ihre Aufmerksamkeit auf einen historischen Idealtypus im Sinne Max Webers, den homo oeconomicus, konzentrierte, und es erst dank der subjetivistischen Konzeption von Carl Menger mo¨glich wurde, sie zu verallgemeinern und zu einer allgemeinen Theorie des Handelns und der menschlichen Interaktion (in der Mises´schen Terminologie Praxeologie) zu erweitern. Die essentiellen Implikationen und Charakteristika des Handelns und der menschlichen Interaktion werden im Detail in Friedrich August v. Hayek Institut

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dem alle Bereiche der Ökonomie umfassenden Traktat – dem von Mises bezeichnenderweise den Titel Human Action gab – behandelt. Sie bilden dessen Hauptuntersuchungsgegenstand (Mises, 1996). Mises argumentiert, dass alles Handeln eine unternehmerische und spekulative Komponente entha¨lt. Diese Komponente versteht Mises als die Fa¨higkeit des Menschen in seinem Umfeld entstehende subjektive Gewinnchancen zu schaffen oder wahrzunehmen und entsprechend zu handeln, um diese zu nutzen. Mises bringt unmissversta¨ndlich zum Ausdruck, dass das wesentliche Element der unternehmerischen Funktion in seiner kreativen Fa¨higkeit liegt:„Only human mind that directs action and production is creative.“ (Mises, 1996, 141) Mises kritisiert ebenfalls mit aller Scha¨rfe den weitverbreiteten Trugschluss, der unternehmerische Gewinn leite sich aus der einfachen Übernahme des Risikos ab. Risiken sind jedoch zusa¨tzliche Kosten im Produktionsprozess und haben nichts mit dem unternehmerischen Gewinn zu tun (Mises, 1996, 809). Mises kritisiert auch die – in ihrer Essenz – falsche Idee, die unternehmerische Funktion sei ein Produktionsfaktor, der sich als Konsequenz einer Maximierungskriterien unterliegenden Entscheidung auf dem Markt kaufen bzw. verkaufen ließe. Er wendet demgegenu¨ber ein: “In order to succeed in business a man does not need a degree from a school of business administration. These schools train the subalterns for routine jobs. They certainly do not train entrepreneurs. An entrepreneur cannot be trained. A man becomes an entrepreneur in seizing an opportunity and filling the gap.” (Mises, 1996, 314) Die Mises´ sche Theorie der unternehmerischen Funktion wurde in den letzten Jahren von einem seiner brillantesten Schu¨ler, Israel M. Kirzner, Professor fu¨r Ökonomie an der Unversita¨t von New York, weiterentwickelt. Wir werden im 7. Kapitel Gelegenheit finden, seine Beitra¨ge zu kommentieren. Die unternehmerische Fa¨higkeit des Menschen erkla¨rt nicht nur seine konstante Suche und Schaffung neuer Information hinsichtlich Mitteln und Zielen, sondern sie ist auch der Schlu¨ssel fu¨r das Versta¨ndnis der koordinierenden Tendenz, die laufend und auf spontane Weise auf Ma¨rkten entsteht, sofern Zwangseingriffe unterbleiben. Es ist diese koordinierende Fa¨higkeit der unternehmerischen Funktion die, wie schon in den Kapiteln 1 und 2 erkla¨rt wurde, die Ausarbeitung eines logischen corpus der o¨konomischen Theorie erlaubt, ohne auf die Laster der mathematischen- oder statistischen Analyse zuru¨ckgreifen zu mu¨ssen, die auf dem Postulat der Konstanz beruht und als schlechte Kopie aus der Welt der Physik oder anderer Naturwissenschaften stammt (Mirowski, 1991).

¨ konomie: Theorie und 5.6. Die Methode der politischen O Geschichte An letzter und fu¨nfter Stelle ist Mises der Theoretiker der Österreichischen Schule, der am systematischsten u¨ber die Methode der politischen Ökonomie nachgedacht und geschrieben hat. Im Einversta¨ndnis mit Mises bestehen die

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Sozialwissenschaften, oder wenn man so will, die Wissenschaft vom menschlichen Handeln aus zwei großen Bereichen: der Praxeologie (allgemeine Theorie menschlichen Handelns, innerhalb derer die Ökonomie der am besten entwickelte Bereich ist) und der Geschichte. Der Bereich der Praxeologie ist die Anwendung des konzeptuellen Begriffs des „menschlichen Handelns“. Es ist nur notwendig die praxelogischen Theoreme aus der Essenz menschlichen Handelns zu deduzieren, so dass die o¨konomische Theorie a priori und deduktiv vom Begriff und der Kategorie des Handelns aus gebildet werden kann. Erreicht wird dies, indem von einigen wenigen fundamentalen Axiomen ausgegangen wird, die im Begriff des Handelns mit eingeschlossen sind. Das wichtigste Axiom ist der Begriff des Handelns selbst. Es wird in dem Sinne verstanden, als Menschen ihre Ziele wa¨hlen und die ada¨quaten Mittel suchen, diese Ziele gema¨ß ihrer Werteskala zu erreichen. Ein anderes Axiom besagt, dass Mittel, die knapp sind, zuerst fu¨r das Erreichen der am ho¨chsten bewerteten Ziele verwendet werden und erst danach zur Befriedigung anderer, als weniger wichtig empfundene Ziele („Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen“). An dritter Stelle steht schließlich das Axiom, wonach zwischen zwei Gu¨tern mit identischen Eigenschaften, die in zwei verschiedenen Momenten verfu¨gbar sind, immer das Gut bevorzugt wird, das eher verfu¨gbar ist („Gesetz der Zeitpra¨ferenzrate“). Weitere essenzielle Elemente des Begriffs des Handelns sind, dass sich das Handeln immer im Zeitablauf abspielt, Zeit knapp ist, und dass Menschen mit der Absicht handeln, einen weniger befriedigenden Zustand mit einem befriedigerenden zu tauschen. Auf diesen Gedankenga¨ngen aufbauend und von diesen Axiomen ausgehend, konstituiert Mises eine o¨konomische Theorie, in deren Mittelpunkt die Probleme des realen Lebens stehen und in der er an der geeigneten Stelle der logischdeduktiven Argumentationskette jene Tatsachen der Erfahrung einfu¨hrt, die wirklich von Interesse sind. Diese Tatsachen der Erfahrung, die durch das Licht, welches die Theorie des menschlichen Handelns spendet, erkannt und interpretiert werden, werden spa¨ter durch diese Theorie wieder fu¨r „Annahmen“ benutzt, um noch relevantere Theoreme des realen Lebens zu formulieren. Deshalb wird die Erfahrung gema¨ß Mises nur und ausschließlich dafu¨r benutzt, die Neugier des Forschenden hin zu bestimmten Problemen zu fu¨hren. Sie sagt uns, was wir erforschen sollen, aber sie zeigt uns nicht den methodologischen Weg, welcher eingeschlagen werden muss, um unser Wissen zu suchen. In jedem Fall muss man sich laut Mises klar daru¨ber sein, dass es erstens kein Pha¨nomen der Wirklichkeit gibt, das nicht zuvor mit den Begriffen und Theoremen des Friedrich August v. Hayek Institut

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menschlichen Handelns interpretiert werden kann, und zweitens, dass allein der Verstand, und niemals die Erfahrung, die Untersuchung zu jenen hypothetischen Klassen und Problemen menschlichen Handelns fu¨hren kann, die, selbst wenn sie niemals in der Vergangenheit geschahen, doch als mo¨glicherweise fu¨r die Zukunft relevant begriffen werden ko¨nnen. Der zweite Bereich der Wissenschaft menschlichen Handelns ist die Geschichte, verstanden als (An-)sammlung und systematisches Studium der Erfahrungstatsachen, die sich auf das menschliche Handeln beziehen. Sie handelt deshalb vom konkreten Inhalt menschlichen Handelns in der Vergangenheit. Deshalb muss der Historiker bei der Entwicklung seiner Disziplin vorher u¨ber eine Theorie verfu¨gen, die es ihm ermo¨glicht, die Wirklichkeit zu interpretieren. Außerdem beno¨tigt er ein spezielles Urteil hinsichtlich der Relevanz, das ihn verstehen la¨sst, welche Aspekte mehr Gewicht in den von ihm untersuchten Tatsachen der Vergangenheit hatten – dieses, richtig angewendete Urteil la¨sst sein Fach zu einer Kunst werden. Diese wertenden Urteile des Verstehens benutzt der Akteur auch jedes Mal, wenn er eine Vorhersage u¨ber die Entwicklung seines Umfelds trifft, das sein konkretes Handeln betrifft und in das er eingebunden ist. Jedoch kann man in der Ökonomie und im Einversta¨ndnis mit Mises keine „wissenschaftlichen“ Prognosen durchfu¨hren, d.h. Vorhersagen, die jenen der Naturwissenschaften a¨hnlich wa¨ren. Im Gegenteil, die Gesetze unserer Disziplin sind rein logisch-deduktiv, und wenn man so will, so kann man lediglich Vorhersagen „qualitativer“ Natur machen. Jedoch haben diese nichts gemein mit den im Bereich der Naturwissenschaften oder Ingenieuerwissenschaften durchgefu¨hrten Prognosen. Selbstversta¨ndlich ko¨nnen keine Vorhersagen in pra¨ziser Form u¨ber konkrete Tatsachen der Zukunft gemacht werden. Es stimmt natu¨rlich, dass der Mensch in seinem ta¨glichen Leben sich kontinuierlich gezwungen sieht, seine Handlungen zu planen und dass er entsprechend bestimmter Vorstellungen bezu¨glich der Entwicklung zuku¨nftiger Ereignisse handeln muss. Mit der Absicht diese „Vorhersagen“ durchzufu¨hren, benutzt der Mensch als Instrument seine theoretischen Kenntnisse, interpretiert mit ihnen die Tatsachen der unmittelbaren Wirklichkeit und benutzt stets sein „Verstehen“, sein Wissen u¨ber die besonderen Umsta¨nde des Falles, in dem er sich befindet, um die Entwicklung der Ereignisse „vorauszusagen“, die fu¨r seine Handlungen relevant sind. Aus diesem Grunde ist die Unsicherheit, in der sich der Mensch angesichts der zuku¨nftigen Tatsachen befindet, sehr groß; sie kann lediglich minimiert, jedoch nicht eliminiert werden, wenn er u¨ber ein solides Wissen der Theorie, eine weitreichende Erfahrung u¨ber Werturteile und u¨ber eine hohe Motivation verfu¨gt, die es ihm ermo¨glichen, bestimmte Handlungen zu realisieren und bestimmte Verhaltensmuster anzunehmen. Die Erfahrung zeigt auch, dass es bestimmte Personen gibt, die besser als andere vorbereitet sind, ihr zuku¨nftiges Handeln

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unternehmerisch zu planen. In diesem Sinne, und im Einversta¨ndnis mit Mises, sind wir alle Unternehmer, weil jeder ta¨glich Handlungen unternimmt und dabei jenes in Betracht zieht, von dem er glaubt, dass es die Entwicklung der zuku¨nftigen Tatsachen betreffen wird. Es entspricht somit allgemein dem Menschen, ausgestattet mit einer ihm angeborenen unternehmerischen Fa¨higkeit, mit Hilfe seines theoretischen Wissens und seiner Erfahrung Vorhersagen u¨ber die Entwicklung konkreter Ereignisse zu machen. Jedoch kann der Wissenschaftler im Bereich der Ökonomie keinesfalls wie der Naturwissenschaftler konkrete Prognosen quantitativer, geographischer und zeitlicher Art durchfu¨hren. Wenn der Ökonom sich trotzdem anschickt, diese Vorhersagen zu machen, verla¨sst er selbstversta¨ndlich unverzu¨glich den wissenschaftlichen Bereich der Ökonomie und begibt sich auf das Feld der menschlichen und unternehmerischen Prognose. Fu¨r von Mises kommt der oft als Zwang formulierte Anspruch an die Ökonomie, auf ihrem Feld wissenschaftliche Prognosen von gleichem Rang wie in den Naturwissenschaften zu liefern, einer gravierenden Unkenntnis der Welt gleich, in der wir leben. Dieser Anspruch hat seinen Ursprung in einem falschen Versta¨ndnis sowohl der Natur des Menschen als auch der methodologischen Konzeption der Wirtschaftswissenschaften. (Mises, 1996, 118)

5.7. Schlussfolgerungen Ludwig von Mises wird als der bedeutendste Ökonom der Österreichischen Schule im 20. Jahrhundert betrachtet. Er war in der Lage, das systematischste und alle Bereiche der Ökonomie umfassende Werk dieser Schule zu verfassen, in dem detailliert alle von ihm entwickelten Beitra¨ge seines Lebens einfließen. Der Titel dieses Werks ist Human Action: A treatise on economics. Dieses Werk erschien zuna¨chst in deutscher Sprache unter dem Titel Nationalo¨konomie – Theorie des Handens und Wirtschaftens im Jahre 1940 in Genf, als Mises dort wa¨hrend der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs eine Professur innehatte. Die erste englische Version erschien am 14. September 1949, vor etwas mehr als fu¨nfzig Jahren. Seitdem wurde dieses 1000-seitige Werk, das alle wichtigen Aspekte der Wirtschaftswissenschaften vom Standpunkt der subjektivistischen und dynamischen Konzeption der Österreichischen Schule aus behandelt, unter anderem ins Spanische, Italienische, Franzo¨sische, Portugiesische, Japanische und ins Chinesische u¨bersetzt. Human Action ist daru¨ber hinaus eines der am meisten zitierten Werke unseres Fachs, insbesondere in Monografien und Artikeln, welche von der allgemeinen Ökonomie, der Methodologie in den Wirtschafswissenschaften und der o¨konomischen Analyse des Sozialismus handeln. Scha¨tzungsweise wurden bis dato 550.000 Exemplare dieses wahrhaftigen Monuments der Wirtschaftswissenschaften gedruckt. Fu¨r jeden, der die Österreichische Schule tiefgehender kennen lernen will, ist das Studium dieses Werks Pflicht (Huerta de Soto, 1995: l-lvii; Salerno, 1999). Friedrich August v. Hayek Institut

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6. Friedrich August von Hayek und die spontane Ordnung des Marktes 6.1. Biographische Einfu¨hrung Friedrich August von Hayek war eine der wichtigsten intellektuellen Figuren des 20. Jahrhunderts. Als multidisziplina¨rer Philosoph, großer liberaler Denker und Nobelpreistra¨ger fu¨r Ökonomie 1974, schrieb Hayek ein vielfa¨ltiges Werk, das großen Einfluss in den verschiedensten Gebieten hatte, nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in der Philosophie und Politik, so dass man in der letzten Zeit bemerkt hat, dass die kommenden Jahre zweifellos als die „Ära Hayeks“ in der Geschichte des o¨konomischen, politischen und sozialen Denkens bezeichnet werden ko¨nnen. Hayek wurde am 8. Mai 1899 im Schoß einer Familie von Akademikern und hohen Beamten geboren, in welcher das intellektuelle und universita¨re Leben hoch angesehen war. Jedoch war der junge Hayek keineswegs ein brillanter Schu¨ler: eine große und ausschweifende intellektuelle Neugier hielten ihn davon ab, sich mit Fleiß auf die einzelnen Fa¨cher zu konzentrieren.Wenn er mitschrieb – so bekannte er selbst einmal – verstand er nicht, was er ho¨rte, und unfa¨hig, sich die Erkla¨rungen seiner Lehrer zu merken, sah er sich gezwungen, ex novo und unter großen Anstrengungen die Gedankenga¨nge, die er erkla¨ren wollte, wiederzugeben.Wie er in seinem Artikel Zwei Arten des Denkens (Hayek, 1996a, 317-323) darlegte, schrieb Hayek seine intellektuelle Kapazita¨t einem mentalen Prozess zu, der dem Anschein nach ausschweifend-intuitiv war, und der ihn vom Denken anderer Theoretiker der Österreichischen Schule wie Bo¨hm-Bawerk oder Mises unterschied, die ihre Materie absolut beherrschten und fa¨hig waren, sie in mu¨ndlicher oder schriftlicher Form klar und mit großer Genauigkeit auszudru¨cken. Als er nach dem 1. Weltkrieg von der Front zuru¨ckkehrte (wo er an Malaria erkrankte und etwas italienisch lernte), schrieb sich Hayek in die Universita¨t von Wien ein, die damals ein in der Welt vergleichsloser „Dampfkessel“ intellektueller Stro¨mungen und Diskussionen war (eine pra¨zise Studie warum sich dieses Pha¨nomen im Wien der Nachkriegszeit ereignete, steht noch aus). Hayek dachte eine bestimmte Zeit lang daran, Psychologie zu studieren und vero¨ffentlichte tatsa¨chlich viele Jahre spa¨ter ein Buch u¨ber Psychologie mit dem Titel The sensory order, ein bedeutendes Werk, weil er darin die Fundamente seiner epistemologischen Konzeption entwickelte (Hayek, 1952). Jedoch entschloss er sich schließlich fu¨r das Studium der Staatswissenschaften und spezialisierte sich unter der Leitung von Friedrich von Wieser, der, wie bereits gezeigt wurde, der verworrenste und eklektischste Vertreter der zweiten Generation der Österreichischen Schule war, in Wirtschaftspolitik. Wie er selbst bekannte, unterschied sich der Hayek jener Jahre in seinen politischen Ideen nicht sehr vom Rest seiner Kommilitonen: er war ein gema¨ßigter Friedrich August v. Hayek Institut

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Sozialist, der den Spuren seines Meisters Wieser folgend dachte, wohlwollende Staatseingriffe ko¨nnten die soziale Ordnung verbessern. Es war die Lektu¨re der kritischen Analyse des Sozialismus, 1922 von Mises unter dem Titel Die Gemeinwirtschaft – Untersuchungen u¨ber den Sozialismus vero¨ffentlicht, die Hayek veranlassten, seine sozialistischen Ideen, denen er in seiner Jugend anhing, aufzugeben. Ab diesem Zeitpunkt, und dank einer Empfehlung von Wieser, fing Hayek an eng mit Mises zusammenzuarbeiten, zuna¨chst im Bu¨ro fu¨r Kriegsreparationen, das Mises leitete, und spa¨ter als Direktor des Österreichischen Instituts fu¨r Konjunkturforschung, das Mises gegru¨ndet hatte. Gleichzeitig wurde Hayek im akademischen Bereich ein regelma¨ßiger und produktiver Teilnehmer des Seminars u¨ber theoretische Ökonomie, das Mises in seinem Bu¨ro in der Wiener Handelskammer abhielt. Auf dem theoretischen Gebiet verdankte Hayek alles, was er tat, Ludwig von Mises. Beispielsweise befreite sich Hayek dank Mises vom negativen Einfluss Wiesers und kehrte zum Hauptzweig des o¨sterreichischen Begriffs der Ökonomie zuru¨ck. Dieser Hauptzweig hatte seinen Ursprung in Menger, wurde von Bo¨hmBawerk weiterentwickelt und es war Mises, der sich vornahm, ihn auszubauen und gegenu¨ber dem Wankelmut positivistischer Ökonomen wie Schumpeter, oder mehr dem Gleichgewichts-Modell zugeneigten Ökonomen wie Wieser, zu verteidigen. Jedoch war die Beziehung zwischen dem Meister Mises und seinem Schu¨ler Hayek bis zu einem gewissen Punkt kurios. Einerseits eine große Bewunderung und ein großer Respekt. Andererseits jedoch ein gewisser Abstand, je nach Zeitabschnitt und Umsta¨nden. Es ist ein gewisser Nachdruck in Hayek zu erkennen, wenn er seine intellektuelle Unabha¨ngigkeit hinsichtlich seines Meisters betont, der jedoch, wie Hayek selbst anerkannte, langfristig in seinen Thesen durch die Entwicklung der Wirklichkeit besta¨tigt wurde. Von 1931 an, hatte Hayek dank eines anderen Schu¨lers von Mises, Lionell Robbins, bis 1949 einen Lehrstuhl an der London School of Economics inne und wurde somit zum wichtigsten Exponenten der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie in englischer Sprache. Hayek zeichnete sich immer dadurch aus, eine erlesene akademische Ho¨flichkeit im Umgang mit seinen Gegnern zu pflegen, denen er nie bo¨se Absicht, sondern lediglich intellektuelle Fehler zuschrieb. Beispiele dafu¨r sind seine Auseinandersetzungen mit Theoretikern aus dem sozialistischen Lager, mit Keynes und auch mit Knight von der Chicago School. Hayek widersetzte sich ihnen nicht nur in methodologischen Fragen (er sagte zum Beispiel, dass nach der General Theory von Keynes, das gefa¨hrlichste Buch fu¨r die Wirtschaftswissenschaften, Essays in positive economics von Milton Friedman sei), sondern auch auf dem Feld der Geldtheorie und der Kapital- und Konjunkturtheorie (Hayek, 1994, 145). Er verwendete niemals ein Wort der Beschwerde oder des Vorwurfs, nicht einmal dann, als er Objekt von ungerechtfertigten und zornerfu¨llten Attacken von Keynes war, oder als ein Veto der Mitglieder der volkswirtschaftlichen Abteilung von Chicago verhinderte, dass er eine

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Professorenstelle an der dortigen Universita¨t erhielt. Ihre Arroganz verbot ihnen, einen „Theoretiker der Österreichischen Schule“ in ihren Reihen zu akzeptieren. Zu guter Letzt wurde Hayek dann doch eine Stelle in Chicago angeboten, jedoch unbezahlt und als Professor fu¨r „Social and Moral Sciences“; die Bezahlung u¨bernahm eine private Stiftung. In Chicago schrieb Hayek sein monumentales Werk Die Verfassung der Freiheit (Hayek, 1971). Hayek hatte im privaten Bereich nicht viel Glu¨ck. Im Jahre 1949 zersto¨rte er seine Familie, als er sich scheiden ließ, um eine in seiner Jugend unmo¨gliche Liebe zu heiraten: eine Cousine, die aus einem Missversta¨ndnis heraus einen anderen heiratete und die Hayek, als sie schon Witwe war, zufa¨llig bei einem Besuch seiner Familie nach dem 2. Weltkrieg in Wien traf. Die Kosten dieser Entscheidung fu¨r Hayek und seine Familie waren enorm. Seine englischen Freunde, allen voran Robbins, ku¨ndigten ihm die Freundschaft und es scheint so, als ob der Kummer u¨ber die Scheidung seiner ersten Frau das Leben kostete (obwohl dies ein Tabuthema ist u¨ber das Hayek und ihm nahe stehenden Personen sich nie a¨ußern wollten). Sicher ist, dass sich Hayek erst viele Jahre spa¨ter, aus Anlass der Hochzeit seines Sohnes Laurence, mit Robbins verso¨hnte und er sich gezwungen sah, wa¨hrend der 50er bis in die 60er Jahre hinein,„Asyl“ in den Vereinigten Staaten von Amerika zu suchen. Wa¨hrend dieser Jahre fing Hayek an unter schweren gesundheitlichen Beschwerden zu leiden: zuerst waren es Stoffwechselbeschwerden, die ihn außerordentlich schwa¨chten und abmagern ließen; danach litt er unter zunehmender Taubheit, die aus ihm einen Intellektuellen mit zunehmender Distanz im perso¨nlichen Umgang machten. Schließlich kamen noch schwere und sich wiederholende Depressionsanfa¨lle hinzu, die ihn u¨ber lange Zeitra¨ume hinweg matt und intellektuell unproduktiv machten. Im Vorwort zur Recht, Gesetz und Freiheit erkla¨rte er, dass es Momente gab, in denen er dachte, dass seine Gesundheitsprobleme den Abschluss dieses Buches verhindern ko¨nnten (Hayek, 2003a, XIII). Man weiß nicht bis zu welchem Punkt diese schweren perso¨nlichen Erfahrungen Hayek in der Überzeugung u¨ber die lebensnotwendige Bedeutung moralischen, regelgebundenen Verhaltens hinsichtlich der Erhaltung des individuellen und sozialen Lebens des Menschen besta¨rkten. Aber betrachtet man den Nachdruck, den Hayek diesem Thema in seinem Werk gibt, gewinnt man den Eindruck, dass dieser Aspekt seiner Ideen von jemanden entwickelt wurde, der sehr genau, aus eigener Erfahrung heraus, und aus erster Hand wusste, wovon er redet. Alle diese gesundheitlichen Beschwerden (physisch und mental) verschwanden, fast wie durch ein Wunder, als Hayek 1974 den Nobelpreis fu¨r Wirtschaftswissenschaften erhielt, ein Jahr nachdem sein Lehrer, Ludwig von Mises, verstorben war. Von da an, fu¨hlte er, aus seiner akademischen Isolation auszubrechen, entwickelte eine frenetetische Aktivita¨t, reiste um die ganze Welt, um seine Ideen zu verbreiten und vollendete mehrere Bu¨cher (das letzte davon, Die verha¨ngnisFriedrich August v. Hayek Institut

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volle Anmaßung – Die Irrtu¨mer des Sozialismus, wurde vero¨ffentlicht, als er fast 90 Jahre za¨hlte). Tatsa¨chlich kann die Erteilung des Nobelpreises 1974 an Hayek als Startschuss der Renaissance der modernen Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie bezeichnet werden. Hayek wollte sich immer am Rande der politischen Aktivita¨t aufhalten. Mehr noch, er betrachtete die Rolle des Intellektuellen, fu¨r den die wissenschaftliche Wahrheit der Kompass in seiner Aktivita¨t ist, als inkompatibel mit der Rolle des Politikers, der sich immer gezwungen fu¨hlt, sich dem Diktat der o¨ffentlichen Meinung des jeweiligen Moments mit dem Ziel Stimmen zu erhalten, zu unterwerfen (Hayek, 1991, 45- 47). Deshalb betrachtete er es als produktiver, seine Anstrengungen auf die Überzeugung der Intellektuellen zu richten (daher sein großer Erfolg mit der Gru¨ndung der Mont Pe`lerin Gesellschaft) oder einen Wechsel in der o¨ffentlichen Meinung zu erwirken (Hayek riet Anthony Fischer davon ab, in die Politik einzutreten; er u¨berzeugte ihn, dass es viel nu¨tzlicher sei, das Institute of Economic Affairs und spa¨ter die Atlas Research Foundation mit dem Ziel zu gru¨nden, das liberale Gedankengut auf der ganzen Welt zu verbreiten). Ohne die strategischen Initiativen Hayeks, wa¨re ein Wandel in der o¨ffentlichen Meinung und in intellektuellen Kreisen schwer vorstellbar gewesen. Unter anderem fu¨hrte dieser Wandel zur erfolgreichen und bis in unsere Tage nachwirkenden liberal-konservativen Revolution Margaret Thatchers in England und Ronald Reagans in den USA und trug mit zum Fall der Berliner Mauer bei. Zum Abschluss sind vielleicht noch einige Kommentare zum Verha¨ltnis von Hayek und der Religion angebracht. Katholisch getauft, gab er bereits in jungen Jahren die Ausu¨bung religio¨ser Praktiken auf und wurde Agnostiker. Jedoch verstand er einerseits im Laufe der Jahre zunehmends die allgemeine Schlu¨sselrolle der Religion bei der Einhaltung von Verhaltensregeln, auf welche die Gesellschaft aufbaut. Andererseits erkannte er immer deutlicher die Bedeutung der spanischen Theologen des Goldenen Spanischen Zeitalters als Vorla¨ufer der modernen Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Und noch weiter gehend, u¨berraschte 1993 der katholische Denker Michael Novak die Welt, als er das lange perso¨nliche Gespra¨ch, dass Papst Johannes Paul II. mit Hayek vor seinem Tod 1992 fu¨hrte, publizierte, und darin unzweideutige Belege des großen Einflusses des Hayek´schen Denkens auf die pa¨pstliche Enzyklika Centesimus annus vorlegte (insbesondere die Kapitel 31 und 32 sind voll wichtiger Beitra¨ge Hayeks) (Novak, 1993a und 1993b). Nie werden wir wissen, ob dieser erkla¨rte Agnostiker, der Hayek war, in den letzten Augenblicken seines Lebens Gott na¨her kam. Mit Sicherheit gesagt werden kann nur, dass Hayek wie sonst kein zweiter die Risiken der Vergo¨tterung des Verstands und die Schlu¨sselrolle, welche die Religion innehat, um dies zu verhindern, verstand.„Vielleicht wird diese Frage“, lautet der letzte Satz seines letzten

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Werkes,„u¨ber den Fortbestand unserer Zivilisation entscheiden.“ (Hayek, 1996b, 153)

6.2. Untersuchungen u¨ber den Konjunkturzyklus: die intertemporale Diskoordination Hayek widmete die ersten Jahrzehnte seiner akademischen Aktivita¨t dem Studium der Konjunkturzyklen. Er folgte darin dem von Mises begonnenem theoretischem Ansatz, verwirklichte jedoch eine Reihe eigener Beitra¨ge. Diese waren so bedeutend, dass ihm fu¨r diese theoretischen Beitra¨ge (der 20er und 30er Jahre) u¨ber die Konjunkturzyklen 1974 der Nobelpreis fu¨r Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde. Als Hayek im Jahre 1931 in England ankam, verfu¨gte er im Vergleich zu seinen englischen Kollegen und insbesondere im Vergleich zu Keynes u¨ber ein weit u¨berlegenes analytisches Instrumentarium. Hayek beherrschte die Kapitaltheorie Bo¨hm-Bawerks, und verstand, warum das so genannte „Sparparadoxon“ aus theoretischer Sicht nicht aufrecht zu erhalten ist. Eine erho¨hte Ersparnis senkt, im Einversta¨ndnis mit Bo¨hm-Bawerk, den Konsum und als Folge dessen, die relativen Preise der Konsumgu¨ter. Daraus resultiert, einerseits, der so genannte „Ricardo-Effekt“, der ceteris paribus besagt, dass die aufgrund der Erho¨hung des Sparens relativ niedrigen Konsumgu¨terpreise zu einer Erho¨hung der Reallo¨hne und, als Konsequenz daraus, zu einer ho¨heren Nachfrage nach Investitionsgu¨tern fu¨hrt. Hinzu kommt andererseits eine Erho¨hung der Unternehmensgewinne in Produktionsstufen, die relativ weit entfernt vom Konsum sind; tendenziell steigt der Wert dieser Produkte in einem Umfeld niederer Zinsen als Folge des gro¨ßeren Sparu¨berschusses. Das kombinierte Ergebnis dieser beiden Effekte ist eine Verla¨ngerung der Produktionsstruktur, die dank der Finanzierung, welche durch die gro¨ßere Menge real gesparter Ressourcen mo¨glich ist, kapitalintensiver wird (Hayek, 1995, 74-120). Hayek zu Folge entsteht das Problem dann, wenn die moneta¨re Manipulation in Form der von den Banken verursachten Kreditexpansion ohne vorhergehende Spardeckung den Unternehmern neue Finanzressourcen fu¨r deren Realinvestitionen in einer Form zur Verfu¨gung stellt, als ob die Ersparnis der Gesellschaft sich erho¨ht ha¨tte (ohne dass dies so geschehen sein muss). Es entsteht so eine Verla¨ngerung der Investitionsprozesse, verursacht durch eine ku¨nstliche Senkung des Darlehnszinsfusses, die langfristig nicht aufrechterhalten werden kann. Von zentraler Bedeutung fu¨r Hayek sind die Vera¨nderungen der relativen Preise – die Preise der Kapitalgu¨ter in den verschieden Produktionsstufen und die Konsumgu¨terpreise – die durch die Vera¨nderungen des Geldmengenwachstums induziert werden. Diese Beziehungen zwischen relativen Preisen und Geldmengenwachstum werden in der Quantita¨tstheorie, die nur dem Effekt der GeldmenFriedrich August v. Hayek Institut

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genvariationen auf das allgemeine Preisniveau Beachtung schenkt, verschleiert um nicht zu sagen, ignoriert. Hayek stellte außerdem fest, dass die amerikanische Bundesbank (FED) wa¨hrend der 20er Jahre absichtlich eine massive Kreditexpansionspolitik mit dem Ziel durchfu¨hrte, die durch Produktivita¨tssteigerungen dieser Jahre verursachten „deflationa¨ren“ Effekte zu neutralisieren. Obwohl kein signifikanter Anstieg der (Konsumgu¨ter-) Preise fu¨r Gu¨ter und Dienstleistungen in diesen Jahren zu verzeichnen war, alimentierte man einen enormen Anstieg der Geldmenge und eine Finanzblase, die fru¨her oder spa¨ter platzen musste, als sich herausstellte, dass die Investitionsentscheidungen falsch waren. Hayek schrieb dazu bereits 1928 in seinem Artikel „Das intertemporale Gleichgewichtsystem der Preise und die Bewegungen des ´Geldwerts´“, dass moneta¨re Stabilita¨tspolitik in einem Umfeld fallender Preise durch einen allgemeinen Anstieg der Produktivita¨t dazu verurteilt ist, eine intertemporale Diskoordination zwischen Konsumenten und Investoren zu verursachen, die fru¨her oder spa¨ter in eine Rezession umschlagen wird (Hayek, 1928, 33-76). Die Anwendung seiner Analyse auf die Realita¨t jener Jahre, ermo¨glichten es ihm, die Große Depression 1929 vorherzusagen, weil er sie als das Ergebnis eines Prozesses der ku¨nstlichen Kreditexpansion, die massiv von der FED in den 20er Jahren betrieben wurde, betrachtete (Huerta de Soto, 2002 b, 334-340). Im Jahre 1931 vero¨ffentlichte Hayek sein vielleicht wichtigstes und beru¨hmtestes Buch u¨ber die Konjunkturtheorie, Preise und Produktion (Hayek, 1931). In diesem kurzem, aber a¨ußerst bedeutendem Buch, legt Hayek in allen analytischen Details dar, auf welche Weise eine nicht durch vorheriges freiwilliges Sparen gedeckte Kreditexpansion die Produktionsstruktur verzerrt, d.h. sie ku¨nstlich kapitalintensiver macht, und sich in einer Rezession niederschlagen wird, in der sich die begangenen Fehler manifestieren. Fu¨r Hayek sind die Vera¨nderungen der Geldmenge niemals neutral sondern betreffen immer in negativer Form die Struktur der relativen Preise. Wird neues Geld in Form von Krediten geschaffen, dringt es immer an einer ganz bestimmten Stelle in die Ökonomie ein. Zuerst wird es fu¨r bestimmte Kapitalgu¨ter und damit verbundene Dienstleistungen ausgegeben, und erst danach breitet es seine Effekte langsam u¨ber den Rest der Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft aus. Dies impliziert, dass bestimmte Preise – die von dem Endkonsum weiter entfernten Kapitalgu¨ter – vorher betroffen sind als andere (die dem Endkonsum na¨her stehenden Gu¨ter) und als Konsequenz daraus wird die Zuteilung der Ressourcen entlang der Produktionsstruktur modifiziert. Tatsa¨chlich und aufgrund der vom Banksystem geschaffenen Umlaufmittel erzielen einige Unternehmer, die vorher unter Verlusten litten, nunmehr Gewinne, und viele Arbeiter, die vorher keine Arbeit in bestimmten Sektoren fanden, finden jetzt leicht in denselben Sektoren eine Anstellung.

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Innerhalb einer Politik der Kreditexpansion und des leichten Geldes tritt das neue Geld nach einer ku¨nstlichen Senkung der Zinssa¨tze (unter sein „natu¨rliches“ Niveau) in den Markt ein. Die relative Senkung des Diskontsatzes und leichtere Kreditaufnahmemo¨glichkeiten tendieren logischerweise dazu, die Ausgaben fu¨r Investitionen im Vergleich zu den Ausgaben fu¨r Konsum zu erho¨hen. Dadurch werden die Indikatoren, nach welchen sich die Unternehmer richten, und speziell die Rentablita¨tskennziffern des investierten Kapitals jeder Etappe oder Phase der Produktionsstruktur verzerrt. Als Folge der reduzierten Zinssa¨tze sind nunmehr Investitionen gewinnbringend, die es vorher nicht waren. Der relative Anstieg der Investitionsausgaben fu¨hrt seinerseits zu einer Erho¨hung der Preise der Produktivfaktoren, kapitalintensivere Produktionswege werden eingeschlagen und ein Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen macht sich bemerkbar. Simultan verringern sich die relativen Gewinne der Unternehmen in der Konsumgu¨terindustrie, die zudem bemerken, wie sich zwar ihre Kosten allma¨hlich erho¨hen, aber nicht ihre (Verkaufs-)preise. Es kommt zu einer Umleitung von Produktionsfaktoren von konsumna¨hreren zu kapitalintensiveren (konsumentfernteren) Industrien. Diese Umleitung muss noch wa¨hrend eines ausgedehnten Zeitraums fortgefu¨hrt werden, will man eines Tages die neue und gerade begonnene kapitalintensivere Produktionsstruktur abschließen. Hayek betont jedoch, dass eine Maschine, deren Nutzen davon abha¨ngt, dass man andere Kapitalgu¨ter produziert, die notwendig fu¨r ihren Gebrauch sind, unnu¨tz wird, wenn aufgrund des Fehlens von Ressourcen die komplementa¨ren Gu¨ter nicht mehr hergestellt werden ko¨nnen. Fru¨her oder spa¨ter jedoch beginnt die Nachfrage nach Konsumgu¨tern anzusteigen. Die Ursache davon ist das von den Banken ins o¨konomische System injizierte neue Geld, das nunmehr den Eigentu¨mern der Produktionsfaktoren zufließt und als Folge davon deren moneta¨re Einkommen ansteigen la¨sst. Die Konsumenten mu¨ssen nicht bemerken, dass sich das Verha¨ltnis, zu dem sie vorher ihre Einku¨nfte zwischen gegenwa¨rtigen und zuku¨nftigen Gu¨tern aufgeteilt haben, vera¨ndert hat. Entscheidend ist, dass sich die relativen Konsumgu¨terpreise erho¨hen (sieht man von dem praktisch unmo¨glichen Fall ab, dass das gesamte vom Bankensystem neu geschaffene Geld von den o¨konomischen Agenten gespart wird). Fu¨r die Erho¨hung der relativen Konsumgu¨terpreise gibt es zwei Gru¨nde: Erstens durch den natu¨rlichen Effekt aus der Verfu¨gbarkeit neuer finanzieller Mittel im Konsumgu¨tersektor, deren Nachfrage ansteigt und zweitens durch die Tatsache, dass der Fluss an Konsumgu¨tern logischerweise dazu tendiert, voru¨bergehend zu stocken, nicht nur weil fu¨r eine bestimmte Zeit lang Ressourcen aus den konsumnahen Sektoren abgezogen werden, sondern vor allem weil ein Großteil dieser Ressourcen Investitionen zugefu¨hrt werden, die erst nach langer Zeit reifen und anfangen werden, Resultate zu produzieren. Friedrich August v. Hayek Institut

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Der Anstieg der relativen Preise im Konsumgu¨tersektor erzwingt nun Effekte, die den Effekten der Kreditexpansion in ihrem Beginn vollsta¨ndig entgegengesetzt sind: die Gewinne der konsumnahen Industrien erho¨hen sich, wa¨hrend die Gewinne in den konsumentfernteren Sektoren relativ sinken. Die Kapitalgu¨ter, die man mit dem Gedanken an eine kapitalintensive Produktionsstruktur angefangen hatte zu produzieren, mu¨ssen, wenn mo¨glich, einer weniger kapitalintensiven Produktionsweise zugefu¨hrt werden (d.h. einer arbeitsintensiven Produktionsweise als logische Folge eines Anstiegs der Konsumgu¨terpreise, die immer eine Verringerung der Reallo¨hne bedeuten). Allgemein beginnt nun die Umschichtung der Produktionsfaktoren vom Investitionsgu¨tersektor zum Konsumgu¨tersektor, die kapitalintensiveren Sektoren (Bau,Werften, High-Tech-Industrie, Informatik und Kommunikationstechnik-Industrie etc.), die nur bei niedrigen Zinsen rentabel sind und deren exzessiven Aufbau man jetzt sieht, verzeichnen große Verluste. Die nicht in ausreichender Menge vorhandenen realen Ressourcen, die ein zu Ende fu¨hren zu ehrgeiziger Vera¨nderungen der Produktionsstruktur verhindern, und aufgrund einer Kreditexpansion der Banken und erleichterten Finanzierungsmo¨glichkeiten fa¨lschlicherweise vorgenommene Investitionen machen den Beginn einer Rezession unvermeidlich. Die Rezession manifestiert sich extern in einem Produktionsu¨berangebot in der Investitionsgu¨terindustrie und in einem relativen Produktionsunterangebot in konsumna¨heren Industrien. Rezessionen sind, wie Hayek betont, grundsa¨tzlich Krisen, die durch eine relative Überschussnachfrage nach Konsumgu¨tern hervorgerufen werden, oder, wenn man so will, durch einen Mangel an Ersparnissen, die nicht ausreichen, um fehlerhaft begonnene kapitalintensivere Investitionen zu Ende zu fu¨hren. Die durch eine Kreditexpansion herbeigefu¨hrte Situation wa¨re derjenigen gleich, in der imagina¨re Einwohner auf einer verlorenen Insel den Bau einer riesigen Maschine, die fa¨hig wa¨re, den Bedarf der Bevo¨lkerung vollsta¨ndig zu decken, begonnen ha¨tten, sich plo¨tzlich vor der Fertigstellung der Maschine gewahr werden, dass sie alle Ersparnisse und alles Kapital aufgezehrt haben und – anstatt die Fertigstellung weiterzuverfolgen – keine andere Wahl haben, als alle ihre Energie der Suche nach ta¨glicher Nahrung zu widmen, ohne mit einem fu¨r sie nutzbaren Kapital rechnen zu ko¨nnen. Die Existenz so genannter „nichtbescha¨ftigter Kapazita¨ten“ in vielen Produktionsprozessen wa¨hrend der Rezession (speziell jedoch in konsumentfernteren Industrien wie Bauwesen, Kapitalgu¨ter, Telekommunikation und Computer) beweist Hayek zu Folge keinesfalls, dass ein Überschuss an Kapital besteht oder der Konsum unzureichend sei; im Gegenteil ist es ein Symptom dafu¨r, dass wir nicht das gesamte vorhandene Anlagekapital verwenden ko¨nnen, weil die aktuelle Nachfrage nach Konsumgu¨tern so dringend ist, dass wir uns den Luxus nicht

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erlauben ko¨nnen, das fu¨r die Ingangsetzung und Ausnutzung der nichtbescha¨ftigten Kapazita¨ten notwendige Umlaufkapital zu produzieren. Dadurch, dass Hayek genau analysiert, auf welche Weise moneta¨rer Interventionismus eine allgemeine Diskoordination der Entscheidungen der o¨konomischen Agenten (Investoren und Konsumenten) bewirkt, fu¨hrt er die Kapitaltheorie Bo¨hm-Bawerks und die Analyse der Konjunkturzyklen von Mises bis zur letzten Konsequenz. Außerdem ist die Rezession in seinem Versta¨ndnis lediglich die gesunde Anpassung der Produktionsstruktur. Sie kann nur dadurch verhindert werden, indem man von jeder erneuten Kreditexpansion oder Konsumankurbelung Abstand nimmt und es stattdessen den Marktkra¨ften u¨berla¨sst, nach und nach eine den wirklichen Wu¨nschen der o¨konomischen Agenten konforme neue Produktionsstruktur zu schaffen. (Huerta de Soto, 2002, 213-272). Hayek vervollsta¨ndigte seine Theorie der Konjunkturzyklen spa¨ter in seinem Werk Profits, Interest, and Investment durch die Analyse der nichtbescha¨ftigten Produktionsfaktoren (Hayek, 1939). Er entwickelte und perfektionierte seine Analyse parallel mit den Auseinandersetzungen, die er u¨ber Geld-, Kapital- und Konjunkturtheorie mit Keynes und den Theoretikern der Chicago School fu¨hrte. Diese sind Gegenstand des folgenden Abschnitts.

6.3. Auseinandersetzungen mit Keynes und der Chicago School Hayek widersetzte sich von Anfang an den theoretischen Ansa¨tzen neoklassischer Tradition. Aus seiner Sicht waren sie weder in der Lage die Theorie des Grenznutzens auf das Geld anzuwenden, noch verfu¨gten sie u¨ber eine angemessene Kapitaltheorie; hinzu kam noch, dass sie den aktuellen wirtschaftspolitischen Problemen mit einer ausschließlich makroo¨konomischen Sicht begegneten. An erster Stelle brachte Hayek seinen radikalen Einwand gegenu¨ber der Quantita¨tstheorie, wie sie von neoklassischen Ökonomen im Allgemeinen, und von der Chicago School im speziellen, verteidigt wurde, zum Ausdruck.„My chief objection against this theory“, schreibt Hayek bezu¨glich der Quantita¨tstheorie,„is that, as what is called a ´macro-theory´, it pays attention only to the effect of changes in the quantity of money and the price level and not to the effects on the structure of relative prices. In consequence, it tends to disregard what seem to me the most harmful effects of inflation, the misdirection of resources it causes and the unemployment which ultimately results from it.”(Hayek, 1975 , 46). Gleichfalls nahm Hayek die Auseinandersetzung, die Bo¨hm-Bawerk und Clark u¨ber den Kapitalbegriff fu¨hrten, wieder auf. In seinem Artikel The Mythology of Capital (Hayek, 1936, 199-228) kritisiert er den Gru¨nder der Chicago School, Frank Knight in seinem Beharren, das mythische Kapitalkonzept als homogenen, sich selbst reproduzierenden Fonds aufrechtzuerhalten und damit sowohl den in Etappen aufgeteilten Produktionsprozess zu ignorieren als auch die Rolle des Friedrich August v. Hayek Institut

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Unternehmers in seinem sta¨ndigen Vorantreiben, Schaffen, Koordinieren und Aufrechterhalten dieses Produktionsprozesses vo¨llig außer Acht zu lassen. Hayek zu Folge ist die Konzeption Knights sehr gefa¨hrlich, weil ihn seine Obsession fu¨r das Gleichgewicht dazu fu¨hrt, falsche Theorien des Unterkonsums und, indirekt, keynesianische Rezepte fu¨r eine ku¨nstliche Erho¨hung der effektiven Nachfrage zu unterstu¨tzen, ohne dabei die schlimmen Folgen, welche diese Konzeption fu¨r die mikroo¨konomische Struktur der gesellschaftlichen Produktion hat, zu beachten. Die wichtigste Auseinandersetzung Hayeks war jedoch diejenige mit Keynes wa¨hrend der 30er Jahre. Hayek begann seine Kritik mit zwei umfangreichen Rezensionen von Keynes´ Buch A Treatise on Money welches Anfang der 30er Jahre, kurz nachdem Hayek in England ankam, erschien. Keynes seinerseits antwortete mit einer zornerfu¨llten Attacke auf Hayeks Werk Preise und Produktion und entfesselte damit eine Polemik zwischen beiden Ökonomen, welche die wichtigsten Aspekte der Geld- und Konjunkturtheorie zum Inhalt hatte, und die heutzutage, nachdem sich der keynesianische Sturm gegla¨ttet hat, wert wa¨re, dort wieder aufgenommen zu werden, wo sie Keynes und Hayek Ende der 30er Jahre beendeten. Hayek kritisiert an Keynes seinen makroo¨konomischen Standpunkt und seinen Mangel, nicht u¨ber eine angebrachte Kapitaltheorie zu verfu¨gen, welche die Produktionsstruktur, wie es Bo¨hm-Bawerk erkla¨rte, aus Etappen bestehend begreift. Weitere Kritikpunkte sind, dass Keynes einem plumpen Mythos des Unterkonsums verfallen ist und sein Unversta¨ndnis daru¨ber, dass man selbstversta¨ndlich Geld mit der Produktion eines bestimmten Gutes, dessen Nachfrage gesunken ist, einfach dadurch verdienen kann, indem man in Kapitalgu¨ter investiert, um die Produktionskosten zu senken und folglich unter einer vorhergehenden Erho¨hung der Ersparnis eine kapitalintensivere Produktionsstruktur schafft; die aus konsumna¨heren Etappen freigesetzten Produktionsfaktoren finden in kapitalintensiveren Etappen Anstellung. Außerdem bedeutet fu¨r Hayek die keynesianische „Medizin“, um die große Depression zu u¨berwinden,„Brot fu¨r heute und Hunger fu¨r morgen“. Tatsa¨chlich verzerrt jede ku¨nstliche Erho¨hung der aggregierten Nachfrage die Produktionsstruktur und kann nur zeitlich befristet Arbeitspla¨tze schaffen.Weil sich langfristig herausstellen wird, dass sie unrentablen Aktivita¨ten gewidmet sind, wird die Arbeitslosigkeit in noch gro¨ßerem Masse ansteigen. Fu¨r Hayek sind die fiskal- und geldpolitischen Eingriffe, welche von Keynesianern und Monetaristen verschrieben werden, fu¨r die Verzerrungen in der intertemporalen Koordination des Marktes verantwortlich. Deshalb ist Hayek fu¨r strenge moneta¨re Standards, gegen einen moneta¨ren Nationalismus und gegen flexible Wechselkurse, fu¨r die sich sowohl Keynes als auch die Theoretiker der Chicago School einsetzten. In einem weiteren bedeutendem, 1937 erschienen Werk, Monetary Nationalism and International Stability (Hayek, 1989), zeigt er wie flexible Wechselkurse zu schweren realen Verzerrungen in der Produktionsstruktur fu¨hren bzw. diese erleichtern und

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unvermeidlich in eine Rezession mu¨nden, was mit festen Wechselkursen ha¨tte verhindert werden ko¨nnen. Im Versta¨ndnis von Hayek erschweren flexible Wechselkurse die koordinierende Rolle, die der Markt innehat, und fu¨hren zu unno¨tigen Verzerrungen moneta¨ren Ursprungs im realen Prozess der Ressourcenzuweisung. Mit dem Ziel, dem Leser die großen Paradigma-Unterschiede darzulegen, die zwischen dem o¨sterreichischen Ansatz Hayeks und dem makroo¨konomischen Ansatz von Keynesianern und Monetaristen besteht, werden diese in der anschließenden Tabelle zusammengefasst: Abbildung 3: Zwei verschiedene Arten die Ökonomie zu verstehen Österreichische Schule 1. Zeit spielt eine essentielle Rolle.

Neoklassische Schule (Monetaristen und Keynesianer) 1. Der Einfluss der Zeit wird ignoriert.

2. Kapital versteht man als homoge2. „Kapital“ wird verstanden als nen Fonds, der sich von selbst Gesamtheit heterogener Kapitalgu¨reproduziert. ter, die laufend verbraucht werden; es ist notwendig sie zu reproduzieren. 3. Der Produktionsprozess ist dynamisch und setzt sich aus multiplen vertikalen Etappen zusammen.

3. Man entwirft eine Produktionsstruktur im Gleichgewicht, eindimensional und horizontal (Kreislauf des Einkommens).

4. Geld beeinflusst den Produktionsprozess durch eine Vera¨nderung der Struktur der relativen Preise.

4. Geld beeinflusst das allgemeine Preisniveau. Vera¨nderungen in den relativen Preisen werden nicht beachtet.

5. Erkla¨rt makroo¨konomische Pha¨no- 5. Die makroo¨konomischen Aggregate verhindern eine Analyse der mene in mikroo¨konomischen tiefer liegenden mikro-o¨konomiBegriffen (Vera¨nderungen in den schen Probleme. relativen Preisen). 6. Verfu¨gt u¨ber eine Theorie der insti- 6. Ermangeln einer wirklichen Konjukturtheorie. Krisen entstehen tutionellen Ursachen o¨konomidurch exogene Ursachen (psychoscher Krisen und ihren wiederkehlogischer Art u./o. Fehler in der renden Charakter. Geldpolitik). 7. Verfu¨gt u¨ber eine ausgearbeitete Kapitaltheorie.

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7. Verfu¨gt nicht u¨ber eine Kapitaltheorie.

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Österreichische Schule

Neoklassische Schule (Monetaristen und Keynesianer)

8. Die Ersparnis hat eine Vorreiterrolle 8. Die Ersparnis ist nicht wichtig. Mit und bestimmt die Produktionsdem vorhandenen Kapital wird struktur und die verwendete Tech„mehr von demselben“ produziert nologie (die Zahl der Etappen und (die Zahl der Etappen und die Zeit, die Zeit, die fu¨r Produktion verdie fu¨r Produktion verwendet wird, wendet wird) a¨ndert sich nicht). Die Produktionsfunktion ist fix und durch den Stand der Technik gegeben. 9. Die Nachfrage nach Kapitalgu¨tern variiert in der inversen Richtung zu der Nachfrage nach Konsumgu¨tern. Jede Investition erfordert Ersparnis und infolgedessen, eine temporale Verringerung des Konsums.

9. Die Nachfrage nach Kapitalgu¨tern variiert in derselben Richtung wie die Nachfrage nach Konsumgu¨tern.

10. Die Produktionskosten sind subjek- 10. Die Produktionskosten sind objektiv und nicht gegeben. tiv, real und werden als gegeben betrachtet. 11. Die Marktpreise tendieren dazu die Produktionskosten zu bestimmen, und nicht umgekehrt.

11. Die historischen Produktionskosten tendieren dazu die Marktpreise zu bestimmen.

12. Der Zinssatz ist ein Marktpreis, der 12. Der Zinssatz wird tendenziell von durch die subjektiven Wertscha¨tder Grenzproduktivia¨t oder Grenzzungen der Zeitpra¨ferenzrate effizienz des Kapitals bestimmt; er bestimmt wird; diese wiederum wird verstanden als interner Zinswird verwendet, um den aktuellen satz, welcher den erwarteten ZahWert von dem zuku¨nftigen Zahlungsstrom der Ertra¨ge mit den lungsstrom der Ertra¨ge, zu dem historischen Produktionskosten der Marktpreis jedes Kapitalguts der Kapitalgu¨ter (die als gegeben tendiert, zu diskontieren. Die Maniund fix betrachtet werden) zum pulierung der Zinssa¨tze durch die Ausgleich bringt. Kurzfristig nimmt Zentralbanken und Banken mit man an, dass der Zins in erster Teilreservekoeffizienten erzeugen Linie ein moneta¨res Pha¨nomen ist. wiederkehrende (ku¨nstliche) Zyklen von Aufschwung und Rezession.

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6.4. Die Debatte mit den Sozialisten und die Kritik an den Sozialingenieuren Seit Hayek im Jahre 1935 eine Sammlung von Essays u¨ber die logische Unmo¨glichkeit des Sozialismus mit dem Titel Collectivist economic planning (Hayek, 1935) herausbrachte, beteiligte er sich regelma¨ßig und treu an der Seite von Mises in der Debatte u¨ber die Unmo¨glichkeit der Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen. Hayeks essentielle Idee, die spa¨ter seinem letzten Werk, Die verha¨ngnisvolle Anmaßung – Die Irrtu¨mer des Sozialismus, seinen Titel geben sollte, ist, dass der Sozialismus eine verha¨ngnisvolle Anmaßung intellektuellen Stolzes, oder wenn man so will, einer wissenschaftlichen Arroganz ist. Hayek verwendet in seinen Schriften den Begriff Sozialismus in einem weiten Sinne; er schließt damit nicht nur den so genannten „realen Sozialismus“ (d.h., ein System, welches auf Gemeineigentum der Produktionsmittel beruht) mit ein, sondern er meint damit allgemein jeden von „Sozialingenieuren mittels Zwangsmassnahmen unternommenen systematischen Versuch“ ganz oder teilweise jeden Bereich des Geflechts zwischenmenschlicher Beziehungen, die von Markt und Gesellschaft gebildet werden, zu entwerfen und zu organisieren. Der Sozialismus, verstanden in diesem weiten Sinn, ist im Einversta¨ndnis mit Hayek, ein intellektueller Fehler, denn es ist logischerweise unmo¨glich, dass derjenige, der die Gesellschaft organisieren oder in sie eingreifen will, die Information schaffen oder u¨ber das Wissen verfu¨gen kann, das notwendig wa¨re, um seinen Wunsch, die soziale Ordnung zu „verbessern“, verwirklichen zu ko¨nnen. Tatsa¨chlich ist im Versta¨ndnis von Hayek die Gesellschaft kein von einem Menschen oder von einer Gruppe von Menschen entworfenes „rational organisiertes“ System, sondern, im Gegenteil, sie ist eine spontane Ordnung, d.h. ein dynamischer Prozess in kontinuierlicher Evolution, Ergebnis der sta¨ndigen Interaktion von Millionen Menschen, eine Ordnung, die aber niemals bewusst oder absichtlich von einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen ha¨tte entworfen werden ko¨nnen. Die Essenz des sozialen Prozesses, so wie ihn Hayek versteht, besteht – wie wir schon in Kapitel 2 sahen – aus dem Wissen, strikt perso¨nlichen, subjektiven, praktischen und verstreuten Typs – das jeder Mensch, in seinen partikula¨ren Bedingungen von Zeit und Raum, entdeckt und schafft, und zwar in allen und jeder menschlichen Handlung, die er wa¨hrend seines Lebens unternimmt, um seine perso¨nlichen Ziele zu erreichen. Um unternehmerisch das enorme Volumen praktischen Wissens, die die Entwicklung und die Aufrechterhaltung unserer derzeitigen Zivilisation beno¨tigt, entdecken und u¨bermitteln zu ko¨nnen, ist es jedoch erforderlich, dass der Mensch frei die Ziele wahrnehmen und die Mittel, die notwendig sind, diese Ziele zu erreichen, entdecken kann, ohne daran gehindert zu werden, und insbesondere, ohne sich systematisch eines institutionellen Zwangs oder Gewalt ausgesetzt zu sehen. Es wird folglich deutlich, in welchem Sinne Sozialismus, unabha¨ngig von Typ und Auspra¨gung, ein intellektueller Fehler ist. Friedrich August v. Hayek Institut

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Einerseits, weil derjenige, der institutionellen Zwang anwendet und versucht einen bestimmten Bereich des sozialen Lebens „zu verbessern“ oder zu organisieren nicht u¨ber das enorme Volumen an praktischer und verstreuter Information verfu¨gt, das sich in den Ko¨pfen tausender Individuen befindet. Andererseits verhindert der systematische Gebrauch des Zwangs und der Gewalt – Wesensmerkmale des Sozialismus – dass der Mensch frei seine Ziele verfolgen kann und es ist deshalb unmo¨glich, dass diese Ziele als Anreize dienen, um die praktische Information, die notwendig ist, um die Entwicklung und die Koordination einer Gesellschaft zu ermo¨glichen, zu schaffen und zu entdecken. Im Einversta¨ndnis Hayeks, und aus den gleichen Gru¨nden weshalb der Sozialismus ein intellektueller Fehler und logisch unmo¨glich ist, sind die wichtigsten – moralischen, rechtlichen, sprachlichen und o¨konomischen – Institutionen fu¨r das Leben in einer Gesellschaft nicht absichtlich oder bewusst von irgend jemandem geschaffen worden, sondern sie sind Ergebnis eines ausgedehnten Evolutionsprozesses, zu dem jeder einzelne von Millionen und aber Millionen Menschen aufeinander folgender Generationen sein kleines „Sandko¨rnchen“ an Erfahrungen, Wu¨nschen, Sehnsu¨chten und Wissen etc. beigetragen hat, und auf diese Weise der Herausbildung eine Reihe von sich wiederholenden Verhaltensregeln (Institutionen) Vorschub leistete, die einerseits aus dem eigenen Prozess der sozialen Interaktion entstehen und ihn andererseits ermo¨glichen. Diese sich wiederholenden Verhaltensregeln bilden im materiellen Sinne eine Zwischenwelt zwischen biologischem Instinkt, der uns alle beeinflusst, und der expliziten Welt des menschlichen Verstands. Es handelt sich deshalb um eine Zwischenwelt, weil die besagten Verhaltensregeln trotz der Tatsache, dass sie zweifellos Resultat menschlichen Handelns sind, doch ein großes Volumen an Informationen, Erfahrungen und Wissen mit einschließen und deshalb bei weitem jedes Denken oder menschlichen Verstand u¨bersteigen, wodurch dieser nicht fa¨hig ist, ex novo diese Art der Institutionen zu entwerfen oder zu schaffen. Die Verhaltensregeln, welche das Aufkommen der Zivilisation ermo¨glichen, entstehen im Verlauf eines Evolutionsprozesses, in dem jene soziale Gruppen, welche zuerst ein eigenes Schema von Verhaltensregeln hinsichtlich des freiwilligen und friedlichen Austauschs entwickelt haben (und durch dieses Schema von Regeln und Institutionen Eigentumsrechte gebildet haben), jene anderen Gruppen absorbieren und diese u¨berwiegen, die aufgrund ihrer einfacheren Stammesstruktur vergleichsweise ru¨cksta¨ndiger sind. Nach Auffassung von Hayek begehen die Sozialisten einem schweren Irrtum, weil sie annehmen, dass die kleinen Urgruppen oder kleinen Stammessippen eigenen Emotionen und Haltungen, die auf den Prinzipien der Solidarita¨t, des Altruismus und der Treue basieren, ausreichend sind, um eine extensive Ordnung sozialer Kooperation aus der moderne Gesellschaften bestehen, aufrechtzuerhalten. Die Prinzipien der Solidarita¨t und des Altruismus ko¨nnen in der Tat in kleinen Gruppen der Stammessippe angewendet werden, weil hier eine intime Kenntnis der Bedu¨rfnisse und Eigen-

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schaften jedes Mitgliedes vorhanden ist. Der Versuch jedoch, die Prinzipien der Solidarita¨t und des Altruismus, die einer Stammessippe eigen sind, auf die extensive Ordnung sozialer Kooperation auszudehnen, in der Millionen Menschen, die sich nicht kennen und auch nie kennen lernen werden, interagieren und kooperieren, wu¨rde in einem Verschwinden der Zivilisation enden, in der physischen Auslo¨schung des gro¨ßten Teils der menschlichen Gattung und in einer Ru¨ckkehr zu einer Sippen-Subsistenzwirtschaft. Hayeks neuer Beitrag besteht folglich darin, bewiesen zu haben, dass die urspru¨nglich von Mises stammende Idee bezu¨glich der Unmo¨glichkeit der Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen der spezielle Fall eines allgemeineren Prinzips ist: der logischen Unmo¨glichkeit der „Sozialingenieurwissenschaft“ oder des „konstruktivistischen Rationalismus bzw. Cartesianismus“. Beide Ansa¨tze basieren auf dem Trugbild, dass die Macht der menschlichen Vernunft viel gro¨ßer ist, als es der Wirklichkeit entspricht und verfallen damit einer „szientistischen“ fatalen Anmaßung, die im Glauben daran besteht, es ga¨be hinsichtlich der zuku¨nftigen Entwicklung der Anwendung der Technik oder der „Sozialingenieurwissenschaft“ keine Grenzen. Hayek versteht unter „Szientismus“ die ungebu¨hrende Anwendung der Physik und den Naturwissenschaften eigenen Methode auf das Feld der Sozialwissenschaften. Wa¨hrend der 40er und zu Beginn der 50er Jahre schrieb er eine Reihe von Artikeln, die spa¨ter, im Jahre 1952, als Buch mit dem Titel The counter-revolution of the science erschienen (dt. Titel: Missbrauch und Verfall der Vernunft). In diesem Buch u¨bt Hayek eine vernichtende Kritik sowohl am positivistischen Rationalismus, der seine Urspru¨nge in Comte und Saint-Simon hat, als auch am engen Utilitarismus Bentham´schen Ursprungs, der davon ausgeht, dass die Information hinsichtlich der Gewinne und Kosten jeder Handlung bekannt ist, und es darum mo¨glich ist, Maximierungsentscheidungen zu treffen. Unglu¨cklicherweise wurde in denselben Jahren das Buch von Milton Friedman Essays in Positive Economics vero¨ffentlicht (Friedman, 1953). Dieses Werk erreichte eine große Popularita¨t und gab dem Gebrauch der positivistischen Methodologie in unserer Wissenschaft neuen Schwung. Obwohl das Buch Hayeks die wichtigsten Punkte des fast gleichzeitig erschienenen Buchs von Friedman vorwegnahm, beantwortete und kritisierte, sagte Hayek spa¨ter:„One of the things I often have publicly said is hat one of the things I most regret is not having returned to a criticism of Keynes´ treatise (The General Theory), but it is as much true of not having criticzed Milton Friedman´s Essay in Positive Economics, which was in a way a quite as dangerous book” (Hayek, 1994, 145). Mo¨glicherweise u¨berrascht diese Aussage diejenigen, die Hayek mit dem Liberalismus der Chicago School identifizierten, ohne bemerkt zu haben, welche abgrundtiefen methodologischen Unterschiede zwischen den Theoretikern der Österreichischen Schule und den Vertretern der Chicago School bestehen. An anderer Stelle erhellte Hayek selbst noch mehr die methodologischen Unterschiede mit Friedman und den Neoklassikern:„Friedman is an arch-positivist who Friedrich August v. Hayek Institut

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believes nothing must enter scientific argument except what is empirically proven. My argument ist that we know so much detail about economics, our task is to put our knowledge in order. We hardly need any new information. Our great dificulty is digesting what we already know. We don´t get much wiser by statistical information except by gaining information about the specific situation at the moment. But theoretically I don´t think statistical studies get us somewhere... Milton´s monetarism and Keynesianism have more in comun with each other than I have with either...The Chicago School thinks essentially in ´macroeconomic´ terms. They try to analyze in terms of aggregates and averages, total quantity of money, total price level, total employment, all these statistical magnitutes...Take Friedman´s ´quantity theory´, I wrote fourty years ago that I have strong objections against the quantity theory because it is a very crude approach that leaves out a great many things: I regret that a man of the sophistication of Milton Friedman does not use it as a first approach but believes it is the whole thing. So it is really on methodological issues, ultimately, that we differ” (Hayek, 1993, 129-130). Zuletzt ist daran zu erinnern, dass Hayeks kritische Analyse der Gleichgewichtso¨konomie mit zwei in den 30er und 40er Jahren vero¨ffentlichten Artikeln begann: Economics and Knowledge (1937) und The use of knowledge in society (1945). In diesen Arbeiten formulierte Hayek die Schlussfolgerung, zu der er in seine Debatte mit den neoklassischen Theoretikern sozialistischer Couleur gelangt war: diese waren unfa¨hig die Unmo¨glichkeit des Sozialismus zu verstehen, weil die Modelle des allgemeinen Gleichgewichts, auf die sie sich stu¨tzten, davon ausgehen, dass die gesamte notwendige Information hinsichtlich der Variablen und Parametern der Simultangleichungen, die dieses Modell bilden, bereits „gegeben“ ist. Hayek stellt entgegen dieser Annahme der o¨konomischen Theorie des Gleichgewichts heraus, dass im wirklichen Leben jene Information niemals gegeben ist, sondern dass sie Schritt fu¨r Schritt von Unternehmern durch einen dynamischen Prozess, der Untersuchungsgegenstand der Ökonomen sein sollte, entdeckt und geschaffen wird. Deshalb und als natu¨rliche Konsequenz, verwirft Hayek den neoklassischen Begriff der vollsta¨ndigen Konkurrenz und schla¨gt ein als ein Entdeckungsverfahren von Informationen verstandenes dynamisches Modell der Konkurrenz vor. Diese Idee artikuliert Hayek in zwei wichtigen Arbeiten: zuna¨chst in Der Sinn des Wettbewerbs (2003b) und spa¨ter in Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (2003c)

6.5. Recht, Gesetzgebung und Freiheit Von 1949 an, dem Jahr in dem Hayek die London School of Economics verließ und an die University of Chicago ging, vollzieht sich ein wichtiger Richtungswechsel in seinem Forschungsprogramm. Tatsa¨chlich widmet sich Hayek fortan vorrangig dem Studium der rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen einer freien Gesellschaft und ließ somit seine strikt o¨konomischen Untersuchun-

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gen an zweiter Stelle. Hayek interessierte sich kaum noch fu¨r die theoretische Diskussion, wie sie wa¨hrend der 50er und 60er Jahre u¨ber die makroo¨konomsichen Konzepte als Folge der so genannten „keynesianische Revolution“ gefu¨hrt wurde und entschied sich dafu¨r, wa¨hrend der Sturm der wissenschaftlichen Diskussionen tobte, die von Carl Menger iniziierten Untersuchungen in Bezug auf das Entstehen und die Evolution der Institutionen fortzufu¨hren. Ergebnis seiner drei Jahrzehnte wa¨hrenden Anstrengungen waren zwei ho¨chst bedeutende Werke: Die Verfassung der Freiheit (Hayek, 1971) und die Trilogie Recht, Gesetz und Freiheit (Hayek, 2003a) Es wa¨re an dieser Stelle unmo¨glich, alle Beitra¨ge Hayeks im Bereich der Theorie des Rechts und der Politik darzulegen; das Werk von Paloma de la Nuez La polı´tica de la libertad: estudio del pensamiento polı´tico de F.A. Hayek fasst die Leistungen, die Hayek auf diesem Gebieten vollbracht hat, hervorragend zusammen (De la Nuez, 1994). Wir ko¨nnen hier nur die Einheit und die logische Verkettung hervorheben, die zwischen den Beitra¨gen Hayeks im Bereich der theoretischen Ökonomie und der Theorie des Rechts und der Politik besteht. Fu¨r Hayek impliziert der Sozialismus, der auf der systematischen und institutionalisierten Aggression gegen menschliches Handeln mit Hilfe eine Reihe von Befehlen und Mandaten basiert, das Verschwinden des traditionellen Begriff des Rechts verstanden als eine Reihe Regeln allgemeiner (d.h. fu¨r alle gleich anwendbar) und abstrakter Art (weil sie nur einen weiten Rahmen fu¨r das individuelle Handeln festlegen, ohne auch nur ein konkretes Ergebnis des sozialen Prozesses vorherzusehen). Auf diese Weise sind die Gesetze in ihrem materiellen Sinne ersetzt worden durch ein verfa¨lschtes „Recht“, das aus einem Konglomerat von Befehlen, Vorschriften und Mandaten administrativen Typs besteht, und in dem man genau festgelegt, was der konkrete Inhalt des Verhaltens von jedem einzelnen sein soll. In dem Maße, in dem sich der o¨konomische Interventionismus ausbreitet und sich fortentwickelt, ho¨ren die Gesetze in ihrem traditionellen Sinne auf als Referenznormen fu¨r das individuelle Verhalten zu wirken, ihre Rolle wird stattdessen von Befehlen und Zwangsmandaten eingenommen, die von einem – demokratisch oder nicht demokratisch gewa¨hlten – Zentralorgan ausgehen, und von Hayek „Gesetzgebung“ genannt werden, im Gegensatz zum generischen Begriff des Rechts. Das Gesetz verliert so seine praktische Implantation und wird auf diejenigen regula¨ren oder irregula¨ren Bereiche beschra¨nkt, in welche die direkten Auswirkungen der interventionistischen Ordnung nicht reichen. Andererseits, und als Nebeneffekt von großer Bedeutung, verlieren die Akteure die Referenz, welche fu¨r sie das Recht in seinem materiellen Sinne ist, und verlieren damit auch die Gewohnheit oder den Brauch sich an die allgemeinen Regeln abstrakter Art anzupassen, so dass sie zunehmend weniger die traditionellen Verhaltensregeln assimilieren und beachten. Friedrich August v. Hayek Institut

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Schwerwiegender ist jedoch, dass das Umgehen der Mandate bei vielen Gelegenheiten von der Notwendigkeit des Überlebens erzwungen ist, wa¨hrend es in anderen Gelegenheiten eine Äußerung des Erfolgs der korrumpierten oder verkommenen unternehmerischen Funktion ist, die unter einer sozialistischen Ordnung tendenziell entsteht und innerhalb derer das Übertreten einer Norm von der Bevo¨lkerung im Allgemeinen eher als eine lobenswerte und zu fo¨rdernde Bekundung menschlichen Geschicks denn als ein Verstoß gegen ein System von Regeln angesehen wird. Deshalb stiftet der Sozialismus dazu an, Gesetze zu u¨bertreten, er entleert sie ihres Inhalts und korrumpiert sie, er entwu¨rdigt sie auf sozialem Niveau und fu¨hrt bei den Bu¨rgern zu dem Ergebnis, dass sie allen ihren Respekt vor dem Gesetz verlieren. Die Prostitution des Rechtsbegriffs, die wir gerade kommentiert haben, wird gema¨ß Hayek unvermeidlich von einer parallelen Prostitution des Begriff und der Anwendung der Justiz begleitet. In ihrem traditionellen Sinne besteht die Justiz in der fu¨r alle gleichen Anwendung abstrakter Verhaltensregeln materieller Art, welche das Privatrecht und das Strafrecht begru¨nden. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Justiz mit verbundenen Augen dargestellt wird, weil sie vor allem anderen blind sein muss bei der Anwendung des Rechts; im 3. Buch Mose steht geschrieben [...] „Du sollst den Geringen nicht vorziehen, aber auch den Großen nicht begu¨nstigen, sondern du sollst deinen Na¨chsten recht richten“ (3. Mose 19, 15). Durch seine systematische Korruption des traditionellen Rechtsbegriffs modifiziert der Sozialismus auch den traditionellen Begriff der Justiz. Tatsa¨chlich besteht die „Justiz“ im sozialistischen System vor allem seitens des Zentralorgans oder des Richters in der willku¨rlichen Einscha¨tzung eines mehr oder weniger emotionalen Eindrucks, eines „Endergebnisses“ des konkreten sozialen Prozesses, dass sie glauben in einem gegebenen Augenblick wahrzunehmen und dass unerschrocken von oben mit Hilfe von Zwangsmandaten organisiert werden muss. Folglich wird nicht mehr Recht gesprochen u¨ber das menschliche Verhalten sondern u¨ber das wahrgenommene Ergebnis dieses Verhaltens und zwar innerhalb eines verfa¨lschten Kontexts der „Justiz“, an das die Bezeichnung „sozial“ mit dem Ziel hinzugefu¨gt wird, es attraktiver zu machen fu¨r diejenigen, die darunter leiden. Vom kontra¨ren Standpunkt der traditionellen Justiz aus gesehen, gibt es nichts ungerechteres als das Konzept der sozialen Gerechtigkeit, weil sich dieses auf eine Sicht, einen Eindruck oder eine Einscha¨tzung der sozialen Prozesse stu¨tzt, ohne dem individuellen Verhalten des jeweiligen Akteurs im Sinne der Regeln des traditionellen Rechts auch nur Beachtung zu schenken. Fu¨r Hayek ist die Rolle des Richters im traditionellen Rechtsversta¨ndnis rein intellektueller Art; er darf sich weder von seine emotionalen Neigungen noch durch seine perso¨nliche Bewertung der Folgen des Urteils fu¨r die Streitparteien beeinflussen lassen. Wenn jedoch, wie es im Sozialismus geschieht, die objektive

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Anwendung des Rechts verhindert, und die Urteilsfa¨llung aufgrund mehr oder weniger subjektiver und emotionaler Eindru¨cke erlaubt wird, verschwindet die Rechtssicherheit und die Akteure werden bald wahrnehmen, dass jeder Anspruch rechtlichen Schutz erlangen kann, sofern nur ein Richter zu ihren Gunsten beeinflusst oder beeindruckt werden kann. Als Folge davon, schafft man einen starken Anreiz zu prozessieren, was, zusammen mit der durch das Wirrwarr der – zunehmend unvollkommeneren und widerspru¨chlicheren – Zwangsmandate hervorgerufenen chaotischen Situation dazu fu¨hrt, die Gerichte zu u¨berlasten und ihre Arbeit zunehmend unertra¨glicher und ineffizienter machen la¨sst. Dieser Prozess des schrittweisen Zerfalls setzt sich bis zum virtuellen Verschwinden der Justiz in ihrem traditionellen Sinne fort; a¨hnliches geschieht den Richtern, die einfach zu Bu¨rokraten im Dienste der o¨ffentlichen Gewalt werden, damit beauftragt, die Erfu¨llung der Zwangsmandate zu kontrollieren, die ihnen diese o¨ffentliche Gewalt vorgibt. Im folgendem Schaubild werden auf systematische Weise die wichtigsten Unterschiede zwischen dem spontanen Prozess, der auf der unternehmerischen Funktion und des freien zwischenmenschlichen Austauschs aufbaut, und dem Organistionssystem, welches auf Mandaten und institutionellen Zwang basiert, dargestellt, um die gema¨ß Hayek entgegengesetzte Auswirkungen auf die Begriffe und die Anwendung von Recht und Justiz beider gesellschaftlicher Organisationsformen zu verdeutlichen. Abbildung : 4 Zwei verschiedene Arten eine Gesellschaft zu organisieren Spontaner sozialer Prozess auf der unternehmerischen Funktion basierend (Freiwillige soziale Interaktion)

Sozialismus (Institutionelle und systematische Aggression gegen die unternehmerische Funktion und gegen das menschliche Handeln)

1. Die soziale Koordination entsteht spontan, dank der unternehmerischen Funktion, welche kontinuierlich die in Gewinnchancen sich widerspiegelnden sozialen Ungleichgewichte entdeckt und eliminiert (spontane Ordnung). 2. Der Protagonist der Prozesse ist der Mensch, der handelt und die unternehmerische Funktion ausu¨bt.

1. Man versucht absichtlich und durch Zwang die soziale Koordination mit Mandaten, Befehlen und Verordnungen, die von oben durch ein Zentralorgan festgelegt werden, zu errichten (hierarchische und organisierte Ordnung). 2. Der Protagonist der Prozesse ist der Regierende (demokratisch oder nicht demokratisch) und der Beamte (d.h. diejenige Person, die dadurch handelt, dass sie die vom Zentralorgan festgesetzten Befehle und Verordnungen ausfu¨hrt bzw. kontrolliert). 3. Die Beziehungen der sozialen Interaktion sind herrschaftlicher Natur, in der die einen befehlen und die anderen gehorchen. Handelt es sich um eine „soziale Demokratie“ zwingt die „Mehrheit“ die „Minderheit“. 4. Es u¨berwiegt das Mandat oder die Vorschrift, die unabha¨ngig von seiner a¨ußeren Erscheinung als formales Gesetz ein spezifi-

3. Die Beziehungen der sozialen Interaktion sind vertraglicher Natur; sie setzen Vertragsparteien voraus, die Gu¨ter und Dienstleistungen gema¨ß rechtlicher Regeln materieller Art austauschen (Gesetz). 4. Es u¨berwiegt der traditionelle Begriff des Rechts in seinem materiellen Sinne, verstanden als abstrakte Regeln allgemeinen

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Spontaner sozialer Prozess auf der unternehmerischen Funktion basierend (Freiwillige soziale Interaktion)

Sozialismus (Institutionelle und systematische Aggression gegen die unternehmerische Funktion und gegen das menschliche Handeln)

Inhalts, die fu¨r alle gleich angewendet werden, ohne die speziellen Umsta¨nde des Einzelnen zu beru¨cksichtigen.

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scher Befehl konkreten Inhalts ist, der vorschreibt, bestimmte Dinge in partikula¨ren Umsta¨nden zu tun und der nicht fu¨r alle gleich angewendet wird. Die Gesetze und Institutionen, welche den 5. Die Mandate und Vorschriften sind das sozialen Prozess ermo¨glichen, wurden nicht absichtliche Ergebnis organisierter Macht; sie absichtlich gebildet, sondern haben einen sind durch die unausmerzbare Situation der evolutiven bzw. gewohnheitsrechtlichen Unwissenheit, in der sich die Machthaber Ursprung und schließen eine enormes Voluimmer in Bezug auf die Zivilgesellschaft men an Erfahrungen und praktische Informabefinden, hochgradig unperfekt und fehlertionen mit ein, die u¨ber Generationen hinweg haft. akkumuliert worden sind. Der spontane Prozess macht den sozialen 6. Verlangt, dass ein Ziel oder mehrere Ziele Frieden mo¨glich, weil jeder Akteur, innerhalb u¨berwiegen und dies oder diese durch ein des Rechtsrahmens, sein praktisches Wissen System von Befehlen durchgesetzt wird. Dies ausnutzt und seine partikularen Ziele verfu¨hrt zu gewaltta¨tigen sozialen Konflikten, folgt; er kooperiert friedlich mit anderen und die weder lo¨sbar noch zu beenden sind und diszipliniert auf spontane Art und Weise sein deshalb den sozialen Frieden insgesamt Verhalten in Abha¨ngigkeit der anderen Persogefa¨hrden. nen, die andere Ziele verfolgen. Freiheit versteht man als Abwesenheit von 7. Die „Freiheit“ wird als Macht verstanden, konZwang oder Aggression (sowohl institutionelkrete Ziele, die man in jedem Moment ler als auch nicht systematischer). anstrebt, zu erreichen (durch einen einfachen Willensakt, Mandat oder aus einer Laune heraus). Es u¨berwiegt der traditionelle Sinn der Justiz, 8. Es u¨berwiegt der verfa¨lschte Sinn der „Ergebnisgerechtigkeit“ oder der „sozialen Gerechder annimmt, das materielle Gesetz fu¨r alle tigkeit“, verstanden als Gleichheit in den gleich, und unabha¨ngig der konkreten ResulErgebnissen des sozialen Prozesses unabha¨ntate, die im sozialen Prozess daraus entstehen, anzuwenden. Die einzige Gleichheit, die vergig davon, ob das – von traditionellen Standfolgt wird, ist die Gleichheit vor dem Gesetz, punkt des Rechts aus gesehen – Verhalten der implizierten Personen in diesem sozialen die von einer blinden Justiz angesichts der individuellen Unterschiede der Menschen, Prozess korrekt ist oder nicht. angewendet werden kann. Es u¨berwiegen die abstrakten, o¨konomischen 9. Es u¨berwiegt das Politische im sozialen und kommerziellen Beziehungen. Die verLeben und die grundlegenden Beziehungen fa¨lschten Konzepte der Treue,„Solidarita¨t“ sind die einer „Stammessippe“: a.) Treue zur und der hierarchischen Ordnung werden Gruppe und ihrem Anfu¨hrer; b.) Respekt vor nicht beru¨cksichtigt. Jeder Akteur diszipliniert der hierarchischen Ordnung; c.) Hilfe gegensein Verhalten aufgrund der Regeln des mateu¨ber dem bekannten „Na¨chsten“ („Solidaririellen Rechts und nimmt an einer universelta¨t“) und ein Vergessen und sogar Verachlen sozialen Ordnung teil, in der weder „Freuntung der „Anderen“, mehr oder weniger de“ oder „Feinde“, weder Nahestehende noch unbekannten Menschen, Mitglieder der entfernt Bekannte existieren, sondern nur anderen „Stammessippe“, denen man missmultiple menschliche Wesen, der gro¨ßte Teil traut und die man als „Feinde“ betrachtet von ihnen unbekannt, mit denen man auf (verfa¨lschter und kurzsichtiger Sinn des befriedigende und immerzu umfangreichere Begriffs der „Solidarita¨t“). und komplexere Weise interagiert (der korrekte Sinn des Begriffs der Solidarita¨t).

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¨ sterreichischen Schule der 7. Die Renaissance der O Nationalo¨konomie 7.1. Die Krise der Gleichgewichtsanalyse und des mathematischen Formalismus Die drei Jahrzehnte zwischen dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Jahr 1975 sind in den Wirtschaftswissenschaften die Triumphjahre der so genannten „Neoklassisch-keynesianischen-Synthese“ und der mathematischen Gleichgewichtsanalyse. Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften wird die Gleichgewichtsanalyse tatsa¨chlich in diesen Jahren zur Ko¨nigsdisziplin. Allerdings sind beim Gebrauch des Gleichgewichtsbegriffs unter den Ökonomen zwei Hauptstro¨mungen oder zwei Gruppen zu unterscheiden. Die erste Gruppe wird von Samuelson angefu¨hrt, der sich nach der Publikation seiner Foundations of Economic Analysis im Jahre 1947 (Samuelson, 1947) gemeinsam mit Hicks, zum Pionier in der Ausarbeitung der neoklassisch-keynesianischen-Synthese entwickelt. Samuelson schloss sich in der ersten Ausgabe des zitierten Werks explizit der Theorie von Lange und Lerner u¨ber die Mo¨glichkeit eines Marktsozialismus an (Samuelson, 1947, 217 und 232) und akzeptierte damit die Position, welche diese neoklassischen Autoren gegenu¨ber der Mises´schen Herausforderung des Theorems der Unmo¨glichkeit des Sozialismus eingenommen haben. Daru¨ber hinaus nimmt sich Samuelson ausdru¨cklich zum Ziel, die Wirtschaftswissenschaften mit Hilfe der mathematischen Sprache zu rekonstruieren; er trifft dabei eine Reihe vereinfachender Modell-Annahmen, die den Großteil des Reichtums und der Komplexita¨t, welche den realen Marktprozessen innewohnen, ausschließen. Dadurch wird Schritt fu¨r Schritt das Medium (die mathematische Sprache) an Stelle der Botschaft gesetzt, die – vermeintlich – formale Klarheit tritt an Stelle der Schritt-fu¨r-Schritt-Analyse, die seit je her die Vertreter der Österreichischen Schule ausgezeichnet hat. Man ging sogar soweit, den realistischeren Theorien oder – wie sie oft in abscha¨tzender Form bezeichnet wurde – der „literarischen Ökonomie“ den wissenschaftlichen Status zu verweigern (Boettke, 1997, 11-64). Die Theoretiker dieser ersten Gruppe, der neben Samuelson unter anderem auch Kenneth Arrow, Gerard Debreu, Frank Hahn und unla¨ngst Joseph Stiglitz angeho¨ren, akzeptieren in normativen Begriffen das Gleichgewichts-Modell als Ideal, an das sich die Ökonomie anna¨hern sollte. Besta¨tigt sich hingegen, dass die Realita¨t nicht dem vollsta¨ndigen Konkurrenzgleichgewicht entspricht, so liegt ihnen zu Folge ein „Marktversagen“ vor, dass prima facie eine Intervention des Staats mit dem Ziel rechtfertigt, die Realita¨t dem Ideal, wie es durch das allgemeine Gleichgewichts-Modell dargestellt ist, anzuna¨hern. Gegenu¨ber dieser ersten Gruppe, formierte sich innerhalb des Mainstreams eine zweite Gruppe von Ökonomen, die aus jenen Gleichgewichtstheoretikern Friedrich August v. Hayek Institut

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besteht, welche die Marktwirtschaft befu¨rworten. Die Gesamtheit dieser Ökonomen gruppiert sich ausschließlich um die Chicago School herum. Zu ihren bedeutendsten Vertretern geho¨ren Autoren wie Milton Friedman, George Stigeler, Robert Lucas und Gary Becker. Ihr o¨konomischer Standpunkt wird ausschließlich durch das Gleichgewichts-Modell, das Prinzip der Maximierung und die Annahme der Konstanz gepra¨gt. Die Antwort dieser zweiten Gruppe von Ökonomen, die, obwohl sie Gleichgewichtstheoretiker sind, doch die Marktwirtschaft gegenu¨ber der Theorie des „Marktversagens“ der ersten Gruppe verteidigen, besteht in der These, das Gleichgewichts-Modell beschreibe nur sehr approximativ die Realita¨t; außerdem ist fu¨r sie in jedem Falle – und darin folgen sich der Tradition der Public Choice School – das Versagen des o¨ffentlichen Sektors gro¨ßer als das als solches bezeichnete „Marktversagen“. Die Theoretiker der Chicago School glauben auf diese Weise immun gegenu¨ber Angriffen der Theoretiker des Marktversagens zu sein; sie gehen davon aus, mit ihrer Analyse demonstriert zu haben, dass Staatseingriffe in die Wirtschaft nicht notwendig sind. Da fu¨r sie die Realita¨t dem Konkurrenzgleichgewicht sehr a¨hnlich ist, ist im paretianischen Sinne der reale Markt effizient und es ist folglich nicht notwendig, in ihn einzugreifen. Jedoch ist aus Sicht der dynamischen Konzeption des Marktes, wie sie von der Österreichischen Schule vertreten wird, die Position beider Mainstream-Schulen nicht haltbar. In Bezug auf die von den Theoretikern der Chicago School entwickelten Modelle, stellen die Österreicher heraus, dass diese Modelle mit den in ihnen enthaltenen Annahmen – Gleichgewicht, Maximierung und Konstanz- stehen und fallen. Die Austrians argumentieren, dass, bevor seitens der Chicago School gefolgert wird, die Realita¨t na¨here sich stark an das Gleichgewichts-Modell an, sollten sie zuerst eine Theorie u¨ber die realen Marktprozesse entwickeln, die erkla¨rt, wie sich diese an das Gleichgewicht anna¨hern, falls dies u¨berhaupt in der Realita¨t geschieht. Das bedeutet, indem die Chicago School davon ausgeht, das Konkurrenzgleichgewicht sei sehr nah an der Realita¨t, verfallen sie einer Utopie und lassen unno¨tigerweise ihren ideologischen Gegnern der ersten Gruppe, die in bestimmter Weise realistischer sind, die Flanken offen. Aber auch die Theoretiker des Markversagens begehen vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus schwerwiegende Fehler. Tatsa¨chlich u¨bersehen sie die dynamischen Koordinationseffekte der unternehmerischen Funktion, die in jedem realen Markt vorhanden sind. Auf irgendeine Weise – denken sie – sei es mit Hilfe von Staatseingriffen mo¨glich, sich dem Ideal des allgemeinen Gleichgewichts anzuna¨hern, als ob die Planer Zugang zu der dafu¨r notwendigen Information ha¨tten, u¨ber die sie in Wirklichkeit niemals verfu¨gen ko¨nnen. Fu¨r die Österreicher sind die Theoretiker des Marktversagens nicht Utopisten wie die Ökonomen

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der zweiten Gruppe. Im Gegenteil: die Theoretiker des Marktversagens meinen die Welt ist viel schlechter, als sie in Wirklichkeit ist. Indem sie sich in ihrer Analyse auf das Gleichgewicht konzentrieren, auch wenn nur als Referenzpunkt, u¨bersehen sie den realen Koordinationsprozess der auf dem Markt existiert und bemerken nicht, dass das von ihnen so stark kritisierte Ungleichgewicht, mehr als eine Unvollkommenheit oder ein „Versagen“, tatsa¨chlich die natu¨rlichste Eigenschaft der realen Welt ist und dass in jedem Fall der reale Marktprozess besser ist als jede andere vom Menschen erreichbare Alternative. Die Österreichische Schule identifiziert zwei Fehler im Theoriegeba¨ude der Vertreter des Marktversagens (von der Analyse der Public Choice School sehen wir hier ab). Erstens bemerken sie nicht, dass die von ihnen befu¨rworteten Staatseingriffe, mit dem Ziel, die reale Welt an ihr Gleichgewichts-Modell anzuna¨hern, dazu fu¨hren – und tatsa¨chlich fu¨hren sie dazu – den unternehmerischen Koordinationsprozess, wie er in der realen Welt vonstatten geht, in negativer Weise zu beeinflussen. Zweitens gehen sie davon aus, dass die fu¨r die Staatseingriffe Verantwortlichen, dazu gelangen ko¨nnen, u¨ber eine weitaus gro¨ßere Information verfu¨gen zu ko¨nnen, als sie in Wirklichkeit verfu¨gen. Der Vorschlag der Theoretiker der Österreichischen Schule besteht folglich darin, beide GleichgewichtsAnsa¨tze zu u¨berwinden (diejenigen der Chicago School und diejenigen der Theoretiker des Marktversagens) und eine Ru¨ckwa¨rtsorientierung in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, hin zu den dynamischen Prozessen der unternehmerischen Koordination, die sich zwar zu einem Gleichgewicht hin bewegt, das aber nie erreicht wird, einzuleiten. Auf diese Weise wu¨rde der Forschungsschwerpunkt, der zur Zeit auf dem Gleichgewichts-Modell liegt, durch eine dynamische Analyse der Marktprozesse ersetzt und die schweren Ma¨ngel beider Stro¨mungen der neoklassischen Schule wu¨rden behoben werden. Jeweils ein Beispiel aus den Bereichen der Mikro- und der Makroo¨konomie sollen dabei helfen, die Vorschla¨ge der Österreichischen Schule besser zu verstehen. Das erste Beispiel bezieht sich auch die ju¨ngste Entwicklung der Theorie der Information die, in ihrer Version der Chicago School, von der Arbeit Stiglers u¨ber „The economics of information“ (Stigler, 1961) ausgeht. Stigler und die Anha¨nger der Chicago School verstehen die Information in objektiver Weise, d.h. als ein Gut, das auf dem Markt in Begriffen von Kosten und Gewinnen gekauft und verkauft wird. Man erkennt zwar, dass es Unwissenheit in der Welt gibt, aber man stellt fest, dass in jedem Fall, die bestehende Unwissenheit das „optimale“ Niveau der Unwissenheit ist, weil die Suche nach neuer (als objektiv betrachteter) Information nur dann aufho¨rt, wenn ihre Grenzkosten ihren Grenzgewinn u¨bersteigen. Die Theoretiker des Marktversagens, angefu¨hrt von Grossmann und Stiglitz entwickelten in Einklang mit dem sie charakterisierenden Ansatz eine andere o¨konomische Analyse der Information. Fu¨r sie befindet sich die Welt in einem Friedrich August v. Hayek Institut

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ineffizienten Gleichgewicht, in der sie das folgende „Versagen“ ausmachen: weil die o¨konomischen Agenten denken, die Preise u¨bermitteln effizient Informationen, kommt es zum free rider Effekt, auf Grund dessen sich die o¨konomischen Agenten nicht mehr bemu¨hen zusa¨tzliche Informationen, die sie beno¨tigen, zu erwerben, weil sie etwas kostet. Ihre Schlussfolgerung ist leicht ersichtlich: der Markt tendiert dazu, ein ineffizient niedriges Informationsvolumen zu produzieren, was die Intervention seitens des Staats immer dann rechtfertigen wu¨rde, wenn die Gewinne die aus dieser Intervention abgeleiteten Kontrollkosten etc. u¨bersteigen (Grossman und Stiglitz, 1980). Wie schon zu Beginn dieses Buches gezeigt wurde, besteht aus Sicht der Österreichischen Schule das Hauptproblem beider Ansa¨tze darin, dass sie Information behandeln, als ob sie an einem bestimmten Ort „gegeben“ wa¨re (obwohl man manchmal nicht weiß, wo). Die Austrians, im Unterschied zu beiden Ansa¨tzen der neoklassischen Schule, betrachten die Information oder das Wissen immer als etwas subjektives, das nicht gegeben sein kann, weil sie sta¨ndig von Unternehmern entdeckt und geschaffen wird, wenn sie sich einer Gewinnchance Gewahr werden. Gewinnchancen sind fu¨r sie die sich sta¨ndig vera¨ndernden Konstellationen von Marktpreisen, von nicht wahrgenommenen Ungleichgewichten und nicht abgestimmtem Verhalten. Deshalb kann man die unternehmerische Funktion nicht in Begriffen von Kosten und Nutzen bestimmen, weil ihr Wert so lange unbekannt bleibt, bis er unternehmerisch entdeckt wird. Und wenn es unmo¨glich ist, die Kosten und Nutzen in Begriffen der Maximierung zu bestimmen, fa¨llt die ganze Analyse der Information der Chicago School in sich zusammen. Behindert oder erschwert man andererseits die unternehmerische Ausu¨bung nicht, kann auch nicht behauptet werden, dass zuwenig Information am Markt erzeugt oder geschaffen wird, weil es keinen Standard gibt, der uns sagen ko¨nnte, ob die tatsa¨chlich am Markt geschaffene und verwendetete Information einem angenommen „optimalen“ Informationsvolumen entspricht oder nicht. Das von den Österreichern entwickelte Theorem der Unmo¨glichkeit des Sozialismus ist hier direkt anwendbar: ein Zentralorgan kann die kreative und unternehmerische Fa¨higkeit der o¨konomischen Agenten, welche die Vorreiter des Marktprozesses sind, niemals u¨bertreffen.Wie wir sahen, zweifelte bereits vor geraumer Zeit Pater Juan de Mariana, dass der Blinde die fu¨hren kann, die sehen (auch wenn diese „unvollsta¨ndig“ sehen, oder sogar eina¨ugig sind). Das zweite hier zu besprechende Beispiel bezieht sich auf die verschiedenen theoretischen Hypothesen des Arbeitsmarktes. Wie allgemein bekannt ist, u¨bten die Theoretiker der Chicago School der Neuklassik eine Frontalkritik an der impliziten Irrationalita¨t der keynesianischen Hypothese der nach unten starren Lo¨hne. Fu¨r die Chicago School ist – wie bereits gezeigt wurde – die auf dem Markt bestehende Unwissenheit definitionsgema¨ß „optimal“. Das heißt, ist jemand arbeitslos, so liegt das daran, dass er es bevorzugt, weiter eine bessere Arbeit zu suchen als

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die ihm angebotene anzunehmen; man folgert daraus, dass es keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit auf realen Ma¨rkten gibt. Wenn Konjunkturzyklen beobachtet werden, welche die Bescha¨ftigung betreffen, sind diese entweder auf eine Reihe nicht antizipierter Änderungen des Geldangebots zuru¨ckzufu¨hren, die verhindern, dass die o¨konomischen Agenten nicht klar zwischen Vera¨nderungen der relativen Preise (deren tiefer liegende Grund realer Natur ist) und durch Inflation verursachte Vera¨nderungen des allgemeinen Preisniveaus unterscheiden (Lucas, 1977); oder sie sind einfach durch das plo¨tzlich und unerwartete Auftreten externer Angebots-Schocks verursacht worden (Kydland und Prescott, 1982). Andererseits haben die Neu-Keynesianer (Shapiro und Stiglitz, 1984; Salop, 1979) verschiedene Unterbescha¨ftigungsgleichgewichte entwickelt. Diese Modelle resultieren aus einem Maximierungsverhalten der o¨konomischen Agenten, die in einem Umfeld operieren, das die so genannte „Effizienzlohn-Hypothese“ erfu¨llt. Im Einversta¨ndnis mit diesem Ansatz werden die Lo¨hne nicht von der Produktivita¨t, sondern die Produktivita¨t von den Lo¨hnen bestimmt. Damit die Angestellten nicht demotiviert werden, halten die Unternehmen die Gleichgewichtslo¨hne zu hoch; diese zu hohen Gleichgewichtslo¨hne ko¨nnen den Arbeitsmarkt jedoch nicht „ra¨umen“. Aus Sicht der dynamischen Konzeption des Marktes der Österreichischen Schule sind beide Ansa¨tze aufs scha¨rfste zu kritisieren. Es kommt einem großen Irrealismus gleich, wie die Theoretiker der Chicago School anzunehmen, dass jedwede Arbeitslosigkeit „freiwillig“ ist. Denn es wird als selbstversta¨ndlich erachtet, dass in jedem Moment der Koordinationsprozess, aus dem der Markt besteht, schon stattgefunden hat und dass deshalb, der durch das Gleichgewichts-Modell beschriebene „Endruhezustand“ bereits erreicht ist.Tastsa¨chlich befindet sich der Markt jedoch in einem sta¨ndigen Ungleichgewicht und es ist selbstversta¨ndlich sogar durchaus mo¨glich, sofern keine institutionellen Restriktionen bestehen (Mindestlohngesetze, Interventionen seitens der Gewerkschaften etc.), dass viele Arbeiter, die froh daru¨ber wa¨ren, von bestimmten Unternehmern unter Vertrag genommen zu werden (und viceversa), arbeitslos bleiben, und nie zusammenkommen oder wenn sie sich kennen lernen, die Gelegenheit verstreichen lassen, einen beidseitig vorteilhaften Vertrag zu unterschreiben, einfach aufgrund der Absenz der notwendigen unternehmerischen Scharfsinnigkeit. Andererseits, und damit auf die Theoretiker der „Effizienzlohnhypothese“ zuru¨ckzukommend, die behaupten, bei Abwesenheit von legalen oder gewerkschaftlichen Restriktionen bleibt die Situation unfreiwilliger Arbeitslosigkeit aufgrund des „Effizienslohnes“ auf unbestimmte Zeit bestehen, steht dem Wunsch von Unternehmen und Angestellten, Gewinne zu erzielen und Verluste zu vermeiden, diametral entgegen. Fordert man zum Beispiel einen zu hohen Lohn, wird man keine Arbeit finden und die jeweiligen Arbeiter werden dazu tendieren, ihre Lohnforderungen zu senken. Zahlen hingegen die Unternehmer an ihre Friedrich August v. Hayek Institut

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Arbeiter, um sie zufrieden zu stellen, zu hohe Lo¨hne, und bemerken sie spa¨ter, dass sie gleich gute oder bessere Arbeiter zu niedrigeren Lo¨hnen unter Vertrag nehmen ko¨nnten, ist es sicher, dass die Unternehmer ihre Strategie a¨ndern werden bzw. sich dazu gezwungen sehen, wenn sie am Markt u¨berleben wollen. Hinzu kommt noch, dass die Neu-Keynesianer den schweren Folgen staatlicher Eingriffe im Arbeitsmarkt (verstanden als dynamischen Prozess) keinerlei Beachtung schenken. Vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus betrachtet ist der Konjunkturzyklus weder ein vollsta¨ndig exogenes Pha¨nomen, d.h. verursacht durch nicht antizipierte Wechsel, reale Schocks etc. wie die Theoretiker der Chicago School behaupten, noch ist er vollsta¨ndig endogen, d.h. Ergebnis nominaler oder realer Rigita¨ten oder der Effizienslohnhypothese wie die Keynesianer glauben. Fu¨r die Austrians, wie wir bereits wissen, ist der Konjunkturzyklus vielmehr das Ergebnis moneta¨rer und kreditwirtschaftlicher Institutionen (ein durch eine Zentralbank geleitetes Bankwesen mit Teilkassenkoeffizienten) das, obwohl es heute als dem Markt typisch angesehen wird, nicht aus einer natu¨rlichen Entwicklung heraus entstanden ist, sondern dem Markt zwangsweise auferlegt wurde und schwere Ungleichgewichte im intertemporalen Koordinationsprozess des Marktes erzeugt (Huerta de Soto, 2002 b). Es kann deshalb gefolgert werden, dass die von der Theoretikern der Österreichischen Schule entwickelte dynamische Konzeption des Marktes die Ma¨ngel der extremen Schlussfolgerungen, zu denen im Ergebnis die beiden Stro¨mungen des Gleichgewichtsgedanken (Chicago School und Neu-Keynesianer) kommen, durch eine Dosis Realismus in ihrer theoretischen Analyse ausfeilt und mildert. Dadurch werden die schweren Fehler in Theorie und Wirtschaftspolitik, die ihre Ursache in beiden Stro¨mungen des neoklassischen Denkens haben, verhindert. Es verwundert deshalb nicht, dass der Eindruck entsteht, die Wirtschaftswissenschaften unserer Tage, beherrscht von dem mathematischen Formalismus der Gleichgewichtstheoretiker beider Ansa¨tze, durchlaufe eine tiefgehende Krise. Dafu¨r gibt es mehrere Gru¨nde: Erstens durch die vorherrschende Sorge der Theorie fu¨r die Gleichgewichtsstadien, die nichts mit der Realita¨t zu tun haben, aber die einzigen sind, die mit den Werkzeugen mathematischer Methoden analysiert werden ko¨nnen. Zweitens durch das totale Vergessen – oder zumindest durch die Untersuchung von einer unangebrachten Perspektive aus – der Rolle, welche die dynamischen Marktprozesse und die Konkurrenz im realen Leben spielen. Drittens durch die ungenu¨gende Aufmerksamkeit die man der Rolle, welche die subjektive Information, das Wissen und das Lernen auf Ma¨rkten spielen, schenkt.Viertens durch den uneingeschra¨nkten Gebrauch makroo¨konomischer Aggregate und dem Vergessen, was dies fu¨r die Untersuchung der Koordinationspla¨ne jener o¨konomischer Agenten bedeutet, die am Markt auftreten. Alle diese Gru¨nde erkla¨ren das fehlende Versta¨ndnis der heutigen Wirtschaftswissenschaften in

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Bezug auf die wichtigsten Probleme des realen Wirtschaftslebens unserer Tage und, als Folge dessen, die Krisensituation und der ansteigende Ansehensverlust unter dem heute unsere Disziplin leidet. Die genannten Gru¨nde haben alle einen gemeinsamen Grund: der Realtita¨tsmangel in den Annahmen und der Versuch, eine den Naturwissenschaften eigene Methodologie auf ein fremdes Feld anzuwenden – auf das Feld der Wissenschaft menschlichen Handelns. Und es ist genau die aktuelle Krisensituation der Wirtschaftswissenschaften, die auch das Comeback der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie ab dem Jahr 1974 erkla¨rt; diese Schule pra¨sentierte fu¨r die Rekonstruktion unserer Wissenschaft ein alternatives, sehr viel realistischeres , koha¨renteres und reicheres Paradigma.

7.2. Rothbard, Kirzner und die Renaissance der ¨ sterreichischen Schule O Die Verleihung des Nobelpreises fu¨r Wirtschaftswissenschaften im Jahre 1974, ein Jahr nach dem Tod von Ludwig von Mises, an seinen brillantesten Schu¨ler, F.A. Hayek, zusammen mit dem ansteigenden Misskredit der keynessianischen Makroo¨konomie und den interventionistischen Rezepten, die mit der Stagflation der 70er Jahre offen zu Tage traten, gaben der Österreichischen Schule einen erneuten internationalen Impuls in der Weiterentwicklung ihrer Doktrin (Kirzner, 1987, 148-150). Bei diesem Comeback der Österreichischen Schule spielten die beiden brillantesten Schu¨ler, die Mises in den Vereinigten Staaten hatte, Murray N. Rothbard und Israel M. Kirzner, jeweils eine Vorreiterrolle. Rothbard wurde 1926 in New York als Spross einer aus Polen stammenden ju¨dischen Einwandererfamilie geboren. Seinen Doktortitel erwarb an der Columbia University in New York, wo er unter der Schirmherrschaft seines Nachbars, dem beru¨hmten Ökonomen Arthur Burns studierte. Durch Zufall kam er mit dem Seminar, das Ludwig von Mises damals in der New York University unterhielt, in Kontakt und wurde bald einer seiner ju¨ngsten, brillantesten und viel versprechendsten Schu¨ler. Nach einigen Jahren wurde Rothbard Ökonomieprofessor an der Polytechnischen Universita¨t von New York und spa¨ter, bis zu seinem unerwartetem Tod am 7. Januar 1995, Professor fu¨r Wirtschaftswissenschaften an der Universita¨t von Nevada in Las Vegas. Rothbard war einer der koha¨rentesten, vielseitigsten und beharrlichsten Denker der Österreichischen Schule und der naturrechtlich-philosophischen Grundlegung des o¨konomischen Liberalismus. Er schrieb mehr als 20 Bu¨cher und hunderte von Artikeln, unter denen bedeutende Werke der Wirtschaftsgeschichte wie America´s Great Depression (Rothbard, 1975) und seine beiden Werke der theoretischen Ökonomie mit den Titeln Man, Economy and State (Rothbard, 1993) und Power and Market (Rothbard, 1977) herausragen. Vor kurzem hat Edgar Elgar in England zwei hervorragende Ba¨nde unter dem Titel The Logic of Action seiner wichtigsten Artikel der theoretischen Ökonomie vero¨ffentlicht (Rothbard, 1997a und Rothbard, 1997b). Friedrich August v. Hayek Institut

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Elgar vero¨ffentlichte zudem posthum die beiden monumentalen Ba¨nde Economic Thought Before Adam Smith: An Austrian Perspective on the History of Economic Thought (Vol. I) und Classical Economics: An Austrian Perspective on the History of Economic Thought (Vol. II), die vor kurzem ins Spanische u¨bersetzt worden sind (Rothbard, 1995a Vol. I und Rothbard, 1995 b Vol. II). Israel Kirzner wurde 1930 in England geboren und nach mehreren familia¨ren Unglu¨cksfa¨llen beendete er sein Studium der Betriebswirtschaft in der New York University. Auch in seinem Fall war es ein Zufall, (ihm fehlten einige Kreditpunkte, um sein Studium zu beenden und er wa¨hlte das Seminar von Mises aus, weil dieser die meisten Vero¨ffentlichungen vorwies) dass er in Kontakt mit dem großen Österreicher trat und auch er wurde regelma¨ßiger Teilnehmer des Mises-Seminars an der New York University. Kirzner wurde sich bewusst, dass seine Berufung in der Lehre lag und wurde Professor fu¨r Ökonomie an derselben Universita¨t. Kirzner spezialisierte sich in der Entwicklung der dynamischen und unternehmerischen Konzeption und in der Erforschung ihrer koordinierenden Konsequenzen auf dem Markt; er ist Autor bedeutender Werke zu diesem Thema; unter ihnen ragen Wettbewerb und Unternehmertum (Kirzner, 1978), Perception, opportunity and profit (Kirzner, 1979) und Discovery and the capitalistic process (Kirzner, 1985) heraus. Außerdem hat Kirzner in seinem Werk Discovery, Capitalism and Distributive justice (Kirzner, 1989) auch die Auswirkungen seines dynamischen Konzepts des Unternehmers auf das Feld der sozialen Ethik erforscht. Schließlich verdanken wir diesem Autor eine große Anzahl von Artikeln zur o¨konomischen Theorie aus Sicht der Österreichischen Schule im Allgemeinen und der unternehmerischen Funktion im Speziellen; in ihnen entwickelte er eine sehr anregende und perfektionierte Sicht der durch die unternehmerische Funktion vorangetriebenen Marktprozesse, wie wir sie im 2. Kapitel dieses Buches beschrieben haben. Bei der Renaissance der Österreichischen Schule spielt außerdem eine Gruppe junger Ökonomen an verschiedenen Universita¨ten in den Vereinigten Staaten und in Europa eine bedeutende Rolle. Unter den amerikanischen Universita¨ten ragen die Universita¨ten von New York (mit Mario J. Rizzo und Israel M. Kirzner), die George Mason Universita¨t (mit Peter J. Boettke, Donald Lavoie und Karen Vaughn), die Auburn University (an der die Professoren Roger Garrison und Joseph T. Salerno arbeiten) und insbesondere die University of Nevada, Las Vegas, an der Hans Hermann Hoppe lehrt, heraus. An anderen o¨konomischen Institutionen sind u.a. so bedeutende Professoren wie Gerald P. O´Driscoll, Lawrence White und George Selgin zu nennen. In Europa sind die Professoren Stephan Littlechild und Norman P. Barry an Universita¨t von Birmingham zu nennen, Professor William J. Keizer und Gerri Meijer in Holland, Professor Raimundo Cubeddu in Italien, die Professoren Jo¨rg Guido Hu¨lsmann, Pascal Salin und Jaques Garello in Frankreich sowie Professor Jose´ Manuel Moreira von der Universita¨t von Oporto in Portugal. Zuletzt ist noch Spanien und seine sich schnell konsolidierende Gruppe von Professoren und an der Österreichischen Schule interessierte Forscher zu erwa¨hnen,

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die sich ihrer großen akademischen und wissenschaftlichen Verantwortung, welche die Anerkennung des spanischen Ursprungs dieser Schule wie sie in Kapitel 3 dargestellt wurde, bewusst sind. Unter ihnen sind besonders die Professoren Rubio de Urquı´a, Jose´ Juan Franch, Ángel Rodrı´quez, Oscar Vara, Javier Aranzadi del Cerro und Gabriel Calzada zu nennen. [In Deutschland gibt es keinen „o¨sterreichischen Lehrstuhl“, in der Form, wie man das in den USA oder in Spanien kennt. Beispielsweise ist fu¨r die Studenten von Professor Huerta de Soto Human Action von Mises Pflichtlektu¨re und Pru¨fungsgegenstand. Ausserodentliche Verdienste in der Verbreitung der Ideen der Österreichischen Schule in Deutschland hat sich Roland Baader erworben. Sein Buch „Geld, Gott und Gottspieler“ ist eine hervorragende Einfu¨hrung in das Thema Geld (Baader, 2004). Dort findet sich auf der Seite 120 eine Auflistung derjenigen Profesoren an deutschen Universita¨ten, die sich mit der Österreichischen Schule identifizieren. Anm. d. Übers] Gleichzeitig haben sich wa¨hrend der letzten 25 Jahre die Buchvero¨ffentlichungen und Monografien von Autoren der Österreichischen Schule multipliziert; außerdem bestehen seit geraumer Zeit wissenschaftliche Fachzeitschriften in denen ihre Forschungsergebnisse vero¨ffentlicht werden: es handelt sich dabei um The Quarterly Journal of Austrian Economics, die viertelja¨hrlich erscheint, und Review of Austrian Economics, die zwei Mal im Jahr von Kluwer Academic Publishers in Holland herausgebracht wird. Zuletzt sind noch die regelma¨ßig stattfindenden Konferenzen und internationalen Treffen zu nennen, auf denen Professoren und auf dem Gebiet der Österreichischen Schule der Nationalo¨konomie spezialisierte Forscher lebhaft neue Beitra¨ge der modernen Österreichischen Schule diskutieren.

¨ sterreichischen 7.3. Das aktuelle Forschungsprogramm der O Schule und die voraussichtlichen Beitra¨ge fu¨r die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften Der Fall der Berliner Mauer, und mit ihr der Fall des real existierenden Sozialismus, hatte eine tief greifende Wirkung auf das bis heute vorherrschende neoklassische Paradigma und allgemein daru¨ber, wie Wirtschaftswissenschaft auszuu¨ben ist. Offensichtlich hatte etwas versagt, wenn eine Tatsache von solcher Tragweite – und dabei die seltene Ausnahme der Österreichischen Schule außerachtlassend – nicht angemessen vom neoklassischen Paradigma analysiert und vorhergesagt werden konnte. Der Zusammenbruch des Sozialismus hat uns in die Lage versetzt, die fehlenden Dioptrien der „theoretischen Brille“ des neoklassischen Paradigmas einzuscha¨tzen, die bisher im großem Maße die o¨konomischen Profession daran gehindert hat, mit der ausreichenden Klarheit die herausragendsten Tatsachen der sozialen Welt wahrzunehmen und zu interpretieren. Bei der Rekonstruktion der Wirtschaftswissenschaften besteht keine Notwendigkeit, Friedrich August v. Hayek Institut

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von null an neu zu beginnen, weil ein Großteil des von nun an notwendigen analytischen Instrumentariums bereits von der Österreichischen Schule entwickelt und perfektioniert wurde und zwar als Folge der von der Österreichischen Schule seit ihrer Gru¨ndung immer wieder gefu¨hrten Debatten mit den Verteidigern des szientistischen Paradigmas, in denen sie ihre Positionen erkla¨ren, verteidigen und la¨utern musste. Obwohl es nicht mo¨glich ist, an dieser Stelle alle von der aktuellen Situation betroffenen Bereiche unserer Disziplin aufzuza¨hlen, und noch viel weniger im Detail aufzuzeigen, welche neuen Inhalte diese dank den Beitra¨gen der Österreichischen Schule erlangen ko¨nnten, ko¨nnen wir beispielhaft und ohne dabei den Anspruch auf Vollsta¨ndigkeit zu erheben, doch einige davon nennen. An erster Stelle steht die Theorie des institutionellen Zwangs, die eine Verallgemeinerung der o¨sterreichischen Analyse des Sozialismus ist. Es wurde weiter oben schon gesagt, dass jeder unternehmerische Akt eine Entdeckung neuer Information, ihre Übermittlung u¨ber den Markt und die Koordination der nicht abgestimmten Verhaltensweisen der Akteure voraussetzt; dies geschieht auf eine evolutive und spontane Weise und ermo¨glicht erst das gesellschaftliche Zusammenleben. Es ist deshalb offensichtlich, dass die systematische und institutionalisierte Ausu¨bung von Zwang, die den Sozialismus und den Interventionismus im gro¨ßeren oder kleinerem Maße ausmachen, nicht nur die Schaffung und die Übermittlung von Informationen verhindert, sondern auch – schlimmer noch – den spontanen Prozess der nicht abgestimmten Verhaltensweisen der Akteure und deshalb das koordinierte Weiterbestehen des sozialen Prozesses. Es o¨ffnet sich somit ein neues und zugleich viel versprechendes Feld der zuku¨nftigen Forschung. Schwerpunktma¨ßig wird in ihm analysiert, wie der Interventionismus, in den Parzellen, in die er einfa¨llt, die Koordination nicht abgestimmten Verhaltens der Wirtschaftssubjekte verhindert. An zweiter Stelle wird es notwendig sein, die weit verbreitete funktionale Theorie der Preisbildung aufzugeben und sie durch eine Preistheorie zu ersetzen, welche erkla¨rt, wie sich Preise dynamisch, als Ergebnis eines sequentiellen, evolutiven und durch die unternehmerische Funktion bewegten Prozesses, bilden: das heißt durch menschliches Handeln der beteiligten Akteure und nicht durch den Schnittpunkt von mehr oder weniger mysterio¨sen, irrealen Funktionen und Kurven, die man weder kennen noch zeichnen kann, weil die dazu hypothetisch notwendige Information nicht einmal in den Ko¨pfen der beteiligten Akteure vorhanden ist. An dritter Stelle ist die Österreichische Wettbewerbs- und Monopoltheorie zu nennen. Sie sollte an Stelle der plumpen statischen Theorie, die auf Ma¨rkten basiert, die nur in volkswirtschaftlichen Lehrbu¨chern existieren, treten, und Wettbewerb als das erkla¨ren, was er tatsa¨chlich ist: als einen ausschließlich dynamischunternehmerischen Prozess der Rivalita¨t. Indem das Augenmerk auf die institu-

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tionellen Beschra¨nkungen bei der freien Ausu¨bung der Unternehmereigenschaft in jedem Bereich des Marktes gelegt wird, werden die Probleme des Monopols, verstanden in seinem traditionellen Sinne, irrelevant bzw. existieren als solche u¨berhaupt nicht. Mit Hilfe der o¨sterreichischen Analyse des Wettbewerbs und des Monopols wird es außerdem fu¨r die Wirtschaftspolitik mo¨glich sein, die Antitrust-Politik und – Gesetzgebung – aus Sicht der Österreichischen Schule scha¨dlich und u¨berflu¨ssig – neu zu bewerten (Kirzner, 1998-1999, 67-77; Armentano, 1972). An vierter Stelle ist die auf der subjektiven Konzeption der Österreichischen Schule aufbauende Kapital- und Zinstheorie zu nennen. Notwendig ist vor allem die Wiederaufnahme der Kapitaltheorie in die Vorlesungspla¨ne an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakulta¨ten, um damit die derzeitigen Ma¨ngel der makroo¨konomischen Konzeption mit ihrer Nichtbeachtung der mikroo¨konomischen Koordinierungsprozesse innerhalb der Produktionsstruktur der realen Welt zu u¨berwinden. Vielleicht stellt der fu¨nfte Punkt, die Theorie des Geldes, des Kredits und der Finanzma¨rkte vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus betrachtet, die wichtigste theoretische Herausforderung der na¨chsten Zukunft fu¨r die Wirtschaftswissenschaften dar. Wa¨hrend das „theoretische Gap“ der Analyse des Sozialismus geschlossen wurde, verbleibt als das unbekannteste und zugleich das von gro¨ßter Tragweite, das Feld der moneta¨ren Theorie innerhalb dessen nach wie vor der systematische Zwang der Zentralbanken, methodologische Fehler und eine theoretische Konfusion herrschen. Denn die sozialen Beziehungen, in die sich das Geld eingebunden sieht, sind mit Abstand die abstraktesten und die am schwersten zu begreifenden; deshalb ist das Wissen, das aufgrund dieser Beziehungen geschaffen wird, das umfassendste, komplexeste und am wenigsten zu begreifende, was wiederum dazu fu¨hrt, dass die Intervention in diesem Bereich mit Abstand die schmerzhaftesten und scha¨dlichsten Folgen, und in letzter Instanz direkt verantwortlich fu¨r das wiederkehrende und regelma¨ßige Entstehen von Wirtschaftskrisen sind (Huerta de Soto, 2002 b). Die auf dem Gleichgewicht und den makroo¨konomischen Aggregaten basierende Wachstums- und Entwicklungstheorie wurde mit dem Ru¨cken zum einzigen wirklichen Protagonisten der Prozesse zugewandt, entwickelt – dem Menschen mit seiner Scharfsinnigkeit und seiner kreativen unternehmerischen Fa¨higkeit. Es ist deshalb unumga¨nglich die Wachstums- und Entwicklungstheorie von neuem aufzubauen, und die Elemente, welche den institutionellen Zwang gerechtfertigt haben und sie bis heute scha¨dlich und nutzlos machten, zu eliminieren. Stattdessen sollte die theoretische Untersuchung die Entdeckungsprozesse, die aufgrund des fehlenden – aber unverzichtbaren – unternehmerischen Elements, unausgenutzt bleiben, in den Mittelpunkt gestellt werden, um damit den Schlu¨ssel in Ha¨nden zu halten, der Unterentwicklung zu entrinnen. Friedrich August v. Hayek Institut

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Ähnliches ist anzumerken in Bezug auf die so genannte Wohlfahrtso¨konomie, die, auf dem illusionistischen Konzept der Pareto Effizienz aufbauend, irrelevant und nutzlos ist, weil sie fu¨r ihre operative Handhabung ein statisches Umfeld und vollsta¨ndige Information verlangt, die aber im wirklichen Leben nicht gegeben sind. Eher als in Kriterien im Sinne Paretos, ha¨ngt die Effizienz von der unternehmerischen Fa¨higkeit ab, nicht abgestimmte Verhaltensweisen, die in Situationen von Ungleichgewichten entstehen, spontan zu koordinieren (Cordato, 1992). Die Theorie der „o¨ffentlichen“ Gu¨ter wurde von Beginn an in strikt statischen Begriffen des Gleichgewichts-Paradigmas entwickelt. Man nahm an, dass die Bedingungen, welche die so genannte „Nicht-Ausschließbarkeit“ und die „NichtRivalita¨t im Konsum“ bestimmen, gegeben und keiner Vera¨nderungen unterworfen sind. Von der dynamischen Theorie der unternehmerischen Funktion aus betrachtet schafft jede scheinbare Situation eines o¨ffentlichen Gutes jedoch eine klare Gelegenheit, die durch die unternehmerische Kreativita¨t im gesetzgeberischen und/oder technologischen Bereich entdeckt und beseitigt werden kann; vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus tendiert die Gesamtheit der o¨ffentlichen Gu¨ter dazu, zu verschwinden und mit ihnen auch eines der immer wieder vorgebrachten Alibis fu¨r die staatliche Intervention in viele soziale Bereiche und in die Wirtschaft. Ein weiteres Feld im Forschungsprogramm, das derzeit von den Theoretikern der Österreichischen Schule ausgefu¨llt wird, liegt im Bereich der Public Choice School und der so genannten Neuen Institutioneno¨konomik, Forschungsfelder in denen derzeit diskutiert wird, sich frei zu machen vom verderblichen Einfluss des auf vollsta¨ndiger Information beruhenden statischen Modellrahmens, der im neoklassischen Bereich zu einer pseudo-wissenschaftlichen Analyse von Rechtsregeln gefu¨hrt hat; dieser Modellrahmen (vollsta¨ndige Information) basiert auf denselben methodologischen Annahmen, die man seinerzeit fu¨r die Rechtfertigung des Sozialismus heranzog und bei dem die dynamische und evolutive Analyse der durch den Unternehmer geschaffenen und vorangetriebenen sozialen Prozesse spontaner Art außerachtlassen. Fu¨r die Theoretiker der Österreichischen Schule erweist es sich als offensichtlich widerspru¨chlich, danach zu streben die Normen und Rechtsregeln aufgrund eines Paradigmas zu analysieren, das wie das neoklassische von einem konstanten Umfeld und der Existenz vollsta¨ndiger Information (entweder in sicheren oder wahrscheinlichen Begriffen) bezu¨glich der davon abzuleitenden Kosten und Nutzen ausgeht. Wu¨rde diese Information tatsa¨chlich existieren, wa¨ren Normen und Rechtsregeln nicht notwendig und man ko¨nnte sie effizienter durch einfache Mandate ersetzen. Und wenn es etwas gibt, dass das evolutive Entstehen des Rechts erkla¨rt oder rechtfertigt, so ist es genau diese unauslo¨schbare Unwissenheit, in welche sich der Mensch konstant eingebettet sieht.

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Die Bevo¨lkerungstheorie erfuhr durch die Beitra¨ge aus der Hand der Österreichischen Schule im Allgemeinen und Hayek im speziellen einen revolutiona¨ren Impuls. Fu¨r die Österreicher ist der Mensch nicht ein homogener Produktionsfaktor, sondern er ist mit einer ihm angeborenen kreativen Fa¨higkeit unternehmerischen Typs ausgestattet und deshalb ist ein Bevo¨lkerungswachstum alles andere als eine „Bremse“ oder ein Hindernis fu¨r die wirtschaftliche Entwicklung, sondern es ist ihr Motor und ihre notwendige Bedingung. Außerdem wurde bewiesen, dass die Entwicklung der Zivilisation ein sta¨ndig ansteigende horizontale und vertikale Aufteilung des praktischen Wissens impliziert, das nur mo¨glich ist, wenn parallel zum Fortschritt der Zivilisation ein Anstieg in der Bevo¨lkerungszahl stattfindet, der das gro¨ßer werdende Volumen an praktischer Information, das auf sozialer Ebene verwendet wird, auf mehr Ko¨pfe verteilt (Huerta de Soto, 1992, 8082). Diese Ideen wurden ihrerseits von anderen Gelehrten, die unter dem Einfluss der Österreichischen Schule standen, wie Julian Simon entwickelt, der sie auf die Theorie des demographischen Wachstums in La¨ndern der 3. Welt und die Analyse der nutzbringenden o¨konomischen Effekte der Einwanderung angewandt hat (Simon 1989 und 1994). Schließlich sind die Beitra¨ge der Ökonomen der Österreichischen Schule im Bereich der theoretischen Analyse des Rechts und der sozialen Ethik von großer Bedeutung. Beispielsweise ragt nicht nur die kritische Analyse Hayeks u¨ber den Begriff der sozialen Gerechtigkeit, die sich in Recht, Gesetz und Freiheit findet, hervor, sondern das weiter oben bereits zitierte Werk Kirzners Discovery, capitalism and distributive justice. In diesem Werk zeigt Kirzner, dass jeder Mensch ein Recht auf die Ergebnisse seiner eigenen unternehmerischen Kreativita¨t hat, eine Untersuchung, welche das zuvor erschiene Werk von Robert Nozick (Nozick, 1976) perfektioniert und vervollsta¨ndigt. Ein vorla¨ufiger Ho¨hepunkt wurde durch den brillantesten Schu¨ler von Rothbard, Hans Hermann Hoppe, mit seiner aprioristischen Rechtfertigung des Eigentumsrechts und des freien Marktes erreicht; von dem Habermas´schen Kriterium ausgehend, wonach die Argumentation die Existenz und die vorhergehende Achtung des Eigentums u¨ber den eigenen Ko¨rper und die Wesensmerkmale jeder Person voraussetzt, deduziert Hoppe logisch eine Theorie des freien Marktes und des Kapitalismus (Hoppe, 1989). Dieses Werk ist komplementa¨r zur naturrechtlichen Begru¨ndung der Freiheit, die Rothbard in seinem Klassiker Die Ethik der Freiheit darlegt (Rothbard, 2000). Es ko¨nnten noch weitere Forschungsbereiche aufgeza¨hlt werden, auf die sich in bereichernder Art und Weise das Programm der Österreichischen Schule auszubreiten ha¨tte. Wir denken jedoch, mit der Referenz an die dargelegten Bereiche gezeigt zu haben, welchen zuku¨nftigen Weg die Wirtschaftswissenschaft einschlagen ko¨nnte, wenn sie sich von den theoretischen und methodologischen Lastern, die bis heute auf ihr liegen, befreit hat. Die Aufnahme des Standpunktes der Österreichischen Schule kann allgemein in diesem Jahrhundert Friedrich August v. Hayek Institut

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dazu beitragen, eine Sozialwissenschaft im Dienste der Humanita¨t zu schaffen, die viel realistischer, weiter, reicher und erkla¨render ist.

7.4. Antworten auf Kritik und Kommentare Im Folgenden wird zu kritischen Kommentaren, die man gewo¨hnlich u¨ber die Österreichische Schule macht, Stellung genommen; aus Gru¨nden, die dargelegt werden, glauben wir, dass diese Kommentare nicht gerechtfertigt sind. Die ha¨ufigsten Kritikpunkte bezu¨glich der Österreichischen Schule sind die folgenden: A) „Beide Ansa¨tze (der o¨sterreichische und der neoklassische) schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern erga¨nzen sich eher“ Das ist die von jenen neoklassischen Autoren vertretene These, die eine eklektische, der Österreichischen Schule nicht offen entgegengesetzte Position eingenommen haben. Jedoch betrachten die Austrians allgemein, dass diese These nichts anderes ist als die unglu¨ckliche Konsequenz eines dem methodologischen Pluralismus eigenen Nihilismus, demzufolge alles gu¨ltig ist und das einzige Problem der Wirtschaftswissenschaft darin besteht, fu¨r jedes konkrete Problem die jeweils geeignete Methode zu wa¨hlen. Die Vertreter der Österreichischen Schule sehen in dieser These auch den Versuch, das neoklassische Paradigma gegenu¨ber den von der o¨sterreichischen Methodologie vorgebrachten scharfen Kritik zu immunisieren. Die These der Kompatibilita¨t beider Ansa¨tze ha¨tte ein Fundament, wenn die neoklassische Methode (die auf dem Gleichgewicht, der Konstanz und dem engen Konzept der Optimierung und Rationalita¨t beruht) wirklich der Form, nach der Menschen handeln, entsprechen wu¨rde und nicht, wie die Austrians argumentieren, in großem Maße die theoretische Analyse entstellt. Von daher ru¨hrt die Wichtigkeit, die Schlussfolgerung der neoklassischen Theoretiker neu zu formulieren; dabei ist jedoch der subjektivistischen und dynamischen Methode der Österreichischen Schule zu folgen, um damit klar herausstellen zu ko¨nnen, welche neoklassischen Schussfolgerungen aufgegeben werden mu¨ssen, weil ihre Analyse fehlerhaft ist. Es ist beispielsweise nicht vorstellbar, in das neoklassische Paradigma menschliche Realita¨ten wie den kreativen Unternehmer aufzunehmen, weil dies das konzeptionelle Schema der neoklassischen Kategorien weit u¨bersteigen wu¨rde. Der Versuch, subjektive Realita¨ten des Menschen, wie sie die Austrians untersuchen, in das neoklassische Korsett zu zwa¨ngen, fu¨hrt unfehlbar entweder zu einer plumpen Karikaturisierung dieser subjektiver Realita¨ten oder zu einem (begru¨ßenswerten) Zusammenbruch des neoklassischen Ansatzes, weil dieser aufgrund seiner konzeptionellen Struktur diese subjektiven Realita¨ten u¨berhaupt nicht, oder viel rudimenta¨rer als die Österreichische Schule aufnehmen kann. B) „Die Austrians sollten nicht die Neoklassiker fu¨r die Verwendung vereinfachender Annahmen kritisieren, weil diese dabei helfen, die Wirklichkeit besser zu verstehen“

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Fu¨r die Austrians ist es eine Sache, dass die Annahmen vereinfachend sind, und eine ganz andere, dass die Annahmen vollkommen irreal sind.Was die Österreichische Schule den Neoklassikern vorwerfen, ist nicht die Vereinfachung ihrer Annahmen, sondern dass sie der empirischen Wirklichkeit, wie der Mensch handelt bzw. wie sich dies manifestiert (dynamisch und kreativ), entgegengesetzt ist. Es ist deshalb das Irreale und nicht die Vereinfachung das Wesentliche an den neoklassischen Annahmen, die vom Standpunkt der Österreichischen Schule aus betrachtet, die Gu¨ltigkeit der theoretischen Schlussfolgerungen, welche sie in ihrer Analyse der verschiedenen Probleme der angewandten Ökonomie glauben erreicht zu haben, gefa¨hrden. C) „Die Austrians sind darin gescheitert, ihre theoretischen Vorschla¨ge zu formalisieren“ Dies ist beispielsweise das einzige Argument, das Stiglitz gegen die Österreichische Schule in seinem kritischen Werk u¨ber allgemeine GleichgewichtsModelle vorbringt (Stiglitz, 1994, 24-26). Es wurde bereits dargelegt, aus welchen Gru¨nden die Ökonomen der Österreichischen Schule von Anfang an sehr misstrauisch gegenu¨ber dem Gebrauch der mathematischen Sprache in unserer Wissenschaft waren. Fu¨r die Ökonomen der Österreichischen Schule ist der Gebrauch des mathematischen Formalismus eher ein Laster als eine Tugend, weil es eine symbolische Sprache ist, die auf das Gesuch der Anforderungen der Welt der Naturwissenschaften, der Ingeniuerwissenschaften und der Logik formuliert wurde, in denen die subjektive Zeit und die unternehmerische Kreativita¨t durch ihre Abwesenheit gla¨nzen und innerhalb derer die Tendenz besteht, die wesentlichen Eigenschaften der menschlichen Natur und des Menschen als Protagonisten sozialer Prozesse – welche die Ökonomen untersuchen sollten – zu ignorieren. Es steht immer noch eine Antwort der Mathematiker (falls sie jemals gegeben werden kann) auf die Herausforderung aus, eine „neue Mathematik“ zu entwerfen oder zu entwickeln, die fa¨hig wa¨re, die kreative Fa¨higkeiten des Menschen mit allen ihren Implikationen zu analysieren, ohne dabei auf das Postulat der Konstanz zuru¨ckzugreifen, das aus der Welt der Physik stammt und aufgrund derer man alle bis dato bekannten mathematischen Sprachen entwickelt hat. Nach unserer Meinung jedoch ist die ideale wissenschaftliche Sprache fu¨r die Beschreibung der kreativen Fa¨higkeit genau jene, welche die Menschen spontan in ihren ta¨glichen unternehmerischen Aufgaben geschaffen haben und der in den verschieden, in der Welt vorherrschenden verbalen Sprachen Ausdruck verliehen wird. D) „Die Austrians produzieren nur wenige empirische Arbeiten“ Das ist die von den Empirikern gegenu¨ber der Österreichischen Schule am meisten vorgebrachte Kritik. Obwohl die Austrians der Rolle der Geschichte eine außerordentlich hohe Bedeutung zusprechen, stellen sie jedoch heraus, dass der Friedrich August v. Hayek Institut

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Bereich, in dem sich ihre wissenschaftliche Aktivita¨t entwickelt, der Geschichte ganz verschiedenen ist. Dieser der Geschichte ganz verschiedener Bereich ist die Theorie, die zu kennen vorher notwendig ist, bevor sie auf die Wirklichkeit angewandt, oder durch historische Tatsachen veranschaulicht werden kann. Fu¨r die Austrians besteht im Gegenteil ein Überschuss an empirischen Arbeiten und ein relativer Mangel an theoretischen Arbeiten, die uns erlauben, das, was in der Realita¨t geschieht, zu verstehen und zu interpretieren. Die methodologischen Annahmen der neoklassischen Schule (Gleichgewicht, Maximierung und Konstanz der Pra¨ferenzen), obwohl sie scheinbar die Verwirklichung empirischer Studien und den „Kontrast“ bestimmter Theorien erleichtern, verschleiern jedoch oftmals die richtigen theoretischen Beziehungen und ko¨nnen deshalb zu schwerwiegenden theoretischen Fehlern bzw. zu Interpretationsfehlern hinsichtlich dem, was tatsa¨chlich in jedem konkreten historischen Moment oder Umstand geschieht, fu¨hren. E) „Die Austrians verzichten auf wirtschaftliche Prognosen“ Wie bereits ersichtlich wurde, sind die Theoretiker der Österreichischen Schule sehr bescheiden und vorsichtig hinsichtlich der Mo¨glichkeiten der wissenschaftlichen Vorhersage zuku¨nftiger Ereignisse in sozialem und wirtschaftlichem Bereich. Sie sind eher darum besorgt, ein Schema oder ein Arsenal von Konzepten und theoretischen Gesetzen zu konstruieren, aufgrund derer die Realita¨t interpretiert werden kann und den handelnden Personen (Unternehmer) dabei hilft, Entscheidungen mit ho¨herer Erfolgswahrscheinlichkeit zu treffen. Obwohl die „Vorhersagen“ der Austrians lediglich qualitativ sind und in strikt theoretischen Begriffen durchgefu¨hrt werden, ist es dennoch paradox, dass in der Praxis, aufgrund ihrer sehr viel realistischeren Annahmen in der Analyse (dynamische Prozesse und unternehmerische Kreativita¨t), ihre Schlussfolgerungen und Theorien, im Vergleich zu den von der Neoklassischen Schule entwickelten, wie vorhergesagt eingetroffen sind. Zwei Beispiele hierfu¨r sind die Vorhersage des Zusammenbruchs des real existierenden Sozialismus, die in der Mises´schen Analyse u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus mit eingeschlossen ist und die Vorhersage der Österreichischen Schule der Großen Depression von 1929. Erstaunlicherweise wurde keines dieser beiden transzendenten historischen Ereignisse von den neoklassischen Ökonomen vorausgesagt. F) „Die Austrians verfu¨gen u¨ber keinerlei empirische Kriterien fu¨r die Überpru¨fung ihrer Theorien“ Diese oft von jenen Empirikern vorgebrachte Kritik, die anscheinend unter dem Komplex des Ju¨ngers Thomas leiden und „nur das glauben, was sie sehen“, greift auf die empirische Realita¨t zuru¨ck, weil man nur mit ihrer Hilfe sicher sein ko¨nne, ob eine Theorie richtig ist oder nicht. Wie wir bereits sahen, ignoriert dieser Standpunkt, dass in der Ökonomie die empirische „Evidenz“ niemals unumsto¨ßlich ist, weil sie sich auf historische Pha¨nomene komplexer Natur bezieht, die

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keine Laborexperimente erlauben, in denen die relevanten Pha¨nomene isoliert und die u¨brigen Einflussfaktoren konstant gehalten werden ko¨nnen. Das heißt, die o¨konomischen Gesetze sind immer Ceteris paribus Gesetze, wohingegen in der historischen Realita¨t diese Annahme der Konstanz niemals erfu¨llt ist. Im Einversta¨ndnis mit den Austrians ist die Gu¨ltigkeitspru¨fung der Theorie mo¨glich und zwar durch eine sta¨ndige Bereinigung von Fehlern in der logisch-deduktiven Gedankenkette, der Analyse bzw. Überpru¨fung der verschiedenen Stufen des logisch-deduktiven Entwicklungsprozesses der verschiedenen Theorien sowie dem Gebrauch ho¨chster Vorsicht bei der Anwendung dieser Theorie auf die Wirklichkeit, d.h. bei der Bewertung, ob sich die theoretischen Annahmen im konkreten analysierten historischen Fall erfu¨llen oder nicht. Weil die Struktur des menschlichen Verstands uniform ist, ist die von den Austrians vorgeschlagene Gu¨ltigkeitspru¨fung ausreichend, um zu einer intersubjektiven Übereinkunft zwischen den verschiedenen Protagonisten in der wissenschaftlichen Arbeit zu gelangen. Jedoch, und trotz der ta¨uschenden a¨ußeren Erscheinung, ist diese Übereinkunft in der Praxis in Bezug auf die empirischen Pha¨nomene viel schwerer zu erreichen, weil diese aufgrund ihres komplexen Charakters bzw. ihrer verschiedenen und sich widersprechenden Interpretationen anfechtbar sind. G) „Der Vorwurf des Dogmatismus“ Dieser Vorwurf wird dank der Renaissance der Österreichischen Schule und ihrem besseren Versta¨ndnis seitens der wirtschaftswissenschaftlichen Profession zunehmend weniger vorgebracht. Jedoch verfielen in der Vergangenheit viele Ökonomen der neoklassischen Schule leicht der Versuchung, das o¨sterreichische Paradigma insgesamt zu diskreditieren, es als „dogmatisch“ abzustempeln, ohne weder im Detail seine unterschiedlichen Aspekte studiert, noch sich die Mu¨he gemacht zu haben, auf die Kritik seitens der Austrians zu antworten. Es war unter anderem Bruce Caldwell, der besonders kritisch mit der unnachgiebigen Haltung einiger Vertreter der neoklassischen Schule war. Sie bestand darin, die Methodologie der Österreichischen Schule zu verachten, ohne sie auch nur betrachtet zu haben, was Caldwell schließlich dazu fu¨hrte, diese Haltung selbst als dogmatisch, unwissenschaftlich und vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet als nicht gerechtfertigt zu bezeichnen. So fragte sich Caldwell, die Haltung Samuelsons gegenu¨ber den Austrians kritisierend:„Was sind die Gru¨nde, die sich hinter dieser fast unwissenschaftlichen Antwort auf die Praxeologie verbergen? Natu¨rlich verbirgt sich dahinter ein praktisch motivierter Argwohn: Das Humankapital der meisten Ökonomen sa¨he sich drastisch reduziert und veraltet, wenn sich die Praxeologie allgemein in unserer Disziplin durchsetzen wu¨rde. Aber der Hauptgrund, warum man die Methodologie von Mises ablehnt, ist weniger pragmatisch. Kurz gesprochen, die Sorge der Austrians um die ´ultimate Fundations´ der Wirtschaftswissenschaften du¨rften jenen Ökonomen, die diszipliniert ihre Methodologie bei Friedman lernten und deshalb sicher Friedrich August v. Hayek Institut

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sind, dass die Annahmen unwichtig sind und der Schlu¨ssel in der Vorhersage liege, sinnlos, wenn nicht pervers erscheinen. (...). Unabha¨ngig von den Gru¨nden, war diese Reaktion des vorherrschenden Paradigmas gegenu¨ber der Praxeologie, in ihrer Essenz, unwissenschaftlich.“ (Caldwell, 1994, 118-119). Die Arroganz und der Dogmatismus wurzelt in Wirklichkeit paradoxerweise in der Art, in der die neoklassischen Ökonomen gewo¨hnlich pra¨sentieren, was sie als den charakteristischsten Standpunkt der Ökonomie betrachten, wenn sie diesen ausschließlich auf den Prinzipien des Gleichgewichts, der Maximierung und der Konstanz der Pra¨ferenzen ausrichten. Auf diese Art maßen sie sich das Monopol im Versta¨ndnis „des Ökonomischen“ an, wenden dabei das Gesetz des Schweigens in Bezug auf alternative Sichtweisen, wie das o¨sterreichische Paradigma, an, das ihnen das Forschungsfeld mit einem reicheren und realistischeren Ansatz streitig macht. Fu¨r eine wu¨nschenswerte zuku¨nftige Entwicklung unserer Disziplin, mo¨chten wir die Hoffnung aussprechen, dass dieser verdeckte Dogmatismus (man erinnere sich z.B. an den Fall von Becker, 1995) definitiv verschwindet.

7.5. Schlussfolgerungen: eine vergleichende Bewertung des o¨sterreichischen Paradigmas Die vergleichende Bewertung der verschiedenen Paradigmen wird von den neoklassischen Ökonomen gewo¨hnlich, und in Übereinstimmung mit ihrer methodologischen Position, in strikt empirischen und quantitativen Begriffen durchgefu¨hrt. Fu¨r den „Erfolg“ eines methodologischen Standpunkts betrachten sie beispielsweise die Anzahl derjenigen Forscher, die ihm gefolgt sind. Sie beziehen sich oft auch auf die Zahl der konkreten Probleme, die scheinbar in operativen Begriffen durch den Ansatz, um den es sich handelt,„gelo¨st“ wurden. Jedoch ist das „demokratische“ Argument in Bezug auf die Anzahl der Wissenschaftler, die sich einem bestimmten Paradigma verschrieben haben, wenig u¨berzeugend (Yeager, 1997, 153, 165). Es handelt sich dabei nicht nur darum, dass in der Geschichte des menschlichen Denkens, selbst in den Naturwissenschaften, die Mehrheit der Wissenschaftler sich oft irrte, sondern außerdem stellt sich im Bereich der Wirtschaftswissenschaften ein zusa¨tzliches Problem: die empirische Evidenz ist niemals unumsto¨ßlich, weswegen die falschen Lehren nicht unverzu¨glich identifiziert und abgelehnt werden. Außerdem, wenn die auf dem Gleichgewicht basierenden theoretischen Analysen eine (scheinbare) empirische Besta¨tigung finden, obwohl die zugrunde liegende o¨konomische Theorie falsch ist, ko¨nnen sie als „gu¨ltig“ u¨ber sehr lange Zeitperioden hinweg fortbestehen, und selbst wenn sich der mit eingeschlossene theoretische Fehler schließlich manifestiert (wie dies mit operativen Lo¨sungen konkreter historischer Probleme geschehen ist), haben sie an Aktualita¨t eingebu¨ßt, der begangene theoretische Fehler in der Analyse bleibt unentdeckt oder fu¨r die Mehrheit gro¨ßtenteils verborgen.

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Wenn zu dem gesagten noch hinzugefu¨gt wird, dass bis heute (und sicher auch in Zukunft) eine naive aber nicht unbedeutende effektive Nachfrage seitens vieler sozialer Agenten (v.a. Vertreter der o¨ffentlichen Hand, Parteien, Interessensverba¨nde, Bu¨rger etc.) nach konkreten Vorhersagen und „operativen“ empirischen Analysen in Zusammenhang mit verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen besteht, wird versta¨ndlich, dass diese Nachfrage (genau wie die Nachfrage nach Horoskopen und astrologischen Voraussagen) tendenziell auf dem Markt von einem Angebot von „Analysten“ und „Sozialingenieuren“ befriedigt werden wird, die ihren Kunden, in einen Mantel von Achtbarkeit und wissenschaftlicher Legitimita¨t gehu¨llt, genau das liefern, was sich diese wu¨nschen. Auch Mises erkannte den Zusammenhang zwischen dem Berufstand des Ökonomen und dem Interventionismus. Er schrieb:„The development of a profession of economists is an offshoot of interventionism. The professional economist is the specialist who is instrumental in designing various measures of government interference with business. He is an expert in the field of economic legislation, which today invariably aims at hindering the operation of the market economy” (Mises, 1996, 869) Dass das Verhalten von Mitgliedern einer Profession von Spezialisten in Staatseingriffen in letzter Instanz Richter u¨ber ein Paradigma sein soll, das, wie das o¨sterreichische, methodologisch den von ihnen befu¨rworteten Interventionismus ablehnt, raubt dem „demokratischen“ Argument jede Grundlage. Wenn man außerdem erkennt, dass sich im Bereich der Ökonomie, im Unterschied zu den Ingenieur- und den Naturwissenschaften, eher als kontinuierliche Fortschritte, bedeutende Ru¨ckschritte und Fehler verzeichnen, die viel Zeit beno¨tigen, um erkannt und korrigiert zu werden, kann man scheinbar erfolgreiche operative Lo¨sungen nicht als Kriterium fu¨r den Erfolg heranziehen, weil das, was in operativen Begriffen heute als „richtig“ erscheint, morgen sich als falsch herausstellt, weil sich das theoretische Fundament dieser operativen Lo¨sung als falsch herausstellt hat. Gegenu¨ber dem empirischen Kriterium des Erfolgs schlagen wir ein qualitatives Kriterium vor. Im Einversta¨ndnis mit diesem Kriterium ist ein Paradigma dann erfolgreicher, wenn es eine gro¨ßere Anzahl fu¨r die Entwicklung der Menschheit bedeutender korrekter theoretischer Ansa¨tze hervorgebracht hat. Von dieser Perspektive aus betrachtet ist es offensichtlich, dass der o¨sterreichische Ansatz den neoklassischen klar u¨bertrifft. Die Österreichische Schule war fa¨hig, eine Theorie u¨ber die Unmo¨glichkeit des Sozialismus zu entwickeln, die, wa¨re ihr rechtzeitig mehr Beachtung geschenkt worden, der Menschheit schwerstes Leid ha¨tte ersparen ko¨nnen. Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus veranschaulichte und manifestierte zudem die Richtigkeit der o¨sterreichischen Analyse. Etwas a¨hnliches geschah mit der Großen Depression von 1929 und auch in anderen Feldern, auf denen die Austrians ihre dynamische Analyse der diskoFriedrich August v. Hayek Institut

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ordinierenden Effekte des staatlichen Interventionismus aufzeigten. So zum Beispiel im moneta¨ren Bereich und in der Kreditwirtschaft, den Konjunkturzyklen, der Neuentwicklung der dynamischen Wettbewerbs- und Monopoltheorie, der Theorie des Interventionismus, in der Artikulierung der neuen Kriterien der dynamischen Effizienz, welche die traditionellen Pareto-Kriterien ersetzen, der kritischen Analyse des Begriffs der „sozialen Gerechtigkeit“ und, insgesamt, in dem besseren und bzw. u¨berlegenerem Versta¨ndnis des von der unternehmerischen Kraft bewegten Marktes als sozialen Interaktionsprozess. Dies alles sind Beispiele wichtiger qualitativer Erfolge des o¨sterreichischen Ansatzes, die im Gegensatz zu den schweren Ma¨ngeln und Fehlern (oder gar des Scheiterns) des neoklassischen Ansatzes stehen; in diesem Zusammenhang ragt die von ihm zugegebene Unfa¨higkeit hervor, die theoretische Unmo¨glichkeit und die scha¨dlichen Folgen des sozialistischen Wirtschaftssystem rechtzeitig anzuerkennen und vorherzusagen. Sherwin Rosen, ein Neoklassiker der Chicago School meinte dazu:„The collapse of the central planning systemm in the past decade has come to us as a surprise to most of us“ (Rosen, 1997, 139-152). Ein anderer, „u¨berraschter“ Ökonom war Ronald H. Coase, der meinte:„nothing I´d read or known suggested that the colllapse was going to occur“ (Coase, 1997, 45). Es gibt sogar einige neoklassische Ökonomen wie Mark Blaug, die sehr mutig waren und schließlich ihre Lossagung vom allgemeinen Gleichgewichts-Modelle und dem statischen neoklassisch-walrasianischen Paradigma erkla¨rten; er schlussfolgerte:„I have come slowly and extremely reluctantly to view that they [die Österreichische Schule, Anm. d. Übers.] are right and that we have all been wrong“ (Blaug und De Marchi, 1991, 508). Vor kurzem hat sich Blaug erneut auf das neoklassische Paradigma im Zusammenhang mit seiner Anwendung in der Rechtfertigung des sozialistischen Systems als etwas „so administratively naive as to be positively laughable“ bezogen. Er fuhr fort:„Only those drunk on perfectly static equilibrium theory could have swallowed such nonsense. I was one of those who swallowed it as a student in the 1950s and I can only marvel now at my own dim-wittedness” (Blaug, 1993, 1571). Es zeigt sich die Notwendigkeit fu¨r unsere Wissenschaft, den von der Österreichischen Schule vorgeschlagenen subjektivistischen Ansatz weiter zu verfolgen und zu vertiefen, sofern man den Wunsch hat, u¨ber die Gewohnheit zu obsiegen, welche die besta¨ndige gesellschaftliche Nachfrage genauer Vorhersagen, Rezepte staatlicher Eingriffe und empirischer Studien bedeuten die, verborgen in einem empirischen Umfeld, in dem es sehr schwer ist, unbestreitbare Beweise bezu¨glich der vorgelegten Schlu¨sse zu erhalten und trotz ihrer, vom theoretischen Standpunkt aus betrachtet, Ma¨ngel, Akzeptanz finden. Solange die Menschen Lehren anha¨ngen, die sie dem konkreten Umstand entsprechend zufrieden stellen, und diese gegenu¨ber einer theoretisch richtigen Doktrin vorziehen, und solange der traditionelle Hochmut oder die fatale rationalistische Arroganz des Menschen weiter besteht, die ihn annehmen la¨sst, er verfu¨ge in jedem histo-

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rischen Moment u¨ber sehr viel mehr Informationen als er in Wirklichkeit u¨berhaupt haben kann (Hayek, 1996b), wird der Methodenstreit der Österreichischen Schule weitergehen. Angesichts dieser gefa¨hrlichen Tendenzen menschlichen Denkens, die dazu tendieren, in der einen oder anderen Form neuen Auftrieb zu erhalten, verfu¨gen wir u¨ber eine sehr viel realere, reichere und humanere Methodologie die bis dato von den Theoretikern der Österreichischen Schule entwickelt wurde und von der zu hoffen ist, dass sie zunehmend wichtiger wird fu¨r die Zukunft der Ökonomie.

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Rothbard, M.N.:„The end of socialism and the calculation debate revisited”, in: The Review of Austrian Economics, vol. 5, nº 3, S. 64-65, 1991 Rothbard, M.N.: Man, economy and state: A treatise on economic principels, Auburn, 1993 Rothbard, M., Economic Thought Before Adam Smith: An Austrian Perspective on the History of Economic Thought (Vol. I). Brookfield, 1995a Rothbard, M.; Classical Economics: An Austrian Perspective on the History of Economic Thought (Vol. II). Brookfield, 1995b Rothbard, M., The Logic of Action One: Method, Money, and the Austrian School, Glos (UK), 1997a Rothbard, M., The Logic of Action Two: Applications and Criticism from the Austrian School. Glos, UK: Edward Elgar Publishing Ltd., 1997b Rothbard, M.N.: Die Ethik der Freiheit, Sankt Augustin, 2000 Salas, J. de: Comentarii in secundam secundae D. Thomae de contractibus, Lyon, 1617 Salerno, J.T.:„The place of Mises´ Human Action in the development of modern economic thought”, in: The Quarterly Journal of Austrian Economics, Spring, vol. 2, nº 1, S. 35-65, 1999 Salop S.: „A model of the natural rate of unemployment”, in: American Economic Review, Ma¨rz, nº 69, S. 117-125, 1979 Samuelson, P.: Foundations of Economic Analysis, Cambridge (Massachusetts), 1947 Savavia de la calle, L.: Instruccio´n de mercaderes, Madrid, 1949 Schumpeter, J.A.: Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalo¨konomie, Leipzig/Berlin, 1970 Shapiro, C. und Stiglitz, J.:„Equilibrium unemployment as a discipline device”, in: American Economic Review, Juni, nº 74, S. 433-444, 1984 Simon, J.L.: The economic consequences of immigration, London, 1989 Simon, J.L.: The ultimate resource, Princeton, 1994 Simons, H.C.: The Annals of the American Academy of Political and Social Science, n° 236, S. 192-193, 1944 Skousen, M.: The structure of production, New York, 1990 Skousen, M.:„Who predicted the 1929 crash?”, in: The meaning of Ludwig von Mises, Herbener, J.M. (Hrsg.), Amsterdam, 1993 Stigler, G.:„The economics of information”, in: Journal of Political Economy, Juni, S. 213-225, 1961 Stiglitz, J.: Whither Socialism?, Cambrigde, Massachusetts, 1994

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Thomsen, E.: Prices and knowlegde: A market process perspective, London, 1992 Tipler, F.J.:„A liberal Europe”, in: Humane Studies Review, vol. 6, nº2, 1988 Turgot, A. R. J.: „Éloge de Gournay”, in: Oeuvres de Turgot, vol. 1, S. 262-291, Paris, 1844 Walra´s, L. : Correspondence of Leo´n Walras and related papers, Hrsg. Von W. Jaffe´, Amsterdam, 1965 Wieser, F. V.:„Das Wesen und der Hauptinhalt der Theoretischen Nationalo¨konomie”, in: Jahrbuch fu¨r Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, XXXV, nº 2, S. 909-931, 1911 Yeager, L.B.:„Austrian Economics, Neoclassicism and the market test”, in: Journal of Economic Perspectives, vol. II, nº 4, Herbst, S. 153-165, 1997

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Friedrich August v. Hayek Institut Durch konsequente Arbeit, mutige Aussagen und einer Reihe wichtiger, international beachteter Publikationen hat sich das F.A. v. Hayek Institut als einziger unabha¨ngiger Think Tank Österreichs, der sich konsequent fu¨r die Erforschung, Aufarbeitung und Verbreitung der Ideen F.A. von Hayeks und der o¨sterreichischen Schule einsetzt, erfolgreich etabliert. Diese Position verpflichtet und ihr weiterer Ausbau erfordert Wissen und Engagement. 2004 setzt das Hayek Institut wieder eine breite Palette von Aktivita¨ten im oben erla¨uterten Sinn um: Dazu za¨hlen weitere Stiftungsprofessuren an den Universita¨ten Wien und Klagenfurt; die Fortsetzung der Konferenzreihe „Austrian Economics Today“, die in Österreich und international viel positive Beachtung gefunden hat, mit einer Konferenz zu Innovation in Infrastruktur im mitteleuropa¨ischen Raum; die Herausgabe von Publikationen, insbesondere zu Fragen der Privatisierung und des Steuersystems. Außerdem erha¨lt und vertieft das Hayek Institut gute Kontakte zu Institutionen und Perso¨nlichkeiten in Politik und Medien und bringt sich zu entscheidenden Fragen der Freiheit des unternehmerisch denkenden und handelnden Menschen professionell ein. Das F.A. v. Hayek Institut ist „Großha¨ndler von Ideen“

Friedrich August v. Hayek Friedrich August v. Hayek wurde am 8. Mai 1899 in Wien geboren und hatte zwei Doktorate der Universita¨t Wien inne: das der Rechtswissenschaften sowie das der politischen Ökonomie. Ab 1923 besuchte er das „Privatseminar“ von Ludwig v. Mises, an dem auch G. v. Haberler, F. Machlup und O. Morgenstern sowie die Sozialphilosophen F. Kaufmann und A. Schu¨tz, der Geschichtsphilosoph E. Voegelin, die Historiker F. Engel-Janosi und M. Herzfeld teilnahmen. 1923/24 studierte er mit einem Rockefeller-Stipendium an der New York University. Mit Ludwig von Mises arbeitete er am Österreichischen Konjunkturforschungsinstitut, das 1927 gegru¨ndet wurde, und von 1929 bis 1931 war er Lektor fu¨r Wirtschaftswissenschaften an der Universita¨t Wien. Sein erstes Buch, Geldtheorie und Konjukturzyklus, kam 1929 heraus. 1931 wurde Hayek Tooke Professor for Economic Science and Statistics an der London School of Economics, und 1950 wurde er zum Professor of Social and Moral Science an der University of Chicago ernannt. 1962 wurde er zum Professor for Political Economy an der Universita¨t Freiburg bestellt, wo er 1967 Professor Emeritus wurde. 1968 hielt er eine Gastprofessur an der Universita¨t Salzburg. 1947 organisierte er die Konferenz in der Schweiz, die zur Gru¨ndung der Mont Pe´lerin Society fu¨hrte. 1974 erhielt er den Nobelpreis fu¨r Wirtschaft, 1984 wurde ihm die britische Auszeichung eines „Companion of Honour“ verliehen. Hayek wurde zum Fellow of the British Academy auserwa¨hlt. 1991 verlieh ihm Georg Bush die Presidential Medal of Freedom. Seine zahlreichen Werke umfassen u.a. The Pure Theory of Capital, 1941, The Road to Serfdom, 1944, The Counter-Revolution of Science, 1952, The Constitution of Liberty, 1960, Law, Legislation and Liberty, 1973-79, und The Fatal Conceit, 1988. Er starb am 23. Ma¨rz 1992 in Freiburg und wurde in Wien beerdigt.

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Pra¨sident: Heinrich Treichl, Wien

Vizepra¨sidenten: Werner Tessmar-Pfohl, Graz Christoph Kraus, Wien

Generalsekreta¨r: Barbara Kolm-Lamprechter

Vorstand: Dennis Bark, Stanford Markus Beyrer, Wien Friedhelm Boschert, Wien John Blundell, London Josef Christl, Wien Ed Feulner, Washington Gerhard Grund, Wien (Laurence Hayek, London ✝) Michael Ikrath, Wien Klaus Liebscher, Wien Manfred Leo Mautner Markhof, Wien Peter Mitterbauer, Wien Gerhard Schwarz, Zu¨rich

Rechnungspru¨fer: Werner Lanthaler, Wien Gerhard Riemer, Wien

Wissenschaftlicher Beirat: Christian Watrin, Ko¨ln (Vorsitz) Dario Antiseri, Rom Victoria Curzon-Price, Genf Carolina de Bolivar, Mexico Jacques Garello, Marseille Lord Harris of High Cross, London (✝) Jesu´s Huerta de Soto, Madrid Anthony de Jasay, Paluel/Frankreich Israel M. Kirzner, Brooklyn/USA Leonnard P. Liggio, Fairfax/USA Karl Socher, Innsbruck Michael Zo¨ller, Bayreuth

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Durch konsequente Arbeit, mutige Aussagen und fundierte Publikationen haben wir das F.A. v. Hayek-Institut wa¨hrend der letzten Jahre nicht nur als Ort des Werkes unseres großen Namensgebers etabliert. Wir haben auch die Ideen und den Ansatz der o¨sterreichischen Schule der Nationalo¨konomie wieder ins Gespra¨ch gebracht und dem internationalen Stand entsprechend dieser Schule die erste und einzige Heimsta¨tte in Österreich gegeben. Das F.A. v.Hayek Institut gilt heute als der kritische und unabha¨ngige Think Tank mit unum-strittener Kompetenz in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen.

Events und Highlights 2003-2006 Vorlesung des ersten F.A. v. Hayek Stiftungsgastprofessors: Univ. Prof. Dr. Christian Watrin, 22.01.03 in der Universita¨t Wien Buchpra¨sentation „Austrian Economics Today I“, Bd. 7, mit den Beitra¨gen der Referenten unserer internationalen Konferenz vom Okt. 2002, 09.04.03 im Bundesministerium fu¨r Finanzen Besuch von 80 Repra¨sentanten der Hoover Institution/Stanford in Wien mit Vorlesungen und gemeinsamer Abendveranstaltung, 29.05.03 im Palais Kaiserhaus Buchpra¨sentation „Der unbekannte Mises“, Bd. 8, mit Wirtschaftskammerpra¨sident Dr. Christoph Leitl, 16.06.03, Wirtschaftskammer Österreich Besuch einer Delegation amerikanischer Kongressabgeordneter, 17.08.03, am Institut Überreichung der Festschrift fu¨r Prof. Heinrich Treichl im Rahmen eines Empfanges mit dem o¨sterreichischen Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schu¨ssel, 01.10.03 Vorlesungen von Prof. Viktor Vanberg in Innsbruck, Stiftungsgastprofessur WS 2003/04, 19.11.03, Universita¨t Innsbruck Internationale Konferenz „Austrian Economics Today II: Economic Reform for a Competitive Economy”, 21.11.03, im Bundesministerium fu¨r Finanzen Netzwerktreffen fu¨r Mitglieder und Freunde: Wie werden die Ideen der Austrian Economics erfolgreich vermarktet?, 21.01.04, am Institut Vortrag Nobelpreistra¨ger Vernon Smith „Austrian School of Economics“, 02.03.04, im Parlament, Wien Netzwerktreffen fu¨r Mitglieder und Freunde:„Is EU enlargement a force for economic liberalization“ mit Dan Mitchell, Heritage Foundation,19.03.04, am Institut Friedrich August v. Hayek Institut

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Netzwerktreffen fu¨r Mitglieder und Freunde:„Die Freiburger Schule und das Problem der Politikreform“ mit Prof. Viktor Vanberg, 29.03.04, an der UNI Innsbruck Diskussionsabend „Österreich Konvent und Staatsaufgaben“, Mag. Alexis Wintoniak und Prof. Viktor Vanberg, 29.03.04, Wien Festvorlesung des F.A. v. Hayek Stiftungsprofessors: Univ. Prof. Dr. Viktor Vanberg an der Universita¨t in Innsbruck mit einem Geleitwort von BM FerreroWaldner, 30.03.04 Vortrag des Pra¨sidenten der Heritage Foundation Dr. Ed Feulner, Industriellenvereinigung, 01.06.04, Wien Festvorlesung Prof. Karen Vaughn in Klagenfurt, Hayek Stiftungsgastprofessur SS 2004 (in Kooperation mit der Popper Foundation), 01.06.04 Buchpra¨sentation „Der Weg zur Knechtschaft“, deutsche Erstausgabe von Hayeks „The Road to Serfdom“, Vortrag mit BM Dr. Martin Bartenstein, Dr. Laurence Hayek und John Blundell, Direktor des Institute of Economic Affairs, London, 07.07.04, Wien Internationale Konferenz „Austrian Economics Today III: Innovation, Privatization and the Public Interest”, gemeinsam mit dem Bundesministerium fu¨r Innovation, Technologie und Verkehr, 14.10.04, Porr Tower, Wien Diskussionsabend Kyoto Protokoll: What does it bring to the world?“, mit Dr. Andrej Illarionov und Prof. Julian Morrisin in Kooperation mit International Policy Network und der Industriellenvereinigung, 02.11. 04, im Palais Pallavicini, Wien Internationale Konferenz „Austrian Economics Today IV: Inernational Tax Competition: race (drop) to bottom or race to growth?”, 18.11.04, BMF Wien Festvorlesung von Prof. Charles Blankart, Stiftungsgastprofessur WS 2004/05, mit einem Geleitwort von BM Dr. Martin Bartenstein, 26.01.05, Wien Buchpra¨sentation „Austrian Economics Today II“, Bd. 10, mit den Beitra¨gen der Internationalen Konferenz vom Nov. 03, gemeinsam mit dem BM Dr. Martin Bartenstein, 11.03.05, Wien Netzwerktreffen fu¨r Mitglieder und Freunde: „The State – a maximazer of our personal happiness/fortune? Economics research of fortune and institutions“ mit Hayek Stiftungsgastprofessor Prof. Bruno S. Frey, 14.03 05, Wien und Universita¨t Klagenfurt Europ. Forum Alpbach „Globalization: the market versus politics?“ Ero¨ffnungsreferat Prof. Vernon Smith, gefolgt vom Arbeitskreis “Die Österreichische Schule der Nationalo¨konomie und ihre Bedeutung“, mit V. Smith, V. Curzon-Prize, P. Jungen, H. Kern, R. Rahn, M. Zo¨ller, 31.08. – 01.09.05, Alpbach

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Internationale Konferenz „Austrian Economics Today V: The Roots of Capitalism” + „Austrian Ball“, 16. – 18.10.05, Wien Vorlesungen der Hayek Stiftungsgastprofessoren Prof. Victoria CurzonPrice und Prof. Richard L. Stroup, WS 2005/2006 in Graz Festvorlesung von Priv.Doz. Dr. Hardy Bouillon in Salzburg, Stiftungsgastprofessur SS 2005, mit einem Geleitwort von EU-Kommissarin Dr. B. Ferrero Waldner, 26.01.06, Universita¨t Salzburg Vorlesungen von Hayek Stiftungsgastprofessor Prof. Steve Pejovich an der Universita¨t Innsbruck, Graz und Linz, SS 2006 Vortrag mit H. E. C. Boyden Gray, US Botschafter fu¨r die Europa¨ische Union, in Kooperation mit Kathrein & Co und Forum fu¨r Unternehmen, 19.04.06, Wien 29th Annual Resource Bank Meeting „Templeton Freedom Award“ fu¨r das Hayek Institut, 20. – 22.04.06, Colorado Vortrag „Wealth Creation and Economic Growth – a Hayekian Perspective“, April 06, Universita¨t Belgrad 3rd European Resource Bank Meeting Vienna „Summit of the Free Market Economy“, mit „Austrian Walk“ und „Austrian Ball“ im Palais Lichtenstein, Dinnerspeech des fru¨heren Premierministers von Israel, Benjamin Netanjahu, 29.06. – 02.07.06, Wien Europ. Wirtschaftsforum Alpbach: Arbeitskreis „Globalization in Conflict with Economic Theory?“ mit E. Weede, H.Kern, B. Kolm-Lamprechter, R. Rahm, M. Wohlgemuth, 31.08. – 01.09.06, Alpbach Vorlesungen von Hayek Stiftungsgastprofessor Michael Wohlgemuth an der Universita¨t Innsbruck, WS 2006/07 Internationale Konferenz „Austrian Economics Today VII: Pension Reform”, gemeinsam mit anderen Europa¨schen Think Tanks, Wien

Ganzja¨hrig finden in regelma¨ßigen Absta¨nden Veranstaltungen mit fu¨hrenden Wissenschaftern fu¨r unsere Mitglieder und Studenten statt. Ebenso organisiert das Institut regelma¨ßig das traditionelle „Center-Right-Coalition-Meeting.

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PUBLIKATIONEN des Friedrich A. von Hayek-Institutes (The International Library of Austrian Economics)

Vol./Band 1 „Von Menger bis Mises“ / Kurt R. Leube ISBN 3-933180-58-9

EUR 30,00

Vol./Band 2 „Von Hayek bis White“ / Kurt R. Leube ISBN 3-933180-59-7 (zurzeit vergriffen)

EUR 30,00

Vol./Band 3 „The Essence of Joseph Alois Schumpeter – Die wesentlichen Texte“ / Kurt R. Leube, ISBN 3-933180-60-0

EUR 30,00

Vol./Band 4 „Fritz Machlup, Fu¨hrer durch die Krisenpolitik“ / Kurt R. Leube ISBN 3-933180-61-9

EUR 30,00

Vol./Band 5 „Vordenker einer neuen Wirtschaftspolitik – Wirtschaftsordnung, Marktwirtschaft und Ideengeschichte“ / Kurt R. Leube ISBN 3-933180-87-2

EUR 30,00

Vol./Band 6 „Bo¨rsenkredit, Industriekredit und Kapitalbildung“ / Kurt R. Leube ISBN 3-89843-068-5

EUR 30,00

Vol./Band 7 „Austrian Economics Today I – Analyes, Ideas and Suggestions“ / Kurt R. Leube, ISBN 3-89981-009-0

EUR 30,00

Vol./Band 8 „Der unbekannte Mises – Reden und Aufsa¨tze zur o¨sterreichischen Wirtschaftspolitik der Zwischenkriegszeit“ / Kurt R. Leube ISBN 3-89981-010-4 EUR 30,00

Festschrift fu¨r Heinrich Treichl Christoph Kraus/ Barbara Lamprechter/ Kurt R. Leube ISBN 3-89981-024-4 Friedrich August v. Hayek Institut

EUR 30,00

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