Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland: unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung [1 ed.] 9783428428014, 9783428028016

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Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland: unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung [1 ed.]
 9783428428014, 9783428028016

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 201

Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung

Von Klaus Grupp

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS

GRUPP

Die Stellung der Rechnungshöfe i n der Bundesrepublik Deutschland

Schriften

zum ö f f e n t l i c h e n Band 201

Recht

Die Stellung der Rechnungshöfe i n der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung

Von D r . Klaus Grupp

D U N C K E R

&

H Ü M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1972 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1972 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 02801 5

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu K ö l n als Dissertation angenommen, jedoch wegen der zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Haushaltsrechts auf Länderebene vor der Veröffentlichung weitgehend überarbeitet. Das Manuskript wurde am 30. A p r i l 1972 abgeschlossen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Stern, danke ich für die Förderung und Betreuung dieser Arbeit; Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann gilt mein Dank für die Aufnahme der Schrift i n sein Verlagsprogramm. Berlin, i m August 1972 Klaus Grupp

Inhaltsverzeichnis Einleitung

11

Erster Teil Die Entwicklung der Rechnungsprüfung in Deutschland, insbesondere in Preußen, bis zum Jahre 1945

14

A. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

16

I. Errichtung u n d S t r u k t u r der Rechnungsprüfungsorgane i n Sachsen u n d i n Preußen

17

1. Der sächsische Ober-Rechen-Rat

17

2. Die General-Rechen-Kammer i n Preußen

20

a) Die Gründung und die ersten Instruktionen b) Die weitere Entwicklung Friedrich W i l h e l m 1

der

Rechnungsprüfung

20 unter

25

c) Rechnungsprüfung unter Friedrich I I .

27

d) Die Wiedererlangung der Immediatstellung unter Friedrich Wilhelm I I

29

e) Reformen der Rechnungsprüfung bis zur I n s t r u k t i o n v o m 18. Dezember 1824

31

f) Die Ober-Rechnungskammer 18. Dezember 1824

35

nach der I n s t r u k t i o n

vom

I I . Die Rechnungsprüfungsbehörden als Kontrollorgane des Monarchen B. Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat I. Die preußische Ober-Rechnungskammer nach dem Gesetz vom 27. März 1872

38 42 43

1. Aufgabe und Organisation der Ober-Rechnungskammer

45

2. Die staatsrechtliche Stellung der Ober-Rechnungskammer . . . .

48

I I . Der Rechnungshof des Deutschen Reichs bis zum Jahre 1919 1. Die Organisation der Rechnungsprüfung

58 59

a) Die Finanzkontrolle i m Norddeutschen B u n d

59

b) Rechnungsprüfung i n der Zeit von 1871 bis 1919

60

2. Der Rechnungshof als Organ der V e r w a l t u n g

62

8

Inhaltsverzeichnis

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach der Reichsverfassung v o m 11. August 1919 u n d der Reichshaushaltsordnung v o m 31. Dezember 1922

65

I. Die Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung

66

I I . Die staatsrechtliche Stellung des Rechnungshofes

69

1. Der Rechnungshof als Gericht?

71

2. Rechnungshof u n d gesetzgebende Gewalt

72

3. Der Rechnungshof als Verwaltungsbehörde

75

D. Finanzkontrolle i m nationalsozialistischen Staat I. Die Veränderung der inneren S t r u k t u r u n d der Aufgaben des Rechnungshofes I I . Die Stellung des Rechnungshofes i m „ D r i t t e n Reich" E. Zusammenfassung — Die A r t e n der Kontrolle

Zweiter

79 79 80 81

Teil

Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland nach den gesetzlichen Vorschriften von Bund und Ländern A. Rechnungsprüfung i m B u n d bis zum Jahre 1969 I. Die Entwicklung bis zum I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes I I . Rechnungsprüfung nach A r t . 114 a. F. GG, dem Bundesrechnungshofgesetz und der Reichshaushaltsordnung B. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern I. Die Stellung der Rechnungshöfe i m konstitutionellen Gefüge

85 86 86 87 89 92

1. Der Rechnungshof — ein Verfassungsorgan?

93

2. Die Bedeutung der Stellung der Rechnungshöfe als selbständiger oberster Behörden des Bundes u n d der Länder

95

I I . Die Rechtsstellung der Mitglieder

96

I I I . Der organisatorische A u f b a u

100

1. Die innere Organisation des Bundesrechnungshofes

100

a) Die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit u n d die Kollegialverfassung 103 b) Die Verfassungswidrigkeit

einiger Organisationselemente 105

2. Die Organisation der Landesrechnungshöfe

110

Inhaltsverzeichnis I V . Die Aufgaben der Rechnungshöfe 1. Die Prüfungsaufgaben

112 112

a) Die Prüfungszuständigkeit

113

b) Der I n h a l t der Prüfung

117

c) Das Prüfungsverfahren

118

d) Das Prüfungsergebnis

120

2. Sonstige Aufgaben der Rechnungshöfe

121

V. Der Verkehr der Rechnungshöfe m i t den Parlamenten u n d den Regierungen 126 V I . Das Verhältnis der Rechnungshöfe untereinander

131

V I I . Rechnungshof u n d nachgeordnete Prüfungsinstanzen

135

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

137

I. Das Gewaltenteilungssystem i n der Bundesrepublik Deutschland 138 I I . Das Verhältnis der Rechnungshöfe zu den Organen der Gesetzgebung 141 I I I . Rechnungshöfe u n d rechtsprechende Gewalt

148

1. Der Begriff der Rechtsprechung i m materiellen Sinne

150

2. Die Tätigkeit des Rechnungshofes

152

I V . Die Rechnungshöfe als Organe der vollziehenden Gewalt

159

1. Die Tätigkeit der Rechnungshöfe als Verwaltungsbehörden . . 160 2. Die Stellung der Rechnungshöfe innerhalb der V e r w a l t u n g . . 162 D. Die institutionelle Garantie der Rechnungsprüfung

165

Zusammenfassung

168

Literaturverzeichnis

170

Abkürzungen Die verwendeten Abkürzungen — m i t Ausnahme der unten aufgeführten — entsprechen denen i n : Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Aufl., B e r l i n 1968. ders. = derselbe DÖH = Der öffentliche Haushalt Evang. Staatslexikon = Evangelisches Staatslexikon (hrsg. von Germann K u n s t u n d Siegfried Grundmann i. V. m. W i l h e l m Schneemelcher u n d Roman Herzog), Stuttgart u n d B e r l i n 1966 FischZ = Fischers Zeitschrift f ü r Praxis u n d Gesetzgebung der Verwaltung m. w. N. = m i t weiteren Nachweisen ZGesStW = Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft

Einleitung Die Stellung der Rechnungshöfe i n der Bundesrepublik Deutschland i m System der Gewaltenteilung sei — so schrieb Friedrich Klein 1 i m Jahre 1964 — „die zur Zeit wohl am meisten umstrittene verfassungstheoretische Frage i m Zusammenhang m i t der staats- und verfassungsrechtlichen Stellung der Rechnungshöfe". Obwohl i n Deutschland das Institut der Rechnungsprüfung zu diesem Zeitpunkt schon über 250 Jahre bestand, war ihr Verhältnis zur gesetzgebenden, zur vollziehenden und zur rechtsprechenden Gewalt noch längst nicht abschließend geklärt. Die Ursachen für das Andauern der Diskussion sind unschwer zu erkennen: sie liegen i n der geschichtlichen Entwicklung des Kontrollwesens sowie in den staatsrechtlichen und politischen Veränderungen, die eine ständig neue Betrachtung erforderlich machten. Bis zur Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung galten die Erörterungen i n den — nicht sehr zahlreichen — einschlägigen Veröffentlichungen vorwiegend dem Anliegen, das Wesen der Rechnungsprüfung zu charakterisieren, die Unabhängigkeit der Rechnungsprüfer gegenüber den Prüfungsobjekten zu sichern und die Bedeutung ihrer Arbeit zu unterstreichen, vor allem aber deren Ergebnisse nicht nur dem Monarchen, sondern auch der erstarkenden Volksvertretung zugänglich zu machen, die das von ihr erkämpfte Budgetbewilligungsrecht so lange nicht i n vollem Umfange nutzen konnte, wie ihr eine Kontrolle des Budgetvollzuges nur sehr beschränkt möglich war. Nach dem Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie begann die wissenschaftliche Diskussion u m das Verhältnis der Rechnungsprüfung zu den Staatsgewalten. Die finanziellen Schwierigkeiten i n den Jahren nach 1919 machten jedoch die Ausgestaltung der Finanzkontrolle und die Untersuchung der damit zusammenhängenden Probleme des Haushaltsrechts vordringlich gegenüber einer Erörterung der staatsrechtlichen Stellung der Rechnungshöfe. Die politischen Verhältnisse i n der Zeit von 1933 bis 1945 boten keinen Anlaß zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Rechnungsprüfung und unterschiedlichen Staatsgewalten; die Diskussion beschränkte sich i n erster Linie darauf, die Finanzkontrolle i n den Vollzug des staatlichen 1 Die institutionelle Verfassungsgarantie der Rechnungsprüfung, i n : 250 Jahre Rechnungsprüfung, S. 133 ff. (136).

12

Einleitung

Führungswillens einzuordnen und sie zu einem effizienten Werkzeug der Staatsleitung zu machen. Als nach 1945 das Schwergewicht der politischen Macht erneut auf die Parlamente überging und die staatliche Haushaltswirtschaft einen ständig steigenden Umfang annahm, begann sich auch die Staatsrechtslehre i n zunehmendem Maße für die Stellung der Rechnungshöfe zu interessieren. Ausgelöst wurde der Meinungsstreit, als sich die Wissenschaft mehr als früher auch den Problemen der innerstaatlichen Organisation widmete, die bislang zugunsten der Untersuchung der Beziehungen zwischen Staat und Bürger vernachlässigt worden waren. I n größerem Ausmaß haben schließlich die Auseinandersetzungen um die Rechtsstellung des Bundesverfassungsgerichtes i n den Jahren 1952/53 sowie die Diskussionen über die „Entfesselung der Dritten Gewalt" die Rechnungshöfe i n den Blickpunkt der Staatsrechtslehre gerückt. Der Wissenschaft stellte sich die Aufgabe, das Verhältnis der i n A r t . 114 Abs. 2 GG erwähnten Rechnungsprüfung zu den drei Staatsgewalten gemäß A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG zu untersuchen. Erschwert wurde dies dadurch, daß der Verfassungsgeber darauf verzichtet hatte, den Begriff der Rechnungsprüfung zu klären, und bei den Beratungen des Grundgesetzes an den bestehenden Rechtszustand angeknüpft hatte 2 . Überdies galt sowohl i m Bund als auch i n den Ländern weitgehend das Haushaltsrecht aus der vorkonstitutionellen Zeit fort, das nunmehr an den nach 1945 geschaffenen Verfassungsnormen gemessen werden mußte. Die Erörterung des Problems führte zu den widersprüchlichsten Lösungen 3 : Die Rechnungshöfe wurden entweder zur gesetzgebenden oder zur vollziehenden oder zur rechtsprechenden Gewalt gezählt oder als zwischen den Gewalten stehend, als vierte Gewalt oder als Einrichtung sui generis bezeichnet. Auch die i m Jahre 1969 vorerst beendete Neuordnung des Haushaltsrechts auf Bundesebene hat eine abschließende A n t w o r t auf diese Fragen nicht gebracht 4 , sondern der Auseinandersetzung nur neue Grundlagen gegeben. Die vorliegende Untersuchung w i l l dazu beitragen, das Verhältnis der Rechnungsprüfung zu den Staatsgewalten zu klären. Wegen der grundlegenden Neufassung des A r t . 114 Abs. 2 GG und der Novellierung des Bundeshaushaltsrechts ist es aber nicht möglich, von einem gesicherten Begriff der Rechnungsprüfung auszugehen, der institutionell garantiert ist. Die Untersuchung muß sich vielmehr vorab der Frage zuwenden, inwieweit das staatliche Finanzkontrollrecht umgestaltet wurde. Ange2 Vgl. Doemrning/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte der A r t i k e l Grundgesetzes, i n : JöR N.F. 1 (1951), 1 ff. (818 ff.). 3 Vgl. den Überblick bei Friedrich Klein, S. 136 ff. 4 a. A . w o h l Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 30.

des

Einleitung

sichts der Tatsache jedoch, daß bei der Haushaltsrechtsreform weitgehend die überkommene Form der Finanzkontrolle fortentwickelt wurde 5 , kann die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem nicht isoliert von der geschichtlichen Entwicklung bestimmt werden 6 . Den verfassungsrechtlichen Erörterungen auf Grund der geltenden gesetzlichen Regelungen ist daher i m ersten Teil ein Uberblick über die Entwicklung seit dem beginnenden 18. Jahrhundert vorangestellt. Dabei sollen die den Rechnungsprüfungsorganen gestellten Aufgaben und ihre Eingliederung i n den Staatsorganismus untersucht werden, damit auf dieser Grundlage ihr Verhältnis zu den drei Staatsgewalten unter den jeweils geltenden staatsrechtlichen Bedingungen festgestellt werden kann; denn nur so läßt sich erkennen, welcher Rechtszustand zur Zeit der Beratungen des Grundgesetzes bestand und wo eine Weiterentwicklung der Rechnungsprüfung ansetzen mußte. Ausgehend von den hierdurch gewonnenen Ergebnissen w i r d sich die Untersuchung i m zweiten Teil den geltenden Vorschriften über die Stellung sowie die Aufgaben der Kontrollorgane zuwenden und ihre Funktion m i t der der Parlamente, der Verwaltungsbehörden und der Gerichte vergleichen, um so die staats- und verfassungsrechtliche Stellung der Rechnungshöfe zu bestimmen 7 . Allerdings ist es nicht möglich, i m Rahmen dieser Arbeit das überaus komplexe Gebiet der Rechnungsprüfung i n seiner Gesamtheit darzustellen. Die Untersuchung der historischen Entwicklung muß daher auf die wesentlichen Züge, die des geltenden Rechts auf die charakteristischen Merkmale der Organisation und der Aufgabenstellung der Rechnungshöfe und ihrer Stellung i m Gewaltenteilungssystem beschränkt werden. Abschließend soll jedoch noch versucht werden, zusammenfassend zu zeigen, welchen Inhalt die institutionelle Garantie der Rechnungsprüfung auf Grund der Novellierung des A r t . 114 GG nunmehr hat.

5 Vgl. die amtliche Begründung der Gesetzentwürfe zur Haushaltsreform, BTDrucks. V/3040, S. 41 f. β So auch schon Saemisch/Stengel, A r t . Kontrollrecht, i n : Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, 3. Band, S. 703 ff. 7 Die Stellung u n d Aufgaben des ehemaligen Sparkommissars u n d des B u n desbeauftragten f ü r die Wirtschaftlichkeit i n der V e r w a l t u n g werden dabei n u r kurz erörtert werden: sie sind f ü r den Status der Rechnungshöfe ohne wesentliche Bedeutung.

Erster Teil

Die Entwicklung der Rechnungeprüfung i n Deutschland, insbesondere in Preußen, bis zum Jahre 1 9 4 5 Die staatsrechtliche Stellung der Haushaltskontrolle i n ihren Anfängen läßt sich nur selten i n vollem Umfang aus den Erlassen zu ihrer Gründung erkennen, sofern diese Urkunden überhaupt noch eingesehen werden können. Vielfach geben nur die Bestimmungen bezüglich der A r t und des Umfangs der Rechnungsprüfung und hinsichtlich des Status der Prüfer über das Verhältnis zu den drei Staatsgewalten Aufschluß. Daher sollen i m folgenden jeweils die diesbezüglichen Regelungen vorab untersucht werden, damit auf Grund dessen die staatsrechtliche Stellung der Rechnungshöfe dargestellt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die heute allgemein anerkannte Vorstellung von der Gliederung einer unteilbaren Staatsgewalt i n drei unterschiedliche Gewalten, wie sie in Art. 20 Abs. 2 GG ihren Niederschlag gefunden hat, zwar ihren Ursprung i n Werken hat, die etwa zur Zeit der Gründung selbständiger Revisionsbehörden i n Deutschland erschienen 1 , zu jener Zeit das Verfassungsleben aber noch unbeeinflußt ließen. Die Anschauungen über die Gewaltenteilung haben sich seit dem 18. Jahrhundert ohnehin sehr stark gewandelt, die heutige Auffassung stimmt mit der Montesquieus, ihres angeblichen Schöpfers, nur noch sehr entfernt überein 2 . Ein den Vergleich mit der derzeitigen Rechtslage ermöglichendes Ergebnis kann nur gewonnen werden, wenn an dem jeweiligen Verfassungszustand die Stellung und die Funktion der Rechnungssrüfungsbehörde gemessen werden, und danach untersucht wird, i n welchem Verhältnis sie zu den drei Staatsgewalten Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung — die Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG nennt — jeweils stand. 1 Locke , T w o Treatises of c i v i l Government (1690); Montesquieu, De L'Esprit des Lois (1748). 2 Vgl. aus der überaus umfangreichen L i t e r a t u r dazu z.B.: Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, S. 1 ff.; Peters,Die Gewaltentrennung i n moderner Sicht, S. 7 ff.; Drath, Die Gewaltenteilung i m heutigen deutschen Staatsrecht, i n : Faktoren der Machtbildung (Bd. 2 der Schriften des Instituts f ü r Politische Wissenschaft), S. 99 ff., abgedruckt i n : Z u r heutigen Problematik der Gewaltentrennung (Wege der Forschung, Bd. 194), S. 21 ff.; Kägi, V o n der klassischen Dreiteilung zur umfassenden Gewaltenteilung, i n : Festschrift f ü r Hans Huber, S. 151 ff. (157 ff.).

Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

15

Das Institut der Rechnungsprüfung i n Deutschland blickt auf eine lange Tradition zurück 3 . Bis zum 17. Jahrhundert handelte es sich hierbei jedoch nicht u m Rechnungsprüfung i m modernen Sinne; eine Kontrolle der Staatsausgaben durch eine eigens dafür geschaffene, von der die Ausgaben tätigenden Verwaltung unabhängige Institution existiert i n Deutschland erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts. Bis zu diesem Zeitpunkt war wegen der i n den deutschen Staaten vorherrschenden landständischen Verfassungsordnung ein institutionell von der Finanzverwaltung getrenntes Revisionsorgan nicht erforderlich gewesen. Die landständische Verfassung bedingte eine Trennung der Finanzadministration i n eine Kammer- und eine Kontributionalverwaltung 4 : Die ständische KontributionalVerwaltung zog die dem Landesherrn bewilligten Steuern ein und leitete sie an i h n i n vereinbarter Höhe für vorher festgelegte Ausgaben (z. B. Reichssteuern und Militärausgaben) weiter, so daß eine Rechnungsprüfung entbehrlich war. Die nach dem Prinzip der Fondswirtschaft arbeitende fürstliche Kammerverwaltung — aus den Erträgen der Kammergüter, den Einnahmen aus nutzbaren Regalien und den seit alters her den Kammern zufließenden Abgaben wurden die Kosten der allgemeinen Verwaltung, die Ausgaben des Fürsten u. ä. bestritten — kannte nur eine Revision der Kammerkassen durch die Hofkammer. Die Rechnungsprüfung wurde also innerhalb der Verwaltung des Fürsten durch das höchste Verwaltungorgan durchgeführt; die ständische Kontributionalverwaltung bedurfte einer Kontrolle nicht, weil die Höhe der Kontributionen festgelegt war. Eine Rechnungskontrolle durch eine institutionell eigenständige, zu diesem Zweck geschaffene Behörde entstand erst i m Jahre 1707 i m Königreich Sachsen. Ditfurth 5 vertrat die Ansicht, der sächsische OberRechen-Rat sei Vorbild für die später erfolgte Gründung einer Rechnungsprüfungsbehörde i n Preußen gewesen. Haase 6 hat demgegenüber klargestellt, daß diese Annahme Ditfurths unzutreffend ist — die Stiftung des sächsischen Ober-Rechen-Rats mag höchstens eine Anregung für den preußischen König gewesen sein. A u f die weitere Entwicklung des Instituts der Rechnungsprüfung i n Deutschland hat die sächsische Einrichtung keinen Einfluß gehabt; auf Grund der i m 18. Jahrhundert sich anbahnenden politischen Vormachtstellung Preußens i n Deutschland w u r 3 Vgl. dazu Ditfurth , Z u r Geschichte der Königlich Preußischen Ober-Rechnungskammer, S. 2 ff.; Heinig , Das Budget, 1. Bd., S. 28 ff.; Pfuhlstein , Der Weg v o n der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, i n : 250 Jahre Rechnungsprüfung, S. 7 ff. (8 f.). 4 Vgl. hierzu u n d zum Folgenden: Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 58 ff. 5 S. 13. 8 Die Errichtung u n d die erste I n s t r u k t i o n der Preußischen Ober-Rechnungskammer, in: FinArch 39 (1922), 1 ff. (49 ff.).

Erster T e i l : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

den das preußische Rechnungsprüfungswesen Vorbild für die weitere Entwicklung und seine Kontrollorganisation i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts i n nahezu unveränderter Form Rechnungsprüfungsbehörde des Norddeutschen Bundes und des Reiches. I n den nichtpreußischen Staaten Deutschlands ging die Entwicklung der Rechnungsprüfung eigene Wege 7 : Die Haushaltskontrolle erfolgte unter der Oberaufsicht der Finanzministerien, war also Rechnungsaufsicht innerhalb der den Staatshaushalt verwaltenden Behörde. Da der Einfluß der außerpreußischen Regelungen auf die Entwicklung i n Deutschland minimal blieb, beschränkt sich die vorliegende Arbeit für die Zeit bis zum Jahre 1945 auf die Untersuchung der Einrichtungen i n Preußen und i m Reich; lediglich die Gründung des sächsischen OberRechen-Rates soll kurz betrachtet werden, w e i l hierbei erstmals entscheidende Wesensmerkmale der Rechnungsprüfung ersichtlich werden 8 .

A. Rechnungsprüfung in der absoluten Monarchie Zur Zeit der Gründung der ersten unabhängigen Rechnungskontrollbehörden, am Anfang des 18. Jahrhunderts, wies ein Großteil der deutschen Staaten eine absolutistische Verfassung auf 1 ; einige Staaten — wie Mecklenburg und Württemberg — blieben jedoch bis i n das 19. Jahrhundert hinein landständisch konstituiert. Der absolute Herrscher verkörperte den Staat, er vereinigte sämtliche Staatsgewalten i n seiner Person. Demgemäß bestand keine Trennung zwischen den Finanzen des Staates und denen des Herrschers 2 , der sich ein unmittelbares Steuererhebungsrecht gegen den Widerstand der Landstände erkämpft hatte und die Abgaben weitgehend durch eigene Behörden einziehen ließ 8 . Aber auch i n den Staaten, i n denen die Trennung zwischen fürstlicher Kammerwirtschaft und ständischer Kontributionalverwaltung noch aufrechterhalten wurde, verlor der Dualismus i n der Finanzverwaltung erheblich an Bedeutung 4 : Die wachsenden Aufgaben der zivilen Verwaltung führten zu einer steigenden Ausgabenlast, deren Kosten durch 7

Vgl. dazu i m einzelnen Pfuhlstein , S. 68 ff. Lange, Verfassungsrechtliche Probleme i m Zusammenhang m i t Rechnungsprüfung u n d Rechnungshof, S. 23. 1 Anschütz, Rückblick auf ältere Entwicklungsstufen der Staatsbildung u n d des Staatsrechts i n Deutschland, i n : HdbDStR Bd. I, S. 17 ff. (26). 2 Saemisch/ Stengel, Kontrollrecht, S. 703. 3 Anschütz, Rückblick, S. 26 (mit Hinweisen auf den unterschiedlich großen Einfluß der Landstände i n Preußen u n d Sachsen — vgl. zu den Verhältnissen dieses Staates auch Löbe, Die oberste Finanzkontrolle des Königreichs Sachsen i n ihrer organischen Entwicklung v o n den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, i n : F i n A r c h 2 [1885], 589 ff. [643 ff.]). 4 Vgl. hierzu Mußgnug, Haushaltsplan, S. 92 ff., der auch die besondere E n t wicklung i n Mecklenburg darstellt (S. 94 ff.). 8

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

17

immer neue und höhere Steuern aufgebracht werden mußten. Zwar wurden die Steuern noch von den Ständen erhoben, aber sie wurden bald nicht mehr nur für vorher festgelegte Ausgaben, sondern auch für allgemeine Verwaltungskosten verwendet. Die Steuern und Abgaben der Stände entwickelten sich zu beständig wiederkehrenden, der Kontrolle durch die Stände entgleitenden Leistungen zur Schließung von Deckungslücken, die i m Finanzbedarf der allgemeinen Verwaltung entstanden. Schon für ihre Kammereinnahmen i n vorabsolutistischer Zeit hatten die Fürsten i m Rahmen der Verwaltung Kontrollabteilungen eingerichtet 5 ; die wachsenden Aufgaben der allgemeinen Verwaltung sowie die steigenden Einnahmen und Ausgaben verlangten nicht nur den Ausbau der Finanzadministration, sondern auch der Kontrolle über die Arbeit der Verwaltung 6 . I . Errichtung u n d S t r u k t u r der Rechnungsprüfungsorgane i n Sachsen und i n Preußen

Die Einrichtung von Rechnungsprüfungsbehörden, die unabhängig von den die Einnahmen und Ausgaben verwaltenden Behörden waren, erfolgte lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit, wie die Geschichte der Errichtung des sächsischen Ober-Rechen-Rates und der preußischen General-Rechen-Kammer zeigt: Die organisatorische Trennung von Finanzverwaltung und Finanzkontrolle sollte die Effizienz der Rechnungsprüfung gewährleisten. 1. Der sächsische Ober-Rechen-Rat

Die Anfänge einer geregelten Kontrolle der landesherrlichen Finanzen lassen sich i n Sachsen bis zurück i n das Jahr 1349 urkundlich nachweisen 7 . I m Laufe der Jahrhunderte erließen die sächsischen Fürsten für die verschiedenen Verwaltungszweige besondere Ordnungen, die auch das Rechnungswesen weitgehend regelten. I n der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde dann begonnen, den bis dahin geschaffenen einheitlichen Verwaltungs- und Kontrollorganismus wieder zu dezentralisieren. Den fünf am Anfang des 18. Jahrhunderts bestehenden Hauptkassen waren fünf verschiedene Revisionsbehörden beigeordnet, die m i t den Kassen i n enger Verbindung standen. Dies und der Umstand, daß die Revision nicht oder nur sehr nachlässig durchgeführt wurde, veranlaßten Friedrich 5 Vgl. Lobe, S. 589 ff.; Pfuhlstein, S. 8 f.; Mußgnug, Haushaltsplan, S. 70 f.; Holtz, Die Staatshaushaltskontrolle nach der neuen staatsrechtlichen E n t w i c k lung, i n : FinArch N.F. 3 (1935), 193 ff. (197 f.). 6 Vgl. Lobe, S. 635 ff.; Holtz, S. 197 f.; Ditfurth, S. 3 ff. 7 Vgl. Lobe, S. 589 ff.; die Arbeit Lobes liegt auch der folgenden Darstellung zugrunde.

2 Grupp

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

August I., eine von den obersten Landesbehörden unabhängige zentrale Kontrolle einzurichten. I n einem Reskript vom 29. Mai 1706 verkündete er, daß er „besserer Ordnung halber, u n d damit die Rechnungen bey den Hauptkassen fleissiger als zeithero bei ein u n d anderer geschehen, u n d zwaren nicht nach bissherigem Gebrauch von denenselben, so die Direction und Disposition darüber gehabt, sondern von unparteyischen Personen defectiret und abgenommen werden mögen, für nötig und dienlich erachte, eine Chambre des comtes oder Rechnungscollegium aufzurichten" 8 .

A u f der Grundlage eines Kommissionsentwurfs wurde dann durch Reskript vom 24. M a i 1707 die geplante Prüfungsbehörde errichtet; am selben Tage erließ der Kurfürst eine Instruction , wie es bey der neu aufgerichteten Chambre des Comtes oder Ober-Rechen-Rath gehalten werden solle 9. Diese Instruktion, bestehend aus einer Präambel und 25 Paragraphen, wiederholte noch einmal den Anlaß der Errichtung: Die Revisionsbehörde sollte unabhängig von den Verwaltungsbehörden sein und dadurch besser und schneller die Staatsfinanzen kontrollieren können. Der Ober-Rechen-Rat war den Ministerien gleichgestellt und nur dem Landesherrn unmittelbar untergeordnet, da nach § 2 der Instruktion der Kurfürst gestattet hatte, daß „ i n Unsern hohen Nahmen geschrieben w i r d " und ein entsprechendes Siegel geführt würde. Hauptaufgabe des Ober-Rechen-Rates war die Revision der Rechnungen der fünf Hauptkassen und der sog. Extraordinärrechnungen, die von denjenigen zu legen waren, die aus besonderem Anlaß staatliche Gelder erhalten hatten. Die Rechnungen der den Hauptkassen nachgeordneten Individualkassen wurden von jenen geprüft, doch war der Ober-Rechen-Rat i n Ausnahmefällen (bei fehlerhafter Prüfung durch die Hauptkassen oder nicht zur Verrechnung gebrachter wichtiger Einnahmen) befugt, auch die Individualrechnungen nachzuprüfen 10 . Die Revision der Rechnungen erstreckte sich auf die rechnerische, auf die formale und auch auf die sachliche Richtigkeit (§ 2 der Instruktion), d. h. auf die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit des Finanzgebarens. Damit waren auch die Anordnungen der den Kassen übergeordneten Oberbehörden Gegenstand der Prüfung, allerdings nur dahingehend, ob diese Anordnungen gegen erteilte Instruktionen oder gegen Regeln der Finanzverwaltung verstießen 11 . Die Prüfungsbefugnis des Ober-Rechen-Rates fand ihre Grenze i n den Anordnungen des Kurfürsten, seines Statthalters oder seiner Geheim8

Zitiert nach Lobe, S. 636 f. Abgedruckt bei Lobe, S. 699 ff. 10 Vgl. zu Einzelheiten Lobe, S. 638 f. 11 Lobe, S. 639 f. 9

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

19

räte (§9); auch sollten nach §10 die Oberbehörden nicht „durch den Ober-Rechen-Rath aus ihrer Verfassung und Authoritaet zum Anstoss" gesetzt werden. Der Ober-Rechen-Rat prüfte die Rechnungen, beschloß über Erinnerungen gegen den Rechnungsführer i m Kollegium und forderte ihn oder die vorgesetzte Behörde — wenn es sich u m deren Anordnungen handelte — auf, binnen sechs Wochen zu der Beanstandung Stellung zu nehmen. Hiernach beschloß das Kollegium abschließend mit Mehrheit über die Beanstandung (wobei dem Kurfürsten ein i h n interessierendes M i n derheitsvotum mitzuteilen war). Gegen die Entscheidung des OberRechen-Rates konnte das Geheime Konsilium angerufen werden, das endgültig entschied. Diesem obersten Verwaltungskollegium sollten nach den §§16 und 17 der Instruktion auch ungetreue Verwaltungsbeamte benannt und Zweifel bei der Erledigung einzelner Angelegenheiten m i t geteilt werden, damit über diese entschieden werden konnte. Waren die Erinnerungen erledigt, wurde den Rechnungsführern Quittung, den anordnenden Behörden Liberation erteilt, und zwar i n der Mehrzahl aller Fälle vom Ober-Rechen-Rat. Endgültig festgestellte Fehlbestände hatte der Ober-Rechen-Rat unverzüglich einzutreiben. Dem Rechnungsprüfungsorgan waren, wie sich aus dieser kurzen Darstellung entnehmen läßt, sehr beträchtliche Befugnisse zugestanden worden, die Organisation wies jedoch einen schwerwiegenden Mangel auf: Die Revisionsbehörde war nicht zur unmittelbaren Prüfung aller Staatsfinanzen berechtigt 12 . Die Verwaltung, deren Rechte durch die Errichtung des Ober-Rechen-Rates eingeschränkt worden waren, nahm ihren Widerstand gegen die selbständige Haushaltskontrolle auf, indem sie die Haupt- und Individualrechnungen kaum oder gar nicht dem OberRechen-Rat einreichte und dessen Erinnerungen nur zögernd beantwortete 1 3 . Durch Reskript vom 31. J u l i 173114 ordnete der Kurfürst daraufhin an, daß die Individualrechnungen künftig vom Ober-Rechen-Rat zu prüfen seien. Obwohl i n dem Reskript bestätigt worden war, daß die Tätigkeit der Revisionsbehörde nicht die Stellung der Verwaltungskollegien berühre, verstärkte sich der Widerstand der Verwaltung so sehr, daß der Kurfürst seine Anordnung vom 31. J u l i 1731 schon am 14. September 1731 wieder zurücknahm 15 . Friedrich August IL schließlich hob durch eine Instruktion vom 28. Juni 1734 die Instruktion seines Vorgängers aus dem Jahre 1707 auf und unterstellte die nunmehr „Oberrechnungsdeputation" genannte Revisionsbehörde, deren Mitglieder jetzt deputierte Räte aller Verwaltungszweige waren, der Leitung eines Ministers 1 6 . 12 13 14 15 16

2*

Lobe, S. 641. Vgl. Lobe, S. 641 ff. Abgedruckt bei Lobe, S. 648 ff. s. dazu Lobe, S. 651. Löbe, S. 653.

20

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Gleichzeitig verlor die Oberrechnungsdeputation das — den höchsten Ministerien vorbehaltene — Recht, i m Namen des Königs zu schreiben 17 . Ihre alte Stellung als unabhängige Kontrollbehörde gewann sie vor dem Jahre 1905 nicht wieder 1 8 . 2. Die General-Rechen-Kammer in Preußen

Während die für das Jahr 1707 recht modern anmutende Schöpfung des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. von seinem Nachfolger nach 27 Jahren des Bestehens der Attribute eines unabhängigen Kontrollorgans wieder entkleidet wurde, entstand i n Preußen nur wenige Jahre nach der Gründung des sächsischen Ober-Rechen-Rates eine Prüfungsbehörde, die die Weiterentwicklung des Kontrollwesens i n Deutschland entscheidend beeinflußte. a) Die Gründung und die ersten Instruktionen Über das Revisionswesen i n Brandenburg-Preußen vor dem Amtsantritt Friedrich Wilhelms I. ist nur wenig bekannt 1 9 . Unter dem K u r fürsten Friedrich III., später König Friedrich I., war die Provinz-Verwaltung i n Kriegskommissariate und Amtskammern getrennt. Diese erhielten die ihnen zugeteilten (und von ihnen zu erhebenden) Einkünfte, aus denen sie bestimmte Teile der Verwaltungsausgaben zu bestreiten hatten. Entsprechend dieser Zweiteilung i n der Provinz gab es i n Berlin eine General-Kriegs-Kasse und General-Domänen-Kasse. Die Kriegskommissariate unterstanden dem General-Kommissariat, die Amtskammern der Geheimen Hofkammer, die durch das 1713 errichtete General-Finanz-Direktorium ersetzt wurde. Diese beiden obersten Verwaltungsbehörden prüften die jeweiligen Rechnungen ihres Ressorts 20 . Bei dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. war das preußische Haushalts- und Revisionswesen offenbar nur wenig geordnet 21 ; Veränderungen auf diesem Gebiet galten die ersten Amtshandlungen des Königs. Ungewiß ist jedoch, wann Friedrich Wilhelm I. eine eigene zentrale Kontrollbehörde errichtete. Aus dem vorhandenen Archivmaterial läßt sich das Gründungsdatum nicht mit Sicherheit entnehmen 22 . 17

Lobe, S. 656. Vgl. Löbe, S. 656 ff.; Wahle, Der Sächsische Staatsrechnungshof, i n : FischZ 54 (1922), 129 ff. (146 ff.). 19 Vgl. Ditfurth , S. 3 f.; s. auch Haase, S. 38 f.; Pfuhlstein, S. 8 f.; Patzig! Traber, Haushaltsrecht des Bundes u n d der Länder, Bd. 1, T e i l A , Einführung i n das Haushaltsrecht, Rdnr. 112 ff. 20 Vgl. Ditfurth , S. 4. 21 Vgl. Ditfurth, S. 4; Pfuhlstein, S. 14 f. 22 Ditfurth, S. 8; Haase, S. 3 ff.; Pfuhlstein, S. 14 f.; PatzigITraber, aaO, Rdnr. 114. 18

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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Nach Ansicht des von 1768 bis 1781 als Präsidenten der Behörde amtierenden J. R. Roden wurde die General-Rechen-Kammer, wie er i n einem Bericht an das General-Direktorium schrieb, i m Jahre 1714 gegründet 23 . I n einer i m März 1781 verfaßten Schrift nennt Roden als Gründungsdatum den 2. Oktober 171424, was Ditfurth 25 für unwahrscheinlich hält: Nach seiner Ansicht ist die General-Rechen-Kammer „ u m den 1. November 1714 errichtet worden" 2 6 . Andererseits vertraten zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Mitglieder der Behörde offenbar die Meinung, die Gründung habe i m Jahre 1717 stattgefunden 27 . Wie sich jedoch aus einem Reskript vom 22. November 1714 ergibt 2 8 , bestand bereits zu diesem Zeitpunkt die Rechenkammer, so daß das Jahr 1714 als Gründungs jähr angesehen werden könnte. Demgegenüber hat Haase 29 überzeugend dargelegt, daß als Stiftungsurkunde die Bestallung des Geheimen Kammerrats v. Creutz zum Wirklichen Geheimen Etats- und Kriegsrat und Generalkontrolleur von allen Kassen vom 4. März 1713 anzusehen ist 3 0 . Die i n der Bestallung 3 1 dem Generalkontrolleur übertragenen Aufgaben waren unterschiedlicher Natur: Er sollte mit den Direktoren der Militär- und Zivilkassen die Einnahmen und Ausgaben überwachen, gemeinsam mit den Kollegien, denen der König die Aufsicht über diese Kassen übertragen hatte, diese kontrollieren, bei außerordentlichen Ausgaben gegenzeichnen, dem König über die Finanzlage Bericht erstatten und i h m — oder den genannten Kollegien — Unregelmäßigkeiten bei der Kassenverwaltung mitteilen. Aus diesen Ausführungen i n dem Schreiben des Königs ergibt sich deutlich, daß v. Creutz als persönlicher Vertrauter des Monarchen i n weitem Umfange an der Finanzverwaltung beteiligt wurde. Andererseits heißt es i n der Urkunde vom 4. März 1713 auch: „ w i e er denn auch jedesmal, w e n n die Rechnungen von diesen Generalkassen abgeleget werden, der Abnahme als Commissarius perpetuus beiwohnen, sel23

Abgedruckt bei Haase, S. 56 (Anlage 8). Auszugsweise abgedruckt bei Haase, S. 55 f. (Anlage 7) ; vgl. auch Lange, S. 27; Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer (Rechnungshof des Deutschen Reichs), ihre Geschichte, Einrichtung u n d Befugnisse, S. 9. 25 S.9. 26 Ditfurth, S. 9. 27 Vgl. bei Ditfurth, S. 8 f., insbesondere das Zitat S. 9 A n m . 1 ; derselben Ansicht ist Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I I I , S. 817; s. auch Rönne, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, 2. Bd., 5. Aufl., S. 445. 28 Abgedruckt bei Ditfurth, S. 11. 29 S. 3 ff. 30 Ebenso: Buchholtz, Die Preußische Oberrechnungskammer, ihre Einrichtung u n d ihre Befugnisse, S. 7; Wolff , Verwaltungsrecht I I I , 2. Aufl., § 163 I I I , S. 317, der allerdings unrichtig den Namen des Generalkontrolleurs m i t „von Crenitz" wiedergibt. 31 Abgedruckt bei Haase, S. 53 f. (Anlage 3). 24

Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945 bige nebst den übrigen, so W i r dazu allergnädigst benennen werden, m i t allem Fleiss i n Einnahme u n d Ausgabe und, wie jeder Punkt justificiret worden, examiniren soll".

Diese v. Creutz als Commissarius perpetuus übertragene Aufgabe war nicht mehr M i t w i r k u n g i n der Verwaltung der Mittel, sondern unbeschränkte nachträgliche Rechnungsprüfung. Zur Wahrnehmung dieser Kontrolltätigkeit wurden v. Creutz mit Königlichem Reskript vom 2. Oktober 1714 weitere Räte zugeteilt, wie der König bereits am 4. März 1713 angekündigt hatte. Einerseits war v. Creutz damit als Chef der Prüfungsinstanz eingesetzt, andererseits war seine — allein auf die Person beschränkte — Tätigkeit als Generalkontrolleur die Ausübung von Verwaltungsaufgaben 32 . Die Trennung der Funktionen läßt erkennen, daß Friedrich Wilhelm I. i m Jahre 1713 ein eigenständiges Prüfungsorgan errichtete, dessen Aufgaben allerdings aus der Bestallung für v. Creutz noch nicht deutlich ersichtlich sind. Nach der übereinstimmenden Meinung i n der Literatur erhielt die Kontrollbehörde bei ihrer Gründung eine Instruktion 3 3 , i n der vermutlich das Verfahren sowie A r t und Umfang der Kontrolle geregelt waren; allerdings konnte diese Instruktion bisher nicht aufgefunden werden. Wie Haase 34 nachgewiesen hat, erfolgte die Errichtung der preußischen Revisionsbehörde nicht i n Anlehnung an die sächsische Stiftung des OberRechen-Rates, so daß die Aufgabenstellung der preußischen Rechnungsprüfungsbehörde, ihre Befugnisse und ihr Verfahren i n den ersten Jahren nur aus späteren Urkunden ersichtlich werden 3 5 . Die General-RechenKammer 3 6 unterstand unmittelbar dem König, wie sich aus der Verordnung vom 16. Juni 17 1 7 3 7 ergibt: „ A l s haben W i r Unsere allergnädigste Willens-Meinung hiermit nochmals wiederholen u n d dabey declariren wollen, dass diese General-Rechen-Kammer ein besonderes Collegium seyn, u n d von Niemandem anders, als Unserer höchsten Person allein dependiren . . . solle."

Die kollegialische Struktur ist nicht näher umschrieben; die Mitglieder der Rechenkammer wurden vom König bestellt, wie schon aus der Bestallungsurkunde für v. Creutz hervorgeht. Die Behörde selbst war i n 32

Vgl. dazu auch die Verordnung v o m 16. J u n i 1717 (abgedruckt bei Haase, S. 61 f. [Anlage 23] u n d Hertel , S. 19 f. [Anlage I]), i n der der K ö n i g v. Creutz sowohl als Präsidenten der General-Rechen-Kammer als auch als Controleur général bezeichnet. 33 Haase, S. 1, 26, 31 ff.; Ditfurth , S. 8, 13; vgl. auch Buchholtz, S. 7; Lange, S. 25 f. 34 S. 25 f., insbesondere auch S. 49 ff. 35 Vgl. Haase, S. 31 ff. 36 Die Bezeichnung findet sich erstmals i n der Bestallung des Geheim-Sekretärs Friedrich Böttcher v o m 19. Dezember 1714 (abgedruckt bei Haase, S. 58, als Anlage 11). 37 Abgedruckt bei Haase, S. 61 f. (Anlage 23).

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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zwei Departements aufgeteilt, das Kriegs- und das Domänen-Departement. Aus den vorliegenden Urkunden geht nicht eindeutig hervor, ob diese Teilung von Anfang an bestand 38 oder sich erst auf Grund der tatsächlichen Übung und der Geschäftsverteilung herausbildete. Erwähnt wurde diese Teilung erstmals i n einer Order vom 2. März 172339, i n der von den „bisherigen beyden General-Rechen-Cammern" die Rede ist, und in einer Instruktion vom selben Tage 40 , i n der es u. a. heißt: „ m i t diesen beyden General-Krieges- und resp. Domainen-Rechen-Cammern". Haase 41 vermutet, die General-Rechen-Kammer sei ursprünglich ein einheitliches Organ gewesen, wegen des steigenden Arbeitsanfalls hätten beide Departements aber schließlich gesonderte Sitzungen abgehalten und seien deshalb als zwei getrennte Kollegien betrachtet worden. Diese Annahme findet i n den bekannten Urkunden keine Stütze und widerspricht auch der Entwicklung des Finanzwesens i n Preußen: Der Dualismus zwischen Kriegs- und Domänen-Verwaltung war i m System der altlandständischen Finanzverwaltung begründet, so daß eine Teilung auch des Kontroll-Organs, in eine Kriegs- und eine Domänen-RechenKammer, wahrscheinlich ist. Die General-Rechen-Kammer hatte sämtliche Rechnungen zu prüfen 4 2 und dem König Bericht zu erstatten, ob und inwieweit die Verordnungen, Instruktionen und Anweisungen des Monarchen eingehalten und die jeweiligen Grenzen des Etats beachtet würden. Allerdings prüfte die Rechnungskammer nicht die Einzelrechnungen, sondern nur die Hauptrechnungen. Während die Einzelrechnungen der Verwaltung von den übergeordneten Behörden abgenommen, d. h. vorgeprüft wurden, oblag der General· Rechen-Kammer lediglich die Superrevision. I n der Verordnung Friedrich Wilhelms I. heißt es dazu, die General-Rechen-Kammer sei befugt, „mehreren Inhalts der von Uns derselben allergnädigst erteilten Instruction, nicht allein alle u n d jede — sowohl zum M i l i t ä r — als C i v i l - E t a t gehörende Rechnungen zu revidiren, Notata zu formiren, sondern auch darüber derer Rechnungsführer, und befundener Umständen nach, Selbst von denen Collegiis, welchen die Direction der Revenuen u n d Finanzen anbefohlen ist, deren Beantwortung zu erfordern, folglich Uns von der Sachen Bewandtniss allerunterthänigst zu referiren, u n d Unsere Finale resolution deshalb ausfertigen zu lassen, ingleichen so oft es die Noth u n d unser Interesse erfordert, nicht n u r die Rechnungsführer, sondern auch ein oder ander M e m b r u m aus denen Collegiis, welchen die Direction der Finanzen anbefohlen, Persönlich vorzufordern, von denenselben die vorkommende Dubia erläutern zu lassen . . 38 So Roden i n seiner i m März 1781 verfaßten Schrift, S. 162 (auszugsweise abgedruckt bei Haase, S. 55 f., als Anlage 7) ; Ditfurth, S. 14. 39 Abgedruckt bei Hertel, S. 21 (Anlage II). 40 Abgedruckt bei Hertel, S. 21 ff. (Anlage II). 41 S. 29. 42 Vgl. dazu und zum Folgenden Haase, S. 33 ff.

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

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Daraus ergibt sich, daß die Befugnisse der General-Rechen-Kammer überaus weit gingen: Wenn auch der König sich die letzte Entscheidung vorbehielt, so konnte doch die Prüfungsbehörde Auskunft über sämtliche Finanzvorgänge verlangen und zu diesem Zweck die Rechnungsführer und sogar die Leiter der diesen vorgesetzten Behörden vorladen 4 3 . Diesen Rechten der Kammer und ihrer Stellung unmittelbar unter dem König, also gleichrangig den obersten Verwaltungsbehörden, entsprach es, daß i n einem Reskript vom 17. A p r i l 17 1 5 4 4 der König mitteilen ließ, daß „sowohl die von dem Collegio bishero über die abgenommenen Rechnungen ertheilte Qvitungen, als diejenige, so solches noch fernerhin Seinen Pflichten gemäss ertheilen w i r d , also u n d dergestalt gültig gehalten werden sollen, als wären die Qvitungen von Sr. Königl. Maytt. Selbst e r t h e i l e t . .

Die Grundgedanken der Rechnungsprüfung, die schon i n der Instruktion für den sächsischen Ober-Rechen-Rat enthalten waren, finden sich i n der Verordnung vom 16. Juni 1717 und i n den sonstigen mit der GeneralRechen-Kammer und ihrer Arbeit i n Verbindung stehenden Urkunden aus dieser Zeit wieder 4 5 : Die Prüfungsbehörde war kollegialisch organisiert, den obersten Verwaltungsbehörden gegenüber unabhängig und nur dem König untergeordnet, sie hatte für i h n umfassend die Staatsfinanzen nachträglich zu prüfen und konnte von der kontrollierten Verwaltung Auskünfte verlangen, ihre Quittungen waren denen des Landesherrn gleichgestellt, den sie allerdings regelmäßig zu unterrichten hatte. Darüber hinaus oblag der General-Rechen-Kammer jedoch noch eine weitere bemerkenswerte Aufgabe: sie hatte bei der Aufstellung bestimmter Etats mitzuwirken 4 6 . A u f dieser Grundlage begann die General-Rechen-Kammer ihre Tätigkeit, die zwangsläufig den Widerstand der kontrollierten Verwaltung hervorrufen mußte. Die Stellung der Revisionsbehörde unmittelbar unter dem König, ihre Machtfülle und die Unterstützung, die sie bei dem Landesherrn fand 4 7 , beeinträchtigten die Stellung insbesondere der beiden obersten Finanzbehörden, des General-Kriegskommissariats und des General-Finanz-Direktoriums 48 . Ebenso wie i n Sachsen führten Reibungen zwischen der Prüfungsbehörde und den von ihr kontrollierten Behörden bald zu einer Änderung.

43 44 45 46 47 48

Vgl. dazu auch Haase, S. 40 f. Abgedruckt bei Haase, S. 60 (Anlage 18); Ditfurth , S. 14 A n m . 1. Vgl. Lange, S. 29 f. Vgl. Haase, S. 41 m. w. N. Vgl. dazu i m einzelnen Ditfurth , S. 15 f. Ditfurth , S. 15.

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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b) Die weitere Entwicklung der Rechnungsprüfung unter Friedrich Wilhelm I. Ausgangspunkt der Neuorganisation des Finanzwesens i n Preußen war die Tatsache, daß i n dem General-Kriegskommissariat und dem GeneralFinanz-Direktorium nicht, wie der König i n der Bestallung für v. Creutz vom 4. März 1713 als Generalkontrolleur aller Kassen 49 ausgeführt hatte, „alles zu unserem Vorteil u n d Interesse eingerichtet, alle unnöthige Ausgabe auf alle Weise verhütet u n d eingeschränkt und sonst alles w o h l administrirt werden möge".

Der hiernach erkennbare Wille des Königs, die beiden obersten Finanzbehörden sollten reibungslos zum Wohle des Landesherrn zusammenarbeiten, war von Friedrich Wilhelm I. in einem Erlaß an v. Creutz vom 9. März 171350 erneut ausgesprochen und verdeutlicht worden: „ u n d ob W i r zwar die Resolution gefasset haben, dass alle Unsere PrincipalRevenues k ü n f t i g h i n i n zwo Hauptkassen, nämlich entweder zur Generalkrieges- oder zur Generalfinanzienkasse fliessen, u n d jene der Inspektion des Generalkommissariats, diese aber des Generalfinanzdirektorii anvertraut sein solle, so soll doch diese Separation u n d Einrichtung keineswegs dahin gedeutet werden, dass einem oder andern dieser Colegiorum, auch denen subalternen Provinzial-Commissariaten und - K a m m e r n erlaubt sei, etwas zur Vermehrung ihrer unterhabenden Kasse zu verordnen und zu veranlassen, wodurch der anderen ein mehreres entzogen werden möchte; sondern es ist Unsere Willensmeinung u n d Befehl, dass i n solchen Fällen zwischen beiderlei Collegiis v e r trauliche Communication gepflogen u n d bei Fassung des Schlusses ohne A b sicht auf diese oder jene Kasse allein dasjenige pro norma genommen werde, welches Unserm Interesse am zuträglichsten befunden w i r d " .

Die beiden obersten Finanzbehörden Preußens arbeiteten jedoch nicht i n dem Maße zusammen, wie es der König verordnet hatte, ein Teil ihrer Tätigkeit erschöpfte sich vielmehr i m Austragen unfruchtbarer Kompetenzkonflikte 51 . Hinzu kamen die Spannungen zwischen diesen Behörden i m Verhältnis zur General-Rechen-Kammer, die auch nicht dadurch vermieden werden konnten, daß die Mitglieder der Prüfungsbehörde neben ihrer Funktion i n der General-Rechen-Kammer auch noch Funktionen i n der Verwaltung wahrzunehmen hatten, obwohl diese Ämterverbindung wohl auch dem Abbau von Reibungen dienen sollte 52 . Friedrich Wilhelm I. entschloß sich daher zu einer Neuorganisation der Verwaltung des Staatshaushalts und faßte am 19. Januar 1723 die beiden obersten Finanzbehörden zu einer i n fünf Departements eingeteilten Behörde zusammen: dem General-Ober-Finanz-Krieges- und Domänen49 50 51 52

Abgedruckt bei Haase, S. 53 f. (Anlage 3). Abgedruckt bei Haase, S. 54 f. (Anlage 4). Ditfurth, S. 17. Pfuhlstein, S. 18.

Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Direktorium (kurz: General-Direktorium) 5 3 . Aus der Instruktion für das General-Direktorium vom 20. Dezember 172254 ergibt sich, daß die General-Rechen-Kammer i n die neu errichtete Behörde integriert worden war 5 5 . Formell wurde die Unterstellung der Prüfungsbehörde erst durch die Instruktion vom 2. März 172356 ausgesprochen, doch geht schon aus A r t i k e l 2 § 13 der Instruktion vom 20. Dezember 1722 hervor, daß v. Creutz als Minister des 2. Departements i m General-Direktorium jeweils mittwochs die Rechnungskammersachen bearbeitete. I n A r t i k e l 32 § 26 heißt es darüber hinaus: „Die Rechnungen werden zwar eingesandt, auf die Rechenkammer abgenommen, aber die Abnahme der Rechnungen von der General-Krieges und Domainen-Casse soll durch die fünf dirigirende M i n i s t r o s . . . geschehen."

A r t i k e l 32 § 8 bestimmte weiterhin, daß die fünf Departementsminister, die Mitglieder des betroffenen Departements und die der General-RechenKammer bei der Neuaufstellung der einzelnen Etats zusammenzuwirken hatten. Zwar war die General-Rechen-Kammer durch die Instruktion vom 20. Dezember 1722 dem äußeren Anschein nach unberührt geblieben, tatsächlich waren aber ihre Befugnisse — entgegen der Ansicht Ditfurths 57 — durch die Neubildung der obersten Verwaltungsbehörde bereits eingeschränkt worden, wie die i n A r t i k e l 32 § 26 getroffene Regelung beweist, die — auch formelle — Unterstellung unter das General-Direktorium durch die Instruktion vom 2. März 1723 bildete nur den Schlußpunkt der Neustrukturierung der preußischen Verwaltung. Die Gründe für diese Umbildung sind unschwer zu erkennen: Ziel des Königs war es, die Einheitlichkeit der Verwaltungsführung zu sichern 58 . Die Rechnungsprüfung erschien ihm lediglich als geeignetes Mittel, die Verwaltung überblicken und die Verantwortlichkeit feststellen zu können. Nachdem den fünf dirigierenden Ministern des General-Direktoriums gemeinsam die Verantwortung für die Verwaltung übertragen worden war, hätte die Immediatstellung der General-Rechen-Kammer lediglich diese Kollektivverantwortlichkeit beeinträchtigt und unvermeidlich zu neuen Reibungen zwischen zwei gleichrangigen Kollegien führen müssen 59 . Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß der König selbst den Vorsitz i m Präsidium des 53

Ditfurth , S. 17. Auszugsweise abgedruckt bei Haase, S. 66 f. (Anlage 40). 55 Haase S. 42. 56 Abgedruckt bei Hertel , S. 21 ff. (Anlage II). 57 S. 19. 58 Pfuhlstein , S.18. 59 Vgl. dazu Pfuhlstein , aaO; Ditfurth , S. 18; beide Autoren verweisen i n diesem Zusammenhang auf Isaacsohn, Geschichte des Preußischen Beamtenthums v o m Anfang des 15. Jahrhunderts bis auf die Gegenwart, D r i t t e r Band, B e r l i n 1884, S. 112 f. 54

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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General-Direktoriums übernahm — eine gleichgeordnete, unabhängige Stellung der General-Rechen-Kammer gegenüber dem General-Direktorium war damit unvereinbar. Folgerichtig ging die Finanzkontrolle auf die dirigierenden Minister der neugeschaffenen Oberbehörde über; die General-Rechen-Kammer wurde unter der Bezeichnung Ober-Kriegsund Domänen-Rechenkammer als „Subalternes Collegium" dem GeneralDirektorium angegliedert (Nr. 1 der Instruktion vom 2. März 1723). Die neue Rechenkammer wurde i n zwei Abteilungen gegliedert 60 , eine Ober-Kriegs-Rechenkammer und eine Ober-Domänen-Rechenkammer, die den Departements der aufgelösten General-Rechen-Kammer bzw. den beiden Kollegien dieser Behörde entsprachen. Die Rechnungskontrolle wurde neu geregelt: Die unbedeutenden Ämter- und Akziserechnungen wurden von den Provinzialbehörden geprüft und abgenommen, die Hauptrechnungen aus den Provinzen wurden von der Ober-Rechenkammer zwar geprüft, aber über Erinnerungen konnte nur das GeneralDirektorium beschließen (Nr. 3 der Instruktion vom 2. März 1723). Alle übrigen Rechnungen wurden von der Ober-Rechenkammer geprüft und abgenommen, ausgenommen waren jedoch die Rechnungen der beiden Hauptkassen i n Berlin: Sie wurden von der Ober-Rechenkammer nur auf ihre rechnerische Richtigkeit hin geprüft und von den dirigierenden M i nistern des General-Direktoriums gegengezeichnet; ebenso wie bei den Provinzial-Hauptrechnungen erteilte der König auch bei den Hauptkassen-Rechnungen die Entlastung persönlich (Nr. 4 der o. a. Instruktion). Nach Nr. 7 der Instruktion konnte, sofern es nötig erschien, ein Mitglied der Ober-Rechenkammer bei der Aufstellung des Etats des GeneralDirektoriums gehört werden. c) Rechnungsprüfung

unter Friedrich

II.

Offenbar war Friedrich Wilhelm I. nach der Neustrukturierung der preußischen Verwaltungsbehörden i m Jahre 1723 mit der Tätigkeit der Ober-Rechenkammer zufrieden 61 , zumindest verfügte er keine wesentlichen Änderungen ihrer Stellung oder Aufgaben mehr. Sein Sohn Friedrich II., bereits als Kronprinz m i t der Einrichtung der Ober-Rechenkammer vertraut gemacht 62 , wurde schon i n den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung m i t Anregungen zur Neuorganisation befaßt 63 , doch verschob er die Erfüllung dieser Aufgabe bis i n das Frühjahr 1744. Durch die Instruktion vom 10. März 174464 wurden die beiden nur noch 60 Nr. 2 der I n s t r u k t i o n v o m 2. März 1723, abgedruckt bei Hertel, (Anlage II). 61 Ditfurth, S. 22. 62 Pfuhlstein, S. 20. 63 Ditfurth, S. 22 f. 64 Abgedruckt bei Hertel, S. 25 ff. (Anlage I I I ) .

S. 21 ff.

Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

dem Namen nach miteinander verbundenen Prüfungsdepartements, die Ober-Kriegs- und die Ober-Domänen-Rechenkammer, wieder zu einer einheitlichen Behörde zusammengefaßt 65 . I m übrigen ließ der König die Stellung der Ober-Rechenkammer unverändert. Sein Interesse galt vor allem der Durchführung einer genauen und beschleunigten Rechnungsprüfung. So finden sich i n der Order und i n der Instruktion vom 10. März 174466 Forderungen nach der gründlichen Kontrolle der Verwaltung und nach dem Rückgriff auf die Spezialrechnungen, wenn dies zur Prüfung der Hauptrechnungen notwendig erschien, ebenso wie Vorschriften zur Straffung der Kontrolltätigkeit. Ziel Friedrichs II. war es, durch die Arbeit der Ober-Rechenkammer die Verwaltung zu Genauigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit anzuhalten 67 . Dies zeigt sich auch i n den Instruktionen vom 12. Mai 175068 und vom 30. Mai 176869. I n der ersten dieser Instruktionen heißt es u. a.: „Seiner Königlichen Majestät ernster W i l l e ist, daß a l l e . . . Rechnungen nicht krauß, verworren u n d dunkel, sondern kurtz und d e u t l i c h . . . eingerichtet seyn sollen."

Nr. V I der Instruktion vom 30. Mai 1768 bestimmt, daß die Kalkulatoren für jeden Rechenfehler, den sie finden, acht Groschen von dem Rendanten bekommen sollen, der den Fehler begangen hat. Die Bedeutung der Rechnungsprüfung lag jedoch vorwiegend i n der Kontrolle der förmlichen und sachlichen Richtigkeit: Die Einhaltung der Etats und Verordnungen war zu überprüfen, der kontrollierende Rat sollte nach Nr. X I I I „ i n die Natur der Dinge selbst penetriren". I n einer Order vom 23. Juni 176870 dehnte der König den Prüfungsbereich der Ober-Rechenkammer auch auf die Rechnungen der öffentlichen Anstalten und Kassen, der Waisenhäuser und milden Stiftungen aus. Grundsätzlich unterstellte Friedrich II. i n seiner Instruktion vom 13. Februar 177071 die gesamte Staatsverwaltung der Kontrolle durch die Ober-Rechenkammer, wobei er noch einmal die Prüfungsmaßstäbe wiederholte: „§ 1. Da die Ober- p. Rechen-Kammer zur Controlle des Finanz-Wesens des ganzen Staats, derer Krieges- u n d Domainen-Kammern, aller RechnungsFührer u n d ohne Ausnahme aller u n d jeder Geld-Empfänger u n d publiquen Administrationen etabliret u n d angeordnet ist, auch dazu ferner gewidmet bleibet; So muß nunmehro, nach aufgeräumten alten Sauerteig, § 2. dieselbe s i c h . . . angelegen seyn lassen, bey Revision der Rechnungen mehr i n die 65 68 67 68 69 70 71

Vgl. Ditfurth , S. 23 f. Beide abgedruckt bei Hertel , S. 25 ff. (Anlage I I I ) . Vgl. Lange, S. 34; Pfuhlstein, S. 24. Abgedruckt bei Hertel, S. 32 ff. (Anlage IV). Abgedruckt bei Hertel, S. 38 ff. (Anlage V). Abgedruckt bei Hertel, S. 72 (Anlage X I I I ) . Abgedruckt bei Hertel, S. 68 ff. (Anlage X I I ) .

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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Materialien der Rechnungen selbst zu entriren, u n d gründliche Erinnerungen machen, was für Mängel zu entdecken, was f ü r Unordnungen i n die Augen fallen, ob die Einnahmen auch vollständig sind, oder aber nicht, wie die Einnahmen zu verbessern, die Ausgaben aber einzuschränken u n d dabey zu menagiren..."

Diese Verordnung war jedoch nur Programmsatz — zwar für die Verwaltung, nicht aber für den König bindend. Friedrich IL selbst entzog der Ober-Rechenkammer wesentliche Teile der Staatstätigkeit und behielt sich vor, über einen beträchtlichen Teil der Geldmittel unmittelbar — ohne M i t w i r k u n g der Behörden und Kassen, ohne Kontrolle durch die Ober-Rechenkammer — zu disponieren 72 . Gegenüber dem König waren der Präsident und die Direktoren der Prüfungsbehörde für deren Arbeit verantwortlich; allerdings griff Friedrich II. i n seinen Instruktionen vom 10. März 174473 und vom 12. Mai 175074 einen Gedanken auf, der schon i n § 3 Abs. 2 der Instruktion für den sächsischen Ober-Rechen-Rat enthalten war: dissentierende Voten der Mitglieder der Ober-Rechenkammer waren dem König vorzutragen. d) Die Wiedererlangung der Immediatstellung unter Friedrich Wilhelm II. Hatte Friedrich II. auch die Stellung der Ober-Rechenkammer unverändert gelassen, so hatte er doch ihren Aufgabenkreis nominell erheblich erweitert und damit ihr Gewicht innerhalb der Verwaltung vergrößert. Der Thronfolger Friedrich Wilhelm II. begann unmittelbar nach seinem Regierungsantritt mit den Arbeiten an einer Neuorganisation der Verwaltung, die schließlich auch auf die Stellung der Ober-Rechenkammer erheblichen Einfluß hatte. I n seiner ersten Instruktion vom 2. November 178675 bestätigte der König zwar noch die von seinem Vater getroffene Regelung durch die Bestimmung i n Sectio I § 4: „Außerdem bestätigen Se. Königl. Majestät den der Ober-Krieges- u n d Domainen-Rechen-Kammer gleich immediate nach dem General-Directorio, als einem attachirten Theile desselben, bereits verliehenen Rang vor alle Provincial-Kammern",

aber i n Sectio I I § 2 legte Friedrich Wilhelm II. fest, daß die Rechnungen der Kriegs- und Domänen-Kassen nicht mehr i m Beisein eines Geheimen Finanz-Rates aus dem General-Direktorium abgenommen werden sollten, 72 73 74 75

Pfuhlstein, S. 21 f. Nr. 2, abgedruckt bei Hertel, S. 27 (Anlage I I I ) . Nr. 2, abgedruckt bei Hertel, S. 33 (Anlage IV). Abgedruckt bei Hertel, S. 76 ff. (Anlage XV).

Erster T e i l : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945 „da der Praesident zugleich Geheimer Finantz-Rath bei dem General-Directorio ist, u n d Se. Königl. Majestät es zuträglicher finden, daß die Ober-RechenK a m m e r ihre Erinnerungen bey Revision der Rechnungen gantz frey u n d ohne gène machen kann".

Der König wollte offensichtlich den Einfluß des General-Direktoriums auf die Ober-Rechenkammer vermindern, wie sich auch aus Sectio I § 4 derselben Instruktion ergibt, wonach dem Präsidenten das unmittelbare Vorschlagsrecht bei der Bestellung neuer Mitglieder der Prüfungsbehörde eingeräumt wurde, „ w e i l er für selbige stehen und m i t ihnen arbeiten muß". Diese Bestrebungen Friedrich Wilhelms II. dürften zurückzuführen sein auf die Abhandlung des Ministers Woellner, der i n den Jahren 1783 bis 1786 dem damaligen Kronprinzen Vorträge über die Regierungsgeschäfte gehalten und dabei auch über die Ober-Rechenkammer referiert hatte 7 6 . Woellner hatte dabei vor allem die Unterordnung der Kontrollbehörde unter das General-Direktorium kritisiert, die dazu führe, daß Erinnerungen der Ober-Rechenkammer von den Ministern niedergeschlagen würden. Die Instruktion vom 2. November 1786 soll weitgehend auf Woellners Ideen beruhen 7 7 ; daß die Ober-Rechenkammer nicht entsprechend den Vorschlägen Woellners i n seiner Abhandlung 7 8 aus dem General-Direktorium herausgelöst und als Immediatbehörde eingerichtet wurde, führt Ditfurth 79 darauf zurück, daß zu diesem Zeitpunkt der König die Macht des General-Direktoriums nicht übermäßig beeinträchtigen wollte. Ohnehin bekämpfte dieses Kollegium schon das dem Präsidenten nunmehr zugestandene unmittelbare Vorschlagsrecht (Sectio I § 4 der Instruktion), an dem der König jedoch festhielt 8 0 . Woellner bemühte sich auch i n den folgenden Jahren u m die völlige Unabhängigkeit der Ober-Rechenkammer vom General-Direktorium, indem er Friedrich Wilhelm II. wiederholt darauf aufmerksam machte, daß nur eine unabhängige Kontrollbehörde eine vollständige, unbeeinflußte Rechnungsprüfung durchführen könnte 8 1 . Dieses Ziel wurde schließlich mit der Verordnung vom 4. November 1796 an den Präsidenten v. Schultze 82 erreicht: Die Ober-Rechenkammer erhielt die Immediatstellung wieder, die sie unter Friedrich Wilhelm I. schon einmal besessen hatte, und die Kontrollbefugnisse wurden erweitert. 76 77 78 79 80 81 82

Ditfurth, S. 33 ff.; Pfuhlstein, S. 25 f. Pfuhlstein , S. 26. Vgl. Ditfurth, S. 35. S. 35. Vgl. Ditfurth, S. 31 f. Vgl. Ditfurth, S. 35 f.; Pfuhlstein, S. 26. Abgedruckt bei Hertel, S. 94 ff. (Anlage X V I I I ) .

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

31

W ö r t l i c h h e i ß t es i n dieser V e r o r d n u n g u. a.: „Da ich resolviret habe, daß von n u n an sämmtliche M i l i t a i r - u n d C i v i l Rechnungen, . . . kurz alle u n d jede Rechnungen derjenigen Cassen, so unter öffentlicher A d m i n i s t r a t i o n stehen, jedoch m i t Ausschluß der Hof-StaatsCasse, Dispositions-Casse u n d Legations-Casse zu Eurer u n d der OberRechenkammer Revision gelangen sollen; So mache ich Euch diese Meine Willensmeinung hierdurch bekannt, . . . auch befehle ich hierdurch ausdrücklich, daß so wenig das General-Directorium als das Ober-Krieges-Collegium, noch irgend ein anderes Ressort, es sey welches es wolle, weiter die Befugniß haben solle, die von Euch und der Ober-Rechenkammer gemachte Monita niederzuschlagen oder Dechargen auf irgend eine A r t oder gar Quittungen über Rechnungen zu ertheilen . . . Ferner ist M e i n ausdrücklicher Wille, daß I h r M i r gegen A b l a u f eines jeden Etatsjahres eine kurze Uebersicht sämmtlicher Cassen und deren Abschlüsse, ingleichen der dabey vorhandenen Bestände, sie mögen baar oder i n Dokumenten und Papieren seyn, vorlegen sollet, wobey I h r M i r die Monita, so I h r u n d die Ober-Rechenkammer bey den H a u p t - u n d wichtigsten Rechnungen gemacht, anzuzeigen h a b t . . . Z u dem Ende sollt I h r als Chef der Ober-Rechenkammer u n d des Rechnungs-Departements m i t derselben von n u n an unmittelbar unter M i r stehen u n d schlechterdings keiner Verfügung, die nicht von M i r unmittelbar an Euch gelangt, Folge leisten dürfen. Auch setze ich hiermit vest, daß alles, was I h r an irgend eine Behörde erlassen werdet, ebenso angesehen u n d respectirt werden soll, als wenn die Ausfertigung v o m General-Directorio oder einem andern Departement unterschrieben worden 8 3 ." W ä h r e n d die O b e r - R e c h e n k a m m e r i h r e a l t e S t e l l u n g u n m i t t e l b a r unter dem K ö n i g — u n d dem General-Direktorium gleichrangig — w i e d e r e r l a n g t hatte, w a r e n i h r e Befugnisse e r h e b l i c h ausgedehnt w o r d e n : m i t A u s n a h m e e i n i g e r Dispositionsfonds o b l a g i h r die R e v i s i o n des gesamten preußischen Finanzwesens. D i e U n a b h ä n g i g k e i t der Rechn u n g s p r ü f u n g v o n A n w e i s u n g e n der M i n i s t e r w a r n o r m i e r t , die B e r i c h t s pflicht p r ä z i s i e r t w o r d e n . e) Reformen der Rechnungsprüfung bis zur Instruktion vom 18, Dezember 1824 Friedrich Wilhelm III. erließ n u r w e n i g e M o n a t e nach s e i n e m Regier u n g s a n t r i t t , a m 19. F e b r u a r 1798, eine neue I n s t r u k t i o n f ü r die O b e r R e c h e n k a m m e r 8 4 . D i e B e h ö r d e , die b i s h e r u n t e r der L e i t u n g eines P r ä s i d e n t e n stand, e r h i e l t n u n zusätzlich e i n e n Chef der O b e r - R e c h e n k a m m e r , der zugleich G e n e r a l k o n t r o l l e u r der F i n a n z e n u n d i n dieser E i g e n schaft M i t g l i e d des G e n e r a l - D i r e k t o r i u m s w a r . Z w e c k dieser M a ß n a h m e w a r es, w i e es i n der I n s t r u k t i o n u. a. heißt,

83

I n einer Order v o m 18. Januar 1797, auszugsweise zitiert bei Ditfurth, S. 36, wiederholte der K ö n i g ausdrücklich die Zuständigkeit der Ober-Rechenkammer zur Prüfung aller Provinz- u n d Ressortetats. 84 Abgedruckt bei Hertel, S. 98 ff. (Anlage X I X ) .

32

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

„einen Verbindungs-Punkt zu bestimmen, i n welchem die Resultate der ganzen Staatsverwaltung sich concentriren u n d gründlich übersehen werden können, u m dadurch allen etwa existirenden oder sich ereignenden Mängeln auf dem kürzesten Wege abzuhelfen".

§ 2 der Instruktion legte noch einmal die Zuständigkeit der OberRechenkammer fest, „genaue Controlle über die etatsmäßige Einnahme u n d Ausgabe, sowie über die Bestände aller Cassen 85 i n seiner Königl. Majestät Staaten zu führen, u n d als die höchste Instanz i n Rechnungssachen über die Richtigkeiten der Rechnungen u n d zweckmäßige Verwendung der Gelder zu urtheilen",

und bestätigte die Selbständigkeit und besondere Stellung der Behörde: „so sollen hiermit alle Verhältnisse, w o r i n selbige bisher m i t dem GeneralDirectorio gestanden, gänzlich aufgehoben, u n d dieselbe als ein f ü r sich bestehendes, ganz unabhängiges Landes-Collegium, welches seine Verfügungen an alle K a m m e r n u n d übrige Unterbehörden i m Namen u n d auf speciellen Befehl Seiner Majestät des Königs zu erlassen hat, angesehen, u n d i n seinem Range dem General-Directorio gleichgesetzt werden".

Die ausdrückliche Trennung von Prüfungsbehörde und General-Direktorium wurde jedoch durch die Personalunion zwischen dem Chef der Ober-Rechenkammer und dem Generalkontrolleur der Finanzen aufgehoben. Diese Verbindung, als Zwischeninstanz zur Vermittlung des Verkehrs zwischen Ober-Rechenkammer, General-Direktorium und König gedacht, erwies sich als wenig wirksam 8 6 . I n § 5 der Instruktion wurden die Prinzipien der Rechnungskontrolle wiederholt und verdeutlicht: nicht nur formelle, sondern auch materielle Revision, Prüfung der Gesetzmäßigkeit, der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltungstätigkeit. § 8 bestätigte die Befugnisse der Ober-Rechenkammer, nicht nur die Hauptrechnungen zu revidieren, sondern auch die diesen zugrunde liegenden Spezialrechnungen heranzuziehen — Ausfluß des i n § 2 festgelegten Rechtes der Behörde, jede die Rechnung betreffende Auskunft verlangen zu können, „ u m Seiner Königlichen Majestät von allem pflichtmäßigen Rapport abstatten zu können". Das General-Direktorium setzte der Durchführung der Instruktion vom 19. Februar 1798 Widerstand entgegen 87 . Es wendete sich insbesondere gegen § 5 und die darin festgelegten Grundsätze der Prüfung; außerdem äußerte es die Befürchtung, i h m ginge der Überblick über das Kassenund Rechnungswesen verloren. Daraufhin ordnete der Chef der Ober85 Jetzt wurden auch die nach der I n s t r u k t i o n v o m 4. November 1796 ausgenommenen Dispositionsfonds der Revision unterstellt, die jedoch v o m Generalkontrolleur oder „ v o n dessen vertrautesten Räthen" durchgeführt w e r den sollte. 86 Ditfurth , S. 39; Pfuhlstein, S. 28. 87 Pfuhlstein , S. 29.

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

33

Rechenkammer an 8 8 , i n die Revisionsprotokolle nur Erinnerungen gegen untergeordnete Dienststellen aufzunehmen; Monita gegen die höchsten Behörden waren bei i h m einzureichen, damit er die erforderlichen Maßnahmen treffen konnte. M i t dieser Regelung war die Kontrolltätigkeit wieder i n beträchtlichem Maße eingeschränkt. 1802 erhielt die Rechenkammer eine neue Organisation 89 : Sie wurde i n vier Senate aufgeteilt, an deren Spitze je ein Direktor stand. Diese Dezentralisierung führte zu einer erheblichen Zersplitterung bei der Geschäftsführung 90 , die Georg v. Coelln i n seinen seit 1807 anonym erschienenen „Vertrauten Briefen über die Inneren Verhältnisse am Preußischen Hofe seit dem Tode Friedrichs I I . " heftig kritisierte 9 1 . Die damit getroffene Regelung galt jedoch nur relativ kurze Zeit; von den nach der Niederlage gegen Napoleon I. einsetzenden Bestrebungen zur Reform der preußischen Verwaltung wurde auch die Rechnungsprüfungsbehörde erfaßt. Nur wenige Tage nach der Rückberufung des Freiherrn von und zum Stein, dem der König u. a. „die Verwaltung der General-Kassen und der General-Kontrolle oder Staats-Buchhalterei" übertragen hatte, schlug dieser am 15. Oktober 1807 i n seinem Promemoria vor, die General-Kontrolle als Staatsbuchhalterei einem Minister zuzuordnen. I n diesem Zusammenhang schrieb Stein über die Rechnungsprüfung 92 : „Die Ober-Rechenkammer w i r d sich n u r einer formellen K o n t r o l l e u n t e r ziehen können, wenn sie nicht eine Verwaltungsbehörde werden w i l l . Sie muß die bisherigen Formen i m wesentlichen beibehalten, auf Abschließung der Rechnungen, Übereinstimmung m i t den Etats, Justifikationen durch Belege halten u n d ein selbständiges K o l l e g i u m bleiben."

I n seinem Plan zur Neuordnung der preußischen Verwaltung vom 23. November 1807 führte Stein u. a. aus, daß die Ober-Rechenkammer, ohne einem speziellen Ressort untergeordnet zu sein, unmittelbar dem die Kabinettsgeschäfte leitenden Minister der Finanzen und des Inneren unterstellt werden sollte. I m einzelnen schrieb Stein über die OberRechenkammer u. a. 9 3 : „Die Absicht ist, solche rücksichtlich des Materiellen ihrer Geschäftsführung möglichst selbständig u n d unabhängig zu erhalten. Sie bleibt rücksichtlich solcher unmittelbar des Königs Majestät verantwortlich u n d erhält u n m i t t e l bar die erforderlichen Befehle. N u r rücksichtlich des Geschäftsbetriebs selbst 88

Protokoll v o m 27. Februar 1798; vgl. Pfuhlstein, S. 29. Vgl. Hertel, S. 106 (Anlage X X ) ; Ditfurth, S. 39 f.; Pfuhlstein, S. 29 f. I n dem Schreiben, das die Neuorganisation regelt, taucht erstmals die Bezeichnung Ober-Rechnungs-Kammer auf. 90 Pfuhlstein, S. 30. 91 Vgl. Pfuhlstein, S. 30; Ditfurth, S. 40. 92 Abgedruckt bei Pfuhlstein, S. 32. 93 Abgedruckt bei Pfuhlstein, S. 32 f. 89

3 Grupp

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945 steht sie unter dem Minister der Finanzen u n d des Inneren. Sie muß solchem über den Fortgang der Geschäfte Rechenschaft ablegen, seiner desfalsigen Weisungen Folge leisten u n d wo sie Unterstützung bedarf, sich an solchen wenden. Durch den Minister der Finanzen u n d des Inneren bringt die OberRechenkammer ihre Anträge wegen unmittelbar erforderlicher Bestimmungen an des Königs Majestät, wenn sie nicht über solchen selbst Beschwerde zu führen sich veranlaßt sehen sollte, i n welchem F a l l sie sich direkt an des Königs Majestät m i t A n f ü h r u n g der Gründe wendet. Die Ober-Rechenkammer erhält eine neue Organisation u n d Instruktion. I h r Ressort w i r d genau bestimmt. Sie behält die Prüfung aller Rechnungen über Staatseinnahmen und -ausgaben. Dagegen verliert sie die Prüfung der K o m m u n i t ä t s - u n d Korporations-Rechnungen, zu deren Abnahme anderweite zweckmäßigere Anstalten getroffen werden. Der Geschäftsgang w i r d abgekürzt, u n d doppelte Prüfungen i n calculo fallen weg. Sie erhält i n der Regel die Rechnungen schon durch die den Kassen unmittelbar vorgesetzten Behörden i n calculo geprüft u n d revidiert bloß die Richtigkeit der Kalkulatur-Notaten. Die materielle Prüfung muß von den Mitgliedern der Ober-Rechenkammer selbst geschehen . . . "

A u f diesem von den Regelungen der neueren Zeit zum Teil nicht sehr verschiedenen Konzept der Rechnungsprüfung beruhen die Bestimmungen, die i n den Jahren nach Steins Ausscheiden aus dem preußischen Staatsdienst erlassen wurden. Allerdings erlangten die Vorstellungen Steins , insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses von Prüfungsbehörde und Ministerien, nicht unverändert Gesetzeskraft. So bestimmte Nr. 29 des Publikandums vom 16. Dezember 1808, betreffend die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden der Preußischen Monarchie i n Beziehung auf die innere Landes- und Finanz-Ver waltung 9 4 , daß die Ober-Rechenkammer „rücksichts des Materiellen ihrer Geschäftsführung möglichst selbstständig und unabhängig werden soll", insoweit nur dem König unmittelbar verantwortlich. Bezüglich ihres formalen Geschäftsbetriebes sollte sie „künftig unter dem gesammten Staatsrathe und vorerst unter den gesammten Ministerien" stehen. Die weitere politische Entwicklung i n Preußen, maßgeblich beeinflußt durch Hardenberg, führte nur wenig später zu einer erneuten Veränderung der Stellung der Rechnungsprüfungsbehörde. War durch die Kabinettsorder vom 29. Mai 181095 die nunmehr als Ober-Rechnungs-Kammer bezeichnete Behörde dem gesamten Staatsministerium untergeordnet worden, so wurde sie durch die Verordnung über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden i n der Preußischen Monarchie vom 27. Oktober 181096 dem Staatskanzler unterstellt, „als vorzügliches H ü l f s m i t t e l bei seiner Oberaufsicht und obersten Controlle der Verwaltungs-Behörden. Sie ist Revisionsbehörde für alle Rechnungen u n d Etats, über alle u n d jede Landesherrliche Fonds ohne Ausnahme". 94 95 96

Auszugsweise abgedruckt bei Hertel , S. 107 f. (Anlage X X I ) . Abgedruckt bei Hertel, S. 109 ff. (Anlage X X I I ) . Auszugsweise abgedruckt bei Hertel, S. 113 ff. (Anlage X X I I I ) .

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

35

Der Staatskanzler hatte nach dieser Verordnung unter dem Befehl des Königs die Oberaufsicht und Kontrolle über die gesamte Verwaltung. Durch eine Verordnung vom 3. November 18 1 7 9 7 wurde der OberRechnungskammer eine neue Behörde, die Generalkontrolle der Finanzen, unter der Leitung des Staatskanzlers, an die Seite gestellt. Ihre Aufgabe war die ständige gleichzeitige Kontrolle des gesamten staatlichen Finanzwesens, während die Ober-Rechnungskammer weiterhin traditionell die nachherige Rechnungsprüfung durchführte. Die Generalkontrolle prüfte — an Stelle der Ober-Rechnungskammer — sämtliche Etats, ihrer Zustimmung bedurften die Veräußerung von Staatseigentum, das Erlassen von Abgaben, die Aufnahme von Staatsschulden, die Neubewilligung oder Erhöhung von Ausgaben. Die Ober-Rechnungskammer war — wie alle anderen Behörden — verpflichtet, der Generalkontrolle sämtliche erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Akten vorzulegen. Die Arbeit der neuen Behörde führte schon nach kurzer Zeit zu Reibungen zwischen ihr und der Verwaltung sowie der Ober-Rechnungskammer 98 , die sich nach dem Tode Hardenbergs noch verstärkten, als die Generalkontrolle mehr und mehr auch i n Detailfragen tätig wurde; die Beziehungen zwischen ihr und der Ober-Rechnungskammer verbesserten sich erst, als der Direktor der Generalkontrolle, Ladenberg, 1823 Chefpräsident der Ober-Rechnungskammer wurde 9 9 . Zu diesem Zeitpunkt begannen die Arbeiten an einer Reform der Stellung der Ober-Rechnungskammer, die gegen Ende des Jahres 1824 m i t dem Erlaß einer königlichen Instruktion ihren Abschluß fanden. f) Die Ob er-Rechnungskammer nach der Instruktion vom 18. Dezember 1824 Die von Friedrich Wilhelm III. auf Grund des Entwurfs von Ladenberg vollzogene Instruktion vom 18. Dezember 1824 100 hat die weitere Entwicklung der Rechnungsprüfung i n Deutschland entscheidend geprägt und bis i n das 20. Jahrhundert hinein die Arbeit der Ober-Rechnungskammer und des Rechnungshofes des Deutschen Reiches bestimmt 1 0 1 . Ihre Bedeutung erlangte die Instruktion nicht nur wegen ihrer Bestimmungen über die Ober-Rechnungskammer, sondern auch wegen der umfangreichen haushaltsrechtlichen Regelungen über die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel; die Instruktion vereinigte erstmals die zahlreichen preußischen Etats-, Verwaltungs- und Rechnungsgrundsätze 102 . 97 Qg g 292. Pfuhlstein, S. 38 f.; Ditfurth, S. 48. 99 Pfuhlstein, S. 38 f. 100 Abgedruckt bei Hertel, S. 127 ff.; Herrfurth, Das gesammte Preußische Etats-, Kassen- u n d Rechnungswesen, 1. Teil, 3. Aufl., S. 66 ff. 101 Ditfurth, S. 56; Buchholtz, S. 8; vgl. auch Pfuhlstein, S. 44. 102 Ditfurth, S. 56. 98



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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Durch § 50 der Instruktion wurde die Unabhängigkeit der OberRechnungskammer von den zu kontrollierenden Behörden „als ein selbständiges nur Uns Allerhöchstselbst untergeordnetes Collegium" wiederhergestellt. § 1 Abs. 2 bestimmte: „Die Ober-Rechnungs-Kammer u n d die General-Controlle sind die höchsten controllierenden Behörden der Verwaltungen 1 0 3 ."

§ 1 Abs. 1 der Instruktion beschreibt die Aufgabe der Rechnungsprüfung: „Der Zweck der Ober-Rechnungs-Kammer ist: a) durch die Revision der Rechnungen sich zu überzeugen, daß die allgemeinen Grundsätze des von Uns genehmigten Staats-VerwaltungsSystems festgehalten, i m Geiste desselben w i r k l i c h administrirt, die einzelnen Verwaltungen nach den bestehenden Gesetzen, Verordnungen, Instructionen und Etats gewissenhaft geführt, Einnahmen und Ausgaben gehörig nachgewiesen, u n d die den Verwaltungen bewilligten Summen bestimmungsgemäß verwendet werden, u n d b) nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resultaten zu beurtheilen, ob u n d wo zur Beförderung des Staats-Zwecks Abänderungen nöthig oder doch räthlich sind."

Uber die A r t der Tätigkeit der Ober-Rechnungskammer heißt es i n § 3: „Die Prüfung der Rechnungen muß unter genauer Beachtung der bestehenden Verwaltungs-Grundsätze, m i t Umsicht u n d Sachkenntniß geschehen, nicht aber lediglich auf Rechnungs-Justifikation beschränkt werden. Der Rath, welcher die Revision der Rechnungen bewirkt, muß i n das Wesen der V e r w a l t u n g selbst eindringen, u m zu prüfen, wie verwaltet, u n d ob dabei grundsätzlich zu verfahren ist, oder ob u n d welche Abweichungen u n d Mißbräuche Statt gefunden haben. M i t dem Geiste der Verw^ltungs- u n d RegierungsGrundsätze vertraut, muß die Ober-Rechnungs-Kammer beurtheilen, ob das Staats-Einkommen innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen so ergiebig als möglich gemacht worden, oder, ob und i n w i e w e i t ein höherer Ertrag ohne Druck hätte erreicht werden können. Sie muß ferner prüfen, ob bei der V e r wendung der Ausgabe-Fonds zweckmäßig u n d m i t möglichster Sparsamkeit zu Werke gegangen, oder ob u n d wodurch eine Verminderung derselben zu b e w i r ken gewesen sein würde."

Ergänzend zu diesen Bestimmungen über eine sparsame Verwaltungsführung schreibt § 10 vor: „ B e i allen Ausgaben, insofern deren Betrag nicht durch die Etats unveränderlich u n d unwiderruflich feststeht, muß die größte m i t dem Zweck der Bewilligung n u r irgend vereinbare Sparsamkeit beobachtet, u n d jede U n wirthschaftlichkeit bei Vermeidung eigener Vertretung vermieden werden. Denn die zu den verschiedenartigen Zwecken ausgesetzten Fonds sind nicht dazu bestimmt, u m jedenfalls vollständig verwendet zu werden, sondern n u r 103 Die Formulierung bei Hertel, S. 127 ff.: „ . . . die höchsten controllierenden Behörden u n d Verwaltungen . . . " beruht auf einem Druckfehler; vgl. bei Hertel, Ergänzungsheft S. 7.

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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deshalb bewilligt, damit es nirgends an M i t t e l n zur Bestreitung nothwendiger Verwaltungs-Kosten oder Erreichung der Regierungs-Zwecke fehle."

Diese Vorschriften lassen nicht nur das moderne Bestreben 104 erkennen, den Staatshaushalt zusammenhängend zu betrachten, sondern verdeutlichen auch die Aufgabe der Ober-Rechnungskammer, das staatliche Finanzgebaren neben seiner formalen Richtigkeit vor allem auf Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie auf politische Nützlichkeit zu überprüfen. Damit der Ober-Rechnungskammer die formelle Prüfung erleichtert würde — und sie dadurch um so mehr die materielle Kontrolle durchführen könnte —, wiederholte § 47 der Instruktion die schon bei Stein vorgesehene Regelung 105 , daß die Rechnungen vor der Einreichung an die Prüfungsbehörde „bei der Verwaltungsbehörde abgenommen werden, nachdem solche u n d die Beläge zuvor i n calculo vollständig geprüft und attestirt worden".

Die §§ 47, 48 und 51 unterstellten die Provinzialbehörden der OberRechnungskammer, soweit deren Angelegenheiten berührt waren, der Prüfungsbehörde und verliehen dieser insoweit die Stellung der vorgesetzten Verwaltungsbehörde. Die Ober-Rechnungskammer konnte daher Berichte von diesen Behörden verlangen, sie hatte sogar das Recht, die rechtzeitige Einsendung der Rechnungen durch Androhung von Ordnungsstrafen zu erzwingen. § 49 Abs. 2 legte erneut die Berichtspflicht der Ober-Rechnungskammer fest und erweiterte sie: Zusammen m i t dem jährlichen Geschäftsbericht, der über die bei der Prüfung festgestellten Mängel Auskunft geben sollte, war eine Übersicht über den Zustand der Rechnungen einzureichen. § 55 der Instruktion bestätigte — wenn auch m i t Einschränkungen — die kollegialische Verfassung der Prüfungsbehörde: „ B e i den zum Vortrage i n der Ober-Rechnungs-Kammer geeigneten Sachen findet die kollegialische Berathung u n d Beschlußnahme i n der Regel Statt. Der Chef-Präsident ist jedoch ermächtigt, da, w o es das Formelle der Geschäfte betrifft, selbstständig zu verfügen, so w i e demnächst, wo es sich von dem Materiellen handelt, und derselbe m i t dem, von der Mehrheit des Collegii gefaßten Beschlüsse nicht einverstanden ist, solchen zu suspendiren, u n d Unsere Entscheidung einzuholen, auch den bei den Rechnungen gezogenen Monitis ohne weitere Rücksprache m i t dem Collegio noch andere sowohl quoad materialia als formalia hinzuzufügen."

Durch eine Instruktion vom 16. März 1831 106 , die bis 1873 i n K r a f t blieb., wurde die Kollegialverfassung weiter eingeschränkt: Dem Chef-Präsi104 105 106

Lange, S. 47 (Anm. 1). Vgl. oben I 2 e. Abgedruckt bei Pfuhlstein,

S. 43.

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

denten wurde ein votum decisivum, den übrigen Mitgliedern dagegen nur ein votum consultativum eingeräumt — eine Änderung, die auf das französische Vorbild des Präfektursystems zurückgeht 1 0 7 . Die Rolle der Ober-Rechnungskammer war dagegen i n der Zwischenzeit verstärkt worden durch die Kabinettsorder vom 29. Mai 1826, mit der die Generalkontrolle der Finanzen aufgelöst worden war: Von diesem Zeitpunkt war die Ober-Rechnungskammer die alleinige Revisionsbehörde, während der Finanzminister für die Verwaltung der staatlichen Mittel zuständig w a r 1 0 8 . Durch die Instruktion vom 18. Dezember 1824 und die Auflösung der Generalkontrolle war die Stellung der Ober-Rechnungskammer i n der preußischen Monarchie endgültig gefestigt, waren ihre Aufgaben deutlich festgelegt worden: eine von den zu prüfenden Verwaltungsbehörden unabhängige Revisionsbehörde kontrollierte die gesamten Einnahmen und Ausgaben des Staates auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit.

I I . Die Rechnungsprüfungsbehörden als Kontrollorgane des Monarchen

Struktur und Funktion der Rechnungsprüfungsbehörden i n den absolutistisch regierten Staaten Sachsen und Preußen lassen deutlich erkennen, daß sowohl der Ober-Rechen-Rat als auch die General-RechenKammer bzw. Ober-Rechnungskammer Organe des Monarchen waren, m i t deren Hilfe er die Finanzen des Staates — und das bedeutete i m Zeitalter der absoluten Monarchie: seine Finanzen 1 0 9 — kontrollierte. Zweck der Kontrolle war es i n erster Linie, dem Landesherrn einen Uberblick über seine vielfältige Finanzwirtschaft zu verschaffen und sicherzustellen, daß die für ihn eingezogenen M i t t e l nicht durch seine Verwaltungsorgane mißbräuchlich verwendet wurden 1 1 0 . Eine wirksame Kontrolle war jedoch nicht möglich, wenn die Prüfer Angehörige der zu prüfenden Behörde waren 1 1 1 ; ebenso wie i n Sachsen entschied sich daher auch der preußische König für eine von der zu prüfenden Finanzverwaltung organisatorisch unabhängige Revisionsbehörde. Die organisatorische Trennung bedeutete nur eine Lösung der Rechnungsprüfung aus der Verwaltungshierarchie, nicht aber den Verlust des io? v g L pfuhlstein , S. 43; Ditfurth , S. 57. tos v g l . pfuhlstein , S. 42. 109 Vgl. Saemischl Stengel, Kontrollrecht, S. 703. 110 Stengel/Winzerling, Rechnungsprüfung u n d Rechnungshof, i n : wörterbuch der Staatswissenschaften, Sechster Band, 4. Aufl., S. 1173 ff. Lange, S. 78; vgl. auch Saemischl Stengel, Kontrollrecht, S. 703; Pfuhlstein, Gotham, Der Umfang der Prüfungskompetenz der Rechnungshöfe, S. und passim. 111 Löhe, S. 636.

Hand(1173); S. 18; 8 a. E.

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

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Charakters einer Verwaltungsbehörde 112 . Dies zeigt sich schon an der sächsischen Institution, die, worauf Lobe 1 1 3 hinweist, den Ministern gleichgestellt, aber für den Fall der Abwesenheit des Kurfürsten den Kabinettsministern unterstellt war. Deutlicher noch w i r d dies bei der preußischen General-Rechen-Kammer: I n der Bestallungsurkunde für v. Creutz 114 wurde diesem nicht nur die Aufgabe übertragen, als Commissarius perpetuus die unbeschränkte nachträgliche Prüfung aller Rechnungen vorzunehmen, sondern er war auch gleichzeitig zur „Aufsicht über Unsere sowohl Militair — als Civilkassen" bestellt. I n dieser Eigenschaft als Generalkontrolleur war v. Creutz Leiter der gesamten Finanz Verwaltung. Die Aufgabe der Rechnungsprüfung war m i t dieser Verwaltungstätigkeit unmittelbar verbunden; die Stellung der Kontrollbehörde vergleicht Holtz 115 zutreffend mit der eines Revisionsbüros i n einem Wirtschaftsunternehmen: Teil dieses Unternehmens, aber wegen seiner besonderen Aufgabe organisatorisch selbständig. Dieser Status der General-Rechen-Kammer blieb unverändert, als der König durch das Edikt vom 13. August 1713 die Finanzen von Krone und Staat trennte 1 1 6 , wie sich auch aus der Verordnung vom 16. Juni 1717 117 ergibt, wonach dem Präsidenten und den Mitgliedern nicht nur Kontrollaufgaben, sondern auch Verwaltungsarbeiten übertragen waren 1 1 8 . „ . . . wie denn auch dieses Collegium der General-Rechen-Kammer unter dem Präsidio Unseres Würklichen Geheimen Etats- u n d Krieges-Raths auch Controleur-général, des von Creutz, u n d von denen hierzu verordneten M e m bris, welche an I h n wegen I h r e r i n der General-Rechen-Kammer habenden Function allein verwiesen seyn, verwaltet werden soll."

Die Behörde war allein dem König unterstellt, ihre Mitglieder wurden von i h m ernannt, bezüglich der Rechnungsprüfungsgeschäfte waren sie sachlich nur dem Präsidenten untergeordnet — eine Regelung, die sich i n ähnlicher Form später erneut findet 119. Die Verbindung von Prüfungsbehörde und Finanzverwaltung zeigt sich ebenso daran, daß die GeneralRechen-Kammer bei der Etataufstellung, einer allein der Verwaltung obliegenden Aufgabe, mitzuwirken hatte 1 2 0 , wie an der dem Präsidenten 112 Vgl. Roedig, Z u r Problematik der M i t w i r k u n g des Bundesrechnungshofes bei der Planung und Durchführung von Verwaltungsaufgaben, S. 32 f.; Holtz, S. 197 f. 113 S. 638. 114 Vgl. dazu oben I 2 a. 115 S. 198. 116 Vgl. bei Pfuhlstein, S. 17. 117 Abgedruckt bei Hertel, S. 19 f. (Anlage I). 118 Pfuhlstein, S. 18. 119 Vgl. § 100 Abs. 4 B H O — s. dazu unten Zweiter T e i l Β I V 1 c. 120 Vgl. dazu Haase, S. 41, 64 (Anlage 33) u n d 66 f. (Anlage 40).

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

auferlegten Pflicht, dem Monarchen jährlich über die Finanzlage zu berichten. Diese Berichtspflicht ist ein charakteristisches Merkmal der Finanzverwaltungstätigkeit, sie entspricht der i n späterer Zeit von den Regierungen bzw. den Finanzministern zu erfüllenden Rechnungslegungspflicht. Die Neuordnung der preußischen Verwaltung i m Jahre 1723 121 führte zur Wiedereingliederung der Rechnungsprüfungsbehörde i n die Verwaltungshierarchie als „subalternes Collegium" des General-Direktoriums, das alle Verwaltungszuständigkeiten i n Preußen i n sich vereinigte 1 2 2 , eine Stellung, die bis zur Verordnung vom 4. November 1796 erhalten blieb. Die Kollegialverfassung blieb auch unter Friedrich IL unberührt, sie galt für die Ober-Rechenkammer ebenso wie für die anderen oberen Verwaltungsbehörden 1 2 3 . Die finanzielle Situation des Staates machte Sparmaßnahmen der Verwaltung dringend erforderlich, so daß der König die Ober-Rechenkammer i n seinen Instruktionen wiederholt anwies, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Finanzverwaltung zu beachten 124 . Diese Aufgabe der Kontrollbehörde, die sich i n den die Rechnungsprüfung regelnden Vorschriften immer wieder findet 125, ist ein für die Rechnungskontrolle wesentliches Charakteristikum; denn sie ist das Korrelat des für die gesamte Verwaltung geltenden W i r t schaftlichkeitsgrundsatzes 126 . Die Verordnung Friedrich Wilhelms II. aus dem Jahre 1796 erneuerte die schon i n der Verordnung von 1717 dem Präsidenten auferlegte Berichtspflicht, nunmehr verbunden mit der Aufgabe, dem König die von der Ober-Rechenkammer aufgestellten Erinnerungen mitzuteilen. Sinn dieser derart erweiterten Berichtspflicht war, dem König als dem absoluten Souverän den Überblick über seine Verwaltung zu erleichtern. U m seine Übersicht zu verbessern, schuf Friedrich Wilhelm III. schon bald nach dem Regierungsantritt das A m t des Generalkontrolleurs der Finanzen, der Mitglied des Staatsministeriums und zugleich Chef der OberRechenkammer war, so daß die Rechnungskontrolle auch organisatorisch wieder mit der Verwaltung verbunden war, ohne daß jedoch ihre Unterstellung unmittelbar unter den König berührt wurde. Die Immediatstellung der Rechnungsprüfungsbehörde blieb jedoch nicht lange erhalten: 1808 wurde sie dem Staatsrat, 1810 dem Staatskanzler i m Zuge der 121

Vgl. oben I 2 b. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, S. 102. Pfuhlstein, S. 21. 124 Vgl. oben I 2 c; Pfuhlstein , S. 24; Lange, S. 34. 125 Vgl. z. B. § 3 der I n s t r u k t i o n v o m 18. Dezember 1824, § 12 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes von 1872, § 96 Abs. 1 Nr. 3 u n d 4 RHO, § 90 Nr. 3 und 4 BHO. 126 Vgl. z.B. § 26 RHO, § 6 Abs. 1 HGrG, § 34 Abs. 2 B H O ; s. auch Roedig, S. 12 A n m . 33. 122 123

Α. Rechnungsprüfung i n der absoluten Monarchie

41

Verwaltungsreformen durch Stein und Hardenberg untergeordnet. Diese Maßnahme sollte es dem Staatskanzler ermöglichen, seine Aufgaben — Oberaufsicht und Kontrolle der gesamten Verwaltung — besser zu erfüllen. Zusätzlich wurde 1817 die General-Kontrolle der Finanzen 1 2 7 gegründet, die der inzwischen Ober-Rechnungskammer genannten Behörde die materielle Prüfung der Rechnungen abnahm. Durch die Instruktion vom 18. Dezember 1824 erhielt die Ober-Rechnungskammer ihre alte Stellung und den früheren Aufgabenbereich zurück. Als Verwaltungsbehörde organisatorisch von der übrigen Verwaltungshierarchie getrennt 1 2 8 , war sie unmittelbar dem König unterstellt und hatte i h m über den Zustand der von ihr materiell geprüften Rechnungen und die gezogenen Erinnerungen zu berichten. Als ihr Zweck war jedoch auch bestimmt, „nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resultaten der V e r w a l t u n g zu beurtheilen, ob u n d w o zur Beförderung des Staats-Zwecks Abänderungen nöthig oder doch räthlich s i n d " 1 2 9 .

Damit war der Ober-Rechnungskammer eine prima facie nicht zum Bereich der Verwaltung gehörige Aufgabe übertragen worden: an der Gestaltung der die Verwaltung der Haushaltsmittel regulierenden Vorschriften mitzuwirken. Die Wahrnehmung dieser Funktion, die dem legislativen Bereich anzugehören scheint, bedeutet jedoch nicht, daß damit die Ober-Rechnungskammer ihren Charakter als eine Verwaltungsbehörde verlor. Zum einen übte die Ober-Rechnungskammer die Rechtsetzungsfunktion nicht selbst aus, sondern war nur ermächtigt, die nach ihrer Ansicht erforderlichen Änderungen von Haushaltsvorschriften anzuregen, zum anderen stand die Gesetzgebungsgewalt allein dem absolutistisch herrschenden Monarchen zu — die nachgeordneten Behörden übten lediglich für den König die vollziehende Gewalt aus. Deutlich zeigt sich auch an der der Prüfungsbehörde eingeräumten Immediatstellung, daß sie eine Verwaltungsbehörde war. Dem Landesherrn, der die Spitze der Verwaltung bildete, sollte die Ober-Rechnungskammer eine unabhängige Kontrolle der Verwaltung gewährleisten. Nach § 1 Abs. 2 der Instruktion vom 18. Dezember 1824 war die OberRechnungskammer eine der „höchsten controllirenden Behörden der Verwaltungen"; damit war gleichzeitig festgelegt, daß sie selbst Verwaltungsbehörde w a r 1 3 0 . Dies ergibt sich auch aus der Regelung i n § 52 der 127 Eine Verwaltungsbehörde, die einen T e i l jener Aufgaben auszuführen hatte, die später auf das Finanzministerium übergingen, ζ. B. die Staatsbuchhalterei (vgl. dazu Hertel, A n m . zu § 1 der I n s t r u k t i o n v o m 18. Dezember 1824, S. 127 ff.; s. auch Pfuhlstein, S. 42). 128 Roedig, S. 32 f. 129 § 1 Abs. 1 Buchstabe b der I n s t r u k t i o n v o m 18. Dezember 1824 (abgedruckt bei Hertel, S. 127 ff.). 130 Roedig, S. 32.

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

42

Instruktion, der das „Verhältniß zu den Ministerien und übrigen obersten Verwaltungsbehörden" regelte und die letzte Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Ober-Rechnungskammer einerseits und den gleichrangigen Verwaltungsbehörden andererseits dem König vorbehielt. — Gegenüber den Provinzialbehörden nahm die OberRechnungskammer i n Angelegenheiten der Rechnungsprüfung dementsprechend die Stellung der vorgesetzten Verwaltungsbehörde ein. Die organisatorische Verselbständigung der Prüfungsbehörde gegenüber den sonstigen obersten Verwaltungsbehörden durch Einräumung der Immediatstellung diente ebenso wie die verfügte grundsätzliche K o l legialverfassung nicht dem Zweck, die Ober-Rechnungskammer als nichtverwaltende Behörde zu errichten, sondern sollte eine von den zu prüfenden Verwaltungsbehörden unbeeinflußte Kontrolltätigkeit für den König ermöglichen 131 . Vor dem Ubergang Preußens vom absolutistischen zum konstitutionellen Staat war mit der Instruktion von 1824 die Ober-Rechnungskammer als Institution der Rechnungsprüfung i m Staatsaufbau fest verankert: Organisatorisch getrennt von der ihrer Prüfung unterworfenen Verwaltung, war sie als Verwaltungsbehörde dem König als dem Inhaber aller Staatsgewalt unmittelbar unterstellt, der sich ihrer bei der Leitung der Verwaltung als Instrument der Kontrolle bediente 132 .

B. Finanzkontrolle im konstitutionell-monarchischen Staat M i t der beginnenden Beteiligung des Volkes an der Ausübung der Staatsgewalt setzten erneut die Auseinandersetzungen u m Stellung und Aufgaben der Finanzkontrollbehörden ein. Nachdem den Volksvertretungen das Budgetbewilligungsrecht zugestanden worden war, verlangten diese als notwendige Ergänzung auch das Recht nachzuprüfen, inwieweit ihren Beschlüssen bei der Ausführung durch die Verwaltung Folge geleistet worden war 1 . Ohne die Möglichkeit, die Einhaltung des Staatshaushaltsplans und der beschlossenen Gesetze m i t finanziellen Auswirkungen zu kontrollieren, mußte die M i t w i r k u n g der Parlamente an der Etatgestaltung nicht nur unvollkommen, sondern auch wenig sinnvoll bleiben. Bereits die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 18492 enthielt i m Abschnitt I V : Der Reichstag, A r t i k e l V, § 103 Nr. 8 eine Vorschrift über die Rechnungsprüfung: 131

Roedig, S. 32. Roedig, S. 32. Vgl. Lange, S. 50. 2 Abgedruckt bei Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 304 ff. 132 1

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

43

„Die Nachweisung über die Verwendung der Reichsgelder w i r d dem Reichstage, und zwar zuerst dem Volkshause, zur Prüfung u n d zum Abschluß v o r gelegt."

Während also die Nationalversammlung offenkundig nicht die Errichtung einer allgemeinen Rechnungsprüfungsbehörde beabsichtigte, sondern die Finanzkontrolle selbst vornehmen wollte 3 , baute die Entwicklung i n Preußen auf der schon bestehenden Institution der Ober-Rechnungskammer auf, die sich i m Zeitalter des Absolutismus bewährt hatte. I . Die preußische Ober-Rechnungskammer nach dem Gesetz v o m 27. M ä r z 1872

Schon die sog. oktroyierte

Verfassung

v o m 5. Dezember 18484 be-

stimmte i n A r t . 103: „ Z u Etats-Ueberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der K a m mern erforderlich. Die Rechnungen über den Staatshaushalt werden von der Ober-Rechnungskammer geprüft u n d festgestellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres, einschließlich einer Uebersicht der Staatsschulden, w i r d von der Ober-Rechnungskammer zur Entlastung der Staats-Regierung den K a m m e r n vorgelegt. E i n besonderes Gesetz w i r d die Einrichtung und die Befugnisse der OberRechnungskammer bestimmen."

Zwar wurde durch diese Vorschrift nicht geklärt, ob und i n welcher Form die Prüfungsbehörde für die Volksvertretung tätig sein sollte, aber die Regelung statuierte ein unmittelbares Verkehrsrecht zwischen der Ober-Rechnungskammer und dem Parlament. Dieses Verkehrsrecht

wurde

jedoch i n die

revidierte

Verfassung

Preußens vom 31. Januar 18505 nicht übernommen. Wie der Abgeordnete Engeicken i n der Sitzung des preußischen Landtages am 16. Februar 1872 erläuterte 6 , hatte zwar die zweite Kammer bei den Beratungen der revidierten Verfassung den Wortlaut aus der Verfassung von 1848 übernommen, aber der Centraiausschuß der ersten Kammer ersetzte die Worte „von der Ober-Rechnungskammer" durch „ m i t den Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer" ; dieser Fassung stimmte auch die zweite Kammer zu. Begründet wurde die Änderung damit, daß „die frühere Fassung dieser Bestimmung der Annahme Raum giebt, als solle die Ober-Rechnungskammer unmittelbar m i t den K a m m e r n i n K o m m u n i k a t i o n treten, während die Letzteren füglich nicht m i t einzelnen Behörden, sondern n u r m i t der Staatsregierung als solcher zu verhandeln haben können". 3 4 5 6

Lange, S. 51. Abgedruckt bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 385 ff. Abgedruckt bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 401 ff. s. bei Hertel , S. 367 f.; vgl. auch Pfuhlstein , S. 51.

Erster T e i l : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Demgemäß bestimmte Art. 104 der revidierten Verfassung: „ Z u Etats-Ueberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der K a m mern erforderlich. Die Rechnungen über den Staatshaushalts-Etat werden v o n der Ober-Rechnungskammer geprüft u n d festgestellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jedes Jahres, einschließlich einer Uebersicht der Staatsschulden, w i r d m i t den Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer zur Entlastung der Staatsregierung den K a m m e r n vorgelegt. E i n besonderes Gesetz w i r d die Einrichtung u n d die Befugnisse der OberRechnungskammer bestimmen."

Die neue Fassung führte jedoch nicht zu einer Klärung, sondern zu neuen Auseinandersetzungen, da ungewiß war, was die „Bemerkungen" enthalten sollten 7 . Die Budgetkommission der ersten Kammer des Landtages verlangte i m Jahre 1855, dem Landtag die nach § 49 Abs. 2 der Instruktion vom 18. Dezember 18248 dem König zu berichtenden Mängel und Bedenken bekanntzugeben. Die Regierung, die die jährlichen Geschäftsberichte der Ober-Rechnungskammer selbst nicht zur Kenntnis erhielt, wies den Antrag zurück; der Landtag lehnte schließlich den Antrag der Budgetkommission ab. Seit 1862 wurde zwar der Regierung dieser Bericht zugänglich gemacht, dem Landtag aber weiterhin vorenthalten. Die Ober-Rechnungskammer enthielt sich auf Grund der ungeklärten Rechtslage jeder Bemerkung, was durch den Landtag — wenn auch erfolglos — als verfassungswidrig gerügt wurde. Als 1857 die erste Kammer „die allgemeinen gutachtlichen Äußerungen und Vorschläge der Ober-Rechnungskammer über die Ergebnisse der Staatshaushaltsverwaltung" als Gegenstand der Bemerkungen bezeichnete, lehnte die Ober-Rechnungskammer diese Interpretation des Art. 104 der Verfassungsurkunde ab und vertrat die Ansicht, die Frage könne nur durch das Gesetz nach A r t . 104 Abs. 3 geklärt werden. Der Landtag erhielt nach wie vor nur die mit der Bescheinigung der formellen Richtigkeit versehene Rechnung. I m Jahre 1862 verweigerte er daraufhin der Regierung die Entlastung, so daß sich König Wilhelm I. gezwungen sah, durch eine Instruktion vom 21. Juni 18629 die Ober-Rechnungskammer anzuweisen, als Bemerkungen dem Landtag mitzuteilen, welche ungedeckten außerordentlichen Ausgaben erfolgt, welche Etatsüberschreitungen vorgekommen und wegen welcher Verstöße gegen das Staatshaushaltsgesetz Erinnerungen aufgestellt worden seien. Die Aufnahme sonstiger Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen, Finanzvorschriften und Haushaltsvor7 8 9

Vgl. Pfuhlstein , S. 52 ff.; Ditfurth , S. 60 f. Vgl. oben I 2 f. Abgedruckt bei Hertel , Ergänzungsheft S. 127.

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

45

Schriften i n die Bemerkungen lehnte der König ab. A u f Grund dessen hielten die Auseinandersetzungen bis zum Erlaß des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes i m Jahre 1872 an 1 0 . Bereits i m Jahre 1862 hatte die Staatsregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, damit gemäß A r t . 104 Abs. 3 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungskammer geregelt würden. Eine Kommission der zweiten Kammer hatte diese Vorlage bereits beraten und darüber Bericht erstattet; eine Beratung i m Plenum konnte jedoch wegen der Auflösung des Abgeordnetenhauses am 11. März 1862 nicht erfolgen. Die nun folgenden langjährigen Auseinandersetzungen zwischen Abgeordnetenhaus und Regierung sowie die außenpolitischen Ereignisse nach 1865 und die Reichsgründung verhinderten es vorerst, daß sich das Parlament erneut mit einem Gesetz über die Ober-Rechnungskammer befaßte. Erst am 1. Dezember 1871 brachte die Regierung eine neue Gesetzesvorlage ein, die i n abgeänderter Form 1 1 als Gesetz betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungskammer am 27. März 187212 i n Kraft trat. 1. Aufgabe und Organisation der Ober-Rechnungskammer

Das Ober-Rechnungskammer-Gesetz, das an die bisherige Entwicklung der Rechnungsprüfung i n Preußen anknüpfte 1 3 , bestimmte i n § 1 : „Die Ober-Rechnungskammer ist eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Ministern gegenüber selbstständige Behörde, welche die Kontrolle des gesammten Staatshaushalts durch Prüfung u n d Feststellung der Rechnungen über Einnahmen u n d Ausgaben v o n Staatsgeldern, über Zugang u n d Abgang von Staatseigenthum u n d über die V e r w a l t u n g der Staatsschulden zu führen hat."

§ 9 legte i m einzelnen fest, was unter „Kontrolle des gesammten Staatshaushalts" zu verstehen war: „Der Revision durch die Ober-Rechnungskammer unterliegen zuvörderst alle diejenigen Rechnungen, durch welche die Ausführung des festgestellten Staatshaushalts-Etats . . . u n d der sämmtlichen Etats u n d Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dargethan w i r d . . . "

Darunter fielen die ausdrücklich genannten Rechnungen aller Staatsbehörden, Staatsbetriebsanstalten und staatlichen Institute. Ausgenommen von der Prüfung waren nach § 9 Abs. 3 10

Lange, S. 53. Vgl. i m einzelnen die Materialien bei Hertel , S. 219 ff., u n d die Kommentierung bei Buchholtz. 12 GS. S. 278. 13 Vgl. Pfuhlstein , S. 56; Lange, S. 54 f.; kritisch: Vocke , Über den Rechnungshof m i t besonderer Rücksicht auf das deutsche Reich, i n : ZGesStW 32 (1876), 479 ff. (551 f.). 11

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

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„allein die Rechnungen über die i n dem Etat f ü r das Bureau des Staatsministeriums zu allgemeinen politischen Zwecken u n d dem Etat des Ministeriums des I n n e r n zu geheimen Ausgaben i m Interesse der Polizei ausgesetzten Fonds".

§ 9 Abs. 2 bestimmte: „Die Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungskammer werden v o n dem Präsidenten derselben revidirt u n d m i t den Revisionsbemerkungen den beiden Häusern des Landtages zur Prüfung u n d Decharge vorgelegt."

Die A r t der Prüfung wurde i n § 12 geregelt: „Die Revision der Rechnungen ist außer der Rechnungsjustifikation noch besonders darauf zu richten: a) ob bei der Erwerbung, der Benutzung u n d der Veräußerung von Staatseigenthum u n d bei der Erhebung u n d Verwendung der Staatseinkünfte, Abgaben u n d Steuern nach den bestehenden Gesetzen u n d Vorschriften, unter genauer Beachtung der maßgebenden Verwaltungsgrundsätze v e r fahren worden ist; b) ob u n d wo nach den aus den Rechnungen zu beurtheilenden Ergebnissen der V e r w a l t u n g zur Beförderung des Staatszweckes Abänderungen nöthig oder rathsam sind."

Ergänzend bestimmten § 11, daß die Ober-Rechnungskammer Rechnungen von geringerer Bedeutung durch die Verwaltung prüfen lassen und sich auf Stichproben beschränken konnte, und § 13, daß der OberRechnungskammer gegenüber den zu prüfenden Behörden ein umfassendes Auskunftsrecht zustand. § 16 wiederholte die schon i n den §§ 47, 48, 51 der Instruktion vom 18. Dezember 182414 geregelte Unterstellung der Provinzial- und der ihnen gleichgestellten und 1 5 untergebenen Behörden i n Fragen der Rechnungsprüfung unter die Ober-Rechnungskammer, die insoweit die Stellung einer obersten Verwaltungsbehörde hatte. Gemäß § 2 ernannte der König den Präsidenten auf Vorschlag des Staatsministeriums, die übrigen Mitglieder auf Vorschlag des Präsidenten. Die persönliche Rechtsstellung der Mitglieder wurde i n § 5 geregelt: hinsichtlich der Dienstvergehen wurden sie den Richtern gleichgestellt; die dem Justizminister gegenüber den richterlichen Beamten zustehende Disziplinarbefugnis übertrug § 5 Abs. 7 bezüglich der Mitglieder der Ober-Rechnungskammer auf deren Präsidenten. § 3 bestimmte, daß Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und Schwäger nicht gleichzeitig Mitglieder der Ober-Rechnungskammer sein durften. § 4 enthielt für die Mitglieder das Verbot 14

s. oben 12 f. I m Gesetz heißt es wörtlich: „ . . . ihnen gleichgestellten untergebenen Behörden . . . " . Dabei handelt es sich offensichtlich u m ein Redaktionsversehen (vgl. Buchholtz , S. 103). 15

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

47

der Bekleidung von Nebenämtern bzw. der Ausübung entgeltlicher Nebenbeschäftigungen; darüber hinaus erklärte Abs. 2 dieser Vorschrift die Zugehörigkeit der Mitglieder zum Landtag für inkompatibel 1 6 . § 8 legte erneut die Kollegialverfassung der Ober-Rechnungskammer fest; kollegialische Beratung und Beschlußfassung waren insbesondere erforderlich für die i n § 20 normierte Pflicht der Berichterstattung an den König (über die Geschäftstätigkeit, verbunden m i t Vorschlägen, ob und inwieweit gesetzliche Bestimmungen zu ändern seien), für die Aufstellung oder Änderung allgemeiner Grundsätze, für die Begutachtung von Anordnungen oberster Verwaltungsbehörden und für die Feststellung der Bemerkungen für den Landtag. Den lange umstrittenen Inhalt der Bemerkungen legte § 18 nunmehr fest: „Die nach Vorschrift des Artikels 104. der Verfassungsurkunde m i t der a l l gemeinen Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres von der Staatsregierung dem Landtage vorzulegenden, von der Ober-Rechnungskammer u n ter selbstständiger, unbedingter Verantwortlichkeit aufzustellenden Bemerkungen müssen ergeben; 1. ob die i n der Rechnung aufgeführten Beträge i n Einnahme und Ausgabe m i t denjenigen übereinstimmen, welche i n den von der Ober-Rechnungskammer revidirten Kassenrechnungen i n Einnahme u n d Ausgabe nachgewiesen sind, 2. ob u n d inwieweit bei der Vereinnahmung u n d Erhebung, bei der Verausgabung oder Verwendung von Staatsgeldern oder bei der Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Staatseigenthum Abweichungen von den Bestimmungen des gesetzlich festgestellten Staatshaushalts-Etats oder der von der Landesvertretung genehmigten T i t e l der Spezial-Etats (§. 19), oder von den m i t einzelnen Positionen des Etats verbundenen Bemerkungen oder von den Bestimmungen der auf die Staatseinnahmen u n d Staatsausgaben oder auf die Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Staatseigenthum bezüglichen Gesetze stattgefunden haben, insbesondere 3. zu welchen Etatsüberschreitungen i m Sinne des A r t i k e l s 104. der V e r fassungsurkunde (§. 19), sowie zu welchen außeretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung des Landtages noch nicht beigebracht ist."

§ 19 definierte ergänzend den Begriff der Etatsüberschreitung und den des Titels eines Spezialetats. § 7 ermächtigte den König, auf Vorschlag der Ober-Rechnungskammer und des Staatsministeriums ein Regulativ zu erlassen, das den Geschäftsgang der Prüfungsbehörde regeln sollte. Das Regulativ erging am 22. September 187317 und traf eingehende Bestimmungen über die dienstliche Stellung und die Aufgaben der Mitglieder und Beamten der Ober16 A r t . 74 der Verfassungsurkunde wurde dementsprechend durch Gesetz vom 27. März 1872 ergänzt (GS. S. 277). 17 GS. S. 459; abgedruckt bei Hertel , S. 539 f t ; Herrfurth, S. 57 ff.

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Rechnungskammer sowie über die Geschäftsverteilung. Darüber hinaus wurde das Beschlußverfahren geregelt und — über § 8 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes hinaus — die kollegialische Beschlußfassung für weitere Fälle vorgeschrieben: bei Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern oder zwischen der Ober-Rechnungskammer und obersten Verwaltungsbehörden, bei dem Vorliegen von Zweifeln bei der Anwendung oder Auslegung gesetzlicher Vorschriften und bei der Delegation der Prüfung auf die Verwaltungsbehörden nach § 11 des Gesetzes sowie i n den Fällen, i n denen es u m Gesetze, Verordnungen oder Erlasse, die die Rechnungsprüfung berührten, ging und schließlich auch dann, wenn ein Mitglied den Vortrag i m Kollegium für erforderlich hielt. M i t der Verkündung des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes von 1872 und dem Erlaß des Regulativs i m Jahre 1873 war die Entwicklung der Rechnungsprüfung i n Preußen i m wesentlichen abgeschlossen; die späteren Änderungen des Gesetzes und des Regulativs 1 8 waren — i n dem hier untersuchten Zusammenhang — unbedeutend. Die Ober-Rechnungskammer hatte ihre feste Stellung i m preußischen Staate gefunden; sie war als ein nur dem König 1 9 unterstelltes, von den zu prüfenden Verwaltungsbehörden unabhängiges Kollegium etabliert, ihre Mitglieder waren den Richtern gleichgestellt. Aufgabe der Ober-Rechnungskammer war die Prüfung aller — von geringen Ausnahmen abgesehen — staatlichen Einnahmen und Ausgaben. Die von der Ober-Rechnungskammer aufgestellten Bemerkungen wurden über die Staatsregierung dem Landtag zugeleitet und dienten diesem als Grundlage für die Beschlußfassung über die Entlastung der Regierung. Preußen verfügte damit über ein hochentwickeltes, gefestigtes System der Rechnungsprüfung, das schließlich vom Deutschen Reich übernommen wurde. 2. Die staatsrechtliche Stellung der Ober-Rechnungskammer

Die Wandlung vom absolutistischen zum konstitutionellen Verfassungssystem bedingte die Eingliederung der Rechnungsprüfungsbehörde i n das neugeordnete Verfassungsgefüge. Diese Notwendigkeit ergab sich aus dem von den Parlamenten erkämpften Budgetbewilligungsrecht, das eine Kontrolle der Mittelverwendung durch die Volksvertretung erforderte 20 . Die preußische Verfassung sah daher i n A r t . 104 die M i t w i r k u n g der Ober-Rechnungskammer bei der Durchführung der parlamentarischen Kontrolle vor. 18

Vgl. Buchholtz, S. 11 bzw. S. 34. Gemäß A r t . 82 Abs. 1 der Preußischen Verfassung v o m 30. November 1920 w a r die Behörde nach der Abdankung des Königs der Staatsregierung u n m i t telbar untergeordnet. 20 Vgl. oben Β vor I. 19

Β. Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

49

Diese Regelung stellte die Tätigkeit der Ober-Rechnungskammer auch i n den Dienst der Legislative; Lange21 spricht daher von einer beginnenden „Zeit der Rechnungsprüfung für die Volksvertretung" i m Gegensatz zu der abgelaufenen Periode der „Rechnungsprüfung für den König bzw. ,im Interesse der Verwaltung'" 2 2 . Lange23 geht, allerdings ohne nähere Begründung, davon aus, daß sich mit der neuen Aufgabenstellung auch der staatsrechtliche Charakter der Ober-Rechnungskammer änderte; nach seiner Ansicht erlangte die Rechnungsprüfungsbehörde nunmehr eine von Legislative und Exekutive verschiedene, zwischen beiden Gewalten befindliche unabhängige Stellung. Diese Auffassung verkennt jedoch das Wesen des konstitutionell-monarchischen Verfassungssystems, wie es i n Preußen bestand. Staatstheoretisch läßt sich der Konstitutionalismus 2 4 — i n Abgrenzung gegenüber dem Absolutismus — als ein durch eine Verfassung festgelegtes unverbrüchliches, vielfach gesichertes, gewaltenteilendes System beschreiben, i n dem neben der monarchischen Verwaltung die gewählte Volksvertretung an der Gesetzgebung entscheidend beteiligt ist 2 5 . Diesem Modell entsprach i n den Grundzügen auch die Verfassung Preußens von 1850; gemäß der Regelung i n A r t . 57 der Wiener Schlußakte — nach Hub er 2 6 der institutionellen Garantie des deutschen Konstitutionalismus — lag das Übergewicht staatlicher Macht jedoch beim Monarchen: Er war nicht nur die Spitze der vollziehenden Gewalt, sondern w i r k t e als gleichberechtigter Faktor auch auf die Legislative ein 2 7 . Damit war das gewaltenteilende System durchbrochen. Gegenüber den Mitwirkungsbefugnissen des Landtages sicherten die Prärogativen der Krone der Verwaltung nicht nur tatsächlich, sondern auch verfassungsrechtlich das Schwergewicht. Auf dieser Grundlage fanden die Auseinandersetzungen u m das i n Art. 104 Abs. 3 der Verfassung vorgesehene Gesetz über die Ober-Rechnungskammer statt 2 8 . Nachdem der von der Regierung eingebrachte Ge21

S. 78 ff. Vgl. dazu auch Mußgnug i n Bonner Kommentar, Vorbem. zu A r t . 104a - 115, Anm. I I Β 1 (Rdnr. 31), der die Ober-Rechnungskammer als „Hilfsorgan des Parlaments" bezeichnet. 23 S. 80. 24 Vgl. dazu auch Friauf, Der Staatshaushaltsplan i m Spannungsfeld zwischen Parlament u n d Regierung, Bd. I, S. 200 ff. 25 Huber , Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 5. 26 Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 7. 27 Huber , Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 13 f., 57 f.; s. dazu auch Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 2. Aufl., S. 90. 28 Vgl. dazu bei Hertel : E n t w u r f des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes v o m Jahre 1871 nebst Motiven (S. 220 ff.); Bericht der X I . Kommission des Abgeordnetenhauses (S. 240 ff.) ; Protokolle der Beratungen i m Abgeordnetenhaus (S. 298 ff.); E n t w u r f des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes v o m Jahre 1862 nebst M o t i v e n (Ergänzungsheft S. 49 ff.); Bericht der X I . Kommission des A b geordnetenhauses von 1862 (Ergänzungsheft S. 70 ff.). 22

4 Grupp

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

setzentwurf i m Jahre 1862 wegen der Auflösung des Abgeordnetenhauses scheiterte, legte der Finanzminister i m November 1871 erneut einen — auf Grund der Kommissions-Beratungen i m Jahre 1862 und späterer Überlegungen überarbeiteten — Entwurf vor. Sowohl die Regierung als auch die Mehrheit i m Abgeordnetenhaus gingen davon aus, daß die Ober-Rechnungskammer auf Grund ihrer historischen Entwicklung eine Staatsbehörde sei, die nicht Organ des Landtags werden könne, allerdings m i t der Einschränkung, daß die Kontrollbehörde materiell keine Verwaltungstätigkeit ausübe 29 . Demgegenüber vertrat insbesondere der Abgeordnete Lasker so die Ansicht, die OberRechnungskammer sei wegen der Bestimmung des A r t . 104 der Verfassung nicht nur eine Verwaltungsbehörde, sondern auch gleichzeitig eine Behörde des Landtages. Die Meinungsverschiedenheiten traten vor allem bei der Beratung derjenigen Regelungen hervor, die die von der Ober-Rechnungskammer aufzustellenden Bemerkungen für den Landtag und den Verkehr zwischen Prüfungsbehörde und Parlament betrafen. So sprach sich eine Mehrheit der Abgeordneten gegen die Aufnahme von Verstößen der Verwaltung gegen allgemeine Gesetze, Vorschriften und Verwaltungsgrundsätze i n die Bemerkungen aus, da diese Verstöße nicht Grundlage des Entlastungsbeschlusses des Landtages sein könnten 3 1 , die Aufnahme der Verstöße i n die Bemerkungen daher die Rechte des Landtages überschritte. Andererseits wurde § 17 des Entwurfs dahingehend erweitert, daß auch Abweichungen von den mit einzelnen Positionen des Etats verbundenen Bemerkungen oder von Gesetzen bezüglich der Staatseinnahmen und -ausgaben, der Erwerbung, Benutzung und Veräußerung von Staatseigentum Gegenstand der Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer zu sein hatten. Obwohl die Regierung 32 und konservative Abgeordnete 33 dem widersprochen hatten, weil sie befürchteten, der Landtag könne auf diese Weise seine Befugnisse überschreiten und die Verwaltung lenken, wurde diese Regelung von der Mehrheit als Teil des Budgetkontrollrechts des Parlaments angesehen und demgemäß beschlossen. Dagegen herrschte weitgehend Einigkeit darüber, daß die von der Ober-Rechnungskammer festzustellenden Mängel der Verwaltung und die Vorschläge zu ihrer Behebung nicht für den Landtag bestimmt, sondern nur i n den Bericht an den König aufzunehmen seien, weil andernfalls die Legislative i n den Bereich der Exekutive eingriffe 3 4 . 29

Vgl. z. B. Hertel, S. 226, 230, 254, 300, 304, Ergänzungsheft S. 60. Hertel, S. 333,451. Vgl. bei Hertel, S. 267. Vgl. zu dieser Begründung auch die Beratungen zu § 16 des Entwurfs (Hertel, S. 353 ff.). 32 Vgl. bei Hertel, S. 272 f., 311 ff. 33 Vgl. bei Hertel, S. 305 f., 314 f., 368 ff., 376 f. 34 Vgl. bei Hertel , S. 267. 30

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Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

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Aus den Beratungen ergibt sich deutlich, daß die Mehrheit des Abgeordnetenhauses die i n der Verfassung vorgesehene Verteilung der Gewichte zwischen dem Monarchen und der Volksvertretung nicht verändern wollte. Die der Krone nach der Verfassung zustehenden Prärogativen sollten unangetastet bleiben 3 5 ; keinesfalls wollte das Abgeordnetenhaus i n die vom König auszuübende Leitung der vollziehenden Gewalt eingreifen. Aus diesem Grunde wurde auch eine von der Kommission vorgeschlagene Änderung des Gesetzentwurfs abgelehnt, wonach der Landtag bei den Etatberatungen und bei der Etatprüfung das Recht zu Anfragen an die Ober-Rechnungskammer bezüglich der Rechnungen, der Bemerkungen der Behörde und der Entlastung der Regierung erhalten sollte. Ein direkter Verkehr zwischen dem Parlament und einer Behörde der Exekutive wurde als verfassungswidrig angesehen 36 . Die gesetzlichen Bestimmungen i m Ober-Rechnungskammer-Gesetz von 1872 wurden somit i n Ubereinstimmung m i t der konstitutionellen Lage Preußens auf Grund seiner Verfassung von 1850 getroffen. Das Ubergewicht des Monarchen bedeutete, daß sämtliche Staatsbehörden ihre Macht aus der Stellung des Königs nach A r t . 45 der Verfassungsurkunde ableiteten 37 . Demgemäß war auch die Ober-Rechnungskammer nicht völlig unabhängig, sondern dem König unterstellt. Zwar war sie den Ministern gegenüber selbständig, doch blieb sie eine Verwaltungsbehörde 38 . Dies ist zumindest insoweit unumstritten, als sie die Rechnungen der sonstigen Verwaltungsbehörden prüfte und feststellte, den Rechnungsführern die Decharge erteilte und dem Landesherrn über die Ergebnisse ihrer Geschäftstätigkeit berichtete und sich gutachtlich über die Behebung von Mängeln äußerte 39 . Allerdings hatten sich schon bei den Gesetzesberatungen Bedenken ergeben, ob die Ober-Rechnungskammer als Verwaltungsbehörde anzusehen sei, da ihre Tätigkeit sich von der anderer Verwaltungsbehörden 35

Vgl. bei Hertel, S. 300 ff., 304 f., 310, 314. Vgl. bei Hertel, S. 230, 447 f.; s. auch Ergänzungsheft S. 74, 119 ff. Vgl. dazu auch Arndt, Die Verfassungs-Urkunde f ü r den Preußischen Staat, 7. Aufl., A r t . 45 A n m . 1. I n diesem Zusammenhang sind auch die verfassungsrechtlichen Bedenken während der Gesetzesberatungen (vgl. bei Hertel, S. 264 f., 341 ff.) bemerkenswert, die die Prüfung der Rechnung der Ober-Rechnungskammer betreffen, die nach einem Vorschlag der Kommission schließlich dem Landtag übertragen wurde, obwohl darin von einigen Sprechern eine Vermischung von Exekutive u n d Legislative gesehen wurde. Das Abgeordnetenhaus glaubte jedoch, diese Bedenken übergehen zu können, w e i l die Überschreitung der Befugnisse als unbedeutend u n d die v o n der Kommission vorgeschlagene Lösung als sachgerecht angesehen wurde. 37 Arndt, A r t . 45 A n m . 1. 38 Vgl. die Äußerungen des Abgeordneten Windthorst während der Gesetzesberatungen (bei Hertel, S. 390). 39 Vgl. Roedig, S. 36; Lange, S. 79; Pfuhlstein, S. 55. 36



Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

unterscheide 40 . So wurde auch die Ansicht vertreten, die Kontrolle der Rechnungen sei mit der richterlichen Tätigkeit vergleichbar 41 . Diese Auffassung konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da die Ober-Rechnungskammer keine Urteile erlasse und nicht zwischen streitenden Parteien entscheide 42 . Diese Meinung w i r d durch die Regelung des § 5 des OberRechnungskammer-Gesetzes bestätigt: Die Erklärung, das für Richter geltende Gesetz über Dienstvergehen solle auch für die Mitglieder der Ober-Rechnungskammer gelten, wäre überflüssig gewesen, wenn die Ober-Rechnungskammer als Gericht angesehen worden wäre 4 3 . I n diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Kontrolle des Finanzgebarens der Verwaltung i n Preußen seit der Errichtung der General-Rechen-Kammer eine Aufgabe der Verwaltung war, die Rechnungsprüfung also nicht als Rechtsprechung i m materiellen Sinne, die einer Verwaltungsbehörde übertragen war, betrachtet wurde. Darüber hinaus hätte die Einrichtung der Ober-Rechnungskammer als oberster Behörde mit Rechtsprechungsfunktion gegen A r t i k e l 92 der Verfassungsurkunde verstoßen, wonach i n Preußen nur ein oberster Gerichtshof bestehen sollte. Aus diesen Gründen mußte die Rechnungsprüfungsbehörde — zumindest soweit sie nicht für den Landtag tätig war — als Teil der vollziehenden Gewalt angesehen werden, da die preußische Verfassung außer dem Landtag und den Gerichten keine Behörden kannte, die nicht zur Exekutive gehörten. Dies ergab sich aus dem i n der preußischen Verfassung verankerten Prinzip, wonach dem König alle Gewalt zustand, die nicht i n der Verfassung ausdrücklich anderen Organen übertragen war 4 4 . Zwar wurde auch die Gerichtsbarkeit i m Namen des Monarchen ausgeübt (Art. 86 der preußischen Verfassung), doch bestand — auch auf Grund der geschichtlichen Entwicklung — die Trennung und Unabhängigkeit der richterlichen von der vollziehenden Gewalt 4 5 . Auf Grund des monarchischen Prinzips hätte die Ober-Rechnungskammer nur insoweit nicht Teil der Verwaltung sein können, als sie 40

Vgl. bei Hertel , S. 226, 345,451, Ergänzungsheft S. 56, 59, 76,121. Vgl. bei Hertel , S. 283,450, Ergänzungsheft S. 76. Vgl. bei Hertel , S. 283, s. auch Ergänzungsheft S. 59. Diese Ansicht v e r t r i t t auch Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, 1. Aufl., S. 355 ff., sowie Stein , Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 3. Aufl., S. 89, 92. 43 Hinzu kommt, daß A r t . 90 der preußischen Verfassung die Berufung i n ein Richteramt (d. h. zur Ausübung rechtsprechender Tätigkeit) n u r f ü r den Fall zuließ, daß der Amtsträger entsprechend den gesetzlichen Vorschriften (vgl. dazu Arndt, A n m . zu A r t . 90) die Befähigung zum Richteramt erlangt hatte. 44 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 55; Arndt, Einleitung S. 42, Vorbem. zu T i t e l I I I ; Gmelin, Das Staatsrecht der Einzelstaaten, in: HdbDStR Bd. I, S. 80 ff. (83). 45 Arndt, A r t . 86 A n m . 1; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 62, 121. 41

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nach Art. 104 Abs. 2 der Verfassung für den Landtag als dessen Organ tätig geworden wäre. Die den Kammern i n dieser Vorschrift zugestandene Befugnis zur Entlastung der Regierung war zweifellos ein durch die Verfassung der Volksvertretung übertragenes Recht, das ehemals der Krone zugestanden hatte 4 6 und das für sie später von der OberRechnungskammer ausgeübt worden war. Wurde nun diese Behörde bei der Aufstellung der Bemerkungen für den Landtag als dessen Organ tätig, so war sie nicht nur Exekutivbehörde, sondern auch Legislativbehörde 47 ; keinesfalls konnte sie jedoch eine Stellung außerhalb oder zwischen den Gewalten einnehmen 48 , weil dies dem monarchischen Prinzip widersprochen hätte, wonach alle Staatsgewalt, die nicht nach der Verfassung zur gesetzgebenden oder zur richterlichen Gewalt gehörte, dem König zuzurechnen war, dem nach Art. 45 der Verfassung die vollziehende Gewalt unterstand. Der Wortlaut der Verfassung und des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes geben kaum Aufschluß über das Verhältnis der Kontrollbehörde zum Landtag; beide beschränken sich i m wesentlichen auf die Regelungen über die Tätigkeit der Ober-Rechnungskammer. Lediglich aus § 1 des Gesetzes („Die Ober-Rechnungskammer ist eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Ministern gegenüber selbstständige Behörde...") könnte entnommen werden, daß die Kontrollbehörde nur ein Organ der Verwaltung sein sollte, doch ist der Wortlaut für eine derartige Auslegung nicht eindeutig genug, zumal der König auch an der Gesetzgebung beteiligt war. Die Entstehungsgeschichte und die Motive lassen dagegen das Verhältnis von Landtag und Prüfungsbehörde deutlicher werden. So heißt es i n der Begründung zum Gesetzentwurf von 187149 zwar, die OberRechnungskammer solle sowohl für die Zwecke der Staatsregierung als auch der Landesvertretung tätig werden 5 0 , aber die Motive stellten gleichzeitig fest, als Staatsbehörde könne die Ober-Rechnungskammer nicht in unmittelbare Beziehungen zum Landtag treten 5 1 . Diese Ansicht wurde 46 Vgl. die Verordnung v o m 16. J u n i 1717 (abgedruckt bei Hertel , S. 19 f., als Anlage I); Nr. 4 und 5 der I n s t r u k t i o n v o m 2. März 1723 (abgedruckt bei Hertel , S. 21 ff., als Anlage I I ) ; § 49 der I n s t r u k t i o n v o m 18. Dezember 1824 (abgedruckt bei Hertel, S. 127 ff.). 47 Abg. Lasher während der Beratungen des Gesetzentwurfs (bei Hertel , S. 301, 333). Vgl. dazu auch Laband, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der Preußischen Verfassungs-Urkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, S. 69 (erstmals 1870 erschienen i n der Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege i n Preußen, Bd. 4, S. 625 ff.); Mußgnug i n Bonner Kommentar, Vorbem. zu A r t . 104a - 115, A n m . I I Β 1 (Rdnr. 31). 48 So Lange, S. 79 f. 49 Abgedruckt bei Hertel, S. 225 ff. 50 Hertel, S. 225. 51 Hertel , S. 230, 237. Vgl. dazu auch aus der Entstehungsgeschichte von A r t . 104 der Verfassungsurkunde die Ausführungen oben Β I.

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

schon i n den Motiven zum E n t w u r f aus dem Jahre 1862 52 vertreten u n d entsprach der Meinung der Mehrheit i m Abgeordnetenhaus i m Jahre 1872: Eine von der X I . Kommission der zweiten K a m m e r vorgeschlagene zusätzliche Bestimmung, wonach die beiden Häuser des Landtages berechtigt sein sollten, an die Ober-Rechnungskammer Rückfragen bezüglich der Rechnungen, der Bemerkungen oder der Entlastung zu richten, zu deren Beantwortung die Prüfungsbehörde verpflichtet sein sollte 5 3 , wurde bei den Gesetzesberatungen abgelehnt 5 4 . Während der Verhandlungen des Abgeordnetenhauses sprachen sich der Finanzminister 5 5 u n d der Abgeordnete Engeicken 56 gegen diese Vorschrift aus, w e i l die OberRechnungskammer als Staatsbehörde nicht m i t dem Landtag i n u n m i t t e l baren Verkehr treten könne. I n diesem Zusammenhang betonte der A b geordnete Windthor st 57 , daß die Prüfungsbehörde ein Organ der Verw a l t u n g sei, das nicht zu einem Organ der Landesvertretung werden dürfe. Die von dem Abgeordneten Lasker 58 i n der Debatte vertretene Ansicht, die Ober-Rechnungskammer sei auf G r u n d ihrer Aufgaben für den Landtag keine ausschließliche Verwaltungsbehörde, wurde von der Mehrheit der Abgeordneten offenbar nicht geteilt. Daraus w i r d ersichtlich, daß durch das Ober-Rechnungskammer-Gesetz die Prüfungsbehörde nicht auch zu einem Organ des Landtages werden, sondern als Verwaltungsbehörde bestehen bleiben sollte, ohne organisatorische Verbindung zum Parlament. A l l e i n die organisatorische Trennung u n d der während der Entstehung des Ober-RechnungskammerGesetzes zum Ausdruck gekommene W i l l e des Gesetzgebers genügen jedoch nicht, die Prüfungsbehörde ausschließlich als einen Teil der Exekutive zu charakterisieren. Wenn dagegen die Aufstellung der Bemerkungen für den Landtag durch die Ober-Rechnungskammer dem Wesen nach eine Tätigkeit des Parlaments war, dann w a r die K o n t r o l l behörde zwar nicht organisatorisch, aber funktionell Teil der Volksvertretung. Wie sich sowohl aus A r t . 104 Abs. 2 der preußischen Verfassung i. V. m. § 18 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes als auch aus den Gesetzesmaterialien 5 9 ergibt, hatte die Ober-Rechnungskammer nicht die Entlastung der Staatsregierung, sondern n u r die Vorbereitung des Entlastungsbeschlusses des Landtages vorzunehmen 6 0 . Kontrolle der Haus52

Abgedruckt bei Hertel , Ergänzungsheft S. 55 ff. (60), vgl. auch Ergänzungsheft S. 120,123. 53 Vgl. bei Hertel , S. 282 ff., 296 f. 54 Vgl. bei Hertel , S. 441 ff. (454). 55 Vgl. bei Hertel , S. 310 f. 56 Vgl. bei Hertel , S. 447 f. 57 Vgl. bei Hertel , S. 448. 58 Vgl. bei Hertel,S. 451. 59 Vgl. bei Hertel , S. 225, 230, 237, 254, 305, 369, 391, Ergänzungsheft S. 55, 60. 60 Die Entlastung der Staatsregierung durch den Landtag unterschied sich

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

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h a l t s r e c h n u n g u n d E n t l a s t u n g — K o r r e l a t des B u d g e t a u f s t e l l u n g s r e c h t e s 6 1 — w a r e n d e m L a n d t a g v e r b l i e b e n , die B e m e r k u n g e n der P r ü f u n g s behörde w a r e n , ebenso w i e die v o n der R e g i e r u n g der L a n d e s v e r t r e t u n g v o r z u l e g e n d e Staatshaushaltsrechnung, n u r M a t e r i a l f ü r die K o n t r o l l t ä t i g k e i t des Landtages. I n d e n Motiven zum Entwurf von 1871 62 hieß es dazu u. a. bereits, es sei „das Endziel für die Thätigkeit der Ober-Rechnungskammer, das U r t h e i l beider Häuser des Landtages so vollständig vorzubereiten, daß dieselben ihren Beschluß über die Entlastung der Staatsregierung m i t bewußter Ueberzeugung fassen können. Die von der Ober-Rechnungskammer nach A r t . 104 der Verfassungs-Urkunde aufzustellenden Bemerkungen sollen den Häusern des Landtages das Material liefern, über die Innehaltung alles dessen, was ihnen gegenüber als N o r m der V e r w a l t u n g zu betrachten ist, nach erschöpfender Prüfung sich zu entscheiden. M i t der Aufstellung dieser Bemerkungen aber, deren I n h a l t sich hiernach von selbst feststellt, ist die Aufgabe der OberRechnungskammer, für die Zwecke der Landesvertretung mitzuwirken, als abgeschlossen zu erachten. Insbesondere kann die Ober-Rechnungskammer nicht berufen sein, sich an einer Erörterung ihrer Bemerkungen i n den H ä u sern des Landtages zu betheiligen, m i t welchen sie i n ihrer Eigenschaft als Staatsbehörde überhaupt i n keine unmittelbaren Beziehungen treten kann." D a r a u s e r g i b t sich, daß es nicht A u f g a b e der K o n t r o l l b e h ö r d e w a r , der L a n d e s v e r t r e t u n g die E n t l a s t u n g a b z u n e h m e n oder a n dieser auch n u r m i t z u w i r k e n . D i e O b e r - R e c h n u n g s k a m m e r h a t t e l e d i g l i c h das M a t e r i a l nach M a ß g a b e der gesetzlichen B e s t i m m u n g e n z u s a m m e n z u s t e l von der gemäß § 17 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes zu erteilenden Decharge erheblich. Während die Decharge die W i r k u n g einer Quittung hatte, die dem Verwalter fremder Gelder erteilt wurde (§§ 145 bis 153 I 14 PrALR), und von der Ober-Rechnungskammer i m Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit als Exekutivbehörde erteilt wurde, betraf die Entlastung nach A r t . 104 Abs. 2 der preußischen Verfassungsurkunde das Verhältnis zwischen Landtag und Staatsregierung. Rechtliche Natur, I n h a l t und W i r k u n g der Entlastung hängen weitgehend von der Charakterisierung des Budgets ab (Bellardi, Die staatsrechtliche E n t lastung nach preußischem u n d Reichsstaatsrecht, S. 4 ff.). F ü r die Stellung der Ober-Rechnungskammer zum Parlament ist das Wesen der Entlastung jedoch ohne Bedeutung: Wie noch darzulegen sein w i r d , ist die Aufstellung der Bemerkungen kein der Prüfungsbehörde übertragener T e i l der parlamentarischen Entlastung. Aus diesem Grunde kann i m Rahmen dieser Arbeit auch darauf verzichtet werden, die i m Zeitalter der konstitutionellen Monarchie vertretenen Budgettheorien zu erörtern (vgl. dazu Friauf, S. 249 ff.). Selbst w e n n m i t Laband (Budgetrecht, S. 13; ders., Deutsches Reichsstaatsrecht, 5. Aufl., S. 407; ders., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 4. Bd., 5. Aufl., S. 524) i m Rahmen seiner Lehre v o m Haushaltsplan als n u r formellem Gesetz die E n t lastung als ein der Landesvertretung übertragener A r t materieller V e r w a l tungstätigkeit angesehen w i r d , läßt sich deshalb die Aufstellung der Bemerkungen nicht als administrative Tätigkeit charakterisieren. 61 I m Gegensatz zur Aufstellung des Haushaltsplanes, die i n Gesetzesform erfolgte, w a r der K ö n i g an der Entlastung — über die durch Beschluß entschieden wurde — nicht beteiligt. 62 Abgedruckt bei Hertel, S. 225 ff. (230). Ebenso: Motive zum Entwurf 1862 (vgl. bei Hertel, Ergänzungsheft S. 55 ff.).

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

len 6 3 , dem Landtag oblag an Hand der Unterlagen eine eigene Prüfung, bevor er über die Entlastung beschloß 64 . Die Aufstellung der Bemerkungen mußte i m Rahmen des § 18 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes so vollständig sein, daß das Parlament sich umfassend informieren konnte. Die Bemerkungen präjudizierten daher das Urteil des Landtags nicht 6 5 , der in seiner Entscheidung völlig frei blieb. Läßt sich schon daraus entnehmen, daß die Ober-Rechnungskammer mit der Aufstellung der Bemerkungen keine dem Landtag zustehende Tätigkeit ausführte, so w i r d dies noch verdeutlicht durch einen Vergleich ihrer Aufgaben nach den §§ 12, 20 einerseits und § 18 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes andererseits. Gemäß § 12 Buchstabe a hatte die Revisionsbehörde zu kontrollieren, ob das Finanzgebaren der Verwaltung unter Einhaltung der bestehenden Gesetze und Vorschriften und unter genauer Beachtung der maßgebenden Verwaltungsgrundsätze erfolgt war. Schon i n den Motiven zu dieser Vorschrift 6 6 w i r d auf § 1 der Instruktion vom 18. Dezember 1824 — der gemäß § 21 Abs. 1 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes weiterhin galt — verwiesen, der ausdrücklich verlangte, daß die Kontrolle auch auf die Einhaltung der Etats und die bestimmungsgemäße Verwendung der bewilligten Mittel zu richten war. Über diese gesamte Kontrolltätigkeit hatte die Ober-Rechnungskammer dem König nach § 20 des Gesetzes ebenso zu berichten wie über die Mängel der Verwaltung, die sie nach § 12 Buchstabe b festzustellen hatte. Demgegenüber hatte die Prüfungsbehörde i n die Bemerkungen nach § 18 nur aufzunehmen, ob die i n der dem Landtag vorgelegten Rechnung aufgeführten Beträge mit den Kassenrechnungen übereinstimmten, ob und inwieweit die Verwaltung von dem Haushaltsplan abgewichen oder ob gegen das Finanzgebaren regelnde Gesetze verstoßen worden war und — gemäß Art. 104 Abs. 1 der Verfassung — welche Etatüberschreitungen und außeretatmäßigen Ausgaben der Landtag noch nicht bewilligt hatte. Daraus ergibt sich deutlich, daß i n die Bemerkungen der OberRechnungskammer nur ein Teil dessen aufzunehmen war, was i n dem Bericht an den König enthalten sein mußte; die Bemerkungen stellten nur einen Auszug aus diesem Bericht dar 6 7 . Von ihrem Verwendungs63 So spricht auch Hatschek, Bd. 2, 1. Aufl., S. 363 f., von einer lediglich v o r bereitenden Tätigkeit bei der Aufstellung der Bemerkungen. 64 Ebenso: Schwarz , Staatshaushalt (Teil B), i n : Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 2. Aufl., S. 482 ff. (488). 65 Ebensowenig konnte der Landtag Einfluß auf die Aufstellung der Bemerkungen nehmen: die „selbständige, unbedingte Verantwortlichkeit" der Ober-Rechnungskammer galt auch gegenüber der Landesvertretung (Hertel , Ergänzungsheft S. 145; Beckensträter, Die Stellung der Rechnungshöfe i m System der Dreiteilung der Staatsgewalt, S. 130). 66 Vgl. bei Hertel , S. 235 f.

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

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zweck her gesehen — Unterlage für die Prüfungstätigkeit des Landtages zu sein — waren die Bemerkungen ein Teil der allgemeinen Rechnung, die die Regierung zu legen hatte: Einerseits wurde die Staatshaushaltsrechnung von einem Bericht des Finanzministers begleitet 68 , der die Rechnung erläuterte, andererseits erhielt der Landtag die Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer, die über die Verwendung der M i t t e l i m Vergleich zu den Etatbestimmungen Auskunft gab. Art. 104 der preußischen Verfassungsurkunde und § 18 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes erweiterten also nicht den Tätigkeitsbereich der Prüfungsbehörde, sondern bestimmten lediglich, daß ein Teil des Geschäftsberichtes dem Landtag zur Kenntnis zu geben war. Die OberRechnungskammer hatte nicht eine dem Landtag zustehende Funktion übernommen, sondern behielt unverändert ihre — schon i n der Instruktion vom 18. Dezember 1824 beschriebene — Funktion 6 9 . War aber die Ober-Rechnungskammer weder funktionell noch organisatorisch Teil des Parlamentes 70 und gehörte sie auch nicht zur richterlichen Gewalt 7 1 , so war sie ein Organ der vollziehenden Gewalt 7 2 . Dem steht nicht entgegen, daß die Ober-Rechnungskammer sachlich unabhängig war und ihren Mitgliedern durch § 5 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes die persönliche Unabhängigkeit gewährt wurde. Die sachliche Unabhängigkeit gegenüber den anderen Verwaltungsbehörden war notwendig, u m eine wirksame Kontrolle zu ermöglichen; die Verbindung von Prüfungsbehörde und den ihrer Kontrolle unterworfenen Behörden hatte früher zu einer ständigen Einflußnahme der Verwaltung auf die Rechnungsprüfung geführt und damit zu geringer Effizienz der Tätigkeit der Ober-Rechnungskammer 73 . 67 So lehnte auch das Herrenhaus den ursprünglichen Beschluß des Abgeordnetenhauses ab, wonach die Bemerkungen m i t einem Bericht der Prüfungsbehörde verbunden sein sollten, der zusammengefaßt die wesentlichen P r ü fungsergebnisse enthalten sollte; das Herrenhaus begründete die Ablehnung damit, daß Mängel der V e r w a l t u n g n u r der K ö n i g zu erfahren habe, nicht aber der Landtag. Das Abgeordnetenhaus stimmte dem bei der Schlußberatung zu. (Vgl. i m einzelnen bei Hertel, S. 276 f., 415 f., 493 ff., 510 ff.) Die Beratungen zeigen, daß der Landtag n u r einen Ausschnitt des f ü r den K ö n i g bestimmten Berichts erhalten sollte. 68 Vgl. bei Hertel, S. 277, 514. 60 So auch Beckensträter, S. 118 f. 70 Dafür spricht auch die Regelung des § 4 Ober-Rechnungskammer-Gesetz, wonach die Mitglieder der Prüfungsbehörde nicht dem Landtag angehören durften. 71 Vgl. Hatschek, Bd. 2,1. Aufl., S. 355 ff. 72 Diese Ansicht w i r d gestützt durch die Bestimmung des § 2 Ober-Rechnungskammer-Gesetz, wonach der K ö n i g die Mitglieder der Kontrollbehörde ernannte; der Vorschlag, die Mitglieder durch den Landtag wählen zu lassen, w a r von der X I . Kommission des Abgeordnetenhauses abgelehnt worden (vgl. bei Hertel, S. 257). Vgl. auch Stein, S. 89,92. 73 Vgl. dazu ζ. B. die Gründe zum Erlaß der I n s t r u k t i o n Friedrich Wilhelms II. vom 4. November 1796 u n d den Wortlaut dieser I n s t r u k t i o n (oben A I 2 d).

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Bis zum Erlaß des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes hatte der König jedoch noch die Möglichkeit, i n die Rechnungsprüfung durch die sog. justifizierenden Kabinettsordres einzugreifen 74 : er hatte durch seine A n weisung eine von der Prüfungsbehörde beanstandete Maßnahme rechtfertigen und damit der Beanstandung die Grundlage entziehen können. Dieses Recht wurde dem Monarchen durch das Ober-RechnungskammerGesetz genommen 75 , so daß die Kontrollbehörde nunmehr sachlich völlig unabhängig von der zu prüfenden Verwaltung war. Diese Änderung bewirkte jedoch keinen Wandel der Rechtsstellung der Ober-Rechnungskammer, sondern war lediglich Ausfluß des von der vollziehenden Gewalt auf das Parlament übergegangenen Budgetrechtes. Die fehlende Weisungsgebundenheit der Prüfungsbehörde als einer Verwaltungsbehörde i m Rahmen der Verwaltungshierarchie ergab sich aus der Natur der Tätigkeit der Ober-Rechnungskammer; die in § 1 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes festgelegte Unterstellung unter den König machte deutlich, daß die Ober-Rechnungskammer eine Verwaltungsbehörde war. Daran änderte auch die persönliche Unabhängigkeit der M i t glieder nichts: Sie war notwendig, u m die sachliche Unabhängigkeit zu sichern, weil eine dienstliche Abhängigkeit von der der Kontrolle unterworfenen Verwaltung die Gefahr der indirekten Einflußnahme auf die Prüfungstätigkeit bedeutet hätte.

I I . D e r Rechnungshof des Deutschen Reichs bis z u m Jahre 1919

Die staatlichen Zusammenschlüsse i n Deutschland nach dem Ende des Deutschen Bundes stellten die jeweiligen Verfassungsgeber bzw. die gesetzgebenden Versammlungen vor die Aufgabe, die Kontrolle der gemeinsamen Finanzen aller den Zusammenschluß bildenden Staaten zu regeln. Zwar enthielt schon die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 182076 i n A r t . 52 Nr. 4 die Vorschrift, daß die Bundes-Versammlung die Erhebung, Verwendung und Verrechnung der von der Gesamtheit der M i t glieder zu leistenden Beiträge anzuordnen „und darüber die Aufsicht zu führen" habe, aber die Finanzkontrolle bedurfte erst dann einer eingehenderen Regelung, als die Verbindung der Staaten nicht mehr nur auf völkerrechtlicher, sondern nunmehr auf staatsrechtlicher Ebene erfolgte und der Zentralstaat über eigene, unmittelbare Einnahmen verfügte, deren Erhebung und Verwendung i n die Kompetenz seiner Legislative fielen. 74 Vgl. dazu aus der Entstehungsgeschichte des Ober-RechnungskammerGesetzes bei Hertel , S. 253, 255, 271, 300 f., 320 f. u n d passim. 75 Vgl. bei Hertel, S. 255, 271. 76 Abgedruckt bei Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 81 ff.

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

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1. Die Organisation der Rechnungsprüfung

Der überragende politische Einfluß, den Preußen bei der Bildung des Norddeutschen Bundes ausübte, führte u. a. zur Angleichung der finanzverwaltungsrechtlichen Vorschriften des Bundes an die preußischen Regelungen. Dementsprechend wurde auch die Haushaltskontrolle i m Norddeutschen Bund organisiert; nach diesem Vorbild erfolgte später schließlich auch die Rechnungsprüfung i m Deutschen Reich. a) Die Finanzkontrolle

im Norddeutschen Bund

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. A p r i l 186777 enthielt i n einer größeren Anzahl von Vorschriften Regelungen über die der Bundeskasse zufließenden Einnahmen und die davon zu bestreitenden Ausgaben 78 . Der X I I . Abschnitt — Bundesfinanzen — normierte die notwendigen Bestimmungen über den Bundesetat und regelte i n Art. 72 die Rechnungslegung: „Über die Verwendung aller Einnahmen des Bundes ist von dem Präsid i u m dem Bundesrathe u n d dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen."

Die Vorschrift enthielt jedoch keine Bestimmung über die Prüfung und Feststellung der vorgelegten Rechnung; diese Regelung blieb der künftigen Gesetzgebung überlassen 79 . I m Januar 1868 legte der Bundeskanzler einen Gesetzentwurf vor, der die Errichtung eines RechnungsRevisionshofes des Norddeutschen Bundes vorsah, doch wurde dieser Entwurf bald zurückgezogen und i m A p r i l 1868 durch einen anderen ersetzt, der die Kontrolle des Bundeshaushalts vorerst der preußischen Ober-Rechnungskammer — unter der Bezeichnung Rechnungshof des Norddeutschen Bundes — übertrug. Als Gesetz betreffend die Kontrolle des Bundeshaushalts für die Jahre 1867 bis 1869 erlangte der Entwurf am 4. J u l i 1868 Gesetzeskraft 80 . Ausschlaggebend für den Verzicht auf die Errichtung einer eigenen Kontrollbehörde und für die Übertragung der Finanzkontrolle auf die preußische Ober-Rechnungskammer war die Tatsache, daß die Finanzverwaltung des Bundes nach preußischem Vorbild geführt wurde; andernfalls wären die i n Preußen bestehenden Ausein77 Abgedruckt bei Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 227 ff. 78 Vgl. ζ. B. A r t . 38,49, 52, 62 der Bundesverfassung. 79 Vgl. dazu i m einzelnen Ditfurth, S. 66 f. Die von den Abgeordneten Duncker und Waldeck beantragte Änderung des Artikels 72 der Bundesverfassung, die Errichtung eines Bundesrechnungshofes betreffend, wurde v o m Reichstag bei der Beratung der Verfassung abgelehnt (Laband, Staatsrecht, 4. Bd., S. 559 Anm. 1). 80 BGBl. S. 433.

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

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andersetzungen über die Befugnisse der Prüfungsbehörde auch auf Bundesebene fortgeführt worden 8 1 . A m 1. Januar 1869 begann der Rechnungshof des Norddeutschen Bundes seine Tätigkeit als Abteilung der Ober-Rechnungskammer, die deshalb personell verstärkt wurde. Die neuen Mitglieder wurden vom Bundesrat gewählt und vom Bundespräsidium angestellt 82 . Die Befugnisse des Rechnungshofes gegenüber den Bundesbehörden und den Bundesbeamten entsprachen denen der Ober-Rechnungskammer i n Preußen (§ 3 Satz 2 des Gesetzes vom 4. J u l i 1868). Die i m Hinblick auf das zu erwartende preußische Gesetz über die Befugnisse der Kontrollbehörde getroffene Beschränkung der Übertragung der Rechnungsprüfung auf die Ober-Rechnungskammer 83 erwies sich als zu kurzfristig, so daß die Gültigkeitsdauer des Gesetzes vom 4. J u l i 1868 i m Frühjahr 1870 auf das laufende Jahr ausgedehnt wurde. b) Rechnungsprüfung

in der Zeit von 1871 bis 1919

Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. A p r i l 1871, deren Vorschriften über die Reichsfinanzen weitgehend den Vorschriften über die Finanzen in der Verfassung des Norddeutschen Bundes angeglichen waren, bestimmte i n Art. 72 — übereinstimmend mit der Regelung in Art. 72 der Verfassung des Norddeutschen Bundes —: „Über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs ist durch den Reichskanzler dem Bundesrathe und dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen."

Entsprechend dem Verfahren i m Norddeutschen Bund wurde das Reichsgesetz vom 28. Oktober 187184 erlassen, das die Kontrolle des Reichshaushalts für das Jahr 1871 der preußischen Ober-Rechnungskammer übertrug, die insoweit als Rechnungshof des Deutschen Reichs fungierte. Die Reichsregierung beabsichtigte jedoch die baldige Errichtung einer eigenen Rechnungsprüfungsbehörde und legte daher am 28. A p r i l 1872 einen Gesetzentwurf vor, i n dem — i n Anlehnung an das preußische Ober-Rechnungskammer-Gesetz vom 27. März 1872 — die Einrichtung und die Befugnisse eines eigenen Rechnungshofes für das Deutsche Reich festgelegt wurden, der m i t der Ober-Rechnungskammer verbunden bleiben sollte 85 . Der Entwurf wurde jedoch vom Reichstag weitgehend 81

Ditfurth, S. 67; vgl. auch Laband, Staatsrecht, 4. Bd., S. 559 Anm. 1. § 2 Satz 2 des Gesetzes v o m 4. J u l i 1868. Ditfurth, S. 67. 84 RGBl. S. 344. 85 Vgl. hierzu u n d zum Folgenden Ditfurth, S. 68 ff.; Pfuhlstein, S. 66 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 958 f.; Hertel, S. 172, Ergänzungsheft S. 29 f. 82

83

Β. Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

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abgeändert und fand deshalb nicht die Zustimmung des Bundesrates. Auch die i n den Jahren 1875 und 1877 von der Reichsregierung unternommenen Versuche, eine eigene Rechnungsprüfungsbehörde für das Reich zu errichten, scheiterten an den gegensätzlichen Auffassungen von Reichstag und Bundesrat über die Befugnisse des Rechnungshofes bei der Prüfung der Haushaltsrechnungen. Aus diesem Grunde wurde die preußische Ober-Rechnungskammer zunächst jährlich, später — durch die Reichskontrollgesetze vom 21. März 191086 bzw. 4. A p r i l 191587 — für sechs bzw. fünf Jahre zur Kontrolle des Reichshaushalts ermächtigt. Der Präsident der preußischen Ober-Rechnungskammer war zugleich Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs. Die Mitglieder des Rechnungshofs wurden vom Bundesrat gewählt und vom Kaiser ernannt; die Beamten waren Reichsbeamten. Der innere Geschäftsgang des Rechnungshofs wurde durch eine vom Reichskanzler i m Einvernehmen mit dem Bundesrat am 5. März 1875 erlassene, inhaltlich an das preußische Regulativ vom 22. September 1873 angelehnte 88 Instruktion 8 9 geregelt, die u. a. bestimmte, daß die Sitzungen des Rechnungshof-Kollegiums getrennt von denen der Ober-Rechnungskammer stattzufinden hatten. Befugnisse und Prüfungsumfang stimmten jedoch überein: Die Rechnungsprüfung wurde nach Maßgabe des preußischen Ober-Rechnungskammer-Gesetzes von 1872 durchgeführt 90 . Der Rechnungshof des Deutschen Reichs bildete de jure eine Abteilung der Ober-Rechnungskammer, entwickelte sich jedoch durch den steigenden Geschäftsanfall i m Laufe der Jahre de facto zu einer eigenständigen Behörde, die m i t der preußischen Kontrollbehörde nur noch die Grundlagen der Tätigkeit und den Präsidenten gemeinsam hatte 9 1 . Entsprechend dem § 1 des preußischen Ober-Rechnungskammer-Gesetzes war der Rechnungshof unmittelbar dem Kaiser unterstellt und stand nicht unter der Leitung des Reichskanzlers 92 . Der Kontrolle des 86

RGBl. S. 521. RGBl. S. 215. Saemisch, Die Kontrolle der staatlichen Finanzwirtschaft, S. 25. 89 Abgedruckt bei Hertel, S. 552 ff. 90 Auch das anfangs v o m Rechnungshof geübte Verfahren, die Bemerkungen zur Rechnungsführung dem Reichstag unmittelbar vorzulegen, wurde 1885 vom Kaiser — i n Anlehnung an die Regelung i n A r t . 104 Abs. 2 der preußischen Verfassungsurkunde — untersagt (vgl. dazu Pfuhlstein, S. 67). 91 Ditfurth, S. 69; Pfuhlstein, S. 68. Schulze!Wagner, Reichshaushaltsordnung, 3. Aufl., Vorbem. 1 zum V. Abschnitt, vertreten die Meinung, der Rechnungshof sei der Ober-Rechnungskammer angegliedert gewesen, aber nicht als Abteilung, sondern als selbständige Reichsbehörde, während die Ober-Rechnungskammer eine preußische Behörde geblieben sei. Dies steht jedoch der Angliederung des Rechnungshofes als Abteilung nicht entgegen (vgl. unten Erster T e i l Β I I 2). 92 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1. Bd., 5. Aufl., S. 409. 87 88

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Rechnungshofes unterlag die gesamte Finanzwirtschaft des Reiches, ausgenommen waren nur die Geheimausgaben 93 . Die Prüfung von Rechnungen untergeordneter Bedeutung brauchte nicht ständig, sondern nur i n größeren Zeitabständen zu erfolgen. Die Revision erstreckte sich auf die rechnerische Richtigkeit sowie auf die von Einnahmen und Ausgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Außerdem war zu prüfen, ob das Finanzgebaren der Verwaltung i n Übereinstimmung mit dem beschlossenen Etat stand 04 . I n entsprechender Anwendung des § 18 des preußischen Ober-Rechnungskammer-Gesetzes hatte der Rechnungshof Bemerkungen, die der von der Regierung dem Reichstag vorzulegenden Rechnung beizufügen waren, eigenverantwortlich aufzustellen 95 . Darüber hinaus hatte der Rechnungshof die Zweckmäßigkeit des Finanzgebarens und der diesem zugrunde liegenden Vorschriften zu prüfen und darüber dem Kaiser jährlich Bericht zu erstatten 96 . Wegen der gemeinsamen gesetzlichen Grundlage ihrer Tätigkeit und sich gleichender Vorschriften über den Geschäftsgang unterschieden sich Aufgaben und Stellung der Prüfungsbehörden i n Preußen und i m Reich bis zum Jahre 1919 kaum; lediglich die Prüfungsobjekte waren verschieden. 2. Der Rechnungshof als Organ der Verwaltung

Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. A p r i l 1871 wies — ebenso wie die preußische Verfassung von 1850 — einen dualistischen Grundzug 9 7 auf: das Gegenüber von Parlament und Regierung. Seinen Ausgleich fand dieser Dualismus i n der Gesetzgebung 98 , an der sowohl die Volksvertretung als auch der Monarch beteiligt waren. Anders als i n Preußen war das monarchische Prinzip jedoch i n der Verfassung des Reiches nicht so stark ausgeprägt — eine Folge nicht zuletzt der föderativen Struktur, die die Exekutivgewalt zwischen dem Bundesrat und dem Präsidium aufteilte 9 9 . Der Rechnungshof des Deutschen Reichs war mit der Ober-Rechnungskammer institutionell identisch; sein Status wurde durch die anfangs jährlich, später i n größeren Abständen ergehenden Reichskontrollgesetze unter Verweisung auf das preußische Ober-Rechnungskammer-Gesetz geregelt. 93

Laband, Staatsrecht, 4. Bd., S. 562. Laband, Staatsrecht, 4. Bd., S. 566 ff. Laband, Staatsrecht, 1. Bd., S. 409,4. Bd., S. 576. 96 Laband, Staatsrecht, 4. Bd., S. 566. 97 Vgl. dazu z. B. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 4. Aufl. (Neudruck), S. 43 ff.; Jesch, S. 88 ff. 98 Jesch, S. 90. 99 Vgl. dazu Thoma, Das Staatsrecht des Reiches, i n : HdbDStR Bd. I, S. 69 ff. (75); ders., Grundbegriffe u n d Grundsätze, i n : HdbDStR Bd. I I , S. 108 ff. (113). 94

95

Β . Finanzkontrolle i m konstitutionell-monarchischen Staat

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Aus diesem Grunde nahm der Rechnungshof des Deutschen Reichs i m Verhältnis zu den drei herkömmlich unterschiedenen Staatsgewalten: gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt dieselbe Stellung ein, die die preußische Prüfungsbehörde innehatte. Er war ein Organ der Verwaltung, das dem Kaiser unmittelbar unterstellt w a r 1 0 0 , und übte i n diesem Bereich die umfassende Kontrolle der Reichsfinanzen aus. I n entsprechender Anwendung des § 20 Ober-RechnungskammerGesetz hatte er jährlich dem Kaiser über die Rechtmäßigkeit und W i r t schaftlichkeit des Finanzgebarens sowie über Verwaltungsmängel zu berichten und gutachtliche Vorschläge zu deren Behebung zu unterbreiten. Ein Teil dieses Berichtes — über die Einhaltung des Haushaltsplanes und der das Finanzgebaren regelnden Gesetze — wurde auch dem Reichstag und dem Bundesrat zugeleitet, die nach Art. 72 RV über die Entlastung zu befinden hatten. Ebenso wie bei der Ober-Rechnungskammer war die Aufstellung der Bemerkungen durch den Rechnungshof nicht die Wahrnehmung einer Funktion des Parlaments, sondern nur eine vorbereitende Tätigkeit 1 0 1 , die dem Reichstag und dem Bundesrat die Kontrolltätigkeit erleichtern sollte. Die Bemerkungen waren ihrem Wesen nach nur eine Erläuterung zur allgemeinen Haushaltsrechnung, die die Verwaltung vorzulegen hatte. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, daß seit dem Jahre 1909 dem Reichstag und dem Bundesrat nicht mehr die allgemeine Haushaltsrechnung herkömmlicher A r t , sondern nur noch die Übersicht über die Etatüberschreitungen und außeretatmäßigen Ausgaben (allerdings unter der Bezeichnung „Allgemeine Rechnung") und — anstelle der Haushaltsrechnung — die Bemerkungen des Rechnungshofes zur Haushaltsrechnung vorgelegt wurden 1 0 2 . Die Bemerkungen traten damit an die Stelle der von der Verwaltung zu legenden Rechnung; sie waren ein Bericht der vollziehenden Gewalt über ihr Finanzgebaren. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs war deshalb als Verwaltungsbehörde anzusehen 103 . Allerdings war diese Ansicht nicht unbestritten: Laband 104 zählte den Rechnungshof zu den „selbständigen Reichsfinanzbehörden", die nach seiner Ansicht zwischen den Verwaltungsbehörden und den Gerichten standen, weil der Reichskanzler bei einem Teil ihrer Amtshandlungen 100 Eine Folge der Bestimmung i n § 1 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes. Die sonstigen obersten Reichsbehörden waren auf G r u n d der Regelung i n A r t . 17 RV, die n u r die Bestellung eines Reichskanzlers vorsah, Ä m t e r , die dem Reichskanzler unterstanden. 101 Hatschek, Bd. 2, 1. Aufl., S. 363 f.; vgl. auch ebenda, S. 357 (Motive zum E n t w u r f eines Rechnungshofgesetzes). 102 Hatschek , Bd. 2,1. Aufl., S. 349 f. 103 Hatschek , Bd. 2,1. Aufl., S. 355. 104 Reichsbehörden, i n : Wörterbuch des Deutschen Staats- u n d Verwaltungsrechts, Bd. 3, 2. Aufl., S. 258 ff. (259).

Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

keinen Einfluß auf ihre materielle Geschäftstätigkeit nehmen konnte. A l l e i n die Unabhängigkeit des Rechnungshofs gegenüber den Weisungen des Reichskanzlers, die u m der Wirksamkeit der Revisionstätigkeit w i l l e n notwendig w a r 1 0 5 , kann nicht den materiellen Charakter dieser Tätigkeit verändern; denn die Weisungsgebundenheit ist ein nur formales Kennzeichen, das auch anderen — vielfach ebenfalls kollegialisch strukturierten — Verwaltungsorganen (z. B. den Prüfungsausschüssen) fehlt, ohne daß deshalb ihre Tätigkeit nicht als Verwaltungshandeln angesehen wird. Innerhalb des bundesstaatlichen Systems hatte die Prüfungsbehörde einen besonderen Status: Als Ober-Rechnungskammer war sie eine preußische Behörde, eine ihrer Abteilungen w a r als Rechnungshof des Deutschen Reichs auf Reichsebene tätig. Eine solche Doppelstellung war jedoch nicht auf die Ober-Rechnungskammer beschränkt; auch andere preußische Behörden (z. B. das Handelsministerium, das Kriegsminister i u m und die Staatsschuldenverwaltung) nahmen ebenfalls Reichsfunktionen w a h r 1 0 6 . Angesichts der Regelungen i n den A r t . 7 und 11 RV, wonach die Bundesstaaten unmittelbar an der Exekutive beteiligt waren und dem jeweiligen preußischen K ö n i g das Präsidium des Bundes zustand, entsprach auch die Wahrnehmung von Verwaltungsfunktionen des Reiches durch preußische Behörden der Reichsverfassung. Zweifelhaft ist aber, ob die Übertragung der Rechnungsprüfung auf die Ober-Rechnungskammer ein F a l l der Organleihe 107 ist, wie Mußgnug 108 annimmt. Die die Kontrolle des Reichshaushalts übertragenden Reichsgesetze 109 sahen unter Verweisung auf die Regelung i m Norddeutschen B u n d 1 1 0 vor, daß die Prüfung durch die Ober-Rechnungskammer erfolgen sollte. H i e r i n lag also die Zuweisung von Kompetenzen, die einer Reichsbehörde hätten übertragen werden müssen, an eine andere Behörde. Jedoch waren die Beamten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs Reichsbeamten; lediglich der Präsident war — als Präsident der Ober-Rechnungskammer — preußischer Beamter. Überdies wurde für die Prüfung der Rechnungen des Reichs eine eigene Abteilung der OberRechnungskammer gebildet, so daß Schulze/Wagner 111 die Ansicht vertraten, der Rechnungshof des Deutschen Reichs sei eine der Ober-Rechnungskammer angegliederte selbständige Reichsbehörde gewesen. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß der Reichskanzler i m Einvernehmen 105

Vgl. z. B. oben A I 2 d, I I a. E. Vgl. Laband, Reichsbehörden, S. 259; Huber , Verfassungsgeschichte, Bd. I I I , S. 834 f. 107 Vgl. zu diesem Begriff: Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 77 I V c, S. 110 f. 108 Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a - 115, Anm. I I Β 2 (Rdnr. 38). 109 Vgl. z.B. die Gesetze vom 28. Oktober 1871 (RGBl. S. 344), 21. März 1910 (RGBl. S. 521) und 4. A p r i l 1915 (RGBl. S. 215). 110 Gesetz vom 4. J u l i 1868 (BGBl. S. 433) ; s. dazu oben Β I I 1 a. 111 Vorbem. 1 zum V. Abschnitt. 106

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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mit dem Bundesrat am 5. März 1875 eine eigene Instruktion 1 1 2 für den Rechnungshof erließ, i n der u. a. bestimmt wurde, daß die Sitzungen des Rechnungshof-Kollegiums getrennt von denen der Ober-Rechnungskammer stattzufinden hatten. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, daß nach dem Gesetzeswortlaut die Kontrolle jeweils der Ober-Rechnungskammer — und nicht einer besonderen Abteilung — übertragen wurde, die allerdings durch Reichsbeamte verstärkt wurde und bei der Prüfung des Reichshaushalts die Bezeichnung „Rechnungshof des Deutschen Reichs" zu führen hatte. Auch war diese Übertragung nicht durch eine preußische Vorschrift gedeckt, sondern erfolgte lediglich durch ein Bundesgesetz bzw. hierauf verweisende Reichsgesetze. Aus alledem läßt sich entnehmen, daß der preußische Staat nicht eines seiner Organe dem Norddeutschen Bund bzw. dem Reich zur Verfügung stellte, sondern daß durch das Bundesgesetz vom 4. J u l i 1868 ein gemeinschaftliches Organ des Norddeutschen Bundes und Preußens errichtet wurde unter Verwendung der bereits bestehenden preußischen Behörde. Es handelt sich also hierbei u m eine der Organleihe ähnliche 1 1 3 Organgemeinschaft 114 ; das gemeinschaftliche Organ wurde nach der Reichsgründung durch die Reichsgesetzgebung aufrechterhalten. Besetzt m i t preußischen Beamten und Reichsbeamten unter einem gemeinsamen Präsidenten wurde das gemeinschaftliche Organ unter verschiedenen Bezeichnungen für jeden der beiden Träger auf einer besonderen, vom jeweiligen Träger herrührenden Rechtsgrundlage gleichartig tätig.

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach der Reichsverfassung vom 11. August 1919 und der Reichshaushalteordnung vom 31. Dezember 1922 Art. 86 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 19191 (WRV) bestimmte: „Uber die Verwendung aller Reichseinnahmen legt der Reichsfinanzminister i n dem folgenden Rechnungsjahr zur Entlastung der Reichsregierung dem Reichsrat u n d dem Reichstag Rechnung. Die Rechnungsprüfung w i r d durch Reichsgesetz geregelt."

M i t dieser Regelung wurde erstmals die Rechnungsprüfung i n der Reichsverfassung erwähnt, ohne daß allerdings — wie i n den preußischen Verfassungen von 1850 und 19202 — die Prüfungsinstanz genannt 112

Abgedruckt bei Hertel, S. 552 ff. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 77 I V c, S. 110. Vgl. zu diesem Begriff: Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 77 I V b, S. 110. 1 RGBl. S. 1383. 2 A r t . 68 der Preußischen Verfassung vom 30. November 1920 (GS. S. 543) lautete — vielfach wörtlich übereinstimmend m i t A r t . 104 Abs. 2 der Verfas113

114

5 Grupp

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

wurde. Deren Bestimmung blieb dem einfachen Gesetzgeber 3 überlassen, der i n der am 31. Dezember 1922 i n K r a f t getretenen Reichshaushaltsordnung 4 (RHO) die Rechnungsprüfung normierte und damit den Verfassungsauftrag des A r t . 86 Satz 2 WRV erfüllte. Das Gesetz beschränkte sich jedoch nicht auf die Rechnungsprüfung, sondern regelte gemäß seinem § 1 die „Aufstellung des Reichshaushaltsplans, seine Durchführung und deren Überwachung" ; es stellte — gemeinsam mit den A r t . 85 bis 87 WRV — eine umfassende Kodifikation des Haushaltsrechts dar 5 . Dabei knüpfte die Reichshaushaltsordnung eng an die Entwicklung i n Preußen und i m Reich an 6 , berücksichtigte aber auch die i n den nichtpreußischen deutschen Ländern gewonnenen Erfahrungen 7 . I . D i e Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung

Als Prüfungsbehörde bestimmte § 87 RHO den Rechnungshof des Deutschen Reichs. Seine Aufgaben waren vorwiegend i n den Abschnitten I V und I V a festgelegt, seine innere Organisation und seine Stellung i n der staatlichen Hierarchie regelte der V. Abschnitt des Gesetzes, der gemäß § 119 Abs. 2 Nr. 1 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BHO) 8 weiterhin gilt, allerdings auf Grund der nach 1922 erfolgten Änderungen der Reichshaushaltsordnung 9 nicht mehr i n der ursprünglichen Fassung. Anders als die preußische Ober-Rechnungskammer, die nach § 1 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes i. V. m. A r t . 82 Abs. 1 und A r t . 7 der Verfassung Preußens von 1920 der Staatsregierung unterstellt war, wurde gemäß § 118 RHO der Rechnungshof als eine der Reichsregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Reichsbehörde 10 errichtet. § 87 RHO übertrug dem Rechnungshof die „Überwachung der gesamten Reichshaushaltsführung", darüber hinaus auch der Wirtschaftsführung von Anstalten, Stiftungen und Vermögensmassen, die durch sungsurkunde von 1850 —: „Die Rechnungen über den Haushaltsplan werden von der Oberrechnungskammer geprüft und festgestellt. Die allgemeine Rechnung über den Haushalt jedes Jahres u n d eine Übersicht über die Staatsschulden werden m i t den Bemerkungen der Oberrechnungskammer zur Entlastung des Finanzministers dem Landtage vorgelegt." 3 Wegen der verfassungsändernden Regelung i n den § § 2 1 u n d 128 mußte das Gesetz m i t Zweidrittelmehrheit angenommen werden. 4 RGBl. I I 1923, S. 17. 5 Viaion , Haushaltsrecht, 2. Aufl., S. 298 (Bern. 2 zu § 1 RHO). 8 Saemisch , Kontrolle, S. 26. 7 Pfuhlstein, S. 70. 8 BGBl. I S. 1284. 9 Vgl. dazu unten Erster T e i l D I. 10 Bereits i n der Kaiserlichen Verordnung v o m 27. Dezember 1899 zur Ausführung des Reichsbeamtengesetzes (RGBl. S. 730) w a r der Rechnungshof als „oberste Reichsbehörde " bezeichnet worden.

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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Reichsbehörden oder vom Reich eingesetzte Beamte verwaltet wurden, selbst wenn die Einnahmen nicht dem Reich zuflössen; die Prüfung hatte sich gemäß § 96 RHO auf die Einhaltung des Haushaltsplans, die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und Verwaltungsgrundsätze sowie insbesondere die Wirtschaftlichkeit der Verwaltungsführung zu erstrecken 11 . Wesentlicher als die Uberprüfung der formalen Richtigkeit der Rechnungen war die materielle Prüfung 1 2 . Schon deshalb war der Revision durch den Rechnungshof eine Vorprüfung durch die Verwaltung vorangestellt (§ 92 RHO), die vor allem die Formalien kontrollieren sollte 13 . Gemäß § 94 RHO konnte der Rechnungshof die Prüfung beschränken, nach § 93 RHO auf die jährliche Prüfungen von Rechnungen geringerer Bedeutung verzichten und diese der Verwaltung überlassen, doch hatte er die Pflicht, diese Revision zu überwachen. § 98 RHO statuierte eine umfassende Auskunftspflicht aller Verwaltungsbehörden — mit Ausnahme der Reichsministerien — gegenüber dem Rechnungshof. Die höheren Verwaltungsbehörden und die diesen oder den obersten Reichsbehörden unterstellten Behörden waren dem Rechnungshof bezüglich der Rechnungsprüfung untergeordnet; nicht der Reichsverwaltung angehörende Stellen, die m i t der Ausführung des Reichshaushaltsplans betraut waren, hatten seinen Anordnungen Folge zu leisten (§ 102 RHO). Nach § 103 RHO hatte der Rechnungshof die sich aus der Prüfung ergebenden Erinnerungen den Verwaltungsbehörden mitzuteilen und Erledigung zu verlangen. Von der Prüfung ausgenommen waren nur diejenigen Haushaltsmittel, die i m Haushaltsplan einen dementsprechenden Vermerk erhalten hatten oder die durch den Haushaltsplan einer anderen Stelle zur Prüfung überwiesen waren (§ 89 RHO) 1 4 . Nach den §§ 107, 108 RHO hatte der Rechnungshof als Grundlage für die Entlastung der Reichsregierung Bemerkungen aufzustellen, die dem Reichsfinanzminister zu übermitteln und von diesem dem Reichsrat und dem Reichstag vorzulegen waren. § 107 Abs. 1 RHO bestimmte, daß sich aus den Bemerkungen insbesondere zu ergeben hatte, ob Haushalts- und Kassenrechnungen übereinstimmten, ob und welche Abweichungen vom Haushaltsplan vorgekommen waren, ob gegen die gesetzlichen Haushaltsregelungen verstoßen worden war, ob Erinnerungen des Rechnungshofes bezüglich der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltungsführung nicht beachtet worden waren, ob zu über- oder außerplanmäßigen Ausgaben die Zustimmung der Legislative noch nicht vorlag und 11 § 96 Abs. 1 Nr. 3 u n d 4 RHO; vgl. auch Pfuhlstein, S. 73; Saemisch, Das Kontrollwesen u n d die Entlastung, i n : HdbDStR Bd. I I , S. 446 ff. (449). 12 Saemisch, Kontrolle, S. 49 f. 13 Saemisch, Kontrolle, S. 50; ders., Kontrollwesen, S. 449. 14 Vgl. dazu die Nachweise bei Saemisch, Kontrolle, S. 40 A n m . 34.

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Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

welche Beträge i n der Rechnung fälschlich als über- oder außerplanmäßig bezeichnet wurden. Gemäß § 107 Abs. 6 RHO war den Bemerkungen eine Denkschrift m i t den wesentlichen Prüfungsergebnissen beizufügen 15 . Darüber hinaus konnte der Rechnungshof nach § 109 RHO neben oder anstelle der Bemerkungen der Regierung i n einem Bericht Mängel der Verwaltungsführung mitteilen und Vorschläge zu ihrer Behebung sowie zur Änderung gesetzlicher Vorschriften machen. Der Rechnungshof konnte bestimmen, welche Teile dieses Berichts dem Reichstag und dem Reichsrat zur Kenntnis zu geben waren. Weiterhin schrieb § 100 Abs. 2 RHO vor, daß vor dem Erlaß von Haushaltsvorschriften durch die Verwaltung der Rechnungshof zu hören war; nach § 101 RHO hatte sich der Rechnungshof auf Ersuchen eines Reichsministers oder des Reichstages über Haushaltsfragen gutachtlich zu äußern. Die innere Organisation des Rechnungshofes regelte die Reichshaushaltsordnung nicht abschließend 16 , sondern überließ i n § 124 RHO der Prüfungsbehörde die Festlegung einer Geschäftsordnung. Das Gesetz bestimmte nur den kollegialischen Charakter der Behörde (§119 RHO), regelte die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder (§121 RHO) und traf Mindestbestimmungen darüber, welche Angelegenheiten durch Mehrheitsbeschluß der Mitglieder zu entscheiden waren (§§ 125,126 RHO). Die Mitglieder durften nach § 124 RHO nicht dem Reichstag angehören; § 123 RHO untersagte ihnen die M i t w i r k u n g i n solchen Angelegenheiten, die zum Geschäftsbereich eines näher verwandten Reichsministers oder Landesbeamten gehörten. Der Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs war nebenamtlich Chefpräsident der preußischen Ober-Rechnungskammer. Diese Personalunion beruhte nicht auf einer gesetzlichen Regelung, sondern erfolgte auf Grund der bis 1919 geübten Tradition 1 7 . Darüber hinaus bekleidete der Präsident auf Beschluß der Reichsregierung vom 27. November 1922 das A m t des Reichssparkommissars, das geschaffen worden war, u m die Staatsausgaben zu verringern 1 8 ; dieses A m t war jedoch kein Nebenamt für den Präsidenten des Rechnungshofes, sondern eine persönliche Sonderaufgabe des damaligen Präsidenten Saemisch 19. Die Arbeit des Rechnungshofes auf Grund der Reichshaushaltsordnung fand weitgehend Zustimmung 2 0 , doch zeigte sich bald, daß dieses Gesetz 15 Diese über die Bestimmungen i m preußischen Ober-RechnungskammerGesetz hinausgehende Regelung beruhte auf badischem und hessischem Haushaltsrecht (Saemisch , Kontrolle, S. 64; Pfuhlstein , S. 73); i n Preußen wurde auf G r u n d eines Landtagsbeschlusses ebenso verfahren. 18 Saemisch , Kontrollwesen, S. 448. 17 Saemisch, Kontrolle, S. 27; Bilfinger, Der Reichssparkommissar, S. 14. 18 Bilfinger, S. 10 f. 19 Bilfinger, S. 14; Pfuhlstein, S. 75. 20 Vgl. Pfuhlstein, S. 81.

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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noch nicht alle haushaltsrechtlichen Fragen zufriedenstellend gelöst hatte. I m Jahre 1929 wurde daher eine Novelle zur Reichshaushaltsordnung vorgelegt, die i m Jahre 1930 i n Kraft t r a t 2 1 ; hinsichtlich der Aufgaben und der Stellung des Rechnungshofes brachte sie nur unwesentliche Änderungen (z. B. eine Erweiterung des § 109 RHO). I I . Die staatsrechtliche Stellung des Rechnungshofes

Während — ungeachtet der Umwandlung Preußens von einer Monarchie i n eine Republik (Art. 1 der Preußischen Verfassung vom 30. November 1920) — die Aufgaben und die Stellung der Ober-Rechnungskammer i m wesentlichen unverändert blieben 22 , bestimmte A r t . 86 WRV, daß die Rechnungsprüfung durch Reichsgesetz geregelt werden solle. Bis zum Erlaß der Reichshaushaltsordnung am 31. Dezember 1922 blieb der Rechnungshof des Deutschen Reichs eine Abteilung der Ober-Rechnungskammer, erst auf Grund der §§118 ff. RHO wurde er eine selbständige Reichsbehörde. Die veränderte Verfassungslage und die Bestimmungen des V. Abschnitts der Reichshaushaltsordnung konnten zu einer Wandlung der staatsrechtlichen Stellung des Rechnungshofes führen. Die Verfassungsordnung der Weimarer Republik beruhte auf der Souveränität des Volkes; Art. 1 Abs. 2 WRV bestimmte: „Die Staatsgewalt geht v o m Volke aus."

Die Staatsgewalt war der Substanz nach i n einem Träger konzentriert, wurde ihrer Ausübung nach aber auf drei Gewaltenträger verteilt: die gesetzgebende, die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt 2 3 . Diese Dreiteilung war eine Unterscheidung der formellen Staatsfunktionen; die Übertragung materieller Funktionen der einen Gewalt an eine der beiden anderen führte zu zahlreichen Durchbrechungen des formellen Dreiteilungsschemas 24 . Das Verhältnis der Staatsgewalten zueinander war zum einen gekennzeichnet durch das Ubergewicht der Legislative gegenüber der Exekutive 2 5 , zum anderen bestimmt durch eine relativ weitgehende Kontrolle und Hemmung von gesetzgebender und vollziehender Gewalt 21 RGBl. I I S. 31 ; die Neufassung wurde am 14. A p r i l 1930 (RGBl. I I S. 693) bekanntgemacht. 22 Das Ober-Rechnungskammer-Gesetz von 1872 behielt seine Gültigkeit (Art. 81 der Preußischen Verfassung), die Ober-Rechnungskammer unterstand nach A r t . 82 Abs. 1 der Preußischen Verfassung dem Staatsministerium. 23 Thoma, Grundbegriffe u n d Grundsätze, S. 116 f.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., Vorbem. zum Zweiten Abschnitt, S. 179. 24 Thoma, Grundbegriffe u n d Grundsätze, S. 117 ff. 25 Thoma, Grundbegriffe und Grundsätze, S. 118; Anschütz, Verfassung, S.180.

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Erster T e i l : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

durch die Gerichte 26 . Gegenüber der Reichsverfassung von 1871 hatte die Weimarer Reichsverfassung zu einer erheblichen Neuordnung des Gewaltenteilungssystems geführt, die zu einer Änderung der staatsrechtlichen Stellung der Rechnungsprüfungsbehörde führen konnte. Als die Reichsregierung i m Jahre 1922 dem Reichstag den Entwurf einer Reichshaushaltsordnung nebst Begründung 27 vorlegte, die i m IV. Abschnitt die Aufgaben und i m V. die Stellung des Rechnungshofes behandelte, wurde i n der Begründung 28 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß gegenüber den Entwürfen aus den Jahren 1872 bis 1877 die Veränderung der Staatsverfassung zu berücksichtigen gewesen sei. Andererseits knüpften die vorgesehenen Regelungen an den Entwurf eines Rechnungshof-Gesetzes für das Reich aus dem Jahre 1877 an, der auf dem preußischen Ober-Rechnungskammer-Gesetz beruhte 2 9 . Der Regierungsentwurf wurde auf Grund der Beratungen i m Ausschuß für den Reichshaushalt teilweise geändert, u. a. i m IV., nicht aber i m V.Abschnitt des Entwurfes 3 0 . Der Berichterstatter des Ausschusses führte dazu i m Reichstag anläßlich der zweiten Beratung des Entwurfes aus 31 , die vorgesehene Regelung i m V. Abschnitt entspreche „ i m wesentlichen dem bisherigen Rechtszustande" 32 . Inwieweit dies hinsichtlich der staatsrechtlichen Stellung des Rechnungshofes zutrifft, soll anhand der gesetzlichen Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung geprüft werden. § 118 RHO lautete: „Der Rechnungshof ist eine der Reichsregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Reichsbehörde."

Diese Regelung sicherte die Unabhängigkeit der Prüfungsbehörde gegenüber allen Staatsorganen 33 , ließ jedoch offen, ob der Rechnungshof einer der drei Staatsgewalten — und gegebenenfalls welcher — zuzurechnen war. Aus dem Umstand, daß die Kontrollbehörde — anders als nach dem Ober-Rechnungskammer-Gesetz — nicht der Verwaltungsspitze unterstellt war, ließe sich schließen, daß sich die staatsrechtliche Stellung des Rechnungshofes verändert hatte, zumal die Bezeichnung „Reichsbehörde ( < kein Indiz dafür ist, daß der Rechnungshof eine Behörde der 26

Thoma, Grundbegriffe u n d Grundsätze, S. 120. Verhandlungen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920, Band 374, Drucksache Nr. 4510. 28 aaO, S. 55. 29 Begründung zur RHO, aaO. 30 Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920, Band 375, Drucksache Nr. 5377. 31 Verhandlungen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920, Band 357, S. 9336 ff. (Stenographischer Bericht der 282. Sitzung v o m 14. Dezember 1922). 32 Stenographischer Bericht, aaO, S. 9339 (B). 33 Saemisch , Kontrolle, S. 27; vgl. auch Schulze/Wagner, § 107 A n m . 1. 27

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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Verwaltung war 3 4 . Das Verhältnis der Prüfungsbehörde zu den drei Staatsgewalten soll daher i m folgenden untersucht werden. 1. Der Rechnungshof als Gericht?

Die organisatorische Verselbständigung des Kontrollorgans, die innere Organisation und die Gewähr richterlicher Unabhängigkeit für die M i t glieder führten dazu, daß i n der Literatur der Rechnungshof vereinzelt mit einem Gericht verglichen wurde 3 5 . Dies findet eine Stütze i n der nach § 118 RHO dem Rechnungshof gewährten Trennung von der vollziehenden und der gesetzgebenden Gewalt sowie i n der Bestimmung i n § 107 Abs. 1 RHO, wonach die Bemerkungen „unter selbständiger und unbedingter Verantwortlichkeit" der Prüfungsbehörde aufzustellen waren. Eine derartige Unabhängigkeit war schon vor dem Erlaß der Reichsverfassung von 1919 als wesentliches Merkmal der Gerichtsverfassung angesehen worden 3 6 , sie wurde durch Art. 102 WRV bestätigt 37 . Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Trennung der Prüfungsbehörde von den Organen der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt keine Neuschöpfung des Gesetzgebers der Reichshaushaltsordnung war, sondern auf die historische Entwicklung zurückging 38 und insbesondere bezüglich der organisatorischen Unabhängigkeit gegenüber den Verwaltungsbehörden wegen der Wirksamkeit der Kontrolle erforderlich war. Demgegenüber ließe sich aus § 121 RHO entnehmen, daß der Rechnungshof ein Gericht war: Die Gleichstellung der Mitglieder der Prüfungsbehörde mit den Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit beruht zwar ebenfalls auf der geschichtlichen Entwicklung der Rechnungsprüfung, da aber die Reichsverfassung den Bereich der Rechtspflege nicht abschließend regelte und nur den Richtern der ordentlichen Gerichte i n Art. 104 die persönliche Unabhängigkeit gewährte 39 , bedurfte es für die Richter an anderen Gerichten der gesonderten Normierung der persönlichen Unabhängigkeit 4 0 . — Wenn der Rechnungshof z. B. als ein beson34 Vgl. Beckensträter, S. 179; Schenk, Die Aufgaben- u n d Kompetenzverteilung zwischen Bundesrechnungshof und Bayerischen Obersten Rechnungshof, S. 184 f. 35 Dungern, Die Finanzkontrolle i m Staat u n d i n den Gemeinden, S. 29; vgl. auch Saemisch, Kontrolle, S. 29 f.; bei Schulze/Wagner, Vorbem. zum V. Abschnitt, S. 831. 36 Vgl. Anschütz, Verfassung, A r t . 102 A n m . 1. 37 Vgl. dazu Anschütz, Verfassung, aaO; Kern, Rechtspflege, Grundsätzliches und Übersicht, in: HdbDStR Bd. I I , S. 475 ff. (489 f.). 38 Vgl. z. B. oben A I I , Β 11. 39 Vgl. Mende, Die richterlichen u n d die ihnen gleichgestellten Beamten, i n : HdbDStR Bd. I I , S. 77 ff. (80). 40 Vgl. Mende , S. 85.

Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

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deres Verwaltungsgericht auf Reichsebene anzusehen war, dann war die Regelung i n § 121 RHO sachgemäß und entsprach dem Verfassungsaufbau. Dagegen kann die Bestimmung des § 125 RHO, der die Kollegialverfassung des Rechnungshofes festlegte, nicht als Indiz dafür gewertet werden, daß die Prüfungsbehörde ein Gericht sei: Diese aus den Anfängen des Finanzkontrollwesens herrührende Regelung war i n Preußen traditionell nicht auf richterliche Behörden beschränkt, vielmehr war ein großer Teil der preußischen Verwaltungsbehörden kollegialisch organisiert 41 . Aus der Organisation des Rechnungshofes und der Stellung seiner M i t glieder läßt sich deshalb nicht herleiten, daß die Prüfungsbehörde ein Gericht war. Die organisatorischen Elemente lassen ebenso die Möglichkeit offen, den Rechnungshof als ein Organ der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt anzusehen. Eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann geboten, wenn der Gesetzgeber hätte erkennen lassen, daß er den Rechnungshof als ein Gericht konstituieren wollte. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers läßt sich jedoch weder den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung noch deren Materialien entnehmen. Aus der Äußerung des Berichterstatters des Ausschusses für den Reichshaushalt anläßlich der zweiten Beratung des Entwurfes der Reichshaushaltsordnung, die vorgesehene Regelung i m V. Abschnitt des Gesetzes entspreche „ i m wesentlichen dem bisherigen Rechtszustande" 42 , ergibt sich vielmehr, daß eine Umwandlung des Rechnungshofes von einer Verwaltungsbehörde i n ein Gericht nicht gewollt war. Der Rechnungshof kann daher nicht als ein Gericht angesehen werden 4 3 , so daß er auf der Grundlage einer Dreiteilung der Staatsgewalt entweder ein Organ der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt sein mußte.

2. Rechnungshof und gesetzgebende Gewalt

Zwar läßt sich aus den Materialien zur Reichshaushaltsordnung auch nicht entnehmen, daß der Rechnungshof nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers ein Organ des Parlamentes war oder eine Funktion der gesetzgebenden Körperschaften wahrnahm, aber angesichts des Ubergewichts der Legislative gegenüber der Exekutive 4 4 und auf Grund der Regelung in § 107 RHO ist zu untersuchen, ob die Tätigkeit der Prüfungsbehörde dem legislativen Bereich zuzuordnen ist. 41

Vgl. Rönne, S. 342 f. Verhandlungen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920, Band 357, S. 9339 (B). Vgl. auch Hatschek, Deutsches u n d preußisches Staatsrecht, 2. Bd., 2. Aufl., S. 389 f. 44 Thoma , Grundbegriffe u n d Grundsätze, S. 118; Anschütz , Verfassung, Vorbem. zum Zweiten Abschnitt, S. 180. 42

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C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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Gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 RHO oblag dem Rechnungshof, durch Aufstellung von Bemerkungen die Kontrolle der Haushaltsrechnung durch das Parlament vorzubereiten. Nach § 107 Abs. 6 RHO war diesen Bemerkungen eine Denkschrift beizufügen, die die hauptsächlichsten Prüfungsergebnisse zusammengefaßt enthalten sollte. Diese Regelung entsprach dem Verhalten des Rechnungshofes i n den letzten Jahren des Kaiserreichs, als er seinen Bemerkungen eine Vorbemerkung vorangestellt hatte, i n der wesentliche Probleme erörtert wurden 4 5 . Die Denkschrift bildete das Gegenstück zu dem i n § 109 RHO geregelten Bericht der Prüfungsbehörde an die Reichsregierung 46 . Dadurch erhielt das Parlament auch Kenntnis von solchen Prüfungsaufgaben, die nicht Gegenstand der Bemerkungen waren 4 7 . Durch die Aufstellung der Bemerkungen und des Berichtes übte der Rechnungshof aber nur dann eine Funktion der Volksvertretung aus, wenn die Erstellung von Bemerkungen und Denkschrift über das Finanzgebaren der Verwaltung eine Aufgabe des Parlaments war. Zwar muß es sich dabei nicht u m eine gesetzgeberische Tätigkeit i m eigentlichen Sinne, aber zumindest u m eine dem Parlament ausdrücklich übertragene oder traditionell zustehende Tätigkeit handeln. Reichstag und Reichsrat oblag jedoch nicht die Aufstellung von Bemerkungen und Denkschrift, sondern die eigene Kontrolle und die Beschlußfassung über die Entlastung 4 8 ; die Aufgaben des Rechnungshofes nach § 107 RHO waren also keine i h m übertragene Funktion der Volksvertretung. Die Prüfungsbehörde wäre jedoch als funktionelles Organ des Parlaments dann anzusehen gewesen, wenn die Aufstellung der Bemerkungen und der Denkschrift eine spezielle, für das Parlament bestimmte Aufgabe eigener Natur gewesen wäre. Ein Vergleich zwischen § 96 Abs. 1 und § 107 RHO zeigt jedoch, daß der Rechnungshof eine einheitliche Aufgabe sowohl bei der Prüfung der Verwaltung als auch bei der Vorbereitung der Entlastung zu erfüllen hatte 4 9 . Schon nach dem Wortlaut der Vorschriften i n den §§ 96 Abs. 1 Nr. 1 und 107 Abs. 1 Nr. 2, 1. Teil RHO ergibt sich eine weitgehende Übereinstimmung bezüglich der Prüfung über die Einhaltung des Haushaltsplanes und des Inhalts der Bemerkungen — ebenso wie hinsichtlich der Einhaltung von Gesetzen und anderen Vorschriften (§ 96 Abs. 1 Nr. 3, § 107 Abs. 1 Nr. 2, 2. Teil RHO) 5 0 . Trotz des unterschiedlichen Wortlautes in § 96 Abs. 1 Nr. 2 und i n § 107 45 Vgl. Begründung zur RHO, aaO, S. 52 (zu § 107). A u f G r u n d eines L a n d tagsbeschlusses v o m 13. J u n i 1922 fügte auch die Ober-Rechnungskammer eine Denkschrift ihren Bemerkungen bei (Buchholtz, S. 127). 46 Schulze/Wagner, § 107 A n m . 9. 47 Peucker, Grundfragen neuzeitlicher Finanzkontrolle, S. 72. 48 Vgl. dazu oben Β I 2. 49 Beckensträter, S. 117 f.; Schenk, S. 141 ; Schulze/Wagner, § 96 A n m . 2. 50 Beckensträter, S. 115.

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Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Abs. 1 Nr. 1 RHO war die Tätigkeit des Rechnungshofes auf Grund beider Vorschriften nicht verschieden: Die Prüfung der „einzelnen Rechnungsbeträge" gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 i. V.m. § 88 RHO umfaßte sowohl die Kassenrechnungen nach § 66 Abs. 2 RHO als auch die Gesamtrechnung gemäß § 72 RHO, also der Haushaltsrechnung, über deren Richtigkeit nach § 107 Abs. 1 Nr. 1 RHO i n den Bemerkungen Mitteilung gemacht werden mußte. Gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 3 RHO mußten die Bemerkungen ferner ergeben, zu welchen über- und außerplanmäßigen Ausgaben die Genehmigung des Reichsrates und des Reichstages noch nicht vorlag; diese Prüfung hatte der Rechnungshof jedoch auch nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. den §§ 30 ff., 77 Nr. 8 der Ausgaben RHO vorzunehmen 51 . Eine besondere Prüfungszuständigkeit ergab sich auch nicht aus § 107 Abs. 2 und 6 RHO, da nach Abs. 6 dieser Vorschrift nur die „hauptsächlichsten" Ergebnisse der auf Grund anderer Bestimmungen vorgenommenen Prüfung, nach Abs. 2 nur die „wesentlichen Anstände" aus der Prüfung nach Abschnitt I V a RHO berichtet werden sollten, nicht aber gesonderte Prüfungen vorzunehmen waren. Daher war dem Rechnungshof durch § 107 RHO keine besondere Kontrolle übertragen worden, sondern nur die Zusammenfassung eines großen Teils seiner Prüfungsergebnisse i n Bemerkungen und Berichten; die nach § 96 RHO vorzunehmende Prüfung verschaffte dem Rechnungshof die für die Vorbereitung der Entlastung nach § 107 RHO notwendigen Unterlagen 52 , so daß eine weitergehende Tätigkeit nicht erforderlich war. A u f Grund seiner Prüfungszuständigkeit war der Rechnungshof daher kein Organ des Parlamentes. Die Trennung des Rechnungshofes von der gesetzgebenden Gewalt w i r d auch daran deutlich, daß die Bemerkungen dem Parlament lediglich als Unterlage für seine Kontrolltätigkeit 5 3 dienten und nicht die Prüfungsbehörde, sondern Reichstag und Reichsrat über die Entlastung der Regierung befanden (§ 108 RHO) 5 4 . Demgegenüber könnte jedoch das nach § 101 RHO dem Reichstag eingeräumte Recht 55 , vom Rechnungshof ein Gutachten zu verlangen über Fragen, „deren Beantwortung für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Behörden von Bedeutung ist", die Annahme nahelegen, 51

Beckensträter, S. 117. Schulze/Wagner, § 96 A n m . 2 a. E. Schulze!Wagner, § 107 A n m . 1. 54 Vgl. dazu Saemisch, Kontrollwesen, S. 452; s. auch Kleinrahm i n Geller / Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., A r t . 87 A n m . 2 a bb. 55 Der Regierungsentwurf hatte lediglich ein Recht der Reichsminister, v o m Rechnungshof ein Gutachten zu verlangen, vorgesehen; die Erweiterung der Vorschrift erfolgte auf Vorschlag des Ausschusses f ü r den Reichshaushalt (vgl. den Stenographischen Bericht der 282. Sitzung des Reichstages am 14. Dezember 1922, aaO, S. 9338 [C, D]). 52

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C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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daß der Rechnungshof i m Rahmen seiner gutachtlichen Tätigkeit für den Reichstag als dessen Organ anzusehen war. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Gutachten des Rechnungshofes ihrem Wesen nach lediglich eine Erläuterung seiner Prüfungsmaßstäbe darstellten. Der Rechnungshof wurde i m Rahmen seiner Aufgabenstellung nach § 101 RHO als unabhängige, sachkundige Behörde zu haushaltsrechtlichen Problemen angehört, nicht aber zu politischen Fragen der Budgetaufstellung oder zu anderen Aufgaben des Parlaments. Daher nahm der Rechnungshof mit der gutachtlichen Äußerung nicht die Funktion einer gesetzgebenden Körperschaft wahr, sondern gab Richtlinien zur verwaltungsmäßigen Haushaltsführung 56 . Auf Grund der funktionellen Unterscheidung von Rechnungsprüfung und Legislative sowie der organisatorischen Trennung von Rechnungshof und Parlament, die i n § 118 RHO festgelegt war und auch gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften galt, kann der Rechnungshof nicht als Legislativorgan angesehen werden. 3. Der Rechnungshof als Verwaltungsbehörde

Da der Rechnungshof weder ein Gericht noch ein Organ der gesetzgebenden Gewalt war, ließe sich daraus schließen, daß die Rechnungsprüfung ihrem Wesen nach Ausübung vollziehender Gewalt war. Dafür spricht, daß die Prüfungsbehörde seit ihrer Entstehung i n Preußen i m Jahre 1713 und i n der Zeit ihrer Tätigkeit für das Reich vor dem Erlaß der Reichshaushaltsordnung als Verwaltungsbehörde anzusehen w a r 5 7 . Aus der Bezeichnung des Rechnungshofes als einer „Reichsbehörde" i n § 118 RHO läßt sich allein nicht herleiten, daß der Rechnungshof ein Organ der vollziehenden Gewalt war. Zutreffend weist Beckensträter 58 darauf hin, daß die Begriffe „Behörde" und „Verwaltungsbehörde" nicht identisch sind. Ebensowenig sagt der Begriff „oberste Reichsbehörde" etwas darüber aus, ob der Rechnungshof eine Verwaltungsbehörde war, sondern bezeichnet nur die Stellung i m Rahmen der Verwaltungshierarchie: Der Rechnungshof war damit den Ministerien gleichgestellt und besaß ihnen gegenüber Ressortfreiheit 59 . Aus dem Wortlaut der Reichshaushaltsordnung lassen sich unmittelbar keine Anhaltspunkte entnehmen, ob der Rechnungshof eine Verwaltungsbehörde war. Die Charakterisierung läßt sich auch nicht anhand eines Begriffes von Verwaltung i m materiellen Sinne durchführen; 56 Diese Aufgabe entsprach der i n § 100 Abs. 2 RHO vorgesehenen M i t w i r k u n g bei dem Erlaß haushaltsrechtlicher Verordnungen und Dienstanweisungen. 57 Vgl. oben A I I , Β I 2, I I 2. 58 S. 179. 59 Vgl. Beckensträter, S. 180.

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

denn ein solcher Begriff läßt sich nicht finden 60. „Verwaltung" läßt sich daher nur bestimmen i m Rahmen der Gewaltenteilungslehre auf dem Subtraktionswege als die „Tätigkeit des Staats oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung" 61 . Da der Rechnungshof weder eine Funktion der gesetzgebenden noch eine der rechtsprechenden Gewalt wahrnahm, wäre damit seine Tätigkeit als „Verwaltung" anzusehen. Dieser Weg, die Stellung des Rechnungshofes zu charakterisieren, vermag jedoch nicht zu befriedigen. Läßt sich aber durch die materielle Methode kein zufriedenstellendes Ergebnis finden, so bleibt nur die Möglichkeit, die formellen Elemente zu untersuchen, u m hiernach eine Aussage zu treffen, ob der Rechnungshof eine Verwaltungsbehörde war. Gegen diese Eigenschaft scheint zu sprechen, daß dem Rechnungshof nahezu keine Exekutivbefugnisse eingeräumt waren 6 2 . Demgegenüber bleibt jedoch festzuhalten, daß — auch außerhalb des Bereichs der Regierung, zu dem der Rechnungshof nicht gehörte — weite Bereiche der öffentlichen Verwaltung nicht mit dem Vollzug von Gesetzen i. e. S., mit Eingriffs- und und Leistungshandlungen i m Verhältnis Bürger — Staat betraut sind. Dazu zählt z. B. die Bedarfsverwaltung der staatlichen Behörden 63 , zu der u. a. die Vermögensverwaltung gehört. Gegen die Annahme, der Rechnungshof sei eine Verwaltungsbehörde gewesen, spricht seine organisatorische Verselbständigung (§118 RHO), die die Prüfungsbehörde außerhalb der Weisungsbefugnis eines Ministers stellte und damit den Rechnungshof auch der politischen Kontrolle durch das Parlament entzog 64 . Verwaltungstätigkeit i m „ministerialfreien Raum" 6 5 ist jedoch relativ häufig 66 ; die Verselbständigung ergibt sich in solchen Fällen vielfach aus der Natur dieser Tätigkeit. Wie die historische Entwicklung der Rechnungsprüfung zeigt 67 , ist eine wirksame Kontrolle des Finanzgebarens der Verwaltung nicht möglich, wenn die Prüfungsbehörde organisatorischer Teil dieser Verwaltung ist. Daher mußte eine Ausgliederung der Kontrollbehörde aus der zu prüfenden Verwaltung erfolgen, die auch beibehalten wurde, nachdem die Reichsverfas60 Vgl. Forsthoff , Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Erster Band: Allgemeiner Teil, 9. Aufl., S. 1. 61 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 6. Ebenso Thoma, Grundbegriffe u n d Grundsätze, S. 133. 62 gQ p a c k e r S 30 63 s. dazu Wolff , Verwaltungsrecht I, 8. Aufl., § 3 I, S. 19. 64 Saemischl Stengel, Kontrollrecht, S. 712. 65 Loening , Der ministerialfreie Raum i n der Staatsverwaltung, i n : DVB1. 1954,173 ff. 66 Vgl. dazu Dahlgrün , Staatliche Finanzkontrolle, i n : Staats- und v e r w a l tungswissenschaftliche Beiträge, S. 227 ff. (231). 67 Vgl. z. B. oben A I 2 d; s. auch Weichmann, Die Stellung der Rechnungshöfe i m organisatorischen Aufbau der Staatsgewalt, in: DVB1.1953, 745 ff. (745).

C. Der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach W R V und RHO

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sung von 1919 in A r t . 54 die Ministerverantwortlichkeit festgelegt hatte 6 8 . Das Fehlen der Ministerverantwortlichkeit war überdies nur von geringer Bedeutung, weil zum einen das Parlament gemäß § 108 Abs. 3 RHO die Rechnungen des Rechnungshofes kontrollierte, zum anderen die Tätigkeit der Prüfungsbehörde nur sehr beschränkte unmittelbare Außenwirkungen hatte; demgegenüber wog die Notwendigkeit schwerer, eine wirksame Rechnungsprüfung einzurichten. Die sich aus der Natur der Sache ergebende Verselbständigung der Kontrollbehörde kann damit nicht als ein Grund angesehen werden, den Rechnungshof nicht zur Verwaltung zu zählen 69 . Ebensowenig läßt sich aus der Bestimmung des § 121 RHO entnehmen, daß die Prüfungsbehörde nicht Teil der Verwaltung war. Die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder war ebenfalls erforderlich, u m eine unbeeinflußte, wirksame Rechnungsprüfung zu gewährleisten, und beruhte auf der Regelung i n § 5 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes. Aus der Begründung zu § 121 RHO 7 0 ergibt sich, daß die Mitglieder des Rechnungshofes nicht i n vollem Umfange den Reichsgerichtsräten und den Reichsfinanzräten gleichgestellt wurden, sondern nur so weit, wie zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit wegen der ihnen übertragenen Tätigkeit notwendig war. I m übrigen blieben sie den Reichsbeamten gleichgestellt. Hieraus läßt sich entnehmen, daß der Rechnungshof als eine Verwaltungsbehörde angesehen wurde. Entgegen der Ansicht Beckensträters 71 läßt sich auch aus dem Prüfungsverfahren des Rechnungshofes nicht schlüssig herleiten, daß die Prüfungsbehörde einer anderen als der vollziehenden Gewalt angehörte. Die der Kontrollbehörde nach der Reichshaushaltsordnung gewährten Rechte zur Sachaufklärung (z. B. § 96 Abs. 2, §§ 97 bis 99 RHO) waren lediglich Ausfluß des i n § 102 RHO normierten Grundsatzes, wonach die Verwaltungsbehörden i n allen Prüfungsangelegenheiten dem Rechnungshof untergeordnet waren. Sie entsprachen damit den Befugnissen, die übergeordneten Verwaltungsbehörden gegenüber den ihnen unterstellten Behörden zustehen. Diese Rechte (Bestandsprüfungen vorzunehmen, Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen, Fristen zu bestimmen) unterschieden sich wesentlich von den den Gerichten auf Grund der Prozeßordnungen zustehenden Rechten 72 : Die Sachaufklä68 Z w a r enthielt auch A r t . 61 der preußischen Verfassung von 1850 den Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit, doch erging nie das erforderliche Ausführungsgesetz. 69 Vgl. Franz Klein, Grundgesetz und Haushaltskontrolle, i n : DÖV 1961, 805 ff. (806); Dahlgrün, Staatliche Finanzkontrolle, S. 231; ders., Rechnungskontrolle, i n : Verwaltung, S. 414 ff. (416); Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Kommentar, A r t . 114 Rdnr. 12. 70 aaO, S. 56. 71 S. 137 ff.; ähnlich Schenk, S. 168 ff. 72 a. A. Schenk, S. 170.

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Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

rungsbefugnis der Prüfungsbehörde war auf die staatlichen Behörden beschränkt und berechtigte nicht zu einer umfassenden Aufklärung, durch die auch unbeteiligte Dritte — z. B. i m Wege der Zeugenvernehmung 7 3 — i n das Verfahren einbezogen werden können 7 4 . Diese Beschränkung ergibt sich auch deutlich aus § 113 RHO, wonach dem Rechnungshof bei der Prüfung von Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit nur sehr geringe Auskunftsrechte zustanden, die nicht weiter gingen als die Beteiligungsrechte des Reiches an solchen Unternehmen. Ebenso wie aus dieser Eingrenzung der Befugnisse ergibt sich aus der Unterordnung der Verwaltungsbehörden nach § 102 RHO, daß der Rechnungshof Teil der Verwaltung war; das ist nur unter diesem Gesichtspunkt nicht als erhebliche Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes anzusehen. Auch die Bestimmungen i n den §§ 92 f. RHO machen deutlich, daß der Rechnungshof eine Verwaltungsbehörde war: Die Prüfung der Rechnungen war nicht eine nur dem Rechnungshof vorbehaltene Aufgabe, sondern konnte auch von den Verwaltungsbehörden (wenn auch mit gewissen Einschränkungen) vorgenommen werden. Diese Regelung war sachgerecht; die Prüfung war ein Korrelat zu der Aufgabe der Verwaltung, die Haushaltsmittel zu bewirtschaften. Vor der Gründung unabhängiger Rechnungskontrollbehörden hatten die Verwaltungsbehörden selbst die Rechnungsprüfung vorgenommen 75 , die dem Wesen nach eine Selbstkontrolle der Verwaltung über die ihr zur Verfügung gestellten M i t t e l war. Lediglich aus Gründen einer wirksameren Kontrolle war die Rechnungsprüfung zu einer Behörde zusammengefaßt und diese von den anderen Verwaltungsbehörden organisatorisch getrennt worden. Dem entspricht auch die nicht auf die Rechtskontrolle beschränkte, sondern darüber hinaus die Wirtschaftlichkeitskontrolle umfassende Prüfungsbefugnis des Rechnungshofes, die durch seine M i t w i r k u n g bei Haushaltsvorschriften und seine Gutachteraufgaben ergänzt wurde. A r t und Umfang der Aufgaben des Rechnungshofes und die organisatorische Ausgestaltung seiner Stellung i m einzelnen lassen daher erkennen, daß der Rechnungshof eine Verwaltungsbehörde und seine Tätigkeit nach der Reichshaushaltsordnung die Durchführung von Verwaltungsaufgaben i m weiteren Sinne w a r 7 6 . 73

Auch i m Wege der Rechts- u n d Amtshilfe konnte der Rechnungshof nicht Zeugen durch die Gerichte vernehmen lassen (vgl. Beckensträter, S. 138 A n m . 553). 74 Gemäß den §§ 98, 102 R H O waren die Rechte der Prüfungsbehörde gegenüber den obersten Reichsbehörden begrenzt, was sich aus der Gleichrangigkeit ergab, die charakteristisch f ü r das Verhältnis von Verwaltungsbehörden zueinander ist. 75 Vgl. oben A I I , 2 a. 76 Hatschek, 2. Bd., 2. Aufl., S. 389; Bilfinger , S. 24; Finger, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, 2. Aufl., S. 51.

D. Finanzkontrolle i m nationalsozialistischen Staat

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D. Finanzkontrolle im nationalsozialistischen Staat Nach der Machtergreifung Hitlers i m Jahre 1933 galt die Weimarer Reichsverfassung zwar grundsätzlich fort, verlor jedoch durch zahlreiche Vorschriften (erwähnt seien nur die Verordnung zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 19331, das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 19332 und das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 19343) ihre Wirksamkeit. — Auch die Reichshaushaltsordnung wurde mehrfach geändert; dabei blieben auch die Vorschriften über den Rechnungshof i m V. Abschnitt nicht unberührt. I . D i e Veränderungen der inneren S t r u k t u r und der Aufgaben des Rechnungshofes

Einschneidende Neuerungen enthielt die zweite Novelle zur Reichshaushaltsordnung vom 13. Dezember 19334, die die Stellung des Präsidenten zu Lasten des Kollegialprinzips deutlich stärkte. Sie wurde deshalb oft als auf dem „Führerprinzip" beruhend bezeichnet 5 . Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 1 RHO („Der Rechnungshof bildet ein Kollegium") wurde gestrichen, § 124 RHO wurde dahingehend geändert, daß nicht mehr der Rechnungshof die Geschäftsordnung beschließt, sondern dessen Präsident die Geschäfte leitet, die gesamte Tätigkeit beaufsichtigt sowie nach § 126 f n. F. RHO die Geschäftsordnung erläßt. Durch § 125 RHO wurde die Einrichtung einer Präsidialabteilung vorgeschrieben, die die dem Präsidenten vorbehaltenen Aufgaben vorzubereiten und sonstige ihr vom Präsidenten zugewiesene Geschäfte zu bearbeiten hatte. Die Vollversammlung der Mitglieder gemäß den §§ 125, 126 a. F. RHO wurde ersetzt durch kleinere Beschlußgremien, z. B. gemäß § 126 a η. F. RHO oder — nach § 126 b n. F. RHO — durch Senate (die § 125 Abs. 2 a. F. auch schon vorgesehen hatte). Den Vorsitz i n den Senaten führte der Präsident (§ 126 b Abs. 3 n. F. RHO), dem nach § 126 e η. F. RHO ein Beanstandungsrecht gegenüber den Senatsbeschlüssen zustand. Die Novelle veränderte jedoch nicht nur die innere Organisation des Rechnungshofes erheblich, sondern vor allem auch das Verfahren der Entlastung: Nach Art. I I § 2 des Änderungsgesetzes wurden die Bemerkungen des Rechnungshofes zwar noch i m Reichsrat erörtert, doch erteilte sich die Reichsregierung die Entlastung selbst. Obwohl diese Regelung nur vorübergehend gelten sollte 6 , blieb sie bis 1945 i n Kraft. 1

RGBl. I S. 83. RGBl. I S. 141. RGBl. I S. 75. 4 RGBl. I I S. 1007. 5 Vgl. ζ. B. Heinig, Das Budget, 1. Bd., S. 124; Pfuhlstein, S. 83 f., 87. 6 Saemisch, Das Haushaltsrecht i m Reich u n d i n Preußen, i n : Reich u n d L ä n der 8 (1934), 29 ff. (32). 2

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Erster Teil: Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Eine weitere Änderung der Reichshaushaltsordnung durch das Gesetz vom 17. Juni 19367 führte zur Zentralisierung der Rechnungsprüfung i n Deutschland: Die Rechnungshöfe der Länder wurden aufgelöst 8 , ihre Aufgaben übernahm der Rechnungshof des Deutschen Reichs, der zu diesem Zweck Außenabteilungen einrichtete (Art. I I des Gesetzes). Die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung galten nunmehr entsprechend i n allen Ländern; über die Entlastung der Landesregierungen befanden entweder diese selbst oder aber die Reichsregierung, sofern der Reichsfinanzminister dies erklärte. Die Prüfungsmöglichkeiten des Rechnungshofes wurden i n den folgenden Jahren weitgehend eingeschränkt: „Führerentscheidungen" waren der Nachprüfung entzogen 9 , die Vereinbarung vom 18. März 1941 zwischen dem Präsidenten des Rechnungshofes und dem Reichsschatzmeister der NSDAP 1 0 führte dazu, daß bei der Vergabe von staatlichen Mitteln an die Partei oder umgekehrt die für die Prüfung bei der mittelempfangenden Stelle zuständige Institution die Verwendung kontrollierte. I I . Die Stellung des Rechnungshofes i m „ D r i t t e n Reich"

Während die erste Änderung der Reichshaushaltsordnung vom 8. März 193011 die Stellung des Rechnungshofes unberührt gelassen hatte, sollte durch die zweite und die vierte Novelle aus den Jahren 1933 und 193612 die Prüfungsbehörde zu einem wirksamen Kontrollinstrument der Reichsregierung umgeformt werden. Nachdem das Budget- und Entlastungsrecht vom Parlament auf die Regierung übergegangen war, führte der Rechnungshof seine Prüfungsaufgaben nur noch i n deren Interesse durch 13 . Die Kontrollbehörde wurde damit wieder — wie früher i n der absoluten Monarchie 14 — allein zu dem Zweck eingesetzt, der Staatsleitung einen umfassenden Überblick über das Finanzgebaren der ihr unterstellten Verwaltung zu gewährleisten. Wenn auch de jure die Stellung des Rechnungshofes als einer der Regie7 Gesetz über die Haushaltsführung, Rechnungslegung und Rechnungsprüfung der Länder und über die vierte Änderung der Reichshaushaltsordnung, RGBl. I I S. 209. 8 Lediglich die preußische Ober-Rechnungskammer blieb formal bestehen, da sie bereits früher m i t dem Rechnungshof des Deutschen Reichs verbunden worden w a r (vgl. dazu Saemisch, Haushaltsführung u n d Rechnungsprüfung der Länder, i n : Reich u n d Länder 10 [1936], 170 ff. [171]). 9 Vgl. Heinig, Das Budget, 1. Bd., S. 126 f. 10 Vgl. dazu Pfuhlstein, S. 89 f. 11 Vgl. oben C I a. E. 12 Vgl. oben D I. 13 Holtz, S. 195; Müller, Die staatsrechtliche u n d staatspolitische Stellung des Rechnungshofes i m D r i t t e n Reich, i n : FinArch N.F. 7 (1940), 193 ff. (199, 201). 14 Vgl. oben A I I .

E. Zusammenfassung — Die A r t e n der Kontrolle

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rung gegenüber unabhängigen obersten Reichsbehörde beibehalten wurde, so erfolgte doch de facto seine Unterstellung unter den Reichskanzler 1 5 , dessen „Führerbefehle" für die Prüfungsbehörde verbindlich waren 1 6 . Daran zeigt sich deutlich, daß die Kontrollbehörde dem Wesen nach wieder i n die Verwaltungshierarchie eingegliedert worden war. Die Stellung des Rechnungshofes als eines Teils der vollziehenden Gewalt wurde betont durch die Einschränkung des Kollegialsystems und die Erweiterung der Befugnisse des Präsidenten 17 . Ziel dieser Änderung war die Beschleunigung der Kontrolle, damit die Regierung ihre Vorhaben ungehindert durchführen konnte 1 8 . Der Rechnungshof diente der Reichsregierung zu dem Zweck, die Verwaltung zu leiten und zu organisieren 19 ; die Kontrolltätigkeit zur Vorbereitung der Entlastung hatte ihre Bedeutung völlig verloren, w e i l die Reichsregierung selbst über ihre Entlastung befand und damit i n jedem Falle entlastet wurde 2 0 . Auch die Übertragung von Prüfungsbefugnissen an Organe der NSDAP zeigt deutlich, daß der Rechnungshof völlig i n die Verwaltungsorganisation des totalitären Staates integriert worden war: der Rechnungshof des Deutschen Reichs war eine oberste Verwaltungsbehörde des Reiches; die wegen der Natur seiner Tätigkeit erforderliche Unabhängigkeit von den anderen Verwaltungsbehörden bestand de facto nicht mehr.

E. Zusammenfassung — Die Arten der Kontrolle Die geschichtliche Entwicklung der preußischen Rechnungsprüfung bis zum Jahre 1872 und der darauf aufbauenden Kontrolle i m Deutschen Reich bis zum Jahre 1933 zeigt — von zwischenzeitlichen Rückschritten abgesehen — eine zunehmende Festigung der Stellung der Rechnungsprüfungsbehörde i m Staatsorganismus, begleitet von einer ständigen Erweiterung des Prüfungsbereichs. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft blieb zwar formal die Stellung des Rechnungshofes relativ unberührt, doch wurden seine Aufgaben weitgehend beschränkt, so daß die Prüfungsbefugnis m i t der herausgehobenen Stellung i m Staatsorganismus nicht mehr i m Einklang stand. Die General-Rechen-Kammer, bei ihrer Gründung — ebenso wie der sächsische Ober-Rechen-Rat — ein unmittelbar dem Landesherrn unterstelltes Kollegium, verlor diese Immediatstellung bald und wurde i n das 15

Vgl. Müller, S. 199, 201. Vgl. Heinig, Das Budget, 1. Bd., S. 126 f. Vgl. i m einzelnen oben D I. 18 Vgl. bei Pfuhlstein, S. 84 ff. 19 Müller, S. 201 ff. 20 Vgl. den Bericht über eine Arbeitstagung zu finanzrechtlichen Fragen von BoeslerlEngel, Organisation, Aufgaben u n d Grundfragen des staatlichen Rechnungs- u n d Kontrollwesens, i n : F i n A r c h N. F. 7 (1940), 294 ff. (299, 301). 16

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6 Grupp

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Erster Teil : Die Entwicklung der Rechnungsprüf ung bis 1945

General-Direktorium eingegliedert. Während aber die preußische Rechnungskontrollbehörde i m Jahre 1796 ihre Stellung neben dem GeneralDirektorium, unmittelbar nur dem König unterstellt, wiedererlangte, blieb die sächsische Rechnungsprüfung, die 1734 ihre Unabhängigkeit verloren hatte, bis zum Jahre 1905 — inzwischen unter der Bezeichnung: Ober-Rechnungskammer 1 — unter der Leitung eines Ministers und damit organisatorisch i n die Verwaltung integriert. Die i n Preußen jetzt Ober-Rechnungs-Kammer genannte Behörde wurde i n den Jahren von 1810 bis 1824 ebenfalls erst dem Staatsministerium, dann dem Staatskanzler unterstellt, bis die Instruktion vom 18. Dezember 1824 die erneute Verselbständigung und unmittelbare Unterordnung unter den König brachte, die auch vom Ober-RechnungskammerGesetz von 1872 nicht berührt wurde; das Ende der Monarchie i n Preußen führte nur insoweit zu einer Änderung, als die Kontrollbehörde nunmehr der gesamten Staatsregierung unterstellt war. Die als Rechnungshof des Norddeutschen Bundes bzw. — seit 1871 — als Rechnungshof des Deutschen Reichs fungierende Abteilung der preußischen Ober-Rechnungskammer nahm vom Beginn ihres Bestehens an eine Immediatstellung zum Kaiser ein. Die Wandlung vom Kaiserreich zur Republik führte nicht nur zur Herauslösung des Reichsrechnungshofes aus der preußischen Behörde, sondern — durch die Reichshaushaltsordnung — auch zur Konstituierung der Kontrollinstitution als einer der Reichsregierung gegenüber selbständigen, nur dem Gesetz unterworfenen obersten Reichsbehörde . Gleichzeitig m i t der endgültigen Bestätigung der Immediatstellung durch das Ober-Rechnungskammer-Gesetz von 1872 wurde auch die Unabhängigkeit der Mitglieder gesichert, deren rechtliche Stellung der der Richter angeglichen wurde. Auch das Kollegialsystem, schon mit der Gründung der General-Rechen-Kammer eingeführt, wurde 1872 ausdrücklich deklariert, nachdem es bis zu diesem Zeitpunkt mehrmals aufgehoben und erneut verfügt worden war, und bestand bis zum Erlaß der zweiten Novelle zur Reichshaushaltsordnung am 13. Dezember 1933. Die Untersuchung des Verhältnisses der Prüfungsbehörde zu den drei Staatsgewalten bis zum Jahre 1945 zeigt, daß die Rechnungsprüfungsorgane, ungeachtet ihrer schrittweisen organisatorischen Ausgliederung aus der übrigen Verwaltung, Verwaltungsbehörden waren; denn ihre Kontrolltätigkeit war die Erfüllung eines Teiles der Verwaltungsaufgaben, die der vollziehenden Gewalt übertragen waren. Die Rechnungsprüfungsbehörden waren weder Gerichte noch Organe der gesetzgebenden Körperschaften; Finanzkontrolle war eine — wie die historische Entwicklung gezeigt hat: notwendig organisatorisch verselbständigte — Form 1

Vgl. Wahle, S. 147.

E. Zusammenfassung — Die A r t e n der Kontrolle

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der Selbstkontrolle der vollziehenden Gewalt und damit Verwaltung i m weiteren Sinne. Dies ergibt sich unmittelbar aus den den Prüfungsbehörden übertragenen Aufgaben, zeigt sich aber auch an der organisatorischen Trennung der Rechnungshöfe von den Parlamenten und den Gerichten. Die Aufgaben der Rechnungsprüfungsbehörde nahmen seit der Gründung i m Jahre 1713 ständig zu. War der Prüfungsbereich ursprünglich auf die ausdrücklich genannten Kassen beschränkt, so wurde er schließlich auf die gesamte staatliche Haushaltsführung erweitert, wobei die Zahl der von der Prüfung ausgenommenen Dispositionsfonds immer geringer wurde. Hatte die Prüfungsbehörde ursprünglich jede Einnahme und Ausgabe nur auf die rechnerische Richtigkeit und formale Ubereinstimmung mit den Finanzvorschriften zu kontrollieren, so wurden ihr schon bald auch die materielle Prüfung des Finanzgebarens und die Überwachung der Haushaltsführung unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit übertragen. Schließlich erhielt die Revisionsbehörde die Aufgabe, über ihre Prüfung und deren Ergebnisse zu berichten; mit der zunehmenden Beteiligung der Volksvertretung an der Budgetgestaltung wurde den Kontrollorganen die Pflicht auferlegt, die Einhaltung des vom Parlament beschlossenen Haushalts zu überwachen und darüber einen Bericht zu erstellen, der über die Regierung dem Parlament vorgelegt wurde und als Grundlage zur Entlastung der Regierung diente. Die den Rechnungshöfen übertragene Aufgabe der Rechnungsprüfung 2 läßt sich damit i n drei Bereiche gliedern: Rechnungs-, Verwaltungs- 3 und Verfassungskontrolle. 2 Es k a n n nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die Terminologie auf diesem Gebiet näher zu untersuchen. Der Sprachgebrauch sowohl i n den gesetzlichen V o r schriften als auch i n der L i t e r a t u r ist uneinheitlich (vgl. z. B. Heinig, Das Budget, 1. Bd., S. 18 ff.; Fuchs, Wesen u n d W i r k e n der Kontrolle, S. 9 ff.; Viaion, Haushaltsrecht, S. 46): I n § 1 der I n s t r u k t i o n vom 18. Dezember 1824 hieß es „Revision der Rechnungen", § 1 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes sprach v o n „ K o n t r o l l e des gesammten Staatshaushalts durch Prüfung u n d Feststellung der Rechnungen", der I V . Abschnitt der Reichshaushaltsordnung trägt — ebenso wie der V. Abschnitt der Bundeshaushaltsordnung — die Überschrift „Rechnungsprüfung", während die Überschrift des V. Abschnittes des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes u n d der L ä n der (Haushaltsgrundsätzegesetz — HGrG) lautet: „Prüfung u n d Entlastung". Heinig (Das Budget, 1. Bd., S. 25) unterscheidet zwischen „Revision" u n d „ K o n t r o l l e " ebenso wie Viaion (Haushaltsrecht, aaO), doch definieren beide Autoren diese Begriffe verschieden; Fuchs (S. 16) w i l l n u r den Begriff „ K o n trolle", jedoch m i t erläuternden Zusätzen, verwenden. Die hier verwendeten Begriffe zur Charakterisierung der Tätigkeit der Rechnungshöfe werden i n Anlehnung an die herkömmliche Terminologie gebraucht; vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 14 ff.; Schmidt-Bleib treu/ Klein, Kommentar zum Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., A r t . 114 Rdnr. 13 ff.; Stengel/Winzerling, S. 11741; Roedig, S. 12 f.; vgl. auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes, BTDrucks. 1/1141, S. 8 f.; BVerfGE 20, 56 (96). 3 Rechnungs- u n d Verwaltungskontrolle werden häufig noch unter dem

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Erster T e i l : Die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis 1945

Rechnungskontrolle (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 RHO) ist die Überprüfung der Belege auf rechnerische Richtigkeit und auf Ubereinstimmung der Beträge mit den sonstigen Unterlagen (Kassen- und Rechnungsbücher etc.) sowie auf Einhaltung der für die Kassen- und Rechnungsführung bestehenden Vorschriften. Unter Verwaltungskontrolle w i r d die Prüfung der Geschäftsvorfälle auf ihre sachliche Richtigkeit, d. h. auf die Beachtung der geltenden Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften verstanden, wobei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RHO auch die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit des Finanzgebarens (das sich zusammensetzt aus der Vornahme von Einnahmen und Ausgaben und aus der Verwaltung des Staatsvermögens) zu kontrollieren sind. Die Verfassungskontrolle besteht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 RHO aus der Überprüfung der Rechnung auf Ubereinstimmung m i t dem i m Haushaltsgesetz und dessen Anlagen, insbesondere dem Haushaltsplan, festgelegten Willen des Gesetzgebers. Kontrolliert w i r d vor allem, ob die i m Haushaltsplan festgesetzten M i t t e l nur ihrer vorgesehenen Bestimmung entsprechend verwendet und die zur Verfügung gestellten Beträge nicht überschritten wurden. Darüber hinaus oblagen dem Rechnungshof bzw. — nach der Novelle von 1933 — teilweise dem Präsidenten andere, zum Teil damit zusammenhängende, zum Teil aber auch zusätzliche Aufgaben (nach den §§ 107, 109, 100 und 101 RHO) 4 . Die Vielfalt und der Umfang dieser Aufgaben machten die Einschränkungen nach den §§ 93 und 94 RHO 5 , vor allem aber die Einrichtung der Vorprüfung nach § 92 RHO erforderlich. Diese Vorprüfung wurde von den Verwaltungsbehörden durchgeführt und erfolgte i m Hinblick auf die rechnerische, formelle und sachliche Richtigkeit. Insoweit war der Rechnungshof von einem Teil der Rechnungsprüfung (auch der Verfassungskontrolle 6 ) entlastet, seine Tätigkeit konnte sich auf die Superr evision 1 beschränken, d. h. auf eine Prüfung unter denselben Gesichtspunkten, aber m i t dem besonderen Schwergewicht i n den Bereichen der Verwaltungs- und Verfassungskontrolle 8 . Begriff „Finanzkontrolle" zusammengefaßt (vgl. z. B. Stengel/ Winzerling, S. 1174 f.; Lange, S. 85 m. w. N.); dieser Terminus w i r d i n der vorliegenden Darstellung auch als Synonym für den Begriff der Rechnungsprüfung durch selbständige Rechnungsprüfungsbehörden verwendet. 4 Vgl. oben C I. 5 Vgl. oben C I. 6 Die Vorprüfung hatte auch die Einhaltung des Haushaltsgesetzes u n d der Anlagen zu kontrollieren (vgl. Stengel/ Winzerling, S. 1177; Saemisch/ Stengel, Kontrollrecht, S. 709). 7 Stengel/ Winzerling, S. 1177; Saemisch! Stengel, Kontrollrecht, S. 708 f., bezeichnen diese Form der Prüfung als „ K o n t r o l l e zweiter Instanz". 8 Saemisch! Stengel, Kontrollrecht, S. 709.

Zweiter

Teil

Stellung und Aufgaben der Rechnungehöfe in der Bundesrepublik Deutschland nach den gesetzlichen Vorschriften von Bund und Ländern Schon kurze Zeit nach dem 8. Mai 1945 nahmen die Rechnungshöfe i n Deutschland ihre Arbeit wieder auf 1 ; i n Bayern war der Oberste Rechnungshof eine der ersten Behörden, die nach dem Zusammenbruch tätig wurden. Die Entwicklung der Rechnungsprüfung verlief i n den einzelnen Besatzungszonen zunächst unterschiedlich, wurde jedoch auf Grund der politischen Entwicklung bald gleichmäßig gestaltet. I n die Verfassungen der Länder 2 und i n das Grundgesetz wurden Bestimmungen über die Rechnungsprüfung aufgenommen, die durch einfachgesetzliche Regelungen ergänzt wurden. I m wesentlichen gingen diese Vorschriften auf das überkommene Haushaltsrecht zurück, obwohl die Notwendigkeit einer Neuordnung schon bald nach dem Ende des Krieges erkannt worden war. Begonnen wurde die Reform mit dem Fünfzehnten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 8. Juni 19673; sie fand ihren vorläufigen Abschluß durch das Zwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 19694 sowie das Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz — HGrG) vom 19. August 19695 und die Bundeshaushaltsordnung (BHO) vom 19. August 19698. Diese Neuordnung ließ auch die Rechnungsprüfung nicht unberührt und gibt damit Anlaß, deren Stellung i n der Bundesrepublik Deutschland auf der neugeschaffenen Grundlage zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit soll sich daher i m folgenden den geltenden Bestimmungen über die Rechnungsprüfung zuwenden. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Reform des Haushaltsrechts auf den bisherigen Grundlagen aufbaute, die i m wesentlichen vor 1945 entstanden 1

Vgl. dazu Pfuhlstein , S. 91 ff. Ausnahmen bilden lediglich Bremen u n d das Saarland. BGBl. I S. 581. 4 BGBl. I S. 357. 5 BGBl. I S. 1273. 6 BGBl. I S. 1284; geändert durch das Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung vom 23. November 1971 (BGBl. I S. 2133). 2

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

waren; die nach Kriegsende ergangenen Gesetze hatten nur geringfügige Änderungen gebracht. Daher soll vorab nur i n einem kurzen Abschnitt die Entwicklung der Rechnungsprüfung bis zum Jahre 1969 untersucht werden, wobei lediglich die wichtigsten Gesichtspunkte erörtert werden sollen. Diese Betrachtung w i r d sich auf die Rechnungskontrolle i m Bund beschränken; die Stellung der Rechnungshöfe der Länder w i r d — auch wegen der Vorschriften i n Teil I, V. Abschnitt HGrG und den weitgehend m i t der Bundeshaushaltsordnung übereinstimmenden Regelungen i n den Landeshaushaltsordnungen — gemeinsam mit der Stellung des Bundesrechnungshofes i m Anschluß daran erörtert werden.

A. Rechnungsprüfung im Bund bis zum Jahre 1969 Wie sich aus § 119 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BHO ergibt, sind weite Teile des die Rechnungsprüfung regelnden Rechtes auch weiterhin gültig; diese Bestimmungen sollen i m Zusammenhang mit den neuen Vorschriften eingehend untersucht werden. I n diesem Abschnitt werden daher solche Probleme nicht behandelt werden, die ohnehin einer späteren gründlichen Erörterung bedürfen. A n dieser Stelle sollen unter Berücksichtigung dessen nur die Linien der Entwicklung aufgezeigt werden, soweit sie für das geltende Recht der Rechnungsprüfung von Bedeutung sind. I . Die Entwicklung bis z u m I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes

I n den westlichen Besatzungszonen Deutschlands wurden schon bald nach dem Kriegsende wieder Rechnungsprüfungsbehörden errichtet: in der britischen Besatzungszone ein zentraler Rechnungshof, der nach kurzer Zeit Zweigstellen für die einzelnen Länder erhielt, i n der amerikanischen und i n der französischen Zone — entsprechend der andersartigen Verwaltungsorganisation — Rechnungshöfe für die einzelnen Länder, soweit diese zu den jeweiligen Besatzungsgebieten gehörten 1 . Die Rechnungsprüfung erfolgte i m wesentlichen auf der Grundlage der Reichshaushaltsordnung, die Kontrollbehörden waren den Militärregierungen unterstellt, den zu prüfenden deutschen Verwaltungsbehörden gegenüber jedoch unabhängig und selbständig. I n dem i m Jahre 1947 gebildeten Vereinigten Wirtschaftsgebiet wurde durch ein Gesetz vom 3. November 19482 eine oberste Rechnungsprüfungsbehörde unter der Bezeichnung Rechnungshof im Vereinigten Wirtschaftsgebiet errichtet. Ihre Aufgaben und ihre Stellung bestimmten sich nach den Vorschriften der Reichshaushaltsordnung. 1

Vgl. i m einzelnen hierzu u n d zum folgenden: Heinig, Das Budget, l . B d . , S. 136 f.; Pfuhlstein, S. 91 f. 2 W i G B l . S. 115.

Α. Rechnungsprüfung i m Bund bis zum Jahre 1969

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Ebenso wie unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung waren diese Rechnungshöfe oberste Verwaltungsbehörden, die die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung der deutschen Behörden zu kontrollieren hatten. Sie übten daher — ebenso wie der Rechnungshof des Deutschen Reichs vor 1933 — eine umfassende Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Finanzgebarens der öffentlichen Verwaltung aus. Ihre Tätigkeit, die sich dem Wesen nach nicht von der des früheren Reichsrechnungshofes unterschied, war daher Ausübung von Verwaltung i m materiellen Sinne. I I . Rechnungsprüfung nach A r t . 114 a. F. G G , dem Bundesrechnungshofgesetz und der Reichshaushaltsordnung

Art. 114 GG i. d. F. vom 23. Mai 1949 lautete: „(1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage u n d dem B u n desrate über alle Einnahmen u n d Ausgaben sowie über das Vermögen u n d die Schulden jährlich Rechnung zu legen. (2) Die Rechnung w i r d durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, geprüft. Die allgemeine Rechnung und eine Übersicht über das Vermögen u n d die Schulden sind dem Bundestage u n d dem Bundesrate i m Laufe des nächsten Rechnungsjahres m i t den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung der Bundesregierung vorzulegen. Die Rechnungsprüfung w i r d durch Bundesgesetz geregelt."

A m 7. Juni 1950 wurde das Gesetz über die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1949 sowie über die vorläufige Rechnungsprüfung im Bereich der Bundesverwaltung (Haushaltsgesetz 1949 und Vorläufige Haushaltsordnung) 3 verkündet, das u. a. i n § 1 Abs. 1 die Reichshaushaltsordnung i m Bereich des Bundes für entsprechend anwendbar erklärte, soweit nicht das Grundgesetz oder Bestimmungen dieses Gesetzes entgegenstanden. A m 27. November 1950 erging gemäß A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG das Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes 4 (BRHG). § 1 Abs. 1 BRHG bezeichnet den Bundesrechnungshof als die oberste Rechnungsprüfungsbehörde für die Bundesorgane und die Bundesverwaltung, Abs. 2 dieser Vorschrift räumt dem Bundesrechnungshof die Stellung einer der Bundesregierung gegenüber selbständigen, nur dem Gesetz unterworfenen Obersten Bundesbehörde ein. § 11 Abs. 1 Satz 1 BRHG bestätigt die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder, Abs. 3 dieser Bestimmung legte die entsprechende Anwendung der für die Richter des Obersten Bundesgerichtes geltenden Vor3 4

BGBl. I S. 199. BGBl. I S. 765.

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Schriften fest 5 . § 12 BRHG bestimmt, daß die Beamten des Bundesrechnungshofes nicht einer gesetzgebenden Körperschaft oder einer Regierung des Bundes oder der Länder angehören dürfen; § 11 Abs. 2 BRHG regelt, wer als Mitglied an der gemeinsamen Entscheidung nach den §§ 126 a bis 126 c RHO m i t w i r k e n darf. § 4 BRHG bestimmte, daß der Bundesrechnungshof die gesamte Haushalts· und Wirtschaftsführung der Bundesorgane und Bundesverwaltungen, der Bundesbahn, der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge, der mit Zuschüssen aus öffentlichen M i t t e l n arbeitenden Träger der Sozialversicherung sowie derjenigen Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu überwachen hatte, die Teile des Bundeshaushaltsplanes ausführten, zur Erfüllung bestimmter Zwecke Bundesmittel erhalten hatten oder Bundesvermögen und Bundesmittel verwalteten. § 8 Abs. 1 BRHG übertrug — ähnlich wie § 101 RHO — dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes die Pflicht, sich auf Ersuchen des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung oder des Bundesministers der Finanzen gutachtlich zu Fragen zu äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel i n der Bundesverwaltung von Bedeutung sind 6 . Darüber hinaus gelten gemäß § 2 BRHG die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung über die Rechnungsprüfung i m Rahmen des Grundgesetzes; § 5 BRHG bestimmt, daß außerdem der Bundesrechnungshof oder sein Präsident innerhalb der Zuständigkeit der Bundesverwaltung solche Aufgaben durchzuführen hat, die i n anderen fortgeltenden Vorschriften, Satzungen oder Vereinbarungen dem Rechnungshof des Deutschen Reichs, dem Rechnungshof i m Vereinigten Wirtschaftsgebiet und dem Rechnungshof für die Britische Zone oder deren Präsidenten übertragen sind. Darüber hinaus oblag dem Bundesrechnungshof gemäß § 4 Abs. 5 BRHG i n einigen i n dieser Vorschrift genannten Fällen, bei denen es sich u m die Bewirtschaftung von Bundesmitteln durch Behörden der Länder oder durch Gemeinden handelte, eine gemeinsame Prüfung mit den obersten Rechnungsprüfungsbehörden der Länder, soweit nicht eines der beteiligten Prüfungsorgane darauf verzichtete. Auch konnten diese obersten Prüfungsbehörden des Bundes und der Länder einander gemäß § 6 BRHG durch Vereinbarungen Prüfungsaufgaben übertragen. Nach § 10 BRHG w i r d aus Mitgliedern des Bundesrechnungshofes und der ober5

Durch § 93 des Deutschen Richtergesetzes v o m 8. September 1961 (BGBl. I S. 1665) wurde § 11 Abs. 3 B R H G dahingehend geändert, daß die f ü r die Richter an den oberen Bundesgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden seien. Außerdem wurde § I I a eingeführt, der Einzelheiten i n Disziplinarsachen regelte. 6 Nach § 7, § 8 Abs. 2 B R H G konnte der Bundesrechnungshof bzw. sein Präsident Prüfungsaufgaben bzw. die Erstattung von Gutachten auch f ü r die Länder oder f ü r juristische Personen des öffentlichen Rechts übernehmen.

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund und i n den Ländern

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sten Rechnungsprüfungsbehörden der Länder ein Vereinigter Senat gebildet, der gutachtliche Stellungnahmen zu Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abzugeben hat und grundsätzliche Fragen i m Zusammenhang mit Prüfungsverfahren nach § 4 Abs. 5 und § 6 BRHG zu entscheiden hatte 7 . I m Vergleich zu den §§ 87, 88 RHO hatte das Bundesrechnungshofgesetz die Aufgaben der Prüfungsbehörde 8 erheblich erweitert 9 , insbesondere durch die Bestimmung des § 4 Abs. I 1 0 . Dem Wesen nach waren dem Bundesrechnungshof jedoch, wie aus der Anwendbarkeit der Reichshaushaltsordnung folgt, dieselben Aufgaben gestellt, die der Rechnungshof des Deutschen Reichs nach der Reichshaushaltsordnung für den Bereich der Reichs Verwaltung zu erfüllen gehabt hatte. Auch die innere Organisation des Rechnungshofes blieb — abgesehen von der Errichtung des Vereinigten Senats — gegenüber dem durch die Novellen zur Reichshaushaltsordnung geschaffenen Zustand unverändert.

B. Die geltenden Regelungen im Bund und in den Ländern Die i n der 5. Legislaturperiode des Bundestages zum vorläufigen Abschluß gebrachte Haushaltsreform betrifft sowohl das Haushaltsrecht des Bundes als auch das der Länder. Dies ergibt sich eindeutig aus Art. 109 Abs. 3 GG i. d. F. des Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, das nicht nur die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes ausdehnte auf das Gebiet des Haushaltsrechts, sondern ausdrücklich auch klarstellte, daß durch ein auf Grund dieser Zuständigkeit erlassenes Grundsätzegesetz neben den Ländern auch der Bund verpflichtet wird 1 . Darüber hinaus macht die Neufassung deutlich, daß ein vom Bund erlassenes Grundsätzegesetz nicht nur an die Landesgesetzgeber adressiert ist, sondern alle Staatsorgane der Länder bindet 2 : Die Verwendung der 7

Die i n Verbindung m i t der Zusammenarbeit von Rechnungsprüfungsbehörden des Bundes u n d der Länder entstehenden Probleme werden i m Rahmen der Untersuchung des geltenden Rechts unten Β V I erörtert. 8 Vgl. i m einzelnen die Aufstellung bei Beckensträter, S. 58 ff. 9 Viaion, Haushaltsrecht, A r t . 114 A n m . 6 a. E.; Fuchs, S. 55; Beckensträter, S. 56; Haaser, Rechtsgrundlagen u n d Aufgaben der Kontrolle der öffentlichen Haushaltsführung, i n : Die Wirtschaftlichkeit i n der öffentlichen Verwaltung, S. 81 ff. (91). 10 Fuchs, S. 55, bezeichnet diese Regelung als Erteilung eines „Generalauftrages". 1 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 109 GG A n m . 36 d bb. 2 So schon f ü r A r t . 109 Abs. 3 GG i. d. F. des Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v o m 8. J u n i 1967 (BGBl. I S. 581): Stern i n Stern/ Münch, Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, A r t . 109 GG A n m . A I V 2 d; vgl. auch Anschütz, Verfassung, A r t . 10, 11 Anm. 7 m. w. N. Z u der Neuregelung s. die Begründung zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform (BTDrucks. V/3040, S. 38 Tz 46); Piduch, Bundeshaushaltsrecht,

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Zweiter Teil : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Worte „geltende Grundsätze" läßt eindeutig erkennen, daß der Bund — über Richtlinien für den Landesgesetzgeber hinaus — auch unmittelbar die anderen Landesstaatsorgane verpflichtende Grundsätze aufstellen kann. Durch die Regelung in Art. 109 Abs. 3 n. F. GG ist das in Art. 109 Abs. 1 GG enthaltene Prinzip der Trennung von Bundes- und Länderhaushaltswirtschaft weiter eingeschränkt worden. Wesentliches Anliegen der Haushaltsreform war, ein zumindest i n den Grundzügen einheitliches Haushaltsrecht in Bund und Ländern unter Berücksichtigung der Erfordernisse neuzeitlicher Finanzpolitik zu schaffen 3. Eine derartige Vereinheitlichung der gesamtstaatlichen Finanzwirtschaft verstößt nicht gegen Art. 79 Abs. 3 GG; denn das Bund-Länder-Verhältnis w i r d i n seinem Wesen nicht verändert: Das Grundsätzegesetz läßt die prinzipielle Trennung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern bestehen 4 . Bund und Länder führen ihre Haushaltswirtschaft nur auf einer weitgehend gleichartigen Grundlage durch. Das Haushaltsgrundsätzegesetz enthält i n seinem Teil I I diejenigen Vorschriften, die einheitlich und unmittelbar für den Bund und für die Länder gelten. Die Rechnungsprüfung ist i m wesentlichen i n Teil I geregelt, der Richtlinien für die Bundes- und für die Ländergesetzgebung enthält. Durch § 1 HGrG wurden der Bund und die Länder 5 verpflichtet, ihr Haushaltsrecht bis zum 1. Januar 1972 nach den §§ 2 ff. HGrG zu regeln. Durch die am selben Tag wie das Haushaltsgrundsätzegesetz verkündete Bundeshaushaltsordnung ist der Bund seiner Verpflichtung nachgekommen. I n den Ländern wurde i n den Jahren 1970 und 19716 das Haushaltsrecht nach Maßgabe des Haushaltsgrundsätzegesetzes neu geregelt. Bis zu diesem Zeitpunkt beruhte das Haushaltsrecht der Länder weitgehend auf den Vorschriften der Reichshaushaltsordnung, die durch das Gesetz über die Haushaltsführung, Rechnungslegung und Rechnungsprüfung der Länder und über die vierte Änderung der Reichshaushaltsordnung vom 17. Juni 19367 i n den Ländern eingeführt worden war und auch nach 1945 zunächst auf Grund von Anordnungen der Besatzungsbehörden, tatsächlicher Übung oder von Bestimmungen i n LanA r t . 109 GG A n m . 36 d bb. Die entgegenstehende Ansicht von Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 70 Rdnr. 22, dürfte damit überholt sein. 3 Vgl. die Begründung zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform, BTDrucks. V/3040, S. 31 Tz 3. 4 Vgl. Stern i n Stern/Münch, A r t . 109 GG A n m . Β I 1; s. auch Maunz u n d Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 79 Rdnr. 35. 5 Das Gesetz gilt auch i n Berlin gemäß § 59 H G r G i. V. m. dem Berliner Gesetz zur Übernahme von Gesetzen v o m 26. August 1969 (GVB1. S. 1525). 6 Lediglich i n Niedersachsen wurde die neue Landeshaushaltsordnung erst i m F r ü h j a h r 1972 verabschiedet, jedoch rückwirkend zum 1. Januar 1972 i n K r a f t gesetzt (§ 119 Abs. 1 NdsLHO). 7 RGBl. I I S. 209; vgl. auch oben Erster T e i l D I.

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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desgesetzen i n K r a f t g e b l i e b e n w a r 8 , s o w e i t sie n i c h t der j e w e i l i g e n L a n desverfassung w i d e r s p r o c h e n h a t t e 9 . D i e R e c h n u n g s p r ü f u n g w u r d e jedoch i n den L ä n d e r n d u r c h eigene Rechnungshofgesetze u n d — m i t A u s n a h m e des L a n d e s Bremen u n d des Saarlandes — d u r c h B e s t i m m u n g e n i n d e n Landesverfassungen geregelt. Diese Gesetze s t i m m t e n i n h a l t l i c h w e i t g e h e n d m i t d e n auf Bundesebene g e l t e n d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r e i n . D i e a u f G r u n d der B e s t i m m u n g i n § 1 H G r G n o t w e n d i g g e w o r d e n e N o v e l l i e r u n g des Haushaltsrechts i n d e n L ä n d e r n h a t v i e l f a c h z u i d e n tischen R e g e l u n g e n a u f B u n d e s - u n d L ä n d e r e b e n e g e f ü h r t . D a h e r w e r den i m f o l g e n d e n die V o r s c h r i f t e n i m B u n d u n d i n d e n L ä n d e r n 1 0 ge8 Eine Ausnahme bildete das L a n d Berlin, i n dem nicht die Bestimmungen des Reichshaushaltsrechts, sondern die Vorschriften des Gemeindehaushaltsrechts Anwendung fanden. Nunmehr gilt i n B e r l i n die Landeshaushaltsordnung (LHO) v o m 29. J u l i 1966 (GVB1. S. 1148), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 1970 (GVB1. S. 1175), die weitgehend m i t der Bundeshaushaltsordnung übereinstimmt. Z u m Rechtszustand i m Saarland v o r der Neuregelung i m Jahre 1971 vgl. i n der Begründung der Gesetzentwürfe zur Haushaltsreform, BTDrucks. V/3040, S. 33. 9 Vgl. zur Fortgeltung der Reichshaushaltsordnung u n d ihrer Ergänzungen i n den Ländern bis zur Durchführung der Haushaltsrechtsreform auf Länderebene: Viaion, Haushaltsrecht, S. 1117 ff.; ders., öffentliche Finanzwirtschaft, S. 156 ff. 10 Baden-Württemberg: A r t . 83 der Verfassung i. d. F. d. G. v o m 19. Oktober 1971 (GBl. S. 425); Gesetz über den Rechnungshof Baden-Württemberg (Rechnungshofgesetz — RHG) v o m 19. Oktober 1971 (GBl. S. 426); Landeshaushaltsordnung f ü r BadenWürttemberg (LHO) v o m 19. Oktober 1971 (GBl. S. 428). Bayern: A r t . 80 der Verfassung; Gesetz über den Bayerischen Obersten Rechnungshof (Rechnungshofgesetz — RHG) v o m 23. Dezember 1971 (GVB1. S. 469); Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung — BayHO) vom 8. Dezember 1971 (GVB1. S. 433). Berlin: A r t . 83 der Verfassung; Gesetz über den Rechnungshof von B e r l i n (Rechnungshofgesetz — RHG) vom 21. J u l i 1966 (GVB1. S. 1145) i. d. F. d. G. v o m 24. J u n i 1971 (GVB1. S. 1056); Landeshaushaltsordnung (LHO) v o m 29. J u l i 1966 (GVB1. S. 1148) i. d. F. d. G. v o m 7. Dezember 1970 (GVB1. S. 1175). Bremen: A r t . 131 Abs. 2 Nr. 4 letzter Satz der Verfassung; Gesetz über die Rechnungsprüfung i n der Freien Hansestadt Bremen v o m 20. Dezember 1966 (GBl. S. 221) i. d. F. d. G. v o m 25. M a i 1971 (GBl. S. 143) — i m folgenden m i t RPG abgekürzt — ; Haushaltsordnung der Freien Hansestadt Bremen (Landeshaushaltsordnung — LHO) v o m 25. M a i 1971 (GBl. S. 143). Hamburg: A r t . 70, 71 der Verfassung; Gesetz über den Rechnungshof der Freien u n d Hansestadt Hamburg (RHG) vom 10. M a i 1968 (GVB1. S. 117) i. d. F. d. G. v o m 23. Dezember 1971 (GVB1. S. 261); Haushaltsordnung der Freien u n d Hansestadt Hamburg (Landeshaushaltsordnung — LHO) vom 23. Dezember 1971 (GVB1. S. 261). Hessen: A r t . 144 der Verfassung; Gesetz über den Hessischen Rechnungshof v o m 8. Oktober 1970 (GVB1. I S. 667) — i m folgenden m i t RHG abgekürzt — ;

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Zweiter Teil : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

m e i n s a m u n t e r s u c h t ; a u f w e s e n t l i c h e A b w e i c h u n g e n i m einzelnen, die v o r a l l e m i n d e n die O r g a n i s a t i o n der Rechnungshöfe r e g e l n d e n Rechnung shofgesetzen e n t h a l t e n sind, w i r d gesondert h i n g e w i e s e n w e r d e n . I . Die Stellung der Rechnungshöfe i m konstitutionellen Gefüge A r t . 114 G G i n der Fassung des Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v o m 12. M a i 1969 1 1 t r i f f t ebenso w i e A r t . 114 a. F. G G u n d die L a n d e s v e r f a s s u n g e n — m i t A u s n a h m e der V e r f a s s u n g SchleswigHolsteins ( A r t . 49 A b s . 1 Satz 1) — k e i n e B e s t i m m u n g ü b e r den R a n g des Rechnungshofes i n der B e h ö r d e n h i e r a r c h i e . D e m Wesen nach ü b e r e i n s t i m m e n d m i t § 118 R H O h e i ß t es jedoch i n § 1 A b s . 2 B R H G : „Der Bundesrechnungshof ist eine der Bundesregierung gegenüber selbständige, n u r dem Gesetz unterworfene Oberste Bundesbehörde." Entsprechende V o r s c h r i f t e n ü b e r die S t e l l u n g der Landesrechnungshöfe finden sich i n d e n m e i s t e n Landesrechnungshofgesetzen 1 2 . I n d e n a n d e r e n L ä n d e r n w i r d der R e c h n u n g s h o f l e d i g l i c h als eine selbständige, nur dem Hessische Landeshaushaltsordnung (LHO) vom 8. Oktober 1970 (GVB1. I S. 645). Niedersachsen: A r t . 53 der Vorläufigen Verfassung; Gesetz über die Errichtung eines Rechnungshofs u n d die Rechnungsprüfung f ü r das L a n d Niedersachsen vom 25. J u n i 1948 (GVB1. S. 65) i. d. F. d. G. vom 7. A p r i l 1972 (GVB1. S. 181) — i m folgenden m i t RHG abgekürzt —; Niedersächsische Landeshaushaltsordnung v o m 7. A p r i l 1972 (GVB1. S. 181). Nordrhein-Westfalen: A r t . 86, 87 der Verfassung i. d. F. d. G. v o m 14. Dezember 1971 (GVB1. S. 393); Gesetz über den Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen (LRHG) v o m 14. Dezember 1971 (GVB1. S. 410); Landeshaushaltsordnung (LHO) vom 14. Dezember 1971 (GVB1. S. 397). Rheinland-Pf alz: A r t . 120 der Verfassung i. d. F. d. G. vom 20. Dezember 1971 (GVB1. 1972 S. 1); Landesgesetz über den Rechnungshof Rheinland-Pfalz (RHG) v o m 20. Dezember 1971 (GVB1.1972 S. 23) ; Landeshaushaltsordnung f ü r Rheinland-Pfalz (LHO) vom 20. Dezember 1971 (GVB1.1972 S. 2). Saarland: A r t . 109 Abs. 2 der Verfassung; Gesetz Nr. 938 betreffend Haushaltsordnung des Saarlandes (LHO) v o m 3. November 1971 (ABl. S. 733) ; Gesetz Nr. 943 über den Rechnungshof des Saarlandes (Rechnungshofgesetz — RHG) vom 15. Dezember 1971 (ABl. S. 347). Schleswig-Holstein: A r t . 48, 49 der Landessatzung; Gesetz über den Landesrechnungshof Schleswig-Holstein v o m 9. Dezember 1957 (GVB1. S. 168) i. d. F. d. G. vom 22. A p r i l 1971 (GVB1. S. 162) — i m folgenden m i t RHG abgekürzt — ; Landeshaushaltsordnung Schleswig-Holstein (LHO) v o m 22. A p r i l 1971 (GVB1. S. 162). 11 BGBl. I S . 357. 12 Bayern (Art. 1 Abs. 1); Bremen (§ 1 Abs. 2); Hamburg (§ 1); Hessen (§ 1); Niedersachsen (§1 Abs. 2); Nordrhein-Westfalen (§1); Rheinland-Pf alz (§ 1 Abs. 1) ; Saarland (§ 1 Abs. 2).

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund und i n den Ländern

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Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde bezeichnet 13 , ohne daß die Unabhängigkeit gegenüber der Landesregierung ausdrücklich betont wird; ein sachlicher Unterschied ist darin nicht zu sehen 14 · 15 . Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß die Rechnungsprüfungsbehörde sowohl i m Bund als auch i n den Ländern jeweils eine oberste, der Regierung gegenüber unabhängige, selbständige Behörde ist. Damit stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Gewährung einer solchen Stellung hat, insbesondere ob die Rechnungshöfe als Verfassungsorgane anzusehen sind.

1. Der Rechnungshof — ein Verfassungsorgan?

Wäre die Ansicht Thomas 16 zutreffend, daß die „ i n der Verfassungsurkunde einer Staatskörperschaft vorgesehenen Organe zum Unterschied von den nicht durch die Verfassungsurkunde selbst eingesetzten Organen" Verfassungsorgane sind, so wären die Rechnungshöfe i m Bund und i n den Ländern — außer i n Bremen und i m Saarland — als Verfassungsorgane anzusehen 17 . Die Ansicht Thomas ist jedoch nur formell begründet und vermag daher nicht zu überzeugen. Vielmehr w i r d i n Ubereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht 18 auszugehen sein von dem materiellen Kriterium, ob die spezifische Eigenart und Funktion des i n der Verfassung genannten Organs integrierend auf den Staat w i r k t , ob sein Entstehen, Bestehen und seine verfassungsmäßige Tätigkeit den Staat konstituiert und dessen Einheit sichert, ob dieses Organ entscheidend an der politischen Gesamtgestaltung des Staates teilhat. 13

Baden-Württemberg (§ 1 Abs. 1 RHG); Berlin (§ 1 Abs. 2 RHG); SchleswigHolstein (§ 1 R H G ; ebenso A r t . 49 Abs. 1 Satz 1 der Landessatzung). 14 I n Hamburg ist der Rechnungshof gemäß § 1 H m b R H G „die oberste Rechnungsprüfungsbehörde der Freien u n d Hansestadt Hamburg. Er ist unabhängig, dem Senat gegenüber selbständig u n d n u r dem Gesetz unterworfen". Die Formulierung i n Satz 1 wurde wegen der nicht zweifelsfreien staatsrechtlichen Stellung der Rechnungshöfe gewählt; inhaltlich entspricht die Regelung den Vorschriften der anderen Landesrechnungshofgesetze. 15 Auch die i m Rechnungshofgesetz von Berlin getroffene Einschränkung, die Prüfungsbehörde sei bei der „Durchführung ihrer Aufgaben" selbständig, die auf die Bestimmung i n A r t . 83 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung von B e r l i n zurückgeht, bedeutet ebensowenig w i e die Bestimmung i n A r t . 83 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung, wonach der Präsident der Dienstaufsicht des Regierenden Bürgermeisters untersteht, eine Beschränkung der Unabhängigkeit des Rechnungshofes. Vgl. dazu auch unten Β I I I 1 b. 16 Rechtsgutachten betreffend die Stellung des Bundesverfassungsgerichts, in: JöR N. F. 6 (1957), 161 ff. (166). 17 So für den Bundesrechnungshof: Thoma, Rechtsgutachten, S. 166, u n d Lange, S. 205. 18 Bemerkungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem Rechtsgutachten von Professor Richard Thoma, i n : JöR N. F. 6 (1957), 194 ff. (198); ähnlich Goessl, Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, S. 96.

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Zweiter Teil : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Eine derartige Integrationswirkung weist jedoch die spezifische Funktion der Rechnungshöfe, die Rechnungsprüfung, nicht auf. Unabhängig von dem Inhalt der Prüfung und deren Ergebnis i m einzelnen 19 läßt sich schon hier feststellen, daß die Rechnungsprüfung keine Teilhabe an der politischen Gesamtgestaltung des Staates darstellt 2 0 . Dies ergibt sich schon daraus, daß das politisch bedeutsamste Ergebnis der Rechnungsprüfung, die für das Parlament bestimmten Bemerkungen, nur eine Unterlage für die Entlastung sind 2 1 und die Beschlußfassung hierüber nicht durch eine Willensentscheidung des Rechnungshofes präjudiziert w i r d 2 2 . Dem steht auch nicht entgegen, daß die Parlamente derzeit nicht i n der Lage sind, sich die notwendigen Unterlagen für die Entlastung i n vollem Umfange selbst zu beschaffen 23 , so daß ohne die Tätigkeit der Rechnungshöfe das Kontrollrecht der Parlamente über den Budgetvollzug wirkungslos und das Budgetbewilligungsrecht bedeutungslos würde 2 4 , denn die Prüfung durch einen Rechnungshof verschafft dem Parlament für dessen spezifisch politische Kontrolle nur Material, das auch auf anderem Wege (z. B. durch die Arbeit eines Parlamentsausschusses) erlangt werden könnte. Die Tätigkeit der Rechnungshöfe ist kein gestaltender Eingriff i n die oberste staatliche Willensbildung 2 5 , sondern nur die Vorarbeit für die mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Parlamente. Daher sind die Rechnungshöfe nicht als Verfassungsorgane i m dargestellten Sinne anzusehen 26 . 19

Vgl. dazu unten Β I V . So auch Bank, Die Stellung u n d Aufgabe der Rechnungshöfe i m neuen deutschen Staatswesen, in: ZGesStW 111 (1955), 512 ff. (514). 21 Vgl. A r t . 114 GG, §§ 97 u n d 114 BHO, §§ 46 f. H G r G und die entsprechenden Bestimmungen i n Baden-Württemberg (Art. 83 Abs. 2 Satz 4 Verf., §§ 97 u n d 114 Abs. 1 LHO), Bayern (Art. 80 Satz 1 Verf.; A r t . 97 u n d 114 Abs. 1 BayHO), Berlin (Art. 83 Abs. 1 Satz 1 Verf.; § 80 Abs. 3 LHO), Bremen (§§ 97 und 114LHO), Hamburg (Art. 70 Abs. 2 Verf.; §§97 u n d 114 Abs. 1 LHO), Hessen (Art. 144 Verf.; §§97 u n d 114 LHO), Niedersachsen (§§97 und 114 Abs. 1 LHO), Nordrhein-Westfalen (Art. 86 Abs. 2 Satz 2 Verf.; §§97 u n d 114 Abs. 2 LHO), Rheinland-Pfalz (Art. 120 Abs. 2 Satz 4 Verf.; §§ 97 Abs. 1 u n d 114 Abs. 2 LHO), Saarland (§§ 97 Abs. 1 und 114 LHO) und Schleswig-Holstein (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Landessatzung; §§97 u n d 114 Abs. 1 LHO). Wie hier auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 97 B H O A n m . 1 a. E. ; vgl. auch oben Erster T e i l C H 2. 22 Vgl. Ritzel, Die Rechnungsprüfung als Instrument der Demokratie, i n : 250 Jahre Rechnungsprüfung, S. 129 ff. (130). 23 Ritzel, S. 130 f. 24 So Lange, S. 204 f. 25 Goessl, S. 121; Bank, Stellung u n d Aufgabe, S. 514; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 36. 26 Bundesverfassungsgericht, Bemerkungen, S. 197, 205; Goessl, S. 121; Franz Klein, S. 806; Körte, Z u r Stellung der Rechnungshöfe, i n : JZ 1956, 684 ff. (686); Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 b bb; Bank, Stellung und Aufgabe, S. 514; Geiger, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, §63 A n m . 3; Maunz i n Maunzl Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 12; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 114 Rdnr. 7; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 36; Tiemann, Z u r staatsrechtlichen Stellung u n d F u n k t i o n des Bundesrechnungshofes nach der Haushaltsreform, i n : DVB1. 1970, 954 ff. (959). 20

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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Der Bundesrechnungshof kann daher auch nicht Beteiligter i n einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG sein 27 ; denn der Begriff des obersten Bundesorgans ist gleichzusetzen mit dem des Verfassungsorgans 28, weil anders die Vorschrift des A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG keine sinnvolle Abgrenzung der Beteiligungsfähigkeit i n Organstreitigkeiten zuläßt. Auch ist der Bundesrechnungshof als eine selbständige Behörde nicht Teil eines anderen obersten Bundesorgans; er ist daher auch insoweit nicht parteifähig i n Verfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, § 63 BVerfGG 2 9 . Ebensowenig wie der Bundesrechnungshof sind die Landesrechnungshöfe als Verfassungsorgane anzusehen. 2. Die Bedeutung der Stellung der Rechnungshöfe als selbständiger oberster Behörden des Bundes und der Länder

Die i n den Vorschriften über die Rechnungshöfe diesen eingeräumte Stellung als oberste Behörde i m Bund bzw. i m Land geht auf die historische Entwicklung zurück 3 0 . Sie dient vor allem dazu, der Rechnungsprüfungsbehörde die Unabhängigkeit gegenüber den anderen obersten Behörden zu sichern 31 : Die Gleichstellung m i t den sonstigen obersten Organen der vollziehenden Gewalt, deren Finanzgebaren durch die Kontrollbehörde überwacht werden sollte, implizierte das Verbot der Unterstellung der Prüfungsbehörde unter eine andere Verwaltungsbehörde. Die geltenden Bestimmungen, die nach dem Vorbild des § 118 RHO getroffen wurden, sollen den Rechnungshöfen eine unbeeinflußte Prüfung ermöglichen 32 . Durch die Selbständigkeit der Prüfungsbehörden, die eine Weisungsbefugnis der Regierung oder eines Ministers ausschließt, werden die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Kontrolle wirksam w i r d und die Parlamente einen zutreffenden Einblick 27 Goessl, S. 121; Geiger, § 63 A n m . 3; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 36; vgl. Maunz i n Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 13 Rdnr. 38 a. E. 28 Goessl, S. 95 ff.; Holtkotten i n Bonner Kommentar zum Grundgesetz, A r t . 93 A n m . I I Β 1 c. 29 Die Beschränkung der Parteifähigkeit auf Verfassungsorgane u n d deren m i t eigenen Rechten ausgestattete Teile entspricht der Entstehungsgeschichte des A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG (vgl. bei Doemming/Füsslein/Matz, S. 669 ff.); eine andere Auslegung (vgl. Holtkotten i n Bonner Kommentar, A r t . 93 A n m . I I Β 1 c) widerspräche dem Sinn der Vorschrift, die die Streitigkeiten von Verfassungsorganen betrifft (s. dazu Goessl, S. 95 ff.; Geiger, § 63 A n m . 3; Lechner, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., § 13 Ziff. 5 A n m . I 3 d; BVerfGE 1, 351 [359]; 2,143 [152 f.]). 30 Vgl. oben Erster Teil A I 1, 2 b, d. 31 Vgl. ζ. B. oben Erster T e i l A I I . 32 Vgl. ζ. B. die Begründung zum V. Abschnitt des Entwurfs der Reichshaushaltsordnung, aaO, S. 55.

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

i n den Budgetvollzug erhalten. Die Selbständigkeit besteht jedoch auch gegenüber den Parlamenten, so daß weder die Rechnungshöfe noch ihre Präsidenten den gesetzgebenden Körperschaften gegenüber verantwortlich sind 3 3 . Aus der Selbständigkeit der Rechnungshöfe folgt, daß sie weder i n Personal- noch i n Realunion einem Ministerium oder einer anderen Behörde auch nur teilweise angegliedert werden können 3 4 . Daraus ergibt sich auch die heute allgemein verfolgte und zum Teil gesetzlich geregelte Übung, daß die Haushalte der Rechnungshöfe i n gesonderten Einzelplänen veranschlagt und beschlossen werden 3 5 . Die Gewährung des Status einer unabhängigen obersten Behörde bedeutet jedoch nicht, daß der Präsident des Rechnungshofes eine ministergleiche Stellung hat 3 6 . Die Rechnungsprüfung gehört nicht zum Bereich der Regierung 37 : Sie ist keine Tätigkeit i m Rahmen der politischen Staatsführung, d. h. keine verantwortliche Leitung der Politik des Staates. Die Teilnahme an dieser Staatsführung i m Bereich der vollziehenden Gewalt i. w. S. charakterisiert den Minister und unterscheidet ihn von anderen Leitern einer obersten Verwaltungsbehörde; diese Verschiedenheit findet ihren Ausdruck i n der parlamentarischen Verantwortung des Ministers 3 8 . Der Präsident des Rechnungshofes ist jedoch dem Parlament nicht verantwortlich, er übt auch keine staatsleitende Tätigkeit aus. Daraus folgt, daß nicht der Präsident des Bundesrechnungshofes, sondern ein Bundesminister die vom Bundespräsidenten auszufertigenden Ernennungsurkunden gemäß Art. 58 GG gegenzeichnen muß 3 9 .

I I . Die Rechtsstellung der Mitglieder

Nach den §§ 2 und 11 BRHG i. V. m. § 119 Abs. 1 RHO sind Mitglieder des Bundesrechnungshofes der Präsident, der Vizepräsident sowie die Direktoren und Ministerialräte. Weiterhin werden dem Bundesrech33 Körte, S. 685; Haaser, Die Rechnungshöfe u n d ihre Beziehungen zur Exekutive und Legislative, i n : D Ö H 1954, 115 ff. (119 f.); Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 b cc; Huber, Die institutionelle Verfassungsgarantie der Rechnungsprüfung, in: Festschrift für Nikisch, S. 335 ff. (341). 34 Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 b cc. 35 Vgl. z.B. i m Bundeshaushaltsplan f ü r die Haushaltsjahre 1970 u n d 1971: Einzelplan 20 Bundesrechnungshof. 36 Maunz i n Maunz/DüriglHerzog, A r t . 114 Rdnr. 12. 37 Vgl. dazu z.B. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 62 Rdnr. I f f . ; ders., Deutsches Staatsrecht, 18. Aufl., S. 370 ff.; Scheuner, Der Bereich der Regierung, in: Rechtsprobleme i n Staat u n d Kirche (Festschrift f ü r Rudolf Smend), S. 253 ff. (275 ff.). 38 Vgl. dazu z. B. Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 144 f.; Scheuner, Bereich der Regierung, S. 283 ff. 39 Viaion, Haushaltsrecht, § 118 RHO A n m . 8.

Β. Die geltenden

egelungen i m B u n d und i n den Ländern

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nungshof gemäß § 2 BRHG i. V. m. § 119 Abs. 2 RHO Prüfungsbeamte i n der erforderlichen Zahl zugeteilt. Die Landesrechnungshofgesetze enthalten entsprechende Vorschriften 4 0 ; i n Hessen ist nach § 8 Abs. 3 RHG das dienstälteste Mitglied des Rechnungshofes der ständige Vertreter des Präsidenten, i m Saarland w i r d die Bezeichnung „Vizepräsident" nicht verwendet: § 8 Abs. 1 Satz 3 RHG spricht nur vom „ständigen Vertreter". Eine ausdrückliche Regelung über den Dienstgrad der Mitglieder enthalten nur die Rechnungshofgesetze i n Bayern, Hamburg und i m Saarland: A r t . 3 Abs. 3 BayRHG bestimmt, daß die Mitglieder mindestens Ministerialräte sind, § 3 HmbRHG und § 2 Abs. 1 SaarlRHG legen fest, daß die Mitglieder Beamte des höheren Dienstes sein müssen. Zu M i t gliedern des Bundesrechnungshofes dürfen nur solche Personen ernannt werden, die das 35. Lebensjahr vollendet haben. Sie sollen i n der Regel die Befähigung zum Richteramt, zum höheren Verwaltungsdienst oder zum höheren technischen Dienst haben; mindestens ein D r i t t e l der M i t glieder soll die Befähigung zum Richteramt besitzen 41 . Unterschiedlich geregelt sind die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Ernennung der Mitglieder 4 2 . Die Mitglieder des Bundesrechnungshofes werden vom Bundespräsidenten unter Gegenzeichnung des Bundesministers für Finanzen 43 ernannt; der Präsident hat das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Stellen, soweit es nicht die seines Nachfolgers und die des Vizepräsidenten betrifft. Ähnlich dieser Regelung auf Bundesebene ist i n den Ländern Nordrhein-Westfalen (§ 3 Abs. 2 LRHG) und Schleswig-Holstein (§ 5 Abs. 1 RHG) das Vorschlagsrecht des Präsidenten auf die Mitglieder m i t Ausnahme des Vizepräsidenten beschränkt. I n den anderen Ländern 4 4 da40 Baden-Württemberg (§ 2); Bayern (Art. 3 Abs. 1); Berlin (§ 11 Abs. 1 u n d 2); Bremen (§ 3); Hamburg (§ 2); Hessen (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1); Niedersachsen (§ 3 Abs. 1 u n d 2); Nordrhein-Westfalen (§ 2); Rheinland-Pf alz (§ 3); Saarland (§ 2); Schleswig-Holstein (§ 4). 41 Vgl. § 2 B R H G i. V. m. § 120 RHO. Ähnliche Regelungen sind — w e n n auch m i t Abweichungen hinsichtlich einzelner Voraussetzungen — i n allen Landesrechnungshofgesetzen enthalten: Baden-Württemberg (§9); Bayern (Art. 3 Abs. 2); Berlin (§ 15 Abs. 2); Bremen (§4 Abs. 2); Hamburg (§4); Hessen (§4); Niedersachsen (§3 Abs. 3); Nordrhein-Westfalen (§4); Rheinland-Pf alz (§4); Saarland (§ 3); Schleswig-Holstein (§ 6 Abs. 2). Vielfach ermöglichen die gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich die Einstellung auch anderweitig vorgebildeter, fachlich geeigneter Personen, ζ. B. m i t kaufmännischer oder technischer A u s bildung. Vgl. dazu die Regelungen i n Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen u n d i m Saarland. 42 Diesbezügliche Vorschriften sind i n den meisten Ländern i n den Landesrechnungshofgesetzen — u n d teilweise auch i n den Landesverfassungen — enthalten; lediglich i n Hamburg u n d Niedersachsen finden sich Bestimmungen über die Ernennung der Mitglieder n u r i n den Verfassungen. 43 Vgl. oben Zweiter T e i l Β I 2 a. E. (mit A n m . 39). 44 Baden-Württemberg (§ 10 RHG); Bayern (Art. 5 Abs. 2 RHG); Berlin (§ 11 Abs. 3 u n d 4 RHG); Bremen (§ 4 Abs. 1 RPG); Hamburg (§ 5 RHG); Hessen (§ 2 Abs. 2 Satz 3 RHG); Niedersachsen (Art. 53 Abs. 3 Satz 2 Verf.); Rheinland- Ρfalz

7 Grupp

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

gegen hat der Präsident ein Vorschlagsrecht bei der Ernennung sämtlicher Mitglieder, doch kann er dieses Recht i n Hessen nur gemeinsam m i t dem Finanzminister ausüben; i n Bayern und Rheinland-Pfalz hat der Präsident vorher das Rechnungshof-Kollegium anzuhören, i n BadenWürttemberg muß er vor der Ausübung des Vorschlagsrechts für die sonstigen Mitglieder, nicht aber für den Vizepräsidenten, den Senat des Rechnungshofes anhören. I n allen Ländern ist eine M i t w i r k u n g des Parlaments vorgesehen 45 ; i n Bayern, Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz ist allerdings die Zustimmung des Parlaments nur für die Ernennung des Präsidenten erforderlich, während i n Baden-Württemberg auch die Ernennung des Vizepräsidenten der Zustimmung des Landtags bedarf. I n den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein bedarf es der Zustimmung des Parlaments zur Ernennung sämtlicher M i t glieder des Rechnungshofes; i n Bremen werden alle Mitglieder von der Bürgerschaft gewählt. Die M i t w i r k u n g der Parlamente bei der Ernennung der Mitglieder der Rechnungshöfe ist Ausdruck der Tatsache, daß sich das Schwergewicht der politischen Macht nach 1945, mehr als nach 1918, zugunsten der gesetzgebenden Körperschaften verschoben hat. So haben vor allem die Parlamente selbst nachdrücklich ein Zusammenwirken von Parlament und Regierung bei der Ernennung der Mitglieder gefordert 4 6 ; i n Niedersachsen waren Inhalt und Umfang der Mitwirkungsbefugnisse Gegenstand eines Konfliktes zwischen Regierung und Landtag 4 7 . Grundsätzlich w i r d den Regierungen das Recht zur positiven Auswahl gelassen; den Parlamenten ist das Recht der negativen Auslese vorbehalten 4 8 . Das (§ 3 Abs. 1 RHG); Saarland (§8 Abs. 1 RHG). I n Bremen, Hamburg, Niedersachsen u n d Nordrhein-Westfalen besitzt der Präsident nicht das ausschließliche Vorschlagsrecht, doch ist er — ausgenommen i n Niedersachsen — v o r der Ernennung zu hören. Die Verfassung Hamburgs sieht nicht die Zustimmung der gesamten Bürgerschaft, sondern n u r die des Bürgerausschusses vor. Dieser Bürgerausschuß ist ein T e i l des Landesparlaments (vgl. Ipsen, Hamburgs Verfassung u n d V e r waltung, S. 276 f.), so daß auch insoweit v o n einer parlamentarischen M i t w i r k u n g gesprochen werden kann. 45 Baden-Württemberg (Art. 83 Abs. 2 Satz 3 Verf., § 10 RHG); Bayern (Art. 5 Abs. 1 RHG); Berlin (Art. 83 Abs. 2 Verf., § 11 Abs. 3 RHG); Bremen (§ 4 Abs. 1 RPG); Hamburg (Art. 71 Abs. 2 Verf.); Hessen (§ 2 Abs. 2 RHG); Niedersachsen (Art. 53 Abs. 3 Satz 1 Verf.); Nordrhein-Westfalen (Art. 87 Abs. 2 Verf., §3 Abs. 1 LRHG) ; Rheinland-Pf alz (§5 Abs. 1 RHG); Saarland (§8 Abs. 1 RHG); Schleswig-Holstein (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RHG). 46 Vgl. Nr. 1 der Entschließung der Landtagspräsidenten auf ihrer Konferenz i n Hannover am 26. Oktober 1954 (abgedruckt bei Härtig, Z u r Stellung der Rechnungshöfe, in: DVB1.1955,173 ff. [177]). 47 Vgl. Körte, S. 684. 48 I n Berlin k a n n das Abgeordnetenhaus, w e n n der Senat mehrere K a n d i daten für das A m t des Präsidenten vorschlägt, eine positive A u s w a h l treffen (§11 Abs. 3 RHG); i n Bremen kann die Bürgerschaft selbst Kandidaten f ü r die

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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Interesse der Parlamente an der M i t w i r k u n g bei der Ernennung der Rechnungshofmitglieder dürfte wesentlich dadurch gefördert worden sein, daß die Prüfungsbehörden auch i m Interesse der Parlamente — wegen der Beschaffung der Unterlagen für die Entlastung der Regierungen — tätig werden und deshalb die Auswahl nicht allein den Regierungen überlassen bleiben sollte. Gemäß A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 Satz 1 BRHG besitzen die Mitglieder des Rechnungshofes richterliche Unabhängigkeit. Hinsichtlich der Dienstaufsicht, der Versetzung i n ein anderes A m t oder i n den Ruhestand, der Entlassung, der Amtsenthebung, der Altersgrenze und der Disziplinarstrafen gelten die Bestimmungen für Richter an den oberen Bundesgerichten entsprechend. Inhaltlich übereinstimmende Vorschriften enthalten auch die Verfassungen und Rechnungshofgesetze der Länder, wenn man davon ausgeht, daß der Begriff der richterlichen Unabhängigkeit sowohl die persönliche als auch die sachliche Unabhängigkeit umfaßt, wie sie i n A r t . 97 GG und i n den inhaltsgleichen Vorschriften der Landesverfassungen enthalten sind 4 9 . Nach § 12 BRHG, der über die Regelung i n § 123 RHO hinausgeht 50 , dürfen die Mitglieder — und die übrigen Beamten — des Bundesrechnungshofes nicht dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung oder einem entsprechenden Organ eines Landes angehören. Für die Dauer der Zugehörigkeit zu einem dieser Organe ruht das Dienstverhältnis des Mitglieds oder des Beamten 5 1 ; Angehörige der genannten Organe verlieren mit dem Eintritt i n den Bundesrechnungshof die Zugehörigkeit zu dem Organ 5 2 . Ähnliche Vorschriften enthalten die Rechnungshofgesetze der Länder mit Ausnahme derer der Länder Baden-Württemberg, Bayern, RheinlandPfalz und des Saarlandes 5Z. I n den meisten Fällen verbieten sie den M i t Ä m t e r der Mitglieder vorschlagen u n d somit bei der W a h l positiv auswählen (§ 4 Abs. 1 RPG). 49 Baden-Württemberg (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Verf.; §11 RHG); Bayern (Art. 80 Satz 2 Verf.; A r t . 6 RHG); Berlin (§ 16 Abs. 1 RHG); Bremen (§ 5 RPG); Hamburg (Art. 71 Abs. 3 Satz 1 Verf.; §§ 6, 7 RHG); Hessen (§ 5 RHG); Niedersachsen (Art. 53 Abs. 2 Verf.; §3 Abs. 3 und 4 RHG); Nordrhein-Westfalen (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 Verf.; §5 LRHG) ; Rheinland-Pf alz (Art. 120 Abs. 2 Satz 2 Verf.; § 6 RHG); Saarland (§§ 4, 5 RHG); Schleswig-Holstein (Art. 49 Abs. 1 Satz 2 Verf.; § 6 Abs. 1 RHG). 50 Die Erweiterung dient nach der amtlichen Begründung zu § 12 B R H G (BTDrucks. 1/1141, S. 17) der Gewährleistung der Unabhängigkeit i m Prüfungsverfahren u n d der Ausschaltung von Interessenkonflikten. 51 Viaion, Haushaltsrecht, § 123 RHO A n m . 3 u n d 4. 52 Viaion, Haushaltsrecht, §123 RHO A n m . 6; vgl. auch Schulze/Wagner, §123 A n m . 2 a. E. 53 Berlin (§ 20); Bremen (§ 6 Abs. 1) ; Hamburg (§ 8 Abs. 2); Hessen (§ 7 Abs. 1); Niedersachsen (§3 Abs. 7); Nordrhein-Westfalen (§7); Schleswig-Holstein (§6 Abs. 3). *

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

gliedern, teilweise aber auch den sonstigen Beamten, die Zugehörigkeit zu den gesetzgebenden Körperschaften, i n Hamburg w i r d sogar eine öffentliche politische Betätigung untersagt. I n Schleswig-Holstein enthalten die Rechnungshofgesetze das Verbot der Übernahme eines Amtes i n der Verwaltung. Auch die Nebentätigkeit der Mitglieder w i r d i n einigen Ländern untersagt oder von besonderen Genehmigungen abhängig gemacht oder auf einzelne bezeichnete Tätigkeiten beschränkt. Entsprechend der Regelung i n § 2 BRHG i. V. m. § 122 RHO, die die innere Unabhängigkeit der Mitglieder sichern soll, bestimmt auch die Mehrzahl der Landesrechnungshofgesetze, daß entweder i n Fällen näherer Verwandtschaft oder Schwägerschaft zu Ministern, Beamten u. ä. Personen die M i t w i r k u n g bei Prüfungen insoweit untersagt ist, als es deren Geschäftsbereich betrifft 5 4 , oder daß bei allgemeiner Befangenheit eine Prüfungsmitwirkung ausgeschlossen ist 5 5 . Die Landesrechnungshofgesetze bezeichnen die Mitglieder als Beamte und unterscheiden — ähnlich wie die §§ 120 ff. RHO — zwischen Mitgliedern (bzw. nach der Reichshaushaltsordnung: unabhängigen Beamten) und sonstigen Beamten 50 . Das Bundesrechnungshofgesetz läßt dagegen nicht deutlich erkennen, ob die Mitglieder Beamte oder Amtsträger sind, weil § 2 BRHG nur zwischen Mitgliedern und Beamten unterscheidet. Aus §11 Abs. 2, § 12 BRHG läßt sich jedoch entnehmen, daß auch die M i t glieder Beamte sind 5 7 . I I I . D e r organisatorische A u f b a u

Weder das Grundgesetz noch die Landesverfassungen enthalten unmittelbare Bestimungen über die innere Organisation. Deren Grundzüge sind vielmehr i m V. Abschnitt der Reichshaushaltsordnung und i n den Rechnungshofgesetzen geregelt; Einzelheiten sind i n den Geschäftsordnungen der Rechnungshöfe enthalten. 1. Die innere Organisation des Bundesrechnungshofes

Das i n der Reichshaushaltsordnung i. d. F. vom 31. Dezember 1922 niedergelegte umfassende Kollegialprinzip wurde durch die zweite Novelle vom 13. Dezember 1933 weitgehend eingeschränkt 58 . A u f Grund 54

Baden-Württemberg (§8 Abs. 1); Berlin (§19); Bremen (§6); Hessen (§6); Niedersachsen (§ 3 Abs. 6); Nordrhein-Westfalen (§ 6 Abs. 1). 55 Baden-Württemberg (§8 Abs. 2); Bayern (Art. 9); Hamburg (§9); Nordrhein-Westfalen (§ 6 Abs. 2); Rheinland-Pf alz (§ 11); Saarland (§ 6). 56 I n Berlin, Hamburg u n d Nordrhein-Westfalen brauchen die Prüfer nicht Beamte zu sein. 57 Vgl. auch die Begründung zu den §§ 11 u n d 12 B R H G (BTDrucks. 1/1141, S. 17) sowie § 189 BBG. 58 Vgl. oben Erster T e i l D I.

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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dieser Änderung und unter Berücksichtigung des Bundesrechnungshofgesetzes hat der Bundesrechnungshof den folgenden organisatorischen Aufbau: A n der Spitze der Behörde steht gemäß § 124 Abs. 1 RHO ihr Präsident, der nach § 124 Abs. 2 und 3 RHO vom Vizepräsidenten vertreten wird. Der Präsident leitet und beaufsichtigt die gesamte Tätigkeit des Rechnungshofes; i h m obliegt die Führung der Verwaltung, die Verteilung der Geschäfte — soweit dies nicht durch die gemäß § 13 BRHG vom Großen Senat zu beschließende Geschäftsordnung geschieht — und die Vertretung des Bundesrechnungshofes nach außen. Ferner bestimmt der Präsident nach § 126 b Abs. 3 RHO jeweils für die Dauer eines Kalenderjahres die Anzahl der zu bildenden Senate und deren Aufgaben. Zur Durchführung seiner Aufgaben wurde dem Präsidenten gemäß § 125 RHO eine Präsidialabteilung beigegeben, deren Beamten keine richterliche Unabhängigkeit besitzen und keine Prüfungsaufgaben durchführen dürfen. Nach § 126 hat der Präsident die Befugnis, auch außerhalb des Geschäftsbereiches der Präsidialabteilung Weisungen zu erteilen, durch die jedoch das Prüfungsverfahren nicht beschränkt und sachliche Entscheidungen nicht betroffen werden dürfen. Die Mitglieder sind nach § 125 Abs. 3 RHO verpflichtet, nach näherer Bestimmung des Präsidenten auch i n der Präsidialabteilung tätig zu sein, sofern sie dadurch ihrer Haupttätigkeit nicht entzogen werden. I m übrigen gliedert sich der Bundesrechnungshof i n mehrere Prüfungsabteilungen, an deren Spitze Direktoren stehen. Die Prüfungsabteilungen sind jeweils i n mehrere Prüfungsgebiete unterteilt, die von Ministerialräten geleitet werden. Jedem Prüfungsgebiet gehören mehrere Prüfungsbeamte an, die den Weisungen des Prüfungsgebietsleiters unterstehen 59 . Beschlüsse des Rechnungshofes werden — abgesehen von der Institution des Vereinigten Senats 60 — i n den Beschlußgremien gefaßt: Nach § 126 a RHO entscheidet der Bundesrechnungshof regelmäßig durch gemeinsame Entschließung des zuständigen Direktors und des zuständigen Ministerialrates. Soweit diese es für geboten erachten oder der Präsident sich die M i t w i r k u n g vorbehalten hat, t r i f f t auch der Präsident die Entscheidung mit, die auf Grund eines einstimmigen Beschlusses zustande kommt 6 1 . 59 Nach dem Einzelplan 20 des Bundeshaushaltsplanes f ü r die Haushaltsjahre 1970 u n d 1971 bestand der Bundesrechnungshof aus einer Präsidialabteilung m i t drei Referaten u n d sieben Prüfungsabteilungen m i t insgesamt 47 Prüfungsgebieten. 60 Vgl. dazu unten Β V I . 61 Vgl. Schulze/Wagner, § 126a A n m . ; Viaion, Haushaltsrecht, § 126a A n m . 4.

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Gemäß § 126 b Abs. 2 RHO sind für sämtliche Aufgaben des Bundesrechnungshofes Senate zu bilden, nach Abs. 1 dieser Vorschrift w i r d i n ihnen entschieden, wenn der Präsident eine Angelegenheit dem Senat zuweist oder der zuständige Ministerialrat oder Direktor eine Senatsentscheidung beantragt. Nach § 126 b Abs. 3 RHO bestehen die Senate aus dem Präsidenten als dem Vorsitzenden, einem Direktor, dem sachbearbeitenden Ministerialrat und zwei weiteren Ministerialräten, die der Präsident für die Dauer eines Kalenderjahres bestimmt. Gemäß § 126 c Abs. 1 RHO entscheidet der Große Senat, wenn eine Angelegenheit die Zuständigkeit mehrerer Senate berührt oder der Präsident i h m andere Angelegenheiten zuweist oder i h n vor einer eigenen Entscheidung hören w i l l . Darüber, ob die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Großen Senats vorliegen, entscheidet i n Zweifelsfällen der Präsident. Der Große Senat besteht nach § 126 c Abs. 2 RHO aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, den Direktoren oder ihren Vertretern und drei vom Präsidenten für ein Kalenderjahr bestimmten M i n i sterialräten oder ihren Vertretern; hinzu kommen für jede Angelegenheit der sachbearbeitende und der m i t der Mitberichterstattung beauftragte Ministerialrat. Nach § 126 d RHO ergehen die Entscheidungen i n den Senaten und i m Großen Senat auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Gemäß § 126 e RHO steht dem Präsidenten gegen Beschlüsse der Senate und des Großen Senats ein Beanstandungsrecht zu 6 2 , das innerhalb von vier Wochen nach der Beschlußfassung auszuüben ist. Dadurch darf die nach den §§ 88 ff. BHO — früher §§ 87 bis 117 RHO — dem Rechnungshof obliegende Prüfung nicht eingeschränkt werden. Dem Beanstandungsrecht unterliegen nicht die Beschlüsse des Großen Senats, durch die die Bemerkungen nach § 97 BHO — früher § 107 RHO — aufgestellt werden; betrifft die Beanstandung die Aufstellung der Bemerkungen durch den Beschluß eines Senats, so hat die Beanstandung gemäß § 126 e Abs. 3 RHO die Wirkung, daß der Große Senat darüber entscheidet. Nach § 126 e Abs. 2 RHO bewirkte die Beanstandung eines Beschlusses, durch den eine Erinnerung gemäß § 103 RHO gezogen wurde, daß der Beschluß nicht ausgeführt wurde; der Präsident war jedoch verpflichtet, der zuständigen Dienststelle von dem sachlichen Inhalt der beabsichtigten Erinnerung Kenntnis zu geben und die Dienststelle u m A u f klärung zu ersuchen. Die darauf eingehende A n t w o r t hatte der Präsident einem Senat oder dem Großen Senat zur Beschlußfassung über die Aufstellung einer Bemerkung zuzuweisen. — Da die Bundeshaushalts62 I n der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes v o m 10. September 1951 ist dieses Beanstandungsrecht nicht mehr vorgesehen.

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund u n d i n den Ländern

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Ordnung i m Gegensatz zu § 103 RHO keine förmlichen Erinnerungen mehr kennt, sondern gemäß § 96 BHO nur noch die Mitteilung des Prüfungsergebnisses, ist § 126 e Abs. 2 RHO gegenstandslos geworden; denn die Mitteilung des Prüfungsergebnisses erfolgt i n jedem Falle und eine Beschlußfassung durch einen Senat oder den Großen Senat kann der Präsident ohnehin gemäß § 126 b Abs. 1 Satz 1, § 126 c Abs. 1 Satz 2 RHO herbeiführen. I m übrigen hat die Beanstandung nach § 126 e Abs. 4 RHO die W i r kung, daß die Ausführung des Beschlusses unterbleibt. Gegenüber dieser inneren Organisation des Bundesrechnungshofes sind Bedenken 63 geltend gemacht worden, sie entspreche nicht dem i n Art. 114 Abs. 2 GG niedergelegten Kollegialprinzip 64 und verletze die den Mitgliedern gewährte richterliche Unabhängigkeit 65. Diese Fragen sollen i m folgenden untersucht werden; denn erst nach der Prüfung, welche Organisation des Rechnungshofes von Verfassungs wegen vorgeschrieben ist, lassen sich die staatsrechtliche Stellung der Rechnungsprüfungsbehörden und der Inhalt einer institutionellen Verfassungsgarantie bestimmen. a) Die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit und die Kollegialverfassung A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 n. F. GG enthält ebenso wie die bislang geltende Fassung dieser Vorschrift die Bestimmung, daß die Mitglieder des Bundesrechnungshofes richterliche Unabhängigkeit besitzen; § 11 Abs. 1 Satz 1 BRHG wiederholt diese Bestimmung. Die den Mitgliedern gewährte richterliche Unabhängigkeit ist i n A r t . 97 GG geregelt; hierbei sind die sachliche und die persönliche Unabhängigkeit zu unterscheiden. Die persönliche Unabhängigkeit hat ihre Ausgestaltung i n A r t . 97 Abs. 2 GG und i n den §§ 30 ff. des Deutschen Richtergesetzes 66 — DRiG — gefunden, auf die § 11 Abs. 3 BRHG ausdrücklich Bezug nimmt. Insoweit bestehen auch keine Bedenken, daß die Unabhängigkeit der Mitglieder eingeschränkt sein könnte. 63

Soweit sich diese Bedenken auf die Befugnisse des Präsidenten nach den §§90, 97, 110a RHO u n d §8 B R H G (vgl. dazu Beckensträter, S. 153 ff.; Lange, S. 177 ff., 186 ff.) beziehen, sind sie durch die Bestimmung i n § 119 Abs. 2 Nr. 1 u n d 4 BHO gegenstandslos geworden. 64 Beckensträter, S. 153 ff.; Friedrich Klein, S. 154 f.; Maunz i n Maunz/Dürig/ Herzog, A r t . 114 Rdnr. 11; Reger, Das Kollegialsystem i n der Finanzkontrolle, i n : FinArch N. F. 26 (1966), 246 ff. 65 Beckensträter, S. 153 ff.; Lange, S. 175 ff.; Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 21 ; Friedrich Klein, S. 153 ff. 66 V o m 8. September 1961 (BGBl. I S. 1665) i. d. F. des Gesetzes v o m 31. März 1969 (BGBl. I S. 257).

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

Die sachliche Unabhängigkeit der Mitglieder besteht — entsprechend der der Richter 6 7 — darin, daß sie bei ihrer Prüfungstätigkeit an keine Weisungen gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind 6 8 . Weisungsfreiheit bedeutet, daß kein Außenstehender auf die sachliche Entscheidung i m Prüfungsverfahren Einfluß nehmen darf. Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, den Bundesrechnungshof als unabhängige, selbständige Behörde zu errichten 69 . Aus der Unabhängigkeitsgarantie w i r d darüber hinaus noch die Folgerung gezogen, der Bundesrechnungshof müsse kollegialisch organisiert sein 70 . Demgegenüber weist Fuchs 71 zutreffend darauf hin, daß Weisungsunabhängigkeit der Mitglieder und Kollegialverfassung nicht notwendig miteinander verbunden sein müssen: Zum einen gebe es sowohl unabhängige Einzelrichter als auch weisungsgebundene Kollegien, zum anderen beruhe die Kollegialverfassung des Bundesgerichtshofes auf dessen Entwicklung aus einer preußischen Kollegialbehörde 72 . Die Notwendigkeit des Kollegialsystems läßt sich auch nicht damit begründen, daß A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG — ebenso wie § 88 Abs. 1 BHO und wie § 1 Abs. 1 BRHG — die Wahrnehmung der Prüfungsaufgaben dem Bundesrechnungshof insgesamt überträgt und daß A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG von mehreren Mitgliedern spricht 7 3 ; auch A r t . 92 GG handelt von „Richtern", denen die rechtsprechende Gewalt anvertraut ist, die u. a. durch die Gerichte der Länder ausgeübt wird, ohne daß daraus bisher die Folgerung gezogen worden wäre, die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt durch einen Einzelrichter sei verfassungswidrig oder verletze die Unabhängigkeit des einzelnen Richters. Überdies enthält weder das Grundgesetz noch das Bundesrechnungshofgesetz Hinweise darauf, daß Entscheidungen nur durch mehrgliedrige Spruchkörper getroffen werden dürften 7 4 , sofern § 2 BRHG m i t der Verweisung auf die Reichshaushaltsordnung unberücksichtigt bleibt. Insbesondere läßt sich nicht aus der Verwendung des Wortteils ,,-hof" entnehmen, daß jede Entscheidung nur durch gemeinsame Entschließung mehrerer Mitglieder getroffen werden könne. Sachliche Unabhängigkeit und Kollegialverfassung stehen daher nicht i n einem unlösbaren Zusammenhang. 67 Vgl. dazu z.B. Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 97 Rdnr. 2 ff. m. w. N.; Maunz, Staatsrecht, S. 269; Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte u n d der gesetzliche Richter, i n : Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 523 ff. 08 Friedrich Klein, S. 153 ff.; Beckensträter, S. 153 ff.; Lange, S. 169 ff.; Weber, Z u r Frage der Rechnungsprüfung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, i n : D Ö H 1954, 27 ff. (36 f.). 69 Vgl. z. B. Lange, S. 174; Friedrich Klein, S. 155. 70 Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 11; Reger, S. 258; Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 3 b; Beckensträter, S. 149; Friedrich Klein, S. 154 f. 71 S. 87. 72 Vgl. dazu auch oben Erster T e i l C H I . 73 So aber Lange, S. 176. 74 Fuchs, S. 95.

Β . Die geltenden

egelungen i m B u n d und i n den Ländern

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Aus der Gewährung richterlicher Unabhängigkeit ergibt sich vielmehr nur, daß ein Kollegialsystem nicht m i t einer büromäßigen Organisation vereinbar ist, die wegen der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Behördenleiters nach dem Prinzip der Unterordnung aufgebaut ist 7 5 . Wenn das Gesetz vorsieht, daß Entscheidungen durch gemeinsame Entschließungen mehrerer Beteiligter Zustandekommen, dann darf nicht einer der Beteiligten anderen gegenüber weisungsberechtigt sein. Eine gemeinsame Entschließung liegt schon dem Wortsinne nach nur vor, wenn jeder Beteiligte gleichberechtigt an der Entschließung teilnimmt — andernfalls handelt es sich nur u m den Entschluß eines (oder mehrerer) Weisungsberechtigten, der von den anderen Beteiligten auf Grund des Unterordnungsverhältnisses zu respektieren ist. Die innere Organistion des Bundesrechnungshofes ist deshalb nur daraufhin zu prüfen, ob und inwieweit die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder durch Organistionselemente verletzt ist — gleichgültig, ob die Entscheidungen durch ein Mitglied oder durch mehrere Mitglieder zu treffen sind. Nur soweit die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird, ist eine Bestimmung wegen Verstoßes gegen Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG gemäß A r t . 123 GG — und dessen Konkretisierung für den Bereich des Rechnungsprüfungsrechts i n § 2 letzter Satzteil BRHG 7 8 — als dem Grundgesetz widersprechend nicht mehr geltendes Recht; eine Beeinträchtigung allein des Kollegialsystems ist nur dann verfasungswidrig, wenn zugleich die den Mitgliedern gewährte richterliche Unabhängigkeit verletzt ist. b) Die Verfassungswidrigkeit

einiger Organisationselemente

Die sachliche Unabhängigkeit der Mitglieder besteht — entsprechend der den Richtern gewährten Unabhängigkeit — gegenüber den Einflüssen von Parlament und Verwaltung 7 7 ; als Freiheit von Weisungen in sachlicher Hinsicht gilt sie damit sowohl gegenüber Außenstehenden als auch gegenüber Angehörigen derselben Behörde, soweit diese keine Prüfungstätigkeit ausüben 78 . Andererseits ist m i t der richterlichen Unabhängigkeit eine Dienstauf sieht durchaus vereinbar — wie § 26 DRiG zeigt —, sofern m i t ihr kein Einfluß auf die Entscheidung ausgeübt wird. Aus diesem Grunde besteht die sachliche Unabhängigkeit der Mitglieder auch gegenüber dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes insoweit, 75

Vgl. dazu Peucker, S. 98. Vgl. dazu Beckensträter, S. 152. Vgl. BVerfGE 12, 67 (71); Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 3. Aufl., A r t . 97 A n m . 1. 78 Vgl. BVerfGE 12, 67 (71) hinsichtlich der Unabhängigkeit der Richter: A r t . 97 GG betrifft „ n u r das Verhältnis der Richter zu den Trägern nichtrichterlicher Gewalt". 76

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

als sie zur Erfüllung der den Mitgliedern übertragenen Aufgabe notwendig ist. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen daher gegen § 126 RHO, der dem Präsidenten das Recht gibt, auch außerhalb des Geschäftsbereichs der Präsidialabteilung den Mitgliedern Weisungen zu erteilen, allerdings mit der Einschränkung, daß das Prüfungsverfahren dadurch nicht beschränkt und sachliche Entscheidungen nicht betroffen werden. Dieser Wortlaut ist jedoch nicht eindeutig; unter Beachtung des Gesichtspunktes der sachlichen Unabhängigkeit ist er dahingehend auszulegen, daß jede Weisung, die i m Einzelfalle die Prüfungsbefugnisse des zuständigen Mitgliedes beeinträchtigt, unzulässig ist 7 9 . Davon w i r d das Recht des Präsidenten zur Geschäftsleitung und zur Regelung des internen Dienstverfahrens nicht betroffen 80 . Weiterhin ergeben sich aus der Gewährung richterlicher Unabhängigkeit Bedenken gegen die Bestimmung des § 125 Abs. 3 RHO, wonach auch die Mitglieder verpflichtet sind, nach näherer Bestimmung des Präsidenten zugleich i n der Präsidialabteilung tätig zu sein. Auch wenn sie dadurch ihrer Haupttätigkeit nicht entzogen werden dürfen, so können sie doch dadurch i n ihrer Unabhängigkeit beschränkt werden. Die Präsidialabteilung ist eine büromäßig aufgebaute Verwaltungsabteilung, die dort tätigen Beamten unterliegen der Weisungsbefugnis des Präsidenten i n vollem Umfange 81 . Soweit die Mitglieder dort lediglich mit Selbstverwaltungsaufgaben des Bundesrechnungshofes betraut werden, w i r d ihre Unabhängigkeit i n Prüfungssachen nicht beeinträchtigt. Diese Gefahr besteht jedoch dann, wenn die Mitglieder i n der Präsidialabteilung gutachtlich tätig werden und dadurch m i t Fragen befaßt werden, über die sie später ggf. i n einem Prüfungsverfahren zu entscheiden haben. Eine der wesentlichen Aufgaben der Präsidialabteilung ist die Erstellung von Gutachten für den Präsidenten als dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verioaltung 82. Ziel der Einsetzung 79 Vgl. dazu Schulze/Wagner, § 126 A n m . ; Viaion, Haushaltsrecht, § 126 RHO A n m . 4; ders., Streitfragen der öffentlichen Finanzkontrolle, i n : FinArch N. F. 22 (1962), 1 ff. (21) ; Fuchs, S. 101 ; Reger, S. 269. 80 Vgl. Lange, S. 182. 81 Vgl. Schulze/Wagner, §125 A n m . 1; Viaion, Haushaltsrecht, §125 RHO A n m . 1, § 126 RHO A n m . 2. 82 V o r b i l d f ü r die Einsetzung des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung w a r die I n s t i t u t i o n des v o n der Reichsregierung durch Beschluß v o m 27. November 1922 u n d erneut durch Beschluß v o m 3. Dezember 1923 bestellten Sparkommissars. Dessen Aufgabe bestand darin, die Reichsverw a l t u n g zu untersuchen u n d der Reichsregierung gutachtliche Vorschläge zur Vereinfachung u n d Verbilligung der V e r w a l t u n g zu machen. Als erster Sparkommissar wurde auf G r u n d seiner persönlichen Erfahrung, nicht auf G r u n d seines Amtes, der damalige Präsident des Rechnungshofes des Deutschen Reichs bestellt. — Durch die zweite Novelle zur Reichshaushaltsordnung v o m 13. Dezember 1933 wurde das Büro des Sparkommissars aufgelöst und die von i h m wahrgenommenen Aufgaben wurden der neugeschaffenen Präsidial-

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund und i n den Ländern

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dieses Bundesbeauftragten ist die Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung; er soll auf einen wirtschaftlichen Einsatz der M i t t e l h i n w i r ken und Vorschläge unterbreiten, wie das Verwaltungshandeln einfacher und sparsamer organisiert werden kann. Auf Ersuchen des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung oder einzelner Bundesminister w i r d der Bundesbeauftragte gutachtlich tätigt zur Wahrnehmung seiner A u f gaben kann er sich der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes bedienen 83 . I m Rahmen seiner Gutachtertätigkeit als Bundesbeauftragter hat der Präsident des Bundesrechnungshofes Vorschläge über bestimmte Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen i n der Verwaltung zu machen. Aufgabe des Bundesrechnungshofes ist gemäß A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG u. a. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Die Kontrollbehörde hat also später dieselbe Materie zu prüfen, über die der Präsident i n seiner Eigenschaft als Bundesbeauftrager sich gutachtlich zu äußern hatte. Wenn ein Mitglied des Bundesrechnungshofes gemäß § 125 Abs. 3 RHO an der gutachtlichen Tätigkeit weisungsgebunden beteiligt wird, so kann es später nicht mehr unbefangen beurteilen, ob das von der Verwaltung beachtete Verfahren tatsächlich wirtschaftlich ist; seine sachliche Unabhängigkeit ist dadurch beeinträchtigt, daß es weisungsgebunden vorher dieselbe Materie zu bearbeiten hatte 8 4 . Die den Mitgliedern i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG gewährte richterliche Unabhängigkeit läßt daher eine Verpflichtung zu weisungsgebundener Tätigkeit insoweit nicht zu, als diese Tätigkeit i n sachlichem Zusammenhang m i t ihren Prüfungsaufgaben steht. § 125 Abs. 3 RHO ist deshalb dahingehend auszulegen, daß der Präsident die Mitglieder nur zu solchen Tätigkeiten i n der Präsidialabteilung verpflichten kann, die die abteilung des Rechnungshofs übertragen (vgl. Schulze/Wagner, §26 A n m . 9, § 126 A n m . 1). I m Jahre 1952 beschloß die Bundesregierung, ebenfalls einen Sparkommissar unter der Bezeichnung „Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit i n der Verwaltung" zu bestellen (vgl. den Abdruck der Bekanntmachung v o m 30. J u n i 1952 bei Viaion, Haushaltsrecht, S. 1175 ff.). Z u m ersten Bundesbeauftragten wurde der damalige Präsident des Bundesrechnungshofes bestellt. Durch Beschluß der Bundesregierung v o m 22. M a i 1957 (MinBIFin. 1957, S. 592) wurde das A m t des Bundesbeauftragten m i t dem des Präsidenten des Rechnungshofes wieder institutionell verbunden; i m Jahre 1965 wurde diese Verbindung wieder aufgehoben u n d dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes f ü r seine Person die Wahrnehmung der Aufgaben des Bundesbeauftragten übertragen. A u f Grund der durch die Novellierung des Bundeshaushaltsrechts eingetretenen Rechtslage wurde durch Beschluß der Bundesregierung v o m 15. September 1971 (abgedruckt bei Piduch, Bundeshaushaltsrecht, §88 BHO A n m . 6) der Präsident des Bundesrechnungshofes außerhalb der gemäß § 88 Abs. 2 B H O f ü r den Bundesrechnungshof normierten Beratungstätigkeit als Bundesbeauftragter bestellt. 83 s. dazu auch § 8 der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes v o m 10. September 1951. 84 Vgl. BVerfGE 4, 331 (344ff.); Leibholz/Rinck, A r t . 97 A n m . 1; SchmidtBleibtreu/Klein, A r t . 97 Rdnr. 2; Maunz, Staatsrecht, S. 269; Beckensträter, S. 158; Franz Klein, S. 810.

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

sachliche Unabhängigkeit bei der Durchführung der Prüfungsaufgaben nicht gefährden. I n Betracht kommt also z. B. eine weisungsgebundene Mitarbeit i n der Verwaltung der Prüfungsbehörde oder eine weisungsfreie M i t w i r k u n g bei der Gutachtertätigkeit des Präsidenten, nicht aber eine weisungsgebundene Tätigkeit in Bereichen, i n denen die Mitglieder später die Prüfung durchführen werden. W i r d § 125 Abs. 3 RHO derart eingeschränkt ausgelegt, verstößt diese Norm nicht gegen die Verfassung. Beckensträter 85 hat weiterhin gegen die Geschäftsverteilungsbefugnis des Präsidenten gemäß § 124 Abs. 1, § 126 b Abs. 3, § 126 c Abs. 2 RHO Bedenken erhoben, die jedoch nicht stichhaltig sind. Durch § 13 BRHG ist der Erlaß der Geschäftsordnung — und damit die Verteilung der Geschäfte auf die Senate 86 — dem Großen Senat übertragen worden, so daß dem Präsidenten nach § 126 b Abs. 3 RHO nur die Festlegung der Zahl der Senate bleibt. Diese Befugnis beeinträchtigt jedoch nicht die richterliche Unabhängigkeit. Insoweit ist auch die Regelung des § 124 Abs. 1 RHO durch § 126 b Abs. 3 und § 126 c Abs. 2 RHO als leges speciales derogiert. I m übrigen ergeben sich die von Beckensträter 87 geltend gemachten Einwände gegen die Geschäftsverteilungsbefugnis des Präsidenten und seine Forderung, die Geschäfte müßten durch ein Präsidium festgelegt werden, nicht aus dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit; dem ist Genüge getan, wenn die Geschäfte i m voraus verteilt werden 88 , wie dies i n § 126 b Abs. 3 und § 126 c Abs. 2 RHO festgelegt ist. Auch die Befugnisse des Präsidenten nach § 126 b Abs. 1 Satz 1 und § 126 c Abs. 1 Satz 2 RHO stellen keinen Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit dar. Die durch zwei Mitglieder (§ 126 a Abs. 1 RHO) zu treffende Entscheidung kann der Präsident nicht durch seine Weisungen beeinflussen; er kann die Entscheidung auch nicht kassieren, sondern nur gemäß § 126 b Abs. 1 Satz 1 RHO — ebenso wie die beiden anderen beteiligten Mitglieder — an das zuständige größere Beschlußgremium überweisen. Das nach § 126 c Abs. 2 Satz 2 RHO dem Präsidenten eingeräumte Recht, dem Großen Senat besondere Angelegenheiten zur Entscheidung vorzulegen, beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit ebenfalls nicht. Jedoch könnte die Bestimmung des § 126 b Abs. 1 Satz 2 RHO verfassungswidrig sein 89 , weil die Prüfungsbefugnisse der Mitglieder durch Weisungen des Präsidenten eingeschränkt werden könnten. Gibt § 126 RHO aber dem Präsidenten nicht die Möglichkeit, die Prüfungsbefug85 86 87 88 80

S. 159 ff. Viaion, Haushaltsrecht, § 126b RHO A n m . 8; Lange, S. 182. S. 160 f. Vgl. Friedrich Klein, S. 154 m. w. N. So Beckensträter, S. 164; Fuchs, S. 102.

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

109

nisse zu beschränken, so enthält auch die Regelung des § 126 b Abs. 1 Satz 2 RHO nicht die Übertragung eines derartigen Rechtes an den Präsidenten, sondern nur die Beschränkung von Eingriffsmöglichkeit des Senats i n die Geschäftsleitungsbefugnisse des Präsidenten 90 . Dagegen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen das i n § 126 c Abs. 3 RHO dem Präsidenten eingeräumte Recht, i n Zweifelsfällen zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Großen Senats vorliegen. Entsprechend der i n § 126 c Abs. 1 Satz 1 RHO getroffenen Regelung bedeutet dies, daß der Präsident darüber entscheidet, ob eine Angelegenheit die Zuständigkeit mehrer Senate berührt; i n den i n § 126 c Abs. 1 Satz 2 RHO geregelten Fällen dürfte § 126 c Abs. 3 RHO keine Bedeutung haben. I n dieser dem Präsidenten eingeräumten Kompetenz könnte ein Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit liegen; denn es ist dem Präsidenten möglich, bei eigenen Zweifeln an der Zuständigkeit des Großen Senats diesem eine Sache zu entziehen. Sofern der Präsident die Zuständigkeit des Großen Senats verneint, hat dieser keine Entscheidungskompetenz mehr; die Kompetenz des Großen Senats zu einer eigenen Entscheidung w i r d also durch § 126 c Abs. 3 RHO eingeschränkt. Eine solche Kompetenz ist aber wesentlicher Bestandteil der sachlichen Unabhängigkeit 9 1 , w e i l nur so gewährleistet ist, daß i n den vom Gesetz vorgesehenen Fällen eine von Parlament und Verwaltung unbeeinflußte Entscheidung ergeht. Die Regelung i n § 126 c Abs. 3 RHO verstößt daher gegen die richterliche Unabhängigkeit und ist deshalb nicht als fortgeltendes Recht anzusehen 92 ; denn die dem Präsidenten eingeräumte Kompetenz-Kompetenz gibt diesem die Möglichkeit, durch ein Verneinen der Zuständigkeit des Großen Senats die Entscheidung zu beeinflussen. Auch die durch § 126 e Abs. 4 RHO dem Präsidenten gegebene Befugnis, Beschlüsse zu beanstanden m i t der Wirkung, daß ihre Ausführung unterbleibt, steht nicht i m Einklang m i t der sachlichen Unabhängigkeit der Mitglieder 9 3 , w e i l dadurch ein Eingriff i n die Entscheidungsbefugnis der Mitglieder ermöglicht wird: Die Bestimmung des § 126 e Abs. 4 RHO bedeutet de facto nichts anderes, als daß ein Beschluß durch den Präsidenten aufgehoben werden kann. Damit w i r d die Gewährung sachlicher Unabhängigkeit gegenüber dem Präsidenten als dem Behördenleiter bedeutungslos. Dagegen ist das Beanstandungsrecht des Präsidenten nach § 126 e Abs. 1 und 3 RHO m i t A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG, §§ 2 und 11 Abs. 1 BRHG vereinbar, w e i l durch dessen Ausübung nicht i n die Prüfung eingegriffen 90 91 92 93

So auch Viaion, Haushaltsrecht, § 126b RHO A n m . 6. Vgl. dazu BVerfGE 12, 67 (71). Beckensträter, S. 164; Fuchs, S. 102. Beckensträter, S. 165; Fuchs, S. 102; Lange, S. 183 f.

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Zweiter Teil: Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

wird. Soweit hierbei das Recht des Präsidenten zur Beanstandung die Aufstellung einzelner Bemerkungen betrifft, ist es gemäß § 97 BHO dahingehend auszulegen, daß der Präsident die Aufnahme einzelner Prüfungsergebnisse i n den für das Parlament bestimmten Bericht beanstanden kann 9 4 . Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß lediglich die Bestimmungen des § 126 c Abs. 3 und des § 126 e Abs. 4 RHO verfassungswidrig sind und deshalb gemäß A r t . 123 GG nicht mehr fortgelten. 2. Die Organisation der Landesrechnungshöfe

Die Landesrechnungshofgesetze legen einen vielfach abweichenden Aufbau der Prüfungsbehörden fest; die vor der Novellierung teilweise noch i n den Gesetzen enthaltenen Verweise auf Regelungen i m V. A b schnitt der Reichshaushaltsordnung sind i m Zuge der Gesetzesänderungen entfallen, i n Einzelfällen jedoch durch gleichartige Vorschriften ersetzt worden 9 5 . I n allen Ländern 9 6 w i r d die Prüfungsbehörde durch einen Präsidenten geleitet. Die Vorschriften einiger Länder 9 7 sehen vor, daß der Präsident auch die Geschäfte verteilt, jedoch ist eine Änderung der Geschäftsverteilung während des Geschäftsjahres i n Baden-Württemberg und Schleslüig-Holstein nur aus zwingenden Gründen möglich; dabei ist i n Schleswig-Holstein die Zustimmung des Senats erforderlich, i n Baden-Württemberg kann bei einer Änderung von jedem Mitglied eine Senatsentscheidung herbeigeführt werden. I n den anderen Ländern 9 8 ist die Geschäftsverteilung nicht mehr allein dem Präsidenten übertragen. I n Rheinland-Pfalz hat der Präsident das Kollegium vorher anzuhören, i m Saarland ist die Geschäftsverteilung nur i m Einvernehmen m i t den Mitgliedern möglich. I n Niedersachsen entscheiden über die Geschäftsverteilung der Präsident, der Vizepräsident und das dienstälteste Mitglied, i n Hessen der Präsident und die zwei 94

Vgl. auch § 46 Abs. 1 HGrG. Vgl. z. B. f ü r Bremen § 7 Abs. 4 RPG: Während diese Bestimmung v o r der Neufassung durch § 119 Nr. 2 L H O die sinngemäße Geltung der §§ 125,126 RHO anordnete, enthält die Vorschrift nunmehr i n leicht verändertem Wortlaut den I n h a l t der §§ 125 Abs. 3,126 RHO. 96 Baden-Württemberg (§ 4 Abs. 1 RHG); Bayern (Art. 4 RHG); Berlin (§ 12 RHG); Bremen (§ 7 Abs. 1 RPG); Hamburg (§ 10 Abs. 1 RHG); Hessen (§ 8 Abs. 1 RHG); Niedersachsen (§ 4 RHG); Nordrhein-Westfalen (§ 8 Abs. 1 L R H G ) ; Rheinland-Pfalz (§ 8 Abs. 1 RHG); Saarland (§ 9 Abs. 1 RHG); Schleswig-Holstein (§ 7 Abs. 1 RHG). 97 Vgl. dazu f ü r Baden-Württemberg: § 5 R H G ; für die Länder Berlin, Bremen, Hamburg u n d Schleswig-Holstein vgl. die Angaben i n der vorstehenden Anmerkung. 98 Bayern (Art. 11 RHG); Hessen (§ 8 Abs. 2 RHG); Niedersachsen (§ 4 RHG); Nordrhein-Westfalen (§ 14 L R H G ) ; Rheinland-Pfalz (§ 9 RHG); Saarland (§ 9 Abs. 1 RHG). 05

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund und i n den Ländern

111

dienstältesten Mitglieder. I n Bayern obliegt die Verteilung der Geschäfte dem Präsidium des Rechnungshofes", i n Nordrhein-Westfalen dem u m die beiden dienstältesten Mitglieder erweiterten Vereinigten Senat 1 0 0 . — I n diesen sechs Ländern ist eine Änderung der Geschäftsverteilung während des Geschäftsjahres auch nur aus zwingenden Gründen möglich. Alle diese Bestimmungen über die Geschäftsverteilung, die nicht allein dem Präsidenten diese Aufgabe übertragen, verfolgen denselben Zweck wie ζ. B. die §§ 22 b, 63, 64 GVG: Eine willkürliche Verteilung soll ausgeschlossen, die Objektivität der Entscheidungen soll gefördert werden. Nur i n zwei Landesrechnungshofgesetzen 101 sind ausdrückliche Bestimmungen über eine Präsidialabteilung enthalten, jedoch sehen die Rechnungshofgesetze der Länder — m i t Ausnahme derer von Bayern, Berlin, Niedersachsen und Schleswig-Holstein 102 — vor, daß die Mitglieder auch zu den dem Präsidenten obliegenden Verwaltungstätigkeiten herangezogen werden können. Insoweit unterliegen sie, auch wenn dies nur teilweise ausdrücklich bestimmt ist, den Weisungen des Präsidenten; eine den §§125 Abs. 3, 126 RHO entsprechende Regelung findet sich allerdings nur noch i n Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Solche Regelungen, die dem Präsidenten gegenüber den M i t gliedern Weisungsbefugnisse einräumen, müssen dahingehend ausgelegt werden — soweit dies nicht schon i m Gesetz ausdrücklich bestimmt w i r d 1 0 3 —, daß eine Verpflichtung der Mitglieder zu Tätigkeiten, die der Sache nach dem Präsidenten obliegen, nur dann möglich ist, wenn die sachliche Unabhängigkeit bei der Durchführung der Prüfungsaufgaben nicht gefährdet w i r d 1 0 4 . Außer i n Berlin entscheiden die Rechnungshöfe nur durch gemeinsame Entschließungen mehrere Mitglieder 1 0 5 ; i n Berlin 106 ist auch die alleinige Entscheidung eines Mitgliedes möglich, doch kann ein Beschluß aller Mitglieder herbeigeführt werden. Da die Gewährung richterlicher Unabhängigkeit nicht die Kollegialverfassung bedingt 1 0 7 , bestehen gegen 99 Das Präsidium setzt sich zusammen aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, allen Abteilungsleitern u n d dem dienstältesten Prüfungsgebietsleiter. 100 D e r Vereinigte Senat besteht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 L R H G aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten u n d den Direktoren. 101 Bayern (Art. 2 Abs. 1); Berlin (§ 12 Abs. 1 Satz 3). 102 Baden-Württemberg (§ 4 Abs. 2); Bremen (§ 7 Abs. 4); Hamburg (§ 11); Hessen (§ 9 Abs. 1); Nordrhein-Westfalen (§ 8 Abs. 1 Satz 2); Rheinland-Pfalz (§ 8 Abs. 2); Saarland (§ 9 Abs. 2). 103 So die Regelungen i n Bremen, Hamburg u n d Hessen. 104 Vgl. dazu oben Zweiter Teil Β I I I 1 b. 105 Baden-Württemberg (§ 3 RHG); Bayern (Art. 8 RHG); Bremen (§ 8 RPG); Hamburg (§ 12 RHG); Hessen (§ 11 RHG); Niedersachsen (§ 5 RHG); Nordrhein-Westfalen (§§ 9 f f . L R H G ) ; Rheinland-Pfalz (§ 10 RHG); Saarland (§11 RHG); Schleswig-Holstein (§ 8 RHG). 106 §§ 13, 14 RHG. 107 Vgl. oben Β I I I 1 a.

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

die Prüfung nur durch ein Mitglied keine verfassungsrechtlichen Bedenken 1 0 8 , soweit nicht der Präsident auch sachlich zu Weisungen befugt ist. Der Ausschluß derartiger Weisungsbefugnisse ist jedoch i n § 13 BlnRHG ausdrücklich bestimmt. I V . D i e Aufgaben der Rechnungshöfe

A r t . 114 Abs. 2 GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen 109 enthalten keine detaillierten Bestimmungen über die Aufgaben der Rechnungshöfe; teilweise w i r d lediglich vorgeschrieben, daß der Rechnungshof die Rechnung zu prüfen habe. Eingehende Regelungen werden i n der Bundeshaushaltsordnung und i n den Haushaltsordnungen der Länder 1 1 0 getroffen. Das Haushaltsgrundsätzegesetz legt vorwiegend i n den §§ 42 ff. sowie i n den §§ 54 bis 56, die unmittelbar geltendes Recht darstellen, die Aufgaben der Rechnungshöfe i n den Grundzügen fest. Schon aus § 42 Abs. 5 HGrG ergibt sich, daß die Tätigkeit der Rechnungshöfe nicht auf die Rechnungsprüfung beschränkt ist, die i m folgenden zuerst geschildert werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Novellierung des Haushaltsrechts i n den Ländern zu einer völligen Angleichung i m Aufbau der Haushaltsordnungen und vielfach sogar zu einer wörtlichen Übereinstimmung der Vorschriften i n Bund und Ländern geführt h a t 1 1 1 ; die folgende Untersuchung w i r d daher von den Regelungen der Bundeshaushaltsordnung ausgehen und die Bestimmungen i n den Landeshaushaltsordnungen nur insoweit heranziehen, als sie von den i m Bund geltenden Vorschriften abweichen. 1. Die Prüfungsaufgaben

Dem Vorbild der Abschnitte I V und I V a der Reichshaushaltsordnung entsprechend, treffen die Bundeshaushaltsordnung und die Landeshaus108

a. E.

109

Fuchs, S. 94 f.; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 118 B H O A n m . 2 unter b)

Baden-Württemberg: A r t . 83 Abs. 2 Satz 1; Bayern: A r t . 80 Satz 2; Berlin: 83 Abs. 1 Satz 1; Hamburg: A r t . 70 Abs. 2, 71 Abs. 1; Hessen: A r t . 144 1; Niedersachsen: A r t . 53 Abs. 2 Satz 1; Nordrhein-Westfalen: A r t . 86 2 Satz 1; Rheinland-Pfalz: A r t . 120 Abs. 2 Satz 1; Schleswig-Holstein: 48 Abs. 1 Satz 1. 110 Baden-Württemberg: §§ 88 ff. L H O ; Bayern: A r t . 88 ff. B a y H O ; Berlin: §§ 2 ff. R H G u n d § 80 L H O ; Bremen: §§ 88 ff. L H O ; Hamburg: §§ 88 ff. L H O ; Hessen: §§ 88 ff. L H O ; Niedersachsen: §§ 88 ff. L H O ; Nordrhein-Westfalen: §§ 88 ff. L H O ; Rheinland-Pfalz: §§ 88 ff. L H O ; Saarland: §§ 88 ff. L H O ; Schleswig-Holstein: §§ 88 ff. L H O u n d § 2 RHG. 111 Lediglich die Berliner Landeshaushaltsordnung hat einen anderen systematischen Aufbau als die Bundeshaushaltsordnung, doch hat das Gesetz zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften v o m 7. Dezember 1970 (GVB1. S. 1175) zu einer weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung geführt; allerdings sind die materiellrechtlichen Bestimmungen über die Rechnungsprüfung i m Gesetz über den Rechnungshof von Berlin enthalten. Art. Satz Abs. Art.

Β . Die geltenden Regelungen i m B u n d u n d i n den Ländern

113

haltsordnungen zusammenhängend Bestimmungen über die Prüfungszuständigkeit sowie den Inhalt, das Verfahren und das Ergebnis der Prüfung. Das Haushaltsgrundsätzegesetz enthält — seiner Natur entsprechend — nur Vorschriften, die allgemein den Rahmen für die Rechnungsprüfung festlegen und dem Bundesgesetzgeber und den Landesgesetzgebern die Möglichkeit zur Detailregelung ließen. a) Die Prüfungszuständigkeit § 88 Abs. 1 BHO bestimmt: „Die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich seiner Sondervermögen und Betriebe w i r d von dem Bundesrechnungshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geprüft."

§ 89 Abs. 1 BHO legt i m einzelnen fest, worauf sich die Prüfung zu erstrecken hat: „Der Bundesrechnungshof p r ü f t 1. die Einnahmen, Ausgaben, Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben, das Vermögen u n d die Schulden, 2. Maßnahmen, die sich finanziell auswirken können, 3. Verwahrungen u n d Vorschüsse, 4. die Verwendung der Mittel, die zur Selbstbewirtschaftung zugewiesen sind."

Die Regelung i n § 42 Abs. 1 und 2 HGrG stimmt inhaltlich m i t diesen Vorschriften — bis auf die i n dem § 89 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BHO genannten Prüfungsgegenstände — überein, läßt jedoch ausdrücklich (durch die Verwendung des Wortes „insbesondere" i n Abs. 2) eine Ergänzung zu. Durch weitere Bestimmungen i n den §§ 91, 92, 104, 111 und 112 BHO w i r d die Zuständigkeit des Bundesrechnungshofes auch auf Stellen außerhalb der Bundesverwaltung, auf juristische Personen des Privatrechts, auf bundesunmittelbare Personen des öffentlichen Rechts, auf privatrechtliche Unternehmen und sonstige Dritte ausgedehnt, die i n irgendeiner Form vom Bund M i t t e l erhalten oder für ihn verwalten, an denen der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, die vom Bund bzw. von einer von i h m bestellten Person verwaltet werden oder für die auf Grund eines Gesetzes eine Garantieverpflichtung besteht. — Die detaillierte Regelung i n den genannten Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung läßt erkennen, daß der Gesetzgeber bemüht war, alle Haushalte, die i n irgendeiner Form M i t t e l des Bundes erhalten, verwalten, einnehmen oder ausgeben, und alle Stellen — unabhängig von ihrer Rechtsform —, die Aufgaben des Bundes wahrnehmen, ebenso durch den Bundesrechnungshof überwachen zu lassen wie sämtliche finanziellen Beteiligungen des Bundes, soweit sie nicht unbedeutend sind. Diese um8 Grupp

114

Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

fassende Ermächtigung zur Prüfung beruht auf der Neufassung des A r t . 114 Abs. 2 GG, wonach nunmehr nicht nur die Haushaltsführung, also die Ausführung des Haushaltsgesetzes, dem Verfassungswortlaut entsprechend zu prüfen ist, sondern auch die Wirtschaftsführung, d. h. die gesamte finanzwirtschaftliche Betätigung des Bundes außerhalb des Haushaltsplans 112 . Daraus ergibt sich, daß ein Ausschluß der Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes, wie i h n § 89 RHO und die Regierungsvorlagen zum Haushaltsgrundsätzegesetz und zur Bundeshaushaltsordnung vorsahen, keinesfalls verfassungsmäßig wäre 1 1 3 . Auch die Landeshaushaltsordnungen 114 enthalten entsprechende Bestimmungen über die umfassende Prüfung der Haushalts- und W i r t schaftsführung der Länder. Zwar weisen nur einige Landesverfassungen 1 1 5 eine A r t . 114 Abs. 2 GG entsprechende Verpflichtung zur Kontrolle der gesamten Wirtschaftsführung des Landes auf, aber aus den §§ 42 und 43 HGrG i. V. m. § 1 HGrG ergab sich auch für die anderen Länder die Notwendigkeit, den §§ 91, 92, 104, 111, 112 BHO entsprechende Vorschriften i n ihre Haushaltsordnungen aufzunehmen. Allerdings waren schon vor der Novellierung des Haushaltsrechts in den Ländern den Landesrechnungshöfen — durch Generalklauseln ähnlich der Bestimmung i m nunmehr außer K r a f t getretenen § 4 Abs. 1 BRHG oder durch enumerative Regelungen — derartig umfassende Prüfungszuständigkeiten eingeräumt worden. Die Generalklauseln wurden jedoch vielfach durch die Aufzählung besonderer Prüfungszuständigkeiten ergänzt, die als Beispiele eine umfassende Kompetenz der Rechnungshöfe klarstellen sollten. Wegen dieser Erwähnung einzelner Zuständigkeiten traten aber wieder Zweifel auf über den Umfang der Prüfungszuständigkeit 116 . Durch die Generalklausel, die allein auf die j u r i stischen Personen des öffentlichen Rechts abstellte, wurden z. B. die zahlreichen Betätigungen des Staates i n privatrechtlichen Rechtsformen nicht erfaßt, aber auch nicht alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts fielen unter den gewählten Wortlaut 1 1 7 , so daß Spezialregelungen notwendig wurden 1 1 8 . Dadurch wurde die Prüfungszuständigkeit der Rech112

Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 22, 23. Vgl. den Schriftlichen Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages zu den Entwürfen des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bundeshaushaltsordnung, zu BTDrucks. V/4378, 4379, S. 3 Tz 6 e, S. 7 (zu § 40 HGrG), S. 15 (zu § 88 BHO) ; ebenso Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 89 B H O Anm. 5. 114 F ü r Berlin vgl. § 3 RHG. 115 Baden-Württemberg (Art. 83 Abs. 2 Satz 1); Hamburg (Art. 71 Abs. 1); Nordrhein-Westfalen (Art. 86 Abs. 2 Satz 1); Rheinland-Pfalz (Art. 120 Abs. 2 Satz 1). 116 Vgl. dazu Peucker, S. 44 ff., 52 f. 117 Vgl. Weber, Zur Frage der Rechnungsprüfung, S. 34. 118 Vgl. z. B. Abschnitt I (Beiträge-Gesetz) des Gesetzes zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft v o m 24. März 1934 (RGBl. I S. 235), dessen § 5 f ü r die juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Rechnungsprüfung statuierte. 113

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund und i n den Ländern

115

nungshöfe i m einzelnen so weit ausgedehnt, daß sie i m wesentlichen dem jetzt durch die Landeshaushaltsordnungen eingeräumten Bereich entsprach 119 . Eine Einschränkung dieser umfassenden Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofes ist auch nicht i n der i n § 3 a BRHG enthaltenen Regelung zu sehen, wonach die Prüfung der sog. „Geheimfonds", d. h. bestimmter Ausgaben, deren Verwendung geheimzuhalten ist, durch den Haushaltsplan entweder den nach § 124 a Abs. 1 RHO zuständigen Mitgliedern unter M i t w i r k u n g des Präsidenten bzw. des Vizepräsidenten oder dem Präsidenten bzw. Vizepräsidenten allein unter Ausschluß von Entscheidungen des Senats oder des Großen Senats übertragen werde kann 1 2 0 . Die Mitglieder und auch der Präsident oder sein Stellvertreter besitzen richterliche Unabhängigkeit; eine Prüfung durch sie ist eine Prüfung durch den Bundesrechnungshof, w e i l A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vorschreibt, wer von den Mitgliedern die Prüfung vorzunehmen hat 1 2 1 . § 3 a BRHG entzieht daher dem Bundesrechnungshof nicht einen Teil seiner Zuständigkeit, sondern regelt nur hinsichtlich der „Geheimfonds" das Prüfungsverfahren; zum Erlaß einer derartigen Bestimmung ist der einfache Gesetzgeber auf Grund des Regelungsvorbehaltes i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG ermächtigt 1 2 2 . Eine Ausnahme von der umfassenden Prüfungszuständigkeit der Rechnungshöfe bilden die Vorschrift des § 101 BHO bzw. die entsprechenden Regelungen i n den Landeshaushaltsordnungen 123 , die auf § 47 Abs. 2 HGrG beruhen. Danach w i r d die Rechnung der Rechnungshöfe von den gesetzgebenden Körperschaften geprüft. Gegen diese Einschränkung der i m Bund und einigen Ländern den Rechnungshöfen verfas119 Vgl. auch die Aufstellung bei Beckensträter, S. 58 ff. 120 Vergleichbare Regelungen bestehen i n einigen Bundesländern: BadenWürttemberg (§ 3 Abs. 3 R H G : Prüfung durch den Präsidenten oder eines der Mitglieder gemäß Geschäftsverteilungsplan, keine Kollegialentscheidung) ; Berlin (§ 29 L H O : Prüfung durch den Präsidenten); Hessen (§ 9 Abs. 2 R H G : Prüfung entweder allein durch den Präsidenten oder gemeinsam m i t einem gemäß dem Geschäftsverteilungsplan bestimmten Mitglied); Niedersachsen (§ 89 Abs. 3 L H O : Prüfung durch den Präsidenten u n d zwei weitere, v o m Senat zu bestellende Mitglieder); Nordrhein-Westfalen (§ 12 L R H G : E n t scheidung durch den Präsidenten anstelle des Senats); Rheinland-Pfalz (§ 10 Abs. 4 R H G : Prüfung durch den Präsidenten, keine Kollegialentscheidung); Saarland (§ 12 R H G : Prüfung durch den Präsidenten allein oder gemeinsam m i t dem gemäß dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Mitglied, keine Kollegialentscheidung; nach § 12 Abs. 2 R H G gilt dieses Verfahren entsprechend für Ausgaben, die m i t Rücksicht auf ihren Verwendungszweck n u r durch den Präsidenten geprüft werden sollen); Schleswig-Holstein (§ 88 Abs. 2 L H O : Prüfung durch den Präsidenten, keine Kollegialentscheidung). E i n Verstoß dieser Bestimmungen gegen die jeweilige Landesverfassung ist auch hier nicht ersichtlich. 121 Vgl. auch oben Zweiter Teil Β I I I 1 a. 122 So auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 118 B H O Anm. 2 unter b) a. E. 123 Die Bestimmungen finden sich jeweils i n § 101 der Landeshaushaltsordnungen (für Bayern: A r t . 101 BayHO); die Berliner Regelung ist i n § 21 Satz 2 B l n R H G enthalten.

*

116

Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

sungsrechtlich gewährten Prüfungskompetenz hatte Maunz 124t Bedenken geäußert. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß — u m eine Selbstkontrolle des Rechnungshofes zu vermeiden — dessen Haushalt der Prüfung durch ein anderes Organ unterworfen werden muß. Da die Verwaltung der Prüfung durch den Rechnungshof unterliegt, konnte diese Aufgabe nicht ihr übertragen werden. Als unabhängiges Staatsorgan ist jedoch das Parlament, das ohnehin Kontrollrechte wahrnimmt, zur Prüfung dieses Haushalts berufen; die sich daraus ergebende Einschränkung der Zuständigkeit der Rechnungshöfe folgt aus der Natur der Sache und ist verfassungsmäßig 125 . Bedenken ergeben sich allerdings gegen das vom Bundesrechnungshof geübte Verfahren 1 2 6 , den gesetzgebenden Körperschaften die Rechnung des Bundesrechnungshofes gesondert von der allgemeinen Haushaltsund Vermögensrechnung zur Prüfung m i t dem Antrag zuzuleiten, dem Bundesrechnungshof Entlastung zu erteilen. Wie sich aus A r t . 114 Abs. 1 GG und den entsprechenden Vorschriften i n den Landesverfassungen 127 ergibt, ist der Präsident des Rechnungshofes zur Vorlage einer Rechnung an das Parlament nicht befugt; denn die Pflicht zur Gesamtrechnungslegung liegt bei der Regierung, nicht aber bei einer selbständigen Behörde 1 2 8 . Die Gesamtrechnungslegungspflicht ist nicht teilbar; sie umfaßt die Rechnung der Rechnungshöfe ebenso wie die aller anderen Staatsorgane i m Bund bzw. i n den Ländern 1 2 9 . Eine andere Auslegung ist m i t der i n den Verfassungen verwendeten Formulierung, die Regierung habe über „alle Einnahmen und Ausgaben" Rechnung zu legen, nicht vereinbar. — Auch kann das Parlament nur die Regierung entlasten, nicht aber einzelne oberste Bundes- bzw. Landesbehörden; die Vorschrift des § 101 letzter Halbsatz BHO hat auch insoweit nur deklaratorische Bedeutung. Das vom Bundesrechnungshof geübte und dem Hessischen Rechnungshof vorgeschriebene Verfahren entspricht nicht dem parlamentarischen Regierungssystem. Die Rechnung des Rechnungshofes ist ein Teil der von der Regierung vorzulegenden Gesamtrechnung; deshalb ist auch ein ge124

Bei der Kommentierung von A r t . 114 a. F. GG i n Maunz!DürigiHerzog, Rdnr. 26. 125 Vgl. dazu Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 101 B H O A n m . 2. 126 v g l . piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 101 B H O A n m . 3; i n Hessen ist dieses Verfahren, das § 108 Abs. 3 RHO entspricht, durch § 101 L H O vorgeschrieben. 127 Baden-Württemberg: A r t . 83 Abs. 1; Bayern: A r t . 80 Satz 1; Berlin: A r t . 82; Bremen: A r t . 133; Hamburg: A r t . 70 Abs. 1; Hessen: A r t . 144 Satz 2; Niedersachsen: A r t . 53 Abs. 1; Nordrhein-Westfalen: A r t . 86 Abs. 1 Satz 1; Rheinland-Pf alz: A r t . 120 Abs. 1; Saarland: A r t . 109 Abs. 1; Schleswig-Holstein: A r t . 48 Abs. 2 Satz 1. 128 v g l . hierzu u n d zum folgenden: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 101 B H O Anm. 2. 129 Vgl. dazu auch die Entscheidung des Bundesrechnungshofes vom 16. Februar 1971, abgedruckt bei Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 101 B H O Anm. 4.

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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sonderter Entlastungsbeschluß über die Rechnung des Rechnungshofes nicht m i t dem Grundgesetz bzw. den Landesverfassungen vereinbar 1 3 0 . b) Der Inhalt der Prüfung Sowohl die Bundeshaushaltsordnung als auch die Landeshaushaltsordnungen 1 3 1 legen i n den §§ 90, 91 Abs. 2, 92 Abs. 1 fest, worauf sich die Prüfung durch die Rechnungshöfe zu erstrecken habe; eine Umschreibung des Prüfungsinhalts — wenn auch nur i n Grundzügen — findet sich nur i m Grundgesetz sowie i n den Verfassungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, daß der Bundesrechnungshof „die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung" zu prüfen hat 1 3 2 . Die ergänzenden Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung stimmen m i t denen i n den Landeshaushaltsordnungen überein; auch § 5 BlnRHG entspricht i m wesentlichen diesen Regelungen. Der Inhalt der Prüfungen läßt sich deshalb i n herkömmlicher Weise unterteilen i n Rechnungs-, Verwaltungsund Verfassungskontrolle 133, soweit es sich u m die Kontrolle der Bundes» bzw. Landesbehörden handelt. Die i m Rahmen der Verwaltungskontrolle vorzunehmende Wirtschaftlichkeitsprüfung hat durch die Haushaltsrechtsreform eine besondere Hervorhebung erfahren: A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG hat die Prüfung der Wirtschaftlichkeit verfassungsrechtlich gesichert und durch die Reihenfolge „Wirtschaftlichkeit" vor „Ordnungsmäßigkeit" für die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes einen Schwerpunkt gesetzt 134 . Diese Prüfung umfaßt — unter Berücksichtigung von § 90 Abs. 1 Nr. 3 und 4, §§ 7, 34 Abs. 2 BHO — die Kontrolle des Finanzgebarens der Verwaltung insbesondere daraufhin, ob der zu erfüllende Verwaltungszweck durch andere adäquate Maßnahmen besser hätte erreicht werden können 1 3 5 . 130

Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 101 B H O A n m . 2; vgl. auch Viaion, Haushaltsrecht, § 108 RHO A n m . 12; a. A. der Schriftliche Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform, zu BTDrucks. V/4378, 4379, S. 7 (zu § 45 HGrG). 131 F ü r Berlin ist die entsprechende Regelung i n § 5 R H G enthalten, die der Bestimmung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 RHO gleicht; i n Schleswig-Holstein ist auch durch § 2 Abs. 1 Satz 2 R H G eine Wirtschaftlichkeitskontrolle vorgeschrieben. 132 Ä h n l i c h A r t . 86 Abs. 2 Satz 1 V e r f N R W u n d A r t . 120 Abs. 2 Satz 1 VerfRhPf. 133 Vgl. zu diesen Begriffen oben Erster Teil E. 134 y g i auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 25; s. auch den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (Zu Absatz 2). 135 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 25 a. E.

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Bei der Prüfung von Stellen außerhalb der Bundes- bzw. Landesverwaltung ist es nur Aufgabe der Rechnungshöfe, die bestimmungsgemäße Verwendung und Verwaltung der zur Verfügung gestellten M i t t e l zu kontrollieren. Soweit es sich u m Prüfungen bei Empfängern von Zuwendungen handelt und der Verwendungszweck der Zuwendungen nicht abschließend umschrieben ist — z. B. bei Zuwendungen zur Deckung allgemeiner Verwaltungkosten des Empfängers —, kann sich die Kontrolle auch auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Empfängers beziehen (§ 91 Abs. 2 Satz 2 BHO, § 43 Abs. 2 Satz 2 HGrG) 1 3 6 . Die Prüfung der staatlichen Betätigung i n Unternehmen m i t privatrechtlicher Rechtsform hat gemäß § 92 Abs. 1 BHO, § 44 Abs. 1 HGrG unter Beachtung kaufmännischer Gesichtspunkte zu erfolgen. c) Das Prüfungsverfahren Eines der Ziele der Haushaltsreform war es, eine möglichst gegenwartsnahe Prüfung durch die Rechnungshöfe zu erreichen. Dem dient u. a. die Neufassung des A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG, die dem Bundesrechnungshof eine Prüfung auch schon vor der Rechnungslegung durch den Bundesminister der Finanzen erlaubt. Allerdings ergibt sich schon aus dem Begriff der Prüfung, daß es sich nur um eine Kontrolle bereits abgeschlossener Vorgänge handeln kann 1 3 7 . U m dem Rechnungshof eine Beschleunigung seiner Kontrolltätigkeit zu ermöglichen, hatte schon die Reichshaushaltsordnung die Vorprüfung der Rechnungen durch die Verwaltungsbehörden angeordnet (§§ 92, 93 RHO). Auch für die Bundesverwaltung ist die Vorprüfung durch § 100 BHO vorgeschrieben. Die Vorprüfungsstellen sind Teil der ihrer Prüfung unterstehenden Behörde (§ 100 Abs. 3 BHO), sie unterliegen aber nach §100 Abs. 4 BHO fachlich nur den Weisungen des Bundesrechnungshofes. I n den Ländern ist die Vorprüfung unterschiedlich geregelt worden. I n Berlin und i n Schleswig-Holstein findet keine Vorprüfung statt; i n Hessen und Niedersachsen ist die Vorprüfung vergleichbar der auf Bundesebene geregelt. I n Baden-Württemberg findet die Vorprüfung ähnlich wie nach § 100 BHO statt, jedoch ist den Vorprüfungsstellen nicht die Vorprüfung von Maßnahmen, die sich finanziell auswirken können (§ 100 Abs. 1 Nr. 2 BHO), gestattet. I n Bremen, Hamburg, NordrheinWestfalen und i m Saarland können Vorprüfungsstellen eingerichtet werden, jedoch müssen die erforderlichen Ausführungsbestimmungen noch 136 Vgl. auch die Begründung zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform, BTDrucks. V/3040, S. 57 Tz 250. 137 Vgl. den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses, zu BTDrucks. V / 3605, S. 13 (Zu Absatz 2).

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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erlassen werden. I n Rheinland-Pfalz kann gemäß § 100 Abs. 1 LHO entweder eine Vorprüfung durch Verwaltungsstellen oder eine Übertragung von Prüfungsaufgaben auf dem Rechnungshof nachgeordnete Stellen — ähnlich dem bayerischen Verfahren — eingerichtet werden. I n Bayern findet keine Vorprüfung statt, sondern die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter, die gemäß A r t . 13 BayRHG dem Bayerischen Obersten Rechnungshof nachgeordnet sind, führen nach A r t . 88 Abs. 1 Satz 2, 100 BayHO der dem Obersten Rechnungshof obliegenden Prüfungsaufgaben nach dessen Weisungen durch. Der Beschleunigung der Prüfung dient — ebenso wie die Einrichtung von Vorprüfungsstellen — das i n § 89 Abs. 2 BHO (bzw. der Landeshaushaltsordnungen 138 ) den Rechnungshöfen eingeräumte Recht, die Prüfung zu beschränken oder auf die Vorlage der Rechnungen völlig zu verzichten. § 94 BHO und die entsprechenden Bestimmungen i n den Landeshaushaltsordnungen 139 überlassen die Bestimmung von Zeit und A r t der Prüfung den Rechnungshöfen. Die Rechnungsprüfung erfolgt zumeist am Sitz des Rechnungshofes. Zur Durchführung der Prüfung können die Rechnungshöfe gemäß § 95 BHO bzw. den inhaltsgleichen Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen 1 4 0 von den zu prüfenden Stellen die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen verlangen. Hierbei handelt es sich u m einen Rechtsanspruch der Rechnungshöfe 141 , den diese allerdings nicht zwangsweise durchsetzen können: W i r d dem Ersuchen des Rechnungshofes nicht entsprochen, so kann der Rechnungshof lediglich i n seinem Prüfungsbericht auf die Weigerung der zu prüfenden Stelle hinweisen, um so eine Abhilfe zu erreichen 142 . Eine dem § 102 RHO entsprechende Bestimmung — wonach die Verwaltungsbehörden i n Prüfungsangelegenheiten dem Rechnungshof untergeordnet waren und er die Verwaltung rügen konnte, wenn seine Erlasse nicht ausgeführt wurden — besteht sowohl i m Bund als auch i n den Ländern nicht mehr. Der Umfang des Anspruchs auf Auskunftserteilung und Aktenvorlage ergibt sich aus den Prüfungsbefugnissen des Rechnungshofes 143 ; innerhalb dieses Rahmens ist es i n das Ermessen 138 F

ü r Berlin vgl. § 6 Abs. 1 RHG. I n Berlin gibt es keine dem § 94 B H O entsprechende Regelung. Die i n Berlin geltende Regelung (§ 23 RHG) geht über § 95 B H O hinaus: A u f Verlangen ist der Z u t r i t t zu allen Räumen zu gestatten, Behältnisse müssen geöffnet werden. 141 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 95 B H O A n m . 1 a. E. 142 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 95 B H O A n m . 1 a. E. 113 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 95 B H O A n m . 2 a. E. 139

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

des Rechnungshofes gestellt, welche Unterlagen und Auskünfte er zur Durchführung seiner Aufgaben anfordert 1 4 4 . d) Das Prüfungsergebnis Nach § 96 Abs. 1 BHO (bzw. den entsprechenden Vorschriften i n den Landeshaushaltsordnungen) teilt der Rechnungshof den zuständigen Dienststellen das Prüfungsergebnis zur Äußerung innerhalb einer von i h m bestimmten Frist mit. Lediglich i n Berlin — wo (wie i n Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) der Rechnungshof i n geringfügigen Fällen auf die Mitteilung verzichten kann — sind noch, wie auch i n §103 RHO vorgesehen war, gemäß § 7 RHG den geprüften Stellen die sich aus der Prüfung ergebenden Erinnerungen zur Beantwortung und Erledigung mitzuteilen. Die Feststellungen der Rechnungshöfe sind für die Verwaltungsbehörden unverbindlich; die Prüfungsorgane können auch Vorschläge für eine nach ihrer Ansicht vorzunehmende Änderung des Verwaltungsverfahrens nicht gegen den Willen der Verwaltungsbehörden durchsetzen. § 106 RHO schrieb darüber hinaus vor, daß den Verwaltungsbehörden jedenfalls der Abschluß des Prüfungsverfahrens mitzuteilen war; die Bundeshaushaltsordnung und die Landeshaushaltsordnungen enthalten eine derartige Vorschrift nicht mehr. Eine Mitteilung braucht daher nur bei festgestellten Mängeln zu erfolgen 145 . Jedoch haben die Rechnungshöfe, soweit sie dies für erforderlich halten, auch anderen Dienststellen — vorwiegend dem Fachminister oder dem Finanzminister 1 4 6 — das Prüfungsergebnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 BHO bzw. der Landeshaushaltsordnungen 147 mitzuteilen; i n Fällen grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung ist der Rechnungshof nach Abs. 2 dieser Vorschrift zur Mitteilung an den Finanzminister verpflichtet. Über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung können die Rechnungshöfe nach der Vorschrift des § 99 BHO bzw. der Landeshaushaltsordnungen 148 jederzeit Parlament und Regierung unterrichten; i n Baden-Württemberg und Bayern kann der Landtag eine solche Unterrichtung verlangen 1 4 9 . Gemäß A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG, § 97 BHO hat der Bundesrechnungshof i n einem einheitlichen, Bemerkungen genannten Bericht 1 5 0 das Er144 z u r Frage einer Klage gegen ein Auskunfts- und Vorlageersuchen des Rechnungshofes vgl. unten C I V 2. 145 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 96 B H O A n m . 1. 146 v g l . die Begründung zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform, BTDrucks. V/3040, S. 66 f. Tz 432. 147 I n Berlin vgl. § 7 Satz 3 RHG. 148 Vgl. für Berlin § 8 Abs. 5 RHG. 149 Die Möglichkeit, jederzeit den gesetzgebenden Körperschaften u n d der Regierung zu berichten, geht über das jährliche Berichtsrecht nach § 109 RHO deutlich hinaus. 150 So auch die Bezeichnung i n Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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gebnis seiner Prüfung dem Bundestag und dem Bundesrat sowie gleichzeitig der Bundesregierung mitzuteilen, soweit es für den Entlastungsbeschluß von Bedeutung ist. § 97 Abs. 2 BHO legt fest, zu welchen Punkten die Bemerkungen mindestens Stellung nehmen müssen: „1. ob die i n der Haushaltsrechnung u n d der Vermögensrechnung u n d die i n den Büchern aufgeführten Beträge übereinstimmen u n d die geprüften Einnahmen u n d Ausgaben ordnungsgemäß belegt sind, 2. i n welchen Fällen von Bedeutung die für die Haushalts- u n d Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften u n d Grundsätze nicht beachtet worden sind, 3. welche wesentlichen Beanstandungen sich aus der Prüfung der Betätigung bei Unternehmen m i t eigener Rechtspersönlichkeit ergeben haben, 4. welche Maßnahmen für die Z u k u n f t empfohlen werden."

Dieser Inhalt der Bemerkungen entspricht den Regelungen i n den Landeshaushaltsordnungen sowie — m i t Ausnahme der Vorschrift i n Nr. 4 — dem § 107 RHO und den Bestimmungen i n § 8 BlnRHG. Das dem Parlament mitgeteilte Prüfungsergebnis dient diesem als eine Unterlage für den Beschluß über die Entlastung der Regierung. Aus der Darstellung des Prüfungsverfahrens und aus der Untersuchung der Vorschriften über das Prüfungsergebnis folgt, daß eine Ä h n lichkeit m i t einem gerichtsförmigen Verfahren und den Bestimmungen über gerichtliche Urteile nicht besteht 1 5 1 : Es gibt keine Parteien und keine festgelegten Sachaufklärungsnormen; die „Entscheidungen" der Rechnungshöfe sind für die der Kontrolle unterliegenden Verwaltungsbehörden nicht verbindlich. 2. Sonstige Aufgaben der Rechnungshöfe

Neben der Rechnungsprüfung i. e. S. sind den Rechnungshöfen durch die Gesetze weitgehend noch andere Aufgaben übertragen. Diese Erweiterung des Aufgabenkreises beruht teilweise auf einer langen Tradition: Die i n § 103 BHO geregelte Mitwirkungspflicht des Rechnungshofes bei dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften, die der Bestimmung i n § 100 RHO weitgehend entspricht 1 5 2 , war schon i n § 1 Abs. 1 Buchst, b der Instruktion vom 18. Dezember 1824 enthalten 1 5 3 . (wo nach § 97 Abs. 6 L H O den Bemerkungen noch eine Denkschrift beizufügen ist, i n der weitere Prüfungsergebnisse zusammenzufassen sind) u n d Schleswig-Holstein; i n Bayern, Bremen u n d Hamburg lautet die Bezeichnung Bericht, i n Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pf alz u n d i m Saarland Jahresbericht. I n Berlin erstattet der Rechnungshof nach § 8 R H G einen Prüfungsbericht, dessen Erfordernisse denen der Bemerkungen nach § 97 B H O entsprechen. 151 Vgl. dazu auch B a y V e r f G H BayVBl. 1968, 314 f. (315) = DÖV 1968, 656 f. (656). s. auch oben Erster Teil C I I 3. 152 Vgl. dazu auch § 24 Abs. 2 u n d 3 BlnRHG. 153 Vgl. oben Erster Teil A I I a. E.

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

§ 8 Abs. 1 BRHG sah weiterhin die Verpflichtung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes vor, sich auf Ersuchen des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung oder des Bundesministers der Finanzen gutachtlich zu Fragen zu äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher M i t t e l von Bedeutung sind. Die Vorschrift entsprach § 101 RHO, ist aber durch § 119 Abs. 2 Nr. 4 BHO ersatzlos aufgehoben worden. I n die Haushaltsordnungen der meisten Länder 1 5 4 wurde jedoch eine ähnliche Bestimmung aufgenommen; allerdings ist danach nicht der Präsident des Rechnungshofes, sondern der Rechnungshof als Organ zur Erstellung des Gutachtens verpflichtet. Unterschiedlich ist geregelt, wer den Rechnungshof um ein Gutachten untersuchen darf: I n Baden-Württemberg, Bayern 155, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 156 sind Parlament und Regierung berechtigt, i n Hamburg ist zusätzlich der Präses der Finanzbehörde, i n Niedersachsen sind neben dem Landtag dessen Haushaltsausschuß und das Landesministerium 1 5 7 berechtigt, vom Rechnungshof ein Gutachten zu verlangen. Gegen eine derartige Gutachtertätigkeit sind verfassungsrechtliche Bedenken vor allem unter zwei Gesichtspunkten erhoben worden: Zum einen sei eine M i t w i r k u n g bei der Durchführung von Verwaltungsaufgaben nicht m i t dem Begriff der Rechnungsprüfung als einer stets nachträglichen Kontrolle zu vereinbaren 1 5 8 , zum anderen sei die gutachtliche Tätigkeit durch eine der politischen Kontrolle durch das Parlament entzogenen Behörde unvereinbar m i t dem Grundsatz der Verantwortlichkeit der vollziehenden Gewalt gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften, weil die auf Grund eines Gutachtens des Rechnungshofes handelnde Verwaltung die Verantwortung für ihr Handeln unter Hinweis auf das Gutachten ablehnen werde 1 5 9 . Dieser Ansicht gegenüber ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Verwaltungsbehörde, der das Gutachten erstattet wird, nicht an die i n dem Gutachten vertretene Ansicht gebunden ist; es bleibt ihr vielmehr frei134 Baden-Württemberg: § 88 Abs. 3 L H O ; Bayern: A r t . 88 Abs. 3 B a y H O ; Bremen: § 88 Abs. 3 L H O ; Hamburg: § 88 Abs. 3 L H O ; Hessen: § 88 Abs. 3 L H O ; Niedersachsen: § 88 Abs. 3 L H O ; Rheinland-Pfalz: § 88 Abs. 3 L H O ; Schleswig-Holstein: § 88 Abs. 4 LHO. 155 Landtag u n d Senat besitzen unabhängig voneinander die Berechtigung. 156 § 3 Abs. 2 R H G sieht vor, daß auch der Finanzminister ein Gutachten anfordern kann; diese Vorschrift, die bei der Novellierung des Haushaltsrechts unverändert blieb, ist nach dem Grundsatz: Lex posterior derogat legi priori durch die Regelung i n § 88 Abs. 4 LHO, die n u r Landesregierung oder Landtag berechtigt, hinfällig geworden. 157 Die Worte „auf E r s u c h e n . . . des Landesministeriums" dürften zu lesen sein als „auf E r s u c h e n . . . eines Landesministeriums", w e i l andernfalls u n k l a r bleibt, welches Landesministerium gemeint ist. 158 Vgl. z.B. Maunz i n Maunz! Dürig! Herzog, A r t . 114 Rdnr. 22; Roedig, S. 150 f. 159 Vgl. z.B. Franz Klein, S. 810; s. auch Viaion, Streitfragen, S. 17 Anm. 1 und 2.

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d u n d i n den Ländern

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gestellt, von den Ergebnissen der gutachtlichen Untersuchung abzuweichen 160 . Die Entscheidung, die die Verwaltungsbehörde nach Kenntnis des Gutachtens trifft, kann ihr vom Rechnungshof nicht abgenommen werden. Diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde bestimmt das Verhalten, das Gegenstand der Kontrolle durch das Parlament ist. Dem steht auch nicht entgegen, daß ein von dem Ergebnis des Gutachtens abweichendes Verhalten vom Rechnungshof i m Rechnungsprüfungsverfahren gerügt werden könnte; denn daraus ergibt sich keine Verpflichtung der Verwaltung, den Ansichten des Rechnungshofes beizustimmen. Eine Entscheidung über das Verhalten der Verwaltungsbehörde w i r d erst i m Rahmen der Entlastung durch das Parlament verbindlich getroffen, nicht aber schon durch die Beanstandung seitens des Rechnungshofs. Insoweit liegt daher keine verfassungswidrige Beeinträchtigung des Grundsatzes der parlamentarischen Verantwortlichkeit v o r 1 6 1 . Bedenken gegen die gutachtliche Tätigkeit des Rechnungshofes könnten jedoch deswegen bestehen, w e i l die Verwaltungsbehörden i n aller Regel den i m Gutachten erteilten Vorschlägen folgen werden, damit ihr Verhalten die Zustimmung des Rechnungshofes findet. Denn es ist nicht anzunehmen, daß der Rechnungshof bei seiner nachträglichen Prüfung eine Entscheidung der Verwaltung rügt, die i n Übereinstimmung mit dem Gutachtender Prüfungsbehörde vorgenommen wurde 1 6 2 . Soweit diese Bedenken sich daraus ergeben, daß die Verwaltung die Verantwortlichkeit für ihr Handeln unter Hinweis auf das Gutachten des Rechnungshofes ablehnen werde, sind sie aus den zuvor genannten Gründen nicht stichhaltig: Da es den Verwaltungsbehörden freisteht, ob sie den gutachtlichen Vorschlägen folgen oder ein anderes Verfahren wählen, tragen sie auch die Verantwortlichkeit für i h r Handeln. Weder die gutachtlichen Vorschläge noch die Prüfungsentscheidungen des Rechnungshofes sind für die Verwaltung oder für das über die Entlastung befindende Parlament verbindlich, so daß von ihnen keine präjudizierende Wirkung ausgehen kann. Die Bedenken sind aber auch unbegründet, soweit die gutachtliche Tätigkeit des Rechnungshofes als unzulässiger Eingriff i n den Bereich der Exekutive angesehen w i r d 1 6 3 . Unabhängig von der Stellung des Rechnungshofes i m Gewaltenteilungssystem 164 bleibt doch die gutachtliche Äußerung der Prüfungsbehörde ein unverbindlicher Vorschlag, so daß das Verwaltungshandeln dadurch nur mittelbar bestimmt werden kann. Selbst wenn die Verwaltungsbehörden i n der Mehrzahl aller Fälle den Vorschlägen des Rechnungshofes folgen, beruht dies allein auf ihrer 160

Haaser, Die Rechnungshöfe u n d ihre Beziehungen, S. 121. Vgl. dazu Roedig, S. 143. Vgl. dazu Roedig, S. 114; s. auch Wahle, S. 139. 163 Vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/ Η erzog, A r t . 114 Rdnr. 22; s. auch Roedig, S. 108 m. w. N., 139 ff. 164 Vgl. dazu unten C. 161 162

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Entscheidung. Diese Entscheidungsfreiheit w i r d durch einen unverbindlichen Vorschlag nicht eingeschränkt. Glaubt die Verwaltung aber i m Hinblick auf die spätere Prüfung dem Vorschlag des Rechnungshofes folgen zu müssen 165 , so kann die faktische Bedeutung des unverbindlichen Vorschlages diesen nicht als verfassungswidrig qualifizieren 166 . Wenn das Gewicht der unverbindlichen Äußerung nur darauf basiert, daß die Verwaltung sich i n Verkennung der vom Verfassungsgeber getroffenen Entscheidung weniger gegenüber dem Parlament als vielmehr gegenüber dem Rechnungshof verantwortlich fühlt, so steht nicht die gutachtliche Tätigkeit des Rechnungshofes, sondern die Einstellung der Verwaltung i m Widerspruch zur Verfassung. Folgt die Verwaltungsbehörde dem gutachtlichen Vorschlag dagegen auf Grund seiner Güte, so liegt darin ebensowenig eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit wie i n dem Befolgen eines von anderer Seite erstellten Gutachtens. Deshalb kann nicht die Gutachtertätigkeit des Rechnungshofes, sondern nur das Verhalten der Verwaltung nicht verfassungskonform sein. Die gutachtliche Tätigkeit ist auch nicht deswegen verfassungswidrig, weil sie nicht Rechnungsprüfung i. e. S. und damit nicht nachgängige Kontrolle ist. Der Begriff der Rechnungsprüfung i m herkömmlichen Sinne als der Aufgabe der Rechnungshöfe umfaßt auch die Beratung der Leitung der vollziehenden Gewalt über Maßnahmen zur Verbesserung der Verwaltungstätigkeit 1 6 7 , ist also nicht beschränkt auf die nur nachträgliche Prüfung des Verwaltungshandelns 168 . Der Begriff der Rechnungsprüfung i. w. S. beinhaltet deshalb auch eine M i t w i r k u n g bei der Verwaltung, wenn auch nicht durch unmittelbaren Vollzug, sondern nur durch mittelbar wirkende Maßnahmen. Die Gutachten des Rechnungshofes besitzen ebenfalls nur eine mittelbare Wirkung und stellen daher Rechnungsprüfung i. w. S. dar, zumal ihre Ergebnisse primär auf den Prüfungserfahrungen beruhen 1 6 9 . Bedenken gegen die Gutachtertätigkeit sind jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der Unvoreingenommenheit der Mitglieder erhoben worden 1 7 0 : Die den Mitgliedern gewährte Unabhängigkeit sei für die Rechnungsprüfung unentbehrlich; denn das Verwaltungshandeln solle i m 165

Vgl. dazu bei Roedig, S. 108 ff. m. w. N. So aber Roedig, S. 143. Vgl. z. B. § 1 Abs. 1 Buchst, b der I n s t r u k t i o n für die preußische OberRechnungskammer v o m 18. Dezember 1824; § 12 Abs. b des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes von 1872. 168 So Dahlgrün, Staatliche Finanzkontrolle, S. 233. 169 Die Neufassung des A r t . 114 GG durch das Zwanzigste Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes erfolgte u. a., u m die Zweifel auszuräumen, ob eine Gutachtertätigkeit zu den Aufgaben des Bundesrechnungshofes gehört (vgl. den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 [Zu Absatz 21). 170 Maunz i n Maunz!Dürig!Herzog, A r t . 114 Rdnr. 22; Franz Klein, S. 81C. 166

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Β. Die geltenden Regelungen i m Bund u n d i n den Ländern

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Rahmen der Rechnungsprüfung durch einen unbeteiligten Dritten kontrolliert werden. Diese Ansicht läßt jedoch unberücksichtigt, daß die richterliche Unabhängigkeit den Mitgliedern vor allem gewährt wird, damit sie nicht durch Weisungen des Parlaments oder der Verwaltung i n ihrer Prüfungstätigkeit beeinträchtigt werden. Die Rechnungsprüfer sind nicht dazu berufen, einen Rechtsstreit als unbeteiligte Dritte zu entscheiden 171 , sondern sie sollen das Verwaltungshandeln überprüfen, ohne persönliche Nachteile befürchten zu müssen oder auf Grund dienstlicher Unterordnung i n ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt zu sein. Die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder ist i m Sinne Bettermanns172 „Staatsunabhängigkeit". Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern (§§ 41 ff. ZPO, §§ 18 f. BVerfGG) jedoch beruhen auf dem Grundsatz der „Parteiunabhängigkeit" 1 7 3 ; die A n wendung dieser Bestimmungen ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn die Rechnungsprüfung ein Rechtsstreit i m weitesten Sinne wäre 1 7 4 . Notwendigkeit und Ausgestaltung der richterlichen Neutralität ergeben sich aus dem Zweck der Rechtsprechung: Rechtsstreitentscheidung und Rechtsschutzgewährung 175 . Beides ist aber nicht Aufgabe der Rechnungsprüfung. Die Rechnungshöfe sollen vielmehr eine objektive Bewertung des Verwaltungshandelns durch unabhängige Prüfer gewährleisten; die Ergebnisse ihrer Kontrolltätigkeit sind keine Entscheidungen eines Rechtsstreites zwischen verschiedenen Parteien und schaffen weder Rechtsgewißheit noch Rechtsfrieden, sie gewähren weder Rechtsschutz noch die Wiederherstellung verletzten Rechts. Ebensowenig wie das Ergebnis eines Gutachtens verpflichtet das Ergebnis der Prüfung die Verwaltung zu einem bestimmten Handeln. Daher sind die Bedenken gegen die Gutachtertätigkeit der Rechnungshöfe nicht begründet. Deshalb ist auch die i n §§ 88 Abs. 2 BHO und den entsprechenden Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen 176 geregelte Beratungstätigkeit der Rechnungshöfe unbedenklich, die i n das Ermessen der Rechnungshöfe gestellt ist. Ihre Zulässigkeit i m übrigen ergibt sich aus A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG und entsprechenden Regelungen i n den Landesverfassungen, wonach die Befugnisse der Rechnungshöfe durch Gesetz 171

Vgl. dazu unten C I I I . Die Unabhängigkeit der Gerichte, S. 528 ff. 173 Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte, S. 526 ff. 174 So w o h l Beckensträter, S. 137 ff. 175 Vgl. Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte, S. 526. 176 I n Berlin k o m m t als vergleichbare Bestimmung § 9 R H G i n Betracht, wonach der Rechnungshof dem Senat Mitteilungen u n d Vorschläge zur Behebung von Mängeln i n der V e r w a l t u n g u n d zur Auslegung u n d Änderung von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften machen kann. Der Senat muß darüber beschließen und dem Rechnungshof das Ergebnis mitteilen. 172

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Zweiter Teil: Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

erweitert werden können 1 7 7 . Die Beratung erfolgt durch gutachtliche Stellungnahmen, die den gesetzgebenden Körperschaften 178 , den Regierungen und einzelnen Ministern übermittelt werden, u m diesen Unterlagen für ihre Entscheidungen zu geben 179 . Den Rechnungshöfen i n Bremen und Schleswig-Holstein obliegt noch eine weitere Aufgabe: Sie sind auch für die Rechnungsprüfung der Gemeinden zuständig 180 . Der Rechnungshof von Berlin hat i n besonderen Fällen auch die Bezirksverwaltungen zu prüfen 1 8 1 . I n Berlin, Niedersachsen und Schleswig-Holstein können dem Rechnungshof besondere Prüfungsaufträge erteilt werden, i n Berlin vom Abgeordnetenhaus oder Senat (Art. 83 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung, § 10 Abs. 1 RHG), i n Niedersachsen vom Landtag oder dessen Haushaltsausschuß (§ 99 Abs. 2 LHO), i n Schleswig-Holstein allein vom Landtag (§ 88 Abs. 5 LHO). V . D e r V e r k e h r der Rechnungshöfe m i t den Parlamenten und den Regierungen

Die Reichshaushaltsordnung bestimmte i n § 108 Abs. 1, daß der Rechnungshof seine Bemerkungen dem Reichsminister der Finanzen zu übermitteln hatte, der sie dem Reichstag und dem Reichsrat vorlegte. Durch A r t . 114 a. F. GG wurde diese Form des Verkehrs zwischen dem Bundesrechnungshof und dem Bundestag sowie dem Bundesrat aufrechterhalten; sie gilt noch heute i n entsprechender Form i n Hessen, wo nach § 97 Abs. 1 LHO die für den Landtag bestimmten Bemerkungen von der Regierung mit ihrer Stellungnahme dem Landtag zugeleitet werden. I n den meisten Bundesländern bestimmten die Rechnungshofgesetze schon vor der Novellierung des Haushaltsrechts, daß die Rechnungshöfe unmittelbar an die Parlamente berichten konnten. A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 n. F. GG hat nunmehr die unmittelbare Berichterstattung des Bundesrechnungshofes an das Parlament normiert; in Übereinstimmung damit schreibt § 97 Abs. 1 BHO vor, daß der Bundesrechnungshof seine Bemerkungen dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zuleitet (vgl. auch § 114 Abs. 1 Satz 2 BHO). Wann der Bundesrechnungshof den einzelnen Verfassungsorganen die Bemerkungen übermittelt, ist nicht geregelt; aus der Gleichstellung i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG ist zu entnehmen, daß die Übermittlung gleichzeitig zu erfolgen hat. Ähnliche Vorschriften gelten i n fast allen Bundesländern, doch ist überwiegend 177 Vgl. z.B. für den Bereich des Bundes: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 43; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des B u n destages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (Zu Absatz 2 a. E.). 178 I n Niedersachsen auch mündliche Beratung der Landtagsausschüsse (§ 88 Abs. 2 LHO). 179 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 88 B H O A n m . 5. 180 Bremen: §§ 15 ff. RPG; Schleswig-Holstein: § 2 Abs. 2, § 12 RHG. 181 Vgl. § 10 Abs. 2 BlnRHG.

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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bestimmt, daß der Prüfungsbericht dem Parlament zugeleitet w i r d und die Regierung ihn zur Kenntnisnahme erhält 1 8 2 ; nur i n Hamburg 183, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ist ein dem § 97 Abs. 1 BHO entsprechendes Verfahren vorgesehen. Nach § 97 Abs. 4 BHO sind die Bemerkungen zu den geheimzuhaltenden Angelegenheiten den Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates sowie dem Bundeskanzler und dem Bundesminister für Finanzen mitzuteilen 1 8 4 . Entgegen der Ansicht von Piduch 1 8 5 ergeben sich gegen die Vefassungsmäßigkeit dieser Bestimmung erhebliche Bedenken. Nach Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Bundesrechnungshof außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten. § 97 BHO enthält die Konkretisierung dieser verfassungsgesetzlichen Berichtspflicht des Bundesrechnungshofes. Nach der Vorschrift des Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG sind die Adressaten dieses Berichtes die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat. Demgegenüber schränkt § 97 Abs. 4 BHO den Kreis derjenigen ein, die die Ergebnisse der Prüfung der „Geheimfonds" erhalten. Eine solche Beschränkung ist jedoch m i t Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG nicht vereinbar. Wie sich aus Art. 62 GG ergibt, besteht die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und den übrigen Bundesministern. Nach dem Sprachgebrauch des Grundgesetzes ist — wie das Bundesverfassungsgericht betont h a t 1 8 6 — unter dem Begriff „Bundesregierung" i m allgemeinen das kollegiale Beschlußorgan gemäß A r t . 62 GG zu verstehen 1 8 7 ; eine andere Auslegung ist nur bei dem Vorliegen besonderer Anhaltspunkte möglich. Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG läßt jedoch für eine Einschränkung i. S. von § 97 Abs. 4 BHO keinen Raum. Der Bundesrat setzt sich gemäß A r t . 51 Abs. 1 Satz 1 GG aus den von den Regierungen der Länder bestellten Mitgliedern zusammen; der Bundestag besteht aus sämtlichen gewählten Abgeordneten nach Art. 38 GG. Auch hier ist unter den in Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG gewählten Bezeichnungen jeweils das alle Mitglieder bzw. alle Abgeordneten umfassende Organ zu verstehen, nicht nur dessen Präsident. 182 Lediglich i n Berlin ist ausdrücklich bestimmt (Art. 83 Abs. 1 Satz 1 Verf., § 8 Abs. 1 Satz 1 RHG, § 80 Abs. 3 LHO), daß der Bericht nur dem Parlament vorgelegt w i r d . 183 Die Regelung i n § 97 Abs. 1 H m b L H O steht i m Widerspruch zu A r t . 70 Abs. 2 Verf., wonach noch eine dem Verfahren i n Hessen gleichende Berichtsform vorgesehen ist. 184 Entsprechende Bestimmungen existieren i n allen Bundesländern m i t Ausnahme von Berlin; i n Bremen und Hamburg werden nur die Präsidenten von Bürgerschaft u n d Senat unterrichtet. 185 Bundeshaushaltsrecht, § 97 B H O Anm. 5: „Die Vereinbarkeit des § 97 Abs. 4 B H O m i t A r t . 114 Abs. 2 steht außer Zweifel." 186 BVerfGE 26, 338 (395 f.); vgl. auch BVerfGE 11, 77 (85). Ebenso: Maunz, Staatsrecht, S. 370. 187 Vgl. v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., A r t . 65 A n m . V 3.

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Daher sind alle Mitglieder der i n Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Organe Empfänger des vom Bundesrechnungshof zu erstattenden Berichtes, nicht aber nur die i n § 97 Abs. 4 BHO genannten vier Mitglieder. Der Wortlaut der Verfassung ist insoweit eindeutig. Aus dem Zusammenhang der Sätze 1 und 2 des A r t . 114 Abs. 2 GG ergibt sich auch, daß der Bericht des Bundesrechnungshofes über die Prüfung der Rechnung sowie über Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu erstatten ist. Der Bericht umfaßt daher die Ergebnisse der gesamten Prüfung des Bundesrechnungshofes; eine Einschränkung des Berichtes ist nach dem Wortlaut der Verfassung nicht möglich, so daß auch die Bemerkungen über die Prüfung der „Geheimfonds" der Bundesregierung, dem Bundestage und dem Bundesrate i n ihrer Gesamtheit zuzuleiten sind. Demgegenüber ließe sich einwenden, daß das Parlament durch die Regelung i n § 97 Abs. 4 BHO darauf verzichtet habe, über die Kontrolle der „Geheimfonds" unterrichtet zu werden 1 8 8 . Es bestehen jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, ob und inwieweit das Parlament überhaupt auf seine Kontrollrechte gegenüber der Regierung verzichten kann 1 8 9 . Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß es sich zwar um ein Recht des Parlaments handelt, daß aber der Volksvertretung dieses Recht nicht u m ihrer selbst w i l l e n eingeräumt worden ist, sondern es als eine K o m ponente des Systems von checks and balances i n der demokratischen Verfassung das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Machtträgern bewahren soll. Daher ist ein genereller Verzicht auf das Recht zur Kontrolle der Regierung nicht zulässig 190 ; das Parlament ist aber grundsätzlich sicher berechtigt, auf die Wahrnehmung von Kontrollrechten i m Einzelfall zu verzichten 191 . Ein solcher Verzicht auf die Durchführung der Kontrolle ist aber jedenfalls nur dann zulässig, wenn die Verfassung nichts anderes vorschreibt 192 . I m Hinblick auf die Berichterstattung über das Ergebnis der Rechnungsprüfung ist der Verfassungswortlaut aber so eindeutig, daß ein Verzicht verfassungswidrig wäre. Dem steht auch nicht entgegen, daß zwei Repräsentanten des Parlaments den Bericht bezüglich der „Geheimfonds" erhalten; denn eine derartige „Stellvertretung" 188 Vgl. dazu die Argumente i n der Kontroverse u m § 89 RHO bei Friedrich Klein, S. 144; Dreßler, Stellung u n d Aufgabe des Bundesrechnungshofes, i n : 250 Jahre Rechnungsprüfung, S. 157 ff. (171); Fuchs, S. 60; Bank, Die A u s schließung der Finanzkontrolle des Bundesrechnungshofes nach Grundgesetz und Reichshaushaltsordnung, i n : D Ö H 1962- 1965, 199 ff. (201 f.). s. auch die Entwürfe zum Haushaltsgrundsätzegesetz (§ 40 Abs. 4) u n d zur Bundeshaushaltsordnung (§ 88 Abs. 3) nebst Begründung, BTDrucks. V/3040, S. 9, 24, 56 Tz 246, S. 66 Tz 424. 189 y g i dazu Fichtmüller, Zulässigkeit ministerialfreien Raums i n der B u n desverwaltung, i n : AöR 91 (1966), 297 ff. (329 m. w. N.). 190 Vgl. auch Maunz u n d Dürig i n Maunz!Dürig!Herzog, A r t . 20 Rdnr. 82. 191 Fichtmüller, S. 329. 192 Fichtmüller, S. 329.

Β . Die geltenden Regelungen i m B u n d u n d i n den Ländern

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des Bundestags- und des Bundesratspräsidenten für die parlamentarischen Organe müßte i m Grundgesetz ausdrücklich geregelt sein. Daher sind auch die Bemerkungen über die „Geheimfonds" der Volksvertretung i n ihrer Gesamtheit zugänglich zu machen. Wie durch die Neufassung des A r t . 114 GG klargestellt wurde, hat der Bundesrechnungshof auch die „Geheimfonds" zu prüfen 1 9 3 . Die Ergebnisse dieser Prüfung sind i n den Bericht aufzunehmen. Die Zulässigkeit der Vorschrift des § 97 Abs. 4 BHO ergibt sich auch nicht aus der Bestimmung des A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG 1 9 4 . Die Verwendung der Worte: „ I m übrigen werden die Befugnisse . . . geregelt" macht deutlich, daß A r t . 114 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG die Befugnisse des Bundesrechnungshofes nicht abschließend geregelt hat, doch folgt daraus noch nicht, daß eine Einschränkung der Berichterstattung verfassungsgemäß wäre. Der einfache Gesetzgeber ist auch bei einem Regelungsvorbehalt nicht ermächtigt, die Verfassungsbestimmung beliebig einzuschränken 195 — selbst eine nicht beliebige, sondern nur begrenzte, „punktuelle" Einschränkung wie i m Falle des § 97 Abs. 4 BHO ist dann nicht möglich, wenn der Verfassungswortlaut i m übrigen eindeutig ist. I n diesen Fällen bedeutet ein Regelungsvorbehalt nur, daß eine Konkretisierung und Erweiterung durch eine einfach-gesetzliche Regelung notwendig und möglich ist. Die Berichtspflicht des Bundesrechnungshofes ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung und kann lediglich u m eine Berichtsbefugnis (vgl. § 99 BHO) erweitert werden 1 9 6 . Durch das i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG vorbehaltene Gesetz konnte daher der einfache Gesetzgeber nicht die Berichtspflicht des Bundesrechnungshofes einschränken; die durch § 97 Abs. 4 BHO erfolgte Beschränkung des i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Empfängerkreises ist deshalb verfassungswidrig. Dem steht auch nicht entgegen, daß § 42 Abs. 4 HGrG bestimmt, daß die Durchführung der Prüfung von geheimzuhaltenden Angelegenheiten besonders geregelt werden kann. Diese Vorschrift betrifft nur das Prüfungsverfahren i. e. S., nicht aber die i n § 46 HGrG geregelte Bericht193 Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses zu den E n t w ü r f e n des Haushaltsgrundsätzegesetzes u n d der Bundeshaushaltsordnung, zu BTDrucks. V/4378, 4379, S. 7 (zu § 40 HGrG), S. 16 (zu § 115 a BHO); Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 118 B H O A n m . 2. 194 So aber w o h l Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 97 B H O A n m . 5; vgl. zu diesem Argument i n der Auseinandersetzung u m § 89 RHO auch ders., V e r fassungsgarantie lückenloser Rechnungsprüfung — eine überprüfungsbedürftige These, i n : DÖV 1965, 334 ff.; Viaion, Haushaltsrecht, § 89 RHO Anm. 1; Weber, Die Rechnungsprüfung u n d die Geheimfonds, i n : Gedächtnisschrift Hans Peters, S. 599 ff. (605). 195 Vgl. ζ. B. Lerche, Das Bundesverfassungsgericht u n d die Verfassungsdirektiven, i n : AöR 90 (1965), 341 ff. (355 f.); Ermacora, Der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt, i n : DÖV 1960, 561 ff. (564 f.). 196 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 43; Schmidt-Bleibtreu/ Klein, A r t . 114 Rdnr. 11.

9 Grupp

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

erstattung der Rechnungshöfe 197 . Dies ergibt sich zum einen schon aus der Stellung der Vorschrift i m Gesetz, zum anderen aus dem Wortlaut: § 46 HGrG läßt deutlich erkennen, daß der Gesetzgeber davon ausging, daß zum Zeitpunkt der Berichterstattung an das Parlament die Prüfung durch den Rechnungshof bereits abgeschlossen ist; denn § 46 HGrG bestimmt, daß das Ergebnis der Prüfung i n einem Bericht zusammengefaßt werden soll. Die Berichterstattung ist also nicht Teil der Prüfung, sondern folgt ihr nach; sie setzt — wie schon das Wort „Ergebnis" deutlich macht — den abgeschlossenen Vorgang der Prüfung voraus. § 42 Abs. 4 HGrG läßt aber nur eine Modifikation des Prüfungsverfahrens zu, nicht der nachfolgenden Berichterstattung. — I n Übereinstimmung damit hat der Bundesgesetzgeber das Prüfungsverfahren bei „Geheimfonds" durch die Neuregelung i n § 3 a BRHG i n zulässiger Weise gegenüber dem üblichen Verfahren modifiziert 1 9 8 . I m übrigen wäre eine Einschränkung der Berichtspflicht, wie sie durch § 97 Abs. 4 BHO erfolgt ist, auch dann nicht zulässig gewesen, wenn § 42 Abs. 4 HGrG eine solche Beschränkungsmöglichkeit enthielte. Bei der Bestimmung des § 42 Abs. 4 HGrG handelt es sich u m eine Regelung durch den einfachen Gesetzgeber. Das von i h m beschlossene Haushaltsgrundsätzegesetz erging zwar auf Grund der i n A r t . 109 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatzgesetzgebungskompetenz für den Bereich des Haushaltsrechts — zu dem auch die Rechnungsprüfung gehört 1 9 9 —, aber bezüglich der Kontrolle der Haushaltsrechnung für den Bereich des Bundes ist A r t . 114 Abs. 2 GG die lex specialis gegenüber A r t . 109 GG. Daher war der (einfache) Bundesgesetzgeber nicht ermächtigt, gemäß der auf Grund des A r t . 109 Abs. 3 GG ergangenen Vorschrift des § 42 Abs. 4 HGrG i n § 97 BHO eine Regelung zu treffen, die der (höherrangigen) Bestimmung i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG widerspricht 2 0 0 . Die i n § 97 Abs. 4 BHO vorgesehene Form der Berichterstattung über die Prüfung der „Geheimfonds" ist i m Zuge der Neuregelung des Haushaltsrechts i n allen Ländern — m i t Ausnahme von Berlin — eingeführt worden. Sie verstößt jedoch nur i n Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gegen höherrangiges Recht, weil nur i n diesen Ländern dem A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechende Bestimmungen i n den Landesverfassungen existieren, die die Berichterstattung an das Parlament und die Regierung regeln 2 0 1 . 197 a. A. der Schriftliche Bericht des Haushaltsausschusses zu den E n t w ü r f e n des Haushaltsgrundsätzegesetzes u n d der Bundeshaushaltsordnung, zu BTDrucks. V/4378, 4379, S. 7 (zu § 40 H G r G ) ; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 97 B H O Anm. 5. 198 Vgl. dazu auch oben Zweiter T e i l Β I V 1 a. 199 Vgl. Stern i n Stern/Münch, A r t . 109 GG A n m . I I 2 m. w. N. 200 Vgl. auch Karehnke, Z u r Berichterstattung des Rechnungshofes an die gesetzgebende Gewalt nach neuem Haushaltsrecht, i n : DÖV 1971, 441 ff. (443 A n m . 25).

Β. Die geltenden Regelungen i m B u n d und i n den Ländern

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Ein Verstoß dieser Form der Berichterstattung gegen die einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Vorschriften liegt auch nicht deswegen nicht vor, weil gemäß A r t . 31 GG dem Landesverfassungsrecht eine bundesgesetzliche Regelung vorginge; denn das Haushaltsgrundsätzegesetz — durch das Landesverfassungsrecht verdrängt werden könnte — enthält i n seinem § 46 keine Bestimmung über die Berichterstattung bei der Prüfung von „Geheimfonds". Und § 42 Abs. 4 HGrG bezieht sich nur auf die Durchführung der Prüfung, nicht auf die Berichterstattung über ihr Ergebnis; überdies zwingt diese Vorschrift nicht zum Erlaß von Landesregelungen, sondern ermöglicht sie nur, so daß entgegenstehendes Landesrecht nicht verdrängt würde 2 0 2 . Weder das Haushaltsgrundsätzegesetz noch die Bundeshaushaltsordnung noch das Bundesrechnungshofgesetz enthalten Vorschriften über die Teilnahme von Mitgliedern der Rechnungshöfe an den Beratungen des Parlaments oder der Regierung, obwohl sich schon seit 1909 die Praxis entwickelt hat, daß ein Vertreter des Rechnungshofes an den Sitzungen des parlamentarischen Haushaltsausschusses teilnimmt 2 0 3 . Auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung wurde diese Übung — wenn auch gegen den Widerstand der Reichsregierung — fortgesetzt 204 ; nach 1945 wurden sowohl i m Bund als auch i n den Ländern Vertreter der Rechnungshöfe zu den Beratungen der Haushaltsausschüsse wieder hinzugezogen 205 . Eine gesetzliche Regelung enthalten jedoch nur die Landeshaushaltsordnung von Niedersachsen (§ 88 Abs. 2) — wonach eine mündliche Beratung von Landtagsausschüssen i n deren Sitzungen durch Mitglieder des Rechnungshofes möglich ist — und das Rechnungshofgesetz von Rheinland-Pfalz (§ 12), das die Teilnahme von Mitgliedern des Rechnungshofes an den Sitzungen des Landtages und seiner Ausschüsse ermöglicht. V I . Das Verhältnis der Rechnungshöfe untereinander

Die zunehmende Verflechtung der Haushaltswirtschaft i m Bund und i n den Ländern führt i n steigendem Maße dazu, daß die Rechnungshöfe bei der Erfüllung ihrer Aufgaben miteinander i n Berührung kommen; 201 Baden-Württemberg: Verstoß von § 97 Abs. 4 L H O gegen A r t . 83 Abs. 2 Satz 4 Verf.; Hamburg: Verstoß von § 97 Abs. 4 L H O gegen A r t . 70 Abs. 2 Verf. (ohnehin ist die Form der Berichterstattung nach § 97 Abs. 1 L H O nicht v e r fassungskonform — vgl. oben A n m . 183 i n diesem Abschnitt); Hessen: § 97 Abs. 4 L H O verstößt gegen A r t . 144 Satz 2 Verf.; Nordrhein-Westfalen: § 97 Abs. 4 L H O verstößt gegen A r t . 86 Abs. 2 Satz 2 Verf.; Rheinland-Pfalz: Verstoß von § 97 Abs. 4 L H O gegen A r t . 120 Abs. 2 Satz 4 Verf.; Schleswig-Holstein: § 97 Abs. 4 L H O verstößt gegen A r t . 48 Abs. 1 Satz 3 der Landessatzung. 202 Vgl. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 31 Rdnr. 13; Bernhardt i n Bonner Kommentar, A r t . 31 A n m . I I E (Rdnr. 36). 203 V g l t pfuhlstein, S. 70. 204 Vgl. Schulze/Wagner, § 118 A n m . 3. 205 Vgl. z. B. Viaion, Haushaltsrecht, δ 118 RHO A n m . 5.

9*

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Zweiter Teil : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland macht eine Regelung der Zusammenarbeit zwischen den Prüfungsbehörden i m Bund und i n den Ländern nötig. Schon das Gesetz über die Errichtung eines Rechnungshofes für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet vom 3. November 1948 trug durch die Bestimmungen seiner §§6 und 9 dem Gedanken der notwendigen Zusammenarbeit der Prüfungsbehörden Rechnung; auch das Bundesrechnungshofgesetz enthielt i n den — nunmehr außer K r a f t gesetzten — §§4 und 6 sowie i n dem auch nach dem Erlaß der Bundeshaushaltsordnung unverändert fortbestehenden § 10 Vorschriften über die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe i m Bund und i n den Ländern. Die i m Zuge der Finanzreform erfolgte Änderung des Grundgesetzes (Art. 91 a, 91 b, 104 a, 108) hat eine einheitliche Regelung des Verhältnisses der Prüfungsbehörden i m Bundesstaat erforderlich gemacht. Demgemäß bestimmt § 45 HGrG: „Sind für die Prüfung mehrere Rechnungshöfe zuständig, so soll gemeinsam geprüft werden. Soweit nicht die Prüfung durch einen bestimmten Rechnungshof verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, können die Rechnungshöfe einander durch Vereinbarung Prüfungsaufgaben übertragen."

Eine entsprechende Regelung für den Bundesrechnungshof ist i n § 93 Abs. 1 BHO enthalten; die Landeshaushaltsordnungen bzw. das Berliner Rechnungshofgesetz (§ 6 Abs. 2) weisen gleichartige Bestimmungen auf 2 0 6 . — Die einschlägigen Vorschriften i n den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland ermöglichen den Rechnungshöfen sogar — entsprechend der Bestimmung i n § 93 Abs. 2 BHO — die gemeinsame Prüfung m i t ausländischen, über- oder zwischenstaatlichen Prüfungsbehörden und geben ihnen das Recht, an solche Prüfungsbehörden Prüfungsaufgaben zu übertragen oder von ihnen zu übernehmen, wenn entsprechende Staatsverträge oder Verwaltungsabkommen vorliegen oder die Regierung eine Ermächtigung erteilt. Aus A r t . 109 Abs. 1 GG, der Ausdruck der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik ist, ergibt sich, daß der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe voneinander unabhängige, gleichrangige Prüfungsbehörden sind. Zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen besteht kein Subordinationsverhältnis; der Bundesrechnungshof ist gegenüber den Prüfungsbehörden der Länder nicht weisungsbefugt. Dies ergibt sich daraus, daß die Landesrechnungshöfe bei ihrer Prüfungstätigkeit nicht Bundesgesetze i. S. von Art. 83 ff. GG ausführen 207 , sondern Landesgesetze. Wegen der Bestimmungen der Art. 83 ff., 91 a, 91 b, 104 a, 108, 120, 120 a und 131 GG sind in weitem Umfange sowohl der Bundesrechnungs206

Die Regelungen i n Berlin, Bremen u n d Hamburg enthalten jedoch keine Einschränkung wie § 45 Satz 2 HGrG. 207 So schon die Begründung zum Bundesrechnungshofgesetz, BTDrucks. 1/ 1141, S. 11 (Zu Absätze 1 und 2).

Β. Die geltenden Regelungen i m Bund und i n den Ländern

133

hof als auch die jeweiligen Rechnungshöfe der Länder zur Prüfung gleichermaßen zuständig 208 . Die i n § 93 Abs. 1 BHO und den entsprechenden Vorschriften der Länder enthaltenen Regelungen sollen dazu dienen, Doppelprüfungen zu vermeiden. Bei den gemeinsamen Prüfungen hat jeder der beteiligten Rechnungshöfe das für seinen Bereich geltende Recht anzuwenden 209 ; denn i n Ausübung seines Prüfungsrechts w i r d jeder Rechnungshof als Organ seines staatlichen Bereichs tätig, d. h. die Landesrechnunghöfe als Organ ihres Landes, der Bundesrechnungshof als Bundesorgan. Die für den Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der Länder bestehende Befugnis, Prüfungsaufgaben auf einen anderen Rechnungshof zu übertragen, setzt voraus, daß der m i t der Durchführung der Prüfung betraute Rechnungshof nicht schon aus eigenem Recht für die Prüfung zuständig ist; denn i n diesem Falle würde i h m keine Aufgabe übertragen werden, sondern er würde eine eigene A u f gabe wahrnehmen. Der eine i h m zustehende Aufgabe übertragende Rechnungshof verliert — nach näherer Maßgabe der getroffenen Vereinbarung — seine Zuständigkeit für die Prüfung, der übernehmende Rechnungshof w i r d die zuständige Prüfungsbehörde 210 . Dies bedeutet allerdings nicht, daß der die Prüfung übernehmende Rechnungshof nunmehr Organ des Bereiches wird, i n dem er Prüfungsaufgaben wahrzunehmen hat. Übernimmt ζ. B. der Bundesrechnungshof eine Prüfungsaufgabe eines Landesrechnungshofes, so w i r d er insoweit nicht zum Kontrollorgan des Landes, sondern nur für das Land, er bleibt also eine Bundesbehörde. Daraus folgt, daß er auch das für ihn gesetzlich geregelte Verfahren einzuhalten hat, nicht aber das für den Rechnungshof des Landes festgelegte Verfahren. Jedoch hat er als insoweit zuständige Prüfungsbehörde für das Land das materielle Recht dieses Landes anzuwenden. Aus § 45 Satz 2 HGrG — und dem für den Bereich des Bundes übereinstimmenden § 93 Abs. 1 B H O 2 1 1 — ergibt sich eine Einschränkung der gesetzlich geregelten Übertragungsbefugnis der Rechnungshöfe: Die Übertragung ist nur insoweit zulässig, als der übertragende Rechnungshof nicht auf Grund verfassungsrechtlicher Regelungen allein zuständig ist zur Durchführung der Prüfung. Diese Bestimmung des § 45 Satz 2 HGrG hat jedoch nur klarstellende Funktion 2 1 2 , i h r Inhalt ergibt sich schon aus dem Rangunterschied zwischen Verfassungsnormen und einfach-gesetzlichen Regelungen. Die den Rechnungshöfen der Länder und 208

Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 93 B H O A n m . 3. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 93 B H O A n m . 3, 4. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 93 B H O A n m . 4. 211 Ebenso die Regelung i n den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pf alz, Saarland und Schleswig-Holstein. 212 Vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 93 B H O Anm. 4. 209

210

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

des Bundes eingeräumte Befugnis zur Übertragung von Prüfungsaufgaben hat ihre Rechtsgrundlage nur i n einfachen Gesetzen. Den Rechnungshöfen ist daher untersagt, durch eine Vereinbarung gegen das i n ihrem Bereich geltende höherrangige Verfassungsrecht zu verstoßen und die ihnen durch die Verfassung auferlegten Aufgaben einem anderen Organ zur Durchführung zu übertragen. N u r die einem Rechnungshof über die für i h n maßgebende Verfassungsbestimmung hinaus obliegenden A u f gaben, die i h m durch ein einfaches Gesetz zugewiesen wurden, kann er daher einem anderen Rechnungshof zur Wahrnehmung übertragen. § 93 Abs. 1 Satz 2 BHO legt daher für den Bundesrechnungshof fest, daß er nicht die von i h m nach A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG wahrzunehmenden Aufgaben auf einen Landesrechnungshof übertragen darf. Weder die Prüfung der (Bundes-) Haushalts- und Vermögensrechnung noch die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung (des Bundes) kann er ohne Verstoß gegen die Verfassung einem anderen Rechnungshof zur Durchführung übertragen. Allerdings t r i f f t A r t . 114 Abs. 2 GG keine Bestimmung über A r t und Ausmaß der Prüfung durch den Bundesrechnungshof 2 1 3 , sondern überläßt i n Satz 3 die Festlegung entsprechender Vorschriften dem einfachen Gesetzgeber. Daraus ließe sich folgern, daß der Bundesrechnungshof zwar nicht die Prüfung der Haushalts- und Vermögensrechnung (§§ 81 bis 84 BHO) sowie der gesamten Haushaltsund Wirtschaftsführung der Bundesorgane und Bundesverwaltungen (§ 88 Abs. 1 BHO), w o h l aber die Prüfung bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung ( § 9 1 BHO) gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 BHO übertragen könne; denn der Bundesrechnungshof könne auch seine Prüfung zulässigerweise (§ 89 Abs. 2 BHO) beschränken und einzelne Rechnungen ungeprüft lassen, so daß er erst recht einzelne Prüfungsaufgaben übertragen könne. Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, daß auch die Prüfung bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung zuzurechnen ist und damit zur verfassungsgesetzlich auferlegten Prüfungsaufgabe des Bundesrechnungshofes gehört. Aus diesem Grunde ist aber eine Übertragung dieser Prüfung von Stellen außerhalb der Bundesverwaltung unzulässig. Auch wenn der Bundesrechnungshof seine Prüfung beschränkt, so übt er sie doch noch dem Grunde nach aus: Er hat z. B. die Rechnungen dieser Stellen auch für seine Bemerkungen gemäß § 97 BHO zu berücksichtigen, die Beschränkung bezieht sich nur auf die Prüfung von Einzelheiten 2 1 4 . Ebensowenig läßt sich aus der Befugnis, einzelne Rechnungen ungeprüft zu lassen, die Verfassungsmäßigkeit der Übertragung herleiten; denn § 89 Abs. 2 BHO ermächtigt den Bundesrechnungshof nicht, die Prüfung völlig zu unterlassen, sondern erlaubt nur, die Prüfung den Vorprüfungs213 214

Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 28. Vgl. Viaion, Haushaltsrecht, § 89 RHO A n m . 2.

Β. Die geltenden

egelungen i m B u n d und i n den Ländern

135

stellen gemäß § 100 BHO zu überlassen 215 , die fachlich den Weisungen des Bundesrechnungshofes unterliegen (§100 Abs. 4 BHO) und dem Bundesrechnungshof über das Ergebnis der Vorprüfung berichten müssen (§ 100 Abs. 6 BHO). Dagegen kann der Bundesrechnungshof die i h m erst durch die Bundeshaushaltsordnung, nicht schon durch A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 GG auferlegte Pflicht zur Prüfung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§§ 111, 112 BHO) einem Landesrechnungshof übertragen; denn deren Haushalts- und Wirtschaftsführung ist nicht Teil der des Bundes 216 . U m die Zusammenarbeit zwischen den Rechnungshöfen des Bundes und der Länder zu fördern, ist i n § 10 BRHG die Institution eines Vereinigten Senats vorgesehen 217 . Vor dem Erlaß der Bundeshaushaltsordnung hatte der Vereinigte Senat nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 BRHG die A u f gabe, i n den Fällen gemeinsamer Prüfungen durch den Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe nach § 4 Abs. 5 BRHG und der Übertragung von Prüfungsaufgaben gemäß § 6 BRHG grundsätzliche Fragen zu entscheiden. Diese Entscheidungsbefugnis ist durch die Bestimmung i n § 119 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BHO, wonach u. a. die §§ 4 und 6 BRHG aufgehoben wurden, gegenstandslos geworden 218 . A u f die i n § 93 Abs. 1 BHO geregelten Tatbestände kann die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 1 BRHG auch nicht entsprechend angewendet werden, weil die Fälle der gemeinsamen Prüfung und der Übertragung von Prüfungsaufgaben durch das Haushaltsgrundsätzegesetz und die Bundeshaushaltsordnung weitgehend neu geregelt wurden und eine neugeschaffene verfassungsrechtliche Grundlage haben. Dagegen ist dem Vereinigten Senat des Bundesrechnungshofes die Aufgabe geblieben, gutachtliche Stellungnahmen zu Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abzugeben. Der Vereinigte Senat, ein Beschlußorgan einer Bundesbehörde, greift durch eine derartige Stellungnahme nicht i n die Landesstaatsgewalt ein; denn die Ergebnisse der Gutachten sind für die Landesrechnungshöfe — und auch für den Bundesrechnungshof — unverbindlich 2 1 9 . V I I . Rechnungshof und nachgeordnete Prüfungsinstanzen

Der Bundesrechnungshof und die meisten Landesrechnungshöfe haben keine eigenen, ihnen nachgeordneten Prüfungsinstanzen. Die gemäß § 100 215

Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 89 B H O A n m . 4. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 93 B H O A n m . 4. Vgl. die amtliche Begründung zum Bundesrechnungshofgesetz, BTDrucks. 1/1141, S. 11 f. (Zu § 4 Absätze 1 u n d 2), S. 16 f. (Zu § 10). 218 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Aufgabe des Vereinigten Senats wurde früher weitgehend bestritten (vgl. z. B. Peucker, S. 172; Schenk, S. 256 ff.). 219 Schenk, S. 257; Peucker, S. 172. 216

217

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

BHO und den entsprechenden Vorschriften i n den Landeshaushaltsordnungen eingerichteten Vorprüfungsstellen 2 2 0 üben allerdings dem Wesen nach Rechnungsprüfung aus 2 2 1 . Dies ergibt sich aus den den Vorprüfungsstellen obliegenden Aufgaben und der Gesetzessystematik: Die sowohl i n der Bundeshaushaltsordnung als auch i n den Landeshaushaltsordnungen i n dem jeweiligen Abschnitt über die Rechnungsprüfung enthaltenen Regelungen bestimmen, daß die Vorprüfungsstellen die Rechnungen i n demselben Umfang zu prüfen haben wie die Rechnungshöfe 222 . Die Vorprüfungsstelle ist jedoch, wie sich aus § 100 Abs. 3 BHO ergibt, Teil der Verwaltungsbehörde, bei der sie eingerichtet ist, nicht aber Teil des Rechnungshofes, der i h r allerdings i n sachlicher Hinsicht Weisungen erteilen und die Vorprüfung beschränken kann. Die Vorprüfungsstelle ist damit auch keine Außenabteilung des Rechnungshofes 223 , sondern der Verwaltung zugehörig, die der Prüfung durch den Rechnungshof untersteht. Ein ähnliches Verhältnis besteht zwischen den Prüfungsbehörden für die Kommunalverwaltung und den Landesrechnungshöfen. Die Rechnungsprüfungsämter sind in allen Ländern Teile der Kommunalverwaltung 2 2 4 , die Gemeindeprüfungsämter sind teilweise selbständige Behörden, teilweise i n die Rechtsaufsichtsbehörden eingegliedert 225 , aber keine Instanzen der Rechnungshöfe. Dem Rechnungshof nachgeordnete Prüfungsinstanzen gibt es nur i n Bayern; i n Rheinland-Pfalz können gemäß § 100 L H O dem Rechnungshof nachgeordnete Stellen eingerichtet werden, die Prüfungsaufgaben des Rechnungshofes gemäß § 89 Abs. 1 LHO wahrnehmen können. Die bayerischen Rechnungsprüfungsämter 266 sind gemäß Art. 13BayRHGdem Obersten Rechnunghof nachgeordnete Behörden, die vom Rechnungshof für jedes Geschäftsjahr ihre Prüfungsaufgaben zugewiesen bekommen. Diese Prüfungsbehörden führen die Rechnungskontrolle für den Rechnungshof nach dessen Weisungen unter seiner Oberleitung durch. Daraus folgt, daß der Rechnungshof i n die Tätigkeit der Rechnungsprüfungsämter eingreifen und diese an sich ziehen kann. Anders als i m Verhältnis zu den Vorprüfungsstellen, die i n Bayern nicht bestehen, gibt es hier einen echten zweistufigen Aufbau der Rechnungskontrolle. 220

Vgl. dazu oben Zweiter T e i l Β I V 1 c. Vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 100 B H O A n m . 1; s. auch Viaion, Haushaltsrecht, § 92 RHO A n m . 2; Schulze/Wagner, § 92 A n m . 1; Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 a aa a. E. 222 Vgl. ζ. B. die Vorschriften des § 89 Abs. 1 und des § 100 Abs. 1 BHO. 223 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 100 B H O A n m . 4. 224 Vgl. Schröer, Gemeindeprüfungsrecht, S. 9 f. (Tz 15). 225 Vgl. i m einzelnen Schröer, S. 182 ff. (Tz 270 ff.). 226 Diese Rechnungsprüfungsämter sind m i t den erwähnten Rechnungsprüfungsämtern der Gemeinden nicht identisch. 221

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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G. Die Stellung der Rechnungshöfe im Gewaltenteilungssystem Werden die Aufgaben des Rechnungshofs des Deutschen Reichs m i t denen des Bundesrechnungshofes und denen der Rechnungshöfe der Länder verglichen, so läßt sich eine Erweiterung der Prüfungszuständigkeit durch die nach 1945 erlassenen Gesetze feststellen, nicht aber eine wesentliche Änderung der Aufgaben. Die zunehmende Betätigung des Staates außerhalb der Staatsverwaltung i. e. S., die Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben durch Institutionen, die nur noch mittelbar oder gar nicht mehr durch den Haushaltsplan erfaßt werden 1 , machte die Ausdehnung der Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe auf diese Stellen außerhalb der Verwaltung erforderlich. Neben die Generalklauseln der Rechnungshofgesetze, die die Tätigkeit des Staates i m Rahmen des Haushaltsplanes erfassen (vgl. z. B. § 88 Abs. 1 BHO), traten daher Bestimmungen, die auch die sonstige Tätigkeit des Staates der Rechnungsprüfungunterwerfen sollen (vgl. z. B. §§ 111 ff. BHO). Die Kontrolle durch die Rechnungshöfe soll so weit reichen, wie der Staat — direkt oder indirekt — M i t t e l einnimmt, verwaltet oder verwendet. Neben den Institutionen der unmittelbaren Staatsverwaltung und dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung 2 sind deshalb auch Dritte, soweit sie Empfänger öffentlicher M i t t e l sind oder ihnen gegenüber z. B. Bürgschaftsund Garantieverpflichtungen bestehen, Objekt der Prüfung durch die Rechnungshöfe. Die Parlamente, die die politische Kontrolle der Regierung ausüben sollen, waren längst nicht mehr i n der Lage, selbst das Finanzgebaren des Staates zu überschauen. Dadurch war ihnen die Erfüllung ihrer Kontrollaufgabe partiell unmöglich gemacht, soweit nicht die Rechnungshöfe die notwendigen Unterlagen lieferten. Die Rechnungshöfe wurden faktisch unentbehrliche Gehilfen der Volksvertretungen. Diese Entwicklung veranlaßte die gesetzgebenden Körperschaften, auf die personelle Besetzung der Rechnungshöfe Einfluß zu nehmen 3 , sie führte aber auch dazu, die Rechnungshöfe als funktionelle Organe der Legislative anzusehen4. Die staatsrechtliche Stellung der Rechnungshöfe nach 1945 läßt sich jedoch nicht nach dem unterschiedlichen Nutzen bestimmen, den die Prü1 Vgl. Heinig, Haushaltskontrolle, i n : Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 1, 2. Aufl., S. 670 ff. (682) : „ I m neunzehnten Jahrhundert begann geradezu eine Auswanderung aus dem Budget, i m zwanzigsten wurde es zeitweise eine Flucht." 2 Vgl. dazu Forsthoff, S. 437 ff. 3 Vgl. oben Zweiter T e i l Β I I zu den Regelungen auf Länderebene; s. auch zu den Bestrebungen i m B u n d die Ausführungen der Abgeordneten Dr. Althammer u n d Westphat i n der 5. Legislaturperiode, 243. Sitzung am 26. J u n i 1969, BTSten. Ber. S. 13511 (C), 13514 (C, D). 4 Vgl. dazu unten C I I .

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

fungstätigkeit den Organen der Staatsgewalt bringt, sondern nur danach, i n welchem Verhältnis zu den drei Staatsgewalten die Rechnungshöfe auf Grund ihrer Organzuordnung und ihrer Funktion stehen. I . Das Gewaltenteilungssystem i n der Bundesrepublik Deutschland

Die i n der Verfassung getroffene Regelung erscheint ihrem Wortlaut nach überaus einfach. Das Grundgesetz hat i n Art. 20 Abs. 2 Satz 2 den Grundsatz der Gewaltenteilung und der Gewaltentrennung festgelegt und i h m durch die Bestimmung i n Art. 79 Abs. 3 erhöhte Bestandskraft auch i m Vergleich zu anderen Normen der Verfassung verliehen. Die begrifflich nicht teilbare Staatsgewalt 5 w i r d ihrer Ausübung nach i n drei verschiedene Gewalten gegliedert; d. h. drei i m wesentlichen verschiedene Staatstätigkeiten sind drei unterschiedlichen Gruppen von Staatsorganen zur Ausübung übertragen 6 . Gegen dieses System der Dreiteilung sind jedoch immer wieder Einwände erhoben worden 7 . Begründet wurden sie i n neuerer Zeit i n erster Linie damit, daß das Dreiteilungsschema zu starr sei und der Verfassungswirklichkeit, insbesondere i n einem demokratischen Staat m i t parlamentarischem Regierungssystem, nicht gerecht werde; die Aufteilung der Staatsgewalt i n drei verschiedene Funktionen sei durch die verfassungsgeschichtliche Entwicklung überholt. So hat etwa Jahrreiss 8 darauf hingewiesen, daß es begrifflich nur zwei unterschiedliche Gewalten gebe: das Setzen genereller Normen und die Einzelfall-Entscheidung. Demgegenüber w i r d die Ansicht vertreten, eine Teilung nur i n drei Gewalten entspreche nicht den von den Staatorganen wahrzunehmenden Funktionen; daher sei eine weitergehende Gliederung vorzunehmen 9 , wobei allerdings über A r t und Umfang der Aufteilung sehr unterschiedliche Auffassungen bestehen. Die Vielfalt der Meinungen beruht vor allem darauf, daß der Inhalt der Staatsfunktionen ungeklärt ist. Auch das Grundgesetz enthält keine Definition der drei Gewalten, sondern benennt sie nur: Gesetzgebung, 5 Maunz u n d Dürig i n Maunz/DüriglHerzog, A r t . 20 Rdnr. 76; v. Mangoldt/ Klein, A r t . 20 A n m . V 4 b (S. 595). 6 Maunz u n d Dürig i n Maunz!Dürig/Herzog, A r t . 20 Rdnr. 76; v. Mangoldt/ Klein, A r t . 20 A n m . V 5 b (S. 598); Jesch, S. 92; BVerfGE 7, 183 (188). 7 Vgl. Achterberg, S. 1 f. m. w. N.; s. auch Maunz und Dürig i n MaunzlDürigl Herzog, A r t . 20 Rdnr. 77; v. Mangoldt!Klein, A r t . 20 Anm. V 5 b (S. 598 f.). 8 Die Wesensverschiedenheit der A k t e des Herrschens u n d das Problem der Gewaltenteilung, i n : V o m Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, Festgabe f ü r Hans Nawiasky, S. 119 ff. 9 Vgl. z.B. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 16 I I a (S. 69 ff.), c (S. 66); s. auch υ. Mangoldt!Klein, A r t . 20 A n m . V 5 b (S. 598 f.), V I 4 b (S. 602) m. w. N.; f ü r die ältere L i t e r a t u r vgl. die Nachweise bei Achterberg, S. 2 Anm. 6.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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vollziehende Gewalt und Rechtsprechung, und überträgt den verschiedenen Organen bestimmte Funktionen. Die Einordnung der Tätigkeit eines staatlichen Organs i n einen der drei Funktionsbereiche oder seine Zuordnung zu einem anderen Organ, z. B. dem Parlament, w i r d allerdings auch durch den Aufbau des Grundgesetzes erschwert, das einerseits i n den Abschnitten V I I , V I I I und I X die Gesetzgebung des Bundes, die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung sowie die Rechtsprechung allgemein regelt, andererseits i m X. Abschnitt i n den Bestimmungen über das Finanzwesen Vorschriften aus allen drei Funktionsbereichen enthält. Der Umstand, daß die Rechnungsprüfung i n dem Abschnitt über das Finanzwesen geregelt ist und das Grundgesetz nicht deutlich erkennen läßt, welchem Funktionsbereich es die Rechnungsprüfung zuordnet, sowie die Ungewißheit über den Inhalt der Staatsfunktionen sind auch die wesentliche Ursache dafür gewesen, daß die Rechnungshöfe vielfach als Organe einer vierten Gewalt angesehen wurden 1 0 . Dies zeigt sich deutlich daran, daß zur Begründung dieser Ansicht nur darauf hingewiesen wird, die Kontrolltätigkeit der Rechnungshöfe stehe außerhalb von Gesetzgebung, vollziehender Funktion und Rechtsprechung, sie sei eine besonders geartete Form der Wahrnehmung von Staatsaufgaben 11 . Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, daß eine Kontrolle von Staatsorganen durch andere Staatsorgane ein Wesensmerkmal des demokratischen Staates m i t parlamentarischem Regierungssystem und Gewaltenteilung ist, das sich z. B. i n der politischen Kontrolle der Regierung durch das Parlament oder der Rechtskontrolle durch die Gerichte zeigt 12 . Der Grundsatz der Gewaltenteilung soll gerade die gegenseitige Hemmung der Gewalten und die wechselseitige Kontrolle der sie ausübenden Organe gewährleisten 13 . Die Wahrnehmung einer Kontrollfunktion ist da10 So Körte, S. 686; Saemisch!Stengel, Kontrollrecht, S. 713; vgl. auch Dahlgrün, Rechnungskontrolle, i n : Verwaltung, S. 414 ff. (416 f.); Heuss, i n : D Ö H 1954, 6 ff. (7), zur Einweihung des Dienstgebäudes des Bundesrechnungshofes; Schäffer, i n : D Ö H 1954, 9 ff. (9, 10), zur Einweihung des Dienstgebäudes des Bundesrechnungshofes; Bauer, Die neue Gewalt, S. 9; Gross, Betrachtungen, i n : DVB1. 1956, 260 ff. (261). 11 M i t derselben Begründung, n u r ohne die Bezeichnung als Organ einer vierten Gewalt, w i r d der Rechnungshof vielfach als Institution sui generis bezeichnet, z.B. von Peucker, S. 32; Bank, Stellung u n d Aufgabe, S. 514; ders., Uber Umfang u n d Grenzen der Finanzkontrolle der Rechnungshöfe, i n : AöR 80 (1955/56), 261 ff. (261); ders., Über die Eigenständigkeit des Rechnungshofes zwischen Parlament u n d Regierung, i n : DÖV 1962, 526 ff. (528); Haaser, Rechnungshöfe u n d ihre Beziehungen, S. 117; Härtig, Entwicklung u n d G r u n d fragen der Haushaltskontrolle, i n : DVB1. 1951, 393 ff. (394); vgl. auch Vie, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, i n : J Z 1957, 422 ff. (428). 12 Vgl. auch Scheuner, Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen Verfassungsordnung, i n : Festschrift für Gebhard Müller, S. 379 ff. (382). 13 Vgl. z.B. Maunz u n d Dürig i n Maunz! Dürig/Herzog, A r t . 20 Rdnr. 78; v. MangoldtlKlein, A r t . 20 A n m . V 5 b (S. 598 f.); Wolff, Verwaltungsrecht I, § 16 I I I a (S. 67).

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

her keine Tätigkeit so besonderer Natur, daß sie allein deshalb nicht i n das Gewaltenteilungssystem einzufügen wäre 1 4 . I m übrigen darf nicht übersehen werden, daß der Verfassungsgeber sich ausdrücklich zu einer Dreiteilung der Gewalten bekannt hat. A u f der Grundlage dieser positiven Regelung erscheint es nicht möglich, den Rechnungshof als Organ einer vierten Gewalt oder als eine Institution sui generis außerhalb der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung anzusehen. Daher soll i m folgenden versucht werden, die Rechnungsprüfung den i n Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG aufgezählten Funktionen zuzuordnen; erst wenn die Untersuchung ergäbe, daß dies unmöglich ist, müßte erwogen werden, ob der Verfassungsgeber durch die Regelung i n A r t . 114 GG den Grundsatz der Dreiteilung partiell aufgegeben hat. Gegenüber den Versuchen der Rechtslehre, den Inhalt der Staatsfunktionen neu — und teilweise i n vielfältiger Gliederung — zu bestimmen, hat das Bundesverfassungsgericht i n seiner Rechtsprechung an dem Grundsatz des A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG festgehalten und die Trennung der Funktionen als eines der tragenden Organisationsprinzipien der Verfassung bezeichnet 15 . Allerdings hat auch das Bundesverfassungsgericht eingeräumt, daß dieses Prinzip vom Verfassungsgeber nicht absolut durchgeführt wurde und daß das Grundgesetz eine weitgehende Verschränkung der Funktionen enthält 1 6 . Diese Funktionenv er schränkungen 17 erschweren eine Definition dessen, was nach den Bestimmungen des Grundgesetzes unter Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung zu verstehen ist, so daß die Tätigkeit der Rechnungshöfe nicht ohne nähere Untersuchung als Ausübung einer dieser Funktionen charakterisiert werden kann. Dabei darf nicht unbeachtet bleiben, welche Unterschiede nach dem Grundgesetz zwischen den m i t den Funktionen betrauten Organen besteht. — Diese Untersuchung w i r d vor allem am Beispiel des Bundesrechnungshofes durchgeführt; die Aufgaben und Organisationsmerkmale der Landesrechnungshöfe werden jedoch ergänzend berücksichtigt.

14 I n diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß die Betonung einer völligen Sonderstellung des Rechnungshofes i n den meisten Fällen durch Mitglieder der Prüfungsbehörden erfolgte, die die Stellung der Rechnungshöfe i m w e sentlichen unter rechtspolitischen Aspekten betrachteten; deutlich w i r d dies z. B. bei Peucker, S. 38. 15 BVerfGE 3, 225 (247). 16 BVerfGE 3, 225 (247); 7, 183 (188); 12, 268 (279); vgl. i m übrigen z. B. Maunz u n d Dürig i n Maunz! Dürig! Herzog, A r t . 20 Rdnr. 79, u n d insbesondere Achterberg, S. 46 ff. m. w. N. 17 Vgl. zu diesem Begriff die Ausführungen bei Achterberg, S. 112 ff.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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I I . Das Verhältnis der Rechnungshöfe z u den Organen der Gesetzgebung

Der Begriff der Gesetzgebung ist i n der Rechtslehre umstritten; seine Definition hängt wesentlich davon ab, was unter einem Gesetz verstanden w i r d 1 8 . I m Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist jedoch eine Prüfung des Gesetzgebungsbegriffes unergiebig 1 9 ; denn der Bundesrechnungshof übt zweifellos keine Gesetzgebungsfunktion aus: Selbst seine M i t w i r k u n g vor dem Erlaß von Verwaltungsvorschriften gemäß § 103 BHO ist auf eine Anhörung beschränkt. Daher kann der Bundesrechnungshof nur auf Grund anderer Aufgaben als ein Organ des Parlaments anzusehen sein. Nach A r t . 114 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG hat der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Vermögensrechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu kontrollieren und über das Ergebnis dieser Prüfungstätigkeit der Bundesregierung sowie unmittelbar dem Parlament zu berichten. Dieser Bestimmung entsprechen die Regelungen i n § 42 Abs. 1, § 46 Abs. 1 HGrG sowie i n § 88 Abs. 1 und i n den §§ 97,114 Abs. 1 Satz 2 BHO. Aus den genannten Vorschriften geht eindeutig hervor, daß die Berichte über die Prüfungsergebnisse für die Bundesregierung einerseits sowie für den Bundestag und den Bundesrat andererseits identisch sind. Das oberste Organ der vollziehenden Gewalt und die Organe der gesetzgebenden Gewalt erhalten daher nicht mehr der Form nach verschiedene Berichte, die sich dem Inhalt nach weitgehend gleichen, wie dies unter der Geltung der Reichshaushaltsordnung der Fall w a r 2 0 . Daraus könnte gefolgert werden, daß der Bericht des Bundesrechnungshofes allein der Kontrolltätigkeit des Parlaments diene und der Bundesrechnungshof deshalb ein funktionelles Organ der gesetzgebenden Gewalt sei 21 . Dabei 18

Vgl. dazu die Untersuchungen von Achterberg, S. 8 ff., 116 ff. Daher soll hier unter Gesetzgebung i m materiellen Sinne i n Übereinstimmung m i t der üblicherweise vertretenen Meinung das Setzen abstrakt-genereller Regelungen verstanden werden (vgl. dazu Achterberg, S. 8 ff., insbes. S. 50 f.). 20 Vgl. oben Erster T e i l C I I 2. 21 So Menzel, Der staatsrechtliche Standort der Finanzkontrolle i n der B u n desrepublik u n d i m Ausland, i n : DÖV 1968, 593 ff. (598, 599); ders., Mitglieder des Rechnungshofes — Beamte oder Richter?, i n : DVB1. 1969, 71 ff. (75); vgl. auch Ipsen, Empfiehlt es sich, die vollständige Selbstverwaltung aller Gerichte i m Rahmen des Grundgesetzes gesetzlich einzuführen?, Referat i n : Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentages Hamburg 1953, Bd. I I : Sitzungsberichte der Verhandlungen der öffentlich-rechtlichen Abteilung, S. 5 ff. (23); ders., Hamburgs Verfassung u n d Verwaltung, S. 467 f.; Loening, S. 174; Weichmann, S. 745 ff.; Härtig, Z u r Stellung der Rechnungshöfe, S. 174, i m Gegensatz zu: ders., Entwicklung u n d Grundfragen der Haushaltskontrolle, S. 394, w o nach der Rechnungshof ein Organ sui generis sein soll; s. hierzu auch Kern, Selbstverwaltung der Gerichte?, i n : AöR 79 (1953/54), 87 ff. (90). 19

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

würde jedoch übersehen, daß zum einen auch die Regierung eine Kontrolle ausübt und zum anderen die Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes von der Kontrolltätigkeit des Parlaments wesentlich verschieden ist. Dem parlamentarischen Regierungssystem ist die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung immanent 2 2 . Die politische Verantwortung umfaßt den gesamten Raum der Verwaltungstätigkeit, sie drückt sich u. a. aus i n dem Budgetbewilligungsrecht des Parlaments und der dem Budgetvollzug nachfolgenden Kontrolle durch das Parlament, die das erforderliche Korrelat zum Bewilligungsrecht darstellt. Aus der Funktion der Regierung ergibt sich deren Recht zur Staatsleitung, dessen notwendige Ergänzung die Weisungsgebundenheit der Verwaltungsbehörden ist 2 3 . Die Weisungsbefugnis gegenüber den nachgeordneten Behörden folgt aus der Verpflichtung der Regierung, das Handeln der Verwaltung gegenüber dem Parlament vertreten zu müssen. Die Regierung kann diese Befugnis zur obersten Leitung der Verwaltung jedoch erst dann i n vollem Umfang wahrnehmen, wenn die Weisungsgebundenheit der nachgeordneten Behörden ergänzt w i r d durch eine Kontrollmöglichkeit über diese Behörden, die auch deren Finanzgebaren erfassen muß. Wegen der Bedeutung der Finanzkontrolle und der weitverzweigten Tätigkeit der Verwaltungsbehörden wurde diese Kontrolle einer besonderen Behörde, dem Rechnungshof, übertragen, um einen Überblick über die gesamte Finanzwirtschaft zu erhalten. Durch den Bericht des Bundesrechnungshofes w i r d der Bundesregierung ermöglicht, das Finanzgebaren der Verwaltung zu überblicken 2 4 ; sie kann dam i t die ihr unterstellten Behörden überwachen. Insoweit dient die Prüfungs- und Berichtspflicht des Bundesrechnungshofes einem spezifischen Bedürfnis der Bundesregierung. Dem steht auch nicht entgegen, daß nach § 97 Abs. 1 BHO der Bundesrechnungshof das Ergebnis seiner Prüfung „für den Bundestag und den Bundesrat" i n Bemerkungen zusammenfaßt, soweit es für die Entlastung der Bundesregierung von Bedeutung sein kann; denn ebenso wie die Mitteilungen als Unterlage für das Parlament notwendig sind, besitzen sie auch für die Regierung i m Hinblick auf i h r Kontrollbedürfnis Bedeutung: Wie bereits erwähnt, ergibt sich aus der politischen Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament dessen Recht, das Finanzgebaren der Regierung zu kontrollieren. Da die Verwaltungsbehörden der Regierung nachgeordnet sind und deren Weisungen zu befolgen haben, umfaßt das Kontrollrecht des Parlaments zwangsläufig 22 Vgl. ζ. Β. v. Mangoldt!Klein, V I . Die Bundesregierung, Vorbem. I I I 1 (S. 1194), 3 b (S. 1195); Fichtmüller, S. 328. 23 Fichtmüller, S. 326. 24 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 40; Maunz i n Maunz! Dürig!Herzog, A r t . 114 Rdnr. 23; vgl. Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 a bb.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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auch das Recht, das Finanzgebaren der einzelnen Behörden zu kontrollieren 2 5 . Das Prüfungsergebnis des Bundesrechnungshofes kann sich deswegen nicht danach unterscheiden, ob es dem Bundestag und dem Bundesrat oder der Bundesregierung als Unterlage dient. Der wesentliche Unterschied zwischen der Kontrolle der Verwaltungsbehörden durch das Parlament und der durch die Regierung w i r d jedoch deutlich an dem Ergebnis der parlamentarischen Kontrolle, dem Entlastungsbeschluß. Das Parlament t r i f f t m i t dieser Willenserklärung 2 6 eine Entscheidung über die politische Verantwortung der Regierung für die Haushaltswirtschaft des betreffenden Jahres 27 ; die Kontrolle der Regierung gegenüber den nachgeordneten Behörden ist jedoch nicht politischer, sondern administrativer Natur: Sie beruht auf dem Weisungsrecht der Regierung. Der Bericht des Bundesrechnungshofes nach Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG erfüllt daher zwei unterschiedliche Funktionen: Er dient der Regierung als Unterlage für die Kontrolle der Verwaltungsbehörden, dem Parlament als Unterlage für die Entlastung der Regierung 28 . Die Unterscheidung war noch deutlich zu erkennen i n den Regelungen der §§18 und 20 des Ober-Rechnungskammer-Gesetzes 29 und fand ihren Niederschlag auch noch i n der i n den §§ 107 und 109 RHO vorgeschriebenen Trennung von Bemerkungen und Bericht. Dieser Verschiedenheit der Funktionen der Berichterstattung durch den Bundesrechnungshof entspricht die unterschiedliche Form der Kontrolle durch die Prüfungsbehörde und durch das Parlament 3 0 . Die Volksvertetung prüft die Haushalts- und Vermögensrechnung unter politischen Aspekten: Sie kontrolliert, inwieweit ihre i m Haushaltsplan fixierten politischen Willensentscheidungen 31 durch die Regierung vollzogen wurden und welche politischen Folgerungen aus den Prüfungsergebnissen zu ziehen sind. Die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes sind dabei nur Material für diese Prüfung, das Parlament ist an die Fest25

Vgl. allgemein Fichtmüller, S. 327 f. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 29; Schmidt-Bleibtreu/ Klein, A r t . 114 Rdnr. 17; vgl. auch Bouwman, Die Bedeutung der staatsrechtlichen Entlastung unter besonderer Berücksichtigung des A r t i k e l 114 Absatz 2 des Grundgesetzes, S. 72. 27 Bühler i n Bonner Kommentar, A r t . 114 Erl. 4; Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, S. 106; Bouwman, S. 138. 28 Vgl. BVerfGE 20, 56 (96). 29 Vgl. dazu oben Erster T e i l Β I 2. 30 Vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 40. 31 Vgl. Heckel, Errichtung u n d rechtliche Bedeutung des Reichshaushaltsgesetzes, i n : HdbDStR Bd. I I , S. 374 ff. (390): Das Haushaltsgesetz ist ein „staatsleitender A k t " . Zustimmend Maunz i n Maunz!Dürig!Herzog, A r t . 110 Rdnr. 7; Schmidt-Bleib treu! Klein, A r t . 110 Rdnr. 3; Stern, Rechtsfragen der öffentlichen Subventionierung Privater, i n : JZ 1960, 518 ff. (521). Vgl. dazu auch Friauf, S. 280 ff.; BVerfGE 20, 56 (90 f.). 26

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Zweiter Teil: Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Stellungen der Prüfungsbehörde nicht gebunden 32 . Dem Bundesrechnungshof sind dagegen bei seiner Prüfung die politischen Entscheidungen sowohl des Parlaments als auch der Regierung vorgegeben 33» 3 4 . Seine Prüfungstätigkeit ist deshalb dann beendet, wenn er festgestellt hat, ob und inwieweit die Verwaltung bei dem Vollzug dieser Entscheidungen wirtschaftlich und ordnungsmäßig gehandelt hat. Die Regierung darüber zu unterrichten ist Sinn der ihr gegenüber bestehenden Berichtspflicht. Die Kontrollbedürfnisse der Regierung gegenüber den nachgeordneten Behörden sind damit befriedigt; denn sie vermag auf Grund des Berichtes zu erkennen, ob und wie ihre Weisungen ausgeführt wurden. Für das Parlament stellt die Prüfung durch den Bundesrechnungshof dagegen nur eine Vorstufe für die eigene Kontrolltätigkeit dar 3 5 : A u f Grund des vorliegenden Materials kann die Volksvertretung zwar auch feststellen, ob und wie ihre politischen Willensentscheidungen vollzogen wurden; wesentlicher ist für sie aber die Überprüfung der von der Regierung getroffenen politischen Entscheidungen, die sich u. a. i n der Haushaltsund Vermögensrechnung niederschlagen. Daraus ergibt sich, daß der Bundesrechnungshof m i t seiner Prüfungstätigkeit keine Funktion des Parlaments wahrnimmt: Das die Kontrolltätigkeit der Volksvertretung charakterisierende politische Element, das aus der parlamentarisch-politischen Verantwortlichkeit der Regierung folgt, fehlt der Tätigkeit der Prüfungsbehörde. Zwar haben die Berichte des Bundesrechnungshofes auch eine eminent politische Bedeutung, doch beruht diese nicht auf der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes, sondern darauf, daß die Volksvertretung auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Berichte politische Entscheidungen t r i f f t (vgl. § 114 Abs. 2 BHO)36.

Allerdings darf nicht übersehen werden, daß dem Bundestag und dem Bundesrat erst durch den Prüfungsbericht die Ausübung seiner politi32 Maunz i n Maunz!Dürig!Herzog, A r t . 114 Rdnr. 24, 28. Vgl. auch § 114 Abs. 2 B H O : „Der Bundestag s t e l l t . . . die wesentlichen Sachverhalte f e s t . . . " ; Bouwman, S. 31 ff. m. w. N. 33 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 25 a. E.; Dreßler, S. 167; Fuchs, S. 63; Lange, S. 155; Vogel, Verfassungsrechtliche Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, i n : DVB1. 1970, 193 ff. (195). 34 Deutlich w i r d dies z. B. bei den Anmerkungen des Bundesrechnungshofes zur Beschaffung des Kampfflugzeuges F 104 G .(Starfighter) : I n den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu den Bundeshaushaltsrechnungen (einschließlich der Bundesvermögensrechnungen) für die Haushaltsjahre 1968 und 1969 (BTDrucks. VI/2697), S. 64 ff., w i r d lediglich die Durchführung des Beschaffungsbeschlusses, nicht aber die — politisch umstrittene — Entscheidung selbst geprüft u n d kritisiert (s. insbes. S. 64 Tz 194, S. 66 Tz 198, S. 68 Tz 201). 35 Vgl. BVerfGE 20, 56 (96); Ritzel, S. 129; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 39 f.; Bouwman, S. 31; Schäfer, Der Bundesrechnungshof i m Verfassungsgefüge der Bundesrepublik, i n : DÖV 1971, 542 ff. (543). 36 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 39; Bouwman, S. 138 ff.

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sehen Kontrolltätigkeit ermöglicht w i r d 3 7 . Daraus ließe sich folgern, daß der Bundesrechnungshof ein Hilfsorgan des Parlaments ist, wenn auch gleichzeitig eines der Regierung 38 . Dieser Ansicht ist zuzustimmen, soweit sie nicht mehr darstellt als die Umschreibung der Tatsache, daß der Volksvertretung durch die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes Hilfestellung geleistet w i r d bei ihrer spezifisch eigenen Form der Kontrolle. Piduch 39 folgert jedoch aus der Ansicht des Rechtsausschusses des Bundestages 40 , der Bundesrechnungshof sei „Hilfsorgan sowohl der Exekutive als auch der Legislative", der Bundesrechnungshof sei i m Hinblick auf das Parlament als ein Hilfsorgan im verfassungsrechtlichen Sinne — wie der Wehrbeauftragte des Bundestages gemäß A r t . 45 b GG — anzusehen. Dem steht jedoch zum einen entgegen, daß der Wehrbeauftragte des Bundestages ausdrücklich i n A r t . 45 b GG als „Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle" bezeichnet wird, während A r t . 114 GG eine derartige Bezeichnung nicht enthält. Zum anderen beruht die Institution des Wehrbeauftragten des Bundestages auf dem Vorbild des skandinavischen Militieombudsman 41, einem Parlamentsorgan, während die Rechnungsprüfungsbehörden i n Deutschland zumindest bis 1945 Verwaltungsbehörden waren 4 2 . Darüber hinaus ist der Wehrbeauftragte ein Unterorgan des Bundestages 43 , der ungeachtet seiner Weisungsfreiheit i m einzelnen dem Parlament unterstellt ist; der Wehrbeauftragte ist auch nicht gleichzeitig ein Organ der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt, weil seine Stellung und seine Aufgaben ihn als Werkzeug allein der parlamentarischen Kontrolle ausweisen 44 . Daraus folgt auch, daß der Wehrbeauftragte nicht neben der 37 Ritzel, S. 130; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (vor Z u Absatz 1); Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 40; Schäfer, S. 543. 38 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (Zu Absatz 2); Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 35 a. E.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 114 Rdnr. 9. 39 Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 34 f.; vgl. auch Pfuhlstein, S. 11; Martens, Grundgesetz u n d Wehrverfassung, S. 184; Ipsen, Referat, S. 23; Kern, Selbstverwaltung der Gerichte?, S. 90; Karehnke, S. 442, 444; s. dazu Schäfer, S. 543. 40 Schriftlicher Bericht, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (Zu Absatz 2); dagegen Schäfer, S. 543. 41 Vgl. dazu Dürig i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 45 b Rdnr. 3. 42 Vgl. dazu oben Erster T e i l A I I , Β I 2, C I I 3. 43 Vgl. dazu Dürig i n Maunz!Dürig/Herzog, A r t . 45 b Rdnr. 5 ff., der sich überzeugend m i t den gegenteiligen Ansichten auseinandersetzt; s. auch Martens, S. 184 f. 44 Eine derartige Doppelstellung als Organ des Parlaments u n d der Regierung ergibt sich auch nicht aus der nicht eindeutigen Formulierung i n A r t . 45 b GG (vgl. Dürig i n Maunz/Dürig/ Η erzog, A r t . 45 b Rdnr. 6 ff.). Dies zeigt sich schon daran, daß der Wehrbeauftragte nicht den Weisungen der Regierung, w o h l aber i n gewissem Rahmen denen des Bundestages unterstellt ist. Vgl.

10 Grupp

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung steht 4 5 oder ein Organ einer vierten Gewalt ist 4 6 . Die Vorschriften über die Stellung des Wehrbeauftragten zeigen vielmehr deutlich seine organisatorische und funktionelle Verbindung m i t dem Bundestag. I m übrigen entspricht die Kontrollaufgabe des Wehrbeauftragten der des Parlaments, so daß er auch nicht deshalb als ein außerhalb der herkömmlichen Gewaltenteilung stehendes Organ anzusehen ist 4 7 . Eine der des Wehrbeauftragten entsprechende Stellung als Hilfsorgan nähme der Bundesrechnungshof nur dann ein, wenn er nicht nur zur Berichterstattung an das Parlament verpflichtet wäre, sondern auch auf dessen Verlangen etwa der Präsident des Bundesrechnungshofes i m Bundestag erscheinen müßte und das Parlament die Mitglieder, mindestens aber den Präsidenten, einsetzen und abberufen könnte. Überdies beruht die Berichtspflicht des Bundesrechnungshofes auf einer anderen Grundlage als die des Wehrbeauftragten. Die i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG normierte Pflicht der Prüfungsbehörde folgt aus der Verpflichtung der Regierung, dem Parlament gegenüber die Verantwortung für den Budgetvollzug zu übernehmen. Daraus ergibt sich das Recht des Parlaments, von der Regierung einen Nachweis über das Finanzgebaren zu verlangen. Ihrer Verpflichtung kommt die Regierung teilweise dadurch nach, daß sie dem Parlament die Haushalts- und Vermögensrechnung vorlegt. Dieser nur generelle Nachweis w i r d ergänzt durch einen detaillierten Bericht, den das für die Kontrollbedürfnisse der Regierung tätige Organ vorzulegen hat 4 8 . A u f Grund des generellen und des detaillierten Nachweises nimmt das Parlament seine politische Kontrolle vor und befindet über die Entlastung der Regierung. Dies ergibt sich auch aus § 114 Abs. 3 und 4 BHO: Wenn dem Bundestag die Nachweisung nicht erschöpfend erscheint, so kann er einzelne Sachverhalte zur weiteren Aufklärung an den Bundesrechnungshof zurückverweisen, i m übrigen muß die Bundesregierung über die Einleitung der vom Bundestag gemäß § 114 Abs. 2 BHO verlangten Maßnahmen berichten. Der Bundesrechnungshof hat seine Berichte dem Parlament vorzulegen, w e i l die Regierung zum Nachweis über den von ihr geleiteten Budgetvollzug verpflichtet ist; der Wehrbeauftragte hat dagegen dem Parlament zu berichten, weil er von diesem einen spezifischen Kontrollauftrag erhalten hat. dazu auch Pfennig, Die Beziehungen zwischen Parlament u n d Rechnungshof, i n : DVB1. 1968, 197 ff. (198); Martens, S. 185. 45 So aber Ule, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, S. 428. 40 Diese Ansicht w i r d z. B. vertreten von Bauer, S. 9, u n d Gross, S. 261. 47 Martens, S. 184 f. Vgl. dazu auch oben Zweiter Teil C I. 48 Diese Deutung w i r d belegt durch die historische Entwicklung (vgl. oben Erster T e i l Β I 2): A u f G r u n d der Haushaltsrechnung allein w a r der preußische Landtag nicht i n der Lage, die Einhaltung des Haushaltsplans zu kontrollieren, vielmehr benötigte er dazu die Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer. Wie hier auch Maunz i n Maunz!Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 23.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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Der Bundesrechnungshof ist auch nicht deswegen als Hilfsorgan des Parlaments anzusehen, w e i l er unmittelbar an den Bundestag und den Bundesrat zu berichten hat (Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG) und weil der Bundestag nach § 114 Abs. 3 BHO einzelne Sachverhalte unmittelbar an den Bundesrechnungshof zur weiteren Aufklärung zurückverweisen kann 4 9 » 5 0 . Das unmittelbare Verkehrsrecht des Bundesrechnungshofes mit dem Parlament, das auch i n § 88 Abs. 2 BHO enthalten ist, stärkt nur die Stellung der Volksvertretung gegenüber der Regierung, ändert aber nicht das Wesen der Berichtspflicht. Auch durch den unmittelbaren Verkehr zwischen Prüfungsbehörde und Parlament bleibt die Funktion des Berichts erhalten, Unterlage für die Kontrolltätigkeit der Volksvertretung zu sein; denn das Verkehrsrecht übt keinen Einfluß auf die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofes aus und verändert daher nicht den Inhalt des Berichts. Da die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes verschieden von der vom Parlament ausgeübten politischen Kontrolltätigkeit gegenüber der Regierung ist, nimmt der Bundesrechnungshof m i t seiner Prüfung keine Funktion der Volksvertretung wahr, sondern leistet nur Vorarbeiten für die Kontrolle durch das Parlament. Auch aus der Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes gemäß § 88 Abs. 2 BHO ergibt sich nicht, daß die Prüfungsbehörde eine Funktion des Parlaments wahrnimmt 5 1 . Die beratende Tätigkeit, die i n engem Zusammenhang m i t der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes steht (§ 88 Abs. 2 Satz 1 BHO), soll den politisch verantwortlichen Organen nur gutachtliche Äußerungen des Bundesrechnungshofes verschaffen, die dieser auf Grund seiner Sachkunde machen kann; der Regierung und dem Parlament bleibt es überlassen, ob und welche Folgerungen aus der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes zu ziehen sind 5 2 . Die gutachtlichen Äußerungen können zu einer Beschlußfassung der Regierung oder des Parlaments führen oder den Erlaß eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung bewirken, sie sind ihrem Wesen nach jedoch nicht mehr als Anregungen für derartige Entscheidungen, so daß der Bundesrechnungshof auch insoweit nicht als Organ der Legislative anzusehen ist. 49

Eine entsprechende Regelung enthalten die Haushaltsordnungen der L ä n der m i t Ausnahme der Landeshaushaltsordnungen von Berlin u n d Bremen. 50 a. A. noch Maunz i n Maunz!Dürig/Herzog i n seiner Kommentierung von A r t . 114 a. F. GG, Rdnr. 23, unter Hinweis auf entsprechende Bestimmungen i n einigen Bundesländern. Wie hier auch Pfennig, S. 200. 51 Entsprechendes gilt f ü r das i n Niedersachsen (§ 88 Abs. 2 LHO) u n d Rheinland-Pfalz (§12 RHG) normierte Recht des Rechnungshofes, an den Beratungen des Landtages bzw. seiner Ausschüsse teilzunehmen; denn die M i t glieder des Rechnungshofes treffen keine Entscheidungen, sondern haben sich n u r gutachtlich zu äußern. — Ebenso Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 88 B H O Anm. 6; Franz Klein, S. 807; vgl. oben Zweiter T e i l Β V a. E. 52 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 88 B H O A n m . 6; vgl. auch Vogel, S. 196 f. 10*

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Der Bundesrechnungshof nimmt daher — ebenso wie die Landesrechnungshöfe — keine Funktion des Parlaments wahr: Weder die politische Kontrolle der Regierung noch gesetzgeberische Aufgaben gehören zu seinem Tätigkeitsbereich 53 . Die Rechnungshöfe sind aber nicht nur funktionell, sondern auch organisatorisch von den Organen der Gesetzgebung getrennt: Sie sind den Parlamenten gegenüber unabhängig und nicht weisungsgebunden. Selbst i n den Ländern 5 4 , i n denen dem Rechnungshof durch einen Beschluß des Parlaments ein besonderer Prüfungsauftrag erteilt werden kann, bleibt die Weisungsfreiheit bestehen. I n diesen Einzelfällen w i r d der Rechnungshof zwar als Kontrollorgan für das Parlament tätig, aber nicht als ein Organ des Parlaments: Auch i n diesen Fällen liegt dem Prüfungsauftrag der Volksvertretung der gegenüber der Regierung bestehende Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft über das Finanzgebaren der Verwaltung zugrunde. Auch die auf Landesebene bestehende Mitwirkungsbefugnis der Parlamente bei der Ernennung des Präsidenten bzw. der Mitglieder der Rechnungshöfe 55 ändert nichts daran, daß die Rechnungshöfe keine Organe der Volksvertretungen sind. Zwar ist dieses Mitwirkungsrecht ein Ausfluß der parlamentarischen Kontrollbefugnis: Der Regierung soll es nicht möglich sein, durch personelle Maßnahmen die Wirksamkeit der Prüfungstätigkeit zu beeinflussen, aber die für eine Ernennung notwendige M i t w i r k u n g verändert weder die Tätigkeit der Rechnungshöfe noch den Charakter der Berichtspflicht noch die organisatorische Trennung der Rechnungshöfe von den Organen der Gesetzgebung. Die Rechnungshöfe sind daher nicht dem Bereich der Legislative zuzurechnen. I I I . Rechnungshöfe und rechtsprechende G e w a l t

Sind die Rechnungshöfe weder funktionell noch organisatorisch parlamentarische Organe, so ist zu untersuchen, ob sie Rechtsprechung ausüben und Gerichte sind. Das Grundgesetz enthält i n A r t . 92 keine Definition der Rechtsprechung im materiellen Sinne. Jedoch ist i n der Literatur 5 6 wiederholt be53 Vgl. auch Körte, S. 684 ff.; Dahlgrün, Die staatliche Finanzkontrolle, S. 229 f.; Peucker, S. 30. 54 s. dazu oben Zweiter Teil Β I V 2 a. E. 55 Vgl. i m einzelnen oben Zweiter T e i l Β I I . 56 Vgl. ζ. B. Rumpf, V e r w a l t u n g und Verwaltungsrechtsprechung, Bericht i n den Verhandlungen der Tagung der deutschen Staatsrechtslehrer Hamburg 1955, i n : V V d S t R L 14 (1956), 136 ff. (149); Friesenhahn, Über Begriff u n d A r t e n der Rechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung der Staatsgerichtsbarkeit nach dem Grundgesetz u n d den westdeutschen Landesverfassungen, i n : Festschrift für Richard Thoma, S. 21 ff. (21 f.); Holtkotten i n Bonner K o m mentar, A r t . 92 Erl. I I 1 b ; a. A. w o h l Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 92 Rdnr. 2.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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tont worden, daß Art. 92 GG ein materieller Begriff der Rechtsprechung zugrunde liege. Dieser Ansicht hat sich das Bundesverfassungsgericht 57 angeschlossen, aber den Begriff nicht definiert, sondern lediglich einzelne Bereiche als jedenfalls zur Rechtsprechung gehörig bezeichnet. I m Hinblick auf die vorliegende Untersuchung ist jedoch eine Abgrenzung des Begriffs Rechtsprechung von den Begriffen Gesetzgebung und Verwaltung unumgänglich; denn A r t . 92 GG überträgt die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit ausschließlich den Richtern 58 . Wäre daher die wesentliche Tätigkeit des Bundesrechnungshofes rechtsprechender Nat u r 5 9 , so müßte er als Gericht institutionalisiert sein 60 , sein Verfahren müßte dann den i m I X . Abschnitt des Grundgesetzes enthaltenen Normen entsprechen 61 . Da das Grundgesetz sich darauf beschränkt, den Gerichten bestimmt umrissene Aufgaben zuzuweisen und Grundsätze für das gerichtliche Verfahren aufzustellen, kann davon ausgegangen werden, daß der Verfassungsgeber von einem Begriff der Rechtsprechung i m materiellen Sinne ausging, ohne daß er ihn ausdrücklich nannte. Er knüpfte dabei zwangsläufig an die Vorstellungen an, die sich m i t dem Begriff Rechtsprechung auf Grund der historischen Entwicklung verbanden. Allerdings enthielt auch die Reichsverfassung von 1919 keine Definition dieses Begriffes, sondern traf unter der Überschrift „Die Rechtspflege" lediglich organisatorische Bestimmungen über Richter und Gerichte. Der Weimarer Verfassung ließen sich daher zwar die Kriterien der Rechtsprechung i m formellen Sinne 6 2 durch Auslegung unter Rückgriff auf die Entwicklung entnehmen, nicht aber der Begriff der Rechtsprechung i m materiellen Sinne 63 . Ebenso wie für die Auslegung von Art. 92 GG eine Definition der Rechtsprechung i m materiellen Sinne erforderlich ist, bestand auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Notwendigkeit, die Rechtsprechung nach materiellen Kriterien zu bestimmen; denn i n der 57

E 22, 49 (73 ff.). Vgl. BVerfGE 22, 49 (78); Holtkotten i n Bonner Kommentar, A r t . 92 Erl. I I 1 d; Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte u n d der gesetzliche Richter, S. 628 ff. 59 So Ridder, Empfiehlt es sich, die vollständige Selbstverwaltung aller Gerichte i m Rahmen des Grundgesetzes gesetzlich einzuführen?, Gutachten für den 40. Deutschen Juristentag Hamburg 1953, S. 129; Beckensträter, S. 137, 189 ff.; Neuschier, Organisatorische Stellung der Gerichte, i n : D Ö V 1950, 710 f. (710); vgl. auch Schmölders, Finanzpolitik, 2. Aufl., S. 36; Richter, Mitglieder des Rechnungshofes — Beamte oder Richter?, i n : DVB1. 1969, 67 ff.; Vogel, S. 195. 60 Bettermann, Die Unabhängigkeit der Gerichte und der gesetzliche Richter, S. 634. 61 BVerfGE 22, 49 (78). 62 Vgl. dazu Thoma, Grundbegriffe und Grundsätze, S. 133. 63 Anschütz, Verfassung, A r t . 103 A n m . 1; vgl. auch BVerfGE 22, 49 (73 f.). 58

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Zweiter Teil : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

Weimarer Zeit konnte die Rechtsprechung nicht nur von Gerichten ausgeübt werden, sondern auch den Verwaltungsbehörden übertragen sein 64 . Daher kann für die Untersuchung der materiellen K r i t e r i e n der Rechtsprechung auch auf die Literatur aus den Jahren vor dem I n k r a f t treten des Grundgesetzes zurückgegriffen werden. 1. Der Begriff der Rechtsprechung im materiellen Sinne

Bei dem Versuch, einen materiellen Begriff der Rechtsprechung festzulegen, darf nicht übersehen werden, daß jede der drei Staatsgewalten Elemente der F u n k t i o n der beiden anderen Gewalten enthält 6 5 . W i r d n u n die Gesetzgebung als das Setzen abstrakt-genereller Rechtsnormen verstanden, so ist die Vollziehung dieser Normen i m wesentlichen A u f gabe der Verwaltung und der Rechtsprechung 66 . Diese beiden Funktionen lassen sich zunächst dahingehend voneinander abgrenzen, daß Rechtsprechung insoweit Normenvollzug ist, als ein Ausspruch darüber ergeht, „was bei Anwendung allgemeiner Normen auf einen konkreten Tatbestand Rechtens i s t " 6 7 . Allerdings ist auch Verwaltung i m engeren Sinne, worauf Thoma 68 hinwies, „ V o l l z i e h u n g n a c h stattgefundener rechtsanwendender E n t s c h e i d u n g " , so daß weder das M e r k m a l der Rechtsanwendung noch das der Entscheidung zur Unterscheidung der Rechtsprechung von der Verwaltung ausreicht. Vielmehr muß ein formelles Element hinzutreten: die auf Grund der Organisation und des Verfahrens des rechtsanwendenden, entscheidenden Staatsorgans eintretende Verselbständigung des Ausspruchs; unter Rechtsprechung i m materiellen Sinne verstand Thoma 69 daher „den v e r s e l b s t ä n d i g t e n A u s s p r u c h dessen, was i n Anwendung des geltenden Rechtes auf einen konkreten Tatbestand i m Einzelfalle Rechtens ist, durch eine staatliche A u t o r i t ä t " . Diese Definition Thomas erweist sich jedoch als zu weitgehend: Unter sie würden z. B. auch die zahlreichen feststellenden Verwaltungsakte 7 0 fallen 7 1 . Daher schränkte schon Thoma 72 den Begriff der Rechtsprechung 64 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. (2. Neudruck), S. 12, 17. 65 Thoma, Grundbegriffe und Grundsätze, S. 128 f.; Achterberg, S. 46 ff. m. w. N. 66 Thoma, Grundbegriffe und Grundsätze, S. 129. 67 Thoma, Grundbegriffe und Grundsätze, S. 129. 68 Grundbegriffe und Grundsätze, S. 129 (Hervorhebungen i m Original). Vgl. dazu auch Bettermann, Verwaltungsakt und Richterspruch, i n : Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, S. 361 ff. (365); BVerfGE 22, 49 (76). 69 Grundbegriffe und Grundsätze, S. 129 (Hervorhebungen i m Original). 70 Vgl. dazu bei Wolff, Verwaltungsrecht I, § 47 I b, S. 311 f. 71 Wolff, Verwaltungsrecht I, § 19 I a 2, S. 77; s. auch Bettermann, V e r w a l tungsakt und Richterspruch, S. 374 ff. ; ders., Rechtsprechung, rechtsprechende Gewalt, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 1711 ff. (1715). 72 Grundbegriffe und Grundsätze, S. 131.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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i m Sinne von A r t . 102 WRV durch weitere formelle Elemente dahingehend ein, sie müsse durch unabhängige Gerichte ausgeübt werden i n einem Verfahren, das eine richtige Tatbestandsfeststellung und eine richtige Gesetzesanwendung gewährleiste 73 . Gegenüber dieser Betonung formeller Elemente versuchte Friesenhahn 74 Rechtsprechung i m materiellen Sinne dadurch zu charakterisieren, daß es sich u m eine Entscheidung eines Rechtsstreits handele. Dagegen wies Bettermann 75 darauf hin, daß echte Rechtsstreitentscheidungen nur bei der — zumeist subsidiären, für die Rechtsprechung nicht typischen — Feststellungsklage zu finden seien, während z. B. das Normenkontrollverfahren gerade keine Streitentscheidung enthalte und dennoch zur Rechtsprechung zu rechnen sei. Bettermann ist jedoch entgegenzuhalten, daß ein Rechtsstreit nicht nur dann vorliegt, wenn zwei Parteien sich m i t gegensätzlichen Rechtsauffassungen gegenüberstehen, sondern auch i n den Fällen, i n denen — ohne daß sich zwei Parteien streiten — unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen 76 . Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt ist es dann, durch A n wendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Tatbestand zu entscheiden, welche der Rechtsauffassungen i m Einzelfall zutreffend ist. Allerdings ist, worauf Eichenberg er 77 hingewiesen hat, das Vorhandensein gegensätzlicher Rechtsmeinungen nicht immer erforderlich; wesentlich ist nur, daß ein derartiger Gegensatz typisch ist. Unter Berücksichtigung dessen ist auch das Normenkontrollverfahren als Ausübung rechtsprechender Gewalt i m materiellen Sinne anzusehen; denn auch hierbei stehen sich typischerweise verschiedene Rechtsauffassungen gegenüber. I n diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein wesentliches Merkmal der Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsstreits durch einen unbeteiligten Dritten ist 7 8 . Überdies ist auch zu beachten, daß Rechtsprechung reine Rechtsanwendung ist, d. h. ausschließlich die Anwendung von Rechtssätzen 79 , u m unabhängig von der Interessenlage zu der Erkenntnis zu kommen, was rechtens ist 8 0 . Aus der Tatsache, daß der Richter entscheidet, was rechtens ist, ergibt sich die 73 So auch Bettermann, Verwaltungsakt und Richterspruch, S. 376, 385. Vgl. auch Friesenhahn, S. 27. 74 S. 27. 75 Verwaltungsakt u n d Richterspruch, S. 370 f. ; ders., Rechtsprechung, Sp. 1718 f. Vgl. auch BVerfGE 22, 49 (76). 76 Vgl. dazu Eichenberger, Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, S. 11. 77 S. 11 A n m . 2, S. 21 ff. 78 Vgl. Friesenhahn, S. 25 ff., 30 ff. Dasselbe K r i t e r i u m meint auch Bettermann (Verwaltungsakt u n d Richterspruch, S. 372), wenn er ausführt, daß Rechtsprechung keine Entscheidung i n eigener Sache beinhalte, wie sich aus seiner Verweisung auf Friesenhahn, aaO, ergibt. 79 Bettermann, Verwaltungsakt u n d Richterspruch, S. 365; vgl. auch Friesenhahn, S. 25. 80 Bettermann, Verwaltungsakt u n d Richterspruch, S. 373.

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

m a t e r i e l l e R e c h t s k r a f t als B e s t a n d t e i l des Richterspruchs, d. h. die F e s t s t e l l u n g , daß die getroffene E n t s c h e i d u n g rechtens i s t 8 1 . Z u s a m m e n f a s s e n d l ä ß t sich d a h e r a u f d e r G r u n d l a g e d e r D e f i n i t i o n Thomas u n d i n A n l e h n u n g a n die A n s i c h t e n v o n Bettermann u n d Friesenhahn die Ausübung rechtsprechender Gewalt gemäß A r t . 92 G G i m m a t e r i e l l e n S i n n e b e s t i m m e n als der in einem Rechtsstreit durch einen unbeteiligten Dritten ergehende verselbständigte, der materiellen Rechtskraft fähige Ausspruch dessen, was in alleiniger Anwendung geltender Rechtssätze auf einen konkreten Tatbestand im Einzelfall rechtens ist 82. 2. Die Tätigkeit des Rechnungshofes W i r d die T ä t i g k e i t des Bundesrechnungshofes d a r a u f h i n u n t e r s u c h t , ob sie Rechtsprechung i m m a t e r i e l l e n S i n n e d a r s t e l l t , so k a n n die U n t e r suchung n i c h t a u f e i n e n T e i l b e r e i c h b e s c h r ä n k t w e r d e n 8 3 , sondern m u ß j e d e n f a l l s die gesamte P r ü f u n g s t ä t i g k e i t umfassen. D a z u z ä h l e n s ä m t liche A u f g a b e n , die a u f G r u n d d e r historischen E n t w i c k l u n g d e n u n a b h ä n g i g e n K o n t r o l l b e h ö r d e n schon lange v o r I n k r a f t t r e t e n d e r B u n d e s haushaltsordnung übertragen w o r d e n w a r e n 8 4 . Rechnungsprüfung i n diesem S i n n e (§§ 89 f. B H O ) u m f a ß t die Rechnungs-, d i e Verwaltungsund 81

Bettermann, Rechtsprechung, Sp. 1716. Einen abweichenden Begriff der Rechtsprechung v e r t r i t t Ridder, S. 127: Rechtsprechung sei jede staatliche Entscheidungstätigkeit, die von staatlichen Organen i m Rahmen ihrer Wahrnehmungszuständigkeit u n d unabhängig von allen anderen staatlichen Organen und sonstiger Beeinflussung ausgeübt werde und i n einem verselbständigten Ausspruch dessen bestehe, was i n A n wendung des geltenden Rechts auf einen konkreten Sachverhalt rechtens sei. Diese Definition, i n Anlehnung an Thoma gebildet, genügt für eine Abgrenzung der rechtsprechenden von der verwaltenden Tätigkeit nicht (Ridder, S. 128). Deshalb w i l l Ridder die Rechtsprechung danach bestimmen, welche organisatorischen u n d prozessualen „Standards" (S. 128) — z. B. überwiegende Aufklärungs- u n d Rechtsanwendungstätigkeit, Technik unparteiischer W ü r digung, Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Beweiserhebung, Weisungsfreiheit etc. — die richterliche Tätigkeit charakterisieren, d.h. er w i l l die formellen Bestandteile des gerichtlichen Verfahrens zum wesentlichen M e r k m a l der Rechtsprechung erheben. Damit w i r d jede Verwaltungstätigkeit, die sich i m Rahmen dieser „Standards" hält, zur Rechtsprechung (Ridder, S. 129); i m U m kehrschluß wäre daher alles das als V e r w a l t u n g zu qualifizieren, was nicht mehr i n einem derartigen Verfahren entschieden w i r d . Der Begriff Rechtsprechung wäre damit völlig ausgehöhlt — es läge i n der Hand des einfachen Gesetzgebers, durch eine Änderung der Verfahrensordnungen die verfassungsrechtlichen Garantien der Rechtsprechung zu umgehen (vgl. dazu auch Bettermann, Das Gerichtsverfassungsrecht i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, i n : AöR 92 [1967], 496 ff. [497]). Die Qualifikation der Rechtsprechung als einer besonderen F o r m der Verwaltungstätigkeit (so Ridder, S. 129) entspricht aber nicht A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG. 83 So aber Ridder, S. 129, der lediglich die Aufgaben des Rechnungshofes nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 RHO untersuchte. — Wie hier: Saemisch, Kontrolle, S. 38. 84 Vgl. oben Erster T e i l E. 82

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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die Verfassungskontrolle; Ergebnis der Prüfung sind die Mitteilungen nach § 96 BHO sowie die Bemerkungen nach § 97 BHO. Voraussetzung dafür, die Rechnungsprüfung als Rechtsprechung qualifizieren zu können, ist, daß sie einen auf Grund der Anwendung von Rechtssätzen ergehenden Ausspruch darstellt. Rechtsanwendung liegt zumindest insoweit nicht vor, als der Rechnungshof i m Rahmen der Rechnungskontrolle die rechnerische Richtigkeit und die Übereinstimmung der Beträge m i t sonstigen Unterlagen prüft. Zwar handelt es sich hier u m eine Prüfung, die der Bundesrechnungshof auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift (§ 90 Nr. 2 BHO) durchführt, aber Voraussetzung und Inhalt einer Tätigkeit sind nicht identisch: Das Tätigwerden auf Grund von Rechtssätzen bedeutet nicht die Anwendung von Rechtssätzen 85 . Dagegen ist ein anderer Teil der Tätigkeit des Rechnungshofes als Rechtsanwendung anzusehen: Die Überprüfung des Finanzgebarens der Verwaltungsbehörden auf die Einhaltung der hierfür erlassenen Gesetze und Verordnungen, insbesondere auch des Haushaltsgesetzes, stellt eine Subsumtion des festgestellten Verhaltens der Verwaltung unter die geltenden Rechtsnormen dar. Hierbei handelt es sich u m eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns 86 , also u m Rechtskontrolle. Diese Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die i n Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG als Prüfung der „Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung" bezeichnet wird, verfolgt jedoch m i t der Rechtsanwendung nicht das Ziel zu entscheiden, ob das Handeln der Verwaltung i m Einzelfall rechtens ist. Aufgabe des Bundesrechnungshofes ist es allein, die Einhaltung der die Haushalts- und W i r t schaftsführung regelnden Vorschriften zu kontrollieren. Auch wenn die Prüfung zu dem Ergebnis kommt, daß z. B. das Haushaltsgesetz eingehalten wurde, so folgt daraus noch nicht, daß das Verwaltungshandeln tatsächlich rechtmäßig war. Denn der Bundesrechnungshof ist nicht befugt zu entscheiden, ob die von i h m bei der Prüfung angewendete Vorschrift nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Das Haushaltsgesetz ist — ebenso wie die sonstigen die Haushalts- und Wirtschaftsführung betreffenden Vorschriften — für den Rechnungshof nur Maßstab seiner Entscheidung, es kann aber nicht Gegenstand der Entscheidung sein 87 . Während das richterliche Prüfungsrecht, wie sich aus A r t . 100 Abs. 1 GG ergibt, die Gerichte ermächtigt, sämtliche Rechtsvorschriften am Maßstab der Verfassung zu überprüfen und vorkonstitutionelle Gesetze oder 85

Friesenhahn, S. 23. Maunz i n Maunz!Dürig!Herzog, A r t . 114 Rdnr. 19; Viaion, Haushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 7; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 25; Beckensträter S. 99. 87 Vgl. BVerfGE 20, 56 (96); B a y V e r f G H BayVBl. 1968, 314 f. (315) = DÖV 1968, 656 f.; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 33. 86

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Zweiter Teil: Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

nachkonstitutionelle untergesetzliche Rechtsvorschriften wegen eines Verstoßes gegen die Verfassung für verfassungswidrig zu erklären, hat der Bundesrechnungshof diese Kompetenz nicht. Überdies sind die Entscheidungen der Prüfungsbehörde nicht der materiellen Rechtskraft fähig: Selbst wenn der Bundesrechnungshof i n einem Einzelfall z. B. die Erteilung einer haushaltsgesetzlichen Ermächtigung zur Leistung von Ausgaben und ihre Inanspruchnahme i m Gegensatz zu einer Entscheidung der Verwaltung für verfassungswidrig hält, so ist doch sein Ausspruch auch i n diesem konkreten Fall sowohl hinsichtlich der Gültigkeit der Vorschrift i m Haushaltsgesetz als auch bezüglich des Verhaltens der Verwaltung rechtlich unverbindlich. Daher stellt zwar die Kontrolle durch den Bundesrechnungshof auch eine Überprüfung des Verwaltungshandelns auf dessen Gesetzmäßigkeit dar, aber die Prüfung ist allein darauf beschränkt, ob die die Haushalts- und Wirtschaftsführung regelnden Vorschriften eingehalten sind. Die Kontrolle erstreckt sich weder darauf, ob die Verwaltung durch die Einhaltung dieser Vorschriften rechtmäßig gehandelt hat, noch darauf, ob die Verwaltung über die Anwendung der haushaltsrechtlichen Normen hinaus i m Rahmen der Gesetze verfahren ist, sondern nur darauf, ob die Haushalts- und W i r t schaftsführungsvorschriften eingehalten wurden. Diese eingeschränkte Gesetzmäßigkeitskontrolle durch den Bundesrechnungshof ist daher keine Rechtsprechung i m materiellen Sinne; denn sie führt nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung darüber, ob das Verwaltungshandeln rechtens war. Neben der Prüfung der „Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung", die der Verfassungsgeber zutreffend nicht als Kontrolle der Rechtmäßigkeit bezeichnet hat, obliegt dem Bundesrechnungshof gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Durch diese Prüfung soll festgestellt werden, ob und inwieweit die zu kontrollierende Stelle bei der Beschaffung, der Verwaltung und der Verwendung von Mitteln — auch soweit bereits bestehende Einrichtungen betroffen werden — die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet hat. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe, die schon für die Tätigkeit der GeneralRechen-Kammer bestimmend w a r 8 8 und auch später einen wesentlichen Teil der Prüfungstätigkeit der Kontrollbehörde ausmachte 89 , zählt zu den wesentlichen Pflichten des Bundesrechnungshofes 90 . 88

Vgl. oben Erster T e i l A I 2 a. Vgl. dazu z. B. oben Erster T e i l A I 2 c, e, f. F ü r die Geltungsdauer der Reichshaushaltsordnung vgl. Viaion, Haushaltsrecht, § 96 RHO Anm. 8, § 26 RHO A n m . 1 u n d 2; s. auch die Äußerungen des Berichterstatters des Haushaltsausschusses anläßlich der zweiten Beratung des Entwurfs der Reichshaushaltsordnung, Stenographischer Bericht, aaO, S. 9338 (C). 90 Vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG Anm. 25. 89

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Prüfungstätigkeit als Rechtskontrolle 9 1 angesehen werden kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Verwaltungshandelns nicht eine reine Zweckmäßigkeitskontrolle wäre. Bei der Bestimmung der Begriffe Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit kann davon ausgegangen werden, daß die öffentliche Verwaltung, ebenso wie die Privatwirtschaft, einen vorhandenen Bedarf deckt 92 . Auch der erwerbswirtschaftliche Betrieb ist, zumindest nach neuerer Ansicht, nicht primär Instrument zur Gewinnerzielung 93 . Der Gesichtspunkt der Rentabilität w i r d daher i n der neueren Betriebswirtschaftslehre nicht mehr herangezogen bei dem Versuch, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu definieren, so daß auch für die Charakterisierung des Finanzgebarens der Verwaltung, deren Ziel nicht Gewinnerzielung, sondern Bedarfsdeckung ist, betriebswirtschaftliche Erkenntnisse herangezogen werden können 9 4 . Sowohl Sparsamkeit als auch Wirtschaftlichkeit sind Begriffe, die ein Verhalten bei der Erzielung eines Erfolges bezeichnen. Der Begriff Sparsamkeit ist eine Verhaltensbeschreibung nur unter dem Gesichtspunkt der Mittelverwendung und insoweit die Umschreibung für ein allgemeines Rationalprinzip 9 5 : möglichst wenig M i t t e l für einen bestimmten Erfolg verbrauchen 96 . Demgegenüber stellt der Begriff Wirtschaftlichkeit sowohl auf den Aufwand als auch auf den Ertrag ab, indem er beide i n Beziehung zueinander setzt 97 . I m Gegensatz zu dem Begriff Sparsamkeit erlaubt der Begriff Wirtschaftlichkeit damit nicht mehr eine absolute Aussage und läßt sich nur noch i m Vergleich zu anderen Verfahren messen 98 : Wirtschaftlich ist ein Verhalten, das bei einem vergleichsweise niedrigen Mitteleinsatz zu einem vergleichsweise hochwertigen Erfolg führt 9 9 . Daraus w i r d deutlich, daß Sparsamkeit ein Bestandteil der Wirtschaftlichkeit ist, der ergänzt w i r d durch den weiteren Bestandteil der Zweckmäßigkeit 10°; denn nicht jeder sparsame Mitteleinsatz, sondern nur der zweckmäßig sparsame führt zu einem hochwertigen Erfolg. 91

So aber Beckensträter, S. 100; Schenk, S. 160. Vgl. Hüttl, Wirtschaftlichkeit, i n : Verwaltung, S. 282 ff. (282, 288). Vgl. Hüttl, S. 288 f. 94 Hüttl, S. 287 f. — I m übrigen ist der Begriff der Rentabilität ohnehin zur Definition des Begriffes Wirtschaftlichkeit ungeeignet, w e i l auch ein u n w i r t schaftliches Verfahren rentabel sein kann, wenn n u r der Bedarf groß genug ist, damit der Ertrag die Aufwendungen übersteigt. 95 Wöhe, Einführung i n die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 6. Aufl., S. 3. 96 Hüttl, S. 289; Wöhe, S. 3; Seischab, Betriebswirtschaftliche Grundbegriffe, 3. Aufl., S. 10; vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I I I , § 162 I I I , S. 311. 97 Vgl. Wöhe, S. 30; s. auch Viaion, Haushaltsrecht, § 26 RHO A n m . 5. 98 Seischab, S. 10 f. 99 Seischab, S. 11. 100 Vgl. Lange, S. 155. 92

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Zweiter T e i l : Stellung und Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

A u f die öffentliche Verwaltung angewandt, deren M i t t e l i n aller Regel durch den Haushaltsplan begrenzt sind, bedeutet das i n § 7 Abs. 1 BHO niedergelegte Wirtschaftsprinzip: Die vorhandenen M i t t e l müssen so eingesetzt werden, daß ein vergleichsweise hochwertiger Erfolg erreicht w i r d bei Einhaltung oder sogar Unterschreitung der Mittelbegrenzung. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist also formaler Natur, weil es nichts über den Zweck aussagt, sondern nur die Methode des Handelns charakterisiert 1 0 1 . Die Relativierung von Mittel und Erfolg macht deutlich, daß es keine absolute Wirtschaftlichkeit gibt, sondern daß mehrere Verfahren i n gleicher Weise wirtschaftlich sein können: z. B. kann eine vorgegebene Aufgabe durch einen erhöhten Mitteleinsatz schnell durchgeführt werden, während eine andere Aufgabe erst anschließend durchgeführt werden kann — durch eine sparsame Mittelverwendung w i r d zwar die Durchführung der einen Aufgabe verzögert, aber für die andere Aufgabe bleiben M i t t e l frei, so daß diese Aufgabe gleichzeitig durchgeführt werden kann; i n der Rückschau kann sich zeigen, daß beide Aufgaben insgesamt mit denselben Mitteln i n derselben Zeit, nur m i t unterschiedlichem Mitteleinsatz, durchgeführt werden konnten. Daraus ergibt sich, daß die Verwendung der Begriffe Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit i n § 7 Abs. 1 BHO eine partielle Tautologie darstellt, weil Sparsamkeit eine Komponente der Wirtschaftlichkeit ist. Darüber hinaus w i r d ersichtlich, daß der Verwaltung durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit freigestellt wird, ob und vor allem wie sie unter gegebenen Voraussetzungen tätig werden w i l l , ohne gegen den Zweck der gesetzlichen Bestimmungen zu verstoßen, die ihre Tätigkeit grundsätzlich regeln. Der Begriff Wirtschaftlichkeit ist somit ein reiner Zweckmäßigkeitsbegriff. Durch § 7 Abs. 1 BHO w i r d der Verwaltung somit ein Recht zur Ermessensausübung 102 eingeräumt 1 0 3 : Sie kann die Modalitäten ihres Handelns i m Einzelfall weitgehend bestimmen, weil der Gesetzgeber bei dem Erlaß der Bundeshaushaltsordung die Einzelfälle nicht vorhersehen und das Verhalten der Verwaltung nicht normieren konnte 1 0 4 . Die dem Rechnungshof aufgetragene Pflicht zur Überprüfung der Wirtschaftlich101

Wöhe, S. 4. Vgl. dazu z. B. Stern, Ermessen u n d unzulässige Ermessensausübung, S. 18 ff.; Forsthoff, S. 80 f.; Vie, Ermessen, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 437 ff.; Wolff, Verwaltungsrecht I, § 31 I I , S. 184 ff.; Landmann/Giers/Proksch, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., S. 26. 103 So auch Saemisch, Kontrolle, S. 50; a. A. Beckensträter, S. 100; Peucker, S. 31 f., die die Begriffe Wirtschaftlichkeit u n d Sparsamkeit zu den unbestimmten Gesetzesbegriffen zählen. Vgl. dazu Wolff, Verwaltungsrecht I, § 31 4 α, S. 182, der diese Begriffe den Zweckmäßigkeitsentscheidungen zuordnet. 104 Vgl. dazu Stern, Ermessen, S. 21 ff.; Landmann/Giers/Proksch, S. 26. 102

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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keit der Verwaltungstätigkeit war daher eine Kontrolle des von der Verwaltung ausgeübten Ermessens 105 . Die Prüfung des Ermessens durch die Gerichte stellt zwar auch eine Rechtskontrolle dar; denn die Gerichte prüfen, ob der Umfang und die Grenzen des Ermessens, die durch die Gesetze gezogen sind, von der Verwaltungsbehörde eingehalten wurden. Aber die Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofes erstreckt sich nur darauf, die Einhaltung der die Haushalts- und Wirtschaftsführung regelnden Vorschriften zu kontrollieren. Eine Entscheidung des Rechnungshofes darüber, daß die Verwaltungsbehörde i m Rahmen dieser Vorschriften ihr Ermessen ausgeübt hat, führt angesichts der Beschränkung des Prüfungsmaßstabes nicht zu einem der materiellen Rechtskraft fähigen Ausspruch darüber, ob das Handeln der Verwaltung rechtsmäßig war. Daher kann die Ermessenskontrolle durch den Bundesrechnungshof nicht als Rechtskontrolle, sondern nur als Zweckmäßigkeitsprüfung angesehen werden; ebenso wie die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit stellt die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung gemäß A r t . 114 Abs. 2 GG nicht die Ausübung von rechtsprechender Gewalt i m materiellen Sinne dar 1 0 6 . Eine gegenteilige Folgerung ergibt sich auch nicht aus dem vom Bundesrechnungshof nach Abschluß seiner Prüfung der Verwaltungsbehörde gemäß § 96 Abs. 1 BHO mitzuteilenden Prüfungsergebnis. Dieses Prüfungsergebnis ist nicht der Ausspruch dessen, was nach Anwendung der geltenden Rechtssätze auf einen konkreten Tatbestand i m Einzelfall rechtens ist, sondern i n erster Linie eine Beurteilung, ob die Verwaltung zweckmäßig verfahren ist. I m übrigen stellt diese Mitteilung auch keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns dar, w e i l die ihr vorausgehende Prüfung nur eine Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit i m Hinblick auf die Haushalts- und Wirtschaftsführungsvorschriften ist. Außerdem erlangt die Entscheidung auch keine materielle Rechtskraft; dies ergibt sich zum einen daraus, daß sie nicht ausschließlich auf Rechtsanwendung beruht, zum anderen auf dem Fehlen einer entsprechenden Bestimmung i n der Bundeshaushaltsordnung. Die mangelnde Verbindlichkeit der Entscheidungen des Bundesrechnungshofes zeigt sich auch daran, daß auf Grund seiner Feststellungen kein Schadensersatz verlangt werden kann, sondern daß er lediglich die zuständige Stelle gemäß § 98 BHO auffordern kann, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Den auf Grund dieser Mitteilung von 105 So auch Saemisch, Kontrollwesen, S. 449; vgl. auch Viaion, Streitfragen der öffentlichen Finanzkontrolle, i n : F i n A r c h N. F. 22 (1962), I f f . (10); Bank, Uber die Eigenständigkeit, S. 529; a. A. — ohne Begründung — L V G Hannover DVB1. 1952, 444. 106 Vgl. dazu Schäfer, S. 542 f.

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

der Verwaltungsbehörde geltend gemachten Schadensersatzanspruch kann der Betroffene auch gerichtlich überprüfen lassen, ohne daß seiner Klage der Einwand der res iudicata entgegengehalten werden könnte. Ebensowenig stellen die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes gemäß § 97 BHO eine verbindliche Entscheidung dar. Sie können zwar weder vom Parlament noch von der Regierung abgeändert werden, aber die fehlende Abänderbarkeit der Bemerkungen charakterisiert diese — entgegen der Meinung Beckensträters 107 — nicht als Letztentscheidung i m Sinne von Menger 108. Die Bemerkungen weisen lediglich eine äußerliche Bestandskraft auf, die aus der organisatorischen Verselbständigung des Bundesrechnungshofes folgt, nicht aber eine materielle Bindungswirkung. Dies ergibt sich auch aus der Regelung i n § 114 Abs. 3 BHO, wonach das Parlament einzelne Sachverhalte an den Bundesrechnungshof zur weiteren Aufklärung zurückverweisen kann. Dadurch w i r d zwar die ursprüngliche Bemerkung des Rechnungshofes nicht aufgehoben, aber er ist verpflichtet, erneut das Kontrollverfahren durchzuführen und seine erste Entscheidung zu überprüfen. Aus diesen Gründen kann die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes nicht als Ausübung von Rechtsprechung i m materiellen Sinne angesehen werden 1 0 9 . Aber auch die beratende Tätigkeit gemäß § 88 Abs. 2 BHO ist keine Rechtsprechung; denn auch hierbei handelt es sich nicht darum, daß der Rechnungshof verbindlich erklärt, welche Verwaltungsmaßnahmen rechtmäßig sind. Diese Vorschrift soll lediglich — wie schon der Wortlaut deutlich macht 1 1 0 — die bei der Prüfung vom Bundesrechnungshof gesammelten Erfahrungen für die Lösung wesentlicher Fragen nutzbar machen 111 . Schon daraus ergibt sich, daß die Prüfungsbehörde sich nicht zur Klärung rechtlicher Fragen äußern soll, sondern zur Gestaltung des Verwaltungshandelns unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten 112 ; überdies stellt eine beratende Tätigkeit ohnehin keine verbindliche Entscheidung darüber dar, was i m Einzelfall rechtens ist. Weder die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes noch seine sonstigen Aufgaben sind daher als Rechtsprechung anzusehen 113 , so daß die Prüfungsbehörde nicht ein Organ der rechtsprechenden Gewalt ist. 107

S. 187 ff.; ebenso Schenk, S. 164. Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, i n : V e r w A r c h 50 (1959), 193 ff. 109 Wolff , Verwaltungsrecht I I I , § 163 I I I , S. 318. 110 „Der Bundesrechnungshof kann auf G r u n d von Prüfungserfahrungen . . . beraten." 111 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 88 B H O A n m . 6. 112 Vgl. dazu auch die Regelung i n § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO. 113 Ebenso Körte, S. 686; Huber, Institutionelle Verfassungsgarantie, S. 335ff.; Menzel, Mitglieder des Rechnungshofes, S. 74; Bettermann, Gericht oder Verwaltungsbehörde, Rechtsprechung oder Verwaltung?, i n : D Ö V 1959, 761 ff. (767). 108

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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Das Prüfungsverfahren des Rechnungshofes ähnelt auch nicht einem gerichtsförmigen Verfahren 1 1 4 . Dem steht nicht entgegen, daß die Mitglieder des Rechnungshofes richterliche Unabhängigkeit genießen, daß die Behörde gegenüber dem Parlament und der Regierung selbständig ist und daß eine kollegialische Beschlußfassung vorgeschrieben ist; denn aus der Organisation der Behörde läßt sich nicht der Schluß auf ihre Funktion ziehen. Schon i m Hinblick auf A r t . 92 GG verbietet sich eine derartige Schlußfolgerung: Diese Vorschrift bestimmt, daß eine Angelegenheit durch unabhängige Richter zu entscheiden ist, wenn und soweit es sich dabei u m Rechtsprechung i m materiellen Sinne handelt, nicht aber, daß materiell dann Rechtsprechung vorliegt, wenn die zur Entscheidung Berufenen richterliche Unabhängigkeit besitzen 115 . Da der Bundesrechnungshof (ebenso wie die Landesrechnungshöfe) keine materielle Rechtsprechung ausübt, ist er nicht ein Organ der rechtsprechenden Gewalt; zutreffend hat ihn daher der Verfassungsgeber bei der Aufzählung der Gerichte nicht erwähnt.

I V . D i e Rechnungshöfe als Organe der vollziehenden G e w a l t

Da sich der Begriff Verwaltung nicht nach materiellen Kriterien bestimmen läßt, sondern nur i m Subtraktionswege definiert werden kann als die „Tätigkeit des Staats oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung" 116 , ist die Tätigkeit der Rechnungshöfe als Ausübung von Verwaltung anzusehen 117 . Demgegenüber wurde die Ansicht vertreten, der Rechnungshof sei eine Institution sui generis oder ein Organ einer vierten Gewalt 118. Dem steht jedoch entgegen, daß das Grundgesetz i n A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 die Ausübung der Staatsgewalt außer den Organen der Gesetzgebung und der Rechtsprechung denen der vollziehenden Gewalt übertragen hat. Die Ermittlung des Begriffs Verwaltung i m Subtraktionswege läßt zwar die vollziehende Funktion — i n Ermangelung materieller Abgrenzungskriterien — nur als Auffangtatbestand erscheinen, aber bei der Anwendung dieser Methode w i r d die Geschlossenheit des Gewal114 Vgl. B a y V e r f G H BayVBl. 1968, 314 f. (315) = DÖV 1968, 656 f. (656); s. auch oben Erster Teil Β I 2, Zweiter T e i l Β I V 1 d a. E. 115 Vgl. dazu auch Achterberg, S. 162 f. 116 W. Jellinek, S. 6; Forsthoff, S. 1; vgl. dazu auch Achterberg, S. 211 f. 117 Vgl. dazu Franz Klein, S. 806, 808; Huber, Institutionelle Verfassungsgarantie, S. 336; Henle, Die Ordnung der Finanzen i n der Bundesrepublik Deutschland, S. 92; Dahlgrün, Staatliche Finanzkontrolle, S. 231 (a. A. ders., Rechnungskontrolle, S. 416 f.); Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 a; s. auch Maunz i n Maunz!Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 12, 13; Thoma, Rechtsgutachten, S. 166; Bemerkungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 197; Tiemann, S. 958 f. 118 Vgl. dazu oben Zweiter Teil C I (mit Nachweisen i n Anm. 10 und 11).

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

tenteilungssystems gewahrt 1 1 9 , von der das Grundgesetz i n Art. 20 Abs. 2 Satz 2 offensichtlich ausgeht. Daher ist es auf Grund der positiven Regelung i m Grundgesetz nicht möglich, eine vierte Staatsfunktion oder die Existenz von Institutionen außerhalb dieses geschlossenen Systems anzunehmen. I m übrigen zeigt auch eine Betrachtung der Tätigkeit der Rechnungshöfe, daß sie Aufgaben erfüllen, die Organen der vollziehenden Gewalt obliegen. 1. Die Tätigkeit der Rechnungshöfe als Verwaltungsbehörden

Die vom Bundesrechnungshof durchzuführende Rechnungsprüfung ist keine Rechtmäßigkeitskontrolle. Dies ergibt sich schon aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, i n dem als Prüfungsmaßstäbe Wirtschaftlichkeit und Ordnung smäßigkeit genannt werden 1 2 0 . Die Wirtschaftlichkeitskontrolle erstreckt sich auch auf die inhaltliche Uberprüfung des Verwaltungshandelns. Diese Prüfung, die nicht nur eine Kontrolle der rechtlichen Grenzen und des Umfangs der Ermessensbetätigung durch die Verwaltungsbehörden ist 1 2 1 , ist nicht auf die Überprüfung des Verwaltungshandelns beschränkt: Der Bundesrechnungshof kann vielmehr, wenn er ein Verwaltungsverfahren für unwirtschaftlich hält, nicht nur dieses Verfahren als unzweckmäßig bezeichnen, sondern auch selbst ein nach seiner Ansicht wirtschaftliches vorschlagen. Dies ergibt sich eindeutig aus § 90 Nr. 4 BHO, wonach der Bundesrechnungshof verpflichtet ist, zweckmäßigere Verfahren zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe zu suchen. Damit greift der Bundesrechnungshof i n die Tätigkeit der Verwaltung ein. Zwar kann er nur bereits abgeschlossene Verwaltungsvorgänge überprüfen 1 2 2 , aber seine Beanstandung w i r k t sich auf das Verfahren der Behörde aus. Das zeigt sich auch an der Bestimmung des § 89 Abs. 1 Nr. 2 BHO, wonach der Bundesrechnungshof auch solche Maßnahmen zu prüfen hat, „die sich finanziell auswirken können", z. B. also verwaltungsorganisatorische Maßnahmen 123 . Zwar hat die Verwaltung, wenn der Bundesrechnungshof m i t der Prüfung beginnt, ihre Entscheidung schon getroffen, aber eine Beanstandung kann dazu führen, daß die Entscheidung zurückgenommen und durch eine andere ersetzt w i r d 1 2 4 . Deutlich w i r d dies auch an der Bestimmung i n § 102 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BHO: Hiernach kann sich der Bundesrechnungshof zu organisatorischen oder sonstigen 119

Achterberg, S. 212 (ebenso S. 165 A n m . 190 a. E.). Vgl. den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (Zu Absatz 2). 121 Vgl. dazu oben Zweiter T e i l C I I I 2. 122 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13 (Zu Absatz 2); Piduch, Bundeshaushaltsrecht, A r t . 114 GG A n m . 27, § 89 B H O A n m . 3. 123 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 89 B H O A n m . 3. 124 Vgl. auch Gotham, S. 158 ff. 120

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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Maßnahmen von erheblicher finanzieller Tragweite äußern. Damit ist dem Bundesrechnungshof nicht nur eine nachträglich wertende, sondern auch eine das Verwaltungshandeln unmittelbar beeinflussende Tätigkeit übertragen. Der Bundesrechnungshof bestimmt zwar nicht den Inhalt der Entscheidung, die er prüft, w e i l diese schon abgeschlossen ist, aber das Ergebnis seiner Kontrolltätigkeit beeinflußt die künftigen Maßnahmen der Verwaltungsbehörden. — Die Berliner Landeshaushaltsordnung vom 29. J u l i 1966 125 läßt das völlig deutlich werden. Sie bestimmt i n § 82 Abs. 2: „ A l l e Verwaltungsstellen haben unverzüglich dafür Sorge zu tragen, daß die i m Zuge der Rechnungsprüfung u n d Entlastung sowie bei der sonstigen Tätigkeit des Rechnungshofs 1. offenkundig gewordenen Mängel soweit wie möglich behoben werden, 2. unterbreiteten Vorschläge für eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit soweit wie möglich berücksichtigt werden."

Zwar weist die Bundeshaushaltsordnung eine derartige Vorschrift nicht auf, aber wenn auch die Verwaltungsbehörden nicht verpflichtet sind, den Beanstandungen und Vorschlägen des Bundesrechnungshofes zu folgen, so enthält doch das von i h m der zuständigen Dienststelle m i t geteilte Prüfungsergebnis Feststellungen, wie die Verwaltungsmaßnahmen künftig durchgeführt werden sollten. Damit w i r d das Handeln der Verwaltung beeinflußt. Auch aus der Bestimmung des § 97 Abs. 2 Nr. 4 BHO ergibt sich, daß der Bundesrechnungshof auf das Verwaltungshandeln einwirkt: Nach dieser Vorschrift hat er mitzuteilen, „welche Maßnahmen für die Zukunft empfohlen werden". Die Prüfungsbehörde kann hiernach i h r geeignet erscheinende Verfahren vorschlagen, die für die Verwaltungsbehörden verbindlich werden können. Dieselbe Wirkung haben die vom Bundesrechnungshof erstatteten Gutachten, soweit die Bundesregierung oder einzelne Bundesminister beraten werden. Nach alledem w i r d deutlich, daß der Bundesrechnungshof — obwohl er bezüglich der Ergebnisse seiner Tätigkeit nicht über Weisungsbefugnisse gegenüber den zu prüfenden Verwaltungsbehörden verfügt — die Ausführung des Haushaltsplanes nicht nur generell, sondern auch i m einzelnen erheblich beeinflußt. Dies zeigt sich auch daran, daß der Bundesrechnungshof nach § 27 Abs. 2 BHO schon auf die Voranschläge zum Haushaltsplan Einfluß nehmen kann, so daß er bei den von den Verwaltungsbehörden beabsichtigten Maßnahmen — z. B. der Errichtung von Bauten — m i t w i r k e n kann, bevor darüber entschieden wird. Die Prüfungsbehörde übt jedoch nicht nur eine gegenüber den zu prüfenden Behörden nicht vollziehbare M i t w i r k u n g aus, sondern sie 125

GVB1. S. 1148.

11 Grupp

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der BRD

ist auch m i t hoheitlichen Befugnissen ausgestattet: Sie kann dem Leiter der Vorprüfungsstelle gemäß § 100 Abs. 4 BHO Weisungen erteilen; die ihrer Kontrolle unterstehenden Verwaltungsbehörden sind nach § 95 BHO zur Vorlage von Unterlagen und zur Erteilung von Auskünften verpflichtet 1 2 6 . Auch kann der Bundesrechnungshof auf die Vorlage von Rechnungen verzichten und damit Prüfungen auf die Vorprüfungsstellen übertragen sowie die i h m obliegenden Prüfungen beschränken. — Ebenso übt der Rechnungshof nach der Reichsabgabenordnung hoheitliche Befugnisse aus: Er ist Aufsichtsbehörde i n den Fällen des § 222 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sowie des § 224 A O 1 2 7 . Demnach ist die Tätigkeit des Rechnungshofes als Verwaltung, er selbst als Verwaltungsbehörde anzusehen 1 2 8 . Gegen hoheitliche Maßnahmen des Rechnungshofes, die sich z. B. gegen Stellen außerhalb der Bundesverwaltung richten, kann von den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz nach den allgemeinen Vorschriften gewährt werden. 2. Die Stellung der Rechnungshöfe innerhalb der Verwaltung

Der Einordnung des Bundesrechnungshofes als Verwaltungsbehörde steht auch nicht entgegen, daß die Prüfungsbehörde von Weisungen der Regierung und des Parlaments unabhängig ist. Die Weisungsbefugnis der Regierung gegenüber den Verwaltungsbehörden ergibt sich aus der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, das durch die Ausübung seiner Kontrollrechte auf die Verwaltung einwirken kann 1 2 9 . Ausnahmen von diesem Kontrollrecht durch Behörden i m ministerialfreien Raum könnten daher gegen den Grundsatz parlamentarischer Kontrolle verstoßen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Grundgesetz i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 1 den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes ausdrücklich die Weisungsunabhängigkeit gewährt und dam i t auch die Ausnahme von der Kontrolle durch das Parlament festgelegt hat. Darüber hinaus w i r k t der Bundesrechnungshof zwar bei der Verwaltung durch die der Regierung nachgeordneten Behörden mit, besitzt aber diesen gegenüber kaum Weisungsbefugnisse. Soweit die vom Bundesrechnungshof vorgeschlagenen oder auf Grund seiner Beanstandung von den einzelnen Verwaltungsbehörden gewählten Maßnahmen ausgeführt werden, unterliegen sie wieder der Kontrolle durch das Parlament, dem die Regierung verantwortlich ist. Damit ist dem Grundsatz der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung Genüge getan; denn 126 Der Rechtsanspruch nach § 95 B H O ist allerdings nicht zwangsweise durchsetzbar (vgl. oben Zweiter T e i l Β I V l e ) . 127 B F H Betrieb 1964, 906; Viaion, Haushaltsrecht, § 104 RHO Anm. 3; Tipkel Kruse, Reichsabgabenordnung, 2. - 4. Aufl., § 222 Rdnr. 32. 128 Vgl. B a y V e r f G H BayVBl. 1968, 314 f. = DÖV 1968, 656 f. 129 Fichtmüller, S. 327 f.; Kleinrahm, A r t . 51 A n m . 4 d bb.

C. Die Stellung der Rechnungshöfe i m Gewaltenteilungssystem

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dieser Grundsatz besteht nicht darin, daß das Parlament das Handeln der einzelnen Verwaltungsbehörde bestimmt, sondern nur darin, daß i m Einklang m i t dem Prinzip der Gewaltenteilung die Ausübung vollziehender Gewalt eigenständigen Organen übertragen ist, deren oberste Leitung, die Regierung, gegenüber der Volksvertretung die politische Verantwortung für das Handeln der i h r unterstellten Organe übernimmt. Überdies ergibt sich die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes aus der Natur seiner Tätigkeit: Die Kontrolle der anderen Verwaltungsbehörden kann bei einer Unterordnung der Prüfungsbehörde unter die Regierung nicht wirksam sein. Der Bundesrechnungshof ist daher — wie auch die Landesrechnungshöfe — eine Verwaltungsbehörde im ministerialfreien Raum 130. Seine Entscheidungen haben jedoch, wie sich aus § 98 BHO ergibt, keine unmittelbare Außenwirkung. Die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes kann auf Grund seiner organisatorischen Stellung und seiner Aufgaben als Selbstkontrolle der vollziehenden Gewalt durch eine unabhängige Behörde 131 bezeichnet werden 1 3 2 . Die Institution der Prüfungsbehörde soll der Regierung sowohl die Kontrolle gegenüber den nachgeordneten Behörden als auch die Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Parlament ermöglichen. Die Finanzkontrolle ist damit ein Teil der allgemeinen Selbst- und Aufsichtskontrolle der Verwaltung, weist dieser gegenüber jedoch einige charakteristische Unterschiede auf. Die allgemeine Selbst- und Aufsichtskontrolle der Verwaltung dient i m wesentlichen zwei unterschiedlichen Zielen: Zum einen soll die Kontrolle gewährleisten, daß die Verwaltung die i h r von der Regierung als der Leitung der vollziehenden Gewalt gestellten Aufgaben i n zweckmäßiger Weise erfüllt, zum anderen soll sie sicherstellen, daß die Verwaltung rechtmäßig handelt 1 3 3 . Die Leitungsbefugnis der Regierung ergibt sich aus ihrer Verpflichtung, gegenüber dem Parlament das Handeln der Verwaltungsbehörden zu vertreten. Die Verantwortlichkeit der Regierung kann grundsätzlich nicht weiter reichen als i h r Recht zur Erteilung von Weisungen an die nachgeordneten Behörden; denn nur soweit die Regierung das Handeln 130

Maunz i n Maunz!DürigIHerzog, A r t . 114 Rdnr. 12; vgl. Kleinrahm, A r t . 87 A n m . 2 b aa; B a y V e r f G H BayVBl. 1968, 314 f. = DÖV 1968, 656 f. 131 Ä h n l i c h w i r d die Vorprüfung gemäß § 100 BHO, die ebenfalls Rechnungsprüfung ist (vgl. oben Zweiter T e i l Β V I I ) , durch eine sachlich weisungsunabhängige Stelle innerhalb der einzelnen Verwaltungsbehörde durchgeführt. 132 Vgl. Wolff , Verwaltungsrecht I I I , § 162 I a, S. 303; Fichtmüller, S. 309; Viaion, Moderne Entwicklungstendenzen des öffentlichen Haushalts i n der Bundesrepublik (außerhalb der Gesetzgebung), i n : Gegenwartsprobleme des öffentlichen Haushalts, S. 13 ff. (49 A n m . 71). 133 Vgl. dazu Wolff , Verwaltungsrecht I I I , § 161 I I I , S. 292; Morstein Marx, Interne Verwaltungskontrolle, i n : Verwaltung, S. 372 ff. (372 f.); Fichtmüller, S. 326 ff., 340 ff. 1*

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der einzelnen Verwaltungsbehörden zu beeinflussen vermag, kann das Parlament die Regierung verantwortlich machen 134 . Die Befugnis zur obersten Leitung der Verwaltung kann aber erst dann i n vollem Umfang wahrgenommen werden, wenn die Weisungsgebundenheit der nachgeordneten Behörden durch eine Kontrollmöglichkeit über diese Behörden ergänzt wird. I n dem durch das Ministerialsystem gekennzeichneten Verwaltungsaufbau entspricht daher der Weisungsbefugnis i m allgemeinen auf jeder Stufe ein adäquates Kontrollrecht: Der Vorgesetzte, der dem i h m Untergebenen die Weisung erteilen darf, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, ist auch berechtigt, die Durchführung zu kontrollieren. Durch dieses System w i r d erreicht, daß die von der Regierung ausgehenden Impulse i n zweckmäßiger Weise von den nachgeordneten Behörden i n unmittelbares Handeln umgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Regierung dem Parlament auch dafür verantwortlich, daß die Verwaltung gesetzmäßig handelt. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stellt einen wesentlichen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips dar 1 3 5 ; die Kontrollbefugnisse der Regierung sollen mindestens die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sichern 136 . Aus diesem Grunde sind i n aller Regel die jeweils übergeordneten Stellen befugt und vielfach verpflichtet 1 3 7 , die Rechtmäßigkeit des Handelns der ihnen nachgeordneten Stellen zu überprüfen. Die Selbst- und Aufsichtskontrolle der Verwaltung, die i n weitem Umfang sowohl die Rechtmäßigkeit als auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns sicherstellen soll — und daher auch eine behördeninterne Überprüfung des Finanzgebarens beinhaltet — verfügt über einen umfangreichen Katalog von Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen; ob und inwieweit diese Maßnahmen i m Einzelfall anwendbar sind, richtet sich nach dem Charakter der beteiligten Behörden und der A r t des Verwaltungshandelns 138 . Die Eigenart der Überwachung der gesamten Haushalts- und W i r t schaftsführung durch die Rechnungshöfe bedingt, daß die Rechnungsprüfung völlig gesondert neben die sonstige Selbst- und Aufsichtskontrolle tritt. Die Notwendigkeit, einen Gesamtüberblick über die Finanzwirtschaft des Staates zu erhalten, macht die Zusammenfassung der Rechnungsprüfung i n einer Behörde erforderlich. U m eine wirksame 134 Die Ministerialfreiheit einiger Behörden k a n n i n diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben; denn es handelt sich hierbei n u r u m Ausnahmen i m Verwaltungsaufbau (Fichtmüller, S. 316), die f ü r die Einordnung der Rechnungshöfe innerhalb der V e r w a l t u n g ohne Bedeutung sind. 135 Maunz u n d Dürig i n Maunz!Dürig/Herzog, A r t . 20 Rdnr. 124 m. w. N. ; v. Mangoldt!Klein, A r t . 20 A n m . V I 2 (S. 601); Fichtmüller, S. 341 m. w. N. 136 Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 77 I I a, S. 98. 137 Vgl. z. B. §§ 68 ff. VwGO. 138 Vgl. die Darstellung bei Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 77 I I d, S. 102 ff.

D. Die institutionelle Garantie der Rechnungsprüfung

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Kontrolle zu gewährleisten, muß die Prüfungsbehörde aus dem allgemeinen Verwaltungsaufbau ausgegliedert werden; ihre Mitglieder müssen deshalb auch persönlich und sachlich unabhängig sein. Die organisatorische Verselbständigung der Rechnungshöfe und ihre Beschränkung auf die Prüfungstätigkeit machen es notwendig, daß die Behörde nur i n eng begrenztem Rahmen m i t Aufsichts- und Kontrollbefugnissen ausgestattet w i r d : Den Rechnungshöfen stehen in erster Linie nur Informationsund Untersuchungsrechte zu sowie das Recht zur Beratung; über weitergehende Befugnisse (wie nach § 100 Abs. 4 BHO und nach den §§ 222, 224 AO) verfügen sie kaum. Das wesentliche Charakteristikum der F i nanzkontrolle ist jedoch ihre Beschränkung auf die Prüfung der Haushalts· und Wirtschaftsführung. Daraus ergibt sich auch, daß die Kontrolltätigkeit der Rechnungshöfe i n ganz überwiegendem Maße nicht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit, sondern der Zweckmäßigkeit dient 1 3 9 . Darüber hinaus ist die Finanzkontrolle — ungeachtet der Bestrebungen, die Prüfung möglichst gegenwartsnah zu gestalten — eine stets nachgängige Kontrolle, während es sich bei der allgemeinen Selbst- und Aufsichtskontrolle der Verwaltung i n weitgehendem Maße um eine mitlaufende Kontrolle handelt. Trotz dieser Unterschiede sind die Rechnungshöfe als Selbstkontrollorgane der Verwaltung anzusehen: Sie sind weder funktionell noch organisatorisch den Parlamenten zuzuordnen, ihre Tätigkeit ist nicht Rechtsprechung i m materiellen Sinne, sondern Ausübung einer Verwaltungsfunktion. Zwar nehmen die Rechnungshöfe nur i n beschränktem Umfang solche Aufgaben wahr, die typisch für die Verwaltung sind, aber auch die Selbstkontrolle ist ein wesentliches Merkmal der Verwaltungstätigkeit. Begrenzt auf die Überprüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung, stellt die Rechnungsprüfung eine besondere Form von Kontrolle der Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung dar: Aufgabe der Rechnungshöfe ist es, die Einhaltung der das Finanzgebaren der Verwaltung bestimmenden Vorschriften zu überprüfen, um so einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Staatszwecke zu leisten.

D. Die institutionelle Garantie der Rechnungeprüfung Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß das staatliche Finanzkontrollwesen i m Laufe seiner Entwicklung eine ständige Ausweitung erfahren hat. Der Umfang dessen, was Prüfungsobjekt der Rechnungshöfe ist, hat seit der Errichtung selbständiger Kontrollbehörden i n Deutschland i m Jahre 1707 stetig zugenommen: eine Folge der Ausdehnung staatlicher Verwaltungstätigkeit i n immer weitere Bereiche. 139 v g l . dazu oben insbesondere Zweiter T e i l C I I I 2.

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Zweiter T e i l : Stellung u n d Aufgaben der Rechnungshöfe i n der B R D

Parallel dazu erhielten die Volksvertretungen i n zunehmendem Maße das Recht, die Regierung und die dieser nachgeordneten Behörden zu kontrollieren; die weite Verzweigung und die wachsende Kompliziertheit des Verwaltungshandelns erschwerte es den Parlamenten jedoch mehr und mehr, ihre Kontrollbefugnisse wahrzunehmen. Dies führte dazu, daß die Finanzkontrollbehörden — die ursprünglich die Prüfung nur für den Landesherrn durchführten — i n immer engere Beziehungen zu den Parlamenten traten, die ohne das ihnen von den Rechnungshöfen unterbreitete Material kaum i n der Lage wären, ihrer eigenen politischen Kontrollaufgabe gerecht zu werden. Durch die Neufassung des A r t . 114 GG, die auf eine Initiative des Parlaments zurückgeht 1 , sollte die Rechnungsprüfung unter Berücksichtigung ihrer historischen Entwicklung den modernen Erfordernissen angepaßt werden. A u f der Grundlage der bisherigen Untersuchung läßt sich überblicken, wie der Verfassungsgeber die Rechnungsprüfung und das m i t ihrer Durchführung betraute Organ gestalten wollte; zugleich w i r d sichtbar, welchen Inhalt die institutionelle Verfassungsgarantie der Rechnungsprüfung des A r t . 114 GG hat. Der Begriff der institutionellen Verfassungsgarantie ist von Carl Schmitt entwickelt worden 2 : Durch verfassungsgesetzliche Regelungen könne bestimmten Einrichtungen ein besonderer Schutz verliehen werden m i t dem Ziel, eine Beseitigung durch den einfachen Gesetzgeber unmöglich zu machen; ihrem Wesen nach sei die institutionelle Garantie begrenzt, sie bestehe nur innerhalb des Staates und betreffe eine rechtlich anerkannte Institution, deren Aufgaben und Zwecke bestimmt, wenn auch nicht i m einzelnen spezifiziert seien. Von Carl Schmitt unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung als verfassungsgesetzliche Verbürgung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung entwickelt, u m die Aushöhlung von i n der Verfassung enthaltenen Einrichtungen durch den einfachen Gesetzgeber auszuschließen, hat der Begriff der institutionellen Garantie auch Eingang i n die moderne Verfassungsinterpretation gefunden als eine Ordnungskategorie bei der Auslegung der Verfassung 3 . Eine bestimmte öffentlich-rechtliche Einrichtung kann wegen ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen i n bestimmtem Umfang und innerhalb fester Grenzen als verfassungsgesetzlich gewährleistet angesehen werden, wenn die Verfassungsinterpretation ergibt, daß weder die Einrichtung noch i h r „Wesensgehalt" durch ein ein1 Vgl. den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, zu BTDrucks. V/3605, S. 13. 2 Carl Schmitt, S. 170 ff.; vgl. auch Anschütz, Verfassung, S. 520 m. w. N. 3 Vgl. dazu z.B. v. Mangoldt!Klein, Vorbem. A V I vor A r t . 1; Dürig i n Maunz!Dürig/Herzog, A r t . 1 Rdnr. 97; Quaritsch, Institutionelle Garantie, i n : Evang. Staatslexikon, Sp. 800 ff.; Weber, Die Rechnungsprüfung und die Geheimfonds, S. 609.

D. Die institutionelle Garantie der Rechnungsprüfung

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faches Gesetz beseitigt werden darf. Das Bekenntnis des Verfassungsgebers zu bestimmten Instituten artikuliert sich dabei vielfach nur i n der Verwendung einzelner Begriffe, deren Bedeutung unter Berücksichtigung ihres überlieferten Sinngehalts zu ermitteln ist. Nach der übereinstimmenden Ansicht i n der Rechtslehre 4 enthält A r t . 114 Abs. 2 GG eine institutionelle Garantie der Rechnungsprüfung und des Bundesrechnungshofes i n dem erwähnten Sinne. Nach der Neufassung des A r t . 114 Abs. 2 GG hat diese verfassungsgesetzliche Verbürgung den folgenden Inhalt, wie er sich auf Grund dieser Untersuchung ergeben hat: Die Rechnungsprüfung erfolgt durch den Bundesrechnungshof, der eine oberste Bundesbehörde, nicht aber ein Verfassungsorgan ist. Der Bundesrechnungshof ist eine ministerialfreie Verwaltungsbehörde m i t Kollegialverfassung; seine Mitglieder besitzen richterliche Unabhängigkeit und sind daher i n Bezug auf die Prüfungen keinen Weisungen, sondern nur dem Gesetz unterworfen. Die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes bei der Rechnungsprüfung i. e. S. erstreckt sich auf die nachträgliche lückenlose Prüfung der vom Bundesminister der Finanzen gelegten Rechnung sowie auf die gesamte übrige Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, soweit hierbei nicht wegen mangelnder Bedeutung der finanziellen Auswirkungen eine Einschränkung geboten erscheint. Der Bundesrechnungshof hat der Bundesregierung sowie dem Bundestag und dem Bundesrat über sämtliche Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten, sofern nicht die Ergebnisse für den Zweck der Berichterstattung — die Entlastung der Regierung durch das Parlament vorzubereiten—unbedeutend sind. Die Prüfung umfaßt inhaltlich die Rechnungs-, die Verwaltungs- und die Verfassungskontrolle. Der Bundesrechnungshof verfügt über ein umfassendes Informationsrecht, soweit es zur wirksamen Durchführung der Prüfung erforderlich ist; er kann sein Prüfungsverfahren selbst bestimmen. Darüber hinaus kann der Bundesrechnungshof sich i m Rahmen seiner Prüfungserfahrung auf Ersuchen der Empfänger seines Berichts gutachtlich zu solchen Fragen äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher M i t t e l von Bedeutung sind und deren Beantwortung dem ersuchenden Verfassungsorgan Material für eine eigene Entscheidung verschafft. I n die derart verfassungsrechtlich verbürgten Aufgaben und die verfassungsgesetzlich garantierte Stellung des Bundesrechnungshofes kann der einfache Gesetzgeber nicht eingreifen; i h m bleibt auf Grund der Regelung i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG lediglich die Möglichkeit, die Befugnisse des Bundesrechnungshofes zu erweitern und zu präzisieren. 4 Vgl. z.B. Maunz i n Maunz/Dürig/Herzog, A r t . 114 Rdnr. 9 ff.; Friedrich Klein, S. 133 ff.; Huber, Institutionelle Verfassungsgarantie, S. 334 ff.; Dreßler, S. 158 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, A r t . 114 Rdnr. 1, 6; s. auch Lange, S. 87 ff.

Zusammenfassung Die Entwicklung der Rechnungsprüfung i n Deutschland seit dem Jahre 1707 weist, wie die vorliegende Untersuchung zeigt, zwei wesentliche Züge auf: Die Prüfungszuständigkeit der Rechnungshöfe ist — nahezu kontinuierlich — erweitert worden, gleichzeitig haben die Kontrollorgane zunehmend die Befreiung von Weisungen bezüglich ihrer Prüfungstätigkeit erlangt. Die Neufassung des A r t . 114 Abs. 2 GG verleiht auf Bundesebene dem derzeitigen Rechtszustand erhöhte Bestandskraft. Danach ist der Bundesrechnungshof eine ministerialfreie oberste Bundesbehörde, deren Tätigkeit durch die den Mitgliedern gewährte persönliche und sachliche Unabhängigkeit geschützt ist; die nachträgliche Prüfung erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten Bereich staatlicher Tätigkeit, Einschränkungen sind nur insoweit möglich, als die finanziellen Auswirkungen staatlichen Handelns unbedeutend sind. Die Prüfungsergebnisse sind dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung vollständig vorzulegen. Die zur Konkretisierung der VerfassungsVorschrift gemäß A r t . 114 Abs. 2 Satz 3 GG erlassenen gesetzlichen Regelungen entsprechen i m wesentlichen den i n A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG festgelegten Grundsätzen; allerdings sind die Bestimmungen i n den durch § 119 Abs. 2 BHO für weiterhin gültig erklärten § 126 c Abs. 3 und § 126 e Abs. 4 RHO verfassungswidrig, w e i l sie gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen. Auch § 97 Abs. 4 BHO ist verfassungswidrig; denn diese Bestimmung schränkt hinsichtlich der Bemerkungen zu den geheimzuhaltenden Angelegenheiten i m Widerspruch zu A r t . 114 Abs. 2 Satz 2 GG den Kreis derjenigen ein, denen die Prüfungsergebnisse vom Bundesrechnungshof mitzuteilen sind. Die Neufassung des A r t . 114 Abs. 2 GG hat die Stellung des Bundesrechnungshofes i m Rahmen der Dreiteilung der Staatsgewalt nicht verändert: Der Bundesrechnungshof ist — ebenso wie die Landesrechnungshöfe — eine Verwaltungsbehörde im ministerialfreien Raum. Ungeachtet der Tatsache, daß erst die Tätigkeit der Rechnungshöfe eine eingehende finanzielle Kontrolle der Regierungen durch die Parlamente ermöglicht, sind die Rechnungshöfe nicht Hilfsorgane der Parlamente, sondern Selbstkontrollorgane der Verwaltung; die Ergebnisse der Prüfungen durch die Rechnungshöfe werden den Parlamenten lediglich zur Verfügung gestellt und dienen diesen als Unterlage für ihre eigene Kon-

Zusammenfassung

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trolltätigkeit. Auch üben die Rechnungshöfe keine Rechtsprechungstätigkeit aus, die es gestattete, sie als Gerichte zu charakterisieren. Art. 114 Abs. 2 GG und die zu seiner Ausführung erlassenen Vorschriften stellen somit den vorläufigen Endpunkt einer nahezu kontinuierlichen Entwicklung des Rechnungsprüfungswesens i n Deutschland dar: Die Finanzkontrolle wurde i n der absoluten Monarchie geschaffen, u m dem Herrscher den finanziellen Überblick über die Tätigkeit der i h m unterstehenden Behörden zu ermöglichen. M i t dem Übergang zum konstitutionell-monarchischen Regierungssystem erlangten die Volksvertretungen u. a. das Recht, den Staatshaushalt zu beschließen und seine Einhaltung zu kontrollieren; um dieses Recht wahrnehmen zu können, erkämpften sie die Vorlage des wesentlichen Teils der Finanzkontrollberichte auch an die Parlamente. Die Einführung des demokratisch-parlamentarischen Verfassungssystems brachte eine Ausweitung der Befugnis der Volksvertretungen, die Prüfungsergebnisse für die eigene Kontrolltätigkeit zu verwenden. Die faktische Ausschließung des Parlaments von der M i t w i r k u n g an der Staatsleitung i n den Jahren von 1933 bis 1945 führte dazu, daß die Rechnungshöfe nur noch i m Interesse der Regierung durchgeführt wurde. Unter der Geltung des Grundgesetzes werden nunmehr die Prüfungsergebnisse auch wieder der Volksvertretung zugänglich gemacht; die Novellierung des A r t . 114 Abs. 2 GG i m Jahre 1969 gewährleistet, daß dem Parlament i n demselben Umfang wie der Regierung über die Prüfung berichtet wird. Damit ist jedoch die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes nicht geändert worden; lediglich das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung wurde verändert, soweit es die Vorlage von Ergebnissen der Selbstkontrolle innerhalb der Verwaltung durch den Bundesrechnungshof an diese Organe betrifft.

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