Die Sprache des Rechts: Historische Semantik und karolingische Kapitularien [1 ed.] 9783666311413, 9783525311417

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Die Sprache des Rechts: Historische Semantik und karolingische Kapitularien [1 ed.]
 9783666311413, 9783525311417

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Bernhard Jussen / Karl Ubl (Hg.)

Die Sprache des Rechts Historische Semantik und karolingische Kapitularien

Historische Semantik Herausgegeben von Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Willibald Steinmetz

Band 33

Bernhard Jussen / Karl Ubl (Hg.)

Die Sprache des Rechts Historische Semantik und karolingische Kapitularien

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022, Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike, V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Paris, Bibliothèque nationale de France, Lat. 4629, fol. 24r. Satz: textformart, Daniela Weiland, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0084 ISBN 978-3-666-31141-3

Bernhard Jussen / Karl Ubl

Vorwort

Die Idee zu dieser Tagung hat eine längere Vorgeschichte. Seit September 2011 treffen sich die an der Neuedition der Kapitularien beteiligten Historikerinnen und Historiker halbjährlich im kleinen Kreis. Philippe Depreux gebührt das Verdienst, erstmals das Thema der Semantik karolingischer Rechtstexte aufgebracht zu haben. Sein Vorschlag lautete, ein Lexikon der karolingischen Rechtssprache zu erarbeiten. Vorarbeiten hierzu sind inzwischen auf der Webseite des Hamburger Formulae Projekts zugänglich (Lexikon auf https://www.formulae. uni-hamburg.de/). Bald kam die Idee auf, für dieses Thema mit dem Projekt »Computational Historical Semantics« (Goethe-Universität Frankfurt am Main) zu kooperieren. Der vorliegende Sammelband ist das Ergebnis dieses Gemeinschaftsprojekts. Die Referentinnen und Referenten der Tagung hatten Zugang zur Datenbank von CompHistSem, die durch Werkzeuge für statistische Abfragen von Wortverwendungen und Wortclustern eine quantitative Analyse auf hohem Niveau ermöglicht. Als Vorbereitung für die Tagung wurden bislang nicht vorhandene Texte in die Datenbank eingepflegt und lemmatisiert: Es handelt sich zum einen um die neu entdeckten Kapitularien, die von Hubert Mordek herausgegeben wurden, und zum anderen um die Lex Romana Visigothorum Alarichs II. in der Edition von Gustav Hänel. Unser Dank gilt Tim Geelhaar, Georg Heinzle und Patrick Breternitz, die sich gemeinsam dieser Aufgabe im Vorfeld der Tagung widmeten. Damit steht der Forschung ein Rechercheinstrument zur Verfügung, das für die Kapitularien die gezielte Suche nach Wörtern und die Rekonstruktion ihrer semantischen Felder in unterschiedlichen Verwendungskontexten und Quellengattungen erlaubt. Die Tagung fand vom 21. bis 22. Februar 2017 am Deutschen Historischen Institut in Paris statt. Wir danken dem Direktor Prof. Dr. Thomas Maissen sowie Prof. Dr. Rolf Große für die Gastfreundschaft und die reibungslose Zusammenarbeit. Gleichermaßen sind wir der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste zu Dank verpflichtet, welche die finanzielle Hauptlast der Tagung gestemmt hat. Bei der Druckvorbereitung sind wir dankens­ werterweise von Benedikt Lemke und Dominik Leyendecker unterstützt worden. Köln / Frankfurt, Juni 2022

Inhalt

Bernhard Jussen / Karl Ubl Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bernhard Jussen / Karl Ubl Die Sprache der Kapitularien. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1. Kapitularien und andere Textsorten Gerda Heydemann / Helmut Reimitz  Novae et antiquae consuetudines. Beobachtungen zu Geschichte und Exegese in den karolingischen Kapitularien . . . . . . . . . . . . . . . 35 Magali Coumert Écrire des ajouts aux lois: le prince, les grands, le copiste (744–819) . . . . 61 Steffen Patzold Die sogenannten Capitularia monastica Ludwigs des Frommen . . . . . . 95 Britta Mischke Spuren von Urkundenformular in den fränkischen Herrschererlassen bis 840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Nicolas Perreaux Langue des capitulaires et langue des chartes: richesses, circulations, spécificités . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Maximilian Diesenberger Die moralische Sprache der Predigten und der Kapitularien . . . . . . . . 211

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Inhalt

2. Wortfelder in Kapitularien Jennifer R. Davis Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies: A Vocabulary of Power . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Jean Meyers L’environnement syntaxique du verbe iubere dans les capitulaires carolingiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Els Rose »Thy Stranger within Thy Gates«: The Semantic Field of »Foreignness« in the Frankish Capitularies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Stefan Esders Fideles Dei et regis. Ein Zeugma in der politisch-religiösen Rechtssprache des Karolingerreiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

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Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

Sprache ist das Handwerkszeug für all jene, die im Feld des Rechts agieren: »Language is to lawyers what a piano is to the pianist: the tool of her trade.«1 Diese Aussage trifft für die Gesetzgebung zu und ebenso für die wissenschaftliche Jurisprudenz der Universitäten und für die ›Rechtsprechung‹ der Gerichte. Dabei schafft Sprache einerseits Recht durch möglichst präzise autoritative Setzung und deren Interpretation, andererseits dient sie auch zur Beilegung von Konflikten und muss daher ein hohes Maß an semantischer Flexibilität vorhalten. Die Untersuchung von Recht ist daher eng verknüpft mit der Analyse von performativen Sprechakten, von kommunikativen Strategien, von sprachlichen Ambiguitäten und Unschärfen sowie von narrativen Strukturen des Rechts. Das Verhältnis von Sprache und Recht ist folglich nicht nur ein Thema der Rechtslinguistik, sondern auch der (analytischen) Rechtsphilosophie, der philosophischen Hermeneutik und der sogenannten ›Critical Legal Studies‹.2 Aus historischer Perspektive richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf das Verhältnis von Umgangssprache (bzw. vernakularer Sprache) und (latei­ nischer) Fachterminologie.3 Klagen über das unverständliche Kauderwelsch der Juristen und die Rabulistik wortgewaltiger Anwälte sind aus allen Zeiten nur allzu gut bekannt.4 Im Zuge der Formierung eines Juristenstandes im 12. Jahrhundert bildete sich eine Fachterminologie heraus, mit deren Hilfe rechtliche Gegenstände abstrakt umschrieben und in ›Sachverhaltselementen und Tatbestandsmerkmalen‹ kategorisiert wurden. Die Beherrschung des typisierenden Sprechens wurde im Unterricht erlernt und als soziales Distinktionsmittel verwendet, befand sich zugleich aber in einer Spannung zur erzieherischen 1 Andrei Marmor, The Language of Law, Oxford 2014, S. 1. 2 Lawrence M. Solan / Peter M. Tiersma, The Oxford Handbook of Language and Law, Oxford 2012; Ekkehard Felder / Friedemann Vogel, Handbuch Sprache im Recht (Handbücher Sprachwissen 12), Berlin / Boston 2017. 3 Andreas Deutsch (Hg.), Historische Rechtssprache des Deutschen, Heidelberg 2013; Matthew W. McHaffie u. a. (Hg.), Law and Language in the Middle Ages, Leiden 2018. 4 Vgl. Thomas Wetzstein, Der Jurist. Bemerkungen zu den distinktiven Merkmalen eines mittelalterlichen Gelehrtenstandes, in: Frank Rexroth (Hg.), Beiträge zur Kulturgeschichte der Gelehrten im späten Mittelalter, Ostfildern 2010, S. 243–296

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Funktion des Rechts, die durch die Anwendung von Rechtssprichwörtern und rhetorischen Überzeugungsmitteln Wirkung entfalten sollte.5 Es ist weithin anerkannt, dass sich in der Etablierung einer Fachsprache am deutlichsten das Selbstverständnis und die Selbstermächtigung der Spezialisten des Rechts niederschlägt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Welt des frühen Mittelalters sowohl von der der Spätantike als auch von der Zeit der ›Wiederentdeckung‹ des römischen Rechts im 12. Jahrhundert. Zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert gab es in Lateineuropa weder eine wissenschaftliche Jurisprudenz noch einen separaten Juristenstand.6 Es fehlte somit die Grundlage für die Konsistenz einer Fachsprache des Rechts. Auch wenn die Terminologie des römischen Rechts durch die Verbreitung des Breviars Alarichs II., durch die Enzyklopädie Isidors von Sevilla und durch die kirchliche Konzilsüberlieferung weiterhin bekannt war, formierte sich dadurch keine universale Sprache des frühmittelalterlichen Rechts, wie noch Maurizio Lupoi angenommen hatte.7 Seine These von einem ius commune der nachrömischen Zeit, das auf den spätrömischen Grundlagen aufgebaut hätte, unterschätzt die Varianz der regionalen Entwicklungen und die schöpferischen Anpassungen an neue soziale und politische Verhältnisse.8 Hinzu kommt, dass von Irland und England über die fränkische Welt und Spanien die vernakulare Begrifflichkeit in unterschiedlicher Form und Intensität in die Aufzeichnung von Rechtsdokumenten eingeflossen ist. Der Rechtsplura­ lität des frühen Mittelalters entspricht eine Pluralität der sprachlichen Voraus­ setzungen.

5 Vgl. Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, Opladen ²1982, S. 225. 6 James A. Brundage, The Medieval Origins of the Legal Profession. Canonists, Civilians, and Courts, Chicago / London 2008. Zu den Grenzen frühmittelalterlicher Jurisprudenz vgl. Harald Siems, Textbearbeitung und Umgang mit Rechtstexten im Frühmittelalter. Zur Umgestaltung der Leges im Liber legum des Lupus, in: Karin Nehlsen-von Stryk u. a. (Hg.), Recht im frühmittelalterlichen Gallien. Spätantike Tradition und germanische Wertvorstellungen, Köln 1995, S. 29–72; ders., In ordine posuimus. Begrifflichkeit und Rechtsanwendung in Reginos Sendhandbuch, in: Annette Grabowsky / Wilfried Hartmann (Hg.), Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, München 2007, S. 67–90. 7 Maurizio Lupoi, The Origins of the European Legal Order, Cambridge 2000. 8 Beispielhaft vgl. Alice Rio, Slavery after Rome, 500–1100, Oxford 2017; Wendy Davies, Windows on Justice in Northern Iberia, 800–1000. London / New York 2016; Tom Lambert, Law and Order in Anglo-Saxon England. Oxford 2017. Zu den Forschungstendenzen der letzten Jahre vgl. Karl Ubl, »Nach Rom« oder »vor dem Boom«? Neue Forschungen zur Rechtskultur des Frühmittelalters, in: Historische Zeitschrift 309 (2019), S. 397–410

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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Kapitularien. Gegenwart und Wissenschaftsgeschichte einer Textgruppe

Innerhalb der frühmittelalterlichen Rechtsgeschichte hat die Sprache der karolingischen Herrschererlasse (Kapitularien) keinen guten Leumund. In der alten, aber noch immer nicht ersetzten Darstellung von François Louis Ganshof aus dem Jahr 1955 äußerte sich der belgische Historiker abfällig zu den rhetorischen Fähigkeiten der königlichen Notare. Unter Karl dem Großen hätten die Herrschererlasse »hinsichtlich Wortschatz, Morphologie und Syntax ein sehr fehlerhaftes Latein« und seien in einer »abscheulichen Sprache« geschrieben worden, »deren Sinn manchmal schwer zu ergründen ist«. Viele Kapitularien bezeugten eine »wahre Unfähigkeit, einen Rechtssatz oder überhaupt eine Vorschrift zu formulieren«. Zwar seien unter Karls Nachfolgern Sprache und Stil korrekter geworden, doch dürfe auch für diese Zeit niemals vergessen werden, dass wir es mit Übersetzungen zu tun haben. Ganshof resümiert: »Die Tatsache, daß die Kapitularien in einer Sprache abgefaßt wurden, die nicht dieselbe war, in der die getroffenen Maßnahmen verkündet, verbreitet und beraten worden waren, hat dazu beigetragen, den auf uns gekommenen Texten eine Form zu geben, die es an Genauigkeit und Klarheit vielfach fehlen läßt.«9 Ganshofs hartes Verdikt steht im Zusammenhang mit seiner pessimistischen Einschätzung der Administration im karolingischen Frankenreich.10 In seiner Anschauung wurde das Großreich letztlich nur durch die exzeptionellen Fähigkeiten Karls des Großen zusammengehalten, während sich seine Nachfolger schon auf den Konsens der Aristokratie stützen mussten, wenn sie ihre Pläne zur Reform umsetzen und ihren Aufrufen zu einer christlichen Lebensführung Gehör verschaffen wollten. Ganshof legte folglich der Schriftlichkeit keine große Bedeutung bei und sah in den Kapitularien vornehmlich die Überlieferung mündlicher Verlautbarungen, die allein durch die unterschiedlich gewichtige Banngewalt des Herrschers verpflichtend gewirkt hätten. An diesem Aspekt von Ganshofs Darstellung hat sich am meisten Kritik entzündet. Inzwischen ist sich die Forschung einig, dass die mündliche Verlautbarung auf den lokalen Gerichtsversammlungen nur durch die vorgängige Verbreitung in schriftlicher Form ermöglicht wurde.11 Die vielen hundert Amts-

9 François Louis Ganshof, Was waren die Kapitularien?, Darmstadt 1961 (niederländisches Original 1955), S. 87 f. 10 Vgl. Jennifer Davis, Charlemagne’s Empire of Practice, Cambridge 2014, S. 10–13. 11 Arnold Bühler, Capitularia relecta. Studien zur Entstehung und Überlieferung der Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik 43 (1986), S. 305–501, hier S. 461–465; ders., Wort und Schrift im karolingischen Recht, in:

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träger nahmen vom Hof Notizen über die auf den Reichsversammlungen getroffenen Entscheidungen mit, um sie dann vor Ort zu verlesen, auszulegen und gegebenenfalls zu übersetzen. Die Verbreitung der Kapitularien, so lautet der Konsens der heutigen Forschung, ist folglich nur durch das Ineinander von mündlicher Verkündigung und schriftlicher Verbreitung zu erklären. Dass die Schriftfassung nicht zur Nebensächlichkeit degradiert werden kann, zeigt allein schon der Begriff capitula bzw. capitulare, der auf eine in Kapitel gegliederte Liste in schriftlicher Form Bezug nimmt. Gerade weil die Kapitularien so gut wie nie Sprichwörter, Stabreime, Paarformeln oder Sprachbilder enthalten, kann es sich nicht um reine Gedächtnisstützen gehandelt haben. Die Schriftform diente der Verbreitung, aber auch der Sicherung des Textes und der Verleihung von Dauerhaftigkeit sowie der Kontrollierbarkeit der umzusetzenden Maßnahmen. Kritik hat auch Ganshofs Annahme einer großen Kluft zwischen der lateinischen Schriftfassung und der Beratung, Verkündigung und Umsetzung in der Volkssprache erfahren. Neuere Forschungen zur Geschichte der Schriftlichkeit im frühen Mittelalter zeigen, dass Latein im romanischen Gebiet des Frankenreichs gegenüber der gesprochenen Sprache noch nicht als Fremdsprache gelernt, sondern als eine Form der Hochsprache empfunden wurde.12 Man geht daher von einem Kontinuum zwischen der mündlichen und schriftlichen Kommunikation aus sowie von einer weitgehenden Verständlichkeit der Schriftsprache. Insbesondere für die Reihen der aristokratischen Amtsträger des Frankenreichs bezeugen viele Dokumente eine relativ leichte Zugänglichkeit der lateinischen Schriftkultur.13 Dies trifft auch für den »theodisken« Raum östlich des Rheins zu, wo innerhalb der Reichsaristokratie entweder Mehrsprachigkeit oder die Vermittlung durch gelehrte Geistliche anzunehmen ist.14 Unterhalb der Reichsaristokratie gab es zwar erhebliche Schwierigkeiten bei der Verständigung zwischen theodisken und romanischen Sprechern, doch eine indirekte Partizipation an Archiv für Kulturgeschichte 72 (1990), S. 275–296; Hubert Mordek, Karolingische Kapitularien, in: ders. (Hg.), Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, Sigmaringen 1986, S. 25–50, hier S. 29–40. 12 Roger Wright, Late Latin and Early Romance in Spain and Carolingian France, Liverpool 1982; ders., A Sociophilological Study of Late Latin, Turnhout 2002; Michel Baniard, Viva voce. Communication écrite et communication orale du IVe au IXe siècle en Occident latin, Paris 1992. 13 Rosamond McKitterick, The Carolingians and the Written Word, Cambridge 1989; Janet Nelson / Patrick Wormald, Lay Intellectuals in the Carolingian World, Cambridge 2007. 14 Ernst Hellgardt, Zur Mehrsprachigkeit im Karolingerreich, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 118, 1996, S. 1–48; Rosamond McKitterick, Charters, Languages, and Communication: Recent Work on Early Medieval Literacy, in: Robert Gallagher u. a. (Hg.), The Languages of Early Medieval Charters. Latin, Germanic Vernaculars, and the Written Word, Leiden 2020, S. 22–67.

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der Schriftkultur ist durch die Urkundenüberlieferung auch bis hin zu kleinen Grundbesitzern bezeugt.15 Ungeachtet dieser veränderten Bewertung von Schriftlichkeit im karolingi­ schen Frankenreich ist an Ganshofs Urteil über das nachlässige und oft unklare Latein der Kapitularien nicht zu rütteln. Man wird darüber aber nur dann verwundert sein, wenn man wie Ganshof die Kapitularien als »Erlasse der Staatsgewalt«16 definiert. Auch in diesem Bereich hat sich die Bewertung der Forschung erheblich verschoben. Gerhard Schmitz schlug vor, die nachlässige Sprache nicht allein als Reflex des angeblich niedrigen Bildungsstandards zu betrachten, sondern die Kapitularien »in aller Regel« als »Stücke pragmatischer Schriftlichkeit« zu begreifen.17 Nach Christina Pössel dienten sie vor allem dem Zweck der Kommunikation zwischen dem Herrscher bzw. seinen Ratgebern und den vor Ort tätigen Amtsträgern (Grafen und Bischöfe).18 Die beteiligten Personen verfügten in der Regel über das notwendige Kontextwissen, um die häufig unklar formulierten Texte zu verstehen und angemessen einzuordnen. Dies verhinderte jedoch nicht, dass es durch die Überlieferung in Sammelhandschriften später zu Missverständnissen und kreativen Umdeutungen kam.19 Aufgrund der pragmatischen Form der Entstehung ist die Wertung der Kapitularien als ›Gesetze‹ irreführend, weil dadurch nur Klagen über eine vermeintlich defizitäre ›Gesetzestechnik‹ Vorschub geleistet wird. Gerade wegen ihrer anlassbezogenen Entstehung gehören die Kapitularien zu den wichtigsten Zeugnissen für die Versuche der karolingischen Herrscher, ihren durch die Expansionen des 8. Jahrhunderts enorm angewachsenen Machtbereich regierbar zu machen. Trotz der Bedeutung, die diese Textsorte für die Darstellung der Verwaltung des Frankenreichs haben, ist sich die Forschung seit langem bewusst, dass die Einsortierung der Texte in eine Gattung der Kapitularien höchst problematisch ist. Gerhard Seeliger konstatierte bereits 1891 eine »volle Regellosigkeit des karolingischen Verordnungswesens.«20 Dies hinderte 15 Warren Brown / Marios Costambeys / Matthew Innes / Adam J. Kosto, Documentary Culture and the Laity in the Early Middle Ages, Cambridge 2013. 16 Ganshof, Kapitularien, S. 13. 17 Gerhard Schmitz, Kapitularien, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 (22012) S. 1604–1612, hier 1607. 18 Christina Pössel, Authors and recipients of Carolingian capitularies 779–829, in: Richard Corradini u. a. (Hg.), Texts and identities in the Early Middle Ages, Wien 2006, S. 253–274. 19 Vgl. beispielshaft Gerhard Schmitz, Intelligente Schreiber. Beobachtungen aus Ansegis- und Kapitularienhandschriften, in: Hubert Mordek (Hg.), Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann zum 65. Geburtstag, Tübingen 1991, S. 79–93; Hubert Mordek, Quod si se non emendent, excommunicentur. Rund um ein neues Exzerpt des Capitulare generale Kaiser Karls des Großen (802), in: Kathleen Cushing / R ichard Gyug (Hg.), Ritual, Text and Law. Studies in Medieval Canon Law and Liturgy presented to Roger E. Reynolds, Aldershot 2004, S. 171–183. 20 Gerhard Seeliger, Die Kapitularien der Karolinger, München 1893, S. 85.

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aber die Forschung lange Zeit nicht daran, weiterhin an der Existenz einer fest umrissenen Textsorte festzuhalten und die alte Gliederung in capitularia legibus addenda, missorum und per se scribenda aufrechtzuerhalten.21 In jüngster Zeit ist angesichts der häufig ephemeren Überlieferung und der damit zusammenhängenden variablen Textgestalt der Kapitellisten auch grundsätzlicher gefragt worden, ob es Kapitularien im Sinne der Forschungsgeschichte überhaupt gab und ob die Annahme einer rechtshistorischen Gattung der Kapitularien die Forschung nicht in die Irre geführt hatte.22 In dieser Debatte um die Art der normativen Geltung, die handschriftliche Verbreitung und die textliche Stabilität der Kapitularien wurde bislang der Semantik der Texte kaum Beachtung geschenkt. Die Forschungsliteratur ist heute reich an Studien zur rechtshistorischen Deutung und zur handschriftlichen Überlieferung, aber arm an Erkenntnissen zu Wortgebrauch, semantischen Zusammenhängen und ihren Veränderungen in den Kapitularien. Vor diesem Hintergrund erschien es uns sinnvoll, eine Tagung zur Sprache der Kapitularien zu organisieren und die Semantik aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Das Ziel der Tagung war es jedoch nicht, die Existenz einer den Kapitularien eigenen Sprache nachzuweisen, ein Kapitularienlatein ähnlich dem Beamtendeutsch.23 An der zitierten Einsicht von Gerhard Seeliger über die »Regellosigkeit« des karolingischen Verordnungswesens kommt man nicht vorbei – und dies betrifft auch die sprachliche Gestaltung. Unsere Hoffnungen richteten sich vielmehr darauf, aufgrund von Untersuchungen zur Rechtssprache die Funktion der Texte, ihre Adressaten, ihre normative Qualität und die wichtigsten Wortfelder genauer zu erfassen und auch in ihren zeitlichen Veränderungen von Pippin dem Jüngeren über Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen bis zu Karl dem Kahlen zu analysieren. Die Tagung war in zwei Sektionen gegliedert. In der ersten Sektion wurde das Verhältnis der Kapitularientexte zu anderen Textsorten thematisiert, die sich inhaltlich und auch überlieferungsgeschichtlich mit den Kapitularien überschneiden. Es ist eine allgemein bekannte Einsicht der Forschung, dass Kapitularien häufig predigthafte Elemente enthalten, sich nicht selten kaum von Konzilstexten unterscheiden, zuweilen ein Formular wie eine Urkunde aufwei­ sen und inhaltlich mit den leges in Konkurrenz stehen. Wir haben daher Spezialisten und Spezialistinnen der jeweils benachbarten Textsorten darum ge21 Ganshof, Kapitularien, S. 28–31. 22 Steffen Patzold, Normen im Buch. Überlegungen zu Geltungsansprüchen so genannter »Kapitularien«, in: Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), S. 331–350; ders., Wie regierte Karl der Große, Köln 2020. 23 Vgl. hierzu auch Mayke de Jong, Some reflections on Mandarin language, in: Evangelos K.  Chrysos / Ian Wood (Hg.), East and West. Modes of Communication, Leiden 1999, S. 61–69.

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beten, einen Vergleich hinsichtlich des Vokabulars, des Formulars, der Inhalte oder der rhetorischen Stilisierung vorzunehmen. In der zweiten Sektion standen einzelne Wortfelder im Mittelpunkt, die als besonders prägend für die Gattung der Kapitularien gelten können. Untersuchungen zu ausgewählten Wortverwendungen und Wortclustern sollten die heterogenen Verwendungskontexte in den Kapitularien und die diachrone Dynamik in dieser Textsorte im Verlauf der rund hundert Jahre ihrer Verwendung herausarbeiten. Besonders wichtig sind dafür die Formulierungen des Autorisierens von Recht, die aus unterschiedlicher Perspektive in drei Beiträgen beleuchtet werden.

2. Zwischen Zählen und Lesen. Politische Sprache der Kapitularien Seit der Durchsetzung kulturwissenschaftlicher Perspektiven sind die Erkenntnishoffnungen der Geschichtswissenschaft in Leitvokabeln wie ›Diskurs‹, ›Habitus‹, ›Praktiken‹ oder ›Semantiken‹ kondensiert. Das Interesse an ›Semantik‹ hat sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften von der Mitte der 1960er Jahre bis in die frühen 1980er durchgesetzt, die Karriere von ›Diskurs‹ von den 1970ern bis zur Jahrtausendwende. Historische Semantik gilt gemeinhin als geeignetes Verfahren für die Untersuchung von Diskursen und ihren Veränderungen. Deutungskonzepte dieser Art bergen das Versprechen, Prozesse gesellschaftlicher Strukturierung beobachten zu können  – Phänomene der Wiederholung oder Stabilisierung, Phänomene der unmerklichen oder abrupten Transformation. Es geht um Grundfragen nach der gesellschaftlichen Ermöglichung kultureller Stabilisierung, schleichender Veränderung und massiver Transformation, nach dem Zusammenhang einerseits der Freiheit und Unvorhersehbarkeit individuellen Handelns (von ›Akteuren‹) und andererseits des ›Systems‹ oder ›Felds‹, das die ›Akteure‹ zwar frei und unvorhersehbar, aber doch in kollektiven Verhaltensweisen reproduzieren und transformieren. Als Relikt eines umfassenden Transformationsprozesses fast aller Lebensbereiche ist die Erlasspraxis der fränkischen Herrscher über mehrere Generationen ein ebenso exemplarisches wie in seiner Masse überschaubares Material. Es eignet sich gut als Testfall, um sprachliche Dynamiken innerhalb eines Corpus zu beobachten, ebenso sprachliche Differenzen oder Ähnlichkeiten zu vergleichbaren zeitgleichen Corpora.

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3. Empirische Herausforderungen Auch heute ist das Vertrauen in dieses epistemologische Instrumentarium des späten 20. Jahrhunderts kaum strittig und als akademische Haltung bis heute Standard. Doch weitgehend Konsens besteht auch über die Herausforderungen: Leitkonzepte wie Diskurs stehen bislang eher für theoretische und epistemologische Haltungen als für breit einlösbare und konsensfähige empirische Verfahren. Denn dem jahrzehntelangen Ringen um ›Diskurs‹, ›Habitus‹ oder ›Semantik‹ zwischen ›System‹ (oder ›Feld‹) und ›Akteur‹ fehlte bislang vor allem eines: die Grundlagen für eine stabile Empirie. Im Zeitalter der printbasierten Forschung ließen sich diese Forschungsinteressen entwerfen und epistemo­logisch durchsetzen, aber nicht als ›grundständige‹ Verfahren in die Infrastruktur der Fächerkulturen übersetzen. Bei allem erkenntnistheoretischen und methodischen Optimismus, die geschichtswissenschaftliche Erforschung von ›Diskursen‹ und ›Semantiken‹ hat eine zweischneidige Karriere gemacht. Sie ist als Perspektive zwar anerkannt, hat aber bis heute erhebliche Durchsetzungsprobleme: Semantische Zugriffe haben sich bislang nicht als Normalverfahren geschichtswissenschaftlicher Arbeit durchgesetzt. Im Printzeitalter blieb es zwangsweise bei notdürftig empirischer, wenn nicht gar intuitiver, durch Leseerfahrung erzeugter Diskursanalyse und historischer Semantik. Auch rund 30 Jahre nach Beginn der Digitalisierung in den Geisteswissenschaften muss sich das Gros der Historikerinnen und Historiker, die mit Texten arbeiten, faute de mieux nach wie vor auf lesend verstehende, mehr oder weniger hermeneutische Verfahren der historischen Deutung verlassen. Die Gewinne der Digitalisierung erbrachten in den ersten rund drei Jahrzehnten insbesondere durch sehr großen Textrepositorien (wie Corpus Corporum oder The Latin Library) einen Quantensprung für die Fundstellensuche und einiges mehr, aber wenn semantische Forschung ein empirisches Normalformat werden soll, bedarf es weiterer, aufwendiger institutioneller Vorarbeiten. Noch sind corpusbasierte, diachrone semantische Untersuchungen eine Domäne von IT-affinen Spezialisten und Spezialistinnen, die im wesentlichen Routinen für ihre eigenen Forschungen entwickeln. Solange die geschichtswissenschaftliche Grundlagenforschung die entsprechende Erschließungsarbeit nicht als Teil ihrer eigenen Aufgaben wahrnimmt – ganz wie die Edition –, bleiben computerbasierte semantische Forschungen viel zu aufwendig, viel zu wenig kalkulierbar in den zu erwartenden Ergebnissen, viel zu wenig erprobt in Verfahren und Methodologie. Zu kaum einer Variable gibt es eine Forschungsinfrastruktur, die von einer Fachgemeinschaft (nicht nur von einer kleinen Gruppe mit IT Kompetenz) benutzt und überprüft werden könnte. Infrastrukturen, wie sie

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für die Bereitstellung von Editionen normal sind, stehen erst in Ansätzen für die nötigen Erweiterungen der Grundlageforschung unter den Bedingungen digitaler Forschung bereit, etwa für die Möglichkeiten zuverlässigen Quantifizierens.24

4. Texterschließung nach dem Print-Zeitalter Erst mit der Digitalisierung können für die prinzipiell ›approbierten‹ Erkenntnis­ interessen um ›Semantik‹, ›Diskurs‹ usw. praktikable empirische Verfahren erarbeitet und in ›grundständige‹ Arbeitsweisen der Fachkulturen übertragen werden. Dazu aber bedarf es eines langen Atems. Ob corpusbasierte semantische Forschung langfristig zur Infrastruktur der Fachkulturen gehören wird oder nicht, ist eine Frage der Grundlagenforschung, näherhin dessen, was als Texterschließung (oder ›Quellenerschließung‹) gilt. In den Zeiten der printbasierten Wissenschaft galt die ›Quellenerschließung‹ mit dem Abschluss der Edition als weitgehend erledigt. Zwar gehörte schon seit dem Impuls Theodor Mommsens das Thema ›Sammlung‹ stets zum Umfeld der Editionsarbeit.25 Aber das Zusammenstellen der ›Sammlung‹ unterlag anderen Kriterien als jenen, die heute für die Bildung von diachronen Corpora nötig sind. Es ging zumeist um ›wichtige‹ Texte und Autoren, selten darum, langfristige und möglichst lückenlose Textzusammenhänge zu erzeugen, die den Erfordernissen quantifizierender Empirie standhalten. Solange neben dem Lesen das Zählen eine geringe Rolle spielte, erfuhr das Thema ›Sammlung‹ keine mit der Edition vergleichbare wissenschaftliche Kontrolle. Mit der Durchsetzung digitaler Forschung aber ändert sich der Status von ›Sammlung‹, sie wird zu einer Art Zwilling von ›Edition‹. Für semantische Forschungen ist der Schritt vom Repositorium (einer bloßen Textansammlung) zum Corpus (einer wissenschaftlichen Entscheidung über das zu berechnende Material) entscheidend für die Resultate. So ist für die vergleichsweise einfachen Test-Beobachtungen dieser Einleitung (Abb. 1–4) zunächst zu entscheiden, wie ein Corpus der fränkischen Herrschererlasse für quantitative Auswertungen überhaupt zu definieren ist: (1) Wenn Corpora diachrone Beobachtung von Sprachwandel ermöglichen sollen, dann muss der Unterschied von Repositorium und Corpus reflektiert und 24 Die derzeit an vielen Orten erkennbare Aufbauarbeit sei hier weder ignoriert noch aufgezählt. Sie ändern für den Moment nichts an der Situation, dass die Grundlagenarbeit für die Ermöglichung quantifizierender Geisteswissenschaften erst in den Anfängen steckt und zum Beispiel langfristig diachrone semantische Beobachtungen in überprüfbaren und plausiblen (oder individuell anpassbaren) Corpora noch kaum irgendwo ermöglicht. 25 Bei Theodor Mommsen war Sammlung ein Leitthema des gesamten Forschungsprozesses, vgl. etwa Stefan Rebenich, Theodor Mommsen. Eine Biographie, München 2007.

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durchgeführt sein. Corpus ist eine Forschungsentscheidung und hängt von den Forschungsinteressen ab. In der Geschichtswissenschaft, die stark in Textsorten denkt, mag man anders entscheiden als in der Linguistik, die derzeit weitgehend die Standards in den Digital Humanities bestimmt. Die ›Quellenerschließung‹ ist nicht mehr mit der Edition erledigt, ihr folgt die systematische Integration in größere, morphologisch annotierte Textzusammenhänge.26 Dazu bedarf es neben der Definition von Corpora noch weiterer Schritte. (2) Voraussetzung für das Erstellen untersuchbarer Corpora ist die durchgängig einheitliche morphologische (und in der Zukunft auch syntaktische) Annotation eines jeden Wortes. Für die Belange der Test-Beispiele dieser Einleitung (Abb.1–4) bedeutet dies die Annotation der Lex Romana Visigothorum und der karolingischen Herrschererlasse. Wer etwa das Verschwindens der juristischen Fachsprache in der lateinischen Welt nach der römischen Kaiserzeit und ihre Neuformierung mit der Entstehung von Universitäten oder Administrationen erforschen wollte, wäre auf eine morphologische Textannotation angewiesen von den Texten der ›klassischen‹ römischen Juristen bis zu jenen des 16. Jahrhunderts (etwa der Schule von Salamanca).27 (3) Für die morphologische Annotation sind spezifische Formen von Lexika für jede Sprache nötig (Grund- und Wortformenlexika). Solche werden zwar in vielen Projekten für diverse Sprachen aufgebaut, ihre Institutionalisierung in der Art der klassischen Lexika aber steckt noch in den Kinderschuhen. Für die Kapitularien betrifft dies im Wesentlichen ein lateinisches Grund- und Wortformenlexiken.28 26 Corpora werden in verschiedenen Forschungszusammenhängen verschieden definiert, in der Linguistik anders als in der Geschichtswissenschaft. Eine für die Geschichtswissenschaften naheliegende Möglichkeit ist die Definition von Textsortenklassen (z. B. Rechtstexte) und deren Unterteilung in Textsorten (z. B. Erlasse / Gesetze, Urkunden, Traktate). Textsorten sind eine konsensfähige Grundlage für die Bildung langfristig diachroner Basis-Corpora. Wortschatz und semantische Gepflegtheit lassen sich dann innerhalb der Textsortenklasse ›Rechtstexte‹ an verschiedenen Corpora untersuchen. Roland Scheel (Göttingen) und Tim Geelhaar (Bielefeld) haben eine derartige Einteilung auf der Grundlage einschlägiger Referenzwerke (wie Typologie des sources du Moyen Âge Occidental usw.) vorgelegt (vgl. lta.bbaw.de / d/text-type-classification) zur Arbeit mit dem Repositorium des LTA Latin Text Archive. 27 Derartige morphologische Annotationen sind zwar heute prinzipiell nichts Neues mehr, aber die Überprüfbarkeit ist für Nutzende zumeist noch sehr mühsam und verlangt ›IT-Literacy‹. Ein erheblicher Aufwand ist zudem der Aufbau der Textreihen, die zu annotieren sind, also die Corpusbildung. 28 Das FLL Frankfurt Latin Lexikon, das mit rund 9 Mio Wortformen derzeit wohl größte öffentlich zugängliche Grund- und Wortformenlexikon, wird derzeit an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in das ebenfalls dort derzeit aufgebaute LTA Latin Text Archive integriert. LTA und FFL werden frei zugänglich sein. Aufgebaut wurden beide Infrastrukturen an der Goethe Universität im Rahmen des Historical Semantics Corpus Management Projektes (zugänglich, passwortgeschützt) unter Leitung

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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(4) Schließlich bedarf es allgemein zugänglicher und nutzbarer digitaler In­ strumente zur Untersuchung von Sprachwandelphänomenen, etwa zur schnellen Erzeugung von Wortverlaufsgraphen oder von chronologischen Reihen semantischer Felder / Kollokationen innerhalb eines langfristig diachronen Corpus. Auch in diesem Bereich sind die meisten institutionell angebotenen Instrumente noch beta oder experimental.

5. Gezählte Kapitularien Einige vergleichsweise einfache Beispiele (Nr. 1–3) mögen in die Beiträge dieses Buches einführen.29 Grundlage der Beispiele ist der Bestand der Kölner Neuedition aus der Zeit von 507/11 bis 920, mit einigen für die quantifizierende Beobachtungen nötigen Modifikationen.30 Es kann sinnvoll sein, quantifizierende Beobachtungen nach Herrschern durchzuführen, ebenso sinnvoll mag es aber sein, chronologische Abschnitte zu beobachten (etwa 25-Jahresschritte), um den Einfluss der Herrscher und ihrer Umgebungen auf die Ausdrucksweisen nicht schon vor der Untersuchung vorauszusetzen. Aus der Sicht der Editoren der Neuedition ist es erst für die schriftliche Normierungspraxis der karolingischen Herrscher sinnvoll, die Erlasse als ›Kapitularien‹ zusammenzufassen – im Wesentlichen für die Praxis von Karl dem Großen bis Karl dem Kahlen. Für quantifizierende diachrone Beobachtungen kommen die früheren Erlasse seit Chlodwig wegen der sehr schütteren Textdichte ohnehin nicht in Frage. Aus dem frühen 10. Jahrhundert bieten die Editionen der Kapitularien nur noch einen einzigen Text an.31 Mithin bietet sich für eine quantifizierende Beobachtungen der Kapitularien die Strecke vom dritten

von Bernhard Jussen (Humanities) und Alexander Mehler (Informatik). Ein entsprechendes alt- und mittelhochdeutsches Wörterbuch für die alt-, mittel- und frühneuhochdeutschen Wortbestände in den lateinischen Texten steht dem LTA noch nicht zur Verfügung. 29 Um Wortgebrauchsgeschichten beobachten zu können, ist inzwischen ein vordefiniertes Spezialcorpus Capitularien in das LTA Latin Text Archive integriert worden, das derzeit an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin aufgebaut wird (lta. bbaw.de / corpus / capitularies). Den Autorinnen und Autoren der Beiträge lag dies noch nicht vor. 30 Nicht einbezogen sind die als echt geltenden Texte der Sammlung des Benedictus Levita (da sie nicht datierbar sind), ferner die umfassende Sammlung des Ansegis (um Dubletten zu vermeiden). Zudem ist die Beobachtungsstrecke aus inhaltlichen und aus quantitativen Gründen eingeschränkt worden auf das dritte Quartal des achten bis zum vierten Quartal des neunten Jahrhunderts (750–899). 31 Dieser Text aus dem Jahr 920 liegt in einer Neuedition (MGH Concilia 6) vor, vgl. auch Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse. München 1995, S. 1038.

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Bernhard Jussen / Karl Ubl

0,90 0,80 0,70 0,60 0,50

Karl der Große (%) Ludwig der Fromme (%) Karl der Kahle (%)

0,40 0,30 0,20 0,10

co nv en m io in ist er ra tio re gi pu us bl icu s s pa ace en r ite nt ia or do pa te r co pax ns ili um ho no r fra au te ct r o ca rita pi s tu lu m fid el sa is nc tu re s gn um

0,00

Abb. 1: Terminologie des Herrschaftssystems (1). Ausgewählt sind hier in den Erlassen von Karl dem Großen bis Karl dem Kahlen jene Wörter, die im Verlauf der drei Herrschaftsphasen deutlich ansteigen in den Erlassen. Sie geben einen Eindruck davon, wie zunehmend eine Terminologie präsent wird, die das politische System in ihren Verfahren, Funktionsweisen und Leitkonzepten artikuliert (Prozentzahlen bezogen auf die Gesamtzahl der Wörter). 0,50 Karl der Große (%) 0,40 0,30

Ludwig der Fromme (%) Karl der Kahle (%)

0,20 0,10

op us cle sia sti cu s

ep isc

ec

ar ch i

av an us te ce ss or

pr og en pr ae itor de ce ss or

0,00

Abb. 2: Terminologie des Herrschaftssystems (2). Links: Zunahme der familiären Referenzen von Ludwig dem Frommen zu Karl dem Kahlen. Rechts: Zunahme der Termini kirchlicher Infrastruktur. Zur gleichzeitigen Abnahme monastischer Termini vgl. Abb. 3.

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Die Sprache der Kapitularien. Einleitung 0,80 Karl der Große (%) 0,70

Ludwig der Fromme (%) Karl der Kahle (%)

0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10

co m es ca us a iu de x so lid us ba nn us be ne fic iu m m an su s cu r ti s

ab ba s m on ac hu s

0,00

Abb. 3: Terminologie des Herrschaftssystems (3). Zusammengestellt sind hier die Termini, die in den Erlassen von Karl dem Großen bis Karl dem Kahlen an Präsenz verlieren oder verschwinden. Manche Niedergänge passen unmittelbar zu gängigen historischen Darstellungen, so der Niedergang von solidus. Für andere Niedergänge gibt es nicht sofort einen Bezug zu den gängigen Darstellungen.

Quartal des achten bis zum vierten Quartal des neunten Jahrhunderts an, also die Zeit von 750 bis 899. Ein Vergleich des Wortgebrauchs in den verschiedenen Quartalen erweckt zunächst den Eindruck, dass die Kapitularien kein optimales Text-Corpus sind, um Wortgebrauchsgeschichten zu beobachten. Jedenfalls gibt es kaum ein Wort, dessen Gebrauchshäufigkeit kontinuierlich signifikant ansteigt oder nachlässt zwischen 750 und 900. Deutlicher werden die Dynamiken, wenn man (1) die Kapitularien nicht nach Quartalen, sondern nach Herrschern klassifiziert und (2) die Beobachtung des Wortgebrauchs auf die Kapitularien in den Regierungsjahren Karls des Großen (768–814), Ludwigs des Frommen (814–840) und Karls des Kahlen (843–877) beschränkt (Abb. 1–3). Dabei legen die Worthäufigkeiten nahe, dass die Terminologie des Herrschaftssystems sukzessive eine stabilere und differenziertere Form bekommen

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Bernhard Jussen / Karl Ubl

hat (Abb. 1): in Bezug auf Herrschaft (regnum, auctoritas), auf Abstraktion und Genese von Ämterbezeichnungen (fidelitas, comitatus, minister / ministerialis / ​ ministerium), Entscheidungsweisen (capitulum, consilium, communis oder convenire), auf Leitkonzepte der guten Regierung (pax, ordo, publicus – bei Karl dem Kahlen regelmäßig res publica – oder consensus, salus). Ähnlich zeichnet sich die Genese eines familialen Legitimationsvokabulars der Herrscher ab (Abb. 2). Dieses Vokabular ist zwar nicht unter den besonders häufigen Termini zu finden, aber als Gruppe gleichwohl auffällig – pater, antecessor, avus, praedecessor, progenitor. Umgekehrt finden sich in den Erlassen der Zeit Karls des Großen einige wenige Termini, die in der Folge weitgehend verschwinden (mansus, curtis) oder deutlich seltener genutzt wurden (bannus), ohne dass eine Deutung immer sogleich auf der Hand läge (Abb. 3). Manches, wie das zunehmend seltene Auftauchen des solidus bei gleichbleibender Präsenz des denarius fügt sich leicht in die gängigen münzgeschichtlichen Darstellungen. Nicht sofort in ein gängiges Muster passt der starke Rückgang von beneficium oder der deutliche Rückgang der Termini für den monastischen Bereich (abbas, monachus, regula). Dieser ist auffällig insbesondere mit Blick auf die im Ganzen häufiger genutzte sprachliche Differenzierung des Kirchlichen  – mit Attributen (episcopalis, ecclesialis) oder mit Ämtern (episcopus, auch archiepiscopus). Insgesamt, so mögen diese basalen Beobachtungen zeigen, bietet schon die Beobachtung der gut 100-jährigen Wortgebrauchsgeschichten in den Herrschererlassen  – vor jeder semantischen Untersuchung – einen wichtigen Zugriff auf Vorgänge politischer Institutionalisierung.

6. Wortbestände im Vergleich – Lex Romana und Capitularia Der eingangs referierte schlechte Ruf der Kapitularien, die Verdikte »abscheuliche Sprache« bis »volle Regellosigkeit«,32 lenkt den Blick auf eine weitere Vergleichsgrundlage, die für die in diesem Buch behandelten Fragen als Grundorientierung naheliegt: auf die Wortbestände in ähnlichen Textgruppen, die zur selben Zeit immer wieder abgeschrieben worden sind und heute in der Forschung oft aufeinander bezogen werden. So bietet sich ein Vergleich der Kapitularien mit der Sammlung römischen Rechts an, die unter der Herrschaft des westgotischen Königs Alarich II. zusammengestellt worden ist, oder etwa mit den gleichzeitig verfassten und multiplizierten Konzilsakten. Sowohl die Termini als auch die gepflegte Semantik (oder Fachsprache) der spätrömischen Juristen sind in den poströmischen Gesellschaften alles andere 32 Vgl. Anm. 9 und 20.

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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als unbekannt gewesen. Ganz im Gegenteil, sie waren reichlich verfügbar und sind über Jahrhunderte abgeschrieben worden. Viel leichter zur Hand als Handschriften mit Kapitularien waren für die Zeitgenossen besonders die Paraphrasen und Interpretationen römischen Rechts in der um ein Vielfaches öfter abgeschriebenen Enzyklopädie Isidors. Hohe Präsenz hatte auch die in Südgallien im Jahr 506 für die Hispano-Romanen und Gallo-Romanen unter der Herrschaft Alarichs II. publizierte Sammlung römischer Rechtstexte, im Wesentlichen zusammengestellt aus dem Codex Theodosianus, kaiserlichen Novellen und überarbeiteten Sentenzen des Gaius und Ps.-Paulus. Diese, als Lex Romana (heute Lex Romana Visigothorum) bezeichnete Sammlung ist noch heute in über 100 Handschriften erhalten, von denen viele zur gleichen Zeit abgeschrieben worden sind wie die Kapitularien. So zielt ein Vergleich des Wortgebrauchs in der Lex Romana und in den Kapitularien nicht nur auf ein Nacheinander von Normierungssprache. Er zielt ebenso auf ein Nebeneinander der Abschreibepraxis und des reproduzierten Wissens.33 Mit Blick auf die Abschreibepraxis ist das Nacheinander der Produktion ein Nebeneinander der Aneignung. Das Vokabular in Lex Romana und Kapitularien ist auffällig verschieden (Abb. 4).34 In der Lex Romana dominiert das Vokabular strafrechtlicher und zivilrechtlicher Regulierung. So spielt die Verwandtschaftsterminologie im Rahmen von Rechtstransaktionen wie Erbrecht in der Wortliste und der Worthäufigkeit eine augenfällige Rolle. In den Erlässen der karolingischen Herrscher spielen die meisten dieser Worte keine Rolle. Die einzigen Termini, die noch Gewicht haben – filius, frater, pater, uxor – mögen zum einen die Transformation des Verwandtschaftssystems von einen agnatisch vertikalen zu einem ehezentriert horizontalen andeuten.35 Zum anderen brauchte man das Vokabular der 33 Eine Liste mit Beschreibungen aller Handschriften und Referenzliteratur bietet www. leges.uni-koeln.de/lex/lex-romana-visigothorum/. 34 Eigennamen (Städte, Regionen, Personen) sind aus dem Vergleich ausgenommen worden. Zu den Größenverhältnissen: Der Umfang der beiden Corpora ist sehr unterschiedlich. Insgesamt werden in den beiden Sammlungen (Eigennamen – Städte, Regionen, Personen – ausgenommen) knapp 11.000 verschiedene bedeutungstragende Wörter (Nomen, Adjektive, Adverbien, Verben) benutzt. Davon kommt der weitaus kleinere Teil in beiden Sammlungen vor (ca. 3700), rund doppelt so viele (ca. 7200) kommen nur in einem der beiden vor (davon rund 2100 nur im Breviarium, ca. 5100 nur im Capitularien-Konvolut). Dies zu interpretieren ist schwierig, weil die Textcorpora sehr unterschiedlich umfangreich sind. Das Konvolut der Capitularien (von 750 bis 899, ohne Ansegis und Benedictus Levita) ist, was die reine Textmenge angeht, rund dreimal so umfangreich wie die in den selben politischen Räumen zur selben Zeit immer wieder abgeschriebene Sammlung des römischen Rechts. 35 Zur Transformation des Verwandtschaftssystems vgl. die Überblicke Bernhard Jussen, Perspektiven der Verwandtschaftsforschung zwanzig Jahre nach Jack Goodys »Entwicklung von Ehe und Familie in Europa«, in: Karl-Heinz Spieß (Hg.), Die Familie in der Ge-

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Bernhard Jussen / Karl Ubl

filius pater heres testamentum mater hereditas possessio mulier parens vir uxor nuptiae nepos frater filia genus nascor maritus liberi dos femina avus soror intestatus familia filiusfamilias sponsalis pronepos naturalis avia avunculus avius consanguineus pupillaris proneptis adoptivus maternus agnatus testamentarius pubes patruus patrimonialis masculus conatus agnatus sponsalius proavia patrona incestus adoptivus matrimonium incestum consanguinitas promatertera materfamilias incestuosus

Lex Romana Visigothorum (%) Capitularia (%)

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

Abb. 4: Verwandtschaftsvokabular in der sogenannten »Lex Romana Visigothorum« im Vergleich zu den fränkischen Herrschererlassen. Die im Jahr 506 publizierte Sammlung ist über Jahrhunderte abgeschrieben worden, gleichzeitig mit der Produktion und Multiplikation der Kapitularientexte. Die Abb. zeigt, dass die Kapitularien anders als diese Rechtssammlung nicht der Ort waren, an dem das Verwandtschaftssystem reguliert wurde.

sellschaft des Mittelalters (Vorträge und Forschungen 71), Sigmaringen 2009, S. 275–324; Michael Mitterauer, Geschichte der Familie. Mittelalter, in: Andreas Gestrich / Jens-Uwe Krause / Michael Mitterauer, Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 160–236; für die Langzeitperspektive David Warren Sabean / Simon Teuscher, Kinship in Europe. A New Approach to Long-Term Development, in: David Warren Sabean / Simon Teuscher / Jon Mathieu (Hg.), Kinship in Europe. Approaches to Long-Term Development (1300–1900), Oxford / New York 2007, S. 1–32; zum auffälligen Desinteresse der nachrömischen Gesellschaften an Ahnen und Genealogie vgl. Walter Pohl, Genealogy. A Comparative Per-

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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Kernfamilie auch zur Bezeichnungen der zentralen heiligen Personen Gottvater, Christus und Maria.36 Zunächst aber dürften die Unterschiede auf unterschiedliche Funktionen der Textsammlungen hinweisen, also auf unterschiedliche Textsorten  – Rechtsbücher hier, Erlasse dort. Um dies zu prüfen, bedürfte es eines weiteren Vergleichs mit den sogenannten Leges barbarorum. Das von Alarich gesammelte römische Recht jedenfalls war ein Ort zur Normierung der Verwandtschaft, die Kapitularien offenbar nicht. Sehr viel mehr tritt in den karolingischen Herrschererlässen jenes Vokabular hervor, das auf konsensbasierte Regierungspraxis, auf das politische Denken des ecclesia-­Diskurses und die Genese eines politischen Systems ohne Steuersystem verweist, etwa auf Funktionsträger und Verfahren. So sind weniger Termini des Rechtsbuchs (sententia, ius, iudex etc.) Bezugspunkte als eher Termini des Regierungshandelns und der Organisationsentwicklung – rex, regnum, ecclesia, res publica usw. Mit anderen Worten: Was Spezialisten für Alarich II. im frühen nachrömischen Gallien aus den vorhandenen Rechtskodifikationen extrahiert haben und was durch jahrhundertelanges Abschreiben auch in der karolingischen Welt bewahrt wurde, betraf mit Blick auf die Verwandtschaft ein Wissen, das zumindest in der karolingischen Welt immer weniger mit den favorisierten Normen zu tun hatte. Abgeschrieben wurde es trotzdem. In den Kapitularien taucht die neue Welt der Verwandtschaft – der Eheverbote, der unauflöslichen Ehe und des Desinteresses an Ahnen – allenfalls implizit auf. Selbst Inzest, ein Dauerthema des ecclesia-Diskurses, taucht in den Kapitularien zwar öfter auf als in Alarichs Sammlung des römischen Kaiser- und Juristenrechts, spielt insgesamt aber keine zentrale Rolle.37 Die Herrschererlasse waren offenbar nicht der Ort, an dem die Normierung von Ehe und Verwandtschaft ihren Platz hatte. Und sie pflegten auch eine andere Sprache. Was passiert also mit rechtssprachlichen Termini, wenn das Interesse an oder die Bedingungen für Fachsprache nicht mehr gegeben sind? Was passiert mit der Fachsprache, wenn (1) deren Texte weiterhin reichlich abgeschrieben werden, spective from the Early Medieval West, in: Christina Lutter / Walter Pohl / Eirik Hovden (Hg.), Meanings of Community Across Medieval Eurasia. Comparative Approaches, Leiden / Boston 2016, S. 232–269; Karl Ubl, Herrscherlisten in Rechtshandschriften. Dynastiebildung und genealogisches Wissen im karolingischen Frankenreich, in: Christian Heinemeyer / Iris Holzwart-Schäfer / Ellen Widder (Hg.), Geboren, um zu herrschen? Gefährdete Dynastien in historisch-interdisziplinärer Perspektive, Tübingen 2018, S. 23–45; ferner die Diskussion bei Hans J. Hummer, Visions of kinship in medieval Europe, Oxford 2018. 36 In den Konzilstexten jener Jahre (wo pater und filius unter den häufigsten zehn Worten zu finden sind) hatte man (relativ, im Verhältnis zur jeweiligen Textmenge) doppelt so häufig Bedarf an pater und filius wie in den Capitularien. 37 Dazu ausführlich Karl Ubl, Inzestverbot und Gesetzgebung. Die Konstruktion eines Verbrechens (300–1100) (Millennium-Studien 20), Berlin 2008.

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Bernhard Jussen / Karl Ubl

wenn (2) die Erlasspraxis der neuen Herrscher zumindest diese Gepflegtheit der alten juristischen Fachsprache nicht mehr erkennen lässt, und wenn (3) die normativen Bedingungen der alten, weiterhin abgeschriebenen Rechtstexte nicht mehr gegeben sind  – etwa durch den Strukturwandel des Verwandtschafts­ systems oder durch das Ende des Steuersystems?

7.

Die Beiträge

Die Fragestellungen in den Beiträgen dieses Buches sind zu einem Zeitpunkt bearbeitet worden, zu dem die geschichtswissenschaftlichen Möglichkeiten ihrer Beantwortung noch ein Balanceakt waren (und immer noch sind). Sie sind mitten in einer Umbruchszeit geschrieben worden, in der fächerweit der Aufbau neuer Strukturen der Grundlagenforschung unter den Bedingungen digitaler Geschichtswissenschaft noch in den Anfängen steckt. Die Möglichkeiten digitaler Forschung sind derzeit noch nicht in dem Zustand, der für die Fragen dieses Buches nötig wäre. Auch die Daten, die den Graphen dieser Einleitung zugrunde liegen, lagen den Autorinnen und Autoren noch in »beta«-Versionen vor. Am Beginn der ersten Sektion beleuchtet der Beitrag von Gerda Heydemann und Helmut Reimitz die Verbindungen zum Feld der Historiographie und Bibelexegese. Dabei ist die Ausbeute des geschichtspolitischen Potentials der Kapitularien auf den ersten Blick gering. Während die Sicht auf den eigenen Aufstieg in der Historiographie konsequent durch die neue Herrscherfamilie modelliert wurde, erweisen sich die Herrschererlasse als weitgehend geschichtslos. Eine gemeinsame fränkische Geschichte wird ebenso wenig evoziert wie eine Kontinuität mit den Dekreten der merowingischen Könige. Stattdessen dominiert das Selbstverständnis der providentiellen Mission, das sich zunächst auf das Alte Testament und in der Spätphase Karls des Großen stärker auf das Neue Testament bezieht. Erst unter Ludwig dem Frommen wurde der Zusammenhang zwischen der Exegese und den Verlautbarungen des Herrschers sichtlich entkoppelt. Darin kommt aber nicht allein ein Bedürfnis nach Abgrenzung von Seiten der theologisch geschulten Bischöfe zum Ausdruck, sondern auch eine vom Herrscher forcierte Klärung von leges divinae und leges mundanae. Damit erhielten die Kapitularien zugleich eine eigene Geschichtlichkeit, welche durch den Bezug auf alte Gewohnheiten (antiquae consuetudines) ausgedrückt wird. Insgesamt hinterlässt der sich fortwährend verändernde Umgang mit Geschichte und Exegese den Eindruck des Experimentierens mit den möglichen Legitimationsdiskursen der Kommunikation des Herrschers mit seinen Amtsträgern. Das Verhältnis zwischen den Kapitularien und den Rechtsbüchern (den leges) wird im Beitrag von Magali Coumert thematisiert. Dabei interessiert sie vor allem die Tatsache, dass zumeist nur unspezifisch und unscharf auf die leges Bezug

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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genommen wird, ohne mit präzisen Stellenangaben zu operieren. Nur vereinzelte Kapitularien (Ergänzungen zur Lex Ribuaria und zur Lex Salica) bemühen sich um eine konkrete Zitation, scheitern jedoch bei der Umsetzung, weil entweder die Kapitelzählungen in den Handschriften davon abweichen oder weil die ergänzenden Kapitularien gar nicht im Verbund mit den leges überliefert sind. Gleichwohl zeigen diese Texte, dass präzise Referenzierungen durchaus möglich gewesen wären. Coumert erkennt folglich in den unspezifischen Verweisen auf die leges eine bewusste Strategie der Herrscher: Der Verweis auf die generische Autorität der leges räumte den Amtsträgern große Freiheiten bei der Umsetzung des Rechts ein, machte aber bei Streitfällen die Konsultation mit den Herrschern notwendig und verstärkte so das Band zwischen den Regionen und der Zentrale. Steffen Patzold widmet sich den Capitula monastica aus den Anfangsjahren Ludwigs des Frommen. Mit diesen Bestimmungen sollte eine für alle Klöster des Imperiums verbindliche Ergänzung zur Benediktsregel geschaffen werden. Es ist gut belegt, dass Ludwig der Fromme an der Reform der Klöster gemeinsam mit seinem wichtigsten Berater Benedikt von Aniane großen Anteil nahm. Er unterstützte die Reform und überwachte selbst und durch seine Gesandten ihre Durchsetzung. Auch in einigen zeitgenössischen Quellen und sogar in Dokumenten aus seiner Kanzlei werden die Capitula auf die Initiative des Kaisers zurückgeführt. Gleichwohl gibt es eine Reihe von guten Gründen, diese Dokumente nicht zu den Kapitularien im engeren Sinn zu zählen. In der Vorrede wird ausdrücklich formuliert, die folgenden Bestimmungen seien von den Äbten und Mönchen auf einer Versammlung in Aachen beschlossen worden. Der Name des Kaisers wird dagegen allein in der Datierung erwähnt. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass weder Ansegis noch andere Sammler die monastische Gesetzgebung als Teil der Kapitularien betrachteten. Ihre handschriftliche Überlieferung weist keine Überschneidung mit den übrigen Kapitularien auf. Ein wichtiger Unterschied zu den Kapitularien besteht auch in dem Kreis der Adressaten: Die Capitula monastica sind nur an Äbte und Mönche gerichtet, während die Kapitularien in der Regel alle geistlichen und weltlichen Amtsträger erreichen sollten. Zuletzt weist auch die Sprache keine Überschneidungen mit der für die Kapitularien charakteristischen Begrifflichkeit auf. Schon seit längerem ist der Zusammenhang von Urkunden und Kapitularien kontrovers diskutiert worden. Britta Mischke greift diese Diskussion auf und erweitert sie zugleich durch die Untersuchung der handschriftlichen Varianz von protokollartigen Einleitungstexten. Anders als unter den Merowingern ist ein urkundenähnliches Formular in der Karolingerzeit eine Ausnahme, die sich auf solche Texte beschränkt, die als wirksames Beweisstück aufbewahrt werden sollten. Dass diese Abgrenzung von den Urkunden eine bewusste Entscheidung war, zeigt sich an dem kurzzeitigen Experimentieren mit Elementen der angelsächsischen Herrscherurkunde unter Karlmann und Pippin dem Jüngeren. Seit

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dem Königtum Pippins gibt es keine strikten Vorgaben für die Formulierung der Kapitularien. Statt Einheitlichkeit herrschte somit hohe Varianz, die teils auf die mit der Formulierung beauftragten Personen, teils auf die Sammler der Kapitularien zurückgeht. Eine Detailanalyse der Rubriken der sogenannten Collectio Senonica zeigt allerdings, dass ein freies Erfinden von Einleitungstexten nicht die Regel war, sondern dass offizielle Kopiervorlagen oder briefliche Anweisungen an die Missi zugrunde lagen. Aus der Perspektive der quantitativen Semantik kann Nicolas Perreaux ebenfalls wichtige Ergebnisse zum Verhältnis von Kapitularien und Urkunden beitragen. Aus der Vogelperspektive lässt sich eine gewisse Komplementarität der Produktion von Urkunden und Kapitularien erkennen: Die Urkundenüberlieferung scheint dann anzusteigen, sobald die Kapitularien nicht mehr in der unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen üblichen Regelmäßigkeit erlassen wurden. Darüber hinaus ist das Vokabular durch eine eigenartige Invarianz gekennzeichnet, während sich die Sprache der Urkunden über das 8. und 9. Jahrhundert kontinuierlich wandelte. Dies erklärt sich aus dem Konservativismus der moralisch aufgeladenen Sprache herrscherlicher Verlautbarungen. Kapitularien referieren häufig auf die Gesamtheit der sozialen Ordnung, auf hierarchische Beziehungsgefüge und auf die moralischen Grundlagen der Gemeinschaft. Urkunden haben dagegen viele zeitliche und örtliche Fixpunkte und stehen in Wechselwirkung mit den konkreten Herrschaftsbeziehungen vor Ort, die im Lauf des 10. Jahrhunderts wichtiger wurden. Die moralische Sprache der Kapitularien eröffnet Vergleichsmöglichkeiten mit der Predigtliteratur, die von Maximilian Diesenberger untersucht werden. Er erkennt eine vergleichbare Intention, weil sowohl durch Predigten als auch durch Herrschererlasse ein sozialer Zusammenhalt durch die Formulierung von Verhaltensnormen hergestellt werden sollte. Die Überschneidung beider Gattungen beobachtet er in drei Feldern: in der handschriftlichen Überlieferung, in der inhaltlichen Bezugnahme auf einschlägige Bibeltexte und in der Vermittlung der Inhalte von Kapitularien durch Predigten. Besonders ergiebig sind in dieser Hinsicht die Salzburger Sermones-Sammlung und andere Texte aus dem Umfeld Arns von Salzburg. Diese Quellen lassen eine konzertierte Aktivität erahnen, in der der flächendeckende moralische Diskurs in den Predigten als Verstärkung des moralischen Tons der Kapitularien dienen konnte. Die zweite Sektion des Bandes wendet sich spezifischen Wortfeldern der Kapitularien zu. Jennifer Davis untersucht die expliziten Querverweise auf andere Kapitularien, d. h. die Frequenz der Erwähnung von capitula bzw. capitularia im Vergleich mit anderen Begriffen für Gesetzgebung. Dabei zeigt sich, dass solche Querverweise immer die Autorität des Königs und seine Verordnungsmacht akzentuieren. Capitula und capitularia beziehen sich auf ein generisches Recht des Herrschers, während andere Worte wie edictum, decretum oder constitutio

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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spezifischere Bedeutungen und Einsatzfelder haben. Wenn dabei meist ohne konkrete Angabe der Fundstelle operiert wird, ist dies kein organisatorisches Defizit, sondern eine Strategie, um die Kommunikation zwischen Amtsträger und Herrscher zu verstetigen. Davis erkennt damit auf mehreren Ebenen ein strategisches Handeln: bei der Auswahl der Begriffe, bei der Art der Querverweise und bei der Etablierung einer eigenen Gattung der Kapitularien. Bei der Untersuchung des Verbs iubere betont Jean Meyers dagegen die Prägung durch die Verwendungsweisen in der römischen Antike. Die Frequenz bei der Verwendung des Wortes im Umfeld von anderen Verben des Befehlens ist vergleichbar mit den Sammlungen spätantiker Kaisergesetze. Eine zeitliche Veränderung lässt sich im Lauf des 9. Jahrhunderts kaum erkennen, auch wenn seit Ludwig dem Frommen die unklassischen Satzkonstruktionen seltener werden. Wie in der Antike wurde das Wort imperare dagegen im Zusammenhang mit den Herrschern vermieden, weil es durch den implizierten Anspruch auf absoluten Gehorsam nur für das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen Anwendung fand. Das Wort iubere ist daher wie velle eher eine schwächere Befehlsform und verlangt Befolgung unter der Bedingung der Konsensfähigkeit und der religiös-moralischen Dringlichkeit. Eine differenzierte Begrifflichkeit ist ebenfalls für das Wortfeld des ›Fremden‹ zu erkennen. Els Rose untersucht in ihrem Beitrag acht lateinische Begriffe aus diesem Wortfeld und gelangt zu dem Ergebnis, dass eine konsistente Rechtsprache nicht zu erkennen ist. Der Begriff des advena begegnet in einem Kapitular Karls des Kahlen als ansässiger Fremder (entsprechend der Definition Isidors von Sevilla), während er in einem anderen Text desselben Königs auch für vorübergehende Flüchtlinge verwendet wird. Bei den Begriffen hospes und peregrinus vermischt sich die römische mit der biblischen Semantik. Besonders für peregrinus ergeben sich unterschiedliche Bedeutungen von Pilger über Reisender bis zum suspekten Vagabunden. Die Existenz einer gepflegten Semantik, d. h. einer differenzierten Begrifflichkeit, ist auch Thema des Beitrags von Stefan Esders. Zwar ist die Recht­sprache des frühen Mittelalters aufgrund der Pluralität normativer Ordnungen nicht so konsistent wie in der Antike. Die komplexe Etablierung der Formel fideles dei et regis zeigt jedoch, wie reflektiert die Karolinger an der politischen Rhetorik feilten. Esders verfolgt diese Entwicklung von den spätantiken Grundlagen des Militäreides über die Einflussnahme durch die päpstlichen Schreiben der 750er und 760er Jahre bis zur vermehrten Anwendung durch Karl den Großen und zum Eingang ins Urkundenformular unter dessen Sohn Ludwig dem Frommen. Dabei dürfte die Erfahrung des Krieges gegen die Sachsen und Awaren und die Verknüpfung von Eroberung und Taufe als Katalysator bei der Etablierung der Formel gewirkt haben. Seit diesem Zeitpunkt ist zudem eine Erweiterung auf andere Begriffe wie bannus, gratia und utilitas bemerkbar. Der springende Punkt

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der Formel ist jedoch nicht, dass Geistliches und Weltliches bis zur Unkenntlichkeit vermischt werden, sondern dass die Trennung von politischer Loyalität und religiösem Bekenntnis vorausgesetzt und beides »in einem gewagten Wortspiel« verklammert wird.

8. Im Überblick Wenn wir die Vorträge nach ihren Ergebnissen für die eingangs angeschnittenen Themen befragen wollen, können sie zu vier Thesen gebündelt werden: 1. Die Beiträge haben aus unterschiedlicher Perspektive erkennen lassen, dass die Dekrete der merowingischen Könige nicht viel mit den Kapitularien der Karolinger gemein haben. Allein schon die unterschiedliche Anzahl, die nicht auf Überlieferungsverlust zurückzuführen ist, erschwert einen systematischen Vergleich (Nicolas Perreaux). Obwohl den Karolingern die Texte ihrer Vorgänger in Auszügen durchaus bekannt waren, knüpften sie nach Gerda Heydemann und Helmut Reimitz nirgendwo explizit daran an. Dies ist angesichts des reflektierten Umgangs mit Geschichte am karolingischen Hof eine wertvolle Erkenntnis. Auch Britta Mischke sieht in der Verwendung von urkundlichen Formularbestandteilen ein Charakteristikum der merowingischen Dekrete, während sich die Kapitularien der Karolinger meist nackt als Kapitellisten präsentieren. Damit verbunden ist das Aufkommen des Begriffs capitula bzw. capitularia, das nach Jennifer Davis mit Karl dem Großen neu einsetzt. Der Zusammenhang mit der moralischen Sprache der Predigten ist ebenfalls charakteristisch für die Zeit Karls des Großen und seiner Nachfolger, wie Maximilian Diesenberger betont. Schließlich manifestiert sich nach Stefan Esders eine neue Idee politischer Legitimation durch die Etablierung der Formel von den »Gläubigen Gottes und den Getreuen des Königs«. 2. Die Kapitularien als eigene Textgattung zu begreifen hat sich als unterschiedlich tragfähig erwiesen. Eindrücklich sind die Befunde zu den internen Querverweisen von Jennifer Davis. Es ist deutlich zu erkennen, dass schon unter Karl dem Großen das Bewusstsein vorhanden war, weitere capitula zu einer immer größer werdenden Textmasse hinzuzufügen. Seit der Verfügbarkeit der Sammlung von Ansegis werden die Querverweise präziser. In diesem Sinne zeigt auch Steffen Patzold auf, dass es sinnvoll ist, zwischen den Produkten der Kommunikation des Herrschers mit seinen Amtsträgern auf der einen Seite und den Einigungen über klösterliche Gewohnheiten im Rahmen von Synoden auf der anderen Seite zu unterscheiden. Gleichwohl tut man gut daran, die Unterschiede nicht zu klar zu ziehen. Die moralische Sprache der Kapitularien weist große Überlappungen mit Predigten auf (Maximilian Diesenberger). Zudem ist die charakteristische Verknüpfung von Gott und Herrscher in der Formel von

Die Sprache der Kapitularien. Einleitung

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den fideles (oder praecepta) dei et regis nicht auf die Kapitularien beschränkt, sondern wurde in das Urkundenformular übernommen. 3. Da es keine professionelle Elite gab, die für die Formulierung der Kapitularien zuständig war, weisen die Kapitularien weder eine hohe Fachsprachlichkeit noch eine konsistente Begrifflichkeit auf. Dennoch verdient festgehalten zu werden, dass sich keine »Unfähigkeit, einen Rechtssatz oder überhaupt eine Vorschrift zu formulieren« (Ganshof) manifestiert. Die Verwendung der Verben des Befehlens zeigt vielmehr eine reflektierte und an dem antiken Sprachgebrauch angelehnte Verwendung (Jean Meyers). Ebenso sind die generischen Verweise auf die leges nicht Zeugnisse für die Unfähigkeit des korrekten Zitierens, sondern für einen strategischen Umgang mit dem vorhandenen Normenmaterial der Rechtsbücher (Magali Coumert). Auch bei der Auswahl aus den Begriffen für Fremde zeigt sich ein reflektierter Umgang mit den möglichen Nuancierungen der lateinischen Sprache (Els Rose). Das beste Beispiel für diese gepflegte Semantik ist die Neuprägung der Formel fideles dei et regis (Stefan Esders). 4. Zuletzt haben die Tagungsbeiträge auch zum Nachdenken über das Verhältnis von weltlichen und geistlichen Normenbeständen angeregt. Die moralische Erneuerung durch die Kapitularien konnte nur erfolgen, da sie durch eine intensivierte Predigttätigkeit begleitet wurde (Maximilian Diesenberger). Die Autorität zur Verkündigung von Kapitularien wurde zunächst eng aus der providentiellen Mission abgeleitet und erst unter Ludwig dem Frommen schrittweise der biblischen Legitimierung entkleidet (Gerda Heydemann und Helmut Reimitz). Auch wenn Ludwig nicht selbst die Entscheidung über die Capitula monastica traf, so versah er sie doch mit seiner Autorität und verknüpfte sie mit seinem Namen, um ihnen mehr Geltung und Anerkennung zu verschaffen (Steffen Patzold). Wie sich beim Verhältnis von weltlicher und geistlicher Sphäre Trennung und Verknüpfung gegenseitig bedingen, bringt am deutlichsten Stefan Esders in seiner Analyse des Zeugmas über die »Gläubigen und Getreuen« zum Ausdruck. Die Sprache der Kapitularien bewegt sich folglich in einer Indifferenzzone zwischen Recht, Moral, Religion und Administration. Die Karolinger schufen ein flexibles Instrument zur Kommunikation mit ihren Amtsträgern, das sich gerade aufgrund seiner Regellosigkeit besonders für ein pragmatisches Regierungshandeln eignete. Damit wirft der vorliegende Band neues Licht auf die Bedingungen des Erfolgs Karls des Großen und seiner Nachfolger. Gleichwohl ist mit diesen Beiträgen das Thema der Semantik karolingischer Kapitularien bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Zwei Vorträge (von Philippe Depreux über das Wortfeld ›Bann‹ und von Étienne Renard über das Vokabular zu Bauern und Ackerland) konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht für diesen Band zum Druck gebracht werden. Daneben hätte auch eine Berücksichtigung des

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Bernhard Jussen / Karl Ubl

vernakularen Vokabulars in den Kapitularien eine erneute Untersuchung verdient.38 Zudem wäre zu überlegen, ob eine quantitative Analyse der Semantik nicht allein auf der Grundlage der edierten Texte, sondern auch auf der Grundlage der handschriftlichen Überlieferung stattfinden müsste. Auf diese Weise könnte man sowohl der Diversität von Orthographie und Morphologie als auch der unterschiedlichen Verbreitung von Texten Rechnung tragen. Die digitale Edition der Kapitularien, die inzwischen bereits große Teile des 9. Jahrhunderts umfasst, würde dafür eine neue Grundlage bieten.39 Zuletzt wird sich die Frage der Semantik auch neu stellen, wenn das Langfristvorhaben der kritischen Edition der Kapitularien zum Abschluss kommen wird und endlich verlässliche Texte zu Verfügung stehen.

38 Vgl. Annette de Sousa Costa, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, Göttingen 1993 und die Bemerkungen von Patrick J. Geary, Language and Power in the Early Middle Ages, Waltham 2013, S. 68–68. 39 https://capitularia.uni-koeln.de [zuletzt eingesehen am 22.02.2022].

1. Kapitularien und andere Textsorten

Gerda Heydemann / Helmut Reimitz 

Novae et antiquae consuetudines. Beobachtungen zu Geschichte und Exegese in den karolingischen Kapitularien

Die Frage nach der Geschichte, nach dem Inhalt und der Definition der karolingischen Kapitularien ist seit langem kontrovers diskutiert worden. Aufgrund der formalen und inhaltlichen Vielfalt und den verschiedenen kodikologischen Kontexten, in denen sie überliefert sind, lassen sich kaum einheitliche Kriterien ihrer Definition finden. Auch die Verwendung des Begriffs capitulare bietet sich kaum als Grundlage an. Er ist für die verschiedenen Auflistungen von Anordnungen, Ergänzungen zu bestehenden weltlichen und kirchlichen Gesetzen, moralischen und christlichen Grundsätzen, und die Ermahnungen zu ihrer Einhaltung nicht sehr häufig überliefert und in den fränkischen Herrscher­ erlassen selbst erst aus dem Jahr 779 erstmals erhalten.1 Der Doyen der neueren Kapitularienforschung, Hubert Mordek, meinte schon vor einiger Zeit, dass man sich mit dem Konsens abfinden müsse, eben keinen Konsens finden zu können.2 Die formale, inhaltliche und begriffliche Vielfalt wurde manchmal 1 Arnold Bühler, Capitularia relecta. Studien zur Entstehung und Überlieferung der Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik 32 (1986), S. 305–501, hier S. 321–339; Steffen Patzold, Normen im Buch. Überlegungen zu Geltungsansprüchen so genannter ›Kapitularien‹, in: Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), S. 331–350, hier S. 332–334, mit Anm. 2 und 9. Eine interessante Spur zur Verwendung des Begriffs capitulare verfolgte kürzlich Ludger Körntgen in einem als Capitulare bezeichneten Schreiben Papst Gregors II .: Ludger Körntgen, Bonifatius, Bayern und das fränkische Kirchenrecht. Zur Überlieferung des Capitulare Papst Gregors II . für die Bayern (716), in: Gordon Blennemann u. a. (Hg.), Konstanz und Wandel. Religiöse Lebensformen im Mittelalter, Affalterbach 2016, S. 33–56. In dem als capitulare bezeichneten Schreiben fordert der Papst seinen Gesandten auf, den dux des Landes dazu zu bewegen, einen conventus presbyterum, iudicum und universorum primariorum gentis eiusdem abzuhalten. Dabei legt Körntgens Untersuchung nahe, dass der bayrische Kontext, in dem das Schreiben üblicherweise interpretiert wird, zu eng gefasst sein kann. Siehe dazu künftig auch die Arbeiten von Helena Geitz (Universität Mainz). 2 Für einen gemeinsamen Ausgangspunkt ihrer Definition (Erlasse, die von den fränkischen Königen oder vom Königshof ausgestellt wurden) siehe die Einleitung zu diesem Band; vgl. auch Hubert Mordek, Kapitularien und Schriftlichkeit, in: Rudolf Schieffer (Hg.), Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, Opladen 1996, S. 34–66. Patzold, Normen, S. 331–350, mit weiten Literaturverweisen, vor allem auf die Arbeiten von Hubert

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Gerda Heydemann / Helmut Reimitz 

auch auf die Umgestaltung und Instrumentalisierung der Kapitularien in der späteren Überlieferung zurückgeführt. Jedoch hat die neuere Forschung zu den Herrschererlassen betont, dass es sich dabei nicht um eine spätere Verformung der ursprünglichen Erlasse handelte, sondern dass die Vielfalt ein den Erlassen eigenes Charakteristikum ist.3 Die überlieferte Vielfalt ist also vor allem auf die verschiedenen Phasen der Entstehung von Kapitularien zurückzuführen, auf die verschiedenen Gruppen und Interessen, die hinter ihrer Abfassung standen, und nicht zuletzt auf das bewusste Experimentieren mit dieser Form der Gesetzgebung und Rechtsfindung. Diese Perspektive auf die Entstehung und Verbreitung der Kapitularien macht ihre Einordnung und Erforschung als Rechtsdokumente nicht einfacher. Sie lässt aber mehr neue Fragen zu, die ihre historische Entwicklung besser verstehen helfen, als die Frage nach einer zu rekonstruierenden ursprünglichen Form oder Norm. Vor diesem Hintergrund scheint die Frage nach den historischen Traditionen, mit denen die Erlasser oder Verfasser von Kapitularien ihre Arbeit selbst verbanden, besonders interessant. So suggerieren die Kapitularien in ihren Bestimmungen einerseits eine Fortsetzung, Fortschreibung, Erneuerung oder Ergänzung bestehender und allgemein anerkannter Normen und Gesetze. Andererseits betonen sie aber auch den Willen zur Reform und Erneuerung, was wiederum ein wichtiger Aspekt der Legitimation der karolingischen Herrscher als Gesetzgeber nach der Usurpation des Königtums in der Mitte des achten Jahrhunderts war. Welche Rolle spielen dabei historische Bezüge in den Kapitularien? Mit welchen geschichtlichen Horizonten wurden die Kapitularien verbunden, um ihre Regelungen als legitimen Bestandteil der bestehenden Rechtsordnung zu präsentieren? Kann die Frage nach dem Umgang mit Geschichte in den Kapitularien helfen, die Geschichte der Kapitularien besser zu verstehen? Ausgehend von diesen Fragen sollen in diesem Beitrag einige Beobachtungen zu den Kapitularien der ersten drei karolingischen Herrscher, Pippins, Karls des Großen und Ludwigs des Frommen vorgestellt werden. Zunächst wird ein Überblick über die Verweise auf Vergangenheit in den Kapitularientexten gegeben, also der Frage nachgegangen werden, welche Begriffe in den Texten verwendet werden, um auf vergangene Zeiten zu verweisen und welche historischen Horizonte sich dabei abzeichnen. Darauf aufbauend soll skizziert werden, wie sich diese Horizonte im Zusammenhang mit der Etablierung der Kapitularien als legislatives Genre schon in der Karolingerzeit veränderten und dabei zu­ nehmend auch ein historischer Blick auf die karolingische Geschichte dieses Genres entwickelt wurde. Mordek und Michael Glatthaar. Zur Einführung und Bibliographie siehe auch die Website des Projekts zur Edition der fränkischen Herrschererlasse www.capitularia.uni-koeln.de [zuletzt eingesehen am 01.09.2020]. 3 Patzold, Normen, S. 349 f.; Mordek, Kapitularien und Schriftlichkeit, S. 37.

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Zu der ersten Frage sei schon vorweg bemerkt, dass die semantischen Studien zu Begriffen, die in den Kapitularien auf Vergangenheit verweisen, weniger ergiebig sind als man das bei den geschichtsbewussten Karolingern vielleicht erwarten würde. Die Monopolisierung der Geschichtsschreibung des karolingischen Aufstiegs zu Königen und Kaisern des lateinischen Westens im achten und den ersten Jahrzehnten des neunten Jahrhunderts war eine eindrucksvolle politische und kulturelle Leistung der ersten Karolinger.4 Auch in der Aneig­ nung von Rechtstexten konnten sich die Karolinger durchaus geschichtsbewusst zeigen. Als der erste karolingische König, Pippin, in den 60iger Jahren des achten Jahrhunderts5 eine neue Redaktion der altehrwürdigen Lex Salica publizierte, wurde sie mit einem neuen ideologischen Rahmen verbunden. An den Beginn wurde ein neuer, längerer Prolog gestellt und nach der Pippinschen Redaktion der Lex Salica folgten einige kürzere Texte, in denen Pippin als der legitime Nachfolger der merowingischen Könige präsentiert wird.6 Wie Karl Ubl in seiner Studie zur Lex Salica bemerkte, betonte der neue Rahmen die Rolle der Franken als auserwähltes Volk nicht zuletzt aufgrund ihrer weit in die Geschichte zurück reichenden und berühmten militärischen Stärke, die nach der Ablösung der zunehmend unfähigen merowingischen Könige nun von den Karolingern erneuert und bestätigt wurde.7 Auf solche historischen Bezüge oder Einbettungen wird hingegen in den Kapitularien kaum aufgebaut. Überhaupt sind Begriffe, die auf die Vergangenheit verweisen, wie etwa historia, res gestae, praeteritum, antiquitas, memoria, traditio, exemplum oder monumentum gar nicht oder nur recht spärlich verwendet. Etwas häufiger kommt das Adjektiv antiqua vor und auch das Adverb antiquitus – von altersher. Jedoch werden die Wörter vor allem im Zusammenhang mit Zöllen oder anderen Abgaben verwendet, worauf noch zurückzukommen sein wird.8 Historia und res gestae kommen in den Kapitularien gar nicht vor. Der Begriff memoria wird auch nur dreizehn mal verwendet und dabei oft formel4 Helmut Reimitz, History, Frankish Identity and the Framing of Western Ethnicity, Cambridge 2015, part III; Stuart Airlie, The Cunning of Institutions, in: Jennifer Davis / Michael McCormick (Hg.), The Long Morning of Medieval Europe. New Directions in Early Medieval Studies, Aldershot 2008, S. 267–274; Rosamond McKitterick, History and Memory in the Carolingian World, Cambridge 2004; Maximilian Diesenberger, Dissidente Stimmen zum Sturz Tassilos III ., in: Richard Corradini u. a. (Hg.), Texts and Identities in the Early Middle Ages, Wien 2006, S. 105–120. Siehe nun auch die Beiträge in Rutger Kramer / Helmut Reimitz / Graeme Ward (Hg.), Historiography and Identity: Carolingian Approaches, Turnhout 2021. 5 Zur Kontextualisierung der Publikation mit der Reichsversammlung von Worms im Jahr 764 siehe Karl Ubl, Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs. Die Lex Salica im Frankenreich, Ostfildern 2017, S. 160 f. 6 Siehe dazu jetzt: Ubl, Sinnstiftungen, S. 155–163. 7 Ebd., S. 163. 8 Vgl. unten, S. 58 f.

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Gerda Heydemann / Helmut Reimitz 

haft mit der Erinnerung an einen der karolingischen Vorfahren verbunden – etwa in Wendungen wie bonae memoriae genitor noster Pippinus.9 Zweimal geht es um die Erinnerung an Heilige, die sorgfältig und genau bewahrt werden soll, wobei auch betont wird, dass es vor allem vermieden werden soll, falsche Namen und incertae memoriae von Heiligen zu feiern.10 Einmal wird verfügt, dass das Kirchenvolk Gebete auswendig lernen soll,11 und einmal kommt memoria im Titel für ein memorandum an die comites vor – memoria quod domnus imperator suis comitibus praecepit.12 Als historische Erinnerung wird der Begriff memoria in der Präambel Ludwigs des Frommen zum Capitulare ecclesiasticum von 818/819 verwendet. Ludwig beendet das Prooemium zu dem Kapitular mit der Verfügung, dass die verabschiedeten Beschlüsse der Erinnerung wegen im öffentlichen Archiv (in publico archivo) aufbewahrt werden sollten.13 Das bezieht sich jedoch auf eine memoria in der Zukunft. Die wenig spektakulären Zusammenhänge für memoria spiegeln den allgemeinen Gebrauch für Wörter wider, mit denen Bezüge zu Vergangenheit und Geschichte hergestellt werden hätten können. Praeteritum ist als Nomen gar nicht zu finden, und das Adjektiv praeteritus kommt manchmal in Wendungen wie in praeterito anno,14 oder etwa in Verweisen auf frühere Erlasse oder Versprechen in den Kapitularien vor.15 Dabei zeigt die Einleitung zu dem immerhin als Kapitular publizierten Concilium Germanicum, dass man in den legislativen Experimenten der Karolinger vor der Übernahme des Königtums den Begriff zur Abgrenzung von den merowingischen Königen verwendete, deren Untätigkeit für den Verfall der lex Dei verantwortlich gemacht wurde: quomodo lex Dei et aecclesiastica religio recuperetur, quae in diebus praeteritorum principum dissipata corruit.16 Exempla sind nur in ganz wenigen Fällen Vorbilder aus der Vergangenheit. Einmal ist es das exemplum des ersten karolingischen Königs Pippin, dem Karl der Große in der Reform der Liturgie nacheifern will.17 Zweimal wird ganz all9 Z. B. MGH Capit. 1, Nr. 20, S. 50, Z. 10; MGH Capit. 1, Nr. 30, S. 80, Z. 30; für Karl: MGH Capit. 1, Nr. 172, S. 353, Z. 24. 10 MGH Capit. 1, Nr. 22, c. 42, S. 56, Z. 34; MGH Capit. 1, Nr. 28, c. 42, S. 77, Z. 33. 11 MGH Capit. 1, Nr. 122, S. 241, Z. 28. 12 MGH Capit. 1, Nr. 158. S. 318. 13 MGH Capit. 1, Nr. 137, S. 275, Z. 13. 14 In praeterito anno: MGH Capit. 1, Nr. 50, S. 137, Z. 17; MGH Capit. 1, Nr. 49, S. 138, Z. 10 und 20; MGH Capit. 1, Nr. 72, S. 162, Z. 21. 15 Z. B. MGH Capit. 1, Nr. 64, S. 153, Z. 22 (Verweis auf eine 2 Jahre zuvor erlassene Regelung: MGH Capit. 1, Nr. 150, S. 304, Z. 18). 16 MGH Capit. 1, Nr. 10, S. 25, zu Kontext und Datierung siehe Michael Glatthaar, Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs, Frankfurt am Main 2004, Kap. 2.4. – 2.6. 17 MGH Capit. 1, Nr. 30, S. 80, Z. 21.

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gemein auf die exempla sanctorum oder sanctorum patrum verwiesen.18 Sonst wird der Begriff hauptsächlich für das gute Beispiel verwendet, mit dem die Eliten, und allen voran die klerikalen Eliten, ein Vorbild für den christlichen populus sein sollen.19 Einmal wird als Kontrast dazu auf das schlechte exemplum eines Priesters verwiesen, der wegen Inzests mit sanctimoniales Dei schuldig gesprochen wurde.20 Traditio wird meist für die Übergabe oder Schenkung von Besitz verwendet. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie etwa paternae traditionis universalium conciliorum in der Admonitio generalis21 oder im Zusammenhang mit den erwähnten liturgischen Reformen Pippins eine traditio Romana in der Epistola generalis.22 Die Beispiele können aber immerhin zeigen, dass man sich auch weiteren Bedeutungen des Begriffs durchaus bewusst war. Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch bei Begriffen machen, die gern verwendet wurden, um auf Vorgänger, Vorfahren oder Vergangenes zu verweisen wie etwa maiores, veteres, priores oder vetus, prius oder maior. Diese führen kaum weiter in die Geschichte zurück als zu den unmittelbaren Vorgängern.23 Mit maiores sind niemals die Vorfahren oder Älteren bezeichnet. Meist sind damit die Großen im Reich gemeint, und auch als Adjektiv wird der Begriff zumeist für älter oder größer verwendet.24 Begriffe wie prius, priores etc. sind ebenfalls kaum verwendet, um weitere historische Bezüge anzudeuten. Sie verweisen vor allem auf recht rezente frühere Versammlungen oder auf eine schon gegebene Verordnung.25 Veteres kommen gar nicht vor und vetus wird überraschend selten, nämlich nur zweimal, für das Alte Testament verwendet.26 Sonst wird der Begriff auch noch einige Male für gut abgelagerte Nahrungsmittel oder gereifte Weine gebraucht.27 Die Tendenz ließe sich noch mit anderen Begriffen illustrieren, aber die genannten Beispiele genügen, um einen Eindruck zu vermitteln, wie vorsichtig und zurückhaltend die Verfasser karolingischer Kapitularien mit Verweisen auf Vergangenheit umgingen. 18 MGH Capit. 1, Nr. 22, S. 53; MGH Capit. 1, Nr. 126, S. 248, Z. 35. 19 Vgl. MGH Capit. 1, Nr. 33, c. 11, S. 93; MGH Capit. 1, Nr. 77, S. 170, Z. 38 f. 20 MGH Capit. 1, Nr. 33, c. 33, S. 97. 21 MGH Capit. 1, Nr. 22, S. 53, Z. 36. 22 MGH Capit. 1, Nr. 30, S. 80, Z. 31; weitere Beispiele: traditio S. Benedicti (MGH Capit. 1, Nr. 72, c. 12, S. 164); traditio sanctorum patrum (MGH Capit. 1, Nr. 138, S. 275, Z. 37). 23 Siehe, z. B. MGH Capit. 1, Nr. 20, S. 50, Z. 10; 1, Nr. 22, S. 61, Z. 6; 1, Nr. 24, S. 65, Z. 15; 1, Nr. 137, S. 274, Z. 29; 1, Nr. 138, S. 276, Z. 34. 24 Z. B.: MGH Capit. 1, Nr. 22, S. 56, Z. 21; S. 58, Z. 7; MGH Capit. 1, Nr. 23, S. 63, Z. 4; MGH Capit. 1, Nr. 32, S. 85, Z. 18, 21, und S. 86; MGH Capit. 1, Nr. 35, S. 103, Z. 28; MGH Capit. 1, Nr. 46, S. 132 (maiorem porcionem); und MGH Capit. 1, Nr. 81, S. 179, Z. 22. 25 Z. B.: MGH Capit. 1, Nr. 42, S. 119, Z. 29 f.; MGH Capit. 1, Nr. 55, S. 142, Z. 21; MGH Capit. 1, Nr. 138, S. 279, Z. 26. 26 Z. B.: MGH Capit. 1, Nr. 30, S. 80, Z. 29; MGH Capit. 1, Nr. 72, S. 164, Z. 10. 27 Vgl. MGH Capit. 1, Nr. 32, S. 89, Z. 10; MGH Capit. 1, Nr. 128, S. 254, Z. 15; S. 255, Z. 21 und 24. 

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Gerda Heydemann / Helmut Reimitz 

Das scheint auf den ersten Blick nicht gut zu der spektakulären Inszenierung der Karolinger als Nachfolger der merowingischen Könige als Gesetzgeber in der neuen Fassung der Lex Salica zu passen. Wie Karl Ubl kürzlich betonte, handelte es sich bei der Aneignung der Lex Salica durch Pippin nicht nur um eine ideologische Selbstdarstellung der karolingischen Könige. Der Prolog brachte »das Verhältnis zwischen Aristokratie und Königtum, die Freiheit und Sonderstellung der Franken, die konsensuale Natur der Herrschaft, sowie die gesetzgeberische Kompetenz des Königtums zum Ausdruck … Pippin betonte damit die Kontinuität seines Königtums mit der langen Herrschaft der Merowinger und verdeckte den dramatischen Umbruch, den der Dynastiewechsel von 751 darstellte.«28 Jedoch stand auch hinter der Konstruktion von Kontinuität in der neuen Rahmung der Lex Salica nicht einfach die Aneignung der Rolle der Merowinger durch ihre karolingischen Nachfolger. Die Usurpation des fränkischen Königtums basierte auf einer komplexeren Legitimationsstrategie, die Herwig Wolfram schon vor einiger Zeit als die Konstruktion einer doppelten Kontinuität aus merowingischer und karolingischer Tradition bezeichnete.29 Dabei schlossen die Karolinger nicht in erster Linie an die Geschichte der merowingischen Könige selbst an, sondern an die politische Kultur und Legitimation der fränkischen Eliten im Merowingerreich, zu denen ja auch die Vorfahren der Karolinger gehörten. Auf deren hervorragende Rolle, die manchmal als alternative oder gar oppositionelle Instanz zum merowingischen Königtum gesehen werden konnte, ließ sich aufbauen. Wie an anderer Stelle ausführlicher zu zeigen versucht wurde, operierten schon im 7. Jahrhundert die pippinidischen Vorfahren der Karolinger mit der Idee einer fränkischen Gemeinschaft, die man als gemeinsamen politischen Bezugspunkt auch als Alternative zum merowingischen Königtum entwickeln konnte.30 Die merowingische Fredegar-Chronik zum Beispiel, deren älteste erhaltene Redaktion sehr wahrscheinlich im Umfeld des pippinidischen Netzwerks verfasst wurde,31 erwähnt mehrmals ein iudicium Francorum, das eine wichtige Rolle für die politische Stabilität des Königreichs spielte. In der Darstellung der Chronik waren es ausgewählte Vertreter der fränkischen Elite, die zusammentraten, um politische Lösungen für Konflikte zwischen den merowingischen Königen zu finden, wenn die merowingischen Könige selbst nicht 28 Ubl, Sinnstiftungen, S. 162 f. 29 Herwig Wolfram, Intitulatio I. Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, Graz 1967, S. 212 f. 30 Reimitz, Frankish Identity, S. 235 f. 31 Ian Wood, Fredegar’s Fables, in: Anton Scharer / Georg Scheibelreiter (Hg.), Historiographie im frühen Mittelalter, Wien 1994, S. 359–366; zu möglichen verschiedenen Etappen der Entstehung der Chronik, Reimitz, Frankish Identity, S. 189–197; vgl. dazu künftig: Andreas Fischer, Die Fredegar-Chronik. Komposition und Kontextualisierung.

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dazu in der Lage waren.32 In diesen iudicia spielten auch die Vorfahren der Karolinger im siebenten Jahrhundert, Arnulf und Pippin, eine wichtige Rolle.33 Auf diese Idee der Verantwortung der fränkischen Eliten für das gemeinsame Königreich bauten auch die Karolinger des achten Jahrhunderts weiter auf, als sie zunächst unter Karl Martell die politische Führung übernahmen und später unter Pippin das Königtum selbst usurpierten. Mit ihrer Konstruktion einer doppelten Kontinuität aus merowingischer und karolingischer Tradition deuteten sie die Legitimationsgrundlagen des merowingischen Königtums um und stellten das Königtum als eine durch die Gemeinschaft und den Konsens der Franken legitimierte Institution dar. Die vorsichtige und subtile Maskierung der Usurpation des merowingischen Königtums mit Hilfe dieser Strategie der doppelten Kontinuität scheint ständig verfeinert und weiterentwickelt worden zu sein. Dabei baute man nicht nur auf Ressourcen aus der Staatssprache und politischen Kommunikation des Frankenreichs auf. Als sich Karlmann bei der Publikation der Beschlüsse des Concilium Germanicum 742 als dux et princeps Francorum präsentierte, war der princepsTitel wohl von der Korrespondenz mit den römischen Päpsten inspiriert.34 Die Päpste hatten die karolingischen Hausmeier mit diesem Titel adressiert und gleichzeitig auch die langobardischen Könige als principes tituliert. Der Titel dux Francorum als Bestandteil der Intitulatio scheint allerdings eine Innovation der Karolinger gewesen zu sein.35 Im Merowingerreich waren die duces als Amtsträger eingesetzt und als duces Baiuvariorum oder Alemannorum für die jeweiligen Gebiete zuständig. Karlmann präsentierte sich als ein dux et princeps, der wie die oder besser statt den merowingischen Königen für das fränkische Königreich die Verantwortung trug, und tat das in einem Jahr, in dem er und sein Bruder Pippin ohne einen merowingischen König regierten. Sein Bruder Pippin verwendete zwei Jahre später den Titel dux et princeps Francorum auch nach der Wiedereinsetzung eines merowingischen Königs (Childerichs III.) in der Publikation »seiner« Synode von Soissons. Dabei präsentierte er aber auch sich selbst und das consilium der optimates Francorum als die entscheidende Instanz hinter den Beschlüssen der Synode.36 32 Fredegar, Chronicae IV, 40; IV, 53, hg. von Bruno Krusch, MGH SS rer. Merov. 2, Hannover 1888, S. 140 und 146 f. 33 Fredegar, Chronicae IV, 53, S. 147; siehe dazu auch Andreas Fischer, Der Beginn karolingischer Herrschaft, Stuttgart 2012, S. 25–41. 34 MGH Capit. 1, Nr. 10, S. 24; Wolfram, Intitulatio, S. 148–151. 35 Vgl. dazu Wolfram, Intitulatio, S. 209–213; und Helmut Reimitz, Viri inlustres und omnes Franci. Zur Gestaltung der feinen Unterschiede in historiographischen und diplomatischen Quellen der frühen Karolingerzeit, in: Andreas Schwarcz / Katharina Kaska (Hg.), Urkunden – Schriften – Lebensordnungen. Neue Beiträge zur Mediävistik, Wien 2015, S. 123–149. 36 MGH Capit. 1, Nr. 12, S. 29 f.

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Wie Karlmann baute auch Pippin dabei auf einen breiten Konsens der geistlichen und weltlichen Elite der Franken auf (cum consensu episcoporum sive sacerdotum vel servorum Dei consilio seu comitibus et obtimatibus Francorum) um die lex Dei et ecclesiastica religio wiederherzustellen, die unter den früheren Fürsten (in diebus priorum principum) verfallen sei. Sollte man mit einer solch scharfen Abgrenzung von den priores principes bzw. merowingischen Königen vor der Übernahme des Königtums experimentiert haben, so ist das jedenfalls nach 751 bald aufgegeben wurden. Die Konstruktion einer doppelten Kontinuität lenkte – wie auch im karolingischen Prolog der Lex Salica – mehr und mehr die Aufmerksamkeit auf die gemeinsame Mission der Franken und ihrer karolingischen Herrscher zur Wiederherstellung und Verteidigung der lex Dei und ecclesiastica religio sowie auf die restlose Überwindung des Heidentums. Schon auf dem Concilium Germanicum verkündete Karlmann programmatisch, dass man gemeinsam gegen die Unflat des Heidentums vorgehen wolle: ut populus Dei paganias non faciat, sed ut omnes spurcitias gentilitatis abiciat et respuat. Was hier ins karolingische Programm der Gesellschaftsreform aufgenommen wurde, war nicht nur ein Modell der Abgrenzung, durch das sich die neue Gemeinschaft unter karolingischer Führung definieren ließ.37 Die Formulierung war tief in der patristischen Exegese verankert, mit der sich die Transformation einer Gesellschaft beschreiben ließ, in der die gentes Gott erkennen und sein Gesetz annehmen – sie verlieren dadurch ihr Merkmal als gentes (ihre gentilitas) und werden zu einem (Gottes)volk (populus).38 Die Verbindung biblischer und fränkischer Geschichte konnten die Karolinger ebenfalls aus der merowingischen Vergangenheit weiterentwickeln. Der um 726/27 fertig gestellte Liber historiae Francorum baute stark auf biblische Sprache und Motive auf, um in der Geschichtserzählung die Franken zu einem neuen Volk Israel zu stilisieren.39 Diese Geschichte sollte eine gemeinsame Grundlage für die konkurrierenden und teilweise verfeindeten aristokratischen Netzwerke in den verschiedenen Regionen des Merowingerreiches bieten. Dabei scheint der Autor oder die Autorin auch bemüht, die politische Balance und Kooperation zwischen den merowingischen Königen in Paris und ihren karolingischen 37 Vgl. Matthew Innes, Immune from Heresy: Defining the Boundaries of Carolingian Christianity, in: Paul Fouracre / David Ganz (Hg.), Frankland: The Franks and the World of the Early Middle Ages, Manchester 2008, S. 101–125. 38 Augustinus, Expositio quorundam propositiones in epistulam ad Romanos 60 (68), hg. von Johannes Divjak, CSEL 88, Wien 1971, S. 1–52, hier S. 42. Vgl. Gerda Heydemann, The People of God and the Law. Biblical Models in Carolingian Legislation, Speculum 95 (2020), S. 89–131. 39 Reimitz, Frankish Identity, S. 258–279; und vgl. Philipp Dörler, The Liber Historiae Francorum.A Model for  a New Frankish Self-Confidence, in: Networks and Neighbours 1 (2013), S. 23–43.

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Hausmeiern mit ihren Machtmittelpunkten im Osten als Faktor der politischen und sozialen Stabilität des regnum Francorum darzustellen.40 Darauf konnten auch die karolingischen Historiographen aufbauen. Nach der Usurpation des Königtums durch Pippin um 751 überarbeiteten karolingische Geschichtsschreiber (möglicherweise unter der Leitung von Pippins Onkel Childebrand) die merowingische Fredegar-Chronik. Sie bot für die karolingischen Historiographen aufgrund ihrer merowingerkritischen Tendenz und der Betonung der wichtigen Rolle der karolingischen Vorfahren für die politische Stabilität des Merowingerreiches eine hervorragende Grundlage für die historische Konstruktion einer doppelten Legitimation aus merowingischer und karolingischer Tradition. Die alte Chronik wurde aber nicht nur reorganisiert und überarbeitet, sondern auch fortgesetzt. Dafür entschied sich Childebrand zunächst mit der Er­ zählung des Liber historiae Francorum zu arbeiten. Er verwendete die letzten zehn Kapitel des Liber mit wenigen kleinen Änderungen für die Geschichtserzählung von Chlodwig II. bis zur Zeit Theuderichs III. In der weiteren Erzählung wird die Integration von biblischer und fränkischer Geschichte fortgesetzt und mit der Geschichte des karolingischen Aufstiegs unter Karl Martell und seinen Söhnen bis zur Übernahme des Königtums durch Pippin verbunden.41 Die Übernahme der Königsherrschaft durch Pippin wurde damit zum Beginn eines neuen Bundes der gens Francorum mit Gott. Der wohl spektakulärste Ausdruck dieser Legitimationsstrategie findet sich aber nicht in historiographischen Quellen, sondern in dem schon erwähnten Prolog zur Lex Salica, den der neue König Pippin seiner Redaktion der Lex Salica voranstellen ließ. Die Apotheose der gens Francorum inclita ist dabei deutlich vom Buch Deuteronomium inspiriert, wo das Volk Israel ebenfalls als gens inclita bezeichnet wird und sich ähnlich wie die Franken des langen Prologs durch seine Klugheit und Erkenntnis und durch sein besonderes Verhältnis zu Gott von anderen gentes unterscheidet und abhebt.42 Von Beginn seiner Herrschaft an baute auch Pippins Sohn und Nachfolger Karl der Große auf eine biblische Legitimation seiner Rolle als Gesetzgeber auf. Schon im sog. Capitulare primum bald nach seinem Herrschaftsantritt verwendete auch Karl denselben Satz wie Karlmann und Pippin in den von ihnen veröffentlichten Beschlüssen der Versammlungen von 742 und 744. Geistliche

40 Richard Gerberding, The Rise of the Carolingians and the Liber Historiae Francorum, Oxford 1987. 41 Reimitz, Frankish Identity, S. 320–326. 42 Dazu Ubl, Sinnstiftungen, S. 155–160; Janet Nelson, The Lord’s Anointed and the People’s Choice: Carolingian Royal Ritual, in: Janet Nelson, The Frankish World, 750–900, London 1996, S. 37–50.

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wie weltliche Würdenträger sollten zusammenarbeiten, ut populus Dei paganias non faciat, sed ut omnes spurcitias gentilitatis abiciat et respuat.43 Vor einiger Zeit hat Mary Garrison die Selbstdarstellung der Franken als neues erwähltes Volk zur Zeit Pippins und in der frühen Regierungszeit Karls des Großen in Frage gestellt und den langen Prolog der Lex Salica eben nicht aus merowingischer und karolingischer Tradition betrachtet. Die biblische Programmatik war ihrer Meinung nach weniger von fränkischer Ideologie geprägt, als von der ideologischen Agenda einiger »monastic connaisseurs« und ihrem Einfluss auf die karolingische Politik.44 Den ›eigentlich‹ fränkisch-karolingischen Anteil am langen Prolog sieht sie in der triumphalen Betonung der militärischen Stärke und Überlegenheit der Franken.45 Dabei übersieht sie einerseits den Zusammenhang der scheinbar martialischen Rhetorik mit der biblischen Erzählung der Geschichte des Volkes Israel, der sowohl im Liber historiae Francorum als auch in den Fortsetzungen der Fredegar-Chronik genutzt wurde, um die fränkischen und karolingischen Helden als »avatars of a militant Israel« zu stilisieren.46 Andererseits unterschätzt sie auch die kulturelle Kompetenz, diplomatische Umsicht und politische Raffinesse, mit der die Karolinger ihre Strategien entwickelten und weiterentwickelten, um ihre hervorragende Stellung und die Übernahme des Königtums zu legitimieren.47 Das scheint sie dem karolingischen Hof erst mit der zunehmenden Etablierung von Gelehrten am karolingischen Hof und der Hofschule um den aus York ins Frankenreich gekommenen Alkuin zuzutrauen. Erst im Laufe der zweiten Regierungshälfte Karls sieht sie eine stärkere Verbreitung der Identifikation mit dem Volk Israel, die ohne eine nennenswerte fränkische Vorgeschichte vor allem für die Propagierung der Gemeinschaft des populus Christianus unter karolingischer Herrschaft wichtig wird. Das ist ein Trend, der sich tatsächlich in vielen Quellen ab dem letzten Jahrzehnt des achten Jahrhunderts abzeichnet, und nicht zuletzt in den Kapitularien. Jedoch lässt sich die Geschichte und Bedeutung dieser Entwicklung besser ver43 MGH Capit.  1, Nr. 19, c.  6, S. 45. Zur Frage der Echtheit und Datierung siehe Gerhard Schmitz, Die Waffe der Fälschung zum Schutz der Bedrängten? Bemerkungen zu gefälschten Konzils- und Kapitularientexten, in: Fälschungen im Mittelalter, Bd. 2: Gefälschte Rechtstexte. Der bestrafte Fälscher, Hannover 1988, S. 79–110, hier S. 82–94. 44 Mary Garrison, The Franks as the New Israel? Education for an Identity from Pippin to Charlemagne, in: Yitzhak Hen / Matthew Innes (Hg.), The Uses of the Past in the Early Middle Ages, Cambridge 2000, S. 114–161, hier S. 129–134; vgl. Ubl, Sinnstiftungen, S. 155–157; und die ausführliche Diskussion in Heydemann, The People of God. 45 Garrison, The Franks as the New Israel, S. 130. 46 Vgl. Peter Brown, The Rise of Western Christendom. Triumph and Diversity, London 3 2013, S. 279; der allerdings hier nicht den Liber historiae Francorum, sondern ähnliche Strategien in Bedas Historiae ecclesiastica diskutiert, vgl. auch ebd., S. 9. 47 Siehe dazu Reimitz, Viri inlustres.

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stehen, wenn man sie als Resultat einer Auseinandersetzung über die Frage, wie man im Karolingerreich die biblischen Ideale verwirklichen sollte, ernst nimmt. Wie wir versucht haben zu zeigen, waren das Fragen, die für die politische Legitimation der Karolinger und ihres Aufstiegs zum Königtum eine zentrale Rolle spielten. Das zeichnet sich nicht nur in den oben diskutierten historiographischen Quellen ab. So hat Michael Glatthaar in seiner eindrucksvollen Studie zu »Bonifatius und Sakrileg« gezeigt, wie wichtig schon für die karolingischen Hausmeier biblische Modelle und Vorbilder waren, um sich in der Rolle des Gesetzgebers zu etablieren und legitimieren.48 Dieser Rückgriff auf biblische Modelle, um die eigene Position als Gesetzgeber zu legitimieren, gewinnt allerdings in der zweiten Hälfte von Karls Regierungszeit eine neue Qualität.49 Das eindrucksvollste und bekannteste Beispiel hierfür ist die Admonitio generalis (789), wo der israelitische König Josias als Vorbild für Karls Bemühungen dient, das göttliche Gesetz und – damit eng verbunden  – den cultus divinus wieder herzustellen.50 Dementsprechend enthält der Text der Admonitio in seinem zweiten Teil zahlreiche wörtliche Zitate aus den Gesetzbüchern des Alten Testaments, die meist durch Phrasen wie sicut lex est oder in lege dominus praecepit eingeleitet werden.51 Besonders prägnant ist der Rückgriff auf das biblische Modell im Kapitel 60 am Beginn des zweiten 48 Glatthaar, Bonifatius und das Sakrileg, S. 397–410. 49 Zur Bibelverwendung in der karolingischen Gesetzgebung siehe die Übersicht bei Wilfried Hartmann, Die karolingische Reform und die Bibel, in: Annuarium Historiae Conciliorum 18 (1986), S. 58–74; ders., Karl der Große und das Recht, in: Paul Leo Butzer u. a. (Hg.), Karl der Große und sein Nachwirken. 1200 Jahre Kultur und Wissenschaft in Europa Bd. 1, Turnhout 1997, S. 173–192; Janet Nelson, Law and its Applications, in: Julia M. H.  Smith / Thomas F. X.  Noble (Hg.), The Cambridge History of Christianity, Bd. 3: Early Medieval Christianities, Cambridge 2008, S. 299–326, bes. S. 306–312; Raymund Kottje, Studien zum Einfluss des Alten Testaments auf Recht und Liturgie des frühen Mittelalters (6.–8.  Jahrhundert), Bonn 1970, S. 45–68; Jennifer Davis, Charlemagne’s Practice of Empire, Cambridge 2015, S. 350–379; Heydemann, The people of God and the law. 50 Isabelle Rosé, Le roi Josias dans l’écclesiologie politique du haut Moyen Âge, in: Mélanges de l’École française de Rome 115 (2003), S. 683–710; Nikolaus Staubach, »Cultus divinus« und karolingische Reform, in: Frühmittelalterliche Studien 18 (1984), S. 546–581, hier S. 556 f.; Janet Nelson, The libera vox of Theodulf, in: Cullen J. Chandler / Steven Stofferahn (Hg.), Discovery and Distinction in the Early Middle Ages. Studies in Honor of John Contreni, Kalamazoo 2013, S. 288–306, hier S. 290 f. 51 Admonitio generalis, cc. 61, 67, 70, hg. von Hubert Mordek u. a., MGH Fontes iuris 16, Hannover 2012, S. 210, 220, 230. Zur Bibelverwendung in der Admonitio generalis siehe Thomas M. Buck, Admonitio et Praedicatio. Zur religiös-pastoralen Dimension von Kapitularien und kapitulariennahen Texten, Frankfurt 1997, S. 67–156, bes. S. 95–116; Thomas F. X. Noble, From Brigandage to Justice: Charlemagne, 785–794, in: Celia Chazelle (Hg.), Literacy, Politics, and Artistic Innovation in the Early Medieval West, Lanhan 1992, S. 49–75, hier S. 55–61; Hartmann, Die karolingische Reform, S. 61–63.

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Teils der Admonitio generalis inszeniert. Der katholische Glaube soll von den Bischöfen und Priestern sorgfältig verlesen und allem Volk gepredigt werden, um das »erste Gebot des allmächtigen Gottes im Gesetz« zu erfüllen – quia hoc primum praeceptum est domini dei omnipotentis in lege –:»Höre Israel, der Herr, Dein Gott, ist einzig« (Marc. 12, 29–30).52 Ein ähnliches Bild des karolingischen Herrschers als Gesetzgeber, der für die Verbreitung und Durchsetzung von Gottes Geboten zu sorgen hatte, bildete wohl auch den gedanklichen Hintergrund für die vieldiskutierte Capitulatio de partibus Saxoniae, für die unlängst wieder vermehrt eine Spätdatierung um das Jahr 792 vorgeschlagen wurde.53 Hier ordnet Karl nicht nur die Zehentzahlung secundum Dei mandatum an. Zahlreiche Vergehen wurden mit der Todesstrafe geahndet, wobei die Formulierung dieser drastischen Strafandrohung (morte moriatur) einen alttestamentarischen Hintergrund hat, wie Robert Fliermann hervorgehoben hat.54 Dieselbe Formulierung begegnet nicht nur in den Gesetzbüchern des Alten Testaments, sondern auch im Buch des Propheten Ezechiel, der – wie Karl – dafür verantwortlich war, das Volk zur Einhaltung des göttlichen Gesetzes zu bewegen und es vor einem Bundesbruch zu warnen. Bei diesem Rückgriff auf die biblische Vergangenheit zeichnet sich zwar zunächst ein gewisser Schwerpunkt auf dem Alten Testament und den damit verbundenen Modellen von Gesetzgebung und Bundesschluss ab, doch wurden dabei durchaus auch Vorstellungen und Texte aus dem Neuen Testament integriert. Das biblische Gesetz umfasste sowohl alttestamentarische Normen als auch ihre Weiterentwicklung in den Evangelien und Apostelbriefen. Diese Verschmelzung von alt- und neutestamentarischer Perspektive wird schon in der Admonitio generalis deutlich. So ist im schon zitierten Kapitel 60 die Textstelle aus dem Alten Testament, wie die Herausgeber sehr gut deutlich machen, über seine Verwendung im Markus-Evangelium rezipiert. Als »zweites Gebot« wird daher im c. 61 der Admonitio dann auch genannt, dass man seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst.55

52 Im Text der Admonitio ist vom »ersten Gebot« die Rede, jedoch wird Marc. 12, 29–30 zitiert, was wiederum nicht direkt auf die zehn Gebote in Exod. 20, 2–6 oder Deut. 5, 7–9 zurückgreift, sondern auf Deut. 6, 4–5. 53 Yitzhak Hen, Charlemagne’s Jihad, in: Viator 37 (2006), S. 33–52; Robert Fliermann, Religious Saxons. Paganism, Infidelity and Biblical Punishment in the Capitulatio de partibus Saxonibus, in: Rob Meens u. a. (Hg.), Religious Franks. Religion and Power in the Frankish Kingdoms: Studies in Honour of Mayke de Jong, Manchester 2016, S. 181–201, hier S. 188 f.; vgl. zur Datierung Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004, S. 221f; Rosamond McKitterick, Charlemagne: The Formation of a European Identity, Cambridge 2008, S. 253 f. 54 Fliermann, Religious Saxons, S. 194–200. 55 Admonitio generalis c. 61, MGH Fontes iuris 16, S. 210.

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Im Unterschied zum langen Prolog der Lex Salica (und zur historiographischen Stilisierung des karolingischen Aufstiegs) ist der Rückgriff auf die Bibel in den Kapitularientexten allerdings nicht mit dem Frankennamen verbunden. Das gilt auch dort, wo wie in der Admonitio generalis starke Bezüge zum auserwählten Volk Israel aufgebaut werden. Vielmehr wird die Implementierung des biblischen Gesetzes mit dem Begriff des populus christianus bzw. populus Dei verbunden, dem eine präzisere Bestimmung nach ethnischen oder politischen Gruppierungen fehlt.56 Dabei wurde die providentielle Mission der karolingischen Franken weiter hervorgestrichen, allerdings wurde sie durch den Verzicht auf den Frankennamen auch mit einem breiteren Integrationshorizonten verbunden. Ähnliche Tendenzen zeichnen sich auch in anderen zeitgenössischen Quellen ab.57 In einem zunehmend multi-ethnischen Karolingerreich, in dem verschiedenen Gemeinschaften auch die Respektierung ihrer Rechte zugesagt wurde,58 war das aber für den karolingischen Herrscher als Gesetzgeber besonders wichtig. Es ist daher kein Zufall, dass gerade in den Kapitularien die Aneignung der biblischen Vergangenheit schon in den 790iger Jahren weiter­entwickelt wurde. Das Modell des Bundesvolkes, zu dessen Pflichten die Einhaltung des göttlichen Gesetzes gehört, konnte helfen, Normen mit einem universaleren Geltungsanspruch zu entwerfen und durchzusetzen.59 Zu diesen Bemühungen, einen universalen Geltungsanspruch zu etablieren, passte die Zuspitzung des Modells des auserwählten Volkes auf die Franken, die von der karolingischen Historiographie so wirkungsvoll entwickelt worden war, nicht mehr. Das könnte sich auch in dem zurückhaltenden Umgang mit historischer Legitimation in den Kapitularien widerspiegeln. Von der spekta­kulären historisch-biblischen Stilisierung der karolingisch-fränkischen Gemeinschaft, wie sie im langen Prolog der Lex Salica überliefert ist, verschob sich die Betonung auf die providentielle Mission, die Gesetze Gottes als Grundlage der von den Karolingern regierten Gemeinschaft zu etablieren. Die Legitimation karolingischer Herrschaft baute damit zunehmend auf eine exegetische Sichtweise auf, in der, wie schon erwähnt, das Erkennen des Willens und der Gesetze Gottes als ein Prozess der Transformation begriffen wurde.60 In der Admonitio 56 In der Admonitio generalis spielt der Frankenname nur in der Intitulatio Karls eine Rolle, wo Karl sich als rex et rector regni Francorum bezeichnet: Admonitio generalis, Prolog, S. 181. 57 Siehe dazu Stefan Esders / Helmut Reimitz, Diversity and Convergence. The Accomodation of Ethnic and Legal Pluralism in the Carolingian Empire, in: Walter Pohl / Rutger Kramer (Hg.), Empire and Communities, Oxford 2021, S. 227–252. 58 Siehe dazu Stefan Esders, Sacramentum fidelitatis. Treueid, Militärwesen und Formierung mittelalterlicher Staatlichkeit, Bochum 2009, S. 306–430 (unveröffentlichte Habilitationsschrift). 59 Dazu ausführlicher Heydemann, The People of God, S. 105–119. 60 Vgl. oben S. 42.

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generalis wird die lex Dei und die Bibel als Rechtsquelle in einer Intensität zur Legitimation karolingischer Gesetzgebung verwendet, die in dieser Form für die Kapitularien Karls einzigartig ist. Doch zeigen auch die Kapitularien der zweiten Regierungshälfte Karls, dass die Umsetzung des biblischen Rechts, wie sie in der Admonitio generalis programmatisch und eindrucksvoll proklamiert wurde, insbesondere in den Jahren nach 800 weiterhin zu den Kernanliegen der Kapitulariengesetzgebung gehörten. So wurden nicht nur in zahlreichen Texten einzelne Bestimmungen, wie etwa das Zehentgebot oder Regelungen zur korrekten Rechtssprechung, durch den Bezug auf das biblische Recht legitimiert, wobei neben dem Begriff der lex Dei auch andere Formulierungen wie praeceptum, mandatum oder verbum Dei eine Rolle spielen.61 Zudem forderte Karl immer wieder grundsätzlich die Beachtung der göttlichen (biblischen) Gebote ebenso wie der eigenen Kapitularien ein. Besonders signifikant sind dabei Formulierungen, die einen Gleichklang bzw. eine Harmonisierung zwischen dem herrscherlichen und dem göttlichen Willen bzw. Gesetz postulieren.62 Beide Tendenzen – das Bemühen um Umsetzung des biblischen Rechts und der verallgemeinerte Geltungsanspruch – sind insbesondere im Zusammenhang mit der Rechtsreform von 802 deutlich. Im Capitulare generale missorum, das die Reformanliegen von 802 auf besonders prägnante Weise formuliert, dienen die praecepta Dei als Leitlinie sowohl für die Lebensführung im allgemeinen als auch für die korrekte Amtsführung und Rechtsprechung durch die missi und andere Amtsträger.63 Dabei sind die Maßstäbe für eine gerechte und gottgefällige Rechtsordnung großteils alttestamentarisch inspiriert. Die biblischen Anklänge vermitteln hier ein Verständnis von Recht, in dem der Verstoß gegen die Rechtsordnung gleichzeitig einen Bruch der Treue zum König und des (kollektiven) Bundes mit Gott bedeutet.64 Allerdings bleiben die konkreten biblischen Bezüge in diesem Text großteils implizit. Explizit zitiert wird dafür das Neue Testament, 61 Beispiele: MGH Capit. 1, Nr. 33, c. 1, S. 92 (Gerichtsbarkeit im Einklang mit dem praeceptum Dei); MGH Capit.  1, Nr. 59, c.  11, S. 146 (Sonntagsheiligung nach der lex Dei); MGH Capit. 1, Nr. 77, c. 1, S. 170 (Verweis auf die Verbote von Inzest und anderen schweren Vergehen in den sacrae scripturae; MGH Capit. 1, Nr. 83, c. 9. S. 182; MGH Capit. 1, Nr. 84, c. 7, S. 182 (Zehentgebot sicut in lege); MGH Capit. 1, Nr. 71, c. 8, S. 161; Capitulare ecclesiasticum Karoli Magni (805–813), cc. 22, 26, 38, 39, hg. von Hubert Mordek / Gerhard Schmitz, Neue Kapitularien und Kapitulariensammlungen, in: Deutsches Archiv 43 (1987), S. 361–439, hier S. 407, 409, 412. 62 MGH Capit. 1, Nr. 59, c. 11, S. 146; MGH Capit. 1, Nr. 46, c. 1, S. 131: secundum Dei volun­ tatem et secundum iussionem nostram; MGH Capit.  1, Nr. 85, praef. und c.  4, S. 183 f.; Capitulare generale (813), cc. 18 und 40, hg. von Mordek / Schmitz, S. 418: dei verbo et nostro und S. 423: dei pręcepta et decretum nostrum. Vgl. Buck, Admonitio et praedicatio, S. 45–54; Esders, Sacramentum fidelitatis, S. 554–562. 63 MGH Capit. 1, Nr. 33, c. 1, S. 92. 64 Siehe dazu den Beitrag von Stefan Esders in diesem Band, S. 315­–374.

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nämlich das Verbot von Tötung und Hass aus der Bergpredigt, jenem Text, der die christliche Neuformulierung des Alten Gesetzes enthält (Matth. 5, 21–22).65 In den Kapitularien der letzten Regierungsjahre Karls zeichnet sich eine intensivierte Diskussion über die biblische Fundierung der Gesetzgebung ab, die auch mit einer gewissen Schwerpunktverlagerung hin zum Neuen Testament als Grundlage für die Formulierung moralischer Grundsätze und die Ausarbeitung einer politischen Ethik einherging. Letzteres hat Janet Nelson mit Blick auf zwei Kapitularien von 811, in denen sie die »Stimme Karls des Großen« aufspürt, betont.66 Zu den Überlegungen, ob »wir wirklich Christen sind« und welche Verpflichtungen alle Christen mit dem Taufbund eingegangen waren, gehörte auch der nachdrückliche Hinweis darauf, dass Gottes Gebote nicht ungestraft missachtet werden konnten.67 Diese Texte zeigen auch, dass der Gebrauch biblischer Normen in den Kapitularien auch zur Problematisierung dieser Normen führte und Diskussionen um ihren Interpretationsspielraum und Anwendungsbereich auslöste. So wird in den beiden Texten die Frage aufgeworfen, wie das Verbot der saecularia negotia in 2. Tim. 2, 4 (nemo militans Dei se implicet negotiis saecularibus) zu interpretieren sei, für welche Personengruppe es gelten sollte und welche Auswirkungen dies auf die Vereinbarkeit von Gottesdienst und Einbindung in die Verwaltung des Reiches für geistliche Funktionsträger hatte.68 Die damit verbundenen Fragen scheinen in den letzten Jahren der Regierung Karls des Großen von Theologen wie Politikern besonders intensiv diskutiert worden zu sein. Die Akten der Reformsynoden von 813 enthalten nicht nur – jeweils unterschiedliche – Antworten der Bischöfe auf die Frage nach der Definition der saecularia negotia, sondern auch eine Fülle weiterer Bibelzitate zur Regelung verschiedener Themenbereiche, die nun vor allem dem Neuen Testament entstammen.69 Dabei betonen die Bischöfe nun erstmals explizit ihre 65 MGH Capit. 1, Nr. 33, c. 32, S. 97. Vgl. François L. Ganshof, Charlemagne’s Programme of Imperial Government, in: Ders. (Hg.), The Carolingians and the Frankish Monarchy, übers. Janet Sondheimer, London 1971, S. 55–85, hier S. 57 Anm. 18, der den persönlichen und emotionalen Ton dieses Kapitels auf die Intervention des Kaisers selbst zurückführt. Buck, Admonitio et praedicatio, S. 326–332. 66 Janet Nelson, Courts, Elites, and Gendered Power in the Early Middle Ages. Charlemagne and others, Aldershot 2007, Chapter The Voice of Charlemagne, S. 76–88, hier S. 84. 67 MGH Capit. 1, Nr. 71, c. 8, S. 161. 68 MGH Capit.  1, Nr. 71, c.  5, S. 161; MGH Capit.  1, Nr. 72, cc. 2 f., S. 162 f. Dazu Nelson, Courts, S. 83; Steffen Patzold, Episcopus. Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts, Sigmaringen 2008, S. 74–76; Gerda Heydemann, Nemo militans Deo implicat se saecularia negotia: Carolingian interpretations of II Timothy  II .4, in: Early Medieval Europe 29 (2021), S. 55–85. 69 MGH Conc. 2, 1, Mainz 813, c. 13 sowie cc. 9–12, S. 262–264; MGH Conc. 2, 1, Chalon 813, c. 5, S. 275; sowie die Bestimmungen zu turpe lucrum und negotia iudiciaria in cc. 6–8, 11, 44, S. 275 f., 282. Siehe auch MGH Conc. 2, 1 Tours 813, cc. 5–11, 23 f., S 287–289 und MGH Conc. 2, 1, Reims 813, cc. 17–19, S. 255 (jeweils ohne expliziten Verweis auf

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Deutungshoheit über das biblische Gesetz.70 Vor 813 ist die direkte Aneignung des Bibeltextes zur Formulierung und Begründung von Normen vor allem in als Kapitularien publizierten Texte zu finden, fehlt aber – bis auf wenige Ausnahmen – in den Konzilsakten.71 Die Rolle des Erneuerers des göttlichen Gesetzes wird in den Kapitularien Karl selbst zugeschrieben, der die biblischen Bestimmungen aufnimmt und neu zur Geltung bringt. Das ist auch in den beiden von Hubert Mordek und Gerhard Schmitz neu entdeckten Kapitularien, die von den Editoren mit den Reformbemühungen von 813 in Verbindung gebracht werden, der Fall, wo ebenfalls intensiv auf die Bibel als Rechtsquelle zurückgegriffen wird.72 Das so genannte Capitulare generale betont die enge Aneinanderbindung von biblischem bzw. göttlichem Gebot und kaiserlichem Gesetz auf besonders eindrucksvolle Weise durch die wiederkehrenden Formulierungen wie dei verbo et nostro praecipimus oder praecipimus et bannimus sicut locutus est dominus ad Moysen.73 Diese Form der Repräsentation des kaiserlichen Gesetzgebers wurde von Karls Nachfolger Ludwig dem Frommen nicht weitergeführt. In Ludwigs Kapitularien sucht man direkte Zitate biblischer Verbote und Gebote zur Begrün-

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2. Tim. 2, 4). Vgl. Patzold, Episcopus, S. 76–78; Sebastian Scholz, Normierung durch Konzile. Die Reformsynoden von 813 und das Problem der Überschneidung von geistlicher und weltlicher Sphäre, in: Rolf Große / Michel Sot, Charlemagne (Hg.), Charlemagne: les temps, les espaces, les hommes. Construction et déconstruction d’un règne, Turnhout 2018, S. 271–280. Zur Bibelverwendung auf den Konzilien siehe Hartmann, Die karolingische Reform, S. 67 f. Die meisten Zitate finden sich in den Akten von Mainz, wo man in 10 Kapiteln 23 verschiedene Bibelzitate verwendete, davon 20 aus dem Neuen Testament. In den Akten von Chalon sind von den 33 zitierten Bibeltexten 20 dem Neuen Testament entnommen. MGH Conc. 2, 1 Chalon a. 813, c. 1, S. 274: ut episcopi assidui sint in lectione et scrutentur misteria verborum Dei […] ita videlicet ut illas scripturas notissimas habeant, quae canonicae appellantur, et earum sensum per patrum tractatus inquirant. Die Akten von Mainz 813, MGH Conc. 2, 1, praefatio, S. 259, berichten, dass die Bischöfe aus den Evangelien, Apostelbriefen, den canones und der patristischen Literatur Empfehlungen für den status ecclesiae Dei et Christianae plebis profectum ableiteten. Vgl. MGH Conc. 2, 1, Arles a. 813, c. 3, S. 250; Reims 813, c. 14, S. 255 und Tours 813, c. 2, S. 287. Eine Ausnahme bildet die Synode von Cividale / Friuli, die 796 unter der Ägide des Paulinus von Aquileia abgehalten wurde. Bibelzitate, die zur Untermauerung von theologischen Argumenten eingesetzt sind, sind dabei nicht berücksichtigt. Z. B. Capitulare ecclesiasticum, cc. 5, 6, 15, 19, 22, 26, 27, 38–39, S. 400–402, 405–407, 409, 412; Capitulare generale Karoli Magni 813, c. 6, hg. von Mordek / Schmitz, S. 415. Für das Capitulare ecclesiasticum hat Michael Glatthaar wegen der Zitierung der ersten beiden Kapitel im von Schneider edierten Königsbotenkapitular Arns, das Glatthaar ins Jahr 806 datiert, ebenfalls eine Datierung bereits 806 vorgeschlagen (Admonitio generalis, Einleitung, S. 126–135); Herbert Schneider, Karolingische Kapitularien und ihre bischöfliche Vermittlung: Unbekannte Texte aus dem Vaticanus latinus 7701, in: Deutsches Archiv 63 (2007), S. 469–496, hier S. 475–480 datiert Arns Text auf 813. Capitulare generale (813), cc. 6, 10, 18, S. 415, 416, 418. Vgl. auch c. 17, S. 418.

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dung von Normen vergebens. Das gilt auch für Zitate aus dem Neuen Testament. Ebenso fehlen die unter Karl geradezu formelhaften Formulierungen, die das Wort des Herrschers und das Wort Gottes miteinander verknüpfen. Ludwigs Gesetzgebung wird nicht in erster Linie als Durchsetzung des biblischen Gesetzes repräsentiert. Das programmatische Kapitular von 818/19 ist einer der wenigen Texte, in denen Ludwig ausdrücklich auf die Bibel zur Legitimation seiner Gesetzgebung verweist.74 Allerdings betont er dabei nicht die Übersetzung oder Umsetzung der lex Dei, sondern stellt sich selbst in die Nachfolge des Apostel Paulus und seiner pastoralen Verantwortung für das ihm anvertraute christliche Volk. Wie lässt sich dieser weitgehende Verzicht auf die biblischen Modelle, die unter Karl so stark im Vordergrund standen, erklären? Es ist gut möglich, dass sich in dem Verzicht eine breitere Diskussion über biblische Normen, ihre Exegese und ihre Anwendung im weltlichen Recht widerspiegelt. So scheint es, dass die Verwendung biblischer Normen in den Kapitularien auch kritische Stimmen hervorrief und Diskussionen um ihre Legitimität und Anwendbarkeit auf die eigene Zeit auslöste. Diese Diskussionen betrafen insbesondere das Verhältnis von Altem und Neuem Testament und die Frage, welche Teile des alttestamentarischen Gesetzes für ein christliches Reich Gültigkeit besaßen und welche nicht. So ging die Durchsetzung der Zehentforderung unter Karl mit kritischen Debatten einher – Alkuin sprach sich bekanntlich vehement gegen eine rigorose Durchsetzung des Zehentgebots aus.75 Zudem war der Rückgriff auf die biblischen Zehentgebote nicht unproblematisch, waren doch die Bestimmungen des Alten Testaments zum Zehentgebot vielschichtig und uneinheitlich. In den Kapitularientexten wird daher eher vage auf die biblische lex verwiesen,76 74 Prooemium generale, MGH Capit. 1, Nr. 137, S. 273–275. Eine Neuedition durch Karl Ubl ist verfügbar auf: http://capitularia.uni-koeln.de/capit/ldf/bk-nr-137/ [zuletzt eingesehen am 31.08.2020], die hier verwendet wird. Zum Text siehe Karl Ubl, Die Stimme des Kaisers. Persönlichkeit und Persona in den Dokumenten Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 63 (2017), S. 47–69. 75 Alcuin, Ep. 107 und 110, hg. von Ernst Dümmler, Berlin 1895, S. 153 f., 156 f. Siehe John Eldevik, Episcopal Power and Ecclesiastical Reform in the German Empire. Tithes, Lordship and Community, 950–1150, New York 2012, S. 51 f. (Alkuin) und S. 62–76 (zur karolingischen Zehentgesetzgebung); Michel Lauwers, Pour une histoire de la dîme et du dominium ecclésial, in: ders. (Hg.), La dîme, l’église et la société féodale, Turnhout 2012, S. 11–64, hier S. 51; Philippe Depreux, Charlemagne et les capitularies. Formation et récep­tion d’un corpus normatif, in: Rolf Große / Michel Sot (Hg.), Charlemagne. Les temps, les espaces, les hommes. Construction et déconstruction d’un règne, Turnhout 2018, S. 19–41, hier S. 29 f. Kottje, Studien zum Einfluss, S. 57–68; Giles Constable, Monastic Tithes from their Origins to the Twelfth Century, Cambridge 1964, S. 31–56. 76 MGH Capit. 1, Nr. 20, c. 7, S. 48, ohne biblische Begründung; ebd. Nr. 26, c. 17, S. 69 (secun­ dum dei mandatum); Nr. 84, c. 7, S. 182 (sicut in lege scriptum). Im Capitulare generale (813), S. 415, wird der Zehent vorgeschrieben sicut locutus est dominus ad Moysen und daraufhin ein Pastiche aus unterschiedlichen Zehentbestimmungen zusammengestellt.

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während man auf dem Konzil von Friaul 796/7 statt dessen auf die eindrückliche Prophetie des Malachi (Malach. 3, 8–12) zurückgriff, derzufolge den Israeliten im Fall der Zehentverweigerung schlechte Ernte und der Verlust allen Besitzes angedroht wird.77 Vor allem aber zeichnet sich eine Debatte darüber ab, inwiefern die alttestamentarischen Zehentgebote wörtlich oder allegorisch zu interpretieren waren und inwiefern sie daher auch in einer christlichen Gesellschaft verbindliche Verpflichtungen darstellten. Spätantike Exegeten hatten die alttestamentarischen Regeln nicht als verbindliches Gebot für Christen interpretiert, sondern die alttestamentarische lex mit der viel weitergehenden Aufforderung an die Christen im Evangelium, allen Besitz aufzugeben, kontrastiert.78 Häufig wurde das Zehentgebot auch allegorisch interpretiert und sehr allgemein auf die christliche Pflicht zu guten Werken bezogen.79 Vor dem Hintergrund solcher konkurrierender Interpretationen betonte man auf dem Konzil von Friaul salva allegoricarum rerum mystica sacramenta die historisch-literale Interpretation des Propheten Malachi.80 77 MGH Conc. 2, 1 Cividale / Friaul a. 796/7, c. 14, S. 195. Die Stelle aus Malachi könnte auch den biblischen Hintergrund für die Bestimmung des Konzils von Mainz c. 38, MGH Conc. 2, 1, S. 270, bilden, wonach Zehentverweigerer mit dem Verlust ihres Besitzes rechnen müssen. In Arles (a. 813), c. 9, MGH Conc. 2, 1, S. 251 entschied man sich für eines der Zehentgebote, nämlich Exod. 22, 29. 78 Augustinus, Enarrationes in Psalmos 146.17, hg. von Franco Gori, CSEL 95, 5, Wien 2005, S. 188, Z. 48–54. Hieronymus, In Malachiam prophetam, III 8/12, hg. von Michel Adriaen, CCSL 76A, Turnhout 1970, S. 935, Z. 318–325; Cassian, Collationes 21. 7, hg. von Michael Petschenig, CSEL 13, Wien 1886, S. 580. Vgl. Kottje, Studien zum Einfluss, S. 60–62; Eldevik, Episcopal Power, S. 41–48. Im patristischen Diskurs wurde die Zehentgabe daher nicht aus dem alttestamentarischen Gesetz hergeleitet, sondern über einen Umweg legitimiert, nämlich indem der Zehent an die Praxis des Almosengebens angenähert und in die christliche Ökonomie der Gabe integriert wurde; vgl. Valentina Toneatto, Dîme et construction de la communauté chrétienne, in: Michel Lauwers (Hg.), La dîme, l’église et la société féodale, Turnhout 2012, S. 65–86. Ein besonders wirkmächtiges Beispiel ist Caesarius von Arles‹ Sermo 33, hg. von German Morin, CCSL 103, Turnhout 1953, S. 143–147. 79 Siehe z. B. Hieronymus, In Malachiam prophetam  III . 8/12, S. 936, Z. 336–360 (der Zehent als Teilen der eigenen Gelehrsamkeit); Cassian, Collationes 21.25, S. 600 (zu Exod. 22, 29; der Zehent als Typus der Quadragesima); Isidor, Expositiones seu Quaestiones in Vetus Testamentum, In Exodum, c. 37, Migne PL 83, Sp. 305D–306B, interpretiert die Zehentverpflichtung allegorisch als Pflicht zu guten Werken. Isidors Interpretation wurde von verschiedenen karolingischen Exegeten aufgenommen: Wigbod, Quaestiones, Qu. super Exodum, c. 37, Migne PL 93, Sp. 376D–377A; Walafrid Strabo, In Leviticum, c. 27, Migne PL 114, Sp. 850B. Vgl. auch Isidor Expositiones, In Genesim c.  XI .6–7, Migne PL 83, Sp. 240A–240B zu Gen. 14, 20; Beda, In principium Genesis, III . 14. 20, hg. von Charles Jones, CCSL 118A, Turnhout 1967, S. 191 f., der hier die typologische Beziehung zwischen Leviten und christlichen Priestern betont, wobei er den Zehent als Zeichen der Unterordnung auch der jüdischen Priesterschaft unter Christus interpretiert. 80 Konzil von Friaul (796/7) c. 14, MGH Conc. 2, 1, S. 195.

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In den 820er Jahren insistierte Hrabanus Maurus vehement auf der wört­ lichen Bedeutung und bindenden Kraft der Vorschriften über den Zehent. In seinen Kommentar zum Buch Numeri nahm er ein sorgfältig zusammen­gestelltes Exzerpt aus einer Homilie des Origenes auf.81 Darin erklärte Origenes (Hrabanus) die Kriterien, nach denen zwischen jenen Passagen aus dem Alten Gesetz, die ihre wörtliche Bedeutung als Normen auch für christliche Leser behielten, und solchen, die nur noch eine figurale Bedeutung hatten, unterschieden werden konnte. Die Zehentgebote (wie auch die sonstigen Abgaben an die Priester und Leviten) gehörten nach Hrabanus selbstverständlich zur ersten Kategorie, und nicht zufällig fügte er dem Text des Origenes eine Passage hinzu, in der das Recht, vom Zehent und den Gaben der Gläubigen zu leben, explizit auf die christliche Priesterschaft ausgedehnt wurde.82 Ebenso sah sich Jonas von Orléans gezwungen, die Normativität von alttestamentarischen Vorschriften, nicht nur mit Bezug auf den Zehent, gegen Kritiker zu verteidigen, als er 836 ein Florileg über den Ge- und Missbrauch von Kirchengut zusammenstellte, das an Pippin von Aquitanien adressiert war.83 Problematisch waren auch jene Bestimmungen des Alten Testaments, die im Widerspruch zu neutestamentlichen Normen oder auch zur zeitgenössischen Praxis standen, wie beispielsweise im Fall des Scheidungsrechts oder beim Eid(verbot).84 Wie die oben erwähnte Diskussion um die Bedeutung der saecu81 Hrabanus Maurus, In libros Numerorum II .22–23, Migne PL 108, Sp. 695B–702C, basierend auf Origenes, Homiliae in libros Numerorum XI, hg. von Louis Doutreleau, Origène: Homélies sur les Nombres 2, Sources chrétiennes 442, Paris 1999, S. 12–67 (mit Auslassungen). Der Teil zur Gültigkeit der lex ist XI. 1–2, S. 12–28. Zu dem Kommentar siehe Silvia Cantelli, Rabano Mauro esegeta, in: Hrabani Mauri Opera Exegetica. Repertorium fontium, 2 Bde., Turnhout 2006, S. 274–278; zu den Quellen für die zitierte Passage ebd., S. 539. 82 Hrabanus, In Numeri II .23, Sp. 701B. Haimo von Auxerre fügte in seiner Überarbeitung von Hieronymus’ Kommentar zu Malachi ebenfalls mehrfach die christlichen Priester als Empfänger des Zehent ein, während er gleichzeitig die allegorischen Elemente aus Hiero­ nymus’ Exegese wegkürzte und den Fokus auf die literale Interpretation der Zehentgabe legte. Haimo, In prophetas minoras, In Malachi 3, Migne PL 107, Sp. 289C–290D. Allerdings ist diese exegetische Entwicklung nicht linear, so findet sich z. B. anderswo in Hrabanus’ Exegese auch Isidors allegorische Deutung. 83 Siehe z. B. mit Bezug auf den Zehent Ep. concilii ad Pippinum regem directa (836), I. 33, MGH Conc. 2, 2, S. 741. Hier wird die Erläuterung der Zehentvorschriften durch ein zweifaches Zitat von Lev. 27, 34 eingerahmt: Haec sunt praecepta quae mandavit Dominus Moysi ad filios Israhel in monte Synai. Zur stärkeren Betonung der rechtlichen Verbindlichkeit des Zehent seit den 830er Jahren siehe Emmanuel Bain, La dîme, du don à l’obligation universelle. L’utilisation des Évangiles dans la justification du dîme, in: Michel Lauwers (Hg.), La dîme, l’église et la société féodale, Turnhout 2012, S. 527–559, hier S. 532 f. 84 Vgl. Matth. 5, 31–32 (Scheidungsverbot) mit Deut. 24, 1; Matth. 5, 34–35 (Eidverbot) mit dem Meineidverbot in Lev. 19, 12 und Num. 30, 3. Vgl. Philipp Reynolds, Marriage in the Western Church. The Christianization of Marriage during the Patristic and Early

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laria negotia zeigt, waren solche exegetischen Debatten um die Spielräume der Interpretation biblischer Rechtsquellen aber keineswegs auf das Alte Testament beschränkt. In jedem Fall zeigen sie, dass der Versuch, die Bibel als autoritative Rechtsquelle zu verwenden, teilweise auch auf Widerstand stieß, auf jeden Fall aber diskussionsbedürftig war. Im Zuge solcher Debatten um die Umsetzung des biblischen Rechts begann man auch die Frage zu stellen, wer denn dazu berechtigt wäre, verbindliche Antworten zur richtigen Deutung des göttlichen Gesetzes zu geben. Eine solche Diskussion könnte sich bereits in den beiden von Mordek und Schmitz aufgefundenen Kapitularien abzeichnen. In dem als Capitulare ecclesiasticum bezeichneten Dokument werden die verschiedenen Positionen der Bischöfe und des Kaisers auch ausdrücklich von ihnen selbst vertreten. Zu Beginn sprechen die Bischöfe von sich selbst als Lenkern der Kirche Gottes (nos … rectores ecclesiae Dei) und sprechen auch Karl den Großen als domnus noster an.85 Wie Hubert Mordek festgestellt hat, baut gerade der Anfang des Textes stark auf die Admonitio generalis auf, wobei hier aber deutlich zwischen der Intervention der Bischöfe zu Beginn und der darauffolgenden Sicht des Herrschers unterschieden wird. Es scheint, dass die Bischöfe versuchten, auch mit Verweisen auf frühere Erlasse, den Herrscher von der in dem Kapitular formulierten Position der rectores ecclesiae zu überzeugen. Dabei zitieren die Bischöfe nicht nur ausführlich die Bibel, um beispielsweise zu pax et concordia aufzufordern oder vor avaritia zu warnen.86 An einigen Stellen folgen diese Zitate aus der biblischen lex der Admonitio generalis. Die Bischöfe verweisen explizit auf die entsprechende Gesetzgebung des Kaisers und dessen Bemühungen um die Umsetzung der lex Dei, etwa was die Sonntagsruhe und den Respekt vor den Kirchengebäuden betrifft.87 Medieval Periods, Leiden 1994, S. 121–226; Riccardo Bof / Conrad Leyser, Divorce and Remarriage in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Canon Law and Conflict Resolution, in: Kate Cooper / Conrad Leyser (Hg.), Making Early Medieval Societies. Conflict and Belonging in the Latin West, Cambridge 2016, S. 155–180; zur karolingischen Gesetzgebung Karl Heidecker, The Divorce of Lothar II . Christian Marriage and Political Power in the Carolingian World, Ithaca 2010, S. 14–35; Irina Kreusch, Der Eid zwischen Schwurverbot Jesu und kirchlichem Recht. Verehrung oder Missbrauch des göttlichen Namens, Berlin 2005, S. 17–115. 85 Capitulare ecclesiasticum, cc. 1–2, S. 399 f; vgl. ebd. S. 367. 86 Capitulare ecclesiasticum, c.  2 und 5, S. 399–401. Das würde zu Glatthaars Vorschlag passen, wonach das Capitulare ecclesiasticum als Ganzes Arn zuzuschreiben sei (vgl. Admonitio generalis, Einleitung, S. 130–132). In der Admonitio des Königsbotenkapitulars, die bei Arn dem Zitat der ersten zwei Kapitel des Capitulare ecclesiasticum vorangeht, betont dieser ebenfalls die Übereinstimmung zwischen kaiserlichem und biblischem Gesetz: Admonitio, ed. Schneider, S. 487. 87 Capitulare ecclesiasticum, cc. 6 und 22, S. 401 f., 407 f. Siehe auch cc. 2, 15, 24 und 26, wo die Bibelzitierung ebenfalls der Admonitio generalis folgt.

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Auch das Studium der heiligen Schrift wird thematisiert. Alle Bischöfe sollen ihre Kanoniker ad discendam divinam scripturam anhalten, wie es der domnus imperator Karl ja selbst in omni placito suo befohlen habe.88 Überhaupt sollen die Bischöfe und Äbte ihre Bücher per singula loca verbessern, wie es auch in den herrscherlichen Erlassen verfügt wurde (ut in capitulariis dominicis scriptum est).89 Dieses Kapitular überliefert aber auch die Antwort des Kaisers selbst. In c. 19, 40 und 41 erlässt der Herrscher selbst Anordnungen für seine tributales (tributales nostri) oder weist seine missi, comites und iudices an, den Armen, Witwen und Waisen seinen Schutz zukommen zu lassen. Dabei wird die Forderung nach gerechter Rechtsprechung für die sozial Schwachen selbstverständlich durch Bibelzitate untermauert.90 Und Karl hat auch das letzte Wort in dem Kapitular: Ut missi nostri unusquisque in sua legatione maximam curam habeat ad previdendum atque ordinandum simulque disponendum, admonendum et corrigendum necnon ad emendandum hec omnia que in capitulariis nostris contenentur et cetera, que in quibusque locis videntur esse necessaria emendandi atque custodiendi. Et quecunque emendata sint vel que emendare nequeunt, nobis omnino notum faciant, ut per misericordiam dei secundum suam voluntatem emendantur, que emendanda sunt; et que emendata sunt, in eadem emendatione semper in melius proficiant ad nostram mercedem eternam coram deo et in nostrum onmium eternam salutem et gloriam.91

Zu Recht betont Mordek, dass sich so nur ein Herrscher äußern kann. Allerdings wirkt die Betonung der emendatio und der Zuständigkeit seiner missi etwas überdeterminiert. In der Zusammenstellung der capitula könnte sich durchaus auch eine Debatte über die Frage widerspiegeln, wer für die emendatio der biblischen, exegetischen und intellektuellen Grundlagen der Reformen zuständig war. Der kaiserliche Anspruch kommt dagegen auch in dem vermutlich gleichzeitig oder nicht viel später erlassenen Capitulare generale zum Ausdruck. Hier sind zwar explizite Bibelzitate seltener, doch werden immer wieder deutlich das Wort Gottes und das kaiserliche Gebot (dei verbum et nostrum) parallelisiert.92 Im Schlusskapitel wird ebenfalls wieder die Kontrolle über die Einhaltung der 88 Capitulare ecclesiasticum, c. 9, S. 402 f. 89 Capitulare ecclesiasticum, c. 10, S. 403. 90 Mordek / Schmitz, Neue Kapitularien, S. 368 f. (c. 19, S. 406). Siehe auch cc. 38 und 39 wiederum zur Gerichtsbarkeit – Vögte und zu Maßen und Gewichten aus kaiserlicher Perspektive unter Rückgriff auf die Bibel, Mordek / Schmitz, S. 412 f. 91 Capitulare ecclesiasticum, c. 43, S. 413 f. 92 Capitulare generale c. 6 (praecipimus et bannimus, gefolgt von einer Serie von Schriftzitaten zum Zehent; c. 10 (dei verbo et nostro praecipimus), c. 18 (volumus etiam atque praecipimus dei verbo et nostro).

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Kapitulariengesetzgebung den missi übertragen, worunter explizit auch die Kontrolle über die Einhaltung der praecepta dei fällt: ut sciamus, quid de his agere debeant, qui tam multis annis dei praecepta et decretum nostrum contempserunt.93 Es scheint also, dass die exegetische Wende im späten achten Jahrhundert sowie die darauffolgende Intensivierung des Gebrauchs biblischer Texte in den Kapitularien zunehmend auch Diskussionen darüber auslöste, wer bei der Umsetzung der biblischen Gebote in die legislative Praxis wozu legitimiert war. Die Diskussion selbst und ihr hochpolitischer Hintergrund mögen eine wichtige Rolle bei der rasanten Professionalisierung der karolingischen Exegese und ihrer Förderung durch den Hof gespielt haben, die sich seit dem Ende des 8. Jahrhunderts beobachten lässt.94 Mit der Professionalisierung etablierte sich bald eine Elite von hochgebildeten und versierten Experten, die zunehmend auch die Deutungshoheit über das biblische Recht beanspruchte. Wie schon kurz erwähnt, verlangten auf den Reformkonzilien von 813 die Bischöfe ihre besondere Autorität zur Kenntnis und Auslegung der Bibel und der patristischen Kommentare anzuerkennen.95 Unter Ludwig dem Frommen verstärkte sich dieser Trend mit einer neuen Generation von Exegeten wie Hrabanus Maurus, Jonas von Orléans oder Paschasius Radbertus. Ihre exegetischen Texte, aber auch viele andere von ihnen verfasste Dokumente sind eindrucksvolle Zeugnisse für die Expertise und das Selbstbewusstsein, das diese intellektuelle Elite im Umgang mit dem überlieferten exegetischen Wissen aufgebaut hatte. Während sich unter Ludwig dem Frommen ein starker Rückgang von expliziten Verweisen auf die Bibel und biblische Gesetze in den Kapitularien beobachten lässt, spielen biblische Texte vielleicht nicht zufällig in den Akten des Konzils von Paris 829, für deren Redaktion Jonas von Orléans verantwortlich war, und den damit verbundenen Texten eine besonders wichtige Rolle. Deutlich nehmen die Bischöfe in den Akten ihre politische Verantwortung für die Bevölkerung 93 Capitulare generale c. 40, hg. von Mordek / Schmitz, S. 423. 94 Silvia Cantelli, L’esegesi della rinascita carolingia, in: Giuseppe Cremascoli / Claudio Leonardi (Hg.), La Bibbia nel Medioevo, Bologna 1996, S. 167–198; dies., Rabano Mauro Esegeta, in: Hrabani Mauri Opera exegetica, Repertorium Fontium Bd. 1, Turnhout 2006, S. 120–130; Sumi Shimahara, L’Éxegèse biblique et les élites. Qui sont les recteurs de l’Eglise à l’époque caroligienne, in: Régine Le Jan u. a. (Hg.), La culture au haut moyen Âge. Une question des élites?, Turnhout 2009, S. 201–218; Mayke de Jong, The Empire as ecclesia. Hrabanus Maurus and Biblical Exegesis for Rulers, in: Yitzhak Hen / Matthew Innes (Hg.), The Uses of the Past in the Early Middle Ages, Cambridge 2000, S. 191–226; John Contreni, Carolingian Biblical Culture, in: Gerd van Riel u. a. (Hg.), Iohannes Scotus Eriugena. The Bible and Hermeneutics, Leuven 1996, S. 1–23. Zur politischen Rolle der karolingischen Exegese siehe bereits die Bemerkungen bei Walter Ullmann, The Carolingian Renaissance and the Idea of Kingship, London 1969, S. 18 f. 95 Siehe oben Anm. 72.

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des christlichen Imperiums gegenüber der weltlichen Autorität des Kaisers wahr. Ihre Deutungshoheit über die biblische lex unterstreichen sie durch den Verweis auf das Wort des Propheten Haggai: Interroga sacerdotes legem.96 Dabei wird nun auch das alttestamentarische Modell des Bundesvolkes, zu dessen Verpflichtungen die Einhaltung der lex divina gehört, wieder mobilisiert. In den Pariser Akten lässt sich auch der Wille zur Kontrolle über den Deutungsspielraum der biblischen Gebote ablesen, sind doch den Bibelzitaten häufig ausführliche Kommentare, die oft der patristischen Tradition entnommen sind, beigefügt.97 Die Konkurrenz zwischen weltlicher und geistlicher Autorität um den Anspruch pastoraler Verantwortung im Reich und welche Rolle sie bei der Auslösung der großen Reichskrise der 830er Jahre spielte, ist in den letzten Jahren ausführlich und hervorragend analysiert worden.98 Zu Recht wurde dabei betont, dass die Krise ihre Wurzeln genau in den zunehmenden Verdoppelungen weltlicher und geistlicher Autoritätsansprüche hatte, denen die karolingischen Reformen zunächst ihren Erfolg und ihre soziale Dynamik verdankten. Das Zusammenspiel von Staat und Kirche der frühen Karolinger war nur eine relative kurze Phase, in der die Reformen und Rhetorik die grundsätzliche Spannung und Konkurrenz zwischen weltlichen und geistlichen Autoritätsansprüchen verdecken konnten.99 Allerdings entstanden in dieser kurzen Phase auch neue Spielräume zur weiteren Verhandlung dieser Ansprüche. Diese Spielräume eröffneten neue Möglichkeiten, aber führten auch zu größerer Rechtsunsicherheit. Beides waren Faktoren für die Intensivierung der Auseinandersetzung, die schließlich in der Absetzung des Kaisers gipfelte. Die Kapitularien Ludwigs des Frommen können allerdings darauf hinweisen, dass einige einflussreiche Zeitgenossen am Hof Ludwigs, und offenbar auch der Kaiser selbst, sich der Gefahren dieser Dynamik bewusst waren und ihr entgegenzuwirken versuchten. Während auch Ludwig der Fromme sich als Nachfolger der biblischen Herrscher präsentieren wollte, wollte man doch auch die Kontrolle über die Kapitularien als legitimes Mittel karolingischer Gesetzgebung nicht aus der Hand geben. In den Kapitularien Ludwigs wird daher die Unterscheidung zwischen göttlichem und weltlichem Gesetz wichtiger. Damit wird aber auch der Frage, wer denn für die Interpretation und Umsetzung der lex Dei in die Rechtswirklichkeit des Karolinggerreichs zuständig ist, zumindest ausgewichen. Es fällt jedenfalls auf, dass zur Zeit Ludwigs des 96 Konzil von Paris 829, praef., MGH Conc. 2, 2, S. 608; vgl. MGH Capit. 2, Nr. 196, c. 5, S. 30. 97 Z. B. Konzil von Paris 829, I. 12, 14 und 53, MGH Conc. 2, 2, S. 619, 621, 647. 98 Mayke de Jong, The Penitential State. Authority and Atonement in the Age of Louis the Pious, Cambridge 2009. 99 Siehe dazu Stefan Esders / Helmut Reimitz, After Gundovald, before Pseudo-Isidore. Episcopal Jurisdiction, Clerical Privilege and the Uses of Roman Law in the Frankish Kingdoms, in: Early Medieval Europe 27 (2019), S. 85–111 mit weiterer Literatur.

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Frommen eine biblische Bedeutung des Wortes lex zunehmend vermieden wird. Ebenso fehlen die Formeln, die das herrscherliche und das biblische Gebot verknüpfen. Stattdessen wird mit lex und leges hauptsächlich auf leges mundanae wie die Lex Salica, aber auch andere Gesetze wie die Lex Ripuaria, Baiuvariorum oder langobardische Gesetze, verwiesen. Diese leges mundanae werden dabei den leges divinae gegenübergestellt.100 Dabei wird aber auch deutlich gemacht, dass für die leges mundanae bzw. ihre Auslegung vor allem der karolingische Herrscher zuständig ist. Oft wird der Verweis auf ältere leges mundanae wie die Lex Salica oder Ribuaria über ältere Kapitularientexte gelenkt. Das hat nicht nur den Effekt, ihre Regelungen als Teil einer weltlichen Gesetzgebung zu unterstreichen. Ebenso erscheinen die Kapitularien als Erlasse des karolingischen Herrschers nun nicht nur als Kommentare und Ergänzungen zu anderen Gesetzen, sondern als gleichrangige Rechtstexte, und manchmal sogar als universellerer Rahmen für das Nebeneinander und Zusammenspiel all dieser Gesetze im karolingischen Imperium. Das zeichnet sich auch in dem Proömium Ludwigs des Frommen zum Capitular von 818/19 ab. Gleichzeitig betont Ludwig in dem Proömium auch seine Rolle als weltlicher Herrscher und ordnet an, die Bestimmungen der Erinnerung und ihrer Gültigkeit wegen im öffentlichen Archiv aufzubewahren. Wenige Jahre später, in der ebenfalls programmatischen Admonitio ad omnes regni ordines, verfügt Ludwig am Ende Maßnahmen für die Verbreitung und allgemeine Zugänglichkeit der vorangehenden capitula, aber auch jener aus früheren Zeiten. Die in diesem Kapitular angesprochene Archivierung der Kapitularien scheint uns für die Geschichte der karolingischen Kapitularien eine sehr wichtige Stelle. Sie zeigt, wie man zunehmend die Verbindlichkeit der Kapitularien unabhängig von ihren normativen Legitimationsgrundlagen wie etwa biblischen Normen oder exegetischen Reflexionen mit einer den Kapitularien eigenen Geschichtlichkeit verband. Das zeichnet sich auch in der spärlichen Verwendung der Begriffe ab, mit denen explizit auf die Vergangenheit und Geschichte verwiesen wird. Wie zu Beginn dieses Artikels kurz angesprochen, sind solche Verweise in dem Vokabular der Kapitularien nicht sehr zahlreich.101 Auffällig ist dabei allerdings die etwas häufiger auftretende Formulierung einer antiqua consuetudo. Beide Wörter sowie ihre Kombination werden zunächst in einem breiten Bedeutungsspektrum und verschiedenen Kontexten verwendet. Nach einer antiqua consuetudo sollten die missi im Capitulare missorum von 789 der zu vereidigenden Bevölkerung erklären, warum diese Eide notwendig waren und was sie bedeuteten.102 Nach der antiqua consuetudo soll im Capitulare Bonnoniense 100 Siehe die Diskussion und Beispiele in: Ubl, Sinnstiftungen, S. 195–205 und 188–191. 101 Vgl. oben S. $$. 102 MGH Capit. 1, Nr. 25, S. 66, Z. 28.

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von 811 die Vorbereitung eines Heereszugs organisiert werden103 und im selben Kapitular soll nach einer antiqua constitutio das unerlaubte Verlassen des Heeres mit der capitalis sententia bestraft werden.104 Entsprechend der antiqua consuetudo sollen in einem Kapitular aus dem ersten Jahrzehnt des neunten Jahrhunderts auch Räuber gerichtet werden.105 Die antiqua consuetudo schrieb auch die regelmäßige Visite der Kirchen durch die Bischöfe vor.106 Gleichzeitig wird der Begriff antiqua consuetudo aber auch für Zölle, Abgaben oder Leistungen zum Brücken- und Straßenbau oder zum Aufbau, Wiederaufbau oder Erhaltung von Kirchen verwendet.107 Interessanterweise setzt sich nach und nach diese letzte Bedeutung des Begriffs für Zölle, Abgaben und Leistungen in den Kapitularien durch.108 In den Kapitularien Ludwigs schließlich begegnet nur mehr dieser Kontext für den Gebrauch einer antiqua consuetudo. Dabei ist aber auch interessant, dass in diesen Kapitularien meist auf Regelungen älterer Kapitularien verwiesen wird, die damit selbst zu einer antiqua consuetudo werden. Als Karl der Große in seinem Capitulare aquitanicum auf frühere Verordnungen seines Vaters Pippin verweist, bezeichnet er sie als nova consuetudo.109 Ähnliche Verweise aus der Zeit Ludwigs beziehen sich schon auf antiquae consuetudines.110 Dadurch werden die Verfügungen in den Kapitularien nicht nur mit ihrem eigenen historischen Horizont verbunden, sondern auch mit einem universalen oder universaleren Geltungsanspruch. Zusammenfassend könnte man sagen, dass der Gebrauch der Vergangenheit in den Kapitularien seine eigene Geschichte hat. Dabei waren die Verfasser und Erlasser von Kapitularen recht zurückhaltend mit ihrer historischen Einbettung. Eine gemeinsame fränkische Vergangenheit, wie sie etwa im langen Prolog der Lex Salica beschworen wurde, spielt in den Kapitularien keine Rolle. Für die Zeit, in der die Kapitularien entstanden und sich als legislatives Genre etablierten, wurde offenbar aus verschiedenen Gründen eine solche Einbettung eher vermieden. Die Vergangenheit, die Gesetz und Gesetzgeber legitimierte, war vor allem eine biblische und sie tritt vor allem in den Kapitularien in den Vordergrund, die im Zusammenhang der Reformen oder Reformschübe von 789, 802/03 und 103 104 105 106 107

MGH Capit. 1, Nr. 74, c. 8, S. 167, Z. 11. MGH Capit. 1, Nr. 74, c. 4, S. 166, Z. 34. MGH Capit. 1, Nr. 82, c. 2, S. 180, Z. 20. MGH Capit. 1, Nr. 92, c. 5, S. 195, Z. 17. MGH Capit. 1, Nr. 42, S. 119, Z. 21, 26 und 27; 1, Nr. 46, c. 10, S. 132, Z. 8; 1, Nr. 57, c. 7,

S. 144, Z. 22; 1, Nr. 58, c. 6, S. 145, Z. 30; 1, Nr. 90, c. 8, S. 190, Z. 34; 1, Nr. 91, c. 4, S. 192, Z. 6; 1, Nr. 44, c. 13, S. 124, Z. 29 (antiqua et iusta telonea). 108 Siehe dazu den Überblick und die Diskussion in Harald Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, Hannover 1992, S. 449–468. 109 MGH Capit. 1, Nr. 24, c. 5, S. 65, Z. 24, vgl. 1, Nr. 18, c. 4, S. 43. 110 MGH Capit. 1, Nr. 136, c. 17, S. 284, Z. 36; MGH Capit. 1, Nr. 163, c. 8, S. 327, Z. 22.

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Gerda Heydemann / Helmut Reimitz 

811/13 erlassen wurden. Aber auch hier lässt sich eine Entwicklung beobachten. Zum einen scheint die Bedeutung des Neuen Testaments während der Regierungszeit Karls zuzunehmen. Es ist möglich, dass das eine neue Ausrichtung des Selbstverständnisses und der Politik Karls des Großen von einem alttestamentarischen Herrscherbild zu einem neutestamentarischen widerspiegelt. Allerdings könnte der Hintergrund dafür genauso gut die zunehmende Professionalisierung der Exegese zur Zeit Karls und Ludwigs gewesen sein. Die hochgebildeten und versierten Mitglieder dieser exegetischen Elite dürften zunehmend auch die Deutungshoheit über das biblische Recht beansprucht haben. Die Debatte darüber wurde im letzten Jahrzehnt der Regierungszeit Karls intensiv geführt, wofür nicht zuletzt die neuaufgefundenen Kapitularien von 813, die von Hubert Mordek und Gerhard Schmitz ediert wurden, ein gutes Beispiel sind. Die Reaktion Ludwigs mag angesichts des hohen pastoralen Anspruchs des Nachfolgers Karls des Großen überraschen. Zu seiner Zeit wird die exegetische Fundierung der Gesetzgebung in den Kapitularientexten weitgehend aufgegeben. So sehr sich der Nachfolger Karls auch seiner pastoralen Verantwortung bewusst war, und auch seine Untertanen einlud, sie mit ihm zu teilen und ihm bei dieser Aufgabe zu helfen,111 so wenig scheinen er und seine Berater bereit gewesen zu sein, die Kontrolle über die Kapitularien als legitimes Mittel herrscherlicher Gesetzgebung zu verlieren. Dass sich diese Trends in den Kapitularien abzeichnen, ist wohl auch der grundsätzlichen Offenheit zu verdanken, mit der die Karolinger und ihre Berater mit dieser von ihnen entwickelten Form der Gesetzgebung experimentierten. Dazu passt auch, dass man bei ihrer Einbettung in bestimmte historische Zusammenhänge von Anfang an sehr zurückhaltend war, was möglicherweise eine der wenigen formalen Gemeinsamkeiten ist, die sich für die Kapitularien finden lassen. Das wiederum erleichterte späteren Generationen sicherlich ihre Aneignung in sehr unterschiedlichen Zusammenstellungen und ermöglichte ihre Verbindung mit sehr verschiedenen historischen Horizonten. Für die Zeit Karls des Großen und Ludwigs des Frommen sind sie damit aber auch eine besonders interessante Quelle für das dynamische Zusammenspiel von politischer Semantik, christlicher Exegese und karolingischer Rechts- und Verfassungsgeschichte.

111 De Jong, The Penitential State.

Magali Coumert 

Écrire des ajouts aux lois : le prince, les grands, le copiste (744–819)

Au cours du VIIIe siècle, les Pippinides conquirent le pouvoir suprême dans le royaume franc en annexant l’autorité législative. Dans un premier temps, les maires du palais semblent avoir défendu l’idée d’une propriété collective de la loi, ainsi qu’elle apparait dans le texte du plaid organisé par Pépin à Soissons en 744: Si quiconque  a voulu ou  a envisagé de transgresser ce décret, que décidèrent 23 évêques avec d’autres prêtres ou serviteurs de Dieu, en accord avec le prince Pépin, ainsi qu’avec le conseil des grands des Francs, ou d’enfreindre la loi, qu’il soit jugé par ce prince, les évêques ou les comtes, qu’il paie suivant ce qui est écrit dans la loi, chacun suivant son statut.1

La loi apparait ici comme une propriété collective, à laquelle peuvent être ajoutée des éléments (hanc decretam) établis par le consensus des puissants ecclésiastiques et laïques. L’aspect unanime de cette décision semble suffisant pour exclure toute mention du roi. La définition complémentaire de la loi revient à ceux qui l’appliquent : le prince, les évêques et les comtes. Il est reconnu l’existence d’une loi écrite antérieure (quod in lege scriptum est) mais les conditions de son établissement ne sont pas évoquées. S’agit-il de toute loi écrite antérieure ? du code théodosien revu par Alaric ? de la loi salique ? des édits des rois mérovingiens ? des Saintes Écritures ? des canons ? Seules deux caractéristiques de la loi sont mentionnées ici : le fait qu’elle est écrite et antérieure, ce qui laisse toute latitude pour y intégrer tout ou une partie

1 Pippini principis capitulare Suessionense 744, c. 10: Si quis contra hanc decretam, quam XXIII episcopi cum aliis sacerdotibus vel servis Dei una cum consensu principem Pippino vel obtimatibus Francorum consilio constituerunt, transgredire vel legem irrumpere voluerint vel dispexerint, iudicatus sit ab ipso principe vel episcopis seu comitibus, componat secundum quod in lege scriptum est unusquisque iuxta ordine suo. Alfred Boretius (éd.), Capitularia regum Francorum, MGH Capit. 1, Hannover 1883, n° 12, p. 30. Le colloque a permis de souligner les limites de cette édition et l’importance du nouveau travail en cours. Pour cette recherche, je la donnerai en référence, mais en complétant par le renvoi direct aux manuscrits consultés.

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Magali Coumert 

des textes évoqués ci-dessus.2 La même imprécision se retrouve dans l’Admonitio generalis : Nous établissons aussi, suivant ce que Dieu a ordonné dans la loi et suivant ce que mon père de bonne mémoire a commandé dans les édits de ses conciles, que les travaux serviles ne soient pas faits les jours du Seigneur.3

Charlemagne peut ainsi se référer à la fois aux Dix commandements et au concile de Ver de 755.4 La loi de Dieu et du prince s’accordent ainsi, de même que la volonté des Grands, car le caractère unanime de la rédaction des capitulaires est aussi affiché sous le règne de Charlemagne. En confirmant de son autorité les ajouts faits sous l’autorité de son père Pépin, il les appelle capitula, c’est-à-dire des « chapitres » ajoutés à la loi :5 « Or nous voulons respecter les chapitres que notre père de bonne mémoire a décidés dans ses plaids et conciles ».6 La mention des placita et des sinodus rappelle le cadre collectif de l’élaboration des capitulaires, même si, comme l’a montré Christina Pössel, seule une minorité des capitulaires de Charlemagne est présentée comme issue d’une assemblée.7 L’union du souverain et des grands était manifeste par les normes contenues par ces textes et leur diffusion dans le royaume. Si l’évocation de la loi écrite est floue, l’opposition avec toute coutume orale est clairement affirmée, appuyée sur les distinctions définies par Isidore de Séville,8 ainsi que le rappelle un 2 Voir Janet Nelson, Literacy in Carolingian Government, in : Rosamond McKitterick (dir.), The Uses of Literacy in Early Medieval Europe, Cambridge 1990, p. 258–296, repris dans Ead., The Frankish World 750–900, London 1996, p. 1–36, ici p. 5. 3 Admonitio generalis, c. 79: Statuimus quoque secundum quod et in lege Dominus praecipit, ut opera servilia diebus dominicis non agantur, sicut et bonae memoriae genitor meus in suis synodalibus edictis mandavit. Hubert Mordek et al. (éd.), Die Admonitio Generalis Karls des Großen, MGH Fontes iuris 16, Hannover 2012. 4 Deut. 5, 14 et le concile de Ver 755, c. 14 (MGH Capit. 1, n° 14, p. 36). 5 Sur l’absence de désignation, par ce terme, d’une catégorie spécifique de texte, voir Steffen Patzold, Normen im Buch. Überlegungen zur Geltungsansprüchen so genannter Kapitularien, in : Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), p. 331–350 et Takuro Tsuda, Was hat Ansegis gesammelt? Über die zeitgenössische Wahrnehmung der « Kapitularien » in der Karolingerzeit, in : Concilium medii aevi 16 (2013), p. 209–231, et Id., War die Zeit Karls des Groß « die eigentlich Ära der Kapitularien »?, in : Frühmittelalteriche Studien 49 (2015), p. 21–46. 6 Capitulaire de Herstal, c. 12 (forma communis): Capitula vero quae bonae memoriae genitor noster in sua placita constituit et sinodus conservare volumus (MGH Capit. 1, n° 20, p. 50). 7 Christina Pössel, Authors and Recipients of Carolingian Capitularies, 779–829, in : Richard Corradini et al. (dir.), Texts and Identities in the Early Middle Ages, Wien 2006, p. 253–274. Pour un rappel de l’historiographie sur ces questions, voir Steffen Patzold, Normen, p. 331–333 et Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Kaiser Ludwig dem Frommen (814–840), Bonn 2013, p. 4 et suivantes. 8 L’opposition entre lex et consuetudo reprend l’articulation proposée par Isidore de Séville, Étymologies, V, 3, 2–3, éd. et trad. V. Yarza Urquiola et Andrés Santos, Paris 2013: «La loi

Écrire des ajouts aux lois  

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capitulaire de Charlemagne dont Hubert Mordek situe la rédaction vers 787: « Il convient que nous insérions [cela]: lorsqu’il y a une loi, elle surpasse la coutume et que nulle coutume ne soit placée au-dessus de la loi ».9 On peut expliquer ce flou sur l’héritage législatif par l’usurpation de la position du législateur jusque-là réservée au souverain mérovingien. Certes, il existe un « Petit Prologue de la loi salique », mais tous les manuscrits qui le reproduisent présentent néanmoins la loi salique comme le fruit de l’autorité royale à travers la copie du Prologue long, ou de l’Épilogue.10 Le silence des capitulaires antérieurs à 751 recouvre donc l’absence inhabituelle du roi, mais aussi de sa chancellerie, de toute préoccupation autour de la copie manuscrite et de la diffusion des décisions mises par écrit. Pourtant, les érudits du VIIIe siècle ne pouvaient ignorer l’importance de surveiller la copie des livres juridiques. Un grand nombre des copies du Bréviaire d’Alaric portaient toujours la marque du référendaire Anianus.11 Par ailleurs, certains édits de rois mérovingiens, comme ceux de Childebert II et de Clotaire II, mentionnaient un référendaire.12 La surveillance de la diffusion écrite de la loi pouvait donc apparaitre comme un privilège royal. L’absence de préoccupation pour les copies manuscrites parait ainsi liée au choix d’une présentation d’une autorité législatrice collective, lors de la montée en puissance des Pippinides. Au milieu du VIIIe siècle, la loi apparait comme une propriété collective des puissants, qu’ils ont héritée sous une forme écrite indéfi

9

10

11 12

est une disposition écrite. La coutume est une habitude approuvée par le temps, ou une loi non écrite. Car la loi (lex) est appelée ainsi à partir de lire (legendo), parce qu’elle a été écrite. Or la coutume (mos) est une longue habitude tout autant dérivée des mœurs (mores) et l’habitude est un certain droit établi par les mœurs, qui est tenu pour loi en l’absence de loi », Lex est constitutio scripta. Mos est uetustate probata consuetudo, siue lex non scripta. Nam lex a legendo uocata, quia scripta est. Mos autem longa consuetudo est de moribus tracta tantundem. Consuetudo autem est ius quoddam moribus institutum, quod pro lege suscipitur, cum deficit lex. Karoli Magni capitulare italicum (a. 787?): Placuit nobis inserere : ubi lex est, precellet consuetudinem, et nulla consuetudo superponatur legi (MGH Capit. 1, n° 95, p. 201). Sur ce capitulaire, voir Hubert Mordek, Bibliotheca Capitularium Regum Francorum Manuscripta : Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, München 1995, p. 1090 et Karl Ubl, Die erste Leges-Reform Karls Des Großen, in : Andreas Speer / Guy Guldentops (dir.), Das Gesetz – the Law – La Loi, Berlin 2014, p. 75–92, ici p. 83. Karl Ubl, Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs. Die Lex Salica im Frankenreich, Ostfildern 2017, p.55–59 et Magali Coumert, Les « prologues » de la loi salique : les premiers temps des Francs suivant les copistes carolingiens, in : Michel Kazanski et al. (dir.), Autour du règne de Clovis. Les Grands dans l’Europe du haut Moyen Âge. Actes des XXXIIe Journées internationales d’archéologie mérovingienne, AFAM, Caen 2020, p. 43–57. On peut donner pour exemple le manuscrit de Paris, BNF, NAL 204, f. 78v, qui fut copié dans le 2e quart du IXe siècle. Le manuscrit est consultable en noir et blanc (ark:/12148/ btv1b100322325). Voir Mordek, Bibliotheca, p. 621–624. Voir le décret de Childebert II: Asclipiodus recognovit (MGH Capit. 1, n° 7, p. 17) et la souscription du référendaire Hamingus dans l’édit de Clotaire II (MGH Capit. 1, n° 9, p. 23).

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Magali Coumert 

nie, et à laquelle ils ajoutent des éléments écrits. Désormais, le caractère unanime de la définition de la loi et de son application implique de négliger le contrôle des modalités de diffusion de l’écrit.13 Ce choix initial ne fut pas réellement remis en cause par les empereurs carolingiens. Louis le Pieux ordonna bien en 825 que son chancelier transmette des copies des capitulaires aux archevêques et comtes, mais il envisageait la diffusion, et non le contrôle des exemplaires : Nous voulons que les archevêques et les comtes de leurs propres cités reçoivent rapidement de notre chancelier, ou bien de lui-même, ou de ses envoyés, les chapitres que nous avons établis par décision de nos fidèles maintenant et à d’autres moments; que chacun dans son diocèse les fasse copier pour les différents évêques, abbés, comtes et nos autres fidèles et qu’il les relise dans sa juridiction en présence de tous, afin que notre disposition et volonté puisse être connue de tous. Que notre chancelier note cependant les noms des évêques et des comtes qui auront cherché à les recevoir et qu’il les porte à notre connaissance, afin que nul n’ose négliger cela.14

Ici, l’empereur envisage bien un circuit de diffusion des capitulaires, mais sans encadrer leur copie. Par ailleurs, dans l’ensemble des membres du palais de Louis le Pieux, Philippe Depreux n’a pu relever qu’un seul cartolarius (archiviste),15 mentionné une seule fois.16 Le travail de copie est donc jugé nécessaire, mais ne semble pas contrôlé.

13 Dans le même sens, Thomas Faulkner, Law and Authority in the Early Middle Ages. The Frankish leges in the Carolingian Period, Cambridge 2016, ici p. 120. 14 Admonitio ad omnes regni ordines, 825, c.  26,: Volumus etiam, ut capitula quae nunc et alio tempore consultu fidelium nostrorum a nobis constituta sunt a cancellario nostro archiepiscopi et comites eorum de propriis civitatibus modo, aut per se aut per suos missos, accipiant et unusquisque per suam diocesim ceteris episcopis, abbatibus, comitibus et aliis fidelibus nostris ea transcribi faciant et in suis comitatibus coram omnibus relegant, ut cunctis nostra ordinatio et voluntas nota fieri possit. Cancellarius tamen noster nomina episcoporum et comitum qui ea accipere curaverint notet et ea ad nostram notitiam perferat, ut nullus hoc praetermittere praesumat (MGH Capit. 1, n° 150, p. 307). Voir aussi la mention d’archives publiques (in publico archivo) dans le Hludowici prooemium generale ad capitularia tam ecclesiastica quam mundana (MGH Capit. 1, n° 137, p. 275) et les remarques de Stuart Airlie, « For it is written in the law »: Ansegis and the writing of Carolingian royal authority, in : Stephen Baxter et al. (dir.), Early medieval studies in memory of Patrick Wormald, Farnham 2009, p. 219–235, ici p. 224. 15 Le terme peut aussi désigner celui qui a été affranchi par une charte, mais cette traduction parait peu probable dans le contexte de l’entourage impérial. Voir l’article chartularius in : Jan Frederik Niermeyer / Co van de Kieft, Mediae Latinitatis Lexicon Minus. Consulté en ligne sur http://dictionaries.brillonline.com [consulté le 22.02.2018]. 16 Philippe Depreux, Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux, Sigmaringen 1997, p. 13–29 et p. 386–387. Il faut distinguer la question de la conservation des archives, de celle de l’élaboration des diplômes, pour laquelle Daniel Eichler plaide de nouveau, suivant de nouveaux critères, pour un travail organisé et cohérent sous Louis le Pieux, dans

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Écrire des ajouts aux lois  

Dans cette perspective, tous les capitulaires se définissent comme des ajouts à la loi acceptés collectivement et diffusés par écrit sous l’autorité royale.17 Néanmoins, seuls un petit nombre d’entre eux évoque directement les lois antérieures (voir le tableau 1), et je voudrais m’en tenir à ceux-ci, pour mettre en valeur et interpréter la diversité du rapport qu’ils entretiennent, par la langue, avec les lois précédentes sous les premiers souverains carolingiens. Tableau 1: Les capitulaires d’ajout aux lois Titre dans l’édition de Boretius

Numéro

date donnée par H. Mordek 18

date retenue

Capitulare legibus additum

39

a. 803

803

Capitulare missorum

40

a. 803

803

Capitulare legi Ribuariae additum

41

a. 803

801–806

Capitula ad legem Baiuvariorum addita

68

a. 803?

?

Capitulare Aquisgranense, l. 28–32

77

a. 802/803

Capitula de praescriptione temporis

195

rédaction 801–814, reprise entre 814 ? et 840, peut-être reprise sous Louis en 82919. le Pieux

Capitula legi addita

134

a. 816

816

Item capitula legi addita

135

a. 816

816

Capitula legibus addenda

139

a. 818/819

818/9

Capitula legi salicae addita

14220

a. 819/820

819/820

17

18 19 20

Id., Die Kanzleinotare unter Ludwig dem Frommen – Ein Problemaufriß, in : Theo Kölzer (dir.), Zwischen Tradition und Innovation : Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840), Paderborn 2014, p. 31–66. Britta Mischke rappelle néanmoins le caractère composite des capitulaires qui comportent à la fois des dispositions à valeur atemporelle et d’autres s’appliquant dans une durée limitée. Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Ludwig dem Frommen am Beispiel von Restitutionen aus Fiskalgut, in Theo Kölzer (dir.), Zwischen Tradition, p. 101–117. Mordek, Bibliotheca. Faulkner, p. 97–154. Steffen Patzold, Das sogenannte « Capitulare Aquisgranense » Karls des Großen und die letze Reforminitiative Ludwigs des Frommen im Jahr 829, in : Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 71, 2 (2015), p. 459–473. Une nouvelle édition, ajoutant le manuscrit de Sélestat, Bibliothèque humaniste 14, est proposée par Faulkner, p. 253–255.

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Magali Coumert 

J’ai parfaitement conscience de reprendre ici en partie une voie déjà explorée par Steffen Patzold depuis une dizaine d’années,21 mais je crois qu’il était possible d’étudier de nouveau ces textes, notamment par le biais de la langue. Si je reprends à Patzold l’hypothèse d’une phase d’expérimentation des techniques de l’écrit, je voudrais ici l’illustrer en établissant une typologie entre les différents capitulaires émis sous Pépin le Bref, Charlemagne et Louis le Pieux, qui montrent une grande diversité dans la façon de composer des ajouts législatifs et révèlent, à mon avis, d’importantes innovations.

1.

Les capitulaires d’ajouts aux lois sous Charlemagne

Le capitulare legibus additum (MGH Capit. 1, n° 39) de Charlemagne se caractérise tout d’abord par son grand succès manuscrit. Hubert Mordek relève sa présence dans 53 manuscrits, ainsi que dans les 78 qui reprennent la collection d’Anségise.22 Son succès ne peut être comparé qu’avec celui du capitulare missorum (MGH Capit. 1, n° 40), présent dans 50 manuscrits dont 49 fois en même temps que le précédent, ainsi que dans la collection d’Anségise. Cette diffusion les place loin devant les autres capitulaires les plus copiés, l’Admonitio generalis, copiée dans 41 manuscrits et la collection d’Anségise, et le Capitulaire de Herstal, présent dans 33 manuscrits. La présentation officielle du capitulaire legibus additum nous est donnée par un seul manuscrit, copié en Italie au Xe  siècle : Voici les chapitres que le seigneur grand empereur Charles a ordonné d’écrire en son conseil, et il a aussi ordonné de les placer au sein des autres lois.23

Il s’agit d’ajouts aux lois, sans précision. Néanmoins, la majorité des manuscrits désigne ces capitulaires comme capitula que in lege Salica mittenda sunt, ce qui correspond à la narration qui est donnée dans un autre manuscrit du X e  siècle : Au nom du Christ commencent les chapitres de la loi de l’empereur Charles récemment établis, la troisième année de notre seigneur très clément Charles, auguste. 21 Steffen Patzold, Die Veränderung frühmittelalterlichen Rechts im Spiegel der « Leges » Reformen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in : Stefan Esders / Christine Reinle (dir.), Rechtsveränderung im politischen und sozialen Kontext mittelalterlicher Rechtsvielfalt, Münster 2005, p. 63–99 et Id., Benedictus Levita I, 279 – ein echtes Capitulum von 829? Vorarbeiten zur Neuedition der Kapitularien Ludwigs des Frommen, in : Deutsches Archiv 70 (2014), p. 67–86. 22 Mordek, Bibliotheca, p. 1083–1084 et p. 1100–1101. 23 Paris, BNF, latin 4613, f. 70r : Hęc sunt capitula que domnus karolus magnus imperator iussit scribere in consilio suo et iussit eas ponere inter alias leges (MGH Capit. 1, n°  39, p. 112). Voir Mordek, Bibliotheca, p. 469–476. Le manuscrit est consultable en noir et blanc (ark:/12148/btv1b9066866b).

Écrire des ajouts aux lois  

67

Cette même année, ces chapitres ont été préparés et consignés par le comte Etienne, afin de les faire connaitre au plaid public dans la cité de Paris, et de les faire lire devant ses échevins, et ainsi fut fait. Et tous ensemble, ils s’accordèrent pour vouloir les observer toujours à l’avenir et tous aussi, échevins, évêques, abbés, comtes, souscrivirent, chacun de sa main propre. Chapitres qui doivent être ajoutés à la loi salique.24

Ce manuscrit, bien que tardif, fournit des indications concrètes sur la diffusion des capitulaires qui ne me semble pas pouvoir être le fruit d’une reconstruction postérieure, dans la mesure où ni les comtes en général, ni ce comte Etienne, ni ce plaid de Paris, en particulier n’ont été mis en valeur pour leurs décisions législatives par les témoignages écrits antérieurs à sa copie.25 Cette fois, les ajouts sont désignés comme étant faits in lege Salica, « à la loi salique ». Nous sommes obligés de penser, comme le faisait déjà Boretius, que cette Lex salica à compléter concernait l’ensemble des habitants de l’empire, vu la diffusion du capitulaire. La proximité entre le capitulaire aux missi (MGH Capit. 1, n° 40) et ce capitulaire d’ajouts est marquée dans la tradition manuscrite : dans le manuscrit cité ci-dessus, Paris, BNF, latin 4613 par exemple, la numérotation est continue entre les deux capitulaires, sur les folios 70r–73r.26 Mais cette proximité apparait aussi dans leur contenu, puisque le chapitre 19 du Capitulare missorum (MGH Capit. 1, n° 40) semble bien se référer à l’autre capitulaire (MGH Capit. 1, n° 39): Que le peuple soit interrogé sur les chapitres qui ont été récemment ajoutés dans la loi, et qu’après que tous auront consenti, qu’ils mettent leurs souscriptions et leurs validations de la main sur ces chapitres.27

Cette fois, les ajouts sont désignés comme étant ceux « à la loi », au singulier, qui n’est pas davantage définie. Dans la tradition manuscrite, les mêmes chapitres sont donc désignés comme étant des ajouts « à la loi », « aux lois », ou « à la loi 24 Paris, BNF, latin 4995, f. 19v : In Christi nomine incipiunt capitula legis imperatoris Karoli nuper inventa anno tertio elementissimi domni nostri Karoli augusti. Sub ipso anno haec capitula facta sunt et consignata Stephano comiti, ut haec manifesta fecisset in civitate Parisius mallo pubplico et ipsa legere fecisset coram illis scabineis; quod ita et fecit. Et omnes in uno consenserunt, quod ipsi voluissent omni tempore observare usque in posterum; etiam omnes scabinei, episcopi, abbatis, comitis manu propria subter firmaverunt. Capitula que in lege Salica mittenda sunt. Voir Mordek, Bibliotheca, p. 549–555. Le manuscrit est consultable en noir et blanc (ark:/12148/btv1b9066600w). 25 Contra, Faulkner, Law and Authority, p. 113 et suivante. 26 Ce manuscrit est décrit par Mordek, Bibliotheca, p. 469–476 et Patzold, Normen, p. 336 et suivantes. Le copiste de cette collection, établie en Italie du Nord après 856, numérote 6 fois de façon continue des capitulaires transmis ailleurs de façon séparée. 27 Capitulare missorum, c. 19: Ut populus interrogetur de capitulis quae in lege noviter addita sunt; et postquam omnes consenserint, subscriptiones et manufirmationes suas in ipsis capitulis faciant (MGH Capit. 1, n° 40, p. 116).

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salique ». Cette imprécision recouvre le mode de ces ajouts. Seule la précision de l’équivalence entre un sou et douze deniers est précisée excepto freda quae in lege Saliga scripta est :28 il s’agit de distinguer la valeur du sou carolingien, à 12 deniers, de celui à 40 deniers mentionné dans les amendes de la loi salique. L’application des amendes contenues dans celle-ci est donc considérée comme toujours valide. Un texte précis de la loi salique, avec ses montants d’amendes, est donc supposé connu, mais son contenu n’est pas davantage précisé.29 Les autres chapitres ne montrent aucun emprunt textuel spécifique à la Lex salica. On retrouve les tournures communes Si quis, l’expression d’un conditionnel et une amende, mais aucune citation. Certains termes particuliers reviennent, mais l’étude d’Annette de Sousa Costa sur le vocabulaire germanique des capitulaires carolingiens a montré qu’il n’était pas particulièrement lié à celui des lois barbares.30 Il existe quelques reprises,31 mais ces termes ne sont pas spécifiques aux capitulaires qui prétendent particulièrement compléter des lois antérieures. Par exemple : – Weregeldum apparait dans le Capitulare legibus additum,32 alors que ce terme n’apparait pas dans la loi salique versions A et C,33 mais seulement dans le décret de Childebert.34 Il est aussi repris dans la Loi Ripuaire,35 la Loi des Alamans36 et la Loi des Bavarois.37 – Wadius, qui désigne le gage,38 apparait plusieurs fois dans les capitulaires de Charlemagne.39 Il est présent dans le Capitulaire de Herstal,40 dans les capi-

28 Capitulare legibus additum, c. 9 (MGH Capit. 1, n° 39, p. 114). Voir Ubl, Sinnstiftungen, p. 184. 29 Il peut aussi s’agir de la Recapitulation solidorum, qui fut établie avant 814. Voir Ubl, Sinnstiftungen, p. 185 et suivante. 30 Annette de Sousa Costa, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, Göttingen 1993. 31 De Sousa Costa, Studien, p. 348 donne ainsi 8 exemples. 32 Capitulare legibus additum, c. 7 (MGH Capit. 1, n° 39, p. 114). 33 Malgré l’insertion dans son édition par Karl August Eckhardt (éd.), Pactus legis salicae, MGH LL nat. Germ. 4/1, Hannover 1962, p. 197. Voir Christophe Camby, Uueregildus – Wergeld. Le rachat pécuniaire de l’offense, entre continuités romaines et innovation germanique, Genova 2013, qui souligne l’intervention de Johannes Herold. 34 Décret de Childebert, c. 5 (MGH Capit. 1, n° 7, p. 16). De Sousa Costa, Studien, p. 197–205. 35 Franz Beyerle / Rudolf Buchner (éd.), Lex Ribuaria, MGH LL nat. Germ. 3/2, Hannover 1954, 40, 11; 48,1; 66, 1; 67; 70, 1; 86, 1. 36 Karl Lehmann / Karl August Eckhardt (éd.), Lex Alamannorum, MGH LL nat. Germ., 5/1, Hannover 1966, par exemple A, XXVIII, 1; B XXIX , 1, p. 87; A et B XXXIV, 1, p. 91. 37 Ernst von Schwind (éd.), Lex Baiwariorum, MGH LL nat. Germ. 5/2, Hannover 1926, par exemple VIII, 1 et XVI, 5, p. 353 et p. 435. 38 Voir l’article « wadium » in : Jan F. Niermeyer (consulté le 13.03.2018). 39 De Sousa Costa, Studien, p. 175–181 40 Capitulaire de Herstal, c. 19 (MGH Capit. 1, n° 20, p. 51).

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tulaires 3941 et 4142 mais aussi 70,43 74,44 131.45 Le terme parait dérivé du droit romain, où vadimonium, désigne l’engagement à comparaitre, avec caution.46 Il n’est pas présent dans la loi salique, mais apparait dans un diplôme mérovingien,47 le Formulaire de Marculf,48 mais aussi la Loi des Alamans,49 la Loi des Bavarois50 et les lois lombardes.51 Il est donc lié au droit franc ancien, mais pas à la Lex Salica et n’est pas spécifique aux capitulaires de complément des lois. – Freda se trouve bien dans la Loi salique52 et dans le capitulaire 39,53 mais il apparait aussi dans toutes les lois barbares, des formulaires,54 les édits55 et les diplômes mérovingiens.56 Comme les deux termes précédents, il montre la continuité de l’élaboration d’un droit franc, progressivement doté d’un vocabulaire franco-latin spécifique. Ces « ajouts à la loi salique » doivent donc être compris au sens large, en référence aux textes de lois produits depuis la fin de l’empire romain : la loi salique, les lois des royaumes barbares, les édits royaux francs, les formules appuyées sur le droit romain… Cette conception floue de la loi antérieure explique l’éloignement de ces ajouts par rapport au texte de la loi, dont ils ne reprennent ni le vocabulaire spécifique, ni les expressions, ni les objets. À la même catégorie semblent appar41 42 43 44 45 46 47 48

49 50 51 52 53 54 55 56

Capitulare legibus additum, c. 8 (MGH Capit. 1, n° 39, p. 114). Capitulare legi ribuariae additum, c. 3 (MGH Capit. 1, n° 41, p. 117). Capitula Karoli apud Ansegisum servata, c. 3 (MGH Capit. 1, n° 70, p. 160). Capitulaire de Boulogne, c. 1 (MGH Capit. 1, n° 74, p. 166). Capitula de Iudaeis, c. 1–2 (MGH Capit. 1, n° 131, p. 258). Vadimonium dans Gai, Institutiones, 4, 184–185, p. 192 in : Johannes Baviera (éd.), Auctores, Fontes Iuris Romani Antejustiniani, vol. 2, Firenze 21968, p. 3–257. Diplôme de Childebert III, en 709, conservé en original, n° 156 p. 390, l. 20 in : Carlrichard Brühl / Theo Kölzer (éd.), Die Urkunden der Merowinger, MGH Diplomata, 2 vol., Hannover 2001. Formulaire de Marculf II, 18, p. 88. Formules de Tours 32, p. 154. Formules de Sens 50, p. 207. Formules de Bignon 27, p. 237. Formules de Merkel 29, p. 252. Formules de Lindenbruch 19; p. 280. Formulae Augienses, col. B, n°  40, p. 362. Formules du manuscrit de Saint-Emmeran n° 4, p. 464. Formules de Pithou fragmenta cop. 75, p. 598. Karl Zeumer (éd.), Formulae Merowingici et Karolini aevi accedunt Ordines iudiciorum dei, MGH Formulae, Hannover 1886. Lex Alamannorum III, p. 68 et XXXVI, p. 95. Voir les occurrences de l’index : Lex Baiwariorum, p. 484. Dès l’édit de Rothari, § 360, 361, 361, 362, 366: Claudio Azzara / Stefano Gasparri (éd.), Le leggi dei Longobardi. Storia, memoria e diritto di un popolo germanico, Milano 1992. Pactus legis salicae, versions A et C: 13, 6; 24, 7; 35, 9; 50, 3; 53, 2, 4, 6, et 8; 88; 92. Capitulare legibus additum c. 9 (MGH Capit. 1, n° 39, p. 114). Le terme se trouve de nombreuses fois dans le Formulaire de Marculf, les Formules de Sens et les Formules de Saint-Gall. Voir le relevé (incomplet): Zeumer (éd.), Formulae, p. 755. Décret de Clotaire, c. 12 (MGH Capit. 1, n° 3, p. 12). De Sousa Costa, Studien, p. 193–197.

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tenir les Capitula ad legem Baiuvariorum addita, copiés dans 11 manuscrits,57 auxquels on attribue, par analogie au texte précédent une datation vers 803. La précision ad legem Baivariorum ne se trouve reprise que dans 4 manuscrits sur 1158 et le contenu est sans rapport direct avec la lex Baiwariorum.59 En revanche, on y trouve une probable allusion à la Summula de bannis.60

2. La parodie de la loi salique Cette conception floue de la loi écrite antérieure, la validité de décisions prises par consensus, hors de l’autorité royale et l’absence de considération des copies des capitulaires posaient, à terme, un grand problème pratique. Toute loi écrite pouvait être considérée comme valide, alors même qu’il était impossible de préciser par qui et quand la loi fut modifiée. L’absence de contrôle du copiste, dont le rôle n’était pas évoqué, lui laissait, de fait, la possibilité de mettre par écrit de nouvelles dispositions légales. Il me semble que nous avons un témoignage saisissant de l’espace de liberté ainsi créé à travers le manuscrit de Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Weißenburg 97, copié par un dénommé Agambertus.61 Ce manuscrit n’est probablement pas originaire de Wissembourg, et suivant les critères paléographiques, il fut copié dans la deuxième moitié du VIIIe siècle.62 Il comporte : – f. 1r : une insertion postérieure d’une autre main, qui  a copié une formula securitatis – f. 1v–37r : la Loi salique dans une version A, en 93 chapitres incluant le Pacte de Childebert et Clotaire – f. 37r et v : l’épilogue de la loi salique, suivie d’une liste royale et d’un chapitre parodique intitulé Incpt. Totas Malb. 57 Mordek, Bibliotheca, p. 1088. 58 Ivrea Biblioteca Capitolare XXXIII, f. 124r; Vatican, BAV, Reg. lat. 991, f. 105r (le manuscrit est consultable en couleurs (https://digi.vatlib.it/view/MSS_Reg.lat.991 [consulté le 09.11.2020]); Paris, BNF, latin 4417, f. 159r (le manuscrit est consultable en noir et blanc (ark:/12148/btv1b10033365g) et Wien, ÖNB , 406, f. 26r. (le manuscrit est consultable en couleurs (http://data.onb.ac.at/rec/AC13961343 [consulté le 09.11.2020]). 59 Sur celle-ci : Stefan Esders, Late Roman Military Law in the Bavarian Code. Droit militaire romain tardif dans le code de Bavière, in : Clio@Themis. Revue électronique d’histoire du droit 10, (2016). 60 Voir Mordek, Bibliotheca, p. 17. 61 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Weißenburg 97, f. 87v. Le manuscrit est consultable en couleurs (http://diglib.hab.de/mss/97-weiss/start.htm [consulté le 09.11.2020]). Commentaire dans Ubl, Sinnstiftungen, p. 137 et suivante. 62 Gustav Adolf Beckmann, Aus den letzen Jahrzehnten des Vulgärlateins in Frankreich. Ein parodischer Zusatz zur Lex Salica, in : Zeitschrift für romanische Philologie 79 (1963), p. 305–334. Mordek, Bibliotheca, p. 958–960.

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– f. 37v–f. 87r : une version résumée originale du Bréviaire d’Alaric – f. 87v : des vers et un colophon ora pro agamberto. La version originale de la loi salique donnée ici par Agambertus a quelques points communs avec les trois autres manuscrits qui donnent cette version A, mais il est exclu, contrairement aux affirmations de B. Krusch et de K. A. Eckhardt, qu’il puisse descendre d’un seul modèle commun avec A1.63 L’insertion du Pacte de Childebert et Clotaire dans la numérotation des chapitres de la loi salique montre que pour Agambertus, la loi salique était constituée par incrémentation, en incorporant les édits royaux. L’épilogue copié ensuite éclaire cette conception, en faisant de la loi salique une suite de publications royales mérovingiennes, depuis le premier roi des Francs : Le premier roi des Francs établit les chapitres 1 à 62 et les institua pour juger. Peu après, lui et ses aristocrates ajoutèrent de 63 à 78 chapitres. Puis, après longtemps, le roi Childebert considéra ce qu’il fallait ajouter, et passa de 78 à 83, ce qu’il a fait justement, et il transmit ces écrits à son frère Clotaire. Par la suite, Clotaire, après avoir reçu volontiers ces chapitres de son frère aîné, considéra ce qu’il devait ajouter pour son propre royaume et ce qu’il fallait inclure de plus, du chapitre 89 [sic] jusqu’au chapitre 63; et ensuite il envoya ces rescrits à son frère. Et ainsi il fut établi entre eux que toute cette compilation devait demeurer ainsi comme auparavant.64

Les rois apparaissent ici comme les seuls à pouvoir modifier la loi, en supprimant, corrigeant et ajoutant des chapitres. Vient ensuite une liste de souverains, qui complète la succession déjà évoquée dans l’épilogue, depuis un anonyme premier roi des Francs. Cette liste commence avec Thierry III (673–690) et se clôt avec le règne de Childéric III (743–751), décrit au passé, et le calcul de la somme de durée des règnes sur 78 ans.65 Notre copiste écrit donc sous les rois carolingiens, Pépin, Carloman ou Charles, mais choisit de n’en faire aucune mention. Néanmoins, pour établir un calcul fixe, il lui était nécessaire de s’en tenir aux 63 Magali Coumert, Faire parler le silence : la tradition manuscrite mérovingienne de la loi salique, in : H. Bayard et al. (dir.), L’Austrasie, un royaume oublié, à paraître. 64 Wolfenbüttel, Landesbibliothek, Weißenburg 97, f.  37r, l. 4–21: Primus rex francorum statuit  a primo titulum usque LXII disposuit iudicare. Post modo autem tempus cum obtimatis suis a LXIII titulum usque ad LXXVIII addedit. Sic uero Childebertus rex post multum autem tempus pertractauit, quid addere debirit; ita a LXXVIII usque ad LXXXIII perinuenit, quod ibidim digne inposuisse nuscuntur, et sic fratri suo Clotario hec scripta transmisit. Post hec uero Clotarius, cum hos titulus a germano suo seniore gratenter excepit, sic postia cum rignum suum pertractauit ut quid addere debirit ibidim quid amplius dibiat construhere, ab LXXXVIIII titolus usque ad LXIII statuit permanere; et sic postea fratre suo rescripta direxit. Et ita inter eis conuinit, ut sta omnia sicut anteriore constructa starent. Edition sous le sigle A 2 dans Karl A. Eckhardt (éd.), Pactus, p. 253. 65 Eugen Ewig, Die fränkischen Königskatalogue und der Aufstieg der Karolinger, in : Deutsches Archiv 51 (1995), p. 1–28.

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règnes terminés, et donc aux souverains défunts. Le silence sur le règne en cours dans la liste peut donc simplement représenter ce désir de s’en tenir au passé. Charles Martel n’est pas présenté comme un roi dans la liste, ce qui montre un décalage par rapport à la propagande carolingienne telle qu’elle s’est développée à partir du règne de Charlemagne66. Une présentation similaire de règnes révolus se trouve dans un manuscrit contemporain, conservé à Saint-Gall : en 793, le copiste Vandalgarius copia une liste de règnes proche dans un manuscrit qui comporte aussi une version de la Loi salique et un résumé du Bréviaire d’Alaric, complétés cette fois par la Loi des Alamans.67 Cette liste est amplifiée par rapport au manuscrit de Wolfenbüttel, car elle s’appuie sur la Chronica majora d’Isidore de Séville pour proposer une datation depuis la création du monde, en s’appuyant sur un synchronisme faux entre les années de règne d’Héraclius, de Sisebut et de Dagobert. Cette liste est amplifiée en ajoutant des années de règne de Clotaire II, puis de Dagobert à Thierry III (673–690), avant de reprendre les durées de règne proposée par le manuscrit de Wolfenbüttel, puis d’ajouter 17 années de règne pour le roi Pépin, ainsi qu’une réflexion finale sur le temps à venir avant la parousie68. Le copiste du manuscrit a donc choisi de ne pas actualiser la liste jusqu’au roi régnant en 793. Néanmoins, la vingt-sixième année de règne de Charlemagne est mentionnée deux fois par ailleurs dans le manuscrit (p. 237 et p. 342). Tout comme Agambertus, Vandalgarius met en avant son nom et donc sa responsabilité dans la copie. Il n’intègre dans son calcul que les années de règne des rois défunts, mais lui n’hésite nullement à mentionner le souverain actuel à d’autres endroits du manuscrit. Il est difficile d’aller au-delà de la comparaison de ces deux attitudes : seuls deux autres manuscrits qui reprennent cette liste furent copiés au IXe siècle et montrent une volontaire absence d’actualisation de la liste au-delà du dernier souverain mérovingien. Alors que le premier, copié après 805 pour sa première partie, mentionne des souverains carolingiens,69 le second, bien que copié après 818, s’en tient à une présentation atemporelle des formules juridiques et de la loi 66 William Trouvé, Les listes de rois du haut Moyen Âge occidental. Origines, diffusions, usages (Ve-ca. XIe s.), thèse sous la direction de Th. Deswarte, soutenue à Angers le 30 novembre 2019, p. 144–145. 67 St-Gall, Stiftsbibliothek 731, p. 293–294 (Eckhardt : D 9); le manuscrit est consultable en ligne (https://www.e-codices.unifr.ch/fr/list/one/csg/0731 [consulté le 09.11.2020]) et Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, section Médecine, H 136 (Eckhardt : D 7). Merci à F. Bougard qui m’a permis d’utiliser une reproduction numérique. Voir à leur propos Mordek, Bibliotheca, p. 276–280 et p. 670–676. Le texte est édité, avec d’hasardeuses suppositions de différentes strates de composition, dans Karl A. Eckhardt éd., Lex Salica, MGH LL nat. Germ. 4/2, Hannover 1962, p. 192 et 194. 68 Trouvé, Les listes, p. 164–171. 69 Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, section Médecine, H 136, f. 156r : mention de la 13e année du règne de Pépin, f. 175v mention de Charles comme roi et f. 172r et 179r Charles comme empereur.

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salique, où seuls Clovis, Childebert et Clotaire apparaissent comme des souverains législateurs.70 Les deux copistes ont pourtant fait le choix d’une version apparemment ancienne de la loi salique, la version D, alors qu’existait une version K, reprise sous l’autorité de Charlemagne vers 803, qui donnait une version plus claire du texte. Ainsi, dans tous les manuscrits qui reprennent cette liste royale, la moitié l’insère dans une présentation qui intègre les souverains postérieurs, l’autre les ignore, mais il n’est pas impossible de supposer aussi chez les rédacteurs de ces manuscrits un positionnement conservateur, voire réactionnaire, dont ils pourraient témoigner en privilégiant une version archaïque de la loi salique. Dans le cas d’Agambertus, au moment où il écrit, il y a non seulement des rois carolingiens dont il choisit de ne pas parler, mais aussi des capitulaires des maires du palais, dont il ne dit rien, s’en tenant à la loi salique modifiée au gré des différents souverains mérovingiens sans jamais mentionner d’autre autorité sur les Francs. Il me semble que l’insertion, après la mention du dernier d’entre eux, d’une parodie des textes de lois francs fait écho à ce qui me parait un positionnement légitimiste. Sans souverain légitime, l’œuvre législative est présentée de façon grotesque. Amendes au tribunal. Au nom de Dieu tout puissant, telle est la décision prise par Laidobrand et Ado : étant donné qu’il manque un paragraphe au règlement salique, exposer en détail avec l’aide de Dieu et avec l’appui de Fredo, de son épouse et de leurs excellences, ce paragraphe dans la loi, stipulant que : ‹ Tout vassal qui pourra avoir une bouteille pleine soit chez lui soit hors de chez lui, ne versera pas une goutte ni dans sa coupe, ni dans celle des autres. Quiconque aura osé le faire, (qu’il soit leodardi au tribunal) et qu’il s’acquitte de 15 sous; et qu’on brise la coupe, oui, toute; qu’on brise la tête au bouteiller; qu’on retire les boissons à l’échanson. Tel est le rituel : qu’on boive avec le bassin de métal, qu’on y place des tranches de pain; lorsque le seigneur a bu deux fois, ses vassaux la troisième, c’est bon !› Moi qui ai écrit ce texte, je n’ai pas écrit mon nom : que je sois jugé coupable !71. 70 Paris, BNF, latin 4627, f. 32r (prologue long), 57r (décret de Childebert) et 59v (épilogue). Le microfilm noir et blanc du manuscrit est consultable (ark:/12148/btv1b9066087r). 71 Wolfenbüttel, Landesbibliothek, Weißenburg 97, f. 37v, l. 4–20: INCIPIT TOTAS MALB . In nomine dei patris omnipotentis. Sit placuit uolumtas laidobranno et adono ut pactum salicum de quod titulum non abit gratenter suplicibus aput gracia fredono una cum uxore sua et obtimatis eorum in ipsum pactum titulum unum cum deo adiuturio pertractare debirent, ut si quis homo aut in casa aut foris casa plena botilia abere potuerint tam de eorum quam de aliorum in cuppa non mittant ne gutta. Se ullo hoc facire presumserit, mal. leodardi, sol. xv con. et ipsa cuppa frangant la tota ad illo botiliario frangant lo cabo at illo scanciono tollant lis potionis. Sic conuinit obseruare aput satubo bibant et intus suppas faciant cum senior bibit duas uicis sui uassalli, la tercia bonum est, ego qui scribsi mea nomen non hic scripsi. Cul. iud. Merci à Michel Banniard pour ses conseils pour cette traduction.

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Il a depuis longtemps été reconnu dans ce passage une version parodique de la loi salique. C’est un texte en latin, dans lequel sont introduits peu à peu de plus en plus de tournures romanes. Comme l’a souligné Maria Selig,72 les premières lignes de la Parodie (dans le manuscrit, l. 4–12) multiplient les correspondances textuelles avec les pages précédentes du point de vue linguistique, lexical et stylistique. La première partie comporte des déclinaisons suivant les normes latines mérovingiennes (nomine, patris, Laidobranno, pactum salicum, suplicibus), seule la deuxième partie suit une déclinaison bicasuelle (plena botilia, in cuppa, ad illo botiliario, lo cabo, lis potionis, senior, sui vassali). Le deuxième contraste morphosyntaxique vient des équivalents des « articles », qui apparaissent seulement dans la deuxième partie. Il rejoint un contraste lexical : les termes de la deuxième partie désignent des choses communes, mais représentent aussi une forme proche de la prononciation courante alors qu’existait une forme différente à l’écrit. Ainsi, la parodie utilise cuppa alors qu’il existait copa, botilia et botiliario, alors qu’il existait buticula et buticularius. En outre, des éléments montrent une conception orale de la phrase : une phrase est segmentée, avec une reprise pronominale de l’objet antéposé : ipsa cuppa frangant la tota, et apparait une négation renforcée : non mittant ne gutta.73 L’effet parodique du texte tient au détournement du procédé juridique en l’appliquant à un domaine où il parait démesuré et ridicule, aussi bien qu’au dé­ tournement du langage juridique. Dès la première partie sont insérées des tournures proches du vernaculaire, comme de quod ou aput gracia. Dans la deuxième partie sont glissés des éléments du langage juridique latin : tam de eorum quam de aliorum, démonstratifs ille et ipse qui renvoient à la tradition juridique mérovingienne. On peut relever aussi un certain nombre d’incongruences syntaxiques insérées dès le début du texte : contamination entre sit ou sic placuit voluntas qui renvoient à sic placuit (dat.) ut, aussi bien qu’à decrevit / est voluntas (gén.) ut; anacoluthe ut ipsum pactum salicum, in ipsum pactum salicum titulum unum… pertractare debirent, et absence de concordance entre le nom homo au singulier et potuerint au pluriel. L’auteur aboutit à une langue mixte, avec co-présence de traits linguistiques complètement hétérogènes, ce qui se retrouve dans d’autres écrits au tournant des VIIIe-IXe siècles.74 72 Maria Selig, Parodie et Protocole – L’importance de la « citation » pour les premiers documents des langues romanes, in : Maria Selig et al. (dir.), Le Passage à l’écrit des langues romanes, Tübingen 1993, p. 91–108. 73 Discussion sur un possible mélange de vin et d’eau dans Andrea Fassò, La Parodia della Lex Salica : etica della dismisura e spirito della barbarie, in : Quaderni di semantica : rivista internazionale di semantica teorica e applicata 2012, p. 107–153. 74 Michel Banniard, « Cum tamen adversos cogor habere deos (Rome, – 50) … Manducando filius meus panem ego morieba de famen (Burgos, + 950)». Le latin et ses métamorphoses en diachronie longue, des fluctuations du latin classique aux nouvelles régulations du protoroman, in : Archivum latinitatis medii aevi. Bulletin Du Cange 77, 2019, p. 27–71.

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L’auteur de cette parodie mélange donc les formes latines et vernaculaires, anciennes et modernes. Le fait d’écrire des tournures éloignées du latin écrit n’était pas en soi un signe de dérision. Les laudes regiae copiées entre 783 et 79275 en faveur de Charlemagne, ses fils et sa femme Fastrade utilisent elles aussi les pronoms régimes lo et los, tandis que le verbe juvare apparait avec un pronom personnel tu devant un impératif,76 éléments qui n’existent pas dans le système du latin écrit. La parole quotidienne des élites était présentée d’emblée comme un acrolecte, une version prestigieuse de la langue. Dans ce cas, il semble que la proximité avec des tournures proches de l’oralité rendait la demande d’aide céleste plus directe, plus authentique. Dans la parodie d’article juridique, l’effet comique devait provenir de la rencontre entre ces tournures issues de l’oralité et les formulations juridiques anciennes, appliquées au sujet de la consommation d’alcool. Il me semble que son positionnement, au sein du manuscrit, à la suite de la loi salique, son épilogue et une liste royale mérovingienne, nous incite à y voir bien plus qu’une blague de potache : il s’agit à mes yeux d’un message politique de refus des Carolingiens et de leur législation. Le manuscrit se poursuit d’ailleurs avec une compilation originale de droit romain, et une main postérieure a ajouté à son début une formule de serment de garantie tirée des droits romain et franc.77 Il était donc considéré comme un recueil utile à l’exercice du pouvoir judiciaire, et non comme un ouvrage comique. Que parodie cet article loufoque ? De façon évidente, il comporte des éléments qui le rapprochent de la loi salique copiée auparavant dans le manuscrit. L’expression si quis homo reproduit le début stéréotypé des articles de la loi salique. Le futur presumserit y est aussi très courant de même que l’expression conuinit obseruare. La Loi Salique présente souvent la distinction in casa / foris casa.78 Certaines expressions cum obtimatis eorum, pertractauit (ut) quid addere debirit, gratenter se trouvent aussi dans l’épilogue de la loi salique qui précède la parodie.79 Elle reprend aussi les abréviations qui reviennent systématiquement dans les manuscrits de la loi salique, comme mal. leodardi sol. XV con., et cul. iud., la rendant indéchiffrable aux non-initiés. En outre, les gloses malbergiques 75 Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire de médecine, H 409, f. 344. Le manuscrit est consultable en couleurs (http://bvmm.irht.cnrs.fr/sommaire/sommaire.php?reproductionId=4819 [consulté le 09.11.2020]). Le texte a été édité par Oswald Holder-Egger en annexe, in : Einhardi Vita Karoli, MGH SS rer. germ. 25, Hannover 61911, p. 46–47. 76 Paul Zumthor, Une formule galloromane du VIIIe siècle, in : Zeitschrift für romanische Philologie 75, n° 4 (1959), p. 211–233. 77 Ubl, Sinnstiftungen, p. 138. 78 L’expression foris casa apparait aux titres 8.2, 11.1, 11.2 et 12.1 de la version de la Loi salique copiée dans le manuscrit de Wolfenbüttel, Landesbibliothek, Weißenburg 97. 79 Beckmann, Vulgärlatein, 307–308. D’Arco Silvio Avalle, Ancora sulla parodia della Lex Salica, Rivista di cultura classica e medioevale 7 (1965), p. 29–61.

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en elles-mêmes renforçaient le caractère peu compréhensible du texte,80 comme le montre le commentaire du copiste d’un manuscrit de la loi salique version A, copié au tournant du VIIIe et du IXe siècle, après la liste des chapitres : Or il faut ici considérer attentivement que dans la loi salique, chaque sou a quarante deniers de sorte que cent vingt deniers font trois sous. Mais pour éviter la longueur de l’ouvrage comme l’ennui des lecteurs, et pour le profit de la compréhension, nous enlevons d’ici les mots des Grecs et le nombre de deniers que nous avons souvent trouvés copiés dans ce livre.81

Comme cette copie de la loi salique ne reprend quasiment pas les gloses malbergiques, il semble bien qu’il faille ici les reconnaitre comme verba grecorum, ce qui révèle leur totale incompréhension par le copiste. À côté de ces éléments spécifiques à la Loi salique, de très nombreuses expressions renvoient aussi à des emprunts généraux à la langue de la chancellerie, telle qu’elle apparait aussi dans les formules et les capitulaires. Ainsi, l’anacoluthe pactum salicum… in ipsum pactum évoque les tournures juridiques les plus lourdes. Cum deo adiuturio contient un oblique possessif. Cette forme se trouve aussi dans le Pacte d’Andelot rapporté par Grégoire de Tours82 et apparait dans les édits royaux mérovingiens. Una cum apparait très couramment dans les formulaires,83 de même que la tournure placuit voluntas.84 Si la parodie s’inspire donc de la loi salique comme de la tradition juridique franque en général, il me semble qu’une étude plus précise de sa forme la rapproche davantage des capitulaires produits par les maires du palais, qui s’inséraient dans le même héritage. Le vocabulaire et les tournures leur sont communes, car eux aussi reprenaient la tradition juridique développée depuis la loi salique et prétendaient la compléter. Or, la parodie suit la structure des chartes et formules médiévales en enchaînant : – une invocatio : In Dei nomen. Certes, cette tournure existe aussi au début de la loi salique version D, qui commence par In Christi nomine, et de la version 80 Ruth Schmidt-Wiegand, Die malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in : Rheinische Vierteljahrsblätter 33 (1969), p. 396–422; Elmar Seebold, Die malbergischen Glossen. Untersuchungen zu den malbergischen Glossen : Einführung, in : Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 129 (2007), p. 1–7. 81 München, Bayerische Staatsbibliothek, Lat. 4115, f. 44r, l. 14–23: Hoc autem super omnia diligenter consederandum est quod in lege salica unusquisque solidus quadraginta dinarius habet ita ut centum uiginti dinarii faciant solidus tres. Sed nos propter prolixitatem uoluminis uitandam seu fastidio legentium uel propter utilitatem intellegendi abstulimus hinc uerba grecorum et numero dinariorum quod in ipso libro crebre conscribta inueninxus. Le texte est édité par Eckhardt, Pactus, p. 15, avec des notes d’abréviations fausses. Le manuscrit est consultable en couleurs (urn:nbn:de:bvb:12-bsb00060127–7). 82 Grégoire de Tours, Histoires, IX , 20: in Christo nomen, éd. Bruno Krusch / Wilhelm Levison, MGH SS rer. Merov. 1/1, Hannover 1901, p. 434. 83 Dans le formulaire de Marculf, les formules d’Angers, de Tours, de Sens… 84 Formulaire de Marculf II, 30, p. 94. Formules de Sens 47, p. 206.

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E In nomine sanctae trinitatis,85 mais ce n’est pas le cas de la version A copiée dans ce manuscrit. Elle apparait aussi dans les formules juridiques. – une petitio : gratanter suplicibus, aput gracia fredono una cum uxore sua et obtimatis eorum – une sanctio : se uluus … presumserit – une completio ou souscription : ego qui scribsi mei nomen non hic scripsi. Par cette structure, la loi salique se rapproche grandement des premiers capitulaires des Carolingiens. Or dans le manuscrit, cette parodie occupe précisément la place, juste après la loi salique, où de très nombreux manuscrits reproduisent les édits mérovingiens et les capitulaires carolingiens.86 Dans la description du consensus qui fonde la loi, le rédacteur a ajouté uxore sua par rapport à la formule de l’épilogue cum obtimatis suis. L’ajout est comique : dans la logique mérovingienne, la reine peut jouer un rôle de représentation du roi, mais n’a rien à voir avec le processus législatif, où n’apparait que le roi. L’unique exception réside dans le pacte d’Andelot, en 58787 mais la chute de Brunehaut a entrainé la fin de toute évolution en ce sens.88 En revanche, la reine joua un rôle dans la nouvelle dynastie dès le sacre de 754. Or sa place comme représentante de l’autorité royale est soulignée dans le capitulaire De villis : Nous voulons que ce que nous ou la reine avons ordonné à un juge, ou ce que le sénéchal ou l’échanson – nos ministériaux – a ordonné, à partir de notre parole ou de celle de la reine, à ces mêmes juges, [ceux-ci] doivent l’exécuter dans ce même plaid comme si cela avait été décidé par eux. Et quiconque l’aura omis par négligence, qu’il s’abstienne de boisson, après que cela lui aura été annoncé, jusqu’à ce qu’il vienne en notre présence ou celle de la reine et qu’il nous demande la permission d’être pardonné.89 85 Ubl, Leges-Reform, p. 89. 86 Ainsi, parmi les 6 manuscrits comportant les versions A et C de la loi salique : Paris, BNF, latin 4404 donne après la loi salique, la loi ripuaire, la loi des Alamans, puis des édits mérovingiens et des capitulaires carolingiens. Paris, BNF, Latin 9653 présente après la loi salique un capitulaire de Louis le Pieux. Paris BNF, latin 18237 reproduit la loi salique, puis le pacte de Childebert et Clotaire, l’édit de Childebert et un capitulaire de Louis le Pieux (voir infra). 87 Grégoire de Tours, Histoires, IX , 20, p. 434. 88 Dans la formule 62 des Formulae Salicae Merkelianae, Zeumer (éd.), Formulae, p. 262, la reine est associée dans la prière au roi et aux recteurs du palais, mais Silvio Avalle se trompe, p. 35, lorsqu’il pense qu’il s’agit d’une des « formule merovingiche », car cette collection n’a pu être constituée avant 800. Sur la difficile datation des formules, Voir Alice Rio, Legal Practice and the Written Word in the Early Middle Ages : Frankish Formulae, 500–1000, Cambridge 2009, p. 167–182. 89 Capitulare de villis, c. 16: Volumus ut quicquid nos aut regina unicuique iudici ordinaverimus aut ministeriales nostri, sinescalcus et butticularius, de verbo nostro aut reginae ipsis iudicibus ordinaverit, ad eundem placitum sicut eis institutum fuerit impletum habeant; et

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Dans ce même capitulaire, on trouve aussi mention d’un butticularius et d’un partage de denrée deux tiers, un tiers.90 La parodie caricaturait-elle précisément le capitulaire De villis ? Sa tradition manuscrite est extrêmement restreinte, puisqu’il ne fut copié que dans un seul manuscrit, dans la première moitié du IX e siècle.91 Son rapprochement avec les fragments du Capitulare missorum de villis inquirendis, lui aussi conservé dans un seul manuscrit du début du IX e siècle,92 nous laisse apercevoir une tentative plus vaste de la nouvelle dynastie de légiférer jusqu’au cadre domestique, qui ne fut pas reprise dans les collections de capitulaires. Plus qu’à un texte précis, je pense que la parodie fait allusion à cette nouvelle ambition de présenter la reine comme l’égale du roi dans ses jugements93, et de régenter l’intérieur des maisonnées à travers des ajouts écrits à la loi salique. Agambertus nous livre ici l’ampleur de sa maitrise, en passant d’un registre à un autre, en faisant sombrer les ambitions législatrices des Carolingiens dans le ridicule du quotidien et le prosaïsme de la consommation d’alcool. Il manifeste encore son indépendance, dans le manuscrit, en copiant ensuite une version originale du Bréviaire d’Alaric,94 puis un colophon qui livre son nom. Nous ignorons dans quel contexte put émerger une telle critique, mais il semble bien que ce sont ici les ajouts à la Lex salica qui sont ridiculisés, et à travers eux le nouveau pouvoir des Pippinides. Le copiste a noté l’absence d’attention à la tradition manuscrite des capitulaires, et il s’engouffre dans cet espace de liberté pour refuser, en caricaturant sa législation, la légitimité de la nouvelle dynastie. De telles critiques furent elles lues ? Diffusées ? Aucun des textes du manuscrit de Wolfenbüttel ne semble avoir servi de modèle pour un autre manuscrit. Cet isolement philologique peut refléter l’impasse politique du positionnement d’Agambertus, à mesure que la nouvelle dynastie cumulait succès militaires et idéologiques.

90 91 92 93 94

quicumque per neglegentiam dimiserit, a potu se abstineat postquam ei nuntiatum fuerit, usque dum in praesentia nostra aut reginae veniat et a nobis licentiam quaerat absolvendi (MGH Capit. 1, n°  32, p. 84). Carlrichard Brühl, Capitulare de villis. Cod. Guelf. 254 Helmst. der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Stuttgart 1971. Capitulare de villis, c. 44 et c. 47. Mordek, Bibliotheca, p. 947 et 1083. Mordek n° 10, dans Id., Bibliotheca, p. 240–241 et 978–979. J. Nelson, Les reines carolingiennes in Jean-Marie Sansterre, Régine Le Jan, Alain Dierkens et Stéphane Lebecq dir., Femmes et pouvoirs des femmes à Byzance et en Occident (VIe–Xe siècles), Lille, 1999, p. 121–132. Fastrade aurait elle-même rendu un jugement. José María Coma Fort, Codex Theodosianus : historia de un texto, Madrid 2014, p. 302–304.

Écrire des ajouts aux lois  

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3. Les ajouts à la loi ripuaire : une nouvelle attention à la lettre L’attention aux textes eux-mêmes apparait nettement plus développée dans une deuxième catégorie de capitulaires d’ajouts aux lois qui montrent un rapport plus proche aux textes qu’ils souhaitent modifier. Le plus diffusé est le Capitulare legi Ribuariae additum qui apparait dans 14 manuscrits,95 ainsi que dans la collection d’Ansegise. Il apparait 9 fois dans sa version complète96 et l’édition de Boretius comporte de très nombreuses erreurs, ce qui m’a obligée à repartir des manuscrits (même si ce n’est pas le sujet de cette contribution). L’édition est particulièrement fautive en ce qui concerne le manuscrit 1, Paris, BNF latin 4629,97 ce qui a empêché Boretius de voir que les manuscrits 1 et 2 de son édition proposaient une interversion des chapitres 4 et 3. La datation est aussi, à mon avis, à revoir. En effet, la phrase Hoc fuit datum ad Aquis in tercio anno imperii domni Karoli Augusti, quando synodus ibi magna fuit est copiée seulement dans deux manuscrits : Paris, BNF, latin 9654, f. 13r et Vatican, Pal. Lat. 582, f. 16r. Or dans les deux cas, la phrase est intercalée entre ce capitulaire et le Capitulare missorum de 803 (MGH Capit. 1, n° 40), de telle sorte qu’elle peut parfaitement servir pour l’un ou pour l’autre. Néanmoins, l’introduction d’un autre manuscrit du Vatican98 évoque Charlemagne empereur, et ce capitulaire se trouve dans la collection de Gerbald de Liège établie autour de mars 806.99 Ce capitulaire peut donc être daté entre 801 et 806. En rupture avec la tradition d’ajouts à une loi indéfinie, ce capitulaire propose un rapport direct avec le texte de la Lex Ribuaria, à travers la numérotation des chapitres, qui correspond non pas à la succession des chapitres du capitulaire, mais aux chapitres de la Lex Ribuaria complétés. Par ailleurs, certains passages montrent une grande proximité avec le texte de cette loi. Dans ce capitulaire 41, c. 6 apparait le terme de sunnis, qui n’est repris ni dans d’autres capitulaires de Charlemagne ni de Louis le Pieux.100 Ce terme est présent dans la Loi salique, 95 Mordek, Bibliotheca, p. 1085. 96 Mais pas toujours après le Capitulare missorum, contrairement à ce que dit Boretius, p. 117. Contrexemple: Vatican, BAV, Pal. Lat. 773. Le manuscrit est consultable en couleurs (urn:nbn:de:bsz:16-diglit-149406). Voir Mordek, Bibliotheca, p. 799–801. 97 Voir la note q de Boretius, p. 118 « et si schedas nostras recte intellego », qui montre un problème formel sur ses notes sur le manuscrit de Paris. 98 Vatican, BAV, pal. lat. 773. 99 Berlin, Staatsbibliothek-Preußischer Kulturbesitz, lat. fol. 626, f. 27ra–rb, où se trouve le Capitulare legi Ribbuariae additum. Wilhelm Alfred Eckhardt, Die Kapitulariensammlung Bischof Gherbalds von Lüttich, Göttingen 1955, p. 21 et 67. Mordek, Bibliotheca, p. 39. 100 De Sousa Costa, Studien, p. 151–155.

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où il apparait dès le premier paragraphe,101 qui est le modèle de la Lex Ribuaria, 36, 1. On le retrouve aussi dans le Pacte de Childebert et Clotaire,102 l’édit de Chilpéric103 et les formulaires.104 Un emprunt concret à la Loi Ripuaire est donc ici possible, à travers ce terme assez rare. De même, le terme de sonesti, ou sonista, qui désigne un ensemble d’animaux, est présent dans la loi salique, dans les manuscrits A1 et A 2, dans des gloses du Malberg,105 mais aussi dans le chapitre 18 de la Lex Ribuaria. Ce capitulaire semble donc avoir été conçu comme le complément du texte de la Lex Ribuaria, mais cet usage des deux textes en complément l’un de l’autre n’est possible que pour 4 manuscrits sur les 9 qui le reprennent en intégralité.106 En effet, 5 manuscrits ne comportent que le texte du capitulaire et non la Lex Ribuaria :107 Berlin, Staatsbibliothek-Preußischer Kulturbesitz, Lat. fol. 626108 et Phill. 1736,109 Ivrea, Biblioteca Capitolare XXXIV,110 Munich, Bayerische Staatsbibliothek, Lat. 19416111 et Vatican, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. Lat. 582.112 Pour l’étude, le manuscrit d’Ivrea, Biblioteca Capitolare XXXIII113 comporte une version de la Lex Ribuaria trop endommagée pour permettre une étude des correspondances des chapitres. Dans les trois manuscrits restants, qui présentent à la fois le texte du capitulaire et celui de la Lex Ribuaria, l’utilité de ces renvois aux chapitres parait bien faible. Le manuscrit de Paris, BNF latin 9654114 qui date du Xe ou XIe siècle contient un texte de la Lex Ribuaria qui aligne 101 102 103 104

Pactus legis salicae, 1, 1, p. 18. MGH Capit. 1, n° 3, § 5, p. 5. MGH Capit. 1, n° 4, § 8, p. 9. Formules d’Angers n° 12, p. 9, Formulaire de Marculf n° 37, p. 67, Formules de Sens n° 10, p. 189, Formules de Tours n° 33, p. 155 et Additamenta n° 6, p. 161. 105 Pactus legis salicae, 2, 18, p. 26–27 et 3, 12, p. 32. 106 Ivrea, Biblioteca Capitolare XXXIII; Paris, BNF, latin 4629 et 9654; Vatican, BAV, Pal. lat. 773. 107 Comme le montre l’amplitude des datations données ci-dessous, il n’y a pas de logique chronologique discernable dans le fait de copier, ou non, le Capitulaire d’ajouts à la Loi Ripuaire et la Loi Ripuaire. 108 Copié dans la première moitié du XIIe siècle. Voir Mordek, Bibliotheca, p. 34–43. 109 Copié dans la deuxième moitié du Xe siècle, Ibid., p. 47–50. Le manuscrit en consultable en couleurs (http://bvmm.irht.cnrs.fr/ [consulté le 09.11.2020]). 110 Copié vers 830. Ibid., p. 178–185. J’ai pu consulter les photographies en noir et blanc. 111 Copié vers la fin du IXe siècle. Ibid., p. 357–364. Le manuscrit est consultable en noir et blanc (http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00017795/images/ [consulté le 09.11.2020]). 112 Copié dans la première moitié du Xe siècle. Ibid., p. 780–797. Le manuscrit est consultable en couleurs (urn:nbn:de:bsz:16-diglit-140572). 113 Copié entre le milieu et la deuxième moitié du IXesiècle. Ibid., p. 173–177. Merci à Karl Ubl grâce à qui j’ai pu consulter les photos du manuscrit en noir et blanc. 114 Copié aux Xe–XIe siècles et conservé à Saint-Vincent, à Metz. Ibid., p. 562–576. Le manuscrit est consultable en noir et blanc (ark:/12148/btv1b10721350r).

81

Écrire des ajouts aux lois  

les différents chapitres sans aucune liste initiale ni numérotation. Les renvois n’y peuvent servir. Les deux manuscrits restants, de la première moitié du IXe siècle, Paris, BNF, latin 4629,115 et Vatican, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 773116 témoignent de la fluctuation du texte de la loi ripuaire. Dans le premier manuscrit, le titre ne permet de comprendre qu’il faut aller voir le texte de la Lex Ribuaria et seuls trois renvois sont justes (voir tableau 2). Tableau 2: Les renvois du Capitulare legi Ribuariae additum dans le manuscrit de Paris Manuscrit 1: Paris, BNF, latin 4629 titre f. 22v: Item alios capitulos Chiffres de renvoi du capitulaire dans le manuscrit

paragraphes dans l’édition de Boretius

Chiffres dans l’édition par Beyerle et Buchner de la Lex Ribuaria (manuscrit A 3)

Chiffres dans la liste des chapitres de la Lex Ribuaria du manuscrit

Chiffres dans la Lex Ribuaria du manuscrit

I

§ 1

1

I

I

X

§ 2

9

VIIII

VIIII

XVIII

§ 4

19

XVIIII

XVIIII

in eodem c­ apitulum

§ 3 § 5

19?

XXX

note q

32

XXVIIII

XXVIII

XXXIIII

§ 6

36 (32)

XXXIII

XXXI

XXXV

§ 7

37

XXXIIII

XXXII

XLVIII

§ 8

50

XLVII

XLVIIII

LVII

§ 9

61

LXVIIII

LXVIIII

§ 10

61

LXVIIII

LXVII

§ 11

69

LXVII

Les chiffres en caractères gras font ressortir les rares concordances.

115 Copié au début du IXe siècle, Ibid., p. 502–507. Le manuscrit est consultable en couleurs (ark:/12148/btv1b84386755). 116 Copié dans la première moitié du IXe siècle. Ibid., p. 799–801.

82

Magali Coumert 

Tableau 3: Les renvois du Capitulare legi Ribuariae additum dans le manuscrit du Vatican Manuscrit 3: Vatican, BAV, Pal. lat. 773 titre f. 48v: Incipit noua legis constitutio Karoli imperatoris qua in lege ribuaria mittenda est Chiffres de renvoi du ­manuscrit

Paragraphes dans l’édition de Boretius

Chiffres dans l’édition de Beyerle et ­Buchner de la Lex Ribuaria (manuscrit A 10)

Chiffres dans la liste des chapitres de la Lex Ribuaria du manuscrit

Chiffres dans la Lex Ribuaria du manuscrit

I

§ 1

1

I

I

X

§ 2

9

VIIII

VIIII

XII

§ 3 § 4

19

XVIIII

XVIIII

XVIII

§ 5

19

XVIIII

XVIIII

XXXIII

§ 6

36 (32)

XXXV

XXXV

XXXV

§ 7

37

XXXVI

XXXV

LXVIII

§ 8

50

L

L

LVIII

§ 9

61

LXII

LX

LXIIII

§ 10

61

LXII

LX

LXVIII

§ 11

69

LXX

LXVIII

LXXII

§ 12

75

LXXVI

LXXIIII

Même dans le deuxième manuscrit (voir tableau 3), où le capitulaire est placé juste après la Lex Ribuaria, seuls trois renvois sur douze fonctionnent ! Nous sommes ici confrontés à un échec patent. Une tentative pour compléter le texte des lois précédentes, et non plus seulement leur législation générale, se heurte à la mutabilité du texte de la Lex Ribuaria, dont l’ordre et le contenu varient même au sein d’un même manuscrit, entre la liste des titres et les différents chapitres.117 Dès la première moitié du IXe siècle, les références aux chapitres de la loi n’ont plus aucune utilité ni efficacité. Malgré sa tentative d’écrire des renvois formels, ce capitulaire ne réussit pas à créer un fonctionnement écrit autonome.

117 Voir l’édition de Franz Beyerle / Rudolf Buchner, Lex Ribvariae, p. 52–72.

Écrire des ajouts aux lois  

83

Une autre tentative de citation précise des lois précédentes semble remonter à la même période, mais son existence reste hypothétique, car il faut la reconstituer à partir des manuscrits.

4. Ajouts et reprise des lois barbares Sous le titre de Capitulare Aquisgranense (MGH Capit. 1, n° 77), Boretius a édité un capitulaire, conservé dans onze manuscrits,118 face auquel il ne cache pas sa perplexité. Le premier paragraphe semble indiquer des emprunts à des lois précises : Charles empereur auguste sérénissime, couronné par Dieu, grand et pacifique, a établi ces chapitres au palais d’Aix, avec les évêques, abbés, comtes, ducs et tous les fidèle de l’Église chrétienne, avec leur accord et conseil, à partir de la loi salique, romaine et gombette, afin que chaque fidèle fasse ainsi les jugements : et lui-même, il confirma ces chapitres de sa propre main, afin que tous les fidèles s’appliquent à les valider de leur main.119

Or aucun des chapitres suivants, qui régissent principalement les devoirs des évêques et des comtes, ne parait en lien avec la loi salique, romaine ou burgonde. L’emplacement de ce capitulaire est aussi problématique, car il est copié au milieu des capitulaires attribués à Louis le Pieux. Hubert Mordek suppose donc qu’il s’agit d’un capitulaire de Charlemagne qui aurait connu une révision par son fils.120 Comme l’a souligné S. Patzold,121 une grande partie des manuscrits reproduisent ce capitulaire au sein d’une collection issue de Reims, et seuls les manuscrits Paris, BNF, latin 9654 et Vatican, BAV Pal. Lat. 582, qui apparaissent tous deux dépendants des archives de Reims, reprennent cette présentation officielle.122 Or dans les deux cas apparaissent, avant ce capitulaire, le titre 79 de la Lex Burgundionum, ainsi qu’un passage de l’Epitome Aegidii,123 un résumé du

118 Mordek, Bibliotheca, p. 1089. 119 Capitulare Aquisgranense : Karolus a serenissimus imperator augustus, a Deo coronatus, magnus et pacificus, cum episcopis, abbatibus, comitibus, ducibus omnibusque fidelibus christianae ecclesiae cum consensu consilioque constituit ex lege Salica, Romana atque Gombata capitula ista in palatio Aquis, ut unusquisque fidelis iustitias ita faceret : qui et ipse manu propria firmavit capitula ista, ut omnes fideles manu roborare studuissent (MGH Capit. 1, n° 77, p. 170). 120 Mordek, Bibliotheca, p. 14. 121 Patzold, Benedictus Levita. 122 Mordek, Bibliotheca, p. 709. Le manuscrit Vatican, BAV, Pal. lat. 582 est consultable en couleurs (urn:nbn:de:bsz:16-diglit-140572). 123 Epitome Aegidii, Cod. Theod. V, 10. 

84

Magali Coumert 

Bréviaire d’Alaric124 que Boretius a édité sous le titre Capitula de praescriptione temporis (MGH Capit. 1, n° 195).125 On peut donc proposer de voir dans la présentation officielle non pas l’introduction du capitulaire 77, mais la conclusion du capitulaire 195, qui n’est présenté intégralement que dans ces deux manuscrits. L’hypothèse de S. Patzold repose sur l’idée qu’il existait un modèle commun, à Reims, à l’ensemble de la tradition manuscrite, où se trouvait la collection d’Ansegise et ses compléments de Worms, et où étaient présentés d’affilée le De praescriptione temporis et le Capitulare Aquisgranense. La partition entre les deux aurait été faite de façon erronée. Sur le plan de la tradition manuscrite, c’est fragile : même si Hubert Mordek a pu montrer les liens entre tous ces manuscrits, nous n’avons pas le modèle de départ. Mais sur le plan du contenu du texte, cela rendrait enfin compréhensible le passage précédant le Capitulare Aquigranense, comme reconnaissance officielle de la reprise de chapitres de la loi romaine et de la loi burgonde sur la prescription trentenaire, cités in extenso dans un capitulaire de Charlemagne, un élément particulièrement débattu en 829.126 Si l’on suit cette hypothèse, nous aurions donc ici de nouveau l’ambition d’une citation textuelle précise, pour des ajouts aux lois, qui se heurteraient à l’anarchie de la conservation et de la copie des capitulaires originaux. Les textes furent conservés, mais sans l’indication de leur provenance et de leur proclamation. Nous avons donc ici de nouveau des traces du travail de certains rédacteurs de capitulaires, qui cherchaient à établir des citations textuelles précises, à travers des chapitres conçus comme la reprise, ou le complément précis de lois antérieures. Néanmoins, la tradition manuscrite a très vite rendu leurs renvois inutilisables et flous. Les attitudes n’étaient cependant pas univoques, comme le montrent les différents capitulaires rédigés lors du règne impérial de Charlemagne.

5. Une nouvelle préoccupation des capitulaires : le copiste D’un côté apparait une préoccupation nouvelle de la tradition manuscrite des capitulaires. Vers 806, des fidèles en Italie auraient déclaré ne pas être liés aux chapitres ajoutés à la loi salique par Charlemagne en 803: Nous avons aussi appris, à propos des chapitres dont nous avons ordonné qu’ils soient écrits dans la loi, que certains parmi les nôtres et les vôtres, en divers lieux, ont dit que nous ne leur avions jamais fait connaitre en personne cette décision, et donc refusent de s’y soumettre, d’y consentir ou de la tenir pour loi. Tu sais com124 Sur ce texte, voir Coma Fort, Codex, p. 305–323. 125 Capitula de praescriptione temporis, n° 195, Alfred Boretius / Victor Krause (éd.), Capitularia regum Francorum, MGH Capit. 2, Hannover 1897, p. 25. 126 Patzold, Benedictus Levita.

Écrire des ajouts aux lois  

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ment et de quelle manière nous avons discuté avec toi de ces chapitres et donc nous demandons à ton aimable affection que tu les fasses connaitre dans l’ensemble du royaume que Dieu t’a confié et que tu ordonnes qu’on y obéisse et qu’on s’y soumette, à propos des meurtres d’évêques et de prêtres, ainsi que nous l’avons décidé, de même que pour les autres affaires.127

Charlemagne ne contredit pas cette argumentation et donne ordre à son fils Pépin roi d’Italie de faire connaitre et appliquer ces ajouts. Apparait ici pour la première fois le souci de la diffusion des capitulaires, qui s’accompagne d’une allusion précise au début du capitulaire 39, dont le premier chapitre concerne de homicidiis clericorum. Mais la référence au capitulaire précédent reste une allusion, sans citation textuelle précise. L’imprécision recouvre toujours la désignation de la loi écrite. Il y a équivalence entre capitula que in lege Salica mittenda sunt,128 iussit eas ponere inter alias leges129 et ici in lege scribi iussimus. L’échange entre les deux rois montre donc toujours une fidélité à l’esprit des ajouts aux lois, plutôt qu’à la lettre. La complémentarité entre l’écrit et l’oral apparait bien ici dans l’évocation, écrite, de la discussion entre Charlemagne et son fils, comme dans la demande de faire connaître en personne des décisions écrites. La question précise des copies manuscrites, et de leur conservation, est soulevée par le capitulaire de 808, qui prévoit qu’il y aura quatre copies du capitulaire : Nous voulons que quatre exemplaires de ce capitulaire soient copiés : que nos missi aient l’un d’entre eux, que les comtes dans les circonscriptions desquels ces choses doivent être faites, en aient un autre, pour que ni missus ni comte n’agisse autrement que suivant ce qui a été ordonné par nous, que les missi qui ont été institués à la tête de notre armée aient le troisième et que notre chancelier ait le quatrième.130

Pour autant cette préoccupation apparait de façon occasionnelle, sans que nous sachions si elle fut appliquée à d’autres capitulaires. En 813, lorsqu’il revient sur 127 Lettre de Charlemagne à son fils Pépin : Audivimus etiam, quod quedam capitula quae in lege scribi iussimus per aliqua loca aliqui ex nostris ac vestris dicunt, quod nos nequaquam illis hanc causam ad notitiam per nosmetipsos condictam habeamus, et ideo nolunt ea oboedire nec consentire neque pro lege tenere. Tu autem nosti, quomodo vel qualiter tecum locuti fuimus de ipsis capitulis, et ideo monemus tuam amabilem dilectionem, ut per universum regnum tibi a Deo commissum ea nota facias et oboedire atque inplere praecipias, de episcopis et sacerdotibus occisis, sicut statutum habuimus, et de reliquis quibuslibet causis (MGH Capit. 1, n° 103, p. 212). 128 Capitulare legibus additum, p. 112, l. 21 (MGH Capit. 1, n° 39). 129 Ibid., p. 113, l. 2–3. 130 Capitula missorum de exercitu promovendo, 808, c. 8: Istius capitularii exemplaria quatuor volumus ut scribantur : et unum habeant missi nostri, alterum comes in cuius ministeriis haec facienda sunt, ut aliter non faciant neque missus noster neque comes nisi sicut a nobis capitulis ordinatum est, tertium habeant missi nostri qui super exercitum nostrum constituendi sunt, quartum habeat cancellarius noster (MGH Capit. 1, n° 50, p. 138).

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l’ensemble des capitulaires publiés durant son règne, ce qui intéresse l’empereur est de connaitre leur application,131 non leur diffusion ou leur conservation : Nous ordonnons cela aux hommes qui ont voulu garder la fidélité qu’ils nous ont promise : que chacun qui a voulu recevoir notre grâce observe toujours ces chapitres et les choses similaires. Or, à propos de ces capitulaires et des autres choses que nous avons envoyés pendant de nombreuses années dans notre royaume, nous voulons à présent savoir pleinement par nos envoyés ce qui en a été fait, ou qui s’y soumet, lesquels furent ici prescrits, qui les réprouve et les néglige, afin de savoir ce que nous devons faire de ceux qui pendant de nombreuses années ont négligé les préceptes de Dieu et notre décision.132

L’empereur montre aussi le flou qui règne toujours quant à la désignation de sa législation, désignée comme : ista capitula et his similia. L’imprécision des références aux textes législatifs précédents peut avoir plusieurs origines. L’une des explications avancées réside dans le rapport entre l’écrit et l’oral qu’illustre la lettre de Charlemagne à son fils. Comme l’a fait remarquer Janet Nelson : « les choses écrites manquaient souvent de précision formelle ou restaient incomplètes, justement parce que l’on supposait un complément par les choses dites dont on se rappelait ».133 Le capitulaire, accompagnant une présentation par le missus, comme Etienne, et une cérémonie où chacun s’engageait à l’appliquer, n’aurait joué un rôle que lors de sa diffusion et sa réception, son application dépendant ensuite de la mémoire de chacun. Même pour compléter des lois antérieures, ce monde de fonctionnement continuait à être présent sous le règne de Louis le Pieux, comme le montre un capitulaire de 816. Un chapitre y rappelle la loi salique pour son système monétaire et ses amendes de compensation modifiés par Charlemagne,134 un autre évoque son premier article, De

131 Patzold, Normen, p. 347. 132 Caroli magni capitulare generale (a. 813?), édition Mordek, Bibliotheca, n° 13, p. 994, ch. 40: Illud autem hominibus pręcipimus, qui fidelitatem nobis promissam custodire voluerint, ista capitula et his similia omnimodis observare, quisquis gratiam nostram habere voluerit; de istis autem capitulariis atque de aliis omnibus, quę a multis annis misimus per regnum nostrum, volumus nunc pleniter per missos nostros scire, quid ex his omnibus factum sit vel quis hęc observet, quę ibi pręcepta sunt, vel quis illa condempnat et neglegat, ut sciamus, quid de his agere debeant, qui tam multis annis dei pręcepta et decretum nostrum contempserunt. 133 Janet Nelson, « things written often lacked formal precision or completeness precisely because they assumed the complement of things spoken und remembered », dans Ead., Literacy, p. 10. 134 Item capitula legi addita, 816, c. 2 (MGH Capit. 1, n° 135, p. 269–270) qui correspond au Capitulare legibus additum (803), c. 9 (MGH Capit. 1, n° 39, p. 114). Aucun des 5 manu­ scrits qui rapportent ce texte ne comporte le titre donné par Boretius, et l’ensemble est seulement introduit comme des chapitres à ajouter.

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manire,135 mais le premier introduit une ordalie de la Croix qui en est totalement absente.136 De même, le capitulaire d’ajouts à la Lex Ribuaria, découvert par Hubert Mordek137 n’entretient pas de rapport formel avec cette loi. Le chapitre concerne les condamnés à la pendaison, ce qui permet de reconnaitre un complément au chapitre 82 de la Lex Ribuaria,138 mais sur le plan du vocabulaire et des tournures, il n’y a aucune correspondance entre les deux textes.139 Dans le cas des ajouts aux lois, une allusion aux textes juridiques antérieurs demandait néanmoins une plus grande précision formelle, comme l’a montré la tentative de donner des références précises au texte de la Lex Ribuaria. Le flou, dans ce cas, semble refléter un échec face au défi technique que représentent les vérifications nécessaires, à chaque étape, pour conserver un système de numération des chapitres cohérents. Dans ce cas, la remarque de S. Patzold me semble tout à fait justifiée suivant laquelle : Les hommes qui ont fabriqué, copié et diffusé les listes des chapitres n’étaient pas encore en mesure de mettre en œuvre de façon parfaitement efficace la technique de l’écrit.140

Néanmoins, à côté des échecs que semblent représenter les ajouts à la Lex Ribuaria, ou le devenir des allusions aux lois romaines et burgondes, nous avons à travers la Lex Salica Karolina de 803 la démonstration qu’il était désormais possible, à l’échelle de l’empire, de diffuser un texte sur 70 chapitres, dont la liste et la numération furent diffusés en ne connaissant que des variations mineures.141 Ce succès rapide, dans la transmission contrôlée d’un texte long et complexe, suppose un savoir-faire dont nous avons aussi une démonstration à travers le supposé capitulaire de 819 qui propose des ajouts à cette Lex Salica figée. En effet, dans le texte édité par A. Boretius comme capitulaire 142, Capitula legi salicae 135 Item capitula legi addita, 816, c. 3, qui reprend les éléments du chapitre 1 De manire qui est commun à toutes les versions de la loi salique. 136 Ibid., c. 1. Voir Robert Jacob, La grâce des juges. L’institution judiciaire et le sacré en Occident, Paris 2014. 137 Mordek, Bibliotheca, p. 1009. Hubert Mordek, Unbekannte Texte zur karolingischen Gesetzgebung. Ludwig der Fromme, Einhard und die Capitula adhuc conferenda, in : Deutsches Archiv 42 (1986), p. 446–470. 138 Capitulare legibus seu legi Ribuariae addendum ?, Mordek éd. 18, Bibliotheca, p. 1009: hominis suspendio mortui. Lex Ribuaria 82: Si quis … pendutus fuerit vel in quacumque libet patibulum vitam finierit. 139 En conséquence, il me semble qu’il faut plus les considérer comme des ajouts à la Loi Ripuaire que comme un commentaire de celle-ci. Contra : Mordek, Unbekannte Texte, p. 457. 140 Patzold, Normen, p. 348: « Diejenigen Menschen, welche die Listen von Kapiteln schufen, kopierten und verbreiteten, waren noch nicht in der Lage, die Technik des Schreibens ganz und gar zielführend einzusetzen ». 141 Ubl, Sinnstiftungen, p. 165–180.

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addita, on trouve un système de citation élaboré de la loi salique, qui comprend à la fois des citations précises des passages concernés et un système de renvois aux numéros des chapitres.142 Comme le montre le tableau 4, la version Karolina de la loi salique est figée. Les numéros et l’ordre des chapitres ne changent pas. Le capitulaire parait plus fluctuant, dans ses 4 manuscrits carolingiens,143 mais le système de renvoi numérique fonctionne plus de la moitié des fois et les citations précises permettaient d’y suppléer. L’usage d’un titre précis et rare, de afatomie,144 pouvait aussi remplacer le chiffre du chapitre. ms 1: Paris, BNF, latin 10758, p. 85–136 et 275–277.145 ms 2: Paris, BNF latin 4628A, f. 9va–30ra et 155rb–156vb.146 ms 3: Paris, BNF, latin 4632, f. 7r–29v et 37r–38v.147 ms 4: Sélestat, Bibliothèque humaniste 14, f. 94v–96v.148

Cette indéniable réussite technique dans l’élaboration de citations du texte législatif antérieur doit pour autant être relativisée au vu de la portée très réduite du texte. Le groupe de manuscrits de Reims parait ici porteur d’erreurs, mais reflète une même branche de la tradition manuscrite, tandis que la remarque surprenante, à la fin du chapitre 7 ad interrogationem domni imperatoris reservare voluerunt n’apparait que dans le manuscrit 3, unique représentant d’une autre transmission.149 Il parait possible d’y lire la rédaction initiale de ce texte, d’un format moins officiel que la tradition du groupe de Reims, où ce capitulaire com-

142 MGH Capit. 1, n° 135, p. 292–3. 143 Le 5e manuscrit, Paris, BNF latin 4631, f. 4va–22rb et 22rb–25va a été copié au XVe siècle à partir du manuscrit 2. Il reproduit la même liste de chapitres, puis ne comporte plus de numérotation. Il est consultable en couleurs (ark:/12148/btv1b52507612b). Mordek, Bibliotheca, p. 507–516. 144 De Sousa Costa, Studien, p. 162–164. 145 Manuscrit copié à Reims, dans le 3e quart du IXe siècle. Mordek, Bibliotheca, p. 587–604. Le manuscrit est consultable en couleurs (ark:/12148/btv1b8423828c). 146 Manuscrit copié aux Xe–XIe siècles. Ibid., p. 488–500. Le manuscrit est consultable en couleurs (ark:/12148/btv1b52507646c). 147 Manuscrit copié dans la deuxième moitié du IXe siècle. Ibid., p. 516–518. Le manuscrit est consultable en noir et blanc (ark:/12148/btv1b90668952). 148 Manuscrit copié dans les deuxième et dernier tiers du IXe siècle. Mordek, Bibliotheca, p. 708–713 et Id., Weltliches Recht im Kloster Weißenburg / Elsaß. Hinkmar von Reims und die Kapitulariensammlung des Cod. Sélestat, Bibliothèque Humaniste, 14 (104), in : Michael Borgolte / Herrad Spilling (éd.), In Litterae Medii Aevi. Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburstag, Sigmaringen 1988, p. 69–85. Le manuscrit peut être consulté en couleurs : http://bhnumerique.ville-selestat.fr/client/fr_FR /search/ asset/4890 (consulté le 21.03.2018). Voir la description et les transcriptions du manuscrit sur http://capitularia.uni-koeln.de/mss/selestat-bh-14/ (consulté le 20.03.2018). 149 Mordek, Bibliotheca, p. 709 et Patzold, Benedictus Levita. Faulkner, Law, p. 127–133.

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Tableau 4: Les renvois dans les Capitula legis salicae addita Capitulaire 142 dans le ms 4

Paragraphes de l’édition de Boretius

Edition de la Lex salica Karolina par Eckhardt

Liste des titres de la Lex Salica des mss 1, 2, 3

Lex Salica des mss 1, 2, 3

Capitulaire 142 dans les mss 1 et 2

Capitulaire 142 dans le ms 3

1

1

I

I

I

I

2

11,3

XI

XI

XII

XI

XII

3

14,11

XIIII

XIIII

XIIII

XIIII

XIIII

4

14,12

XIIII

XIIII

Item de eodem capitulo (ms. 2: III de eodem capitula)

Item de eodem capitulo

De eodem capitulo

5

26,9

XXVI

XXVI

XXXVI

XXVI

XXXVI

7

37,8

XXXVII

XXXVII

XXXVI

XXXVII

XXXVI

8

46

XLVI

XLVI

XLVI

XLVI

XLVI

9

47

XLVII

XLVII

XLVII

XLVII

XLVII

10

48

XLVIII De affatomie

XLVIII de affatomiae

De affatomie

XLVIII De afatomie

De afatomie

Les chiffres en caractères gras soulignent les concordances.

porte un titre et une invocation, contrairement au manuscrit 3.150 Or K. Ubl a souligné l’importance du témoignage du manuscrit 3 (K 39), indépendant des travaux d’Hincmar de Reims, qui indique que ce document  a été produit en absence d’un représentant de l’autorité impériale.151 Il n’avait peut-être pas vocation à une promulgation, et c’est Hincmar qui l’aurait transformé en ce sens. Son argumentation incite à renoncer à voir dans cette liste d’ajouts à la loi salique celui désigné par ce capitulaire de 820:

150 Dans le même sens, Karl Ubl, Intentionen der Gesetzgebung : Überlegungen zu den Capitula legi Salicae addita Kaiser Ludwigs des Frommen, in J.-H. de Boer et M. Bubert dir., Absichten, Pläne, Strategien. Erkundungen einer historischen Intentionalitätsforschung, Frankfurt am Main, 2018, p. 95–109. 151 Ubl, Intentionen, p. 103–5.

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De façon générale, nous rappelons à tous que les chapitres que nous avons conseillés, l’année dernière, d’ajouter à la loi salique, ne doivent plus désormais être désignés comme des chapitres, mais comme la loi, et qu’ils doivent même être retenus à la place de la loi.152

Ici seraient plutôt désignés les Capitula legibus addenda de 818/819, dont la tradition manuscrite comprend 33 manuscrits, ainsi que la collection d’Anségise.153 La démonstration de K. Ubl peut s’appuyer sur le manuscrit K 27, Paris, BNF, NAL 204, probablement copié dans le deuxième du IXe siècle, à Tours154, où en complément direct de la loi salique dans sa version caroline, l’introduction semble reprendre une partie du capitulaire précédent : Ici commencent les chapitres que notre seigneur l’empereur sérénissime Louis, la cinquième année de son empire, a promulgué dans le palais d’Aix, avec l’assemblée de tout le peuple que Dieu lui a confié, à savoir avec les vénérables évêques, les abbés, les comtes et le reste du peuple, et qu’il a ordonné d’ajouter à ceux de la loi salique et de retenir fermement à tous les ordres supérieurs comme aux rangs inférieurs du peuple de son empire. Alors qu’il avait ensuite un plaid général dans la villa de Thionville, il interdit de les appeler désormais chapitres, mais bien loi, et ordonna avec l’ensemble du conseil des grands qu’ils soient retenus par tous de la manière la plus ferme à la place de la loi.155

Mais cette fois, il s’agit d’introduire le capitulaire 139, Capitula legibus addenda, un capitulaire d’ajouts généraux aux lois. De même, le titre associé au capitulaire 142, Capitula legis salicae addenda,156 sert dans ce manuscrit à introduire des extraits d’un autre capitulaire, Capitula de iustitiis faciendis.157 En outre, dans le 152 Capitula de functionibus publicis 5: Generaliter omnes admonemus, ut capitula que praeterito anno legis Salicae per omnium consensum addenda esse censuimus iam non ulterius capitula sed tantum lex dicantur, immo pro lege teneantur (MGH Capit. 1, n° 143, p. 294–5). 153 Mordek, Bibliotheca, p. 1094–5. 154 Si l’on suit la datation proposée par Mordek, Bibliotheca, p. 621–624. Cette estimation repose sur la proximité avec le manuscrit Paris, BnF, latin 2718, voir Karl Ubl, Gab es das Leges-Skriptorium Ludwigs des Frommen? in : DA 70, 2014, p. 43–6, ici p. 47 et p. 62–63. 155 K 27, Paris, BnF, NAL 204, f. 20v : Incipiunt capitula quae domnus hludowicus serenissimus imperator imperii sui V.to cum universo coetu populi a Deo sibi commissi, id est cum venerabilibus episcopis et abbatibus atque comitibus vel cum reliquo populo in Aquisgrani palatio promulgavit atque legis Salicae addere et universis ordinibus superioris videlicet inferiorisque gradus populi imperii sui firmiter tenere praecepit ipsaque postea, cum in Theodone villa generale conventum habuisset, ulterius capitula appellanda esse prohibuit, sed tamatum lex, dicenda immoque ea firmissime ab omnibus pro lege tenenda cum totius optimatum suorum consilio precepit ((MGH Capit. 1, n°139, p. 280). 156 Capitula de iustitiis faciendis (MGH Capit. 1, n°144, p. 295). 157 K 27, Paris, BnF, NAL 204, f. 24r.

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manuscrit K 39, Paris, BnF, latin 4632, ce même capitulaire 139 est introduit par le titre Hoc est lex salica que legibus addenda sunt158. Ce capitulaire142, appelé Capitula legi salicae addita dans trois manuscrits, ne fut copié que dans quatre manuscrits d’époque carolingienne159 et ne fut pas repris dans la collection d’Anségise. K.  Ubl considère qu’il n’existe que deux voies de transmission, à Reims et aux environs de l’abbaye de Marchiennes pour K 39, et que le texte ne reflétait pas une promulgation officielle, mais qu’il s’agissait d’« un simple document de travail interne d’un expert en droit. »160 L’appellation comme capitulaire ne serait donc pas adaptée, pour un document produit en dehors de l’autorité du souverain.161 Sa faible diffusion montre un manque d’intérêt qui pouvait provenir du caractère inachevé du contenu, puisque l’une des questions posées dans le capitulaire, renvoyée au jugement de l’empereur, ne comporte pas de réponse.162 La capacité de remplacer de façon précise le texte de la loi salique version K s’est perdue dans la tradition manuscrite des différents capitulaires, qui associent ce texte aux ajouts généraux à une « loi salique » qui désignerait encore de façon floue tous les textes juridiques du monde franc. À travers les Capitula legi salicae addita de 819, nous avons pu voir un projet cohérent sur le plan technique, d’ajouts précis au texte législatif antérieur, désormais verrouillé sur le plan de la tradition manuscrite, depuis Charlemagne. Mais cette ambition anonyme de 819 se heurta aux confusions toujours entrainées par le double sens de Lex salica, conçue comme l’ensemble de la tradition juridique franque et comme un texte précis, établi sous le règne de Charlemagne. Une telle ambition de corrections écrites de la loi salique écrite n’est pas totalement isolée, comme le montre la rédaction de la Lex Salica Karolina à partir des versions A, C et E antérieures. Il me semble donc que s’il n’y eut pas de loi salique révisée par Louis le Pieux, la raison principale ne fut pas technique, mais idéologique. L’aspect abouti de la tentative de révision textuelle précise de la loi de 819, appuyée sur des renvois au nombre des chapitres et à leur texte précis, nous montre l’importance croissante que prenait la version écrite de la loi. Je rejoins ici l’interprétation de Janet Nelson pour laquelle « le modèle de la législation était de plus en plus souvent celui de la loi romaine écrite ».163 Cette évolution peut 158 Mordek, Bibliotheca, p. 516–518. 159 Mordek, Bibliotheca, p. 1095. 160 Ubl, Intentionen, 2018, p. 101: « ein rein internes Beratungsdokument fränkischer Rechtskundiger ». 161 Si on reprend la définition proposée par exemple par François Bougard, La justice dans le royaume d’Italie de la fin du VIIIe siècle au début du XIe siècle, Roma, 1995, p. 20. 162 Ubl, Intentionen, 2018. 163 Nelson, Literacy, p. 13: « the model of legislation was increasingly that of written Roman law ».

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être mise en rapport avec de nouvelles pratiques de gouvernement, comme la rétraction de l’espace parcouru par Charlemagne et Louis le Pieux entre 800 et 825,164 qui entrainait l’amoindrissement de la complémentarité des instructions orales et écrites. Cette tentative de fixation du texte de référence de la loi salique et de ses révisions peut être placée dans le contexte plus général d’une réflexion sur les pratiques judiciaires et leurs fondements écrits. La modification écrite de la loi, à travers ses citations textuelles précises, aurait pu permettre d’appliquer le principe de non-contradiction dans une loi écrite révisée au fur et à mesure. Le mémorandum de 819 montre que sous Louis le Pieux aurait pu expérimenter un tel contrôle sur un texte de référence de la loi salique établi sous son père. L’échec d’une telle proposition, perceptible dès les copies manuscrites de la première moitié du IXe siècle, peut être mis sur le compte des troubles politiques qui se déclenchèrent moins de quinze ans après le couronnement impérial. Mais il me semble surtout que l’intérêt d’une telle réussite ait alors paru très limité. Avoir figé un texte de la Lex Salica aurait pu représenter un moyen de contrôler l’aristocratie dans son exercice de la justice. Mais sous Charlemagne, le recours à des scabini et non plus des rachimbourgs, ne signifia pas un changement de personnel, ni de pratique judiciaires.165 C’est au cours du IXe siècle seulement que les experts en droit prirent une place plus importante, sans jamais supprimer la possibilité de négociations.166 Contrairement aux versions antérieures, le texte de la Lex Salica Karolina était clair, moins archaïque, et donc moins sujet à des interprétations divergentes. Néanmoins, la Lex salica ne concernait que certains points précis; d’autres lois, dont la loi romaine, et les capitulaires étaient aussi considérés comme valides. Cette multiplicité des lois, alliée à leurs variations selon les manuscrits, réduites pour la Lex salica, mais toujours présentes comme le montre le manuscrit K 39167, laissait au juge, bien qu’il soit sommé de juger d’après les lois écrites, une très grande marge de manœuvre. Ainsi, l’injonction du capitulaire de 802: « Que les juges jugent avec justice en suivant la loi écrite, et non suivant leur propre opinion »168 présentait un changement idéologique notable, en présentant les juges comme appliquant une norme écrite, définie par l’autorité royale. Pour autant, elle ne précisait pas, de façon pratique, le choix

164 Martin Gravel, Distances, rencontres, communications. Réaliser L’empire sous Charlemagne et Louis Le Pieux, Turnhout 2010, p. 51–71. 165 Bougard, La justice, p. 140–158. 166 Matthew Innes, Charlemagne’s government, in : Joanna Story dir., Charlemagne. Empire and Society, 2005, p. 71–89, ici p. 82. 167 On y trouve des passages empruntés à la version C de la loi salique. 168 Capitulare missorum generale, § 26: Ut iudices secundum scriptam legem iuste iudicent, non secundum arbitrium suum, (MGH Capit. 1, n°33, p. 96°.

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du texte de référence comme de son interprétation, très ouverte pour certains passages des lois. Dans le cas du mémorandum de 819, le rédacteur a relevé la contradiction entre la loi salique et la pratique commune sur deux points : le remariage des veuves (c. 8) et le rituel d’adoption (c. 10). Dans ces deux cas, la divergence est réglée en retenant la pratique contre la loi écrite.169 Le désir de mise en cohérence ne correspondait donc pas à une conceptualisation accrue du droit. La variété des textes législatifs, différents dans chaque recueil juridique, venait renforcer l’indépendance de chaque juge. Jennifer Davis voit justement dans la superposition des responsabilités et des délégations judiciaires une voie de flexibilité et d’application pragmatique de la justice.170 Le respect de la lettre et non plus seulement de l’esprit de la loi aurait été un frein, voire un obstacle à cette adaptation du pouvoir aux réalités locales. Par ailleurs, l’interrogation contenue dans le paragraphe 7 du capitulaire de 819, proposant un recours direct à l’empereur pour trancher un point litigieux, fait écho aux réponses apportées à Charlemagne à un missus après son couronnement impérial.171 L’imprécision des textes y devient aussi la base d’une adresse directe à l’empereur, source supérieure de la justice : Sur le second point sur lequel tu m’as interrogé, à savoir si un comte, les échevins ou le chancelier, devait accepter un sou pour une notice. Lis la loi romaine, et fais ce que tu y auras trouvé; mais si cela concerne la loi salique, et que tu n’y as pas du tout trouvé ce que tu devrais faire, fais poser la question à notre plaid général.172

L’imprécision des textes de référence pouvait ainsi renforcer la diffusion hiérarchique des normes à appliquer, en poussant les responsables locaux à la consultation directe du souverain, ou indirecte par l’intermédiaire de son missus. L’interface nécessaire entre la cour et les pouvoirs locaux173 pouvait donc être renforcée par l’appui sur des lois écrites flottantes ou peu explicites.

169 Patzold, Veränderung, p. 77–78. 170 Jennifer R. Davis, A Pattern for Power : Charlemagne’s Delegation of Judicial Responsabilities, Jennifer R. Davis / Michael McCormick dir., The Long Morning of Medieval Europe. New Directions in Early Medieval Studies, Aldershot, 2008, p. 235–246 et Ead., Charlemagne’s, 2015, p. 47–89. 171 Responsa misso cuidam data (MGH Capit. 1, n°58, p. 145–6). 172 Ibid., § 2, p. 145: De secundo unde me interrogasti si comes de notitia solidum unum accipere deberet et scabinii siue cancellarius. Lege Romanam legem, et sicut ibi inueneris exinde facias; si autem ad Salicam pertinet legem et ibi minime repereris quid exinde facere debeas, ad placitum nostrum generale exinde interrogare facias. Sur la rémunération du personnel judiciaire, voir Bougard, La justice, p. 154–5 et Bruno Dumézil, Servir l’État barbare dans la Gaule franque. Du fonctionnariat antique à la noblesse médiévale IVeIXe siècle, Paris, 2013, p. 299–301. 173 Innes, Charlemagne’s government, 2005, p. 76–83.

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L’étude des références aux lois précédentes nous a permis de cerner différents modèles dans la rédaction des capitulaires d’ajouts aux lois. Dans un premier temps, promulguer ces ajouts était pour les Pippinides une démonstration de leur autorité royale, initialement appuyée sur le consensus des grands. Dans cette perspective, la reprise de tournures juridiques générales suffisait à s’inscrire dans la tradition juridique franque; il ne pouvait y avoir de contrôle royal sur une diffusion de normes qui liait symboliquement le prince et ses fidèles, à l’oral et à l’écrit. La parodie de la loi salique nous montre a contrario que certains pouvaient contester l’émission même de capitulaires sans les Mérovingiens. Après les succès obtenus par les armées de Charlemagne, l’établissement et la diffusion des capitulaires participaient à l’intégration des nouvelles élites. La chancellerie royale aurait pu surveiller la production et la copie des capitulaires, mais l’aspect flottant des corpus de référence vouait à l’échec toute tentative de renvois textuels précis. Un texte conservé dans seulement quatre manuscrits nous prouve que sous Louis le Pieux, il devint techniquement possible de modifier au fur et à mesure la Lex Salica, définie plus précisément sous Charlemagne. Le blocage n’était plus technique, mais politique, car résoudre les contradictions des corpus juridiques écrits serait revenu à restreindre l’indépendance des juges. Du point de vue des techniques de l’écrit, l’apport du règne de Charlemagne était restreint à la diffusion d’un texte clarifié et assez stable de la loi salique. La tentative de réformer ou amender la Lex Ribuaria fut un échec. Seuls les érudits au service de son fils avaient les compétences permettant de faire évoluer le droit écrit en supprimant les contradictions, à travers des ajouts textuels précis à la loi salique, tels qu’ils furent énoncés en 819. Louis le Pieux, contrairement à son père, aurait donc possédé les outils conceptuels et techniques pour établir une version écrite contrôlée de la loi, mise à jour lors de différentes révisions, mais n’aurait jamais essayé de l’imposer, avant même la tourmente des guerres civiles.

Steffen Patzold

Die sogenannten Capitularia monastica Ludwigs des Frommen

In der neuen MGH-Edition der Kapitularien Ludwigs des Frommen, die zur Zeit in Berlin, Köln und Tübingen erarbeitet wird, werden einige Texte nicht berücksichtigt, die sich in der alten Ausgabe von Alfred Boretius und Victor Krause finden. Dazu gehört insbesondere eine Gruppe von eng miteinander verwandten Texten, die in der Forschung als »die monastische Gesetzgebung« Ludwigs des Frommen oder auch  – mit einem lateinischen Kunsttitel  – als Ludwigs »Capitularia monastica« bezeichnet werden. Josef Semmler hat die drei Stücke im »Corpus consuetudinum monasticarum« bereits 1963 unter dem Titel »Synodi primae (bzw. secundae) Aquisgranensis decreta authentica« sowie als »Regula sancti Benedicti abbatis Anianensis sive Collectio capitularis« neu ediert.1 Im Zuge dessen hat er zwei Vorstufen identifiziert, die er »Synodi primae Aquis­granensis acta praeliminaria« und »Actuum praeliminarium Synodi primae Aquisgranensis commentationes siue Statuta Murbacensia« überschrieb.2 Hubert Mordek hat die drei Hauptstücke dann wieder prägnanter als »Capitulare monasticum I / II / III« tituliert.3 In der Semmlerschen Rekonstruktion stammt das erste dieser »Capitularia monastica« (mit 36 Kapiteln) von August 816, das zweite (mit 43 Kapiteln) von Juli 817, das dritte, umfangreichste Stück wahrscheinlich von 818/19. Dieses dritte Kapitular ist nach Semmler zwar im Wesentlichen aus den beiden älteren Texten kompiliert worden; dabei habe man aber gezielt inhaltliche Doppelungen vermieden und auch manches Kapitel im

* Ich danke Johanna Jebe für Diskussion, Hilfe und Rat zu Fragen der »Aachener Reformen« und besonders zur St. Galler Überlieferung, Karl Ubl für den Hinweis auf zwei wichtige Quellenpassagen. 1 Die Edition steht unter dem bezeichnenden Sammeltitel: Legislatio Aquisgranensis, hg. von Josef Semmler, CCM 1, Siegburg 1963, Nr. 20–21 und Nr. 23, S. 453–481 und S. 503–536. 2 Hg. von Josef Semmler, CCM 1, Nr. 18–19, S. 423–450. 3 Vgl. Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, München 1995, Nr. 16–17, S. 999–1008 (mit neuer Edition der ersten beiden Texte, allerdings ohne Sachkommentar).

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Detail neu gefasst. Während die älteren beiden Stücke in der Überlieferung recht schwach bezeugt sind, ist das jüngste sehr häufig überliefert.4 Es steht nun außer Frage, dass diese Texte historisch von hoher Bedeutung sind. Sie bilden wichtige Quellen für die Zeit Ludwigs des Frommen und die monastischen Reformen der Jahre 816/17.5 Zu diskutieren ist jedoch, ob die Stücke auch Kapitularien waren, wie es die bisherige Forschung voraussetzt. Josef Semmler hat in einem grundlegenden Aufsatz im »Deutschen Archiv« von 1960 ausdrücklich Wert darauf gelegt, dass die fraglichen Texte »Reichsgesetze« waren.6 Diese quellenkundliche Einordnung war für Semmlers Bild der sogenannten »anianischen Reformen« durchaus von Bedeutung: Sie stützte wesentlich seine Idee, dass Ludwig der Fromme in den Jahren 816/17 eine reichsweite monastische Reform zentral gesteuert und letztlich durch ein kaiserliches Gesetz im ganzen Reich durchgesetzt habe.7 Ja, mehr noch: Semmler meinte sogar, man könne sich anhand der breiten Überlieferung gerade dieser monastischen Kapitularien »ein Urteil darüber erlauben, wie weit sich der Geltungsbereich eines von einem karolingischen Herrscher erlassenen Gesetzes erstreckte. Zum ersten 4 Für die Textstufen und ihre Datierung bleibt grundlegend: Josef Semmler, Zur Überlieferung der monastischen Gesetzgebung Ludwigs des Frommen, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 16 (1960), S. 309–388; vgl. außerdem ders., Zur handschriftlichen Überlieferung und Verfasserschaft der »Statuta Murbacensia«, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz 8 (1958), S. 273–283. 5 Vgl. dazu Josef Semmler, Benedictus II: una regula – una consuetudo, in: Willem Lourdaux (Hg.), Benedictine culture 750–1050, Louvain 1983, S. 1–49; Egon Boshof, Ludwig der Fromme, Darmstadt 1996, S. 120–126; skeptisch gegenüber einer Überbetonung des Anteils Benedikts von Aniane am Reformwerk sind z. B.: Otto Gerhard Oexle, Forschungen zu monastischen und geistlichen Gemeinschaften im westfränkischen Bereich, München 1978; ders., Les moines d’occident et la vie politique et sociale dans le Haut Moyen Âge, in: Revue bénédictine 103 (1993), S. 255–272; Dieter Geuenich, Kritische Anmerkungen zur sogenannten »anianischen Reform«, in: Dieter R. Bauer u. a. (Hg.), Mönchtum – Kirche – Herrschaft 750–1000. Josef Semmler zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1998, S. 99–112; Walter Kettemann, Subsidia Anianensia. Überlieferungs- und textgeschichtliche Untersuchungen zur Geschichte Witiza-Benedikts, seines Klosters Aniane und zur sogenannten »anianischen Reform«, Diss. phil. Duisburg / Essen 2000 (URN: nbn:​ de:hbz:464–20080509–172902–8), besonders S. 9–32 und S. 41–51.  – Aus der jüngeren Literatur vgl. Michèle Gaillard, D’une réforme à l’autre (816–934). Les communautés religieuses en Lorraine à l’époque carolingienne, Paris 2006, S. 11–13, S. 19–29, S. 123–126, sowie besonders S. 133–147 (zu den Capitularia monastica); Martin A. Claussen, Reims, Bibliothèque Carnegie, 806: A Little-known Manuscript of Benedict of Aniane’s Concordia Regularum, in: Early Medieval Europe 23 (2015), S. 1–42, hier besonders S. 16 f. und S. 26 f.; ausführlich zu den Reformen in den ersten Jahren Ludwigs des Frommen insgesamt jetzt: Rutger Daniël Kramer, Rethinking Authority in the Carolingian Empire: Ideals and Expectations during the Reign of Louis the Pious (813–828), Amsterdam 2019. 6 Semmler, Zur Überlieferung, u. a. S. 310 und S. 331. 7 Vgl. dazu ebd., S. 386 f.; sowie Josef Semmler, Reichsidee und kirchliche Gesetzgebung bei Ludwig dem Frommen, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 71 (1960), S. 37–65, hier besonders S. 43–46 und S. 53–56.

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Mal wäre dann eine Aussage möglich über die Intensität staatlicher Erfassung in karolingischer Zeit, die mit Hilfe z. B. der weltlichen Kapitulariengesetzgebung offenbar nicht zu kontrollieren ist«.8 Zumindest mit seiner Einschätzung der Stücke als kaiserliche Gesetze hatte Semmler Erfolg. Auch ein Kenner wie Hubert Mordek sah es nicht anders und nahm die fraglichen drei Texte deshalb in seine »Bibliotheca capitularium« auf.9 Und Veronika Lukas hat zuletzt zwar berechtigte Zweifel geäußert, ob Semmlers Rekonstruktion von insgesamt vier verschiedenen Textstufen der Jahre 816/17 zu halten ist, die schließlich zu dem großen Kapitular von 818/19 hingeführt haben sollen. Aber auch Lukas sieht in den fraglichen Texten ohne jede Einschränkung kaiserliche Kapitularien.10 Die editorische Entscheidung, diese Texte in die künftige Ausgabe der Kapitularien Ludwigs des Frommen nicht aufzunehmen, bedarf deshalb der Rechtfertigung. Sie zu liefern ist das Ziel dieses Beitrags. Ein Argument zu führen, dass bestimmte Texte keine Kapitularien seien, ist nun allerdings methodisch nicht ganz einfach: Denn die gängigen Definitionen des Kapitularienbegriffs sind bekanntlich allesamt mit guten Gründen mehr als unscharf.11 Als eine rechtshistorische Gattung im engeren Sinne dürften Kapitularien ohnehin erst eine Erfindung frühneuzeitlicher Editoren sein. Ihre Grenzen lassen sich nicht scharf ziehen. Zumal die Unterscheidung zu Konzilstexten fällt schwer – und tatsächlich ist schon in den älteren MGH-Editionen manches Stück gleich doppelt, einmal in den »Concilia«, einmal in den »Capitularia« gedruckt worden.12 Zumindest zwei Fragen könnten aber für die Einordnung 8 Semmler, Zur Überlieferung, S. 387. 9 Vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 1009, und Gaillard, S. 133–147 bzgl. des »Capitulare monasticum III«. 10 Veronika Lukas, Additio I: Die sogenannte Collectio capitularis Benedicti Levitae, online unter: http://www.benedictus.mgh.de/studien/lukas/monastische%20gesetzgebung. pdf [zuletzt eingesehen am 26.08.2020]. – Zu Semmlers Rekonstruktion vgl. seine Liste: Ders., Zur Überlieferung, S. 320 f. 11 Vgl. dazu klassisch François Louis Ganshof, Was waren die Kapitularien?, Darmstadt 1961, S. 13–18; in der Sache breiter und in der Literatur viel zitiert ist Hubert Mordek, Karolingische Kapitularien, in: ders. (Hg.), Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, Sigmaringen 1986, S. 25–50, hier S. 25; vgl. zuletzt ähnlich auch Gerhard Schmitz, Art. Kapitularien, in: HRG 2 (22011), Sp. 1604–1612, hier Sp. 1605. Beachtenswert für Definitionsfragen sind nun allerdings auch die Überlegungen von Takuro Tsuda, Was hat Ansegis gesammelt? Über die zeitgenössische Wahrnehmung der »Kapitularien« in der Karolingerzeit, in: Concilium medii aevi 16 (2013), S. 209–231; ders., War die Zeit Karls des Großen »die eigentliche Ära der Kapitularien«?, in: Frühmittelalterliche Studien 49 (2016), S. 21–48. 12 Vgl. insbesondere das sogenannte Frankfurter Kapitular, das einmal ediert wurde von Alfred Boretius (MGH Capitularia 1), Hannover 1883, Nr. 28, S. 73–78 und einmal von Albert Werminghoff (MGH Concilia 2, 1), Hannover 1906, Nr. 19 G, S. 165–171. Zur dürren Überlieferung dieser wichtigen capitula vgl. Hubert Mordek, Aachen, Frankfurt, Reims:

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als Kapitular von entscheidender Bedeutung sein: Ging der fragliche Text vom Herrscher aus? Und haben die Zeitgenossen des 9. Jahrhunderts den Text in der Regel zusammen mit anderen Kapitularien überliefert – oder haben sie ihn in einen ganz anderen Zusammenhang gestellt? Diese beiden Fragen werden im Folgenden im Zentrum unserer Überlegungen stehen. Betrachten wir in einem ersten Schritt die Argumente, die in der Forschung geäußert worden sind, um unsere Stücke als »Reichsgesetze« einzustufen, als »Herrschererlasse«, als vom Kaiser ausgehende Normtexte – eben als »Kapitularien«. Josef Semmler selbst hat seine Sicht vor allem auf folgende sechs Beobachtungen gestützt: 1. Semmlers Kronzeuge ist die Vita Benedikts von Aniane aus den 820er Jahren. Nach Semmlers Auffassung wurde in diesem Text ausdrücklich formuliert, dass Ludwig der Fromme diejenigen Kapitel, die Benedikt von Aniane 816/17 mit anderen Äbten und Mönchen in Aachen gesammelt und diskutiert habe, nicht nur bestätigt, sondern auch »in Form von Kapitularien, Reichsgesetzen also, publiziert« habe.13 2. Daneben verwies Semmler zumindest für das sogenannte »Capitulare monasticum tertium« auf die »Überschriften«, also die Inscriptiones, die diesen Text wenigstens in einer Reihe von Handschriften explizit als ein Kapitular Ludwigs des Frommen auswiesen.14 3. Laut Semmler kennzeichnet auch die Vorrede der drei Texte, die ja jeweils bis auf die Datumsangabe gleich ist, die Stücke als Normtexte, die vom Kaiser ausgingen.15 4. In zwei halbwegs zeitnahen Bücherverzeichnissen, die um die Mitte des 9. Jahrhunderts in St. Gallen und auf der Reichenau angelegt wurden, werde das »Capitulare tertium« ebenfalls als Kapitular Ludwigs des Frommen klassifiziert.16 5. Außerdem argumentierte Semmler, wenigstens das »Capitulare tertium« sei geographisch so weit verbreitet, wie man es eigentlich nur dann erwarten könne, wenn man es mit einem kaiserlichen Erlass zu tun habe.17

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Beobachtungen zu Genese und Tradition des »Capitulare Francofurtense« (794), in: Rainer Berndt (Hg.), Das Frankfurter Konzil von 794. Kristallisationspunkt karolingischer Kultur, Frankfurt a. M. 1997, S. 125–148. Semmler, Zur Überlieferung, S. 310 und S. 331. Vgl. ebd., S. 360 Anm. 73a. Ebd., S. 360: »Die Überschriften der Collectio capitularis in einzelnen Handschriften […] und ihre Vorrede legen es nahe, dass es sich bei unserm Texte um ein wirklich publiziertes Kapitular handeln muss«; vgl. außerdem Semmler, Reichsidee, S. 43–46 und S. 53–56, sowie ders., Die Beschlüsse des Aachener Konzils 816, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 74 (1963), S. 15–73, hier S. 21 f. Semmler, Zur Überlieferung, S. 345. Ebd., S. 360 und S. 386.

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6. Der Kapitularienfälscher Benedictus Levita hat um die Mitte des 9. Jahrhunderts in seine berüchtigte Ergänzung der Kapitulariensammlung des Ansegis von St-Wandrille auch eine eigene Kompilation aus den drei »Capitularia monastica« aufgenommen. Sie bildet hier zwar denjenigen Abschnitt, den die Forschung als »Additio prima« zum dritten Buch Benedikts zu bezeichnen pflegt.18 Aber Veronika Lukas hat  – sehr zu Recht  – darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Abschnitt keineswegs eine »Additio« im Sinne einer nachträglichen Beigabe bildet.19 Der Teil wird jedenfalls schon in der Praefatio des Gesamtwerks ausdrücklich genannt – gehörte also spätestens zum Werkplan, als Benedictus diese Praefatio niederschrieb. Man könnte deshalb geneigt sein zu sagen: Zumindest schon Benedictus Levita hat unsere drei Texte für Kapitularien gehalten.20 Möglicherweise sind mit diesen sechs Punkten noch nicht alle denkbaren Argumente genannt, die dafür sprechen, in unseren Texten »Kapitularien« Ludwigs des Frommen zu sehen. Fest steht aber: Mit diesen sechs Punkten sind diejenigen Argumente zusammengefasst, auf deren Grundlage die Forschung bisher die Texte als »Gesetze« oder »Erlasse« des Herrschers angesprochen hat. Eben diese Argumente gilt es deshalb im Folgenden kritisch durchzumustern. Ich beginne bei denjenigen Punkten, die den Text selbst und seine Überlieferung betreffen, und gehe von dort aus zu denjenigen Punkten weiter, die die zeitgenössische Rezeption der Texte würdigen. Betrachten wir also zunächst die Vorrede zu den Stücken. Sie ist – bis auf die Datierung – jeweils bei allen Rezensionen wortgleich. In dem kleinen Textstück ist dabei aber mitnichten die Rede davon, dass es sich um ein Kapitular Ludwigs des Frommen handele. Im Gegenteil: Es wird ausdrücklich gesagt, die folgenden capitula  – d. h. die nachstehenden »Punkte«  – seien von den Äbten und Mönchen beschlossen worden, die im Lateran in Aachen getagt hätten.21 Der 18 Am besten benutzt man zurzeit die elektronische Vorabedition von Gerhard Schmitz: http://www.benedictus.mgh.de/edition/aktuell/additio1.pdf [zuletzt eingesehen am 26.08.2020]; dieser bei Benedictus bezeugten Fassung folgt übrigens auch die Edition als »Capitulare monasticum« von Alfred Boretius, MGH Capit. 1, Nr. 170, S. 344–349. 19 Lukas, Additio I. 20 Benedictus Levita, Praefatio, hg. von Schmitz, S. 4, Z. 15–20. Vgl. Semmler, Zur Überlieferung, S. 377, der zusammenfasst, »daß es dem Autor darum ging, die monastische Gesetzgebung Ludwigs d. Frommen sowohl in einer gewissen logischen Anordnung der einzelnen capitula als auch in größtmöglicher Vollständigkeit in seiner Sammlung darzubieten.« 21 Synodi primae Aquisgranensis decreta authentica, hg. von Semmler, S. 457: […] abbates cum quam pluribus una cum suis resedissent monachis haec quae subsecuntur capitula communi consilio ac pari uoluntate inuiolabiliter a regularibus conseruari decreuerunt; Synodi secundae Aquisgranensis decreta authentica, ebd., S. 473: […] abbates cum quam pluribus residerent monachis haec quae subsequuntur capitula communi consilio ac pari

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Name Kaiser Ludwigs taucht dagegen einzig und allein zu Beginn der Vorrede auf – und zwar in der Datumsangabe.22 Eine solche Datierung nach Herrscherjahren macht einen Text aber noch lange nicht zu einem Kapitular! Wenn wir den Wortlaut der Vorrede ernst nehmen, ging der Text also gerade nicht vom Kaiser aus – sondern von einer Versammlung von Äbten und Mönchen. Daran ändert auch eine Variante in einer heute in Turin liegenden Handschrift nichts, die im Kloster Bobbio um 900 niedergeschrieben wurde.23 Semmler hat auf sie verwiesen, weil es hier ausdrücklich heißt: abbates […] haec quae subsecuntur capitula regali roborata ac firmata stemate […] inviolabiliter a regularibus conser­ uari decreuerunt.24 Doch handelt es sich dabei mit Blick auf die Überlieferung zweifellos nicht um ursprünglichen Textbestand des früheren 9. Jahrhunderts, sondern um einen erheblich späteren Zusatz eines Kopisten oder Kompilators. Blicken wir nun, zweitens, auf die Inscriptiones, die in den Handschriften unseren Stücken voranstehen: Bei näherem Hinsehen sind auch sie wenig geeignet, unseren Text als einen vom Kaiser ausgehenden Erlass zu erweisen. Das liegt vor allem an dem Charakter und dem Quellenwert dieser kleinen Textpassagen: Zum einen bieten gar nicht alle Codices überhaupt eine Inskription.25 Zum anderen müssen wir prinzipiell damit rechnen, dass eine überlieferte Inskription nicht zum ursprünglichen Text selbst gehörte, sondern erst vom jeweiligen Kompilator einer Sammlung geschaffen worden ist. Und schließlich sind nicht alle überlieferten Inskriptionen für unsere Frage überhaupt inhaltlich ergiebig. Einen deutlichen Hinweis hierzu geben tatsächlich erst vergleichsweise späte Handschriften. Eine Familie von Textzeugen, die allesamt aus dem Italien des

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uoluntate inuiolabiliter obseruari decreuerunt; Regula sancti Benedicti abbatis Anianensis, ebd., S. 515: abbates cum quam pluribus una suis resedissent monachis haec quae secuntur capitula communi consilio ac pari uoluntate inuiolabiliter a regularibus conseruari decreuerunt. Synodi primae Aquisgranensis decreta authentica, hg. von Semmler, S. 457: Anno incarnationis domini nostri Iesu Christi DCCCXVI imperii uero gloriosissimi principis Hluduuici tertio anno X. kalendas septembris […]. Synodi secundae Aquisgranensis decreta authen­ tica, ebd., S. 473: Anno incarnationis domini nostri Iesu Christi DCCCXVIImo imperii uero gloriosissimi principis Hlodouuici UI. idus ivlii […]. Regula sancti Benedicti abbatis Anianensis, ebd., S. 515: Anno incarnationis domini nostri Iesu Christi DCCCXUII imperii uero gloriosissimi principis Hludouuici quarto UI. idus iulii […]. Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria, G. V. 38, fol. 77r; zu der Handschrift und ihrer Datierung vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 745 f.; Semmler selbst datiert die Handschrift erst »saec.  XI«: Vgl. CCM 1, S. 504 (Sigle E); Rudolf Hanslik, Praefatio, in: Benedicti Regula. Editio altera emendata, hg. von dems., CSEL 75, Wien 1977, S. XI–LXIX , hier S. LVII, setzt das Manuskript sogar erst ins 12. Jahrhundert. Hier zitiert nach Semmler, Die Überlieferung, S. 360; vgl. auch seine Edition in CCM 1, S. 516, hier im Apparat zu Z. 2–4 (Sigle E). Sie fehlt in Semmlers Textzeugen B1, B2, B4, B6, C1, D, E, F6, G1, G2, G5–G9: Vgl. die Edition der Regula Benedicti abbatis Anianensis, hg. von Semmler, S. 515.

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10./11. Jahrhunderts stammen, bezeichnet den Text noch hinreichend unscharf als capitula Ludowichii imperatoris cum ceteris.26 Eine deutlichere Äußerung zum Charakter des Textes zeigt einzig und allein diejenige Inskription, die sich für unseren Text in zwei Textzeugen der sogenannten »Collectio XII partium« findet. Sie lautet: Capitula que secuntur hludovuicus gloriosus princeps cum communi consilio ac pari uoluntate abbatum a regularibus conseruari decreuit.27 Ein weiterer Textzeuge dieser Sammlung aus Tegernsee, der aus dem 11. Jahrhundert stammt, stellt das »Capitulare monasticum tertium« als Capitula luduvuici inperatoris vor.28 Die Inskriptionen geben uns demnach keine belastbare Information über den ursprünglichen Rechtscharakter des Stücks im früheren 9. Jahrhundert. Denn die wenigen für unsere Frage überhaupt aussagekräftigen Inscriptiones sind lediglich in vergleichsweise späten Textzeugen überliefert; und gerade diejenige Überschrift, die den Text am deutlichsten als einen Herrschererlass charakterisiert, war offenkundig erst eine Zutat in einer späteren Rechtssammlung. Wir erfahren daraus also zwar etwas über die Rezeption unserer Stücke im Laufe des 10. und 11. Jahrhundert – mehr aber auch nicht. Dichter an die zeitgenössische Klassifizierung der Texte führen uns in einem dritten Schritt die beiden Bücherverzeichnisse, auf die Semmler aufmerksam gemacht hat. Das Bücherverzeichnis von der Reichenau, das er ins Feld geführt hat, beweist für unsere Frage allerdings gar nichts. Der Beleg findet sich in der Liste derjenigen Bücher, die der Reichenauer Bibliothekar Reginbert zwischen 835 und 842 erworben hatte. Der Eintrag lautet wie folgt: In XX. libello est regula sancti Benedicti abbatis et hymni Ambrosiani et epistola ad regem Karolum de monasterio sancti Benedicti directa et capitula [et] res[ponsa] de statu regulae et martyrologium per anni circulum, quem Tatto et Crimolt mihi condonaverunt.29

Die Bücher in Reginberts Liste sind nicht streng nach Sachgebieten geordnet, auch nennt die Liste keine Rubriken. Immerhin bilden die Bücher Nr. 9–16 aber einen Block von Viten und Martyriumsberichten, dann folgen drei Codices mit 26 Vgl. die Varianten in: CCM 1, S. 515 (zitiert: F8, ähnlich aber auch: F1–F5 und F7). 27 Vgl. die Varianten in: CCM 1, S. 515 zu den Textzeugen H3 (= Bamberg, Staatsbibliothek, Can. 7, fol. 69ra, saec.  XI) und H4 (= München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 19414, fol. 66r, saec. XI). 28 So die Variante in CCM 1, S. 515, im Textzeugen H5 (= München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 18583, fol. 83r, saec. XI). 29 Die in eckigen Klammern notierte Konjektur stammt von Ludwig Traube, Textgeschichte der Regula S. Benedicti, hg. von Heribert Plenkers, München 1910, S. 33; der Text in beiden Drucken, die den Katalog überliefern, lautet: capitulares de statu regulae. Meines Erachtens ist die Konjektur allerdings nicht zwingend.

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Leges (Nr. 17–19), anschließend folgt der oben zitierte Eintrag. Ob Reginbert ihn aber noch mit zu dem Block der Leges zugehörig verstanden hat, können wir mangels Rubriken in der Liste nicht sagen. Sehr wahrscheinlich ist eine solche Zuordnung angesichts der Formulierung der Inhaltsangabe allerdings nicht: Unser angebliches Kapitular fand sich in dem Reichenauer Codex inmitten monastischer Texte, gemeinsam mit der Benediktsregel und Texten zu deren Überlieferung. Und wenn wir auf die Konjektur Traubes im obigen Zitat verzichten wollen, dann stellt capitulares … de statu regulae ganz offenkundig auch gar keine Formulierung dar, aus der man entnehmen müsste, Reginbert habe unsere fraglichen capitula als Herrschererlass aufgefasst. Weit aussagekräftiger für unsere Leitfrage ist dagegen das älteste Bücherverzeichnis aus St. Gallen. Es stammt aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts und ist heute eingebunden in eine Kapitularienhandschrift.30 Dieses Verzeichnis benennt eines der drei »Capitularia monastica« nicht nur ausdrücklich als capitula Hludowici imperatoris de regula sancti Benedicti.31 Hier findet sich der Codex zudem auch in diejenige Rubrik aufgenommen, in der systematisch die Leges- und Kapitularien-Handschriften des Klosters zusammengestellt sind. Dabei ist allerdings im Bücherverzeichnis ausdrücklich die Rede davon, dass die capitula nur als quaternio vorlägen (also wohl als einzelnes Heft, nicht gebunden als Codex).32 Als eigenen Quaternio – mit besonderem Seitenlayout – finden wir das »Capitulare monasticum tertium« interessanterweise heute noch eingebun30 Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 728, p. 5–21.  – Über die Datierung des Bücherverzeichnisses hat sich seit den 1980er Jahren eine Forschungskontroverse entwickelt: Walter Berschin, Notkers Metrum de vita S. Galli. Einleitung und Edition, in: Otto P. Clavadetscher u. a. (Hg.), Florilegium Sangallense. Festschrift für Johannes Duft zum 65. Geburtstag, St. Gallen, Sigmaringen 1980, S. 71–121, hier S. 72; sowie ders., Alte und neue Handschriftenkataloge der Stiftsbibliothek St. Gallen, in: Freiburger Diözesanarchiv 106 (1986), S. 5–8, hier S. 5 f.; ders., Eremus und Insula. St. Gallen und die Reichenau im Mittelalter – Modell einer lateinischen Literaturlandschaft, Wiesbaden 22005, S. 17, hat eine Spätdatierung vorgeschlagen, die aber zuletzt von Hannes Steiner zurückgewiesen worden ist, der sich mit zusätzlichen Argumenten Lehmanns These einer sukzessiven Entstehung zwischen ca. 850 und 880 anschließt: Vgl. Hannes Steiner, Buchproduktion und Bibliothekszuwachs im Kloster St. Gallen unter den Äbten Grimald und Hartmut, in: Wilfried Hartmann (Hg.), Ludwig der Deutsche und seine Zeit, Darmstadt 2004, S. 161–183, hier S. 162–164 und S. 176–182; ders. (Hg.), Ratpert. St. Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli), MGH SS rer. Germ. 75, Hannover 2002, S. 65, mit Anm. 208; vgl. auch schon Paul Lehmann (Hg.), Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 1: Die Bistümer Konstanz und Chur, München 1969 (Nachdruck der Ausgabe München 1918), S. 68–70. 31 Es sei denn, man wollte hinter dem Eintrag im Sankt Galler Bücherverzeichnis schlicht jenen heute verschollenen kaiserlichen Normtext vermuten, den Ludwig der Fromme im sogenannten Capitulare ecclesiasticum von 818/19 angesprochen hat: Vgl. dazu unten bei Anm. 52. 32 Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 728, p. 17.

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den in den St. Galler Codex 914 (freilich ohne dass wir sicher sagen könnten, ob es sich bei diesem Quaternio auch um jenen handelte, der im Bücherverzeichnis aufgelistet wurde).33 In jedem Falle aber hat man auch in St. Gallen den Text – zumindest nachträglich – zusammengebunden mit der »Regula Benedicti«, dem Brief Abt Theotmars von Montecassino an Karl den Großen und dem Brief der Reichenauer Mönche Grimalt und Tatto darüber, wie sie eine Kopie vom Exemplar der »Regula Benedicti« aus Montecassino genommen hätten.34 Das heißt: Zwar hat ein Mönch in St. Gallen eines der »Capitularia monastica« in der Tat in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, als der Eintrag im Bücherverzeichnis entstand, als capitula Ludwigs des Frommen bezeichnet. Doch nur wenig später35 hat man auch in St. Gallen den Text (und vielleicht sogar den im Bücherverzeichnis aufgelisteten Quaternio selbst) trotzdem physisch in einen ganz anderen, nämlich einen rein monastischen Kontext gestellt. Eindeutig ist deshalb wohl auch der St. Galler Befund nicht; und streng genommen bezeugt ohnehin auch er schon nur eine nachträgliche Interpretation, die frühestens eine Generation nach der Entstehung unseres Textes aufs Pergament gelangte. Im Übrigen kann man fragen, ob in der Einordnung im St. Galler Bücher­ verzeichnis nicht eine sehr spezifische lokale Erinnerung an das Geschehen dokumentiert ist, in der sich nur allzu deutlich die Geschichte gerade dieses Klosters widerspiegelt: Die Gemeinschaft von St. Gallen nämlich hatte eben in den Jahren 816 bis 818, als die großen monastischen Reformen in Aachen diskutiert und auf den Weg gebracht wurden, von Ludwig dem Frommen wichtige Privilegien erhalten.36 Ludwig hatte das Kloster damals weitgehend aus dem Einfluss der Konstanzer Bischöfe gelöst, unter dem es bis dahin gestanden hatte;37 und außerdem hatte er den St. Gallern im Juni 817 die Einkünfte von 33 Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 914, p. 181–190. 34 Zum Inhalt des Codex vgl. Léon Gilissen, Observations codicologiques sur le codex Sangallensis 914, in: Pierre Cockshaw u. a. (Hg.): Miscellanea codicologica F. Masai dicata, Gand 1979, Bd. 1, S. 51–70, besonders S. 58; Mordek, Bibliotheca, S. 681 f. 35 In Sankt Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 728, S. 17, ist der Eintrag am Rand mit einem R (für require) markiert, war also bei der Hauptrevision des Bücherbestandes bereits nicht mehr einfach auffindbar (vielleicht weil er bereits in den Codex 914 eingebunden worden war?). Die Revision lässt sich recht präzise in die Jahre 883–888 datieren: Vgl. Rupert Schaab, Mönch in Sankt Gallen. Zur inneren Geschichte eines frühmittelalterlichen Klosters, Ostfildern 2003, S. 211. 36 Vgl. dazu als Überblick: Alfons Zettler, St. Gallen als Bischofs- und als Königskloster, in: Alemannisches Institut Freiburg / Breisgau (Hg.): Alemannisches Jahrbuch 2001/2002, Freiburg i. Br. 2003, S. 23–38; Johannes Duft u. a., Die Abtei St. Gallen. Abriß der Geschichte, Kurzbiographien der Äbte, das stift-sanktgallische Offizialat, St. Gallen 1986; Johannes Duft, Geschichte des Klosters St. Gallen im Überblick vom 7. bis zum 12. Jahrhundert, in: Peter Ochsenbein (Hg.), Das Kloster St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, Darmstadt 1999, S. 11–30 und S. 223–230. 37 D LdF 85, MGH DD Kar. 2, hg. von Theo Kölzer, Hannover 2016, S. 207–210.

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49 mansi zukommen lassen, die vorher sieben Grafen in Alemannien erhalten hatten.38 So könnte gerade in St. Gallen eine sehr eigene Erinnerung an jene Jahre bewahrt worden sein, die den Anteil des Kaisers Ludwig des Frommen zentralstellte – und deshalb nur allzuleicht dazu führte, dass man einige Jahrzehnte später auch die Aachener capitula etwas vorschnell den herrscherlichen Kapitularien zuordnete. Jedenfalls aber sind wir angesichts der sehr spezifischen Bedeutung Ludwigs des Frommen und der Jahre 816 bis 818 für die Entwicklung dieses Klosters gut beraten, die St. Galler Perspektive nicht ohne weiteres als repräsentativ zu verallgemeinern und unserer rechtshistorischen Einordnung des Textes zugrundezulegen. Vor diesem Hintergrund können wir uns nun in einem vierten Schritt demjenigen Punkt zuwenden, auf den Semmler selbst am meisten Wert gelegt hat: der Geschichte, die die Vita Benedikts von Aniane über unsere Texte erzählt. Dabei ist allerdings gleich vorab an die offenkundige Tatsache zu erinnern, dass wir es hier mit einer Heiligenvita zu tun haben: Der Text feiert Benedikt als einen heiligen Vorkämpfer für gottgefälliges Mönchtum;39 und er überzeichnet dabei sichtlich Benedikts Stellung bei Hof und seine Bedeutung für die Reform des Mönchtums – nicht nur zeit- und ortsbedingt, sondern auch der Textgattung entsprechend. Gerade Behauptungen über Benedikts Einfluss beim Herrscher und seine Stellung in größter Nähe und Vertrautheit zum Kaiser sind deshalb – als wesentliche Elemente der Darstellungsabsicht des Autors – besonders kritisch auf ihren historischen Gehalt hin zu hinterfragen.40 Aber selbst wenn wir dem Vitentext aufs Wort glauben wollten: Wörtlich sagt er zunächst einmal, dass Benedikt (nicht der Kaiser!) ein capitulare, das heißt eine Liste von Punkten, zusammengestellt habe  – und dieses dann dem Kaiser zur Bestätigung oder Bekräftigung vorgelegt habe (capitularem institutum imperatori confirmandum prebuit). Nicht ein vom Kaiser selbst ausgehender Rechtstext also, sondern das Ergebnis der Beratungen der Äbte, in Schriftform zusammengestellt, wird von dem Vitenautor als capitulare bezeichnet. Wir hören dann weiter, dass der Kaiser mit dem Text, den Benedikt ihm vorlegte, ohne weiteres einverstanden gewesen sei: Cui protinus imperator adsensum prebuit, 38 D LdF 124, MGH DD Kar. 2, S. 308–312; zu diesem Stück vgl. nun umfassend den Band von Jürgen Dendorfer u. a. (Hg.), 817 – Die urkundliche Ersterwähnung von Villingen und Schwenningen. Alemannien und das Reich in der Zeit Kaiser Ludwigs des Frommen, Ostfildern 2016; zur Bedeutung, die die Sankt Galler Mönche der Urkunde zugemessen haben, vgl. insbesondere den Beitrag von Peter Erhart, Das Diplom Ludwigs des Frommen von 817, seine Vervielfältigung und das Schicksal der St. Galler Klostergüter auf der Baar, S. 43–52. 39 Ardo, Vita Benedicti abbatis Anianensis et Indensis, hg. von Georg Waitz, MGH SS 15, 1, Hannover 1887, S. 198–220. 40 Vgl. dazu Geuenich, Kritische Anmerkungen S. 104–106.

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heißt es in der Vita. Außerdem habe Ludwig inspectores in die einzelnen Klöster entsandt, die beobachten sollten, ob das, was befohlen war, auch eingehalten wurde: inspectoresque per singula posuit monasteria, qui, utrum ea que iussa fuerant sic observarentur, inspicerent.41 Wenn man mit Semmler in dieser Passage einen Beleg dafür sehen möchte, dass Ludwig ein »Kapitular« als »Reichsgesetz publiziert« habe, so muss man von einer für die gesamte Kapitularienforschung bemerkenswerten Annahme ausgehen: Kapitularien wären dann nämlich auch alle diejenigen normativen Texte, denen der Kaiser irgendwie »seine Zustimmung gab« – und zwar, das ist wichtig, selbst dann noch, wenn diese kaiserliche Zustimmung im Text selbst gar nicht explizit vermerkt wurde. Denn in den Kapitellisten, die uns überliefert sind und die sich selbst als Entscheidungen einer Versammlung von Äbten ausweisen, ist ja nun einmal von einer »Zustimmung des Kaisers« zu alledem mit keinem Wort die Rede. Der Fall ist damit auch hinreichend weit von dem entfernt, was in der Diplomatik als eine »Empfängerausfertigung« bezeichnet wird: Unser vermeintliches Kapitular selbst behauptet nirgends die Zustimmung des Kaisers, schon gar nicht ergeht es im Namen des Kaisers – während eine jede Empfängerausfertigung einer Kaiserurkunde der Karolingerzeit doch immer noch die Intitulatio des Kaisers, sein Monogramm, sein Siegel usw. trägt. In unserem Falle liegen die Fakten anders: Allein ein erzählender und gerade in dieser Frage offenkundig tendenziöser Text behauptet, der Kaiser habe den Beschlüssen der Äbte zugestimmt – und dann ein Verfahren der Kontrolle in den einzelnen Klöstern in Gang gesetzt.42 Mit anderen Worten: Die Vita Benedikts 41 Ardo, Vita Benedicti, hg. von Waitz, c. 36, S. 215: Prefecit eum [sc. Benedikt von Aniane] quoque imperator cunctis in regno suo coenobiis, ut, sicut Aquitaniam Gotiamque norma salutis instruxerat, ita etiam Franciam salutifero imbueret exemplo. Multa denique monasteria erant, quae quondam regulariter fuerant instituta; set paulatim tepescente rigore, regularis pene deperierat ordo. Ut autem, sicut una omnium erat professio, fieret quoque omnium monasteriorum salubris una consuetudo, iubente imperatore, adgregatis coenobiorum patribus una cum quam pluribus monachis, perplures resedit dies. Omnibus ergo simul positis, regulam ab integro discutiens, cunctis obscura dilucidavit, dubia patefecit, priscos errores abstulit, utiles consuetudines affectusque confirmavit. Iudicia igitur regulae cunctaque dubia ad proficuum deducta effectum, quas minus regula pandit consuetudines, adsentientibus cunctis protulit; de quibus etiam capitularem institutum imperatori confirmandum prebuit, ut omnibus in regno suo positis monasteriis observare preciperet; ad quem lectorem scire cupientem dirigimus. Cui protinus imperator adsensum prebuit, inspectoresque per singula posuit monasteria, qui, utrum ea quae iussa fuerant sic observarentur, inscipicerent, quique etiam formam salubrem ignorantibus traderent. 42 Die Beauftragung Benedikts mit einer Art von »Visitation« der Klöstern zu Reformzwecken wird dagegen auch in einer Urkunde Ludwigs des Frommen selbst angesprochen: D LdF 369, MGH DD Karol. 2, S. 922, Z. 30–34: Notum esse volumus cunctis fidelibus sanctae dei ecclesiae et nostris praesentibus scilicet et futuris, quia olim dum monasticum ordinem usquequaque depravatum esse constaret et ad eum corrigendum atque emendandum imo ad pristinum debitumque modum et rectitudinem auxiliante domino reducendum

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von Aniane insinuiert zwar, dass gerade Benedikt und Ludwig die Klosterreform einmütig vorantrieben (und blendet damit, wie wir mittlerweile wissen, ganz gezielt andere Akteure aus, die ebenfalls in diesem Feld tätig waren).43 Aber letztlich wird nicht einmal in diesem hagiographischen und tendenziösen Text geradeheraus behauptet, die Klosterreform sei durch ein Kapitular Ludwigs des Frommen bewirkt worden. Wenn der Vitenautor dies hätte sagen wollen, hätte er es jedenfalls sehr viel schlanker und pointierter formulieren können. Semmlers nächsten Punkt – seinen Verweis auf die weite handschriftliche Verbreitung  – wird man für sich genommen sicher nicht als einen Beleg für die Einordnung als Kapitular akzeptieren wollen. Es gibt bekanntlich wichtige Kapitularien, die lediglich in einem Exemplar auf uns gekommen sind, wie zum Beispiel die »Divisio imperii« von 817.44 Auch Ludwigs »Admonitio ad omnes regni ordines« von 823/25 kennen wir fast ausschließlich aus der Collectio des Ansegis von Saint-Wandrille – und das, obwohl Ludwig in diesem Falle sogar ausdrücklich den Weg der systematischen Verbreitung im Reich vorgeschrieben hatte und zweifellos einmal sehr viel mehr Exemplare existiert haben müssen.45 Ob ein Stück in zahlreichen heute noch erhaltenen Handschriften überliefert ist oder nicht, das hängt tatsächlich an den Zufällen der Überlieferung, oft aber auch schlicht an der Aufnahme in erfolgreiche Sammlungen, die dann ihrerseits häufig kopiert wurden. Und selbstverständlich konnten in der Karolingerzeit auch Texte eine weite Verbreitung erfahren, die nicht vom Herrscher erlassen worden waren. quondam abbatem eiusdem ordinis ferventissimum Benedictum cognomine per monasteria imperii a deo nobis commissi destinaremus, contigit eum ad monasterium, quod dicitur sanctae Columbae haud procul ab urbe Senonensi devenire. 43 Dazu im Einzelnen Geuenich, Kritische Anmerkungen, S. 103–105. 44 Ediert unter dem Kunsttitel: Ordinatio imperii, MGH Capit. 1, Nr. 136, S. 270–273; das Stück ist nur in Paris, Bibliothèque nationale de France, lat. 2718, überliefert; zur Deutung vgl. Steffen Patzold, Eine »loyale Palastrebellion« der »Reichseinheitspartei«? Zur ›Divisio imperii‹ von 817 und zu den Ursachen des Aufstands gegen Ludwig den Frommen im Jahre 830, in: Frühmittelalterliche Studien 40 (2006), S. 43–77. 45 Admonitio ad omnes regni ordines c. 25, MGH Capit. 1, Nr. 150, S. 307: Volumus etiam, ut capitula quae nunc et alio tempore consultu fidelium nostrorum a nobis constituta sunt a cancellario nostro archiepiscopi et comites eorum de propriis civitatibus modo, aut per se aut per suos missos, accipiant, et unusquisque per suam diocesim ceteris episcopis, abbatibus, comitibus et aliis fidelibus nostris ea transcribi faciant et in suis comitatibus coram omnibus relegant, ut cunctis nostra ordinatio et voluntas nota fieri possit. Cancellarius tamen noster nomina episcoporum et comitum qui ea accipere curaverint notet et ea ad nostram notitiam perferat, ut nullus hoc praetermittere praesumat. Vassi quoque nostri nobis famulantes volumus ut condignum apud omnes habeant honorem, sicut a genitore nostro et a nobis saepe admonitum est. Außerhalb der Kapitulariensammlung des Ansegis ist das Stück nur in dem Codex Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, 130 Blankenb. überliefert.

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So bleibt als letzter Punkt nur noch die Aufnahme unserer Texte in die Kapitulariensammlung des Benedictus Levita zu diskutieren. Hier hat nun Veronika Lukas zwar Recht, wenn sie sagt, dass die Additio 1 zum dritten Buch seiner Sammlung (das heißt eben Benedikts Kompilation aus den sogenannten monastischen Kapitularien Ludwigs des Frommen) gar keine »Additio« im Wortsinne ist: Denn dieser Abschnitt wird tatsächlich schon in der Praefatio von Benedikt selbst angekündigt.46 Für unsere Frage nach dem Status der Texte bleibt aber doch interessant, wie Benedikt selbst bei dieser Gelegenheit den betreffenden Abschnitt gekennzeichnet hat. Er sagt nämlich wörtlich: Tertio siquidem in libello post eiusdem libelli capitulorum numerum quaedam ex canonibus  a Paulino episcopo et Albino magistro reliquisque iussione Karoli invictissimi principis magistris sparsim collecta sunt inserta capitula; et quibusdam interpositis secuntur aliae regulae monasticae congruentia.47

Benedikt machte also einen Unterschied zwischen dem eigentlichen libellus mit capitula, den canones (die er tatsächlich aus der Dionysio-Hadriana entnahm) sowie schließlich den uns hier interessierenden aliae regulae monasticae con­ gruentia, die nach einigen weiteren Kapiteln folgen. Man wird aus Benedikts Formulierung zumindest schließen dürfen, dass der Fälscher selbst den Status und den Charakter derjenigen Texte, die wir heute als »Additio 1« bezeichnen, anders einordnete als die capitula der Herrscher, die er in den beiden vorangehenden Büchern zusammengestellt hatte. Wenn man die Sammlung mit schlichtem Gemüt durchliest, wird dieser Unterschied zum Voranstehenden übrigens noch zusätzlich durch die lange Rubrik markiert, die die hier fraglichen Texte ja gerade nicht als kaiserliche capitula, sondern als Beschluss der im Lateran in Aachen versammelten Äbte und Mönche ausweist.48 Mit anderen Worten: Auch die Additio 1 zu Benedikts Ergänzung der Ansegis’schen Kapitulariensammlung taugt nicht als Beleg dafür, dass wir es bei unseren drei Stücken mit Kapitularien Ludwigs des Frommen zu tun hätten. Die Zwischenbilanz ist ernüchternd: Unsere Texte selbst präsentieren sich als Beschluss von Äbten und Mönchen, nicht als kaiserlicher Normtext. Und die einigermaßen zeitnahen Quellen, die diese Texte einordnen, belegen leider nicht zweifelsfrei, dass man auch nur eines der drei fraglichen Stücke als einen Erlass des Herrschers aufgefasst hätte – weder die zeitnahen Inscriptiones, noch die Bücherverzeichnisse von der Reichenau und St. Gallen, noch die Vita Benedikts von Aniane, noch die Sammlung des Benedictus Levita vermögen hier 46 Lukas, Additio I, S. 1. 47 Benedictus Levita, Praefatio, hg. von Schmitz, S. 4, Z. 15–20. 48 Benedictus Levita, Additio 1, hg. von Schmitz, S. 1, Z. 1–7.

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die Beweislast zu tragen. Das Bild ändert sich erst in späteren Jahrhunderten: Erst im 10./11. Jahrhundert finden sich nämlich dichtere Belege dafür, dass man zumindest das »Capitulare monasticum tertium« als einen Erlass Ludwigs des Frommen betrachtete. Vor diesem Hintergrund dürfte es sich lohnen, in einem zweiten Schritt nun auch Gegenargumente gegen die Einordnung der sogenannten »Capitularia ­monastica« als Kapitularien Ludwigs des Frommen zu erwägen. Zumindest fünf Argumente sind hier wichtig. Das erste betrifft die capitula selbst: Sie sind in mindestens einer Hinsicht eher untypisch für ein Kapitular. In den meisten Fällen richten sich Kapitularien nämlich an verschiedene Adressaten – etwa an die Bischöfe, die Grafen, die Äbte und an alle Getreuen des Herrschers.49 Karls des Großen »Admonitio generalis« von 789 bildet mit ihren Zuordnungen einzelner Kapitel an »alle« oder an einzelne solcher Adressatengruppen ein besonders eindrucksvolles Beispiel hierfür.50 Umgekehrt gilt: Wenn ein Text sich nur an eine einzige Gruppe richtet, dann haben wir einigen Grund, skeptisch zu werden. Manche Texte etwa, die Boretius zwar als Kapitularien ediert hat, die sich aber ausschließlich an Priester wenden, hat die jüngere Forschung mit guten Gründen aus der Liste der Herrschererlasse gestrichen und als bischöfliche Diözesanstatuten oder Synodalbeschlüsse eingeordnet.51 Im Fall der sogenannten »Capitularia monastica« haben wir es nun aber mit Normtexten zu tun, die Äbte ausschließlich für ihre Mönche erließen; man könnte darin eine interessante Parallele zu den »Capitula episcoporum« sehen. Ein zweites Beispiel für einen solchen Herrschererlass ausschließlich für Mönche ist aber meines Wissens im ganzen großen Corpus der Kapitularien nicht nachzuweisen. Schon diese Ausnahmestellung spricht dagegen, unsere drei Texte als Kapitularien anzusprechen. Zum zweiten ist darauf zu verweisen, wie Ludwig der Fromme selbst die monastischen Reformmaßnahmen in seinen halbwegs zweifelsfrei als Kapitularien 49 Vgl. dazu grundlegend: Christina U. Pössel, Authors and Recipients of Carolingian Capitularies, 779–829, in: Richard Corradini u. a. (Hg.), Texts and Identities in the Early Middle Ages, Wien 2006, S. 253–276. 50 Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. von Michael Glatthaar (MGH Fontes iuris 16), Hannover 2012. 51 Besonders bezeichnend für die Unklarheit der Zuordnung ist die Diskussion über die Kapitelliste, die Alfred Boretius als »Capitula a sacerdotibus proposita« (in: MGH Capit. 1, Nr. 36, S. 106 f.) und Peter Brommer als »erstes Kapitular Ghaerbalds von Lüttich« ediert hat (in: MGH Capitula episcoporum 1, Hannover 1984, S. 3–21): Rudolf Pokorny, MGH Capitula episcoporum 4, Hannover 2005, S. 93–96, hat gegen Brommer bezweifelt, dass es sich um ein Bischofskapitular handele; vgl. dagegen aber wieder Carine van Rhijn, Shepherds of the Lord. Priests and episcopal statutes in the Carolingian period, Turnhout 2007, S. 219–228, die zwar Pokornys Zweifel an Ghaerbalds Autorschaft für berechtigt hält, den Text aber sehr wohl als von einem Bischof, nicht vom König erlassen betrachtet.

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einzuordnenden Texten darstellte. Der Kaiser äußerte sich nämlich explizit in dem sogenannten »Capitulare ecclesiasticum« von 818/19 zu seinen eigenen Maßnahmen bezüglich des Mönchtums. Er beschrieb sie mit folgenden Worten: Monachorum siquidem causam, qualiter Deo opitulante ex parte disposuerimus et quomodo ex se ipsis sibi eligendi abbates licentiam dederimus et qualiter Deo opitulante quiete vivere propositumque suum indefesse custodire valerent ordinaverimus, in alia scedula diligenter adnotari fecimus; et ut apud successores nostros ratum foret et inviolabiliter conservaretur, confirmavimus.52

Schon Alfred Boretius hat mit guten Gründen bezweifelt, dass mit den hier angesprochenen kaiserlichen Anordnungen einer der Texte gemeint sein könne, die uns mit den »Capitularia monastica« überliefert sind:53 Denn keines dieser drei Stücke äußert sich zur Abtswahl, geschweige denn zu einer vom Kaiser gewährten eligendi abbates licentia; und auch vom quiete vivere und dem Einhalten des propositum ist in unseren Stücken nicht unmittelbar die Rede. Josef Semmler hat die Passage zwar dennoch als einen Verweis auf das »Capitulare monasticum tertium« beziehen wollen, doch tut sein Deutungsversuch dem Wortlaut des Textes Gewalt an.54 Es spricht alles dafür, dass sich Ludwig in seinem »Capitulare ecclesiasticum« auf einen anderen, heute verlorenen Text bezog, der einen deutlich anderen Charakter gehabt haben muss als unsere drei hier zur Diskussion stehenden Stücke. Dabei dürfte es von Bedeutung sein, dass Ludwig hier auch gar nicht von Anordnungen in alia capitula oder gar in einem anderen capitulare sprach, sondern deutlich unspezifischer von der Niederschrift entsprechender Anordnungen in alia scedula. In dem sogenannten »Prooemium generale«, in dem Ludwig der Fromme seine gesamten Reformmaßnahmen seit 816 ansprach und theoretisch fundierte, äußerte er sich in folgender Weise zum Leben der Mönche:

52 Capitulare ecclesiasticum c. 5, MGH Capit. 1, Nr. 138, S. 276. 53 Vgl. ebd., S. 276, Anm. 3. 54 Vgl. Semmler, Zur Überlieferung, S. 363: Ihm zufolge hat Ludwig hier drei Fragen angesprochen, die »eine separate Kodifikation erfahren« hätten: Die Gewährung der freien Abtswahl, die Sicherung des quiete vivere und des monastischen propositum (in der Semmler eine Anspielung auf die »Notitia de servitio monasteriorum« sehen möchte) und schließlich das »Capitulare monasticum«, das eben mit der Formulierung: monachorum causam qualiter Deo opitulante ex parte disposuerimus, konkret angesprochen werde. Diese Interpretation der Passage erscheint mir einigermaßen gezwungen – schon deshalb, weil alle drei Punkte nach Aussage des Kapitulars eben nicht in drei verschiedenen Texten, sondern gemeinsam in nur einem (in alia scedula) notiert worden sei. Im Übrigen braucht es doch einige Phantasie und guten Willen, um vom »ruhigen Leben« der Mönche und der »Einhaltung des monastischen propositum« ausgerechnet auf einen Text zu folgern, in dem der Kaiser von Klöstern Kriegsdienste und Abgaben einforderte!

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quid unicuique ordini communi voto communique consensu consulere studuerimus, ita ut quid canonicis proprie de his, quidve monachis observanda, quid etiam in legibus mundanis addenda, quid quoque in capitulis inserenda forent, adnotaverimus et singulis singula observanda contraderemus.55

Man wird diese Zusammenfassung der Reformmaßnahmen dahingehend interpretieren dürfen, dass der Kaiser die 816/17 verhandelten Neuerungen für die Kanoniker und Mönche ebenso wie die Ergänzungen zu den Leges und schließlich die neuen Kapitularien selbst allesamt auf seine eigene kaiserliche Initiative zurückgeführt wissen wollte: Das macht sprachlich besonders der Dreischritt der Prädikate deutlich: consulere studuerimus, adnotaverimus, contraderemus. Allerdings werden wir doch annehmen dürfen, dass mit dem hier angesprochenen Text für die Kanoniker die sogenannte Aachener Kanonikerregel56 gemeint war, die Ludwig hatte ausarbeiten und dann systematisch über die Metropoliten und Bischöfe im Reich verbreiten lassen. Bisher ist noch kein Mediävist auf die Idee verfallen, diese Kanonikerregel  – so sehr sie auch vom Kaiser protegiert worden ist – als ein kaiserliches Kapitular anzusprechen. Auf exakt derselben sprachlichen Ebene beigeordnet – und damit kategorisch sowohl von den Ergänzungen zu den leges mundanae als auch von den capitula getrennt – werden hier nun aber auch aufgelistet, quid monachis observanda forent. Man wird darunter zweifellos einen Text der Art verstehen dürfen, wie wir ihn in dem sogenannten »Capitulare monasticum tertium« vorliegen haben, ja vielleicht sogar genau diesen Text selbst. Nur zeigt die Formulierung im Prooemium deutlich, dass der Kaiser selbst diese Normen für Mönche kategorisch von den in capitulis inserenda unterschied. So wenig, wie wir die Aachener Kanonikerregel als kaiserliches Kapitular ansprechen, so wenig sollten wir deshalb auch unsere monastischen Normtexte von 816–818 als Kapitularien einordnen. Zum dritten ist auf die Kapitulariensammlung des Ansegis zu verweisen:57 Als der Abt von Saint-Wandrille seit Mitte der 820er Jahre die Stücke zusammentrug, die er für capitula Karls des Großen und Ludwigs des Frommen hielt, da kam er nicht auf die Idee, in seine Sammlung auch die hier diskutierten monastischen Stücke aufzunehmen. Nun wissen wir zwar, dass Ansegis beileibe nicht alle Texte kannte, die wir heute als Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen ansprechen; und wir wissen auch, dass er manchen Text aufnahm, den Mediävisten heute gar nicht als »Kapitular« klassifizieren möchten.58 Und 55 Prooemium generale, MGH Capit. 1, Nr. 137, S. 275. 56 Der Text ist ediert von Albert Werminghoff (MGH Conc. 2, 1), Hannover 1906, Nr. 39 A, S. 308–421. 57 Ansegis von Saint-Wandrille, Collectio capitularium, hg. von Gerhard Schmitz (MGH Capit. n.s. 1), Hannover 1996. 58 Dazu grundlegend Gerhard Schmitz in seiner Edition ebd., S. 25–34.

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doch bleibt es auffällig, dass ein Abt eines derart bedeutenden Klosters wie SaintWandrille ausgerechnet ein grundlegendes und weit verbreitetes monastisches Stück wie das sogenannte »Capitulare monasticum tertium« gar nicht gekannt haben soll. Dass auch dieses Stück in Ansegis’ Sammlung fehlt, dürfte also nicht bloß einer mangelnden Textkenntnis des Sammlers geschuldet gewesen sein: Das Fehlen weist darauf hin, dass der wohlinformierte Zeitgenosse Ansegis unseren Text gerade nicht als capitula Ludwigs des Frommen angesehen haben dürfte (geradeso wie später auch sein Fortsetzer, der Fälscher Benedikt, hierin etwas anderes sah als kaiserliche capitula). Dazu fügt sich nahtlos ein viertes und sehr viel gewichtigeres Argument, das sich aus der handschriftlichen Überlieferung der hier diskutierten Stücke ergibt. Wir haben zwar alle Mühe, halbwegs trennscharf zu definieren, was ein Kapitular sei. Es ist aber ein wichtiges Indiz, wenn ein fraglicher Text zusammen mit anderen Kapitularien überliefert ist. Dank Hubert Mordeks »Bibliotheca capitularium« kennen wir die handschriftliche Überlieferung derjenigen Stücke, die in den bisherigen Kapitularieneditionen gedruckt worden sind.59 Die weitaus meisten dieser Texte tauchen immer wieder in handschriftlichem Zusammenhang miteinander auf. Ein zwar nicht scharfes, aber doch wichtiges Merkmal von Kapitularien lässt sich also wie folgt beschreiben: Kapitularien sind Texte, die in Sammlungen von Kapitularien überliefert sind. Das mag zunächst zirkulär klingen; in der Praxis ist das Kriterium der Überlieferung aber angesichts der hohen Zahl von Kapitularienhandschriften einigermaßen aussagekräftig. Keines unserer vermeintlichen drei »monastischen Kapitularien« Ludwigs des Frommen ist nun aber auch nur in einer einzigen Kapitulariensammlung, das heißt in handschriftlichem Verbund mit anderen Kapitularien überliefert. Die einzige Ausnahme von dieser Regel bilden diejenigen Handschriften, in denen unsere Texte in der Zusammenstellung als Additio 1 von Benedictus Levita überliefert sind (wo sie aber, wie oben gezeigt, ausdrücklich als Texte anderen Charakters eingeführt werden).60 Sonst ist unter sämtlichen Zeugen unserer drei Texte, die Hubert Mordek in seine »Bibliotheca« aufgenommen hat, keine einzige Kapitularienhandschrift zu finden. Dieses Fehlen wäre nun bei einer insgesamt kleinen Zahl von Textzeugen vielleicht noch wenig aussagekräftig. Zumindest für das sogenannte »Capitulare monasticum tertium« bedeutet es aber doch etwas: Denn von diesem Text hat Mordek in der »Bibliotheca« immerhin 59 Mordek, Bibliotheca. 60 Die Handschriften, die die Additiones bieten, sind: 1) Berlin, SBPK , Phill. 1762; 2) Mailand, BA , S. 17 sup.; 3) Montserrat, Biblioteca del Monasterio, 995 (Fragment des 15. Jahrhunderts); 4) Paris, BnF, Lat. 4634; 5) Paris, BnF, Lat. 4636; 6) Paris, BnF, Lat. 4638. – Im verschollenen dritten Teil von Paris, BnF, lat. 4761, dürfte ebenfalls die Additio I aufgenommen gewesen sein: Vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 544 f.; dort auch noch zu einem möglichen weiteren, im Privatbesitz befindlichen Textzeugen.

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49 Kopien aufgeführt, darunter jene sieben Exemplare, die eigentlich die Additio 1 zur Sammlung des Benedictus Levita bilden. Kein einziger der restlichen immerhin 42 Textzeugen61 tradiert auch nur ein einziges Kapitular! Tatsächlich handelt es sich bei diesen Textzeugen fast durchweg um klar monastisch geprägte Handschriften. Eine Reihe von ihnen sind sogar Kapiteloffiziumsbücher,62 also Codices, die man in Klöstern im Rahmen des Primkapitels verwendet hat. Sehr häufig ist unser Stück außerdem gemeinsam mit der »Regula Benedicti« überliefert; und nicht selten findet es sich in Gesellschaft mit weiteren Texten der karolingischen Klosterreform – mit den »Capitula qualiter« etwa und dem »Memoriale qualiter«, auch dem Brief des Abtes Theotmar von Montecassino zur Übersendung der »Regula Benedicti« an Karl den Großen, dem »Modus paenitentiarum« Benedikts von Aniane, dem »Ordo Casinensis I«, den – ebenfalls monastischen – »Formulae extravagantes« II, 30–32. Man kann das nun zwar noch im Einzelnen in Gruppen ordnen und differenzieren (schon Semmler hat auf diese Weise drei Rezensionen unseres Textes unterschieden);63 doch ist das für unsere Zwecke gar nicht notwendig. Wir können zweifelsfrei sagen: Die Überlieferung der Kapitularien einerseits und die Überlieferung der drei hier zur Rede stehenden Stücke gehen klar getrennte Wege. Tradiert wurden unsere Texte eben nicht in Kapitularienhandschriften – sondern in Büchern für den klösterlichen Alltag, die nicht kaiserliche, sondern monastische Norm- und Gebrauchstexte vor allem aus dem Umfeld der Synoden von 816/17 vereinen. Vor diesem Hintergrund ist schließlich, fünftens, zumindest kurz auch noch das Vokabular unserer Stücke in den Blick zu nehmen: Der Wortschatz fügt sich nämlich ganz nahtlos zu dieser Überlieferung in monastischem Kontext. Die Stücke sprechen von den Vigilien, der Terz, Sext, Non und Komplet;64 sie sprechen das refectorium und das dormitorium an;65 sie nennen Quadragesima und Quinquagesima;66 sie handeln von den verschiedenen Funktionsbereichen innerhalb eines Klosters, wie zum Beispiel der coquina und dem pistrinum.67 61 Die Handschriften sind verzeichnet im Register bei Mordek, Bibliotheca, S. 1098 f. 62 So z. B. Stuttgart, WLB , Don. / Fürstenberg 655 (2/413. Jh.); Stuttgart, WLB , HB I 162 (12. Jh., vorher St. Georgen); Wolfenbüttel, HAB , Cod. Weiss. 45 (11./12. Jh., Weißenburg); Zürich, Zentralbibliothek, Rh. Hist. 28 (Ende 9. Jh.). 63 Semmler, Zur Überlieferung, S. 354–358; vgl. außerdem Pius Engelbert, Die Herkunft des Ordo Regularis, in: Revue bénédictine 77 (1967), S. 264–297. 64 Vgl. z. B. Synodi primae Aquisgranensis decreta authentica, hg. von Semmler, c. 5, S. 458 (Uigiliae); c. 17, S. 461 und c. 35, S. 467 (Nona); c. 34, S. 467 (Sexta); Regula sancti Benedicti abbatis Anianensis, ebd., c. 8, S. 518 und c. 39, S. 527 (Completorium); c. 57, S. 531 (Tertia). 65 Regula sancti Benedicti abbatis Anianensis, hg. von Semmler, c. 55, S. 530 (dormitorium); c. 45, S. 528 (refectorium). 66 Ebd., c. 6, S. 517; c. 7, S. 518; c. 15, S. 520; c. 17, S. 520 u. ö. (Quadragesima); c. 74, S. 534 (Quinquagesima). 67 Ebd., c. 4, S. 517.

Die sogenannten Capitularia monastica Ludwigs des Frommen 

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Kleidungsstücke wie die cappa und die cuculla werden ebenso behandelt wie die Körperpflege von Mönchen (radere, balnearum usus).68 Monastische Amtsträger und Hierarchiestufen werden vermerkt (wie nonnus,69 senior decanus,70 portarius,71 praepositus,72 prior,73 novitius74). Dieser Wortschatz, der die Stücke kennzeichnet, unterscheidet sie sehr deutlich von dem, was üblicherweise in Kapitularien zu erwarten ist. Der Unterschied wird besonders an zwei Wörtern augenfällig: Das Wort mandatum meint hier nicht einen Befehl des Herrschers, auch nicht eine biblische Norm wie sonst in den Kapitularien. Das Wort bezeichnet in unseren Stücken vielmehr  – als monastischer Fachbegriff  – die rituelle Fußwaschung, die als Erfüllung des Gebots der Nächstenliebe verstanden wurde.75 Und das Wort capitulum steht in unseren Texten gleich an mehreren Stellen nicht für einen Unterpunkt eines Kapitulars; es bezeichnet das Primkapitel, zu dem sich die monastische Gemeinschaft täglich versammelt.76 Man darf also sagen: Auch in ihrer Sprache unterscheiden sich die vermeintlichen »Capitularia monastica« von dem, was man in einem Kapitular normalerweise erwarten darf. Die Zusammenfassung kann knapp ausfallen. Die sogenannten »Capitularia monastica« bezeichnen sich selbst als Beschlüsse von Äbten und Mönchen, nicht des Kaisers. Sie behandeln tatsächlich nur Punkte, die eine einzige Gruppe im Reich betreffen, nämlich Mönche – während kein zweites Kapitular überliefert ist, das allein Fragen monastischer Lebensweise reguliert. In der halbwegs zeitnahen Rezeption werden die Texte nicht explizit als Kapitular angesprochen, weder in der Vita Benedikts von Aniane noch bei Benedictus Levita; weder in den zeitnahen Inskriptionen noch in der Bücherliste von der Reichenau. Eine Ausnahme bildet lediglich ein Bücherverzeichnis aus St. Gallen aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts: Hier wird ein einschlägiger Quaternio zwar als capitula Ludwigs des Frommen betitelt und in die Rubrik der kaiserlichen Rechtstexte eingeordnet. Doch spricht manches dafür, hinter dieser Einordnung eine sehr spezifische St. Galler Perspektive zu vermuten; und zusammen68 69 70 71 72 73 74 75

Ebd., c. 58, S. 531 (cappae); c. 54, S. 530 (coculla); vgl. auch c. 4, S. 517. Ebd., c. 49, S. 529. Ebd., c. 50, S. 529. Ebd., c. 51, S. 530. Ebd., c. 25–26, S. 522 f.; c. 50, S. 529; c. 51, S. 530; c. 59, S. 531 u. ö. Ebd., c. 76, S. 534. Ebd., c. 28, S. 523. Ebd., c. 18, S. 420: Ut mandatum post caenam fiat; c. 22, S. 463: Ut mandatum si tempus est cenae tam fratrum quam etiam et peregrinorum post cenam fiat. 76 Ebd., c.  66, S. 532: Ut ad capitulum primitus martyrilogium legatur et dicatur uersus, deinde regula aut omelia quaelibet legatur, deinde ›Tu autem domine‹ dicatur; ebd., c. 70, S. 533: Ut ad capitulum lectio tradatur similiter ad collationem si tempus fuerit oportunum.

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gebunden wurde eine Kopie des Textes bald darauf auch in St. Gallen nicht mit Herrschererlassen, sondern mit allerlei monastischen Brauchtexten. Vor allem aber haben wir gesehen, dass weder Ludwig der Fromme selbst noch Ansegis von Saint-Wandrille die hier diskutierten Texte als eine Liste herrscherlicher capitula betrachteten. Dazu fügt sich, dass die Stücke bezeichnenderweise auch in der handschriftlichen Überlieferung deutlich eigene Wege gingen: Sie sind nicht in Kapitulariensammlungen überliefert, sondern in monastischen Kompilationen für den Alltagsgebrauch von Mönchsgemeinschaften. So breit zumal das sogenannte »Capitulare monasticum tertium« auch tradiert ist: Außerhalb der Sammlung des Benedictus Levita, wo der Text deutlich als Sondergut markiert wird, findet er sich in keinem einzigen Rechtscodex. Angesichts all dieser Befunde tun wir insgesamt gut daran, die Texte nicht in die neue Edition der Kapitularien Ludwigs des Frommen aufzunehmen. Auch wenn diese monastischen Normen sicher nicht gegen Ludwigs Willen im Reich verbreitet wurden, sind wir gut beraten, sie nicht mehr als »Capitularia monastica« anzusprechen. Wir sollten sie als das ernst nehmen, als was sie sich selbst präsentieren: als Beschlüsse von Versammlungen von Äbten. Rechtshistorisch könnte das die Texte im Übrigen nur umso interessanter machen. Denn sie waren, da nicht in einer Versammlung von Bischöfen geschaffen, auch nicht einfach nur Canones. Lange Jahrhunderte bevor sich im Zuge der Institutionalisierung von Orden Generalkapitel herausbildeten, hat man in den Jahren 816/17 in Versammlungen von Äbten eine sehr spezifische und durchaus zielführende Form der Willensbildung zur Reform des Mönchtums im Frankenreich gefunden.

Britta Mischke

Spuren von Urkundenformular in den fränkischen Herrschererlassen bis 840

Der vorliegende Beitrag1 greift eine alte Streitfrage der Kapitularienforschung wieder auf, nämlich die, ob es eine verbindliche äußere Form dieser Rechtstexte gab, die womöglich entscheidend war für ihre Rechtsgeltung. Im Kontext einer breiteren Debatte über die Bedeutung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Bereich der Kapitularien hat Reinhard Schneider die These aufgestellt, dass die Originalfassungen aller Kapitularien eine den Urkunden ähnliche, verbindliche Form gehabt hätten, die jedoch im Zuge der Überlieferung bei der Mehrzahl der Stücke verlorengegangen sei.2 Arnold Bühler hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei den von Schneider angeführten Beispielen für Kapitularien mit königlichen Unterfertigungen eher um Ausnahmen als um den Regelfall handele und auch die gelegentlich als authentica bezeichneten Exemplare für das Palastarchiv keine Originale nach Art der Urkunden darstellten, sondern lediglich ordnungsgemäße Vorlagen für Kopien gewesen seien.3 Mittlerweile hat sich die von Schneiders Extremposition weit entfernte Ansicht Hubert Mordeks allgemein durchgesetzt, nach der nicht die äußere Form, sondern die »sachliche Authentizität« der Kapitularien entscheidend für ihre Rechtsgeltung gewesen sei.4 1 Ich danke Prof. em. Dr. Theo Kölzer, Dr. Patrick Breternitz und Dr. Sören Kaschke für hilfreiche Hinweise und Korrekturen. 2 Reinhard Schneider, Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 23 (1967), S. 273–294, hier S. 292: »Aufgrund unserer bisherigen Beobachtungen dürfen wir vielmehr annehmen, daß in der Regel die Kapitularienoriginale als Original kenntlich gemacht waren, daß sie unterschrieben und beglaubigt wurden.«; ders., Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Bereich der Kapitularien, in: Peter Classen (Hg.), Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977, S. 257–279, hier S. 269 f.: Die Abfassung der Kapitularien in urkundlicher Form (d. h. mit Protokoll und Eschatokoll, Inscriptio, Unterfertigung des Herrschers) sei der »Regelfall« gewesen. 3 Arnold Bühler, Capitularia relecta. Studien zur Entstehung und Überlieferung der Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik 43 (1986), S. 305–501, hier S. 461–465. 4 Hubert Mordek, Karolingische Kapitularien, in: Ders. (Hg.), Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, Sigmaringen 1986, S. 25–50, hier S. 35; Gerhard Schmitz, Kapitularien, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 (22011), Sp. 1604–1612.

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Im Kontext der in Arbeit befindlichen Neuedition der Kapitularien ist diese alte Frage immer noch relevant, wenn auch unter einem veränderten Blickwinkel. Weil sich von den Kapitularien keines im Original beziehungsweise dem Erstexemplar erhalten hat, ist es besonders schwierig zu rekonstruieren, welche äußere Form ein ›typisches‹ Kapitular gehabt haben könnte. Wir sind angewiesen auf die zum Teil stark unterschiedlichen Textfassungen der Überlieferung, die in den meisten Fällen keine oder nur sehr knappe Einleitungen oder Protokolle zu den einzelnen Texten bewahrt haben. Die Entscheidung, ob eine solche Einleitung ›authentisch‹ ist, also vermutlich schon im Erstexemplar eines Textes stand, oder ob sie nachträglich von einem Kopisten hinzugefügt wurde, der vielleicht Versatzstücke aus der Vorlage übernahm, vielleicht aber auch ganz unabhängig von dieser formulierte, kann nur für jeden Einzelfall beantwortet werden.5 Eine solche Einzelfallprüfung steht auf festerem Grund, wenn sie auf Vergleichsfälle zurückgreifen kann. Zu diesem Zweck soll hier ein Überblick über die Kapitularien, in denen sich solche an das Urkundenformular erinnernden Versatzstücke finden, geboten und eventuelle Regelmäßigkeiten oder Entwicklungstendenzen der Formularverwendung aufgezeigt werden. Dabei werden auch aus den Vorarbeiten zur Neuedition hervorgehende Beobachtungen zu den verschiedenen überlieferten Textversionen herangezogen. Die Prüfung auf Formularversatzstücke muss dabei stärker differenzieren als dies üblicherweise getan wurde. Pauschale Urteile wie »Urkundennähe«, »Diplomform« etc.6 sollen meist nur suggerieren, dass für einen Text eine feierliche oder offizielle Form gewählt wurde, oder aber sie sollen beweisen, dass ein bestimmter Text von der Herrscherkanzlei ausgefertigt wurde.7 Um Letzteres hinreichend zu belegen, reicht es jedoch nicht aus, darauf zu verweisen, dass sich im entsprechenden Text Teile finden, deren Funktion sich mit den von der Diplomatik eingeführten Fachbegriffen benennen lässt; wenn man eine im Text 5 Vgl. dazu Gerhard Seeliger, Die Kapitularien der Karolinger, München 1893, S. 11 f., 19 f.; François Louis Ganshof, Was waren die Kapitularien?, Darmstadt 1961, S. 64 f. 6 Vgl. beispielsweise die Bandbreite von Bezeichnungen, die in der Forschung zur Umschreibung der Form der Divisio regnorum verwendet werden, bei Sören Kaschke, Die karolingischen Reichsteilungen bis 831. Herrschaftspraxis und Normvorstellungen in zeitgenössischer Sicht, Hamburg 2006, S. 301 Anm. 18 (»feste urkundliche Form«, »Mandats­ charakter« etc.); zusätzlich Matthias M. Tischler, Die »Divisio regnorum« von 806 zwischen handschriftlicher Überlieferung und historiographischer Rezeption, in: Brigitte Kasten (Hg.), Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, Köln 2008, S. 193–258, hier S. 59: »Diplomcharakter«. 7 Die ältere Forschung ging meist von der Zuständigkeit der Herrscherkanzlei für die Ausstellung der Kapitularien aus; zum Beispiel Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1, Leipzig 21906, S. 568; Wilhelm A. Eckhardt, Die Capitularia missorum specialia von 802, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 12 (1956), S. 498–516, hier S. 508 f.; Robert-Henri Bautier, La chancellerie et les actes royaux dans les royaumes carolingiens, in: Bibliothèque de l’Ecole des Chartes 142 (1984), S. 5–80, hier S. 73.

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enthaltene Begründung für dessen Aufzeichnung oder die Darstellung seiner Entstehungsumstände mit »Arenga« oder »Narratio« bezeichnet, heißt das noch lange nicht, dass darin auch dieselben Formulierungen benutzt wurden wie in den entsprechenden Teilen der Urkunden desselben Herrschers.8 Stattdessen muss die Verwendung kanzleigemäßen Formulars in den entsprechenden Textpassagen nachgewiesen werden.9 Zwar hielten sich die Kanzleinotare auch bei der Ausfertigung der Urkunden nicht sklavisch an ein vorgegebenes Formular, aber sie griffen auf ein Repertoire von feststehenden und wiedererkennbaren Formelversatzstücken zurück, die freilich kreativ neu kombiniert werden konnten.10 Gerade in den Kapitularien lassen sich aber auch Spuren kanzleifremder Traditionen nachweisen, die aus dem Bereich der Privat- und Gerichtsurkunden stammen. Entsprechende Beobachtungen sind nicht zuletzt für die Frage, wer an ihrer Entstehung mitbeteiligt war, äußerst aufschlussreich. Darüber hinaus sind nicht alle Textpassagen, die an das Urkundenformular erinnern, gleichermaßen geeignet für einen Vergleich; so sind die im dispositiven Teil einer Urkunde enthaltenen Teile wie Arengen oder Promulgationsnotizen stark vom jeweiligen Inhalt und Entstehungsanlass abhängig, sodass aus einem abweichenden Wortlaut beziehungsweise dem Vorhandensein oder Fehlen einzelner Elemente keine Folgerungen zu ziehen sind. Relativ stabil hingegen sind die dem Protokoll11 zuzurechnenden Formeln, wozu sowohl die Einleitung mit Verbalinvocatio (zum Beispiel In nomine Dei) und der Herrschertitulatur (Intitulatio) zählt als auch das Eschatokoll mit Datierung, Nennung des Ausstellungsortes, gegebenenfalls Unterschriften des Königs selbst oder eines Kanzleimitarbeiters oder andere Elemente, die einer Urkunde Glaubwürdigkeit und dauerhafte Gültigkeit verleihen sollten. Auf diesen den Text einrahmenden Formalia des Protokolls wird daher der Schwerpunkt des Vergleichs liegen. Die Frage, ob eine einem Kapitular vorgeschaltete protokollartige Einleitung auf 8 Vgl. den Überblick über die Bestandteile eines idealtypischen Urkundenformulars bei Olivier Guyotjeannin u. a., Diplomatique médiévale, Turnhout 32006, S. 71–85. 9 »Kanzleigemäßheit« meint im Wesentlichen nur, dass die entsprechenden Formulierungen in den echten Herrscherdiplomen – im besten Fall regelmäßig – verwendet werden. Zur Problematik des Kanzleibegriffs vgl. Mark Mersiowsky, Die karolingischen Kanzleien als Problem der Forschung, in: Le corti nell’alto medioevo, Spoleto 2015, S. 503–541. 10 Dies haben für die Kanzlei Ludwigs des Frommen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven nachgewiesen Sarah Patt, Studien zu den »Formulae imperiales«. Urkundenkonzeption und Formulargebrauch in der Kanzlei Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840), Wiesbaden 2016, besonders S. 186 f. und S. 195, und Susanne Zwierlein, Studien zu den Arengen in den Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840), Wiesbaden 2016. 11 Hier verwendet im Sinne des Fachbegriffs für den formelhaften Eingangs- und Schlussteil einer Urkunde im Unterschied zum Kontext (dem dispositiven, den eigentlichen Rechtsinhalt enthaltenden Teil); vgl. Harry Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1, Berlin 31958, S. 45–49; Guyotjeannin u. a., Diplomatique médiévale, S. 72–76.

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die originale Textfassung zurückgeht oder nachträglich ergänzt wurde, oder ob sogar ein ursprünglich vorhandenes Protokoll weggelassen oder umformuliert wurde, kann dabei nur exemplarisch angesprochen werden.12 Die Untersuchung beginnt mit den Erlassen der Merowinger, deren formale Gestaltung sehr stark an das Urkundenformular erinnert, und konzentriert sich dann auf die »große Zeit der Kapitularien«,13 nämlich die Zeit Karls des Großen und Ludwigs des Frommen bis 829, wobei auch die Kapitularien Lothars bis 832 miteinbezogen werden. Mit den 830er Jahren findet eine Zäsur in der Kapitularienproduktion statt, die das Ende des Untersuchungszeitraumes darstellt; die hauptsächlich im Westfrankenreich sowie in Italien nach 840 erlassenen Kapitularien entstanden in einem politisch gewandelten Umfeld und folgten in Inhalt und Form eigenen Regeln, die einer separaten Untersuchung bedürfen.14

1.

Vorläufer der Kapitularien bis zum ausgehenden 8. Jahrhundert

1.1 Merowinger Ob die in der MGH-Edition als Nummern 1–9 edierten Texte der Merowingerzeit15 als Kapitularien bezeichnet werden sollten oder nicht, ist seit Längerem 12 Von der grundsätzlichen Möglichkeit des Weglassens oder der Umformung von Protokoll­ teilen im Zuge des Kopierens gehen zum Beispiel aus Theodor Sickel, Acta regum et imperatorum Karolinorum digesta et enarrata, Bd. 1. Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger (751–840), Wien 1867, S. 415 f. und Ganshof, Kapitularien, S. 64 f. 13 Ganshof, Kapitularien, S. 154. 14 Vgl. zur Gesetzgebung unter Karl dem Kahlen Janet Nelson, Legislation and Consensus in the Reign of Charles the Bald, in: Dies., Politics and Ritual in Early Medieval Europe, London 1986, S. 91–116; zum Versiegen der Kapitularienproduktion nach 832 und möglichen Gründen dafür vgl. Mathias Geiselhart, Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I. in Italien, Frankfurt am Main 2002, S. 252 f.; Simon MacLean, Legislation and Politics in Late Carolingian Italy. The Ravenna Constitutions, in: Early Medieval Europe, 18 (2010), S. 394–416, hier S. 415 f. und François Bougard, »Italia infirma est patria et escat generat noxias«. Le royaume d’Italie et Louis le Pieux, in: Philippe Depreux / Stefan Esders (Hg.), La productivité d’une crise / Produktivität einer Krise. Le règne de Louis le Pieux (814–840) et la transformation de l’Empire carolingien / Die Regierungszeit Ludwigs des Frommen (814–840) und die Transformation des karolingischen Imperiums, Ostfildern 2018, S. 157–183, hier S. 171 f. 15 Benutzt wurde die Edition Capitularia regum Francorum, hg. von Alfred Boretius / Victor Krause, 2 Bde., MGH Capit. 1–2, Hannover 1883 und 1897, soweit keine neuere Edition vorliegt. Die seit der Edition von Boretius / K rause neu entdeckten Texte aus der Herrschaftszeit der Merowinger, die Hubert Mordek im Anhang zu seiner Bibliotheca ediert hat (Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, München 1995, Anhang I, S. 970–973, Nr. 1–3), sind nur als Auszug in einer Kanonessammlung beziehungsweise als Inserte in Heiligenviten überliefert und enthalten keinerlei Hinweise

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umstritten.16 Die Selbstbezeichnung capitulare begegnet jedenfalls erstmals 779 unter Karl dem Großen (Kapitular von Herstal),17 während sich die früheren Stücke anderer, meist an römische Traditionen anknüpfender Begriffe bedienen.18 Unter dem Aspekt ihrer Inhalte und des in ihnen deutlich werdenden Zusammenwirkens von Kirche und Königtum sind sie allerdings durchaus als Vorläufer der karolingischen Kapitulariengesetzgebung anzusehen.19 Hinzu kommt, dass sich in dieser Gruppe am stärksten Anklänge an das Urkundenformular finden, weshalb eine Untersuchung der Entwicklung der Formularverwendung in den Kapitularien hier ihren Ausgangspunkt zu nehmen hat. Für eine ausführliche Analyse des Urkundenformelguts in den Merowingererlassen kann auf die Untersuchungen Ingrid Wolls und Theo Kölzers verwiesen werden.20 Woll konnte eine Reihe unterschiedlicher formaler Einflüsse aus anderen spätantiken Textsorten (Rechtskodifikationen, kaiserlichen Konstitutionen sowie den Edikten der römischen Provinzialbeamten und Konzilsakten) sowohl auf Einleitungs- und Schlussformeln wie auf den dispositiven Teil aufzeigen. Tendenziell orientierte man sich dabei eher an Formulierungen des weltli-

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auf eine eventuelle Formelverwendung in den Vorlagen, so dass sie für die vorliegende Untersuchung nicht verwendet werden können. Darüber hinaus hat Ingrid Woll, Unter­ suchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien, Frankfurt am Main 1995, S. 184–246 eine Reihe von verlorenen Stücken (Deperdita) plausibel gemacht, von denen sich aber kein Wortlaut erhalten hat. Vgl. die Zusammenfassung der Argumente für und gegen eine Zuordnung zu den Kapitularien bei Osamu Kano, La genèse du capitulaire et son contexte diplomatique, in: Shoichi Sato (Hg.), Genesis of historical text. Text / Context. Proceedings of the fourth International Conference Studies for the Integrated Text Science, Osaka 2005, S. 91–98, hier S. 92. Nr. 20, MGH Capit. 1, S. 47, Z. 18. Siehe dazu Ganshof, Kapitularien, S. 14; Hubert Mordek, Die Anfänge der fränkischen Gesetzgebung für Italien, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 85 (2005), S. 1–35, hier S. 6 sowie ders., Karls des Großen zweites Kapitular von Herstal und die Hungersnot der Jahre 778/779, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 61 (2005), S. 1–52. Peter Classen, Kaiserreskript und Königsurkunde. Diplomatische Studien zum römischgermanischen Kontinuitätsproblem, in: Archiv für Diplomatik 1 (1955), S. 1–87 und Archiv für Diplomatik 2 (1956), S. 1–115, hier S. 143: »Eine feste Terminologie für die Königsgesetze gibt es nicht. Die Ausdrücke edictum, auctoritas, praeceptio, decretum, definitio werden wahllos gebraucht; sie entstammen alle der spätrömischen Rechtssprache.« – Im Folgenden wird für die merowingischen Gesetze daher die neutralere Bezeichnung ›Erlass‹ anstelle von ›Kapitular‹ verwendet, ohne dass damit zugleich eine Zuordnung zu einer definierten Textgattung gemeint ist. Vgl. Hubert Mordek, Fränkische Kapitularien und Kapitulariensammlungen. Eine Einführung, in: Ders., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung. Aufsätze über Kapitularien und Kapitulariensammlungen ausgewählt zum 60. Geburtstag, hg. v. Michael Glatthaar / Oliver Münsch, Frankfurt am Main 2000, S. 1–53, hier S. 4 f. Woll, Untersuchungen, S. 116–132; Theo Kölzer, Die merowingischen Kapitularien in diplomatischer Sicht, in: Oliver Münsch / Thomas Zotz (Hg.), Scientia veritatis. Festschrift Hubert Mordek, Ostfildern 2004, S. 13–23, 15–18.

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chen als an solchen des kirchlichen Rechts und nahm sich eher die Schrift­stücke der römischen Provinzialbeamten zum Vorbild als diejenigen der Kaiser;21 letzteres gilt auch für die merowingischen Königsurkunden.22 Kölzer stellte bei seiner Untersuchung des in den merowingischen Erlassen verwendeten Urkundenformulars fest, dass nur die späten Texte (Nr. 5 und 7–9),23 die in den Zeitraum zwischen 585 und 614/16 datiert werden, kanzleitypische Formularbestandteile aufweisen. Dieser Befund lässt sich einordnen in den von Kölzer im Anschluss an Peter Classen24 skizzierten zeitlichen Rahmen eines Wandels der Königsurkunde von der Spätantike zum Frühmittelalter, der nach dem Tod Chlothars I. (†  561) und den darauffolgenden bella civilia einsetzte, als deren Folge nördlich der Loire die letzten Reste provinzialrömischer Verwaltung und damit einhergehend auch das Aktenwesen zerstört worden seien.25 Diese Ereignisse bedingten einen entscheidenden Funktionswandel der Königsurkunden, die seitdem aus sich selbst heraus Rechtssicherheit schaffen und bewahren mussten; sie wandelten sich zu dauerhaften und aufzubewahrenden Rechtstiteln.26 Da die älteste echte Merowingerurkunde allerdings erst von 596 datiert, wäre das Urkundenformular sogar bereits ein Jahrzehnt vorher in den Erlassen nachweisbar, was Kölzer als Beleg dafür sieht, dass sich

21 Woll, Untersuchungen, S. 154–167. 22 Vgl. Classen, Kaiserreskript, S. 189 f. und Kölzer, Die merowingischen Kapitularien, S. 19. 23 Nr. 6, MGH Capit. 1, S. 12–14, wird von Woll nicht zu den Kapitularien gezählt und von Kölzer nicht berücksichtigt. Es handelt sich dabei um den nur bei Gregor von Tours überlieferten sogenannten »Vertrag von Andelot« zwischen König Gunthram und seinem Neffen Childebert II . von Austrien; vgl. dazu Anna Maria Drabek, Der Merowingervertrag von Andelot aus dem Jahre 587, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 78 (1970), S. 34–41. 24 Classen, Kaiserreskript und ders., Fortleben und Wandel spätrömischen Urkunden­ wesens im frühen Mittelalter, in: Ders. (Hg.), Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977, S. 13–54. 25 Diese Annahme wurde durch die Forschungen von Josiane Barbier, Archives oubliées du haut Moyen Âge. Les gesta municipalia en Gaule franque (VIe–IXe siècle), Paris 2014, grundlegend in Frage gestellt. Ausgehend von Privaturkunden, die in ihren Formulierungen auf die spätantike Praxis der Eintragung von Rechtsgeschäften in städtische Register, die Gesta municipalia, Bezug nehmen, schließt sie auf ein Fortbestehen dieser Institutionen in Gallien über das 7. Jh. hinaus. Der Quellenbefund lässt sich nach dem Vorschlag Warren Browns jedoch auch anders erklären, nämlich als ein Festhalten an der Praxis des öffentlichen Validierens von Rechtsgeschäften, bei dem man auf das mit dem Eintrag in die Gesta municipalia verbundene Ritual und die zugehörigen Formeln rekurrierte, obwohl es das städtische Register als Institution nicht mehr gab; vgl. Warren C. Brown, The gesta municipalia and the public validation of documents in Frankish Europe, in: Ders. u. a. (Hg.), Documentary culture and the laity in the early Middle Ages, Cambridge 2013, S. 95–124. 26 Die Urkunden der Merowinger, hg. von Theo Kölzer, 2 Bde., MGH DD Mer. 1–2, Hannover 2001 (im Folgenden zitiert als MGH DD Mer.), Einleitung, S. XXIII, XXVII .

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die Königsurkunde bereits seit ca. 585 als ein »Rechtsdokument sui generis« etabliert hatte.27 Die pauschale Feststellung, dass sich in den merowingischen Herrschererlassen Urkundenformelgut findet, ist allerdings zu präzisieren. Es finden sich darunter zwar Erlasse mit einem Protokoll, das in großen Teilen wörtlich dem Kanzleibrauch der erst aus späterer Zeit überlieferten Urkunden entspricht (Nr. 5, 7 und 9);28 dieselben Texte weisen jedoch auch Merkmale anderer Textgattungen auf.29 Nicht zuletzt orientieren sich einige Stücke auch noch deutlicher an römischen Traditionen als an merowingischen (Nr. 6, 8).30 27 Kölzer, Die merowingischen Kapitularien, S. 20. Bezüglich weitergehender Schlussfolgerungen von Detlef Liebs, gemäß denen die Überschneidung von Urkunden- und Kapitularienformeln für die Tätigkeit ausgebildeter Juristen in der merowingischen Königskanzlei spreche, welche sowohl die Urkunden diktiert hätten wie in legislatorische Aktivitäten involviert gewesen seien, bleibt Kölzer jedoch skeptisch (Ebd., S. 22 f.). 28 Nr. 5: Guntchramni regis edictum (585 November 10), MGH Capit. 1 S. 10–12. Nr. 7: Childeberti secundi decretio (596 Februar 29, Datierung nach Woll, Untersuchungen, S. 36–39: 596 März 1, so auch Hubert Mordek, Decretio Childeberti, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 21 Sp. 936–940), MGH Capit. 1 S. 15–17; Neuedition von Wilhelm A. Eckhardt, Die Decretio Childeberti und ihre Überlieferung, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 84 (1967), S. 1–71, hier S. 28–51. Nr. 9: Chlotharii II . edictum (614 Oktober 18), MGH Capit. 1 S. 20–23. Vgl. zu den inneren Merkmalen der Merowingerurkunden Kölzer, Einleitung zu MGH DD Mer., S. XXII–XXVI . 29 Nr. 5 erinnert in der persönlichen Ansprache der Empfänger (Ad vos ergo, sacrosancti pontifices … Sed vos, apostolici pontifices … MGH Capit. 1 S. 11, Z. 21 und 38) eher an einen Brief; auch die gewählte Formulierung hebt sich vom nüchternen Stil eines Urkundentextes ab, vgl. Kölzer, Die merowingischen Kapitularien, S. 16. Nr. 7 weist mit der alleinigen Unterschrift eines Referendars anstatt einer königlichen Subscriptio sowie der an Gerichtshalterfomeln erinnernden Einleitung Cum in Dei nomine nos omnes Kalendas Marcias de quascumque condiciones una cum nostris optimatibus pertractavimus (MGH Capit. 1, S. 15, Z. 15–17) charakteristische Elemente der in der Merowingerzeit neu aufkommenden Placita auf; vgl. zu diesen Andrea Stieldorf, Zum »Verschwinden« der herrscherlichen Placita am Beginn des 9. Jahrhunderts, in: Archiv für Diplomatik 53 (2007), S. 1–26. 30 Nr. 6: Pactum Guntchramni et Childeberti II . (587 November 29), MGH Capit. 1 S. 12–14; vgl. dazu François Louis Ganshof, Les traités des rois mérovingiens, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 32 (1964), S. 163–192, 505 f.; hier S. 184–187 sowie Drabek, Merowingervertrag, S. 34–41. Nr. 8: Chlotharii II . praeceptio (584–628 [?]), MGH Capit. 1 S. 18 f. Zu Inhalt, Form und Entstehungskontext des Textes vgl. Stefan Esders, Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum. Zum Rechtscharakter politischer Herrschaft in Burgund im 6. und 7. Jahrhundert, Göttingen 1997; ebd. S. 82–85 auch eine Neuedition mit Übersetzung. Esders vertritt die bereits von Boretius / K rause vorgenommene Zuschreibung an Chlothar II . (584–629) mit neuer Begründung; zustimmend Kölzer, Die merowingischen Kapitularien, S. 14; Teile der Forschung sehen hingegen in Chlothar I. (511–561) den Aussteller, so u. a. Woll, Untersuchungen, S. 17–29 und Karl Ubl, Sinnstiftungen eines Rechtsbuchs. Die Lex Salica im Frankenreich, Ostfildern 2017, S. 119 mit Anm. 100 sowie künftig Michael Glatthaar, Collectio Corbeiensis.

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Die drei ältesten merowingischen Erlasse (Nr. 2–4)31 sind hingegen ohne ein Protokoll überliefert. Die ihnen beigegebenen Inskriptionen lassen jedoch möglicherweise den Schluss zu, dass auch sie ursprünglich ein solches enthielten, das allerdings im Zuge der Überlieferung weggelassen bzw. zu Inskriptionen umgeformt wurde.32 Über dessen Wortlaut und damit eventuelle Anlehnung an römische oder merowingische Traditionen lässt sich allerdings nichts sagen; erst seit dem Ende des 6. Jahrhunderts lassen sich in den Texten regelmäßig Versatzstücke aus dem Formelgut der Merowingerkanzlei nachweisen.

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Hausmeier / Arnulfinger

Bei den drei aus der Hausmeierzeit stammenden Texten in der MGH-Kapitularien­ edition, zwei von Karlmann (Nr. 10 und 11) und eines von Pippin dem Jüngeren aus seiner Zeit vor der Königserhebung (Nr. 12), handelt sich um Beschlüsse von Synoden, die in den Teilreichen des jeweiligen Herrschers tagten: das sogenannte Concilium Germanicum, das wahrscheinlich 742 in Köln stattfand, sowie die Synoden von Estinnes (wahrscheinlich 743) und Soissons (744).33 Alle drei Texte 31 Nr. 2: Childeberti I. regis praeceptum (wohl 534/541, um 538?), MGH Capit. 1 S. 2 f. (Datierung nach Dr. Michael Glatthaar, Freiburg, der eine Neuedition des Textes vorbereitet); Nr. 3: Pactus Childeberti I. et Chlotharii I. (511–558), MGH Capit. 1, S. 3–7, neu ediert von Karl August Eckhardt (Hg.), Pactus legis Salicae 2/2: Kapitularien und 70 Titel-Text, Göttingen 1956, S. 386–408 und ders. (Hg.), Pactus legis Salicae, Hannover 1962, S. 250–252; Datierung nach Woll, Untersuchungen, S. 17: Mitte der 20er bis Mitte der 30er und Anfang der 40er bis Mitte der 50er Jahre des 6. Jahrhunderts; Datierung nach Michael Glatthaar, Der Edictus Chilperichs I. und die Reichsversammlung von Paris (577), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 73 (2017), S. 1–74, hier S. 64–74: wohl 541; Datierung nach Ubl, Sinnstiftungen, S. 102: zwischen 525 und 555; Nr. 4: Chilperici edictum (561–584), MGH Capit. 1, S. 8–10; Datierung nach Woll, Untersuchungen, S. 29–33: Nach 567 bis 584, um 575?; Datierung nach Glatthaar, Edictus: 577. 32 So könnte der im Incipit zu Nr. 2 genannte Name Childeberts, der im Text selbst nicht erwähnt wird, und die im Text von Nr. 4 gleichfalls nicht enthaltenen Informationen über den Aussteller und die Bezeichnung der Kapitelliste als ›Edikt‹ nach der Vermutung Glatthaars aus einem weggelassenen Einleitungs- oder Schlussteil übernommen worden sein; freundliche Mitteilung von Dr. Michael Glatthaar (zu Nr. 2) sowie ders., Edictus S. 49 (zu Nr. 4). Vgl. auch Kano, Genèse du capitulaire, S. 96: »… il est probable que tous les édits mérovingiens ont été munis d’un protocole composé de la suscription et de l’adresse.« 33 Nr. 10: Karlmanni principis capitulare (742/3), MGH Capit. 1 S. 24–26, Neuedition: Concilia aevi Karolini, hg. von Albert Werminghoff, MGH Conc. 2, 1, Hannover 1906 (im Folgenden zitiert als MGH Conc.  2, 1), S. 1–4 (Concilium in Austrasia habitum q. d. Germanicum) und Nr. 11: Karlmanni principis capitulare Liftinense (743/4), MGH Capit. 1 S. 26–28, neu ediert von Werminghoff, MGH Conc. 2, 1, S. 5–7 (Concilium Liftinense) sowie Nr. 12: Pippini principis capitulare Suessionense, MGH Capit. 1 S. 28–30, neu ediert von Werminghoff, MGH Conc.  2, 1, S. 33–36 (Concilium Suessionense). Vgl. zu den Synoden Carlo de Clercq, La législation religieuse franque de Clovis à Charlemagne,

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sind zwar im Namen des jeweiligen Hausmeiers verkündet worden, heben aber das Zusammenwirken von Hausmeier und Bischöfen ausdrücklich hervor.34 Der Prolog zum Concilium Germanicum (Nr. 10) wird eröffnet mit einer Invocatio und einer Titulatur: In nomine Domini nostri Iesu Christi. Ego Karlmannus, dux et princeps Francorum. Danach werden das Datum der Versammlung (mit Angabe des Inkarnationsjahrs) sowie die Namen der teilnehmenden Bischöfe genannt. Die Synode von Estinnes (Nr. 11) ist ohne einen Prolog überliefert, hat aber eine kurze Einleitung mit Nennung von Datum und Ort der Synode, wie es in Konzilsakten üblich ist.35 Zudem folgt sie in den Handschriften immer direkt auf Nr. 10, an das sie mit einer kurzen Überleitung angeschlossen wird,36 sodass der Zusammenhang zwischen beiden Stücken evident war und ein förmliches Protokoll des zweiten Stücks  – falls in der Vorlage überhaupt vorhanden – daher nicht wiederholt zu werden brauchte.37 Beide Texte sind ausschließlich in eng mit Bonifatius verbundenen Quellenzeugnissen überliefert, nämlich in dessen Briefsammlung sowie den Sententiae Bonifatianae,38 und wurden evtl. von diesem mit entworfen und / oder überarbeitet.39 Der Erlass Pippins (Nr. 12) beginnt ebenfalls mit einer  – allerdings abweichenden  – Invocatio (In Dei nomine trinitatis), worauf zuerst die Datierung (nach dem Inkarnationsjahr und zusätzlich nach dem Herrschaftsjahr Childerichs III.)40 folgt und dann die Nennung des Ausstellers mit derselben Titulatur, Bd. 1: Étude sur les actes de conciles et les capitulaires, les statuts diocésains et les règles monastiques (507–814), Louvain 1936, S. 117–124 sowie Wilfried Hartmann, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, Paderborn 1989, S. 50–59. 34 Nr. 10: … cum consilium servorum Dei et optimatum meorum episcopos, qui in regno meo sunt, cum presbiteris et concilium et synodum pro timore Christi congregavi … (MGH Conc. 2, 1 S. 2, Z. 15–17); Nr. 11: Statuimus quoque cum consilio servorum Dei et populi Christiani … (ebd. S. 7, Z. 10); Nr. 12: … qualiter nos in Dei nomine una cum consensu episcoporum sive sacerdotum vel servorum Dei consilio seu comitibus et obtimatibus Francorum conloqui … (ebd. S. 33, Z. 27 f.). 35 Michael Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil in den Kapitularien Karls des Großen. Ein Beitrag zur Frage ihrer Entstehung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 70 (2014), S. 1–42, hier S. 4: »nach konziliarem Vorbild«; vgl. zur Nähe zu den Konzilsakten auch Schneider, Zur rechtlichen Bedeutung, S. 279 f. 36 Zum Beispiel in Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Rastatt 22, fol.  53v: DE ALIO SYNO­DALI CONVENTU (Mordek, Bibliotheca, S. 189). 37 Jörg Jarnut, Bonifatius und die fränkischen Reformkonzilien (743–748), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 65 (1979), S. 1–26, hier S. 4 deutet diesen Überlieferungsbefund als Beleg dafür, »daß man schon sehr früh beide Konzilien als Einheit betrachtete.« 38 Vgl. zur Überlieferung der Briefsammlung Mordek, Bibliotheca S. 187 f., zur Überlieferung in den Sententiae Bonifatianae ebd., S. 774 und Glatthaar, Bonifatius, S. 469 f. 39 Glatthaar, Bonifatius, S. 306 f. 40 Anno septingentesimo quadragesimo quarto ab incarnatione Christi sub die VI. Nonas Martii et luna XIIII. in anno secundo Childerici regis Francorum … (MGH Conc. 2, 1, S. 33, Z. 24–26).

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wie sie auch von Karlmann verwendet wurde. Am Ende der Beschlüsse folgt eine Sanctio, die für ein Zuwiderhandeln eine Strafzahlung gemäß der Leges festsetzt, aber zugleich für die Befolgung einen spirituellen Lohn in Aussicht stellt.41 Darauf folgt eine Liste mit den Unterfertigungen Pippins sowie dreier weiterer Personen (Radobod, Aribert, Helmigaud). An dieser Stelle wird Pippin, abweichend von der eingangs gewählten Titulatur, der aus den Urkunden bekannte, kanzleigemäße Hausmeier-Titel (Signum inluster vir Pippino, maiorum domus)42 beigegeben, während die anderen Personen ohne Amtsbezeichnungen oder Titel bleiben. Obwohl die (wenn auch etwas kurz geratene) Unterschriftenliste an die Teilnehmerlisten anderer Konzilien erinnert, handelt es sich bei den namentlich Genannten wahrscheinlich nicht um Bischöfe, sondern um Laien.43 Auf den ersten Blick scheint sich auch in den Kapitularien der Hausmeier urkundentypisches Formelgut wiederzufinden. Vergleicht man diese Passagen jedoch mit den überlieferten echten Urkunden Karlmanns44 und Pippins,45 so treten die Unterschiede deutlich zutage. In den Urkunden der Arnulfinger ist eine Invocatio generell unüblich.46 Gleiches gilt für die Datierung nach Inkarnationsjahren, denn die Hausmeierurkunden (sofern sie mit einer Datierung überliefert sind) datieren nur nach den Regierungsjahren des amtierenden Merowingerkönigs47 und nicht zusätzlich nach Inkarnationsjahren. Besonders auffällig ist die vom offiziellen Urkundentitel (inluster vir [N. N.] maior domus) abweichende Titulatur, die bei Karlmann und Pippin gleichlautend, aber in keinem anderen Dokument der Zeit nachweisbar ist: Ego [N. N.], dux et princeps Francorum.48 41 Si quis contra hanc decretam … transgredire vel legem inrumpere voluerint vel dispexerint … conponat secundum quod in lege scriptum est unusquisque iuxta ordine suo. Et si haec omnia observavimus, quod superius scriptum est, Christi misericordia invenire aptemus in saecula saeculorum. Amen. (MGH Conc. 2, 1, S. 36, Z. 5–7). – Vgl. zum Inhalt der Sanctio auch Glatthaar, Bonifatius, S. 316–319. 42 MGH Conc. 2, 1, S. 36, Z. 8; Glatthaar, Bonifatius, S. 310 schlägt nach dem Schema zeitnaher Originalurkunden, aber gegen die Überlieferung die Lesung Signum inlustri viro Pippino, maiore domus vor. 43 Vgl. Glatthaar, Bonifatius, S. 312–314, der von einer ursprünglich längeren Liste ausgeht, die aber vom Kopisten gekürzt worden sei. 44 Die Urkunden der Arnulfinger, hg. von Ingrid Heidrich, MGH DD Arnulf., Hannover 2011 (im Folgenden zitiert als MGH DD Arnulf., die einzelnen Urkunden als D Arnulf. [Editions-Nr.]); hier D Arnulf. 15. 45 Aus der Hausmeierzeit: DD Arnulf. 17–24. 46 Vgl. Ingrid Heidrich, Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, in: Archiv für Diplomatik 11/12 (1965/1966), S. 71–279, hier S. 134. 47 Heidrich, Einleitung zu DD Arnulf., S. XXXIII; die einzige aus der ›königslosen Zeit‹ zwischen 737 und 743 überlieferte Urkunde Pippins (D Arnulf. 17) datiert nach dessen Prinzipatsjahr. 48 Vgl. zu diesem Titel Herwig Wolfram, Intitulatio, Bd. 1. Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, Graz 1967, S. 136–155.

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Die Selbstbezeichnung mit Ego entspricht dem Gebrauch in zeitgenössischen Privaturkunden.49 Wie Ingrid Heidrich herausgestellt hat, erscheint das Ego auch regelmäßig in denjenigen Arnulfingerurkunden, die gemäß der von ihr vorgenommenen Klassifizierung einen privatrechtlichen Charakter haben: Schenkungs- und Tauschurkunden, in denen der Herrscher nicht in erster Linie als Hausmeier, sondern als Grundbesitzer, also gewissermaßen als ›Privatmann‹, agiert. In den von Heidrich als Urkunden mit hoheitsrechtlichem Charakter klassifizierten Stücken, also zum Beispiel Placita, Schutz- und Immunitäts­ urkunden, fehlt das Ego vor der Intitulatio. Da die Verkündung der Konzils­ beschlüsse als allgemeines Gesetz, zumindest nach heutigen Vorstellungen, einen eindeutig hoheitsrechtlichen Charakter hat, mag dieser Befund zunächst erstaunen;50 er lässt sich jedoch vor dem Hintergrund der spezifischen Situation, in der sich die Hausmeier befanden, erklären. Diese agierten nämlich zugleich faktisch anstelle der amtierenden Merowingerkönige. Im Nicht-Aufgreifen der merowingischen Kanzleigepflogenheiten lässt sich eine bewusste Abkehr von der Tradition sehen, an die Karlmann und Pippin natürlich gebunden waren, solange sie anstelle des Königs Hoheitsrechte verliehen oder bestätigten und darüber Urkunden ausstellen ließen. Für die Verkündung von Konzilsbeschlüssen gab es hingegen keine merowingische Tradition, an der man sich orientieren konnte oder musste.51 Hierbei konnten die Hausmeier also ihre eigene politische Agenda verfolgen, die sich besonders deutlich in der Intitulatio dux et princeps Francorum offenbart: Herwig Wolfram sieht darin »eine gezielte Manifestation des karolingischen Herrschaftsanspruches«, für die bewusst Begriffe ausgewählt wurden, die der Sphäre des Königtums angehörten, die aber zugleich den eindeutigen Titel rex vermieden.52 Bei dieser bewussten Absetzung von den merowingischen Kanzleigepflogenheiten bediente man sich offenbar aus dem Formenrepertoire der angelsäch­ sischen Tradition, die über Bonifatius, die treibende Kraft hinter den Reformkonzilien unter dem Vorsitz der Hausmeier, vermittelt worden sein dürfte. Zu den von dort übernommenen Elementen zählen sowohl die Datierung nach Inkarnationsjahren, die in den Akten des Concilium Germanicum erstmals in

49 Heidrich, Titulatur S. 135 und dies., Einleitung zu MGH DD Arnulf., S. XXXI. 50 Heidrich, Einleitung zu MGH DD Arnulf., S. XXXI. 51 Das von Chlothar II . einberufene Konzil von Paris 614 tagte ohne den König, der dessen Beschlüsse erst acht Tage später im Rahmen einer Versammlung mit den weltlichen Großen bestätigte (De Clercq, Législation religieuse, S. 61 f.; Odette Pontal, Die Synoden im Merowingerreich, Paderborn 1986, S. 182); daher liegen die Beschlüsse einmal in der von den Bischöfen verabschiedeten Form (hg. von Friedrich Maassen, MGH Conc. 1, Hannover 1893, S. 185–192) und einmal als königlicher Erlass (Nr. 9, s.o Anm. 28) vor. 52 Wolfram, Intitulatio, S. 136–155, besonders S. 152–155; das Zitat auf S. 146.

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einem offiziellen fränkischen Dokument nachzuweisen ist,53 sowie die auf dem Kontinent gänzlich unübliche Angabe des Mondzyklus in der Datierung des Konzils von Soissons, worauf bereits Wilhelm Levison und Theodor Schieffer aufmerksam gemacht haben.54 Nachdem Anton Scharer in seiner Studie zu den angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8. Jahrhunderts deren Formalia systematisch beschrieben hat,55 lässt sich nun zeigen, dass alle drei Hausmeierkapitularien wesentliche Gestaltungselemente aus diesen aufgreifen. Die angelsächsischen Urkunden56 beginnen fast immer mit einer monogrammatischen Invocatio, auf die sehr häufig eine Verbalinvocatio folgt; wobei die Anrufung Christi (in Nr. 10: In nomine Domini nostri Iesu Christi) den »Grundtyp« darstellt, der in verschiedenen Variationen verwendet wird.57 Die Anrufung der Trinität (in Nr. 12: In Dei nomine trinitatis) ist zwar seltener, dafür aber in etwa zeitgleich zu den Hausmeierkonzilien ausgestellten Urkunden belegt.58 Seit den 30er Jahren des 8. Jahrhunderts wird statt der Indiktion zu­ 53 Eine Datierung nach merowingischen Herrscherjahren war freilich auch nicht möglich, da es im Jahr 742 keinen amtierenden Merowingerkönig gab (Hartmann, Synoden, S. 50 f.); dennoch wäre auch ein Rückgriff auf andere Datierungsarten denkbar. Vgl. auch James T. Palmer, The Adoption of the Dionysian Easter in the Frankish Kingdoms (c. 670–c. 800), in: Peritia 28 (2017), S. 135–154, besonders S. 148 f., der die Vermittlung insularer Datierungsstile auf den Kontinent bereits in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts durch Willibrord annimmt. 54 Wilhelm Levison, England and the Continent in the Eighth Century, Oxford 1946, S. 83 f. und Theodor Schieffer, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg i. Br. 1954, S. 215; vgl. auch Heinrich Fichtenau, »Politische« Datierungen des frühen Mittelalters, in: Herwig Wolfram (Hg.), Intitulatio, Bd. 2. Lateinische Herrscherund Fürstentitel im 9. und 10. Jahrhundert, Wien 1973, S. 453–548, hier S. 480 f. Zur Datierung nach dem Mondzyklus (luna) vgl. das Zitat oben in Anm. 40. 55 Anton Scharer, Die angelsächsische Königsurkunde im 7. und 8. Jahrhundert, Wien 1982. 56 Aufgrund der politischen Situation in England, das zu dieser Zeit in mehrere Königreiche aufgeteilt war, lässt sich keine Diplomatik »der« angelsächsischen Königsurkunde betreiben; die Urkunden wurden nicht von einer königlichen Kanzlei, sondern meist von Schreibern der Urkundenempfänger aufgesetzt, und sie unterschieden sich formal nicht wesentlich von den Privaturkunden. Einen Überblick über Entwicklung und aktuellen Stand der angelsächsischen Diplomatik gibt zum Beispiel Simon Keynes, Church councils, royal assemblies, and Anglo-Saxon royal diplomas, in: Gale Owen-Crocker / Brian Schneider (Hg.), Kingship, legislation and power in Anglo-Saxon England, Woodbridge 2013, S. 17–182, hier S. 42–51. Die im Folgenden beschriebenen Merkmale basieren auf den von Scharer herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten der aus dieser Zeit überlieferten echten Urkunden. 57 Scharer, Die angelsächsische Königsurkunde, S. 27. 58 Aethelbald von Mercia für St. Peter in Worcester (716–745) (Peter Sawyer, Anglo-Saxon Charters. An Annotated List and Bibliography, London 1968; zitiert nach der erweiterten Online-Version: The Electronic Sawyer. Online catalogue of Anglo-Saxon charters, S. 103: http://www.aschart.kcl.ac.uk/charters/s0103.html [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]) sowie wenig später bei Offa von Mercia für St. Peter in Worcester (759) (S. 104, http:// www.aschart.kcl.ac.uk/charters/s0104.html [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]). In den

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nehmend die Datierung nach Inkarnationsjahren verwendet und, wenn auch nur spärlich, daneben mitunter auch der Sonnen- und Mondzyklus angegeben.59 Die Unterschriften von Zeugen, wie wir sie am Ende von Nr. 12 antreffen, sind ebenfalls ein charakteristisches Merkmal der angelsächsischen Königsurkunden; bei ihnen handelt es sich um die Namen der Teilnehmer der Versammlungen, auf denen viele der Urkunden ausgestellt wurden.60 Nicht zuletzt findet auch die den fränkischen Urkunden und Kapitularien ansonsten fremde Einleitung mit dem Personalpronomen Ego, gefolgt von Name und Rangtitel des Ausstellers, ihre Entsprechung in den angelsächsischen Königsurkunden,61 die sich von den zeitgleichen Privaturkunden weniger formal als inhaltlich unterscheiden.62 Damit lassen sich die formalen Protokollteile, die in den Hausmeierkapitularien verwendet wurden, größtenteils auf die durch Bonifatius vermittelte Tradition der angelsächsischen Konzilien beziehungsweise der auf den dortigen Versammlungen ausgestellten Urkunden zurückführen.

1.3 Pippin der Jüngere Von den Kapitularien aus der Königszeit Pippins (Nr. 13–16, 18) weist nur das Concilium Vernense (Nr. 14)63 Protokollversatzstücke im Text auf. Es wird eröffnet mit einem Prolog, der im Stil der Synodalprotokolle Ort und Teilnehmer der Synode in Ver nennt, wobei allerdings typische Formulierungen der Urkunden verwendet werden. Pippin als Vorsitzender der Versammlung wird als gloriosissimus atque relegiosus inluster vir, Francorum rex Pippinus bezeichnet. Darin wird die von Pippin anläßlich seiner Königserhebung im Jahr 751 wieder aufgenommene, merowingische Königstitulatur rex Francorum ergänzt durch

59 60

61 62 63

fränkischen Herrscherurkunden wurde die Verbalinvocatio erst nach der Kaiserkrönung Karls des Großen eingeführt, vgl. Leo Santifaller, Über die Verbal-Invokation in Urkunden, in: Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 237, 2, Graz 1961, S. 12. Schon Santifaller äußerte die Vermutung, dass die hierbei verwendete Trinitätsformel nicht unbedingt, wie üblicherweise angenommen, auf byzantinischen Brauch zurückzuführen sein müsse, sondern durchaus auch von den aus Italien, Spanien oder eben England stammenden engsten Beratern Karls aus ihrer Heimat mitgebracht worden sein könnte. Scharer, Die angelsächsische Königsurkunde, S. 52 f. Ebd., S. 53–55. – Gegen die Grundannahme der angelsächsischen Forschungstradition, gemäß der Königsurkunden ausschließlich im Rahmen von politischen Versammlungen ausgestellt worden sein sollten, vgl. die differenziertere Position von Sören Kaschke, Politische Versammlungen im angelsächsischen England (Tagungsband »Politik und Versammlung im Frühmittelalter«, Aachen 2014, im Druck). Scharer, Die angelsächsische Königsurkunde, S. 30 f. Ebd., S. 24. MGH Capit. 1, S. 32–37 (755 Juli 11).

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eine Kombination des Hausmeiertitelbestandteils inluster vir mit dem Epitheton gloriosissimus, das üblicherweise in der Signumzeile der Urkunden gebraucht wurde.64 Die Datierung am Ende des Prologs hat ebenfalls eine kanzleiübliche Form.65 Die Niederschrift der Beschlüsse des Konzils von Ver dürfte also mit einiger Sicherheit auf ein Mitglied des Königshofs zurückgehen, das sich mit den Gepflogenheiten der Urkundenausstellung auskannte; ob diese sich allerdings mit dem Notar Baddilo identifizieren lässt, wie es Karl August Eckhardt postulierte, muss offenbleiben.66 Die nur in einer Handschrift (München, BSB, lat. 6243)67 am Anfang des Prologs überlieferte Invocatio In nomine Dei summi scheint hingegen nachträglich hinzugefügt worden zu sein, denn die Urkunden Pippins verwenden, wie ihre merowingischen Vorbilder, keine Verbalinvocatio; dafür beginnt aber die Collectio Frisingensis, als deren Anhang der Text in der Münchener Handschrift aufgenommen wurde, mit genau denselben Worten,68 was nahelegt, dass der Kompilator diese bei dem Nachtrag einfach wieder­ aufgegriffen hat. 64 Vgl. zu den inneren Merkmalen der Königsurkunden Pippins Engelbert Mühlbacher (Hg.), Die Urkunden der Karolinger 1: Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Großen, Hannover 1906 (im Folgenden zitiert als MGH DD Kar. 1, die einzelnen Urkunden als D Kar. 1, [Editions-Nr.]), Einleitung, S. 2; zum Hausmeiertitel vir inluster Heidrich, Titulatur S. 136 f. und Helmut Reimitz, »Viri inlustres« und »omnes Franci«: Zur Gestaltung der feinen Unterschiede in historiographischen und diplomatischen Quellen der frühen Karolingerzeit, in: Andreas Schwarcz / Katharina Kaska (Hg.), Urkunden  – Schriften – Lebensordnungen. Neue Beiträge zur Mediävistik, Wien 2015, S. 123–150. Das zweite Epitheton relegiosus stammt zwar nicht aus dem Protokoll der Urkunden, ist aber im Zusammenhang mit der Synode, auf der Pippin dem kanonischen Recht zur Geltung verhelfen wollte, eine naheliegende Ergänzung. 65 Dat. V. Idus Iulii anno quarto regnante domno nostro Pippino gloriosissimo rege (MGH Capit. 1, S. 33, Z. 35 f.). Vgl. D Kar. 1, Nr. 9, S. 14, Z. 28: [Datum] mense augusto decima die anno VI domni Pippini gloriosissimi regis (aus dem Jahr 757); D Kar. 1, Nr. 16, S. 25, Z. 12: Data mense augusti die XIII anno XI regnante Pippino gloriosissimo rege (aus dem Jahr 762). 66 Karl August Eckhardt (Hg.), Lex Salica. 100 Titel-Text, Weimar 1953, S. 45–55. Eckhardt wollte in diesem Zusammenhang in Baddilo auch den Verfasser des langen Prologs der Lex Salica sehen; dagegen zuletzt Ubl, Sinnstiftungen, S. 149 f. Vgl. auch Erik Goosmann, Memorable crises: Carolingian historiography and the making of Pippin’s reign, 750–900, Amsterdam 2013 (Internet-Publikation: http://hdl.handle.net/11245/1.399518, [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]), S. 30 f. Für Baddilo als Verfasser des Konzilsprotokolls könnte allerdings sprechen, dass die oben in Anm. 65 zitierten Beispiele mit der unpersönlichen Datierungsformel anno regnante … Pippino gloriosissimo rege beide aus Urkunden stammen, die Baddilo rekognosziert hat, während daneben auch die Formel anno … regni nostri in Gebrauch war (zum Beispiel in D Kar. 1, Nr. 8 [755], S. 12 f. und Nr. 13 [760], S. 18 f.). 67 8. Jh., Bodenseegegend; vgl. zur Handschrift Mordek, Bibliotheca, S. 321–324. 68 Hubert Mordek, Kirchenrecht und Reform im Frankenreich. Die Collectio Vetus Gallica, die älteste systematische Kanonessammlung des fränkischen Galliens. Studien und Edition, Sigmaringen 1975, S. 147–149.

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2. Die Kapitularien als eigene Textgattung seit Beginn des 9. Jahrhunderts In der Karolingerzeit werden die Kapitularien erstmals als eigene Textgattung sichtbar, deren hauptsächliches gemeinsames Merkmal der königliche Aussteller war. Zuvor wurden sie in erster Linie als Ergänzungen anderer, traditioneller Textcorpora – wie der Lex Salica oder des Kirchenrechts – behandelt, in die sie in Form thematisch angelegter Dossiers Aufnahme fanden.69 Nun entstehen eigenständige Sammlungen, die als zusammenhängende Blöcke in den auch andere Rechtstexte umfassenden Rechtskompilationen identifizierbar sind;70 in diesen sind Kapitularien mit einem förmlichen Protokoll allerdings die Ausnahme. Von den Texten aus der Regierungszeit Karls des Großen71 sowie Ludwigs des Frommen und seines Sohnes Lothar,72 die Anklänge an ein solches Protokoll enthalten, werden zunächst diejenigen behandelt, die Versatzstücke des offiziellen, von der Herrscherkanzlei verwendeten Urkundenformulars aufweisen; danach folgen diejenigen mit Einflüssen aus kanzleifremdem Formelgut und abschließend Fälle mit vereinzelten Einsprengseln von Formularteilen, bei denen geprüft werden muss, ob sie authentisch oder eher nachträglich hinzugefügt worden sein könnten.

2.1 Die Spanierpräzepte Das Praeceptum pro Hispanis (Nr. 76) Karls des Großen von 812 ist das erste einer Gruppe von vier thematisch eng verwandten Texten, die die Aprisionäre der Spanischen Mark betreffen.73 Auf das Praeceptum pro Hispanis Karls folg69 Vgl. Bühler, Capitularia relecta, S. 378, 388 sowie Mordek, Fränkische Kapitularien, S. 35 f. 70 Vgl. Mordek, Fränkische Kapitularien, S. 36–42; Philippe Depreux, Charlemagne et les capitulaires. Formation et réception d’un corpus normatif, in: Rolf Große / Michel Sot (Hg.), Charlemagne: les temps, les espaces, les hommes. Construction et déconstruction d’un règne, Turnhout 2018, S. 19–41, hier S. 28. 71 Nr. 19–90, 92, 93, (96? Karl oder Pippin), 98, 99, 101, 103, 104, 105. Nicht berücksichtigt wurden die Briefe (Nr. 29, 30, 75, 97, 103, 122, 124, 125). Bei den zehn seit dem Erscheinungsdatum der Edition neu entdeckten und von Mordek im Anhang seiner Bibliotheca edierten Texte (Mordek, Bibliotheca, Anhang I, S. 974–999, Nr. 6–15) handelt es sich größtenteils um Auszüge oder Fragmente, die mangels eines Protokolls oder formalen Rahmens hier ebenfalls außer Acht gelassen werden können. Nr. 6 beginnt zwar mit einer Intitulatio, die aber wörtlich aus der Admonitio generalis übernommen ist (wie auch die acht Kapitel dieser entnommen sind). 72 Ludwig: Nr. 132–156, 167–176, 182, 184, 186–195, 200; Lothar: Nr. 157–166, 201, 203–219. 73 Nr. 76: MGH Capit. 1, S. 169 = D Kar. 1, Nr. 217, S. 289 f. Vgl. zu den Spanierpräzepten Ingeborg Sorhagen, Die karolingischen Kolonisationsprivilegien in Spanien und im süd-

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ten zwei weitere von Ludwig dem Frommen aus den Jahren 815 und 816 (Nr. 132, 133) sowie eines von Karl dem Kahlen von 844 (Nr. 256).74 Es handelt sich um Privilegierungen von Flüchtlingen, die vor den Sarrazenen in die fränkische Grenzregion der Spanischen Mark geflohen waren und sich dort ansiedelten. Sie erhielten Fiskalland zur Urbarmachung, das sie frei vererben konnten. Mit den Privilegien wurde ihr Status legitimiert und ihre Rechte und Pflichten geregelt. Alle vier Texte sind mit einem kanzleigemäßen Protokoll (Invocatio, Intitulatio, Corroboratio, Rekognition sowie Datierung) ausgestattet. Obwohl sie inzwischen in die seit der Edition von Boretius / Krause neu erschienenen Urkundeneditionen der jeweiligen Herrscher aufgenommen wurden, bleibt die Abgrenzung zu den Kapitularien dennoch diskutabel.75 Immerhin zählen sie zu den wenigen vom Hof ausgehenden Dokumenten, die ausdrücklich in mehreren Exemplaren ausgefertigt werden sollten; neben Ausfertigungen für den Bischof und den Graf der verschiedenen civitates als Garanten der Rechte der privilegierten Personengruppe war darunter auch ein exemplar für die Aufbewahrung im Palastarchiv vorgesehen.76 In der in beiden Spanierpräzepten Ludwigs des Frommen verwendeten Selbstbezeichnung des Textes als constitutio könnte man zudem eine Anknüpfung an die Rechtsetzungsakte der spätantiken Kaiser sehen, die mittels Konstitutionen, im Unterschied zu den Urkunden, keine Einzelpersonen privilegierten, sondern allgemeines Recht setzten.77 Peter Classen hat sogar vorgeschlagen, die Praecepta pro Hispanis zusammen mit den anderen legislativen Texten, die »eine feste urkundliche Form haben und sich dadurch von der Mehrzahl der sogenannten Kapitularien unterscheiden«, wozu er zum Beispiel auch die Divisio regnorum zählte, besser als Konstitutionen zu

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lichsten Frankreich, Diss. Göttingen 1976 und Philippe Depreux, Les préceptes pour les Hispani de Charlemagne, Louis le Pieux et Charles le Chauve, in: Philippe Sénac (Hg.), Aquitaine – Espagne (VIIIe–XIIIe siècle), Poitiers 2001, S. 19–38. Nr. 132, 133: MGH Capit. 1, S. 261–264 = D Kar. 2, Nr. 47 und Nr. 88, S. 121–124 und S. 214–217; Nr. 256: MGH Capit. 2, S. 258–260 = Georges Tessier (Hg.), Recueil des actes de Charles II le Chauve, roi de France (840–877), Bd. 1, Paris 1943, Nr. 46, S. 127–132. Mordek wollte sie noch unter die Additamenta einer neuen Kapitularienedition aufnehmen (Mordek, Bibliotheca, S. 28); vgl. auch Depreux, Les préceptes, S. 21 sowie Die Urkunden Ludwigs des Frommen, hg. von Theo Kölzer u. a., MGH DD Karol. 2, Wiesbaden 2016 (im Folgenden zitiert als MGH DD Kar. 2, die einzelnen Urkunden als D Kar. 2, [Editions-Nr.]); Vorbemerkung zu D Kar. 2, Nr. 47, S. 122. Cuius constitutionis in unaquaque civitate, ubi praedicti Hispani habitare noscuntur, tres descriptiones esse volumus … Exemplar vero earum in archivo palatii nostri censuimus repondenum …. (D Kar. 2, Nr. 47, S. 124, Z. 14 f., 17); Ac de constitutione nostra septem pręcepta uno tenore conscribere iussimus, quorum unum in Narbona, alterum in Carcassona … haberi praecipimus et exemplar eorum in archivo palatii nostri … (D Kar. 2, Nr. 88, S. 216, Z. 22–25). Vgl. das Zitat oben in Anm. 76. Zur Verwendung des Begriffes im Mittelalter Heiner Lück, Konstitution, Constitutio, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 23 (2016), Sp. 143 f.

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bezeichnen.78 Diese Abgrenzung scheint auf den ersten Blick durch die Überlieferungssituation dieser Texte bestätigt zu werden, die in der Regel in keinem Zusammenhang zu den Kapitularien(sammlungen) stehen.79 Allerdings können sowohl Urkunden wie Kapitularien in den Quellen mit dem Begriff constitutio bezeichnet werden,80 und die ›feste urkundliche Form‹, die Texte wie die Spanierpräzepte und die Divisio regnorum angeblich verbindet, ist keineswegs ein zuverlässiges Unterscheidungskriterium, wie sich im Folgenden zeigen wird.

2.2 Die Teilungsordnungen Aus dem 9. Jahrhundert sind drei Anordnungen über die Aufteilung des Reiches nach dem Tode eines karolingischen Herrschers in schriftlicher Form über­ liefert: die Divisio regnorum Karls des Großen (Nr. 45) sowie die Divisio imperii (Nr. 136) und die Regni divisio (Nr. 194) Ludwigs des Frommen.81 Die beiden Teilungsordnungen Ludwigs des Frommen wurden offenbar nach dem Vorbild der Divisio regnorum entworfen, was darauf hinweist, dass diese für eine längere Zeit im Pfalzarchiv aufbewahrt wurde.82 Die überlieferte Textfassung der Divisio zeigt eine deutliche Zweiteilung: Der bei Boretius / Krause als unnumerierter Prolog und cc. 1–5 edierte erste Teil, der die eigentlichen Teilungsbestimmungen enthält, ist als zusammenhängender Block überliefert, während eine Kapitelzählung erst im zweiten Teil (Nr. 45 c. 6–20) einsetzt, in dem die Probleme ge78 Peter Classen, Die Verträge von Verdun und von Coulaines 843 als politische Grundlagen des westfränkischen Reiches, in: Historische Zeitschrift 196 (1963), S. 1–35, hier S. 14 und ders., Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich, in: Festschrift Hermann Heimpel, Bd. 2, Göttingen 1972, S. 109–134, das Zitat hier S. 121 f. 79 Bühler, Capitularia relecta, S. 409 f. 80 Vgl. die Registereinträge zu »constitutio« in D Kar. 2, S. 1389 und MGH Capit. 2, S. 604, wobei sich unter den in den Quellen als constitutio bezeichneten Kapitularien auch solche finden, deren Überlieferung keinerlei Spuren einer ›festen urkundlichen Form‹ zeigt, z. B. die Capitula legibus addenda Ludwigs des Frommen (Nr. 139; s. den Rückverweis aus dem Capitulare missorum = Nr. 141, c. 2: … secundum constitutionem a nobis promulgatam, MGH Capit. 1, S. 289, Z. 14) oder die Constitutio Romana Lothars I. (Nr. 161). 81 Nr. 45 (803): MGH Capit. 1, S. 126–130; Nr. 136 (817): MGH Capit. 1, S. 270–273; Nr. 194 (831?): MGH Capit. 2, S. 20–24. Vgl. allgemein zu den Teilungsordnungen Kaschke, Reichsteilungen; zur Divisio regnorum ebd. S. 298–323 sowie ders., Divisio regnorum, in: Germanische Altertumskunde Online (2018) (https://www.degruyter.com/database/ GAO/entry/GAO_92/html); zur Divisio imperii sowie der Regni divisio von 831 auch Dieter Hägermann, »Divisio imperii« von 817 und »Divisio regni« von 831. Überlegungen und Anmerkungen zu »Hausgesetzen« Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in: Brigitte Kasten (Hg.), Herrscher- und Fürstentestamente im westeuro­päischen Mittelalter, Köln 2008, S. 291–299 sowie Sören Kaschke, Die Teilungsprojekte der Zeit Ludwigs des Frommen, in: Philippe Depreux / Stefan Esders, La productivité d’une crise, S. 87–127. 82 Tischler, Divisio regnorum, S. 224–227.

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regelt werden, die sich als Folge der Teilung zukünftig ergeben könnten. Dieser Befund wurde von Walter Mohr mit dem Bericht der Reichsannalen über die Diedenhofener Versammlung des Jahres 806 in Verbindung gebracht, auf der die Teilungsordnung mit den Großen beraten und verabschiedet wurde.83 In diesem Bericht wird eine Unterscheidung in ein Testament und Konstitutionen vorgenommen.84 Mohrs darauf aufbauende Hypothese von einer Verfälschung der ursprünglichen Version der Divisio regnorum zur Zeit Karls des Kahlen wurde von Walter Schlesinger zwar widerlegt,85 doch auch Schlesinger geht von einer redaktionellen Nachbearbeitung noch 806 in Diedenhofen aus, in deren Zuge das testamentum und die constitutiones pacis conservandae causa factae zu einem einzigen Text zusammengefügt worden seien.86 Die Divisio weist in einem Protokoll mit Invocatio, Intitulatio und Adresse sowie einer Einleitung, die den Entstehungsanlass des Textes schildert (Narratio), mehrere formale Elemente auf, die an Urkundenformen erinnern.87 Das Protokoll ist in zwei abweichenden Fassungen überliefert, die sich sowohl in der Intitulatio als auch in der Adresse unterscheiden. Seit Schlesinger geht man davon aus, dass die eine Fassung, die einen an das Constitutum Constantini angelehnten Kaisertitel verwendet, für den Papst bestimmt war,88 während die 83 Walter Mohr, Bemerkungen zur »Divisio regnorum« des Jahres 806, in: Archivum Latinitatis Medii Aevi 24 (1954), S. 131–157. 84 De hac partitione et testamentum factum … et constitutiones pacis conservandae causa factae (Friedrich Kurze [Hg.], Annales regni Francorum, Hannover 1895, a. 806, S. 121). – Neben dem hier gemeinten politischen Testament existiert auch noch ein privates, mit dem Karl seinen persönlichen Besitz aufteilte; dieses wurde jedoch erst 811 aufgesetzt; siehe dazu unten Anm. 97. 85 Walter Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung. Zur Divisio regnorum von 806, in: Ders., Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 1, Göttingen 1963, S. 193–232, hier S. 194–197. Vgl. auch Klaus Sprigade, Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. Divisio regnorum, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 81 (1964), S. 305–317. 86 Schlesinger, Kaisertum, S. 198 f.; zustimmend Hägermann, Divisio imperii, S. 283 f. 87 Vgl. dazu Schlesinger, Kaisertum, besonders S. 199–204 und Kaschke, Reichsteilungen, S. 301. 88 Imperator Caesar Karolus rex Francorum invictissimus et Romani rector imperii, pius felix victor ac triumphator semper augustus omnibus fidelibus sanctae Dei aecclesiae et cuncto populo catholico praesenti et futuro gentium ac nationum que sub imperio et regimine eius constitute sunt (MGH Capit. 1, S. 126, Z. 38–41). Zu der hier verwendeten Titelform vgl. Herwig Wolfram, Lateinische Herrschertitel im 9. und 10. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.), Intitulatio, Bd. 2. Lateinische Herrscher- und Fürstentitel im 9. und 10. Jahrhundert, Wien 1973, S. 19–178, hier S. 53–56. Tischler vermutet, dass das Protokoll der für den Papst bestimmten Fassung, die diesem von Einhard überbracht wurde, auch von Einhard formuliert worden sein könnte (Tischler, Divisio regnorum, S. 201–203).  – Gegen die Übernahme aus dem Constitutum Constantini argumentiert Johannes Fried, Donation of Constantine and Constitutum Constantini. The Misinterpretation of a Fiction and its original Meaning; with a contribution by Wolfram Brandes: The Satraps of Constantine,

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zweite, die stattdessen die aus den Urkunden Karls bekannten Formulierungen für Invocatio, Intitulatio und Adresse aufweist,89 wohl auf die Fassung für die Missi zurückgeht, die 806 eine allgemeine Vereidigung auf die Teilungsordnung vornehmen sollten.90 Zumindest das für den Papst bestimmte Exemplar wird zudem eine kaiserliche Subscriptio enthalten haben, die allerdings nicht überliefert ist.91 Eine Datierung hat sich hingegen in keiner der Kopien erhalten. Sie ist allerdings unabhängig von der Überlieferung des Textes in einer Notiz in einer St. Galler Handschrift überliefert.92 Die Sammelhandschrift aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts enthält mehrere Werke Alkuins und entstand wohl in Tours; die Notiz folgt darin auf ein Gedicht Alkuins93 und wurde von derselben Hand geschrieben wie dieses.94 Die Datierung wäre damit zeitnah zur Entstehung der Divisio und in einem dem Hof eng verbundenen Skriptorium aufgezeichnet worden. Sie könnte nach der Vermutung Schlesingers aus einer weggelassenen Eingangsformel stammen, die möglicherweise zu Beginn der Constitutio, also

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Berlin 2007), der im Zusammenhang mit seiner These einer Spätdatierung der Kons­ tantinischen Schenkung auf das zweite Drittel des 9. Jhs. die umgekehrte Abhängigkeit der beiden Texte annimmt. Gegen Frieds These Jürgen Miethke (Rezension zu: Fried, Donation, in: H-Soz-Kult, 30.08.2007, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/ reb-8463, [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]); skeptisch auch Caroline Goodson / Janet Nelson, Review: The Roman Contexts of the ›Donation of Constantine‹, in: Early Medieval Europe 18 (2010), S. 446–467; zustimmend Tischler, Divisio regnorum, S. 200 f. mit Anm. 30. Tischler schlägt als alternative Quellen für den Kaisertitel der Divisio spätantike Kaiserbriefe bzw. Konstitutionen vor. Nur in einer Handschrift ist die kanzleigemäße Formulierung überliefert: Karolus serenissimus augustus,  a Deo coronatus magnus pacificus imperator, Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam Dei rex Francorum et Langobardorum, omnibus fidelibus sanctae Dei aecclesiae ac nostris, praesentibus scilicet et futuris. (MGH Capit. 1, S. 126, Z. 32–35). Vgl. zu dieser Titulatur Peter Classen, Romanum gubernans imperium. Zur Vorgeschichte der Kaisertitulatur Karls des Großen, in: Ders. / Fleckenstein, Josef (Hg.), Ausgewählte Aufsätze von Peter Classen, Sigmaringen 1983, S. 187–204 und unten Anm. 176. Schlesinger, Kaisertum, S. 199. Ganshof, Kapitularien, S. 72 mit Anm. 167; Schneider, Zur rechtlichen Bedeutung, S. 280 mit Anm. 45; Ders., Recht und Schrift, S. 266. Die Formulierung im Schlusskapitel von Nr. 45 c. 20 deutet darauf hin: Haec autem omnia … ex ordine firmare decrevimus (MGH Capit. 1, S. 130, Z. 10). Anno DCCCVI. ab incarnatione Domini indictione XIIII. anno XXXVIII. regnante Karolo imperatore VIII. Idus Febr. die Veneris divisum est regnum illius inter filiis suis. Notae historicae codicibus Sangallensibus adiectae, a. 806–1262, hg. von Ildefons von Arx, MGH SS 1, Hannover 1826, S. 70 f.; hier S. 70). Alcuini carmen 112, hg. von Ernst Duemmler, MGH Poetae 1, S. 160–351; hier S. 343 f. St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 272, S. 245. Zu Entstehungsort und -zeit der Handschrift Beat von Scarpatetti, Manuscrits francs à Saint-Gall, in: Carol Heitz u. a. (Hg.), Le rayonnement spirituel et culturel de I’abbaye de Saint-Gall, Paris 2000, S. 125–142, hier S. 133 f.

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dem mit c. 6 einsetzenden zweiten Teil, stand, und bei der Redaktion des Textes in Diedenhofen weggelassen worden sei.95 Auch wenn man nicht unbedingt annehmen muss, dass es sich bei der Vorlage wirklich um zwei separate Schriftstücke handelte, könnte die Notiz tatsächlich den Wortlaut einer im Erstexemplar vorhandenen Datierung bewahrt haben: Die Formulierung entspricht zwar nicht dem in den Urkunden verwendeten Stil,96 sie hat aber eine Parallele im nur bei Einhard überlieferten persönlichen Testament Karls von 811, deren Datierung zwar nicht wörtlich, aber doch im objektiven Stil sowie im Vorhandensein und der Reihenfolge der einzelnen Bestandteile (Inkarnationsjahre, Kaiserjahre, Indiktion) der in der St. Galler Notiz überlieferten entspricht.97 Anton Scharer hat sich gegen die Vermutung ausgesprochen, dass diese Abweichungen zum Urkundenstil auf eine sprachliche Überarbeitung des Testamentes durch Einhard zurückgehen könnten, und stattdessen auf die Nähe zu den objektiv gefassten Formulierungen von Synodal- und Konzilsprotokollen hingewiesen.98 Das passt gut zu dem wahrscheinlichen Entstehungskontext des Textes, der wohl im Rahmen einer Versammlung zumindest derjenigen engeren Getreuen verkündet wurde, die das Testament namentlich unterzeichneten und als Garanten dafür fungieren sollten, dass die von Karl gewünschte Aufteilung seines Erbes auch tatsächlich umgesetzt wurde.99 Ein vergleichbarer Entstehungskontext im Rahmen einer Reichsversammlung, aber durchaus auch das konkrete Vorbild der Divisio regnorum könnten die ähnlich lautende Datierungsformel des privaten Testamentes Karls beeinflusst haben. Die 817 von Karls Sohn und Nachfolger Ludwig verkündete Regelung für die Aufteilung des Reiches nach seinem Tod, die sogenannte Divisio imperii (Nr. 136), weicht in der Intention und ihrem Inhalt in vielen entscheidenden

95 Schlesinger, Kaisertum, S. 198 f. 96 Die Datazeilen der Urkunden aus der Kaiserzeit Karls haben den Aufbau Kaiserjahre (Christo propitio [Tagesangabe] anni imperii nostri), Königsjahre in Francia und in Italia (anni regni nostri / in Italia), Indiktionsangabe und sind zudem in der 1. Person Plural formuliert, vgl. dazu Mühlbacher, Einleitung zu D Kar. 1, S. 77. 97 … anno ab incarnatione domini nostri Iesu Christi DCCCoXIo, anno vero regni eius in Francia XLoIIIo et in Italia XXXoVIo, imperii autem XIo, indictione IIIIa. Einhard, Vita Karoli Magni, hg. von Oswald Holder-Egger, MGH SS rer. Germ. 25, Hannover 1911, S. 37, Z. 30 – S. 38, Z. 3. Die Datierung des Testaments hat darüber hinaus noch die übliche Datierung nach Königsjahren in Francia und in Italia vor der Angabe der Kaiserjahre, und hier fehlt eine Tagesangabe, deren Vorhandensein in der von Einhard verwendeten Textvorlage sich aber aufgrund von Querverweisen im Text erschließen lässt; vgl. Anton Scharer, Das Testament Karls des Großen, in: Andreas Schwarcz / Katharina Kaska (Hg.), Urkunden – Schriften – Lebensordnungen. Neue Beiträge zur Mediävistik, Wien 2015, S. 151–160, hier S. 155. 98 Scharer, Testament, S. 155 mit Anm. 26. 99 Ebd., S. 156.

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Punkten von der Tradition und damit auch von der Divisio regnorum ab.100 Dies betrifft sowohl den Prozess der Entscheidungsfindung als auch deren Ergebnis, nämlich die Erhebung des ältesten Sohnes Lothar zum Mitkaiser schon zu Lebzeiten Ludwigs und dessen Designation als Nachfolger im Kaisertum, wohingegen die anderen Söhne zwar einen eigenen Reichsteil erhalten sollten, aber dem älteren Bruder als Unterkönige deutlich nachgeordnet waren.101 Trotz der unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtung der Divisio imperii sind dort mehrfach Passagen aus der Divisio regnorum wörtlich übernommen worden.102 Das Eingangsprotokoll mit Invocatio und Intitulatio musste natürlich auf Ludwig zugeschnitten werden und dürfte dem offiziellen Kanzleistil folgen;103 jedenfalls deutet die in der unikalen Überlieferung, dem in Tours entstandenen Codex Paris, BnF, Lat. 2718,104 nur verkürzt überlieferte Invocatio darauf hin, die ein offenbar gut mit diesen Konventionen vertrauter Kopist mit den Worten et cetera abkürzte.105 Die darauf folgende Narratio, die auf die Entstehungsumstände Bezug nimmt, enthält allerdings statt einer kanzleigemäßen Datierungsformel wiederum eine Datierung nach Inkarnations- und Kaiserjahren sowie Angabe der Indiktion; auch hier finden sich also dieselben Elemente wie in der separat überlieferten Notiz mit der Datierung der Divisio regnorum wieder.106 In der Narratio ist außerdem ein Hinweis auf eine Unterfertigung durch den Kaiser enthalten, die allerdings nicht überliefert ist.107 100 Vgl. zum Folgenden Kaschke, Reichsteilungen, S. 324–353 und ders., Teilungsprojekte, S. 91–94. 101 Zu der sich daran anknüpfenden Forschungsdebatte um das in der Divisio imperii angeblich propagierte Prinzip der »Reichseinheit« und deren Folgen für die Krisen aus den späteren Jahren von Ludwigs Regierungszeit vgl. zusammenfassend Steffen Patzold, Eine »loyale Palastrebellion« der »Reichseinheitspartei«? Zur ›Divisio imperii‹ von 817 und zu den Ursachen des Aufstands gegen Ludwig den Frommen im Jahre 830, in: Frühmittelalterliche Studien 40 (2006), S. 43–77, hier S. 43–45. 102 Siehe dazu Kaschke, Reichsteilungen, S. 328 mit Anm. 25 sowie Tischler, Divisio regnorum, S. 225 mit Anm. 91. 103 Zu den inneren Merkmalen der Urkunden Ludwigs des Frommen vgl. Kölzer, Einleitung zu MGH DD Kar. 2, S. LV–LXXVI . 104 Vgl. zu diesem Sarah Patt, Himmlisches und Irdisches. Ein Notizbuch aus dem Zentrum der Macht (https://www.manuscript-cultures.uni-hamburg.de/mom/2015_04_mom.html [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]), sowie dies., Studien, S. 73 f. und 189. 105 In nomine domini dei et saluatoris et cetera, vgl. die Transkription auf der Website der digitalen Edition Paris, BnF, Lat. 2718, in: Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse, bearb. von Karl Ubl und Mitarb., Köln 2014 f f. URL: https://capitularia.unikoeln.de/mss/paris-bn-lat-2718 [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]; auch im Folgenden hiernach zitiert. 106 Cum nos in dei nomine anno incarnationis domini octingentesimo septimo decimo indictione decima annoque imperii nostri quarto mense iulio aquisgrani palatio nostro more solito sacrum conuentum … congregassemus. 107 Quae capitula … cum omnibus fidelibus nostris considerare placuit et considerata conscribere et conscripta propriis manibus firmare; vgl. Ganshof, Kapitularien, S. 72.

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Durch das Zerwürfnis Ludwigs mit seinem ältesten Sohn Lothar108 wurde eine Revidierung der in der Divisio imperii verfügten Regelungen notwendig. Vermutlich auf der Aachener Versammlung des Februar 831, auf der die Verschwörer gegen Ludwig verurteilt wurden, wurde daher eine neue Teilungsordnung verabschiedet, die den nachgeborenen jüngsten Sohn, Karl den Kahlen, miteinbezog und Lothar ganz außen vorließ (Nr. 194).109 Das entsprechende Quellenzeugnis ist nur in einer Entwurfsfassung überliefert, die noch deutlicher als die Divisio imperii die Benutzung der Divisio regnorum als Vorlage verrät, deren Ausführungsbestimmungen hier größtenteils wörtlich übernommen wurden.110 Auch im Protokoll scheint die Benutzung dieser Vorlage durch, denn auf die hier vollständig überlieferte, kanzleigemäße Invocatio und Intitulatio Ludwigs folgt dieselbe Adresse wie in der Divisio regnorum.111 Eine Datierung hat sich hier nicht erhalten, was aber auf den Entwurfscharakter des Textes zurückzuführen sein könnte. Alle drei Teilungsordnungen lassen die Beteiligung von Personen an ihrer Formulierung erkennen, die mit dem offiziellen Protokollstil vertraut waren und offenbar auf ein im Pfalzarchiv aufbewahrtes Exemplar der Divisio regnorum Zugriff hatten. In den Fällen, in denen sich eine Datierung erhalten hat, weist diese jedoch deutliche Abweichungen zur Kanzleinorm auf; hier zeigen sich vielmehr Spuren des speziellen Entstehungskontextes der Texte im Rahmen einer Versammlung. Dies unterscheidet die Teilungsordnungen überdies von den Spanierpräzepten, die einen solchen Entstehungskontext nicht widerspiegeln. Die Einordnung beider Textarten in die Kategorie ›Konstitutionen‹ aufgrund formaler Kriterien ist also nicht so eindeutig, wie es zunächst scheinen mag. Entscheidend war in beiden Fällen, dass eine beglaubigte, als authentisch erkennbare Schriftfassung angefertigt wurde, auf die man im Konfliktfall zurückgreifen konnte. Die Spanierpräzepte konnten bei einer eventuell notwendigen Verteidigung der verbrieften Rechte vor Gericht als Beweismittel dienen,112 108 Vgl. hierzu Maria Schäpers, Lothar I. und das Frankenreich (795–855), Wien 2018, S. 195–236. 109 Kaschke, Reichsteilungen, S. 354–367 und ders., Teilungsprojekte, S. 98–101. 110 Tischler, Divisio regnorum, S. 225 f. 111 In nomine domini Dei et salvatoris nostri Iesu Christi. Ludowicus divina ordinante providentia imperator augustus omnibus fidelibus sancte Dei ecclesie et cuncto catholico populo, presenti scilicet et futuro, gentium ac nationum, quae sub imperio hac regimine nostro constitutae sunt. (MGH Capit. 2, S. 21, Z. 28–31) – Es handelt sich dabei um die Adresse der ›römischen‹ Fassung der Divisio (Tischler, Divisio regnorum, S. 226 f.). 112 Die Funktion eines Beweismittels vor Gericht wird auch in den Texten selbst ausdrücklich erwähnt: Exemplar vero earum in archivo palatii nostri censuimus reponendum, ut ex illius inspectione, si quando, ut fieri solet, aut ipsi se reclamaverint aut comes vel quislibet alter contra eos causam habuerit, definitio litis fieri possit. D Kar. 2, Nr. 47, S. 124, Z. 17–19. … et per exemplar, quod in palatio retinemus, si rursum querela nobis delata fuerit, facilius possit definiri. MGH D Kar. 2, Nr. 88, S. 216, Z. 26 f.

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im Fall der Reichsteilungen konnte die Aufbewahrung eines authentischen Exemplars der Bestimmungen dazu beitragen, künftige Streitigkeiten um das Erbe zu verhindern oder beizulegen.113 Abgesehen von diesem verbindenden Aspekt der Herstellung einer größeren Rechtssicherheit in der Zukunft haben die beiden Textsorten jedoch nicht viel gemein; im einen Fall haben wir es mit der Verleihung von Rechten an eine bestimmte Gruppe zu tun, bei der die für eine Privilegierung übliche Urkundenform gewählt wurde, während es sich im anderen Fall um eine testamentarische Verfügung des Herrschers handelte, die sich vorrangig an seine Nachfolger richtete.

2.3 Weitere Texte mit kanzleigemäßem Formular Das sogenannte Capitulare Aquisgranense (Nr. 77)114 ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Es beginnt mit einem objektiv formulierten Prolog, in dem der Aussteller namentlich genannt und die Entstehungsumstände ausführlich geschildert werden.115 Demnach wurden die Kapitel von Kaiser Karl mit der Zustimmung seiner Getreuen in der Aachener Pfalz aus verschiedenen Leges exzerpiert und eigenhändig bekräftigt, wie es auch die Getreuen tun sollten. Während im Prolog eine abgewandelte Form des von Karl dem Großen geführten Kaisertitels erscheint,116 ist im Text der nachfolgenden Kapitel stets nur von einem rex die Rede. Die Forschung ging mehrheitlich davon aus, dass es sich um ein Kapitular Karls des Großen handelt, möglicherweise aus der ersten Zeit nach seiner Kaisererhebung, in der die parallele Verwendung des Königs- und Kaisertitels öfters zu beobachten ist.117 Gerhard Seeliger hat allerdings festgestellt, dass das Kapitular nie im Kontext der Kapitularien Karls überliefert ist, sondern ausschließlich in engem Zusammenhang mit der Gesetzgebung Ludwigs des Frommen von 829, was ihn zu der Annahme veranlasste, dass es sich bei der überlieferten Fassung des Textes um eine nachträgliche Bestätigung durch Karls

113 Kaschke, Reichsteilungen, S. 301–305. 114 MGH Capit. 1, S. 170–172. 115 Karolus serenissimus imperator augustus,  a Deo coronatus, magnus et pacificus, cum episcopis, abbatibus, comitibus, ducibus omnibusque fidelibus christianae ecclesiae cum consensu consilioque constituit ex lege Salica, Romana atque Gombata capitula ista in palatio Aquis, ut unusquisque fidelis iustitias ita faceret: qui et ipse manu propria firmavit capitula ista, ut omnes fideles manu roborare studuissent. MGH Capit. 1, S. 170, Z. 28–32. 116 François Louis Ganshof, Zur Datierung eines Aachener Kapitulars Karls des Großen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 155–156 (1954), S. 62–66, hier S. 63. 117 Ganshof, Zur Datierung: Datierung auf Ende 802/Anfang 803, ihm folgend Mordek, Bibliotheca, S. 1088.

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Sohn Ludwig handeln könnte.118 Die Auffälligkeiten, die den Prolog auszeichnen, könnten nach Seeliger auf eine Umschrift der ursprünglichen Textfassung durch die Kanzlei Ludwigs des Frommen zurückzuführen sein; auch die für die Kapitularien äußerst seltene Erwähnung von Unterfertigungen sei möglicherweise auf ein im Zuge einer solchen Umschrift entstandenes Missverständnis zurückzuführen. Neben dem außergewöhnlichen Hinweis auf die Unterfertigung der Kapitel durch den Kaiser und die Getreuen ist auch der rätselhafte Verweis auf die angeblich aus dem römischen, salischen und burgundischen Recht exzerpierten Kapitel erklärungsbedürftig, denn in der darauf folgenden Kapitelliste finden sich keinerlei Anklänge an solche Rechtsbestimmungen; ebenso sucht man vergeblich nach Inhalten, die sich mit der ebenfalls angesprochenen Rechtspflege befassen (… ut unusquisque fidelis iustitias ita faceret). Stattdessen findet sich eine große Bandbreite an auch aus anderen Kapitularien bekannten Themen, wie die Pflicht der Bischöfe, ihre Diözesen zu visitieren, Bestimmungen zur Mindestausrüstung für Krieger sowie Anweisungen an die Verwalter von Fiskalgütern, wie sie zum Beispiel auch das Capitulare de villis enthält.119 Steffen Patzold hat jüngst eine neue Erklärung für die geschilderten Unstimmigkeiten vorgeschlagen: Aufgrund der Beobachtung, dass das Kapitular Nr. 77 in einem Strang der Überlieferung unmittelbar auf zwei Exzerpte aus dem burgundischen und römischen Recht (Nr. 195)120 folgt, vermutet Patzold, dass es sich bei dem ›Prolog‹ des Capitulare Aquisgranense eigentlich um einen Epilog zu einer (ursprünglich wohl umfangreicheren) Kapitelliste mit Exzerpten aus Rechtstexten gehandelt haben könnte, was die ansonsten unverständliche Bezugnahme auf die leges Salica, Romana atque Gombata erklären würde.121 Die falsche 118 Seeliger, Kapitularien, S. 20 f. Anm. 1 und S. 29 Anm. 1. 119 Vgl. zu den Inhalten Ganshof, Zur Datierung, S. 65 f.; Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Kaiser Ludwig dem Frommen (814–840), Bonn 2013, S. 41, 45, 46 Anm. 264, 69, 71 sowie Steffen Patzold, Das sogenannte »Capitulare Aquisgranense« Karls des Großen und die letzte Reforminitiative Ludwigs des Frommen im Jahr 829, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 71 (2015), S. 459–473, hier S. 460 f. 120 MGH Capit. 2, S. 25 f.; von Boretius / K rause als Nr. 195 unter dem Kunsttitel Capitula de praescriptione temporis gedruckt. 121 Patzold, Capitulare Aquisgranense, S. 463 f. Den engen Überlieferungszusammenhang mit den Kapitularien Ludwigs erklärt Patzold damit, dass es sich bei Nr. 195 um Rechtsexzerpte handele, die im Zusammenhang der Wormser Versammlung 829 am Hof Ludwigs des Frommen zirkulierten und als Diskussionsgrundlage dienen sollten. Das Fehlen eines Bezuges zur ebenfalls erwähnten Lex Salica könnte dadurch begründet sein, dass man nur solche Auszüge kopierte, die in diesem Kontext inhaltlich relevant waren: Beide Exzerpte aus dem burgundischen wie dem römischen Recht betreffen die 30-JahresFrist, nach der ein strittiger Besitz unanfechtbar sein sollte, was ein zentraler Punkt der Wormser Verhandlungen in der Frage um die Gleichstellung von Kirchen- und Fiskalgut

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Zuordnung zu der als Capitulare Aquisgranense bezeichneten Kapitelliste sei möglicherweise durch ein in der Vorlage lose eingelegtes Einzelblatt bedingt, auf dem der Text mit dem Ende der (nur auszugsweise überlieferten) Liste mit Exzerpten einsetzte und nahtlos und ohne erkennbaren Einschnitt durch eine Inscriptio oder Ähnliches mit dem ersten Kapitel des sogenannten Capitulare Aquisgranense fortfuhr.122 Schließt man sich Patzolds Umdeutung des Prologs zu Nr. 77 in einen Epilog zu Nr. 195 an, bliebe der Text immer noch ein Sonderfall. Es gibt jedoch gewisse Parallelen zum sogenannten Capitulare Papiense Lothars aus dem Jahr 832, mit dem er Auszüge aus den Kapitularien seiner Vorgänger in teilweise wörtlicher Zitierweise bestätigte, was in einer Vorrede beschrieben wird.123 Hinzu kommt, dass neben der von der offiziellen Kaisertitulatur Karls nur minimal abweichenden Intitulatio auch noch weitere an das kanzleigemäße Formular erinnernde Versatzstücke auftauchen: Die Aufzählung episcopis, abbatibus, comitibus, ducibus omnibusque fidelibus christianae ecclesiae wird auch in den Promulgationes der Urkunden gebraucht, und manu propria firmare beziehungsweise manu roborare sind die üblichen Formulierungen, mit denen eigenhändige Unterfertigungen in den Urkundeneschatokollen angekündigt werden.124 Möglich wäre also, dass das bestätigte Kapitular einen Protokollrahmen im Kanzleistil inklusive eigenhändiger Unterfertigung des Kaisers enthielt, das später in die überlieferte, objektive Fassung umgeformt worden sein könnte; vielleicht, um diesen Rechtsexzerpten einen Herkunftsnachweis und Beleg für ihre Legitimität beizugeben. Eine Unterfertigung durch die fideles wiederum entspricht nicht dem Kanzleibrauch. Eine Parallele findet sich jedoch in einem weiteren Fall, bei dem Ergänzungen zu den Leges durch eigenhändige Bekräftigungen der Getreuen bezeugt wurden, nämlich den Capitula legibus addita Karls des

war und Eingang fand in eines der in im Vorfeld der Wormser Versammlung entstandenen Kapitularien Ludwigs des Frommen (Nr. 191 c. 8, MGH Capit. 2, S. 13; Patzold, Capitulare Aquisgranense, S. 467–472). 122 Patzold, Capitulare Aquisgranense, S. 470 f. Die Vermutung, Nr. 77 sei auf einem Einzelblatt in die »Reimser Gruppe« der Überlieferung des Ansegis-Worms-Korpus geraten, wurde bereits von Hubert Mordek, Weltliches Recht im Kloster Weißenburg / Elsaß. Hinkmar von Reims und die Kapitulariensammlung des Cod. Sélestat, Bibliothèque Humaniste, 14 (104), in: Michael Borgolte / Herrad Spilling (Hg.), Litterae Medii Aevi. Festschrift Johanne Autenrieth, Sigmaringen 1988, S. 69–85, hier S. 79, geäußert. 123 S. dazu unten Anm. 204 f. 124 Es gibt Zweifel daran, dass die Formel manu propria firmare zwingend eine schriftliche Unterfertigung ankündigte; möglicherweise konnte auch eine schriftlose Beglaubigungsgeste wie Handfeste oder Schwurgebärde damit gemeint sein (Bühler, Capitularia relecta, S. 463 f.). Für unseren Kontext ist dies allerdings nicht ausschlaggebend, da es sich nur um die in der ursprünglichen Textfassung des Kapitulars enthaltene Formulierung handelt und nicht um das (Nicht-)Vorhandensein von Unterschriften.

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Großen aus dem Jahr 803 (Nr. 39).125 Von diesem Vorgang ist jedoch kein Dokument im Wortlaut überliefert, sondern nur eine darauf Bezug nehmende Nachricht.126 Klare Anklänge an das Urkundenformular und den Kanzleistil zur Zeit Ludwigs des Frommen finden sich im Proömium (Nr. 137)127 zu seinem Gesetz­ gebungspaket der Jahre 818/19, das insgesamt vier größere Rechtstexte umfasste, mit denen das kirchliche Recht sowie die Leges ergänzt und den Missi umfangreiche Instruktionen gegeben wurden.128 Invocatio und Intitulatio entsprechen wortwörtlich dem Kanzleistil; nur die Publicatio weicht in einem kleinen, aber entscheidenden Detail von der Standardformel ab, indem sie sich nicht nur an alle Getreuen, sondern auch an die zukünftigen Nachfolger im Herrscheramt richtet.129 Die Arenga weist nicht nur thematisch, sondern zum Teil auch wörtlich große Übereinstimmungen mit den typischen Arengenmotiven der Urkunden Ludwigs des Frommen auf.130 In der folgenden Narratio wird die durch das Proömium eingeleitete Gesetzgebung in den größeren Zusammenhang der Reformbemühungen des Kaisers gestellt. Statt eines Eschatokolls wird am Ende des Textes darauf verwiesen, dass die folgenden Kapitel schriftlich aufgezeichnet und im Pfalzarchiv aufbewahrt werden sollten, damit sich seine Nachfolger ihrer erinnern und bedienen konnten. Das Proömium richtete sich also in erster Linie an die Nachfolger Ludwigs und sollte nicht wie die Kapitularien selbst im Reich verbreitet werden. Das erklärt auch die spärliche Überlieferung des Textes: Im

125 MGH Capit. 1, S. 111–114. 126 In einer zusammen mit einer Kopie der Capitula legibus addita (Nr. 39) überlieferten Notiz in der Handschrift Paris, BnF, Lat. 4995 (10. Jh., Frankreich) wird beschrieben, wie die Kapitel von Graf Stephan von Paris auf einem mallum publicum verkündet wurden; dabei wird auch die Zustimmung der Anwesenden in Form einer Unterfertigung erwähnt: Et omnes in uno consenserunt … etiam omnes scabinei episcopi abbatis comitis manu propria subter firmauerunt (Mordek, Bibliotheca, S. 551). Vgl. dazu Karl Ferdinand Werner, Missus – marchio – comes. Entre l’administration centrale et l’administration locale de l’Empire carolingien, in: Ders. / Werner Paravicini (Hg.), Histoire comparée de l’administration (IVe–XVIIIe siècles), Zürich 1980, S. 191–241, hier S. 199 f. und Thomas Faulkner, Law and Authority in the Early Middle Ages. The Frankish leges in the Carolingian Period, Cambridge 2016, S. 113 f. 127 MGH Capit. 1, S. 273–275; eine Vorabversion der kritischen Neuedition findet sich auf der Webseite der digitalen Edition: https://capitularia.uni-koeln.de/resources/texts/ldf-​ bk137/ [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]; hiernach auch im Folgenden zitiert. 128 Capitulare ecclesiasticum, Capitula legibus addenda, Capitula per se scribenda und das Capitulare missorum (Nr. 138–141, MGH Capit. 1, S. 275–291). 129 In nomine domini dei et salvatoris nostri Iesu Christi Hludowicus, divina ordinante providentia imperator augustus. Publicatio: Proinde notum sit omnibus fidelibus sanctae dei ecclesiae nostrisque deo dispensante successoribus …. 130 Quia iuxta apostolum, quamdiu in hoc saeculo sumus, peregrinamur a domino …. Vgl. Zwierlein, Studien, S. 375–377.

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Unterschied zu den übrigen Texten des Gesetzgebungspaketes, die eine große handschriftliche Verbreitung erfuhren, hat er sich nur in zwei Handschriften erhalten, die wahrscheinlich auf das Exemplar im Pfalzarchiv beziehungsweise eine hofnahe Kopie zurückgehen.131

2.4 Einflüsse von kanzleifremdem Formelgut: Anklänge an Synodalprotokolle Nicht wenige Kapitularien sind mit einem Prolog überliefert, der in seiner Form an die objektiv formulierten Einleitungen zu Synodalprotokollen erinnert. Hierbei wird in knapper Form auf den Entstehungskontext des Textes, nämlich das Datum und gelegentlich auch den Ort der Versammlung Bezug genommen sowie eine pauschale Nennung der Teilnehmer geboten. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das wohl auf der Versammlung von Herstal im März 779 verabschiedete Capitulare Haristallense (Nr. 20).132 Es beginnt mit folgendem Prolog: Anno feliciter undecimo regni domni nostri Karoli gloriosissimi regis in mense Martio factum capitulare, qualiter congregatis in unum sinodali concilio episcopis, abbatibus virisque inlustribus comitibus, una cum piissimo domno nostro secundum Dei voluntatem pro causis oportunis consenserunt decretum.133 Obwohl die Datierungsformel und die Titulatur auf den ersten Blick an Urkundenformular erinnern mögen, zeigen sie keine Übereinstimmung mit den

131 Karl Ubl, Die Stimme des Kaisers. Persönlichkeit und Persona in Dokumenten Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik 63 (2017), S. 47–69, hier S. 56 f. 132 MGH Capit. 1, S. 46–51 (von Mordek als Capitulare Haristallense primum, generale bezeichnet und mit Nr. 21 = Capitulare episcoporum beziehungsweise nach Mordek: Capitulare Haristallense secundum, speciale, in engen Zusammenhang gebracht; Mordek, Zweites Kapitular). Das Kapitular ist in zwei Fassungen überliefert (Forma communis und langobardica), die sich weniger inhaltlich als in der Formulierung unterscheiden. Die Abweichungen der Forma langobardica sollten wohl dem besseren Verständnis italienischer Rezipienten dienen und die Umsetzung der Bestimmungen in Italien erleichtern (François Bougard, La justice dans le Royaume d’Italie de la fin du VIIIe siècle au début du XIe siècle, Rom 1995, S. 27 f.). Laut Mordek erfolgte die Überarbeitung nicht vor dem 9. Jahrhundert und repräsentierte keine offizielle Textfassung (Mordek, Die Anfänge, S. 7). Glatthaar vermutet hingegen, dass sie 812 am Hof in Aachen entstand und König Bernhard von Italien zu Beginn seiner Regierung mit nach Italien gegeben worden sei (Christoph Haack, Kapitular von Herstal, in: Germanische Altertumskunde Online (2014) (https://doi.org/10.1515/gao_40) mit Verweis auf einen Vortrag Michael Glatthaars auf einem Workshop anläßlich des 65. Geburtstags von Gerhard Schmitz, 2012). 133 MGH Capit. 1, S. 47, Z.  16–23. Der Prolog hat (zumindest nach der MGH-Edition) in beiden Fassungen denselben Wortlaut, bis auf unbedeutende orthographische Varianz und den Wegfall von domni nostri vor Karoli in der Forma langobardica.

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von der Kanzlei verwendeten Formulierungen.134 Die seltene Datierungsformel anno feliciter … regni nostri, in der die üblicherweise ganz zum Schluss stehende Apprecatio feliciter an den Anfang gerückt wird, findet sich zum Beispiel in den Protokollen der Toletaner Konzilien des 7. Jahrhunderts, die unter dem Vorsitz des zum katholischen Glauben konvertierten Westgotenkönigs Reccared I. und seiner Nachfolger stattfanden.135 Der ebenfalls ungewöhnliche Schluss pro causis oportunis consenserunt decretum ist im Kontext der Kapitularien sonst nur noch in einem von zwei Handschriften überlieferten Zusatz zur Rubrik zu den Capitula legi addita Ludwigs des Frommen belegt.136 Das Partizip facto ist aus den Datierungen von Gerichtsurkunden bekannt (dort factum oder ­actum),137 was wiederum den engen Bezug zu der Entstehung des Textes auf einer Versammlung anzeigt.138 Die Tatsache, dass der Prolog in fast allen Überlieferungen139 wortwörtlich enthalten ist, spricht dafür, dass er in der Fassung des Erstexemplars bereits vorhanden war, das wohl über einen längeren Zeitraum im Pfalzarchiv aufbewahrt und von den Missi weiterverbreitet wurde.140 Das im Jahr 797 in Aachen erlassene Capitulare Saxonicum (Nr. 27)141 enthält ebenfalls einen Prolog, der seine Entstehung im Zusammenhang mit einer

134 Bei Karolo gloriosissimo regis handelt es sich zwar um den Titel, der Karl auch in der Signumzeile seiner Urkunden beigegeben wird (Michael Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil in den Kapitularien Karls des Großen. Ein Beitrag zur Frage ihrer Entstehung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 70 (2014), S. 1–42, hier S. 5); es ist aber nach Wolfram, Intitulatio, S. 237 eine »›Allerwelts-Titulatur‹, (…) die überall auftreten kann«. 135 Zum Beispiel Konzilien von Narbonne 589, Toledo 597, Egara 614, Toledo 655; José Vives u. a. (Hg.), Concilios Visigóticos e Hispano-Romanos, Barcelona 1963, S. 146–150, 156 f., 162, 297–307; vgl. zu den westgotischen Konzilien dieser Zeit Aloys Suntrup, Studien zur politischen Theologie im frühmittelalterlichen Okzident. Die Aussage konziliarer Texte des gallischen und iberischen Raumes, Münster 2001, S. 201–289. Auch die Überlieferung der Konzilien im Rahmen des Liber iudiciorum (vgl. dazu Carlos Petit, Leges Visigothorum, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 23 [2016], Sp. 697–704) hat die Datierungen zum Teil bewahrt: Zum Beispiel Lex Visigothorum III,1,5; IV,5,6; IV,5,7; IX ,1,21; XII,2,17, hg. von Karl Zeumer, MGH LL nat. Germ. 1, Hannover 1902, S. 130, 205, 207, 365, 426 u. ö.). 136 Nr. 134, MGH Capit. 1, S. 267–269. Der Zusatz lautet in den Handschriften Ivrea XXXIII und XXXIV… capitula que nobis addere placuit hec sunt de causis oportunis, s. dazu unten Anm. 190. 137 Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil, S. 6 f. 138 Die im Prolog selbst als sinodale concilium bezeichnet wird, s. das Zitat oben S. 141. 139 Der Prolog ist auch in beiden Fassungen des Kapitulars (vgl. Anm. 133) enthalten. 140 Für die Aufbewahrung im Pfalzarchiv sprechen auch die Rezeptionsspuren in späteren Kapitularien; vgl. Ganshof, Kapitularien, S. 103 f., Mordek, Die Anfänge, S. 30. 141 MGH Capit. 1, S. 71 f. Neuedition: Leges Saxonum et lex Thuringorum, hg. von Claudius Freiherr von Schwerin, MGH Fontes iuris 4, Hannover 1918, S. 45–49. Vgl. dazu Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004, S. 230–233.

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Versammlung spiegelt.142 Die Beteiligung der Sachsen, von denen Vertreter verschiedener Regionen auf der Versammlung in Aachen anwesend waren, wird darin besonders hervorgehoben. Das Kapitular markiert »das allmähliche Ende des Ausnahmezustandes«, in dem sich Sachsen seit dem Beginn der Feldzüge Karls des Großen befand.143 Im Vergleich mit der wenige Jahre zuvor verfügten Capitulatio de partibus Saxoniae (Nr. 26),144 die zum Teil drakonische Strafen für einzelne Vergehen vorsah, reagierte der Erlass auf die veränderte historische Situation, die sich in moderateren Bestimmungen (zum Beispiel Geldbußen anstatt der Todesstrafe)  und einer demonstrativen Einbeziehung der Sachsen zeigt.145 Interessanterweise hat die Capitulatio bis auf eine Rubrik, die vermutlich nicht original ist, keinerlei Einleitung.146 Die Capitulatio ist unikal überliefert und geht in der Handschrift dem Capitulare Saxonicum voran, das von demselben Schreiber kopiert wurde,147 der wohl kaum eine Einleitung im Stile des Capitulare Saxonicum ausgelassen hätte, wenn sie in seiner Vorlage vorhanden gewesen wäre. Allerdings könnte die überlieferte Textfassung auch aus mehreren 142 Anno ab incarnatione domini nostri Iesu Christi DCCXCVII et XXX ac XXXII regnante domno Carolo praecellentissimo rege, convenientibus in unum Aquis pilatio [sic] in eius obsequio venerabilibus episcopis et abbatibus seu inlustris viris comitibus V Kalendas Novembris, simulque congregatis Saxonibus de diversis pagis … Leges Saxonum, S. 45, Z. 3–8. 143 Lutz E. von Padberg, Capitulare Saxonicum, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1 (22008), S. 812 f. 144 MGH Capit. 1, S. 68–70. Neuedition: Leges Saxonum, S. 37–44. Vgl. dazu zuletzt Ingrid Rembold, Conquest and Christianization. Saxony and the Carolingian World, 772–888, Cambridge 2017, S. 24 f. mit Literaturhinweisen in Anm. 85: Datierung entweder auf 782 oder 794/795 sowie ausführlich Robert Flierman, Religious Saxons. Paganism, infidelity and biblical punishment in the Capitulatio de partibus Saxoniae, in: Rob Meens (Hg.), Religious Franks. Religion and power in the Frankish kingdoms. Studies in honour of Mayke de Jong, Manchester 2016, S. 181–201: Datierung auf die 780er oder, wahrscheinlicher, die 790er Jahre (um 792/793; so auch ders., Saxon identities, AD 150–900, London 2017, S. 111 f.). 145 Vgl. dazu Matthias Becher, Gewaltmission. Karl der Große und die Sachsen, in: Martin Kroker u. a. (Hg.), Credo. Christianisierung Europas im Mittelalter, Bd. 1. Essays, Petersberg 2013, S. 321–329 und Gerhard Theuerkauf, Lex, Speculum, Compendium juris. Rechtsaufzeichnung und Rechtsbewußtsein in Norddeutschland vom 8. bis zum 16. Jahrhundert, Köln 1968, S. 39. 146 Die Rubrik lautet in der unikalen Überlieferung (Vatikan, BAV, Pal. Lat. 289, vgl. zur Überlieferung Jan Hanselmann, Der Codex Vat. Pal. Lat. 289. Ein Beitrag zum Mainzer Skriptorium im 9. Jahrhundert, in: Scriptorium 41 [1987], S. 78–87) Capitulatio de partibus Saxonie constitute sunt, was wahrscheinlich auf eine falsche Lesung des Kopisten zurückzuführen ist; vgl. auch Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil, S. 9 mit Anm. 36. Schwerin emendiert zu Capitula quae de partibus Saxoniae constituta sunt (Leges Saxonum, S. 37, Z. 3 f.). 147 Hanselmann, Codex Vat. Pal. Lat. 289, S. 84.

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Vorlagen zusammengesetzt worden sein, worauf inhaltliche Indizien sowie der Wechsel von objektivem zu hauptsächlich subjektivem Stil innerhalb des Textes hindeuten.148 Ob die Capitulatio also wirklich keinerlei Präliminarien enthielt, wissen wir nicht; auch wenn es naheliegend wäre, im Kontrast zur feierlichen Form des Capitulare Saxonicum einen Hinweis darauf zu sehen, dass die ­Capitulatio nur mündlich verkündet beziehungsweise nur den Amtsträgern, die die Bestimmungen durchsetzen sollten, in Schriftform ausgehändigt wurde,149 während das Capitulare eher den Charakter einer zweiseitigen Vereinbarung trägt, an deren schriftlicher Aufzeichnung und dauerhafter Aufbewahrung beide Seiten ein Interesse gehabt haben werden.

2.5 Angelsächsischer Einfluss (Alkuin) Die Admonitio generalis (Nr. 22) ist nicht nur aufgrund ihres Umfangs (80 Kapitel) und ihrer sehr breiten Überlieferung (36 Textzeugen) ein außergewöhnliches Kapitular150; auch hinsichtlich ihres formalen Aufbaus stellt sie eine Ausnahme dar. Die zahlreichen Anklänge an Urkundenbestandteile (Invocatio, Intitu­ latio, Arenga, Apprecatio, Eschatokoll mit Actum / Datum) haben die Herausgeber der Neuedition detailliert zusammengestellt.151 In ihrem Fazit wird der ­hybride Charakter dieser aufwendigen Form herausgestellt: »Allen drei Gattungen ­[Urkunde, Brief, Predigt; BM] entnahm die Admonitio, so scheint es, je eigene Elemente und schuf damit einen Kapitularientyp, der die Autorität einer Urkunde, die Verbindlichkeit eines Briefes und die Überzeugungskraft einer

148 Die von Martin Lintzel (Die Capitulatio de partibus Saxoniae, in: Ders., Ausgewählte Schriften, Bd. 1. Zur altsächsischen Stammesgeschichte, Berlin 1961, S. 380–389, hier S. 380–384) aufgebrachte These, sie sei nachträglich aus zwei, möglicherweise sogar drei verschiedenen Texten zusammengefügt worden, wird von Springer, Die Sachsen, S. 229 aufgegriffen. Dagegen meint Theuerkauf, Lex, S. 46 f., die erkennbaren Schichten der Capitulatio könnten auch als Schichten des Inhalts und nicht der Entstehung zu deuten sein. Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil, S. 9 sieht im Wechsel von rein objektivem zu vornehmlich subjektivem Stil im zweiten Teil des Kapitulars (ab c.  XV: De minoribus capitulis consenserunt omnes …, Leges Saxonum, S. 39, Z. 21) einen »Unterschied zwischen einer ersten Kapitelreihe nach Art der Leges und einer zweiten, gemischten Kapitel­reihe«. 149 Rembold, Conquest, S. 64 vermutet, dass das Kapitular den neu ernannten sächsischen Grafen im Rahmen einer Versammlung (entweder schon 782 an den Lippequellen oder später) ausgehändigt wurde. Vgl. zum Adressatenkreis auch Flierman, Religious Saxons, S. 187. 150 Vgl. dazu die Einleitung zur Neuedition: Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. von Michael Glatthaar u. a., MGH Fontes iuris 16, Hannover 2013. 151 Glatthaar u. a., Admonitio generalis, Einleitung, S. 26 f.

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Predigt bündelte.«152 Die ungewöhnliche Titulatur153 der Admonitio generalis mit der Bezeichnung Karls als defensor ecclesiae ist offenbar auf Alkuin zurückzuführen, der auch am Text der Admonitio entscheidend beteiligt war.154 Das hier in der Intitulatio erneut begegnende Ego kann zwar in Anlehnung an die Kapitularien der Vorfahren Karls, Karlmanns oder Pippins, formuliert worden sein,155 geht damit aber letztlich auf die angelsächsische Tradition zurück, die Alkuin auch ohne eine solche Vermittlungsinstanz geläufig gewesen sein dürfte. Hier kann also wiederum, wie schon bei den von Bonifatius geprägten 152 Ebd., S. 29. 153 Ego Carolus, gratia dei eiusque misericordia donante rex et rector regni Francorum et devotus sanctae ecclesiae defensor humilisque adiutor … Admonitio generalis, S. 180, Z. 1–3. Abweichend findet sich in Berlin, StaBi, Lat. fol. 626 – im Anschluss an die Kapitulariensammlung Ghaerbalds von Lüttich, aber nicht zu dieser gehörig – im Rahmen der Praefatio zur Admonitio generalis eine eindeutig nachträglich hinzugefügte, da auf den Kaisertitel abgestimmte Intitulatio: (nach Ego Carolus) piissimus et a domino coronatus imperator romanum gubernans imperium qui et per misericordiam dei rex et rector regni francorum ac longobardorum ceterarumque prouinciarum partibus nostris aspicientium ęcclesiarum dei defensor humilisque adiutor … Admonitio generalis, S. 180 Anm. 1. Sie stellt nach einer Vermutung Eckhardts (Wilhelm A. Eckhardt, Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich, Göttingen 1955, S. 62) eine anhand einer »frühen Kanzleifassung« überarbeitete Form der Kaisertitulatur dar. Glatthaar (Admonitio generalis, Einleitung, S. 125) sieht in der Kombination von Königs- und Kaisertitel und der Erweiterung des Herrschaftsbereiches in der Titulatur auf ceterae provinciae einen Bezug zu Istrien / Venetien und datiert diese Fassung daher um 806; laut seiner Vermutung bestehe entweder ein Zusammenhang mit der Ghaerbald-Sammlung oder mit dem direkt folgenden Brief der Kaiser Michael II . und Theophilos an Ludwig den Frommen. 154 Friedrich-Carl Scheibe, Alcuin und die Admonitio generalis, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 14 (1958), S. 221–229; weitere Literatur bei Glatthaar u. a., Admonitio generalis, Einleitung, S. 48 mit Anm. 244–247. Die außergewöhnliche Herrschertitulatur der Admonitio taucht noch in einem weiteren Kapitularientext auf, dem sogenannten Capitulare primum (Nr. 19 [769?], MGH Capit. 1, S. 44–46). Vgl. dazu Gerhard Schmitz, Die Waffe der Fälschung zum Schutz der Bedrängten? Bemerkungen zu gefälschten Konzils- und Kapitularientexten, in: Fälschungen im Mittelalter, Bd. 2. Gefälschte Rechtstexte. Der bestrafte Fälscher, Hannover 1988, S. 79–110, hier S. 86–89. Da unklar ist, ob es sich bei diesem Text nicht um eine Fälschung handelt, bleibt das Stück hier außer Acht. Er ist nur in der Sammlung der Falschen Kapitularien des Benedictus Levita sowie aus Drucken bekannt. Gerhard Schmitz, der eine Neuedition der Kapitulariensammlung des Benedictus erarbeitet (www.benedictus.mgh.de [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]), entlastete diesen zwar vom Verdacht, das Capitulare primum selbst gefälscht zu haben, konnte die Echtheitsfrage aber auch nicht positiv beantworten (Schmitz, Waffe der Fälschung, S. 83–93). Jüngst hat Veronika Lukas, die sich allerdings in der Echtheitsfrage nicht festlegt, eine neue Datierung des Capitulare primum auf etwa 789 vorgeschlagen, was das Kapitular in engere Nähe zur Admonitio generalis rücken würde (Veronika Lukas, Beobachtungen zum sog. Capitulare primum Karls d. Gr. in der Sammlung des Benedictus Levita, http://www.benedictus.mgh.de/studien/lukas/ Capitprimum.pdf [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]). 155 Glatthaar (Admonitio generalis, Einleitung, S. 47) deutet das Ego als Nachahmung des »gesetzgebenden Ton[s] Rotharis, Karlmanns oder Pippins«.

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Hausmeierkapitularien, die durch eine einflussreiche Person am Hof vermittelte angelsächsische Tradition als Vorbild für die formale Textgestaltung plausibel gemacht werden.156

2.6 Die italienischen Kapitularien Das älteste bekannte Kapitular Karls des Großen, die Notitia Italica (Nr. 88),157 ist nicht im Zentrum des Reiches entstanden, sondern im Regnum Italiae. Dies ist kein Einzelfall; viele der frühen Kapitularien aus der Regierungszeit Karls des Großen sind in Italien entstanden oder wurden von seinem Sohn Karlmann / Pippin, der in Italien als Unterkönig regierte, erlassen.158 Laut Jennifer Davis fungierten die neu eroberten Regionen, allen voran das ehemalige Regnum Langobardorum, als Experimentierfeld für das Regieren mittels Kapitularien.159 Hierbei vermischte sich die schon länger geübte fränkische Praxis der königlichen Erlasse mit regionalen Traditionen, was sich auch in der formalen Gestaltung der Texte zeigt. Die Notitia Italica weist deutliche Anklänge an die Textgattung der Breves beziehungsweise Notitiae auf, in denen der Verlauf und das Ergebnis von Ge156 Glatthaar sieht auch in der im Schlussdatum (Data est haec carta die X kalendas Aprilis, Admonitio generalis, S. 238, Z. 440) erfolgenden Selbstbezeichnung des Textes als carta eine Reminiszenz an angelsächsische Vorbilder, nämlich an die für englische Legatenberichte gebräuchliche Bezeichnung chart(ul)a; vgl. Glatthaar u. a., Admonitio generalis, Einleitung, S. 26. Zu den Gemeinsamkeiten mit dem Bericht des päpstlichen Legaten Georg von Ostia und einem möglichen ›Kulturtransfer‹ zwischen Italien und England vgl. auch Patrick Wormald, The making of English law: King Alfred to the twelfth century, Bd. 1. Legislation and its limits, Oxford 2001, S. 106 f.; Joanna Story, Carolingian Connections. Anglo-Saxon England and Carolingian Francia, c.  750–870, Aldershot 2003, S. 78–83. 157 MGH Capit. 1, S. 187 f., von Boretius datiert auf »776 vel 781 Febr. 20«. Datierung auf 776 bei Francesco Manacorda, Ricerche sugli inizii della dominazione dei Carolingi in Italia, Roma 1968, S. 36–43 und Ganshof, Kapitularien, S. 167 beziehungsweise bereits (vermutlich) 774 bei Rosamond McKitterick, Charlemagne. The formation of a European identity, Cambridge 2008, S. 111–113, zustimmend Jennifer R.  Davis, Charlemagne’s Practice of Empire, Cambridge 2015, S. 288 mit Anm. 261. Abweichend dazu Datierung auf 781 bei Mordek, Die Anfänge, S. 17–25, zustimmend François Bougard, Tempore barbarici? La production documentaire publique et privée, in: Stefano Gasparri (Hg.), 774: ipotesi su una transizione, Turnhout 2008, S. 331–352, hier S. 343. – Vgl. die Tabelle zur chronologischen Reihenfolge der frühesten Kapitularien Karls des Großen gemäß neuerer Datierungsvorschläge bei Davis, Charlemagne, S. 288. 158 Vgl. zu den italienischen Kapitularien allgemein Alfred Boretius, Die Capitularien im Langobardenreich, Halle 1864; Manacorda, Ricerche; Bougard, La justice, S. 17–54; ­Mordek, Die Anfänge. 159 Davis, Charlemagne, S. 286–289.

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richtsverhandlungen festgehalten wurden.160 Diese relativ formlose Art der Aufzeichnung von Rechtsgeschäften kam in den Fällen zur Anwendung, die nicht in die Kategorie römischrechtlicher Verträge fielen, und verbreitete sich in der Karolingerzeit besonders in Norditalien im Zusammenhang mit der wachsenden Präsenz nordalpiner Einwanderer.161 In den vier Kapiteln der Notitia werden verschiedene Fälle von Unrecht behandelt, die aus der Zeit vor der fränkischen Eroberung datieren, und es wird angeordnet, darüber ausgestellte cartulae zu vernichten.162 Vermutlich wurden diese Fälle anlässlich einer lokalen Versammlung vor den Herrscher gebracht und auch in diesem Rahmen entschieden, wie man künftig in solchen Fällen verfahren solle. Die Schlussformel der Notitia, in der bekräftigt wird, dass die verhandelten Streitfälle beigelegt und darüber die vorliegende notitia ausgestellt wurde, greift die wohl aus einem Prozessformular stammende Formel pro amputandas intentiones auf, die in mehreren Gerichtsurkunden (Placita) aus dieser Zeit begegnet.163 In denselben Kontext passt auch die Datierungsformel Facta notitia anno dominorum nostrorum, die dem Muster von Datierungen in zeitgenössischen italienischen Placita entspricht, die mit dieser Formel die Regierungsjahre Karls und Pippins angeben.164 Das in den 160 Vgl. zu dieser Quellenart Bougard, La justice, S. 109–113; Giovanna Nicolaj, Il documento privato italiano nell’alto medioevo, in: Cesare Scalon (Hg.), Libri e documenti d’Italia dai Longobardi alla rinascita delle città, Udine 1996, S. 153–198, hier S. 174–176; Cristina Mantegna, Il documento privato di area longobarda in età carolingia II, in: Peter Erhart u. a. (Hg.), Die Privaturkunden der Karolingerzeit, Dietikon 2009, S. 57–72, hier S. 63 f.; Marios Costambeys, Disputes and documents in early medieval Italy, in: Kate Cooper / Conrad Leyser (Hg.), Making Early Medieval Societies. Conflict and Belonging in the Latin West, 300–1200, Cambridge 2016, S. 125–154, hier S. 130–133.  – Die Gerichtsurkunden / Placita werden im Folgenden zitiert nach Cesare Manaresi, I Placiti del regnum Italiae 1, Rom 1955, als Manaresi [Editions-Nr., Seite] (Datum, Ort). 161 Mantegna, Documento, S. 64. 162 Zum Inhalt Mordek, Die Anfänge, S. 19–21, McKitterick, Charlemagne, S. 111–113 und Alice Rio, Self-sale and voluntary entry into unfreedom, 300–1100, in: Journal of Social History 45 (2012), S. 661–685, hier S. 670. 163 Unde qualiter nobis complacuit, presentem deliberationis notitiam pro amputandas intentiones fieri iussimus et nobis relegi fecimus, et volumus ut sic procedat iudicium (MGH Capit. 1, S. 188, Z.  21 f.). Antonio Padoa Schioppa, Aspetti della giustizia nei placiti longobardi. Note sul sistema delle prove, in: Gerhard Dilcher u. a. (Hg.): Leges – Gentes – Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und lateinischer Schriftkultur, Berlin 2006, S. 333–350, hier S. 337: »probabilmente sulla base di un medesimo formulario processuale«. Die Formulierung Unde, pro amputanda intentione, … scripsi findet sich zum Beispiel in folgenden Placita: Manaresi Nr. 2, S. 2–5 (776 Dezember, Spoleto), hier S. 2; Manaresi Nr. 3, S. 5–8 (777 März, Spoleto), hier S. 8; Manaresi Nr. 4, S. 8–10 (779 März, Trita in territorio di Valva), hier S. 10; Manaresi Nr. 5, S. 10–14 (781 Juli, Spoleto), hier S. 13. 164 Die Formel wäre zu ergänzen um Karoli et Pippini regum [Herrscherjahre beider Könige sowie Monats- und Indiktionsangabe], vgl. z. B. Manaresi Nr. 10, S. 28–30 (798 Mai, Spoleto), hier S. 29: anno dominorum nostrorum Karoli et Pipini regum .XXIIII. et .XVIII.

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Datierungen von Gerichtsurkunden verwendete Partizip facto, das »eine gewisse Handlungsnähe bewahrt«, wird in den Einleitungen oder Rubriken späterer, vor allem italienischer Kapitularien noch häufiger begegnen.165 Diese Indizien, zusammen mit dem in der Notitia verwendeten langobardischen Rechtsvokabular,166 legen nahe, dass für die Formulierung ein lokaler Notar oder Gerichtsschreiber verantwortlich war, der von den fränkischen Eroberern in Dienst genommen werden konnte.167 Das Pippini Italiae regis capitulare (Nr. 91)168 beginnt mit einer Invocatio und einer an den gentilen langobardischen Königstitel angepaßten Intitulatio.169 Da von Pippin keine echten Urkunden überliefert sind, erübrigt sich ein entsprechender Vergleich; allerdings scheinen die Formulierungen auch besser als Anknüpfung an die langobardische Gesetzgebungstradition erklärbar zu sein. in Hitalia, mense mai, indictione .VI. oder Manaresi Nr. 11, S. 30–33 (800 April, Lucca), hier S. 32: Hoc actum est anno dominorum nostrorum Caruli et Pippini regum vigisimo sexto et vigisimo, menses aprilis, indictione octava. Erstmals begegnet die Datierung nach den Regierungsjahren Karls und Pippins in einem Placitum im Jahr 785 (Manaresi Nr. 6, S. 14–18 [785 August, Lucca], hier S. 14). Alfred Boretius hielt die Schlussformel der Notitia Italica noch für einen späteren Zusatz eines Archivars (»Verba facta notitia rell.  a librario quodam notitiae addita videntur.« MGH Capit. 1, S. 188 Anm. u; vgl. auch ders., Die Capitularien, S. 99–104). Dagegen hielt Mordek sie für authentisch und vermutete, dass der Schreiber die Angaben zu Herrschernamen und Regierungsjahren absichtlich weggelassen haben könnte (Mordek, Die Anfänge, S. 26 f.). Die nur in einer Handschrift (Mailand, BA , O 55 sup., Mitte 11. Jh., ›Liber Papiensis‹) noch folgende Angabe des (noch dazu nur eines von zu erwartenden zweien) Regierungsjahres mit tercio ist allerdings auch aus Mordeks Sicht nur ein späterer Nachtrag (Boretius, Die Capitularien, S. 103 Anm. 1, Mordek, Die Anfänge, S. 25 f.). 165 Zum Beispiel in Nr. 20, MGH Capit. 1, S. 47, Z. 18 sowie in Nr. 97, MGH Capit. 1, S. 204, Z. 1; vgl. Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil, S. 6 f., das Zitat ebd. S. 7. 166 Weitere Beispiele: Der langobardische Rechtsbegriff launegild in Nr. 88 c. 3, MGH Capit. 1, S. 188, Z. 9, vgl. dazu Annette de Sousa Costa, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, Göttingen 1993, S. 206–208 oder die in c. 4 (ebd., Z. 17 f.) verwendete Formulierung exinde procedat iudicium, die sich auch im Edictus Langobardorum (Liutprand a. 717, c.  11.V., Edictus Langobardorum, hg. von Friedrich Blume, MGH LL 4, Hannover 1868, S. 1–234, hier S. 111, Z. 14, oder Liutprand a. 727, c. 86.III ., ebd., S. 143, Z. 14 u. ö.) findet. 167 Donald Bullough vermutet, die Notitia Italica sei von Notaren der Paveser Pfalz aufgesetzt worden, die nach der fränkischen Eroberung im Amt geblieben seien; Donald A. Bullough, The writing-office of the dukes of Spoleto in the eigth century, in: Ders. / Robin Lindsay Storey (Hg.), The Study of Medieval Records. Essays in Honour of Kathleen Major, Oxford 1971, S. 1–21, hier S. 18. Mordek, Die Anfänge, S. 27 hält hohe Geistliche oder Missi, die dem Königshof in Pavia nahestanden, für verantwortlich für die Ausstellung dieses und anderer Texte wie zum Beispiel Nr. 89, MGH Capit. 1, S. 188 f. 168 MGH Capit. 1, S. 191–193; vgl. dazu Manacorda, Ricerche, S. 50–61. 169 In nomine domini nostri Iesu Christi, qualiter complacuit nobis Pipino excellentissimo regi gentis Langobardorum, cum adessent nobis cum singulis episcopis, abbatibus et comitibus seu et reliqui fideles nostros Francos et Langobardos … (MGH Capit. 1, S. 191, Z. 27–29). Vgl. dazu Wolfram, Intitulatio, S. 237.

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Francesco Manacorda wies auf Ähnlichkeiten zum Prolog König Liutprands im Edictus Langobardorum hin.170 Die in zwei Kapiteln auftretende Formulierung Et hoc damus in mandatis steht auch am Ende des Edictus Rothari.171 Das spezifisch langobardische Rechtsvokabular geht wohl auf die Beteiligung oberitalienischer Juristen an der Gesetzgebung Pippins zurück.172 Als erstes Kapitular aus der Zeit nach der Annahme des Kaisertitels begegnet uns ebenfalls ein für das Regnum Italiae ausgestelltes Kapitular, das sogenannte Capitulare Italicum Karls des Großen aus dem Jahr 801 (Nr. 98).173 Wie bereits Jennifer Davis feststellte, stellt das Kapitular eine Verbindung von fränkischer und langobardischer Tradition dar, was sich in der für italienische Rechtsdokumente der Zeit typischen Terminologie zeigt.174 Es beginnt mit einer ausführlichen, protokollartigen Einleitung mit Invocatio, Intitulatio, Adresse und Datierung,175 die wie ein vollständiges Urkundenprotokoll erscheint. Allerdings entspricht der Wortlaut der Formulierungen nicht dem Kanzleistil. Statt der unter Karl üblichen trinitarischen Invocatio erscheint hier eine Anrufung Christi, die erst unter seinem Sohn Ludwig zum Standard erhoben wurde, und die Intitulatio beschränkt sich auf den reinen Kaisertitel, der zudem leicht abweichend zur kanzleigemäßen Fassung formuliert ist.176 Beides erinnert an die 170 Liutprand, prol. a. XII, MGH LL 4, S. 128, Z. 19–21: Ideoque ego Liutprand in Dei nomine excellentissimus gentis christianae et catholicae Langobardorum rex, anno regni mei Christo protegente … una cum iudicibus et reliquis Langobardis fidelibus nostris …. Vgl. Manacorda, Ricerche, S. 163 f. mit Anm. 68. 171 Nr. 88 c. 4/Schluss (MGH Capit. 1, S. 188, Z. 18); sie findet sich auch in Nr. 91 c. 8 und 10/Schluss (MGH Capit. 1, S. 193, Z. 12 und 24). Edictus Rothari 388: Et hoc generaliter damus in mandatis (Bluhme, Edictus Langobardorum, S. 90, Z. 11). 172 Manacorda, Ricerche, S. 63 mit Anm. 87. Die vom Haupttext der MGH-Edition abweichende Rubrik zu Pippins Paveser Kapitular von 787 (Nr. 94), die ein Teil der Überlieferung bewahrt hat, unterstützt diese These ebenfalls: Incipit capitulare quem Pippinus rex instituit cum suis iudicibus in Papia (MGH Capit. 1, S. 198, Z. 12 f.; vgl. dazu De Clercq, Législation religieuse, S. 166 und Manacorda, Ricerche, S. 69). – Weitere Einflüsse aus der langobardischen Rechtssprache zeigt De Clercq, Législation religieuse, S. 163–167, auf. 173 MGH Capit. 1, S. 204–206. 174 Davis, Charlemagne, S. 285. 175 In nomine domini nostri Iesu Christi. Karolus, divino nutu coronatus, Romanum regens imperium, serenissimus augustus, omnibus ducibus, comitibus, gastaldiis seu cunctis rei publicae per provincias Italiae a nostra mansuetudine praepositis. Anno ab incarnatione domini nostri Iesu Christi DCCCI, indictione nona, anno vero regni nostri in Frantia [sic] XXXIII, in Italia XXVIII, consulatus autem nostri primo. (MGH Capit. S. 204, Z. 27–31). 176 Letztere hat den Wortlaut Karolus serenissimus augustus a deo coronatus magnus pacificus imperator Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam dei rex Francorum et Langobardorum und ist aus römischen Kaisertitulaturen sowie dem gentilen Titel eines Königs der Franken und Langobarden zusammengesetzt (vgl. zum Bedeutungs­ gehalt des Kaisertitels sowie zu den unterschiedlichen Titelformen Wolfram, Lateinische Herrschertitel, S. 19–52). Bezeichnenderweise wurde in Nr. 98 die Ergänzung um den gentilen Königstitel weggelassen, obwohl das Kapitular speziell für den Bereich des ehemaligen Regnum Langobardorum erlassen wurde. Wolfram sieht darin eine durch die

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feierliche Einleitung zu Beginn der Libri Carolini,177 wie Erich Caspar herausgestellt hat.178 Auch die Adresse ist in dieser Form nicht kanzleigemäß.179 Vollends aus dem kanzleiüblichen Rahmen fällt die Datierungsformel: Während die Datierung nach Regierungsjahren in Francia und in Italia (seit 778) sowie die Angabe der Indiktion auch in den Urkunden Karls üblich ist, gilt dies nicht für die Angabe des Inkarnationsjahrs, und die Zählung nach eigenen Konsulats­ jahren ist ein beispielloses Unikum.180 Annahme des Kaisertitels inspirierte, bewusste Politik der Renovatio Romani imperii, in deren Zuge auch die Ergänzung des Rechts in Angriff genommen wurde (Wolfram, Lateinische Herrschertitel, S. 56–58; zu den nicht-urkundlichen Titeln allgemein vgl. ebd. S. 53–58). – Freilich ist der Vergleich mit den Kaiserurkunden Karls insofern problematisch, als sich die Formen des Protokolls, insbesondere die Titulatur und die Datierung, nach der Annahme des Kaisertitels änderten (vgl. Mühlbacher, Einleitung zu MGH DD Kar. 1, S. 77) und gerade in der ersten Zeit noch nicht so etabliert waren, dass sie als Muster hätten dienen können. Laut Erich Caspar, Das Papsttum unter fränkischer Herrschaft, Darmstadt 1956, S. 176 handelt es sich bei der Kaisertitulatur in Nr. 98 um eine frühe Form, die ihre Entwicklung aus dem Königstitel noch erkennen lasse und auf einen Entstehungszeitpunkt kurz nach der Kaiserkrönung hinweise. Dagegen nimmt Wolfram, Lateinische Herrschertitel, S. 32 an, die Titulatur setze den bereits ausgebildeten Urkundentitel voraus (erster Beleg für diesen ist eine im Original erhaltene Urkunde von 29. Mai 801, D Kar. 1, Nr. 197, S. 265 f.). 177 In nomine domini et salvatoris nostri Iesu Christi. Incipit opus inlustrissimi et excellentissimi seu spectabilis viri Caroli, nutu Dei regis Francorum, Gallias, Germaniam Italiamque sive harum finitias provintias Domino opitulante regentis … Opus Caroli regis contra synodum [Libri Carolini], hg. von Ann Freeman, MGH Conc. 2 Suppl. 1, Hannover 1998, S. 97, Z. 1–5. 178 Caspar, Das Papsttum, S. 174–177. 179 Die Erweiterung der Adresse omnibus ducibus, comitibus … um die für Italien spezifischen gastaldii ist zwar häufig in Urkunden Karls des Großen für Italien anzutreffen (zum Beispiel D Kar. 1, Nr. 112 für Paulinus [776], D. Kar. 1, Nr. 196 für Arezzo [801], D Kar. 1, Nr. 147 für Modena [782]), die Formulierung seu cunctis rei publicae per provincias Italiae a nostra mansuetudine praepositis findet sich allerdings ansonsten nur noch in einer Fälschung (D Kar. 1, Nr. 277, angeblich für Mailand [809]; die Entstehungszeit der Fälschung lässt sich nicht näher bestimmen). 180 Bresslau, Urkundenlehre, S. 408 mit Anm. 5. Die Datierung nach der christlichen Ära begegnet in den Herrscherurkunden nicht vor 875 (Guyotjeannin u. a., Diplomatique médiévale, S. 51). Die Angabe des Konsulatsjahres war seit Konstatin dem Großen üblich, sie wurde aber bereits 537 durch die Angabe des Postkonsulatsjahres ersetzt. Diese findet sich auch in den byzantinischen Kaiserurkunden (Franz Dölger, Byzantinische Urkundenlehre, Abschnitt 1: Die Kaiserurkunden, München 1968, S. 50, 77) sowie den Papsturkunden und vereinzelt auch in Privaturkunden des römischen Gebietes (Bresslau, Urkundenlehre, S. 408). In den Papsturkunden ist sie allerdings erst seit Stephan IV. (816/7) einwandfrei bezeugt; vgl. Fichtenau, »Politische« Datierungen, S. 497–499. Mit der Formulierung consulatus nostri hätte Karl also faktisch das Konsulat »wiederbelebt«, das 541/2 von Kaiser Justinian abgeschafft worden war (vgl. zu den Gründen Mischa Meier, Das Ende des Konsulats im Jahr 541/42 und seine Gründe. Kritische Anmerkungen zur Vorstellung eines ›Zeitalters Justinians‹, in Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 138 (2002), S. 277–299).

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Nach Ansicht Heinrich Fichtenaus entstammt die Formulierung mit der nebeneinandergestellten Datierung nach Königs- und Konsulatsjahren »dem gelehrten Wissen eines Mannes, … der weder der päpstlichen noch der kaiserlichen Kanzlei nahestand.«181 Es ist vielleicht nicht ganz abwegig, hinter diesem Mann Theodulf von Orléans zu vermuten, der an der Abfassung der Libri Carolini maßgeblich beteiligt war und den Karl zudem im Vorfeld seines Italienzuges 800 besuchte.182 Die Capitula legi addita Ludwigs des Frommen von 816 (Nr. 134)183 geben sich zwar nicht als ein für Italien bestimmtes Kapitular aus, doch weist die von einem Teil der Überlieferung tradierte Einleitung einen auffälligen Bezug zu Italien auf. Sie enthält mit Invocatio, Intitulatio und Promulgatio Elemente eines Urkundenprotokolls, wobei sowohl die Invocatio als auch die Titulatur eine wörtliche Wiederholung des Prologs zum Capitulare Italicum Karls des Großen darstellen.184 Diese Einleitung findet sich allerdings nur in einem Teil der Überlieferung, und zwar ausschließlich in italienischen Handschriften.185 Hubert Mordek hat ihre Verwendung in den Capitula legi addita als ein Anknüpfen Ludwigs an das Vorbild Karls des Großen gedeutet.186 Dafür lässt sich allerdings nicht nur in den Kapitularien kein weiteres Beispiel finden; Ludwig führte seit seinem Regierungsantritt den absoluten Kaisertitel imperator augus181 Fichtenau, »Politische« Datierungen, S. 498. 182 Die Verfasserschaft Theodulfs für die Libri Carolini vermutet Ann Freeman, Theodulf of Orléans and the ›Libri carolini‹, in: Dies. / Paul Meyvaert (Hg.), Theodulf of Orleans: Charlemagne’s spokesman against the Second Council of Nicaea, Aldershot 2003, S. 663–705; zu weiterer Literatur und Gegenmeinungen s. Peter Brommer, Die bischöfliche Gesetzgebung Theodulfs von Orléans, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 60 (1974), S. 1–120, hier S. 6 mit Anm. 26. Zum Besuch Karls im Jahr 800 in Orléans auf der Durchreise nach Aachen Brommer, Bischöfliche Gesetzgebung, S. 8. 183 MGH Capit. 1, S. 267–269. 184 In nomine domini nostri Iesu Christi. Hludowicus divino nutu coronatus, Romanum regens imperium, serenissimus augustus omnibus episcopis, abbatibus, ducibus, comitibus seu cunctis fidelibus nostris. Capitula quae nobis addere placuit haec sunt. (MGH Capit. 1, S. 267, Z. 42 – S. 268, Z. 2). Vgl. das Zitat aus Nr. 98 oben Anm. 175. Auch der Schluss Capitula … haec sunt findet sich im Capitulare Italicum wieder, nämlich am Ende des – freilich deutlich längeren – Prologs: Capitula autem quae nobis addere placuit haec sunt (MGH Capit. 1, S. 205, Z. 4 f.). 185 Ivrea, Biblioteca Capitolare, XXXIII (9. Jh., Mitte bis 2. Hälfte; Oberitalien?), vgl. dazu Mordek, Bibliotheca S. 172–177; Ivrea, Biblioteca Capitolare, XXXIV (um 830, Pavia), vgl. dazu ebd., S. 178–185; Cava de’ Tirreni, Biblioteca della Badia, 4 (um 1005, Süditalien), vgl. dazu ebd., S. 98–111; Vatikan, BAV, Chigi F. IV. 75 (um 1000, Mittelitalien), vgl. dazu ebd., S. 756–768. 186 Mordek, Fränkische Kapitularien, S. 20 f.; vgl. auch Philippe Depreux, Das Königtum Bernhards von Italien und sein Verhältnis zum Kaisertum, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 72 (1992), S. 1–25, hier S. 21–23, der die Einleitung ebenfalls als eine Selbsttitulatur Ludwigs auffasst.

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tus ohne die in Karls Kaisertitulatur enthaltene Bezugnahme auf Rom.187 Man könnte dagegen halten, dass das Kapitular vielleicht nur für das Regnum Italiae erlassen wurde und daher hier ausnahmsweise die dort bekannte Titelform mit Absicht gewählt wurde, doch spricht der Inhalt, der in c. 3 Kompositionszahlungen explizit für Sachsen und Friesen thematisiert, eher dagegen.188 Die Formel Romanum regens imperium wird überdies nur von den beiden Handschriften aus Ivrea überliefert, während die anderen beiden, die vermutlich auf eine bald nach 832 am Königshof in Pavia entstandene Kapitulariensammlung zurückgehen,189 eine Fassung ohne Rombezug bieten.190 Es ist also Vorsicht geboten, wenn man diese für Ludwig den Frommen singuläre Titulatur als Beleg für eine bewusste Selbstbezeichnung interpretieren möchte. Zwei alternative Deutungen dieses Überlieferungsbefundes sind zumindest denkbar: Zum einen könnte die Überschrift zu Ludwigs Capitula legi addita erst im Zuge des Abschreibens von einem italienischen Schreiber nach dem Vorbild des Capitulare Italicum ergänzt worden sein, das in allen vier Handschriften ebenfalls enthalten ist.191 Oder die Überschrift wurde von einem italienischen

187 Vgl. Kölzer, Einleitung zu MGH DD Kar. 2, S. LVIII . 188 Boretius, Die Capitularien, S. 142 mit Anm. 1. 189 Cava de’ Tirreni 4 und Vatikan, BAV, Chigi F. IV. 75; vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 99 und 756. 190 Fassung in Ivrea XXXIII und XXXIV: In nomine domini nostri Iesu Christi Hludouuicus diuino nuto coronatus Romanum regens imperium serenissimus augustus omnibus epis­ copis abbatibus ducibus comitibus seu cunctis fidelibus nostris capitula que nobis addere placuit hec sunt de causis oportunis, vgl. die Transkriptionen auf der Webseite der digitalen Edition: Ivrea, Biblioteca Capitolare, XXXIII und XXXIV, in: Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse, bearb. von Karl Ubl und Mitarb., Köln 2014 ff. URL: https://capitularia.uni-koeln.de/mss/ivrea-bc-xxxiii/ und https://capitularia.uni-koeln. de/mss/ivrea-bc-xxxiv/ [zuletzt eingesehen jeweils am 24.08.2020]. Der gleichfalls nur hier vorhandene und etwas deplaziert wirkende Zusatz de causis oportunis begegnet in den Kapitularien ansonsten nur noch in einer ähnlichen Formulierung im Kontext der Einleitung zum Kapitular von Herstal, s. dazu oben S. 141. – Fassung in den Handschriften Cava und Chigi: In nomine domini nostri Iesu Christi Hluduuicus [folgt in Cava: Imperator, in Chigi: Diuino] a deo coronatus serenissimus augustus [folgt in Cava: Capitula domni Loduicus imperator, in Chigi: Omnibus episcopis abbatibus ducibus comitibus seu cunctis fidelibus nostris kapitula que nobis addere placuit hec sunt], vgl. die Transkriptionen auf der Webseite der digitalen Edition: Cava de’ Tirreni, Biblioteca della Badia, 4 und Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Chigi F. IV. 75, in: Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse, bearb. von Karl Ubl und Mitarb., Köln 2014 ff. URL: https://capitularia.uni-koeln.de/mss/cava-dei-tirreni-bdb-4/ und https:// capitularia.uni-koeln.de/mss/vatikan-bav-chigi-f-iv-75/ [zuletzt eingesehen jeweils am 24.08.2020]; hiernach auch im Folgenden zitiert. 191 In den übrigen Handschriften ist das Kapitular entweder ohne Überschrift oder mit einem pauschalen Incipiunt capitula domini Ludouici imperatoris (Leiden, UB , Voss. Lat. Q 119) überliefert; vgl. die Transkriptionen auf der Webseite der digitalen Edition, zu

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Schreiber oder Notar formuliert, der den Kaisertitel Karls auf Ludwig übertrug. Eine solche Praxis lässt sich anhand der Formulierungen einiger italienischer Placita aus der Regierungszeit Ludwigs belegen.192 Die im Folgenden zu behandelnden drei Kapitularien Lothars I. für Italien sind jeweils mit Datierungsangaben überliefert, die dessen Herrscherjahre abweichend vom Kanzleibrauch nach der sogenannten Vulgär-Epoche zählen, welche auch in einigen Privaturkunden verwendet wurde. Während die Datierungen der Urkunden Lothars die Zählung der Herrscherjahre mit 822, dem Jahr der Ankunft Lothars in Italien, beginnen lassen, nimmt die sogenannte Vulgärepoche das Jahr 820 als Ausgangspunkt der Jahreszählung. Auf welches Ereignis damit Bezug genommen werden sollte, konnte die Forschung bisher nicht erklären.193 Die Datierungen aller drei Kapitularien werden jeweils nur von einer Handschrift überliefert, nämlich dem Codex Vatikan Chigi F. IV. 75.194 Obwohl sie im Gebrauch der Vulgärepoche übereinstimmen, unterscheiden sie sich in der konkreten Formulierung doch erheblich voneinander, was darauf hindeutet, dass es sich bei ihnen wohl nicht um nachträgliche Zusätze des Kompilators handelt, sondern vielmehr von diesem aus seiner jeweiligen Vorlage übernommen worden zu sein scheinen. Mit den 825 entstandenen Capitula de expeditione Corsicana (Nr. 162)195 sollte ein Feldzug nach Korsika im Auftrag Lothars vorbereitet werden. In den beiden einzigen Überlieferungszeugen, den Handschriften Cava 4 und Vat. denen man über die Kapitularienseite zu Nr. 134 gelangt: »Capitula legi addita« (Nr. 134), in: Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse, bearb. von Karl Ubl und Mitarb., Köln 2014 ff. URL: https://capitularia.uni-koeln.de/capit/ldf/bk-nr-134/ [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]. 192 Manaresi Nr. 29, S. 89–92 (815 November, Lucca), hier S. 90: Regnante domno nostro Hludovuicus serenissimus augustus a deo coronatus magnus et pacificus imperatore anno secundo …; Manaresi Nr. 32, S. 98–102 (821 August, Norcia), hier S. 99: Dum a pietate domni pręcellentissimi et a Deo coronati Hludouici magni imperatoris …. Boretius scheint ebenfalls in Betracht gezogen zu haben, dass dieser Prolog nicht authentisch sein könnte; wenn auch die entsprechende Anmerkung in seiner Edition nicht ganz eindeutig ist: »Prooemium, conceptum secundum prologum ad Karoli capitulare Italicum anni 801, exstat in codicibus 1–4, abest a reliquis.« (MGH Capit. 1, S. 267 Anm. a). In seinem bereits 1864 erschienenen Buch über die italienischen Kapitularien ging er noch davon aus, dass der Schreiber den Prolog aus seiner Vorlage abschrieb (Boretius, Die Capitularien, S. 142). 193 Vgl. dazu Die Urkunden Lothars I. und Lothars II ., hg. von Theodor Schieffer, MGH DD Karol. 3, Berlin / Zürich 1966, Einleitung, S. 45 f.; Geiselhart, Kapitulariengesetzgebung, S. 116 f. 194 S. dazu oben Anm. 189. 195 MGH Capit. 1, S. 324 f. Vgl. dazu Stefan Esders, Die »Capitula de expeditione Corsicana« Lothars I vom Februar 825. Überlieferung, historischer Kontext, Textrekonstruktion und Rechtsinhalt, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 98 (2018), S. 91–144.

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Chigi F. IV. 75,196 wird der Text durch eine Rubrik mit der Invocatio In nomine domini eingeleitet;197 allerdings ist der darauf folgende Teil mit der Datierung in der Cava-Handschrift offensichtlich mit der Einleitung zur Constitutio Romana (Nr. 161)198 verwechselt worden, deren Kopie wenig später im selben Codex folgt.199 Die daher nur von der Chigi-Handschrift bewahrte, knappe Datierung gibt die Herrscherjahre gemäß der Vulgärepoche und die Indiktion an, gefolgt von der Angabe des Ausstellungsortes.200 Lothars Capitulare Olonnense ecclesiasticum alterum (Nr. 164)201 hingegen hat in der Chigi-Handschrift erst am Ende des Textes eine Datierungszeile, die umfangreicher ist und nach den Herrscherjahren beider Herrscher (Ludwig und Lothar) zählt sowie zusätzlich noch den Monat und die Indiktion angibt.202 Das Capitulare Papiense Lothars I. von 832 (Nr. 201)203 schließt mit einer Datierungszeile im üblichen Stil der Gerichtsurkunden, die in verkürzter Fassung schon in der Notitia Italica begegnet (Facto mit Nennung der Regierungsjahre beider Herrscher, hier Ludwig und Lothar, in der Formulierung anno dominorum nostrorum).204 Außerdem hat das Kapitular eine recht ausführliche 196 S. dazu oben Anm. 189. 197 Dieselbe Invocatio, allerdings in der erweiterten Form In nomine domini nostri Iesu Christi, taucht in beiden Handschriften allerdings auch in mehreren anderen Fällen als Beginn einer Rubrik auf, so zum Beispiel bei Nr. 91 und 134 (s. dazu oben Anm. 169 und Anm. 184), was zumindest die Möglichkeit offenlässt, dass der Kompilator der in beiden Handschriften kopierten Sammlung sie pauschal bei mehreren Texten ergänzte. 198 MGH Capit. 1, S. 322–324. 199 Cava de’ Tirreni 4, fol.  240v, Rubrik zu Nr. 162: In nomine domini incipiunt capitula quod domnus lotharius inperator tempore eugenii pape instituit ad liminaria beati petri apostoli, vgl. Rubrik zu Nr. 161 ebd. fol. 247r: Capitulare quod domnus lotharius tempore eugenii pape instituit ad liminaria beati petri apostoli. Esders, »Capitula de expeditione Corsicana« S. 96 f. vermutet, die Verwechslung könnte mit der nachträglich erfolgten Inserierung der Miniaturen mit Herrscherbildern in Zusammenhang stehen. 200 Incipit capitulare quod domnus imperator VI anno imperii sui indictione tertia instituit in curte Maringo (MGH Capit. 1, S. 325, Z. 1–3). 201 MGH Capit. 1, S. 328 f. 202 Datum Holonna anno imperii domno Ludouuici et Lottario imperatoribus XIIo et VIo mense madio indictione III (MGH Capit. 1, S. 329, Z. 8 f.). Eine Parallele zu dieser Art der Datierung findet sich zum Beispiel in einem im Original überlieferten Placitum, das 833 auf einer Gerichtsversammlung unter dem Vorsitz kaiserlicher Missi im Kontext des Streites zwischen dem Bistum Arezzo und dem Kloster S. Antimo in Chiusi entstanden ist: … anno dominorum nostrorum Hludovuici et Hlottarii imperatorum vigesimo et quartodecimo, mense octuber, indictione duodecima (Manaresi Nr. 42, S. 132–139 [833 Oktober, Siena], hier S. 138). 203 MGH Capit. 2, S. 59–63. 204 Facto capitulare anno imperii dominorum nostrorum Ludowici et Lottario nonodecimo et tertiodecimo, mense Februario, indicione decima. (MGH Capit. 2, S. 62, Z. 28 f.). Die Datierung ist wiederum nur in der Chigi-Handschrift überliefert, war aber vermutlich schon in der um 832 entstandenen, verlorenen Kapitulariensammlung vorhanden, die laut einer Vermutung Donald Bulloughs die gemeinsame Vorlage der Chigi- und

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Einleitung, in der berichtet wird, dass die folgenden Kapitel von Lothar mit Zustimmung seiner Getreuen aus Kapiteln seiner Vorgänger, Karl und Ludwig, exzerpiert und dem gesamten Volk im Regnum Italiae zur Beachtung vorgeschrieben wurden; dabei werden auch Ort und Datum der Zusammenkunft erwähnt.205 Auffällig hierbei ist, dass, während Karl der Große nur sehr allgemein als domnus und avus suus bezeichnet wird, auf Ludwig den Frommen mit der offiziell von diesem in den Signumzeilen seiner Urkunden geführten Titulatur serenissimus imperator verwiesen wird.206 Diese Titelform findet sich allerdings nicht nur in den Urkunden, sondern auch in der Überschrift einer Überlieferung der Capitula legibus addenda Ludwigs (Nr. 139), die zu ebenjenen Kapitularien gehören, aus denen das Capitulare Papiense Auszüge – und in diesem Fall sogar wortwörtliche Zitate – übernommen hat.207 Die betreffende Handschrift, Paris, BnF, Nouv. acq. lat. 204, entstand im 2. Viertel des 9. Jahrhunderts in Tours und wird, wie der Latinus 2718, in enge Verbindung mit dem Hof Ludwigs des Frommen gebracht.208 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass 832 in Pavia bei der Zusammenstellung der Kapitelliste eine Kopie der Capitula legibus addenda in der Fassung dieses hofnahen Überlieferungszweiges benutzt wurde. Wie sich gezeigt hat, gab es offenbar keine strikten Vorgaben für die Formulierung der Herrschererlasse; vielmehr überließ man es den Personen, die mit dem Aufsetzen der Texte betraut wurden, sie ihrer individuellen Sachkenntnis entsprechend zu gestalten. Eine einheitliche Gestaltung gemäß dem offiziellen Kanzleistil war dabei nicht intendiert, und auch ein spezielles »KapitularienFormular« lässt sich nicht erkennen. Daher sollten auch Texte, die zwar formal einer anderen Gattung angehören, aber inhaltlich den Kapitularien vergleichbar sind, nicht außer Acht gelassen werden.

der Cava-Handschrift war (Donald Bullough, »Europae Pater«. Charlemagne and his achievement in the light of recent scholarship, in: English Historical Review 85 [1970], S. 59–105, hier S. 94 Anm. 1; zustimmend Mordek, Bibliotheca, S. 756). Zur Notitia Italica s. o. S. 146–148. 205 Haec sunt capitula, quae domnus Hlotharius rex una cum consensu fidelium suorum excerpsit de capitulis domni Karoli avi sui ac serenissimi imperatoris Hludowici genitoris sui in Papia in palatio regio, sub indictione decima et cuncto populo in regno Italiae consistenti conservare praecepit. (MGH Capit. 2, S. 60, Z. 1–5). 206 Vgl. Kölzer, Einleitung zu MGH DD Kar. 2, S. LXI. 207 Überschrift in Paris, BnF, nouv. acq. lat. 204: Incipiunt capitula quae domnus Hludo­ vvicus serenissmus imperator imperii sui …; vgl. die Transkription auf der Webseite der digitalen Edition: Paris, Bibliothèque Nationale, nouv. acq. Lat. 204, in: Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse, bearb. von Karl Ubl und Mitarb., Köln 2014 ff. URL : https://capitularia.uni-koeln.de/mss/paris-bn-nouv-acq-lat-204/ [zuletzt eingesehen am 24.08.2020]. Exzerpte aus Nr. 139 in Nr. 201: Nr. 201 c. 2 = Nr. 139 c. 2, Nr. 201 cc. 8, 9 und 10 = Nr. 139 cc. 16, 18 und 19. 208 Mordek, Bibliotheca, S. 622.

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2.7 Briefe Die Karoli Epistola in Italiam emissa (Nr. 97)209 ist gewissermaßen ein Präzedenzfall: Es handelt sich offensichtlich um einen Brief,210 der aber zahlreiche Urkundenelemente aufweist (Intitulatio, Inscriptio, Promulgatio, Narratio, Dispositio, Sanctio, Corroboratio) und von seinem Inhalt her ein Kapitular sein könnte. Er richtet sich an italienische Amtsträger, die für die Umsetzung von Anordnungen aus früheren Kapitularien Sorge tragen sollten.211 Schon Manacorda hat dafür die Bezeichnung »epistula capitularis« vorgeschlagen, die von Hubert Mordek aufgegriffen wurde.212 Mordek verweist darauf, dass auch die spätantiken kaiserlichen Erlasse in Briefform verfasst wurden und wollte den Begriff sogar auf eine eigene Untergruppe der Kapitularien anwenden.213 Wie bereits im Fall der oben angesprochenen Klassifizierung einzelner Kapitularien mit diplomähnlicher Form als ›Konstitutionen‹ scheint aber auch hier das Kriterium der formalen Gestaltung ein unzuverlässiger Maßstab zu sein. Schon Sickel wies auf die Schwierigkeit einer Abgrenzung der Gattung ›Brief‹ zu Diplomen und Kapitularien hin,214 und Luitpold Wallach hat sich in einer Studie bemüht nachzuweisen, dass die Epistola de litteris colendis Karls des Großen (Nr. 29)215 gar kein Brief, sondern vielmehr ein Mandat sei.216 Auch eine akribische Formanalyse führt also durchaus nicht zu einheitlichen Gattungszuordnungen und wird zudem den Intentionen derjenigen, die diese Texte verfassten, wohl kaum gerecht. Vielmehr dürfte die Wahl der Briefform vom konkreten Anlass und Empfängerkreis der jeweiligen Bestimmungen bestimmt worden sein und bot sich zum Beispiel an, wenn die Beschlüsse einer Versammlung per 209 MGH Capit. 1, S. 203 f. Vgl. dazu Mordek, Die Anfänge, S. 8–17 (mit Hinweisen zur älteren Literatur). Datierung auf 779–781, Herbst 780? (Mordek, Die Anfänge, S. 10–13). 210 Dies geht schon aus der persönlichen Ansprache der Adressaten in der 2. Person Plural hervor; vgl. zum Protokoll der Briefe Sickel, Acta regum, c S. 400–404. 211 Karolus, gratia dei rex Francorum et Langobardorum ac patricius Romanorum, dilectis comitibus seu iudicibus et vassis nostris, vicariis, centenariis vel omnibus missis nostris et agentibus … (MGH Capit. 1, S. 203, Z. 17–19). Es wird darin u. a. auf Bestimmungen des Kapitulars von Herstal verwiesen, vgl. Manacorda, Ricerche, S. 44 f.; Mordek, Die Anfänge, S. 10 f. 212 Manacorda, Ricerche, S. 45; Mordek, Die Anfänge, S. 8. 213 Vgl. Mordek, Die Anfänge, S. 8. Zu dieser Gruppe zählte er Nr. 17, 22 (Anfang), 29, 30 und 75. 214 Sickel, Acta regum, S. 404. 215 MGH Capit. 1, S. 78 f. 216 Luitpold Wallach, Charlemagne’s De litteris colendis and Alcuin. A diplomatic-historical study, in: Speculum 26 (1951), S. 288–305. Vgl. zu Mandaten und Briefen in der administrativen Praxis des Karolingerreiches Mark Mersiowsky, Regierungspraxis und Schriftlichkeit im Karolingerreich. Das Fallbeispiel der Mandate und Briefe, in: Rudolf Schieffer (Hg.), Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, Opladen 1996, S. 109–166, zum fließenden Übergang zwischen beiden Gattungen ebd. S. 117.

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Rundschreiben jenen mitgeteilt wurden, die nicht daran teilgenommen hatten, oder wenn – wie im Fall der Epistola in Italiam emissa – ein persönliches Zusammentreffen von Absender und Empfänger wegen räumlicher Distanz nicht möglich war.217 Daher ist es sicherlich sinnvoll, diese eng mit den Inhalten der Kapitularien verbundenen Briefe in Zusammenhang mit jenen zu untersuchen, obwohl man sie wohl eher mit Ganshof als »kapitulariennahe Dokumente« bezeichnen wird.218

2.8 Versatzstücke unklarer Herkunft Die Capitula legi Salicae addita (Nr. 142)219 beginnen in der MGH-Edition mit der Invocatio In nomine Domini, gefolgt von der Rubrik Incipiunt capitulae legis Salicae.220 In diesem Fall lässt sich ausnahmsweise sicher nachweisen, dass die Invocatio nicht auf die originale Vorlage zurückgehen kann. Das Kapitular ist in fünf Handschriften überliefert, von denen nur drei eine Einleitung bieten.221 Die Invocatio ist nur in zweien enthalten, die zudem wahrscheinlich auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen.222 Der Text ist hier offensichtlich entstellt:223 In nomine domini incipiunt capitula legis Salice de capiti [Paris, BnF, Lat. 4628 A: capite] id est de mannire [Paris, BnF, Lat. 4628 A ergänzt: cap. de hoc cap.]: Ut 217 Sickel, Acta regum, S. 408 f. 218 Ganshof, Kapitularien, S. 25 f. Bühler, Capitularia relecta, S. 410 führt als ein weiteres Unterscheidungskriterium zwischen Briefen und Kapitularien an, dass erstere in der Regel in keinem Überlieferungszusammenhang mit den Kapitularien stehen. Dagegen ist aber zum Beispiel Karls Epistola in Italiam emissa (Nr. 97, MGH Capit. 1, S. 203 f.), in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kapitularien überliefert, vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 1090 (Register mit Auflistung der überliefernden Handschriften). 219 MGH Capit. 1, S. 292 f. Vgl. dazu zuletzt Faulkner, Law and Authority, S. 127–133; Ubl, Sinnstiftungen, S. 209–211 und ders., Intentionen der Gesetzgebung. Überlegungen zu den Capitula legi Salicae addita Kaiser Ludwigs des Frommen, in: Jan-Hendryk de Boer / Marcel Bubert (Hg.), Absichten, Pläne, Strategien. Erkundungen einer historischen Intentionalitätsforschung, Frankfurt am Main 2018, S. 95–109. 220 MGH Capit. 1, S. 292, Z. 11. 221 Paris, BnF, Lat. 4628 A (10./11. Jh., Nordfrankreich); Paris, BnF, Lat. 4632 (9. Jh., Mitte bis 2. Hälfte; Saint-Amand) und Paris, BnF, Lat. 10758 (9. Jh., 3.–4. Viertel; Reims); vgl. dazu Mordek, Bibliotheca S. 488–501, 516–518 und 587–604. Die von Paris, BnF, Lat. 4628 A direkt abhängige Handschrift Paris, BnF, Lat. 4631 (15. Jh.; Nordfrankreich; vgl. dazu Mordek, Bibliotheca, S. 507–516) hat an dieser Stelle einen Blattverlust, und Seléstat 14 (104) (9. Jh., 2. Drittel; Westfrankreich; vgl. dazu Mordek, Bibliotheca, S. 708–714) tradiert die Liste nur auf einem eingelegten Einzelblatt, auf dem sie ohne einleitende Überschrift steht. 222 Paris, BnF, Lat. 4628 A und Lat. 10758; zur Abhängigkeit Mordek, Bibliotheca, S. 489. 223 Vgl. zum Folgenden die Transkriptionen auf der Webseite der digitalen Edition, die über die Übersicht zu Nr. 142 zu erreichen sind: https://capitularia.uni-koeln.de/capit/ldf/ bk-nr-142/ [zuletzt eingesehen am 24.08.2020].

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ille qui mannitur … Dagegen findet sich in der ältesten Überlieferung Paris, BnF, Lat. 4632 eine plausiblere Version der Einleitung: De capitulo I legis Salice id est de mannire. De hoc cap. iudicatum est ut ille qui mannitus …. (»Über Kapitel 1 der Lex Salica, das heißt ›Über die Ladung‹. Über dieses Kapitel wurde geurteilt, dass jener, der geladen wird …«). Diese Version ist verständlich formuliert und lässt den Entstehungskontext der Kapitelliste erahnen: Vermutlich wurde auf einer Versammlung über eine notwendige Ergänzung der Leges beraten, und anschließend wurden die Ergänzungen einiger Kapitel durch ein förmliches Urteil als rechtsgültig anerkannt (iudicatum est). Die Formulierung iudicatum est fehlt zwar in den erstgenannten beiden Überlieferungen, aber sie wird in der Vorlage der beiden Handschriften vorhanden gewesen sein, da der von ihnen überlieferte Wortlaut keinen Sinn ergibt und das ansonsten unverständliche de capiti / e (beziehungsweise das in Paris, BnF, Lat. 4628 A noch folgende cap. de hoc cap.) sich plausibel als lücken- und fehlerhafte Lesung des Satzes De hoc cap. iudicatum est erklären lässt.224 Die Invocatio ist also offenbar nicht Bestandteil der ursprünglichen Fassung gewesen. Karl Ubl vermutet, dass sie erst in der mit Hinkmar von Reims in Verbindung zu bringenden Handschrift Paris, BnF, Lat. 10758 ergänzt wurde, um dem Text, der vermutlich ein rein internes Beratungsdokument fränkischer Rechtskundiger war und ohne Mitwirkung des Kaisers entstand, nachträglich den Anschein einer offiziellen, endgültigen Fassung zu geben und ihn in die Kapitulariengesetzgebung einzureihen.225

2.9 Rubriken mit Zusatzinformationen: Das Beispiel der Collectio Senonica In vielen Fällen enthalten Rubriken Informationen wie Datierungen oder die Angabe eines Ausstellungsortes, die man als Hinweise auf ein in der Erstfassung des jeweiligen Textes noch enthaltenes Protokoll deuten könnte, das beim Abschreibeprozess aber verkürzt und umformuliert wurde. Dies kann nur für jeden Einzelfall und unter Heranziehung der gesamten Überlieferung entschieden werden. In diesem Rahmen kann daher nur ein exemplarischer Fall vorgestellt werden, der allerdings außergewöhnlich ergiebiges Material bietet: die Kapitulariensammlung von Sens. Es handelt sich hierbei um eine nach Mordek aus wenigstens drei Teilsammlungen zusammengesetzte, umfangreiche Kompilation des Kapitularienrechts, die wohl nach 864 beziehungsweise 884 für den Erzbischof von Sens angefertigt 224 Vielleicht stand in der Vorlage das iudicatum est nur in einer der zeitgenössischen Rechtssprache entstammenden Abkürzung (nota iuris)? Eine Verlesung aus De (hoc) cap. mit folgendem gekürztem i. [+ e.?] könnte zu der Verlesung als de cap[it]i / e geführt haben. 225 Vgl. Ubl, Intentionen, S. 101.

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wurde.226 Sie ist in zwei Schwesterhandschriften überliefert: im Vaticanus Pal. Lat. 582 und im Parisinus Lat. 9654.227 Die chronologisch gegliederte Sammlung diente Boretius und Krause als zentrale Quelle für ihre Edition. Sie enthält einige ausschließlich hier überlieferte Texte228 und zahlreiche Rubriken mit Datierungsangaben, die in den meisten Fällen den einzigen Anhaltspunkt für die zeitliche Einordnung der entsprechenden Stücke liefern. Die Frage ist, woher der Kompilator die entsprechenden Informationen bezog. Lassen sich in den Formulierungen der Rubriken Anhaltspunkte dafür finden, dass die von ihm benutzten Vorlagen Protokollteile mit Datierungen enthielten, die er für die chronologische Anordnung seines Materials verwerten konnte? Vergleicht man die Rubriken der Sammlung, so fällt auf, dass sie keinem einheitlichen System folgen. Der Sammler hat sich zwar deutlich »um chrono­ logische Fixierung und Positionierung des riesigen Stoffes« bemüht,229 sich dabei aber bei der Binnengliederung offenbar stark an seinen jeweiligen Vorlagen orientiert. Der erste, älteste Teil der Sammlung mit den Texten aus der Regierungszeit Pippins des Jüngeren und Karls des Großen230 beginnt mit Pippins Bestätigungen von Konzilsbeschlüssen,231 deren Rubriken nach einem einheitlichen Muster formuliert sind (Incipit … quod factum fuit ad palatium …) und wahrscheinlich aus der kirchenrechtlichen Überlieferungstradition stammen.232 Die Rubrik zu dem darauf folgenden Königskapitular Pippins, die in der übrigen 226 Mordek, Bibliotheca, S. 780 f. und ders., Fränkische Kapitularien, S. 45 f. 227 Vatikan, BAV, Pal. Lat. 582: Ende 9. Jh. (nach Hartmut Hoffmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, Stuttgart 1986, S. 259) beziehungsweise 1. Hälfte 10. Jh., Nordostfrankreich, nahe Reims? (Mordek, Bibliotheca, S. 780). Paris, BnF, Lat. 9654: 10./11. Jh., Lotharingien (wohl Metz). Zur Handschrift Wilhelm A. Eckhardt, Die von Baluze benutzten Handschriften der Kapitularien-Sammlungen, in: Mélanges offerts par ses confrères étrangers à Charles Braibant, Brüssel 1959, S. 113–140, hier S. 121; Bühler, Capitularia relecta, S. 369, zur Sammlung ebd. S. 369–372; Hartmann, Synoden, S. 13 f. Die Handschrift Vatikan, BAV, Pal. Lat. 582 wurde eingehend von Erich Tscharf untersucht (Der Codex Vaticanus Palatinus 582, ungedruckte Staatsarbeit, Heidelberg o. J.; das Typoskript wurde freundlicherweise von Dr. Arnold Bühler zur Verfügung gestellt). Ein eigener Vergleich mit den Rubriken der Schwesterhandschrift Paris, BnF, Lat. 9654 ergab, dass sich diese mit nur einer Abweichung (die Rubrik zu Nr. 16 fehlt im Parisinus) wörtlich entsprechen. 228 Nr. 48, 49, 51, 53, 58, 59, 64, 65, 72, 73, 119 (aus der Spätzeit Karls des Großen, ca. 803–813). 229 Mordek, Bibliotheca, S. 562. 230 Ebd., S. 562 f. 231 Nr. 16, 15, 14, 12 (in dieser Reihenfolge). 232 Die Rubriken lauten (in der Reihenfolge, in der die Texte in der Sammlung überliefert sind; zitiert nach der Inhaltsübersicht der beiden Handschriften bei Mordek, Bibliotheca, S. 563 f. und 782 f.): In nomine domini incipit decretum quod factum fuit ad Vermeriam palatium (Nr. 16, die Rubrik fehlt in Paris, BnF, Lat. 9654), Incipit decretum quod factum fuit ad Compendium palatium publicum (Nr. 15), Incipit concilium quod factum fuit ad palatium Vernis (Nr. 14).  – Die Erlasse Pippins des Jüngeren werden überwiegend im kirchenrechtlichen Kontext tradiert; vgl. Mordek, Fränkische Kapitularien, S. 36.

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Überlieferung fehlt, kann in der vorliegenden Fassung nicht aus dem Erstexemplar stammen, da sie ausdrücklich Bezug auf die in der Sammlung vorangehenden Synoden nimmt und dabei deren Formulierungsmuster aufgreift: Incipiunt capitula de alia sinodo sub ipso domno rege Pippino facta.233 Diese Formulierung ergibt nur Sinn, wenn das Königskapitular im Verbund mit den vorangehenden Synoden steht, was offenbar in der Vorlage des Senser Kompilators der Fall war.234 Auffälligerweise weicht das Kapitular zur Synode von Soissons (Nr. 12) von diesem Schema ab, da es keine eigene Rubrik aufweist und stattdessen mit dem kompletten Protokoll und Eschatokoll samt Unterschriftenliste kopiert wurde.235 Die uneinheitliche Rubrikenverwendung in diesem Teil deutet darauf hin, dass die in ihm versammelten Texte vorlagengetreu kopiert und nicht etwa redaktionell angepasst wurden. Auch bei den anschließenden Kapitularien Karls des Großen sind die Rubriken offenbar nicht nach einem einheitlichen Schema erstellt worden. Sie enthalten zum Teil knappe Erläuterungen, die sich wörtlich in anderen Überlieferungen wiederfinden lassen,236 daneben aber auch teilweise sehr präzise Angaben zu Datierung und Ausstellungsort, die zumeist nur hier überliefert sind.237 Der 233 Mordek, Bibliotheca S. 564 und 783; Hervorhebungen von BM . 234 Das Königskapitular ist in der Collectio Senonica neben der hier angesprochenen Komplettversion auch noch ein zweites Mal enthalten, aufgeteilt auf zwei Blöcke und als Fortsetzung der Konzilien von Ver und Compiègne (vgl. Patrick Breternitz, Wann reformierte Pippin der Jüngere das fränkische Münzwesen?, in: Francia 43 [2016], S. 325–332), was dafür spricht, dass auch der erste Teil der Sammlung schon aus zwei unterschiedlichen Überlieferungszweigen zusammengestellt worden sein könnte. Drei der darin enthaltenen Texte, nämlich Nr. 14, 12 und 13, sind in ähnlicher Fassung in die Kirchenrechtssammlung von Beauvais aufgenommen worden (Vatikan, BAV, Vat. Lat. 3827; 9. Jh., 3. Drittel, Nordfrankreich; vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 858). Nur hier findet sich eine gleichlautende Rubrik zum Königskapitular Pippins, wobei die Parallele zur Rubrik des hier ebenfalls enthaltenen Konzils von Ver sogar noch deutlicher wird; letztere lautet in Vat. Lat. 3827: Incipit synodus Verno palatio facta. Einer der vermutlich zwei Über­ lieferungsstränge, aus denen der erste Teil der Sammlung von Sens mit der Komplettversion des Königskapitulars sein Material bezog, könnte also die Kirchenrechtssammlung von Beauvais gewesen sein, deren Rubriken in Sens übernommen worden sein könnten. Anders Glatthaar, Bonifatius, S. 314 Anm. 412: »Die in der Senonensis folgenden Umgruppierungen und Doppelungen dürften auf das Konto des regen Redaktors gehen.« 235 Siehe oben S. 123 f. 236 Z. B. Capitula quae in lege Salica mittenda sunt bei Nr. 39, De causis admonendis bei Nr. 40 (MGH Capit. 1, S. 111, Z. 44 f. und S. 115, Z. 17). 237 Zum Beispiel Hoc fuit datum ad Aquis in tercio anno imperii domni Karoli augusti quando  synodus ibi magna fuit am Ende der Kopie von Nr. 40; von Boretius / K rause als Inscriptio zu Nr. 41 gedeutet (MGH Capit. 1, S. 117), aber in beiden Handschriften ohne erkennbaren Einschnitt und in normaler Schrift wie eine Fortführung von Nr. 40 gestaltet (Paris, BnF, Lat. 9654: fol.  13r, Z.  24, Vatikan, BAV, Pal. Lat. 582: fol.  16r, Z. 13, hier nachträglich von einem späteren Bearbeiter mit einem Paragraphenzeichen markiert; vgl. die Abbildungen im Internet, die auf den Handschriftenseiten der digi-

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Vergleich mit anderen, unabhängigen Überlieferungen zeigt, dass der Kompilator nicht zum freien Erfinden von Rubriken neigte; insofern können auch die nur hier im Rahmen der Rubriken überlieferten Zusatzinformationen eine gewisse Glaubwürdigkeit beanspruchen.238 Die Exemplare, die dem Senoneser Sammler als Kopiervorlagen zur Verfügung standen, waren also mit einiger Sicherheit datiert239 – was allerdings noch nichts über den Wortlaut der Datierungen und ihre eventuelle Übereinstimmung mit dem Datierungsstil der Kanzlei Karls des Großen aussagt. Denkbar wäre, dass die Exemplare, die als offizielle Kopiervorlagen dienen sollten, erläuternde Präliminarien zu den Erlassen enthielten, oder aber, dass diese den Königsboten – insbesondere, wenn sie nicht selbst auf Versammlungen anwesend sein konnten – in Briefform zugestellt wurden. Letzteres trifft vermutlich auf die beiden Missi-Ausfertigungen der Kapitularien Nr. 34 und 260 zu, die sich in der Collectio Senonica erhalten haben.240 Nr. 260 ist hier mit einer vorangeschickten Beschreibung der Ausdehnung des Missaticums des Senoneser Erzbischofs überliefert. Auch die ausführlichere Version von Nr. 43241 samt Rubrik mit Datierung und Ortsangabe könnte vielleicht auf eine spezielle Missi-Ausfertigung des Kapitulars zurückgehen. Mit diesen Vermutungen müssen wir es hier bewenden lassen.

talen Edition verlinkt sind: http://capitularia.uni-koeln.de/mss/paris-bn-lat-9654/ und http://capitularia.uni-koeln.de/mss/vatikan-bav-pal-lat-582/ [zuletzt eingesehen jeweils: 03.09.2020]). – Weitere, nur von der Collectio Senonica (beziehungsweise davon abhängigen Überlieferungen) überlieferte Inskriptionen: In quarto anno ad Salz (Nr. 42), Ad Teotonem uillam fuit datum in anno V imperii ante natale domini (Nr. 43), Capitula quae ad Niumaga addita in sexto anno imperii infra quadragesimam (Nr. 46), Iste capitularis fuit datus in anno VII ad Aquis palatium (Nr. 48), In anno octauo capitula cum primis conferendis (Nr. 51), Capitula quae domnus imperator Aquis palatio constituit in anno nono (Nr. 62), Capitula quę anno decimo imperii domni Karoli serenissimi augusti Aquis palatio commonita sunt (Nr. 64), Item de anno decimo (Nr. 65) sowie Item unde supra de anno undecimo (Nr. 73). Vgl. die Handschriftenbeschreibungen bei Mordek, Bibliotheca, S. 562–578 und S. 780–797. 238 Tscharf hat zudem stichprobenartig und mit positivem Ergebnis die Genauigkeit der in den Zwischenüberschriften enthaltenen Datierungen zu den Kapitularien Karls des ­Großen sowie Karls des Kahlen überprüft (Tscharf, Codex Vaticanus Palatinus 582, S. 37 f., 42 f.). 239 Anders Tscharf, Codex Vaticanus Palatinus 582, S. 31 f.: Die Datierungen, die sich bei 13 von 16 Kapitularien Karls des Großen in Form von Zwischenüberschriften in Majuskeln finden, gehörten »in allen Fällen nicht zum eigentlichen Text des jeweiligen Kapitulars, sondern wurde[n] vermutlich nachträglich auf dem erhaltenen Exemplar angebracht« von einem Schreiber, der wohl in der Kanzlei des geistlichen Empfängers der Kapitu­ larien arbeitete. Woher dieser allerdings die nötigen Informationen nehmen sollte, bleibt unklar. 240 Nr. 34: MGH Capit. 1, S. 99–102; Nr. 260: MGH Capit. 2, S. 270–276. Vgl. Eckhardt, Die Capitularia missorum specialia sowie Bühler, Capitularia relecta, S. 370 f. 241 MGH Capit. 1, S. 121 f.; die Rubrik abgedruckt bei Mordek, Bibliotheca, S. 567.

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Zwei Schlussfolgerungen können aus der Analyse der Rubrikenverwendung in der Collectio Senonica gezogen werden: 1) Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Kompilator, selbst ein so deutlich an einer eigenständigen Strukturierung seines Materials interessierter wie derjenige aus Sens, systematisch umfangreiche Protokollteile seiner Vorlagentexte weggelassen oder frei erfundene Zusätze ergänzt hat. 2) Die in manchen Handschriften enthaltenen Zusatzinformationen in Rubriken oder Einleitungstexten müssen nicht unbedingt dem Erstexemplar eines Kapitulars entstammen, sondern können ebenso gut auf eine verlorene Zwischenvorlage oder eine adressatenabhängige Fassung eines Stückes zurückgehen. Daneben bleibt aber auch die Möglichkeit bestehen, dass sie erst von einem späteren Kompilator ergänzt wurden. Sie sind daher mit Vorsicht als Hilfsmittel für die Datierung und Einordnung der Stücke zu verwenden, aber für die Rekonstruktion des Wortlautes eines ›typischen Kapitularienformulars‹ unbrauchbar.

3. Fazit Kapitularien mit Anklängen an kanzleigemäßes Urkundenformular bilden in der Karolingerzeit eine seltene Ausnahme. Dies unterscheidet sie von den Erlassen der Merowinger- und der Hausmeierzeit, die regelmäßig mit einem Protokoll ausgestattet wurden, das allerdings nicht nur Einflüsse des offiziellen Urkundenformulars zeigt. Vielmehr scheint die Formulierung dieser Texte einzelnen Personen überlassen worden zu sein, die wohl aus dem engen Beraterkreis des Herrschers stammten und bei den entsprechenden Anlässen vor Ort waren.242 In einigen Fällen lassen sich sogar konkrete Personen aus dem engeren Umkreis des Herrschers als Verfasser plausibel machen.243 Ihre Ausbildung und Herkunft bestimmte die Form der Verschriftlichung, und nicht eine offizielle Kanzleinorm. Letzteres gilt aber auch noch für die Karolingerzeit.244 So zeigen insbesondere die für das Regnum Italiae ausgestellten Kapitularien starke Einflüsse des Rechtsvokabulars, das von langobardischen Juristen oder Gerichtsschreibern verwendet wurde. 242 So auch schon Sickel, Acta regum, S. 414 (in Bezug auf die Kapitularien allgemein); vgl. auch Bresslau, Urkundenlehre, S. 381. 243 Insbesondere der angelsächsische Einfluss, vermittelt durch Persönlichkeiten wie Bonifatius oder Alkuin, ist hierbei hervorzuheben; siehe oben S. 125–127, 144–146. 244 Wormald, English law, S. 50 f. nennt als rechtskundige Berater, die Einfluss auch auf die Kapitulariengesetzgebung gehabt haben könnten, den Spanier Theodulf (s. dazu auch oben S. 151. zu Theodulf als möglichem Verfasser des Prologs zu Nr. 98) und den Italiener Paulus Diaconus für Karl den Großen sowie den Spanier Benedikt von Aniane für Ludwig den Frommen.

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Insgesamt ist zu beobachten, dass die Erlasse von der Merowinger- bis zur Karolingerzeit formloser werden; man kann mit Osamu Kano sagen, dass sich die ›eigentlichen‹ Kapitularien geradezu durch das Fehlen eines (Urkunden-) Protokolls auszeichnen.245 Kano hat diesbezüglich eine bedenkenswerte Hypothese formuliert, laut der sich die Separierung vom König ausgehender Texte in Edikte / Kapitularien und Urkunden erst in der Zeit der karolingischen Könige vollzogen habe. Der Wandel sei vermutlich durch die Ausdifferenzierung zweier unterschiedlicher Funktionen der Texte angestoßen worden; welche Funktionen damit gemeint sein könnten, lässt Kano jedoch offen. Hier kann an die oben ausgeführte Erklärung für den Funktionswandel der Königsurkunde in der Merowingerzeit angeknüpft werden, die aufgrund des allmählichen Verschwindens des römischen Aktenwesens eine höhere Bedeutung als aus sich selbst heraus wirksames Beweisstück der in ihr verbrieften Rechte gewann. Damit musste das originale Exemplar, dessen Authentizität durch die Einhaltung einer bestimmten äußeren Form gewährleistet wurde, den königlichen Willen auch in dessen Abwesenheit und für spätere Zeiten repräsentieren. Eine vergleichbare Funktion der Garantie von Rechtssicherheit für die Zukunft sollten wohl auch diejenigen zu den Kapitularien zählenden Texte erfüllen, die in Anlehnung an die Urkunden mit einem förmlichen Protokoll und einer Beglaubigung versehen wurden, damit sie vor Gericht oder von den Nachgeborenen als Repräsentation des authentischen Herrscherwillens identifizierbar waren.246 Im Umkehrschluss lässt sich vermuten, dass die Mehrzahl der übrigen Texte, die sich als Kopien ohne protokollartige Elemente in den Rechtsbüchern der Missi finden, wohl auch nie mit solchen ausgestattet waren und auch keiner Beglaubigungsmittel bedurften, weil sie durch die Missi oder andere Stellvertreter des Königs persönlich verbreitet wurden.247 Diese Texte mussten nur dann in offizielle Protokollformeln gekleidet werden, die sie als vom Herrscher ausgehend legitimierten, wenn der Empfänger sie nicht persönlich entgegennehmen konnte, sondern in Schriftform zugesandt erhielt. Daher erklärt sich auch die Briefform mancher Stücke.248

245 Kano, Genèse du capitulaire, S. 97; zu den folgenden Ausführungen s. ebd. S. 97 f. 246 Vgl. Seeliger, Kapitularien, S. 28 f., der als weitere, außergewöhnliche Funktion der Kapitularien mit Unterschriften des Herrschers und seiner Getreuen die Garantie für die Einhaltung des gemeinsam Beschlossenen durch beide Seiten anführt; als Beispiele nennt er u. a. Nr. 12 (s. dazu oben S. 124, 127). 247 So schon Seeliger, Kapitularien, S. 26 f.: »Die Urkunden waren berufen, schlechtweg Zeugnis für einen königlichen Willensakt abzulegen, die Kapitularien wurden dagegen ausschließlich von den Beamten des Königs ihrer Wirksamkeit zugeführt, sie waren dabei lediglich Hilfsmittel. Was ihnen an formeller Beglaubigung fehlte, das wurde ersetzt durch die Autorität der Beamten.« 248 Vgl. auch die von Ganshof, Kapitularien, S. 96 f. angeführten »Fälle von ausschließlich schriftlicher Bekanntmachung«.

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Zwischen den beiden Polen von Texten mit einem kompletten Urkundenprotokoll und einer formlosen Kapitelliste, die vielleicht nur eine persönliche Mitschrift eines Missus war, gibt es jedoch weitere Abstufungen. Einige Texte sind mit recht ausführlichen Prologen ausgestattet, die auf eine Entstehung im Rahmen einer Versammlung hinweisen. Prominente Beispiele hierfür sind das Kapitular von Herstal (Nr. 20) sowie die im Kontext eines Herrschaftsantritts oder einer Neuausrichtung der Herrschaft entstandenen Kapitularien wie das Capitulare Saxonicum, mit dem Sachsen in das Reich integriert werden sollte (Nr. 27), oder Karls erstes Kapitular für Italien nach der Kaiserkrönung (Nr. 98). Zumindest in den letzten beiden Fällen war mit diesen Prologen wohl auch eine repräsentative oder legitimierende Absicht verbunden, die zusammen mit Rechtserneuerungen auch die politischen Ziele und das Selbstverständnis des Ausstellers öffentlich machen wollte. Oft finden sich in der Überlieferung aber nur knappe Inskriptionen, die den Text einem bestimmten Herrscher zuordnen, ihn inhaltlich charakterisieren und in eher seltenen Fällen darüber hinaus eine Datierung bieten. Zumindest dort, wo voneinander unabhängige Überlieferungszweige denselben Wortlaut tradieren, können wir vermuten, dass sie bereits im Erstexemplar vorhanden waren.249 Diese Exemplare waren im Wesentlichen Kopiervorlagen, die einen authentischen Text bereitstellten und am Anfang des Verbreitungsprozesses standen, dessen Ergebnis wir in den individuell zusammengestellten Kompilationen der erhaltenen Überlieferung vor uns haben. Bei der Aufnahme dieser Texte in die Sammlungen konnten die in den Inskriptionen enthaltenen Informationen zur Einordnung in eine – meist chronologische – interne Struktur dienen. Da die Sammlungen, in denen Texte regelmäßig mit solchen Inskriptionen versehen sind wie die Chigi-Handschrift oder die Collectio Senonica, allerdings sehr seltene Ausnahmen darstellen, muss in solchen Fällen offenbleiben, ob die Rubriken authentisch sind oder Zutaten der Sammler darstellen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Aus den Anfängen in der Merowingerund Hausmeierzeit, in der die Vorläufer der Kapitularien von den Urkunden in formaler Hinsicht kaum zu trennen waren, bildete sich das Genre ›Kapitular‹, das sich von den Urkunden funktional und formal abgrenzen lässt, erst in der Karolingerzeit heraus;250 letzteres insbesondere durch das charakteristische Fehlen eines förmlichen Urkundenprotokolls. Während die Urkunde in ihrer schriftlichen Form als dauerhaftes, aus sich selbst heraus wirksames Zeugnis

249 Zum Beispiel beim Kapitular von Herstal (Nr. 20; s. o. S. 141 f.) oder den Capitula legibus addenda (Nr. 139). 250 Vgl. zu weiteren Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Kapitularien und Urkunden Seeliger, Kapitularien, S. 13–21.

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des herrscherlichen Willens fungierte, wurde ein Kapitular hauptsächlich pro memoriae causa verschriftlicht und ist nicht denkbar ohne seine vermittelnde Instanz, die Missi dominici.251

251 Philippe Depreux, Gesandteninstruktion in der Karolingerzeit – vom Mandat bis zum Kapitular. Die Königsboten als Empfänger und Übermittler königlicher Anweisungen und Ermahnungen, in: Thomas Deswarte u. a. (Hg.), Frühmittelalterliche Briefe  – La lettre au haut Moyen Âge. Übermittlung und Überlieferung (4.–11. Jahrhundert) – Trans­ mission et tradition épistolaires (IVe–XIe siècles), Köln 2018, S. 51–64, stellt die vielfältigen Kommunikationswege zwischen den Missi und ihren Auftraggebern zusammen und macht darauf aufmerksam, dass die darüber erhaltenen schriftlichen Zeugnisse nur die ›Spitze eines Eisbergs‹ bilden.

Nicolas Perreaux

Langue des capitulaires et langue des chartes : richesses, circulations, spécificités « Quel étonnement, peut-être si, au lieu de peiner sur la terminologie embrouillée (et probablement artificielle) des capitulaires carolingiens, nous pouvions, promenant nos pas dans un village de ce temps, écouter les paysans nommant entre eux leurs conditions ou les seigneurs celles de leurs sujets ? » Marc Bloch, Apologie pour l’histoire, 1944

Tout comme Marc Bloch, le texte introductif du présent volume rappelle qu’en dépit de l’importance des capitulaires pour l’histoire du haut Moyen Âge, les ­médiévistes peinent encore à comprendre les limites, le sens et la fonction de cette catégorie documentaire1. Pendant longtemps, ces textes ont en effet été analysés pour eux-mêmes2, en tant que reflets supposés du pouvoir des souverains, en particulier carolingiens, ou plus modestement de leurs ambitions idéologiques et normatives3. La spécificité au moins apparente de ces textes, 1 Nous remercions très chaleureusement François Bougard, Alain Guerreau, Eliana Magnani, Joseph Morsel et Alice Rio pour leurs conseils et relectures attentives de cet article. 2 L’édition classique d’Alfred Boretius et Victor Krause a été employée pour cet article : Alfred Boretius (éd.), Capitularia Regum Francorum (MGH Capit. 1), Hannover 1883, et par Alfred Boretius / Victor Krause (éd.), Capitularia Regum Francorum (MGH Capit. 2), Hannover 1897. Quelques références fondamentales à propos des capitulaires : Gerhard Seeliger, Die Kapitularien der Karolinger, München 1893; François Louis Ganshof, Recherches sur les capitulaires, Paris 1958; Rosamond McKitterick, Zur Herstellung von Kapitularien. Die Arbeit des Leges-Skriptoriums, in : Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 101 (1993), p. 3–16; Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, München 1995; Id., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung. Aufsätze über Kapitularien und Kapitulariensammlungen ausgewählt zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. 2000. 3 De nombreux travaux traitent des liens entre la production écrite, en particulier de lois, et le projet carolingien. Voir en premier lieu : François-Louis Ganshof, Charlemagne et l’usage de l’écrit en matière administrative, in : Le Moyen Âge 57 (1921), p. 1–25; Rosamond McKitterick, The Carolingians and the Written Word, Cambridge 1989; Janet L. Nelson, Literacy in Carolingian government, in : Rosamond McKitterick (dir.), The uses of literacy in early mediaeval Europe, Cambridge 1990, p. 258–296; Rudolf Schieffer (dir.), Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, Opladen 1996; Rosamond McKitterick,

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leur organisation sous forme de chapitres (capitula), leur production limitée dans le temps, associée à une riche tradition – au moins 489 manuscrits distincts contiennent un ou plusieurs capitulaires d’après nos décomptes4 –, déroute les historiens sans doute autant qu’elle les fascine. Est-il possible de réintégrer ces documents dans un contexte scripturaire et social plus large ?5 Les rapprochements entre les autres types de leges – par exemple les « lois barbares », mais aussi les conciles – et les capitulaires se développent depuis quelques décennies.6 Toutefois, ceux avec les corpus diplomatiques ne sont pas encore une tendance analytique courante. Presque dès les origines de la réflexion sur les capitulaires, les deux types documentaires ont été considérés comme plus ou moins Charlemagne : the formation of  a European identity, Cambridge 2008; Martin Gravel, Distances, rencontres, communications. Réaliser l’empire sous Charlemagne et Louis le Pieux, Turnhout 2012; Shigeto Kikuchi, Carolingian capitularies as texts. Significance of texts in the government of the Frankish kingdom especially under Charlemagne, in : Osamu Kano (dir.), Configuration du texte en histoire, Nagoya 2012, p. 67–80; Jennifer R. Davis, Charlemagne’s Practice of Empire, Cambridge 2015. 4 Fondés sur le recensement très complet du site Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse (dir. Karl Ubl, en ligne : http://capitularia.uni-koeln.de [consulté le 27.10.2020]). Ce nombre est à mettre en comparaison de la tradition des Formulae, donnée par Alice Rio, et qui ne compte que 34 manuscrits, soit plus de 14 fois moins : voir Alice Rio, Legal Practice and the Written Word in the Early Middle Age. Frankish Formulae, c.  500–1000, Cambridge 2009, p. 241–271. En outre, tandis que la copie des Formulae stoppe presque totalement au cours du Xe siècle (quelques éléments isolés sont néanmoins repris au XIe siècle), celle des capitulaires reste florissante lors des siècles suivants. 5 L’écrit médiéval est devenu un pôle de recherche fondamental pour les médiévistes : Michael T. Clanchy, From Memory to Written Record. England 1066–1307, Cambridge 1979; McKitterick, The Carolingians and the Written Word; Hagen Keller et al. (dir.), Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, München 1992; Olivier Guyotjeannin et al. (dir.), Les cartulaires, Paris 1993; Joseph Morsel, Ce qu’écrire veut dire au Moyen Âge, observations préliminaires à une étude de la scripturalité médiévale, in : Memini, travaux et documents de la Société des études médiévales du Québec 4 (2000), p. 3–43; Id., La noblesse contre la ville ? Comment faire l’histoire des rapports entre nobles et citadins (en Franconie vers 1500)?, Paris 2009 (thèse d’habilitation inédite); Karl Heidecker (éd.), Charters and the use of the written word in medieval society, Turnhout 2000; Michel Zimmermann, Écrire et lire en Catalogne (IXe–XIIe siècle), 2 vol., Madrid 2003; Pierre Chastang, L’archéologie du texte médiéval. Autour de travaux récents sur l’écrit au Moyen Âge, in : Annales 63 (2008), p. 245–268; Étienne Anheim / Pierre ­Chastang (dir.), Pratiques de l’écrit, in : Médiévales 56 (2009); Warren C.  Brown et al. (dir.), Documentary culture and the laity in the Early Middle Ages, New York 2013; Paul Bertrand, Les écritures ordinaires : sociologie d’un temps de révolution documentaire (entre royaume de France et empire, 1250–1350), Paris 2015. 6 Voir en particulier François Bougard, La justice dans le Royaume d’Italie de la fin du VIIIe siècle au début du XIe siècle, Rome 1995. De même : Hubert Mordek, Kapitularien und Schriftlichkeit, in : Rudolf Schieffer (dir.), Schriftkultur und Reichsverwaltung, p. 34–66; Karl Ubl, L’origine contestée de la loi salique. Une mise au point, in : Revue de l’Institut français d’histoire en Allemagne 1 (2009), p. 208–234. Alice Rio (dir.), Law, Custom and Justice in Late Antiquity and the Early Middle Ages, London 2011.

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incompatibles, en tout cas difficilement comparables. Ainsi Gerhard Seeliger (1860–1921) souligne dès 1893 dans son classique « Die Kapitularien der Karolinger » que les ponts entre chartes et capitulaires se limitent à quelques éléments formels issus en particulier des invocations, des préambules ou du dispositif.7 En 1957, François Louis Ganshof (1895–1980), dans son jalon maintes fois ré­ édité, « Recherches sur les capitulaires », indiquait lapidairement : « Les quelques capitulaires conservés de Pépin III ne présentent aucun des caractères propres à ses diplômes. […] Les capitulaires postérieurs au coup d’état carolingien n’ont ni protocole, ni eschatocole, ni prooemium en tenant lieu. Sous le règne de Charlemagne, nous constatons qu’en dehors de quelques actes, très peu nombreux, […] aucun des capitulaires conservés ne présente la structure propre aux diplômes ou aux mandements ».8 En dépit de ces jugements, diverses tentatives ont été menées afin de trouver des passages entre les diplômes et les capitulaires. Dès 1853 Benjamin Guérard,9 et plus récemment Reinhard Schneider,10 François Bougard,11 Theo Kölzer,12 Britta Mischke,13 ainsi que dans une certaine mesure Hubert Mordek14, suggèrent tous de possibles influences ou correspondances. Notre approche sera toutefois différente et, espérons-le, complémentaire. La comparaison entre deux corpus documentaires n’implique pas l’existence de passages systématiques d’un genre à l’autre.15 L’objectif de cet article est plutôt d’essayer de montrer, dans la dynamique historiographique actuelle et grâce aux 7 Gerhard Seeliger, Die Kapitularien, p. 10–35 et plus spécifiquement p. 15–26. 8 François Louis Ganshof, Recherches, p. 42. Très récemment encore, Christina Pössel évoquait dans un très intéressant article l’inclusion d’éléments diplomatiques, mais seulement de façon ponctuelle (« occasional diplomatic features »): Id., Authors and recipients of Carolingian capitularies 779–829, in : Richard Corradini et al. (dir.), Texts and Identities in the Early Middle Ages, Wien 2006, p. 253–274, ici p. 266, note 80. 9 Benjamin Guérard, Explication du capitulaire de Villis, in : Bibliothèque de l’École des Chartes 14 (1853), p. 546–572. 10 Reinhard Schneider, Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Bereich der Kapitularien, in : Peter Classen (dir.), Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977, p. 257–279. 11 Bougard, La justice. 12 Theo Kölzer, Die merowingischen Kapitularien in diplomatischer Sicht, in : Oliver Münsch /  Thomas Zotz (dir.), Scientia veritatis. Festschrift für Hubert Mordek zum 65. Geburtstag, Ostfildern 2004, p. 13–23. 13 Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Kaiser Ludwig dem Frommen (814–840), Bonn 2013; Ead., Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Ludwig dem Frommen am Beispiel von Restitutionen aus Fiskalgut, in : Theo Kölzer (dir.), Zwischen Tradition und Innovation. Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen ­(814–840), Paderborn 2014, p. 101–117; Britta Mischke et Sören Kaschke, Capitularies in the Carolingian Period, in : History Compass 17 (2019), p. 1–11. 14 Mordek, Kapitularien und Schriftlichkeit. 15 Autrement dit, nous cherchons moins les transferts de grandes structures formelles (par exemple des préambules) que des « tics » d’écriture, qui nous informeraient sur la façon commune, ou contradictoire, dont ces types documentaires étaient envisagés.

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méthodes numériques, comment de telles comparaisons pourraient favoriser la sortie des capitulaires de l’enclavement dans lesquels ils se trouvent encore parfois. Autrement dit, il s’agit de comparer un groupe documentaire assez bien connu (les chartes  – c’est-à-dire les actes écrits, souvent courts, dans lesquels furent consignés des transferts et des actions juridiques), et par ailleurs assez bien daté,16 pour déterminer les caractères relatifs d’un autre (les capitulaires). Ce rapprochement n’a donc pas pour objectif ultime de déterminer des circulations textuelles – même si, nous le verrons, elles sont plus nombreuses qu’on le pense souvent –, mais plutôt de définir la position des capitulaires dans le champ des pratiques scripturaires du haut Moyen Âge. Trois approches successives seront présentées, visant tout d’abord à déterminer la richesse des deux genres, puis les circulations entre eux, pour enfin évoquer leurs spécificités sémantiques propres.

1.

Richesse absolue, richesse relative

1.1

Quels corpus ?

Depuis quelques années, les méthodes numériques ouvrent des perspectives inédites et complémentaires en médiévistique.17 Les capitulaires n’échappent bien 16 Le corpus diplomatique du haut Moyen Âge ne va pas sans poser de nombreux problèmes, en matière de datation, mais aussi d’attribution, d’interpolation et de falsification. Cependant, en comparaison avec d’autres ensembles textuels ou archéologiques (non seulement les capitulaires mais aussi l’hagiographie), les chartes restent aujourd’hui plus directement exploitables. Plus qu’un simple compte rendu, la synthèse consacrée par Laurent Morelle aux actes royaux mérovingiens pose efficacement nombre de ces problématiques : Laurent Morelle, Une somme d’érudition dédiée aux actes royaux mérovingiens, in : Bibliothèque de l’École des chartes 161 (2003), p. 653–675. Voir de même : Carlrichard Brühl / Theo Kölzer, Studien zu den merowingischen Königsurkunden, Köln 1998; Theo Kölzer, Merowingerstudien I, Hannover 1998; Id., Merowingerstudien II, Hannover 1999. Pour les actes dits privés de la période carolingienne, on consultera en particulier Peter Erhart et al. (dir.), Die Privaturkunden der Karolingerzeit, Dietikon-Zürich 2009. Pour les diplômes : Robert-Henri Bautier, La chancellerie et les actes royaux dans les royaumes caro­lingiens, in : Bibliothèque de l’École des Chartes 142 (1984), p. 5–80 (reproduit dans Id., Chartes, sceaux et chancelleries, 2 volumes, Paris 1990, tome II, p. 461–536). La collection des Chartae latinae antiquiores est bien entendu une mine de renseignement pour les actes de ces siècles : Chartae latinae antiquiores. Facsimile-edition of the latin charters prior to the ninth century, première et seconde series, Dietikon 1954– et 1998– (désormais ChLA). Nous reviendrons dans les notes qui suivent sur les éditions des MGH, largement employées ici. Pour un panorama des éditions, voir Carlrichard Brühl, Splendeur et misère de la diplomatique : le cas de l’édition des diplômes royaux mérovingiens de Bréquigny à Pertz, in : Comptes-rendus des séances de l’Académie des inscriptions et belles-lettres 136:1 (1992), p. 251–259. 17 Nous insistons sur la dimension « complémentaire »: l’analyse des textes anciens par les méthodes numériques ne vient pas remplacer, mais renforcer les méthodes classiques.

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entendu pas à ce mouvement. Dans les expériences qui suivent, le corpus numérisé à partir de l’édition de Boretius / Krause (désormais BK) par les Monumenta Germaniae Historica,18 traité par Bernhard Jussen et son équipe à Francfort dans le cadre du projet CompHistSem,19  a été modifié et employé. Le corpus contient 307 fichiers, correspondant aux numéros de l’édition BK, classés chronologiquement lorsque la chose était possible. Cela représente un total de plus de 337 000 mots. Concernant les chartes, nous avons eu recours au corpus des Cartae Europae Medii Aevi (CEMA).20 Il intègre l’ensemble des corpus diplomatiques numérisés à ce jour, disponibles sur internet. Ceux-ci ont été ramenés à un format uniforme, puis lemmatisés. Les CEMA contient ainsi plus de 150 000 documents diplomatiques, pour environ 45 millions de mots.21 Cependant, afin de réaliser des comparaisons prudentes, nous avons choisi dans un premier temps de ne conserver pour les analyses lexicales que les diplômes mérovingiens et carolin-

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Sur cette question, voir Franco Moretti, Graphs, Maps, Trees : Abstract Models for a Literary History, London 2005; Id., Distant Reading, Verso, London 2013. La bibliographie concernant les humanités numériques est désormais extrêmement dense. Sur le versant théorique, nous renvoyons à Matthew K.  Gold (éd.), Debates in the digital humanities, Minneapolis 2012; Des chiffres et des lettres : les humanités numériques, in : Critique 8 (2015). En histoire, voir en particulier Jean-Philippe Genet / A ndrea Zorzi (éd.), Les historiens et l’informatique. Un métier à réinventer, Roma 2011; Antonella Ambrosio et al. (dir.), Digital diplomatics. The Computer as a Tool for the Diplomatist ?, Köln 2014; Guido Koller, Geschichte digital : Historische Welten neu vermessen, Stuttgart 2016. Alfred Boretius / Victor Krause (éd.), Capitularia regum Francorum. Déjà disponible sur le site http://www.dmgh.de/ (consulté le 29.09.2017), l’édition a désormais été nettoyée, rendant possible des analyses lexicales et sémantiques complexes. www.comphistsem.org (consulté le 29.09.2017): voir Bernhard Jussen et al., A Corpus Management System for Historical Semantics. Sprache und Datenverarbeitung, in : International Journal for Language Data Processing 31:2 (2007), p. 81–87. Sur les entreprises récentes de numérisation des capitulaires, voir Sören Kaschke, The New Edition of the Frankish Capitularies : Accommodating Digital and Print Edition The New Edition of the Frankish Capitularies : Accommodating Digital and Print Edition, in : Christelle Balouzat-Loubet (dir.), Digitizing Medieval Sources – L’édition en ligne de documents d’archives médiévaux : Challenges and Methodologies – Enjeux, méthodologie et défis, Turnhout 2020, p. 107–116. Développé depuis 2010, cet ensemble intégrait au moment de la rédaction du présent article 150 000 documents diplomatiques. Concernant sa constitution, voir Nicolas Perreaux, L’écriture du monde. Dynamique, perception, catégorisation du mundus au moyen âge (VIIe–XIIIe siècles). Recherches à partir de bases de données numérisées, Dijon 2014, p. 244–431. Depuis janvier 2022, le corpus est accessible à l'adresse suivante : https://cema. lamop.fr/. Il contient à ce jour 280 000 documents. A titre d’exemple, la Patrologie Latine contient dans sa totalité environ 100 millions de mots. La base des CEMA intègre aussi bien les actes dits « publics » que les documents « privés ». Depuis la rédaction de ce texte, le corpus a été substantiellement augmenté : voir la note précédente.

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giens considérés comme authentiques, jusqu’à Louis le Pieux, soit 519 documents et 212 000 mots.22 Le corpus des actes lombards dits « privés » sera toutefois largement employé dans la seconde partie de l’article,23 ainsi que d’autres ensembles de diplômes post-carolingiens, eux-aussi mentionnés plus loin. L’ensemble des fichiers a par ailleurs été lemmatisé grâce aux paramètres développés par l’équipe de l’ANR Omnia.24 Enfin, les deux corpus ont été préparés par nos soins afin qu’ils fonctionnent sous trois logiciels permettant des manipulations lexicales et sémantiques formalisées : TXM, CWB et R.25

22 Soit les actes considérés comme authentiques contenus dans Carlrichard Brühl / Theo Kölzer (éd.), Die Urkunden der Merowinger, MGH Diplomata, 2 vol., Hannover 2001 (= DD Mer.); Engelbert Mühlbacher et al. (éd.), Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Großen, MGH Diplomata, Die Urkunden der Karolinger 1, Hannover 1906 (= DD Kar. 1); Theodor Schieffer (éd.), Die Urkunden Lothars I. und Lothars II ., MGH Diplomata, Die Urkunden der Karolinger 3, Berlin 1966; ainsi que les diplômes originaux contenus dans la base des originaux de l’Artem pour ces périodes. Cet ensemble correspond aux souverains suivants : Clotaire II, Dagobert, Clovis II, Sigebert III, Clotaire III, Childéric II, Thierry  III, Clovis III, Childebert III, Dagobert III, Chilpéric II, Clotaire IV, Thierry IV, Pépin le Bref, Carloman, Charlemagne (et sa fille Gisela), Lothaire Ier, Lothaire II, Charles le Jeune, Louis le Germanique, Charles le Chauve, Louis le Jeune, Charles le Gros, Arnoul, Zwentibold, Louis l’Aveugle, Louis l’Enfant, Conrad Ier et Louis le Pieux. D’autres éditions ont été employées ponctuellement, et seront mentionnées dans la suite de l’article. 23 Luigi Schiaparelli (éd.), Codice Diplomatico Longobardo, volumes 1 et 2, Rome 1929–1933 (= CDL). L’édition est disponible au format numérique sur le site de l’Institut für Mittel­ alterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (https://www.oeaw. ac.at [consulté le 29.09.2017]). Les actes des duchés de Spolète et de Bénévent, correspondant aux numéros 3 à 5 du Codice Diplomatico Longobardo (éd. Luigi Schiaparelli et al., Rome 1973–2003) n’ont pas été employés, faute de numérisation en mode texte à l’heure actuelle. Depuis peu, ces éditions sont toutefois numérisées en mode image sur le site http://digitale.beic.it (consulté le 29.09.2017). 24 L’ANR Omnia (IRHT, École des chartes, UMR 6298 Artehis), à laquelle nous avons collaboré,  a mis en ligne ces paramètres : http://www.glossaria.eu/treetagger/ (consulté le 29.09.2017). Librement téléchargeables, ils ont été employés tant pour les chartes que pour les capitulaires. 25 TXM-Textométrie est un logiciel développé par une équipe sous la direction de Serge Heiden (ENS Lyon): http://textometrie.ens-lyon.fr/ (consulté le 06.09.2017). Il permet des requêtes formalisées sur les textes lemmatisés, des demandes simples aux cooccurrences complexes. CQP- CWB (pour Corpus Workbench) est lui aussi un logiciel open source, placé sous la direction de Stefan Evert (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn­ berg). Sa puissance de calcul et sa rapidité sont inégalées à l’heure actuelle, même si l’interface de TXM (basé sur le moteur de CWB) se montre nettement plus ergonomique. Nous avons par ailleurs abondamment employé le logiciel d’analyses statistiques R, qui permet le traitement des textes par des méthodes relevant de la fouille de données (Text Mining). Dans ce dernier cadre, les bibliothèques de fonctions FactoMineR() et tm() ont été employés.

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1.2 Distribution chronologique des documents Avant de réaliser des rapprochements lexicaux, il était néanmoins précieux d’examiner la répartition des deux corpus dans le temps. En 2015, Jennifer Davis publiait dans son ouvrage « Charlemagne’s Practice of Empire » une comparaison de la distribution chronologique des capitulaires et des diplômes de Charlemagne.26 Elle approchait néanmoins la question pour ce seul règne, avec un décompte par année. Cette échelle se justifiait pleinement dans le cadre de l’ouvrage, mais elle rend délicates les comparaisons globales telles que nôtres. Afin de réaliser une analyse plus large, nous avons retenu les diplômes considérés comme authentiques, dans l’ensemble des éditions des MGH et dans la base des chartes originales (Artem), pour la période allant du VIe à la fin du Xe siècle.27 La première figure donne une idée de la répartition des documents sur la ­période allant du VIe au début du Xe siècle, soit 1 545 diplômes considérés comme authentiques et 281 capitulaires.28 Cette échelle chronologique ne permet toute­ fois pas d’observer finement la répartition des documents. Si l’on regarde plus précisément leur distribution lors de la phase 500–749 (fig. 2), par demi-siècle, un premier phénomène apparaît  nettement : les périodes possédant des capitulaires ne comprennent pas ou peu de diplômes. C’est le cas pour la chronologie 500–624,29 puis 725–749, où l’on conserve douze capitulaires contre 26 Davis, Charlemagne, p. 347–378, en particulier p. 351–353. 27 Outre les éditions pour les souverains mérovingiens (DD Mer.), Pépin, Carloman et Charlemagne (DD Kar. 1), sont inclues dans le décompte : Theo Kölzer (éd.), Die Urkunden Ludwigs des Frommen, MGH Diplomata, Die Urkunden der Karolinger 2, Berlin 2016; Theodor Schieffer (éd.), Die Urkunden Lothars I. und Lothars II ., MGH Diplomata, Die Urkunden der Karolinger 3, Berlin 1966; Konrad Wanner (éd.), Die Urkunden Ludwigs II ., MGH Diplomata, Die Urkunden der Karolinger 4, München 1994; Paul Kehr (éd.), Die Urkunden Ludwigs des Deutschen, Karlmanns und Ludwigs des Jüngeren, MGH Diplomata, Die Urkunden der Deutschen Karolinger 1, Berlin 1934; Id., Die Urkunden Karls III ., MGH Diplomata, Die Urkunden der Deutschen Karolinger 2, Berlin 1937; Id., Die Urkunden Arnolfs, MGH Diplomata, Die Urkunden der Deutschen Karolinger 3, Berlin 1940; Theodor Schieffer (éd.), Die Urkunden Zwentibold und Ludwig das Kind, MGH Diplomata, Die Urkunden der Deutschen Karolinger 4, Berlin 1960. Concernant les « carolingiens français », dont les actes originaux considérés comme authentiques sont inclus dans la base de l’Artem – sur laquelle nous nous sommes fondés –, nous renvoyons à Benoît-Michel Tock (dir.), La diplomatique française du Haut Moyen Age. Inventaire des chartes originales antérieures à 1121 conservées en France, Turnhout 2001. Cette dernière base est disponible sur la plateforme TELMA de l’IRHT: http://www.cn-telma. fr//originaux/ (consulté le 29.09.2017). 28 Un tel ratio montre d’ailleurs que les capitulaires n’étaient pas une forme marginale de l’écrit royal et impérial pour ces siècles. Voir Ingrid Woll, Untersuchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien, Frankfurt 1995. 29 Qui contient neuf capitulaires (MGH Capit. 1, n°1–9) pour un seul diplôme authentique, d’ailleurs conservé en original (Paris, Bibliothèque nationale de France, série K, 1, n° 4): celui de Clotaire II pour l’abbaye de Saint-Denis (28 septembre 584 – 30 septembre 628 –

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Fig. 1: Répartition des capitulaires (en gris) et des diplômes authentiques (en noir), d’après les éditions dépouillées, par quart de siècle (VIe–premier quart du Xe siècle).

Fig. 2: Répartition des capitulaires (en gris) et des diplômes authentiques (en noir), d’après les éditions dépouillées, par quart de siècle (VIe–milieu du VIIIe siècle).

DD Mer. 22; ChLA t. 13, p. 6–9, n° 550 et fac-similé p. 8–9; Artem n° 4503). Concernant

ce diplôme, voir aussi Hartmut Atsma / Jean Vézin, Les faux sur papyrus de l’abbaye de Saint-Denis, in : Jean Kerhervé / A lbert Rigaudière (dir.), Finances, pouvoirs et mémoire. Mélanges offerts à Jean Favier, Paris 1999, p. 674–699, ici p. 687. Ce diplôme n’entre en outre dans la chronologie 500–624 que parce que ce sont les terminus a quo qui ont été retenus pour les décomptes. La probabilité qu’il appartienne à la période 584–624 est toutefois plus grande que pour la période 625–628, numériquement parlant.

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Fig. 3: Répartition des capitulaires (en gris) et des diplômes authentiques (en noir), d’après les éditions dépouillées, par décennie (pour Charlemagne).

seulement deux actes, dont l’un au moins est interpolé.30 Par ailleurs, la séquence 625–749 renferme 73 diplômes et aucun capitulaire.31 S’agit-il d’un simple fait de conservation ?32 En examinant la chronologie documentaire pour le règne de Charlemagne (fig. 3), cette fois par décennies, on constate un phénomène similaire.33 Les périodes « à diplômes », qui correspondent à la période antérieure au couronnement et plus spécifiquement avant 780, ne sont pas des périodes « à capitulaires », et vice-versa.34 Aussi bien pour les périodes mérovingiennes que 30 Soit d’une part un jugement de Thierry IV concernant Saint-Denis et la villa de Boransur-Oise (3 mars 726, DD Mer. 187); d’autre part, un acte interpolé de Childéric III pour l’église du Mans (2 mars 743, DD Mer. 190). 31 Soit 62 actes authentiques, et 11 diplômes interpolés. Concernant la catégorie « interpolé » dans l’édition, voir Morelle, Une somme, p. 660–662. Les deperdita n’ont pas été intégrés aux décomptes, car il évidemment hasardeux de contrôler leur authenticité (cf. DD Mer. vol. 2, p. 489–700). 32 Patrick Geary, La mémoire et l’oubli à la fin du premier millénaire, Paris 1996. Voir cependant les proposition de Laurent Morelle, Histoire et archives vers l’An Mil : une nouvelle ‹ mutation ›?, in : Histoire et archives 3 (1998), p. 119–141. 33 Rosamond McKitterick remarquait quant à elle : « Certainly the lack of secure evidence for capitularies from the first year of Charlemagne’s reign, together with the small group of ecclesiastical synodal records from Pippin’s reign, suggest that Charlemagne was slow to develop this particular form of general communication or record for part of the Frankish political process, and indeed, the production of capitularies in general. », in Ead., Charlemagne, p. 236. 34 Davis, Charlemagne, p. 350–352; voir de même les remarques sur la chronologie du règne données par François Louis Ganshof, Le programme de gouvernement imperial de

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carolingiennes, tout se passe donc comme si une typologie documentaire avait tendance à alterner avec l’autre.35 Or, si à ce stade cela semble être une simple hypothèse, elle pourrait se révéler intéressante : les diplômes et les capitulaires agissent en effet à des niveaux très différents. Tandis que les premiers permettent de créer des liens à des échelles locales ou régionales, les seconds favorisent plutôt une gestion large – même si la portée des capitulaires est parfois ciblée. Cette simple comparaison du nombre et de la distribution chronologique des documents conservés permet d’entrevoir comment les diplômes et les capitulaires pourraient être articulés, en tant que moyens complémentaires de gouverner.36

1.3 Mesurer la richesse lexicale Bien entendu, la richesse documentaire ne se résume pas à la quantité de documents produits. Toutefois, mesurer la richesse lexicale d’un corpus, autrement dit la variété du vocabulaire et donc la variabilité thématique des documents, n’est pas une chose aisée37. En premier lieu car ces derniers sont de tailles différentes.38

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Charlemagne, in : Renovatio imperii. Atti della giornata internazionale di studio per il millenario (Ravenna, 4–5 novembre 1961), Faenza 1963, p. 63–96. La question qui se pose derrière cette chronologie est celle des capitulaires dits « programmatiques »: McKitterick, Charlemagne, p. 235–242. Philippe Depreux avait déjà émis des remarques sur la complémentarité de différents types documentaires lors du règne de Louis le Pieux, en rapprochant l’absence de jugement des enquêtes, et donc du recours aux missi : Philippe Depreux, L’absence de jugement datant du règne de Louis le Pieux. L’expression d’un mode de gouvernement reposant plus systématiquement sur le recours aux missi ?, in : Annales de Bretagne et des Pays de l’Ouest 108 (2001), p. 7–20. Voir aussi les hypothèses proposées dans Britta Mischke et Sören Kaschke, Capitularies in the Carolingian Period, p. 11. Une étude de ce type mériterait toutefois d’être mené exclusivement pour Louis le Pieux, dont l’action pourrait être chronologiquement spécifique. Voir Karl Ubl, Gab es das ­Leges-Skriptorium Ludwigs des Frommen?, in : Deutsches Archiv 70 (2014), p. 43–65. La question de la richesse lexicale est centrale pour les linguistes. Elle pose plus généralement le problème statistique des distributions lexicales. Nous renvoyons à Pierre Guiraud, Les caractères statistiques du vocabulaire. Essai de méthodologie, Paris 1954; Charles Muller, Sur la mesure de la richesse lexicale. Théorie et expériences, in : Études de linguistique appliquée (janvier-mars 1971), p. 20–46; Harald Baayen, Word Frequency Distributions, Dordrecht 2001; Marco Baroni, Distributions in Text, in : Anke Lüdeling / Merja Kytö (dir.), Corpus Linguistics : An International Handbook, Berlin 2008, vol. 2, p. 803–821; enfin, Harald Baayen, Analyzing Linguistic Data. A Practical Introduction to Statistics using R, Cambridge 2008, contient de précieux exemples sur la façon de traiter empiriquement ce problème. La richesse lexicale d’un texte dépend bien entendu et en premier lieu de sa taille. Toute­ fois, l’accroissement du nombre de mots (ou lemmes) uniques dans un texte donné n’est

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Entre complexité et stéréotypicalité, il était ainsi intéressant de savoir à quel ­degré les capitulaires étaient riches d’un vocabulaire varié, en particulier face aux documents diplomatiques, en apparence plus répétitifs.39 Comment procéder ? Les travaux des mathématiciens George Kingsley Zipf et Benoît Mandelbrot, ont montré qu’il était possible de mesurer la richesse des textes, tout en tenant compte de leur longueur variable.40 Pour ce faire, il s’agit de compter le nombre de lemmes uniques dans un corpus donné, en le faisant lire du début à la fin par un programme. Les courbes ainsi obtenues représentent la variété lexicale au sein d’un corpus donné. Plus ces dernières augmentent rapidement, plus le corpus examiné possède un vocabulaire riche. En procédant de la sorte pour les capitulaires, on réalise d’abord que la richesse lexicale de ces derniers n’est guère supérieure à celle des chartes, et à celle des diplômes en particulier. Signalons dès maintenant que les toponymes et les anthroponymes n’ont pas été pris en compte. Sur la figure 4, les chartes (en bleu) sont ainsi comparées aux capitulaires (en rouge) et à un corpus hagiographique (en vert), issu de la Patrologie latine. Pour les chartes, trois sous-ensembles ont été analysés : a)  le corpus « chartes HMA » correspond à toutes les chartes du

pas une variable linéaire de la taille dudit document. Les textes suivent en effet des distributions statistiques de type LNRE (pour Large Number of Rare Events, l’appellation est proposée par Harald Baayen). C’est entre autres cette particularité qui rend délicate la mesure de la richesse lexicale. Voir en premier lieu : Harald Baayen, Word Frequency; Stefan Evert, The Statistics of Word Cooccurrences : Word Pairs and Collocations, Stuttgart 2005. 39 Bien que de nombreux travaux employant des documents diplomatiques évoquent ponctuellement des éléments linguistiques, d’importantes analyses restent encore à mener sur la langue latine des chartes et des diplômes. Nous renvoyons à ces importants jalons : ­Clovis Brunel, Le latin des chartes, in : Revue des études latines 3 (1925), p. 129–141; Jeanne Vielliard, Le latin des diplômes royaux et des chartes privées de l’époque mérovingienne, Paris 1927; Henry Miller Martin, A Brief Study of the Latinity of the Diplomata Issued by the Merovingian Kings, in : Speculum 2 (1927), p. 258–267 et 4 (1929), p. 315–316; Jacques Monfrin, Le latin médiéval et la langue des chartes, in : Vivarium 8 (1970), p. 81–98; Rudolf Falkowski, Studien zur Sprache der Merowingerdiplome, in : Archiv für Diplomatik 17 (1971), p. 1–125; Michel Banniard, Langue des Vies, langue des chartes aux VIe–VIIIe siècles. Questions sur la réceptibilité de l’Écriture en Occident latin, in : Ernst Bremer (dir.), Language of religion – language of the people : medieval Judaism, Christianity and Islam, München 2006, p. 191–204; Rémy Verdo, La reconfiguration du latin mérovingien sous les carolingiens. Étude sociolinguistique des diplômes royaux et des réécritures hagiographiques (VIIe–IXe siècle), Paris 2010. 40 George Kingsley Zipf, Human Behaviour and the Principle of Least Effort. An Introduction to Human Ecology, Cambridge 1949; Benoît Mandelbrodt, Les objets fractals. Forme, hasard et dimension, Paris 1975; Marc Barbut, Note sur l’ajustement des distributions de Zipf-Mandelbrot en statistique textuelle, in : Histoire & Mesure 4 (1989), p. 107–119. Pour une application concrète des lois de Zipf, voir Pierre Guiraud, Problèmes et méthodes de la statistique linguistique, Dordrecht 1959, ainsi que les références de la note suivante.

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haut Moyen Âge incluses dans les CEMA, pour les périodes bien couvertes par les capitulaires41; b) le corpus « diplômes A » intègre quant à lui l’ensemble des diplômes de ce même corpus (ce qui inclut les actes anglo-saxons et lombards, par exemple)42; c) enfin, le corpus « diplômes V » renferme uniquement les actes authentiques des mérovingiens et des carolingiens, soit les 519 documents mentionnés précédemment.43 Or, si les capitulaires se positionnent plus haut sur la figure, avec donc un vocabulaire plus riche que les chartes, on note que cette richesse est très relative par rapport aux vitae – dont on pouvait pourtant attendre une certaine stéréo­ typicalité.44 Cela indique qu’au-delà de l’hétérogénéité des capitulaires, ces derniers traitent d’un nombre de sujets limité et volontiers répétitifs d’un texte à l’autre. En étudiant l’évolution de la richesse lexicale dans le temps, cette hypothèse s’affirme. Lorsque l’on divise le corpus des capitulaires et celui des diplômes en 5 phases (avant 768, avant 800, jusqu’en 814, jusqu’en 840 et après 840),45 et que l’on emploie des échelles identiques, la différence entre diplômes et capitulaires tend à s’effacer (fig. 5).

41 Cf. note 21. Soit 16 900 actes pour la période allant du début du VIIIe à la fin du Xe siècle. Ce sous-ensemble contient les diplômes, mais aussi les actes d’institutions ecclésiales et dits privés. 42 Walter de Gray Birch (éd.), Cartularium Saxonicum : a collection of charters relating to Anglo-Saxon history, 3 vol., London 1842–1924, corrigé grâce aux éditions récentes et autres informations intégrées à l’Electronic Sawyer : http://www.esawyer.org.uk (consulté le 29.09.2017); Schiaparelli (éd.), Codice Diplomatico Longobardo. 43 Suivant les éditions mentionnées précédemment, moins les actes de Louis le Pieux, pour lesquels aucune édition numérique n’est encore disponible (en dehors toutefois des actes inclus dans la Patrologie latine, qu’il paraît sage d’écarter majoritairement dans ce contexte). Cf. note 22 pour la liste des éditions et des souverains. 44 Sur la stéréotypicalité et les motifs de ces textes, voir Marie-Céline Isaïa / Thomas Granier (dir.), Normes et hagiographie dans l’Occident latin (VIe–XVIe siècle), Turnhout 2014; Pierre Saintyves, En marge de la Légende dorée. Songes, miracles et survivances : essai sur la formation de quelques thèmes hagiographiques, Paris 1930; Gilbert Dagron, Le saint, le savant, l’astrologue : étude de thèmes hagiographiques à travers quelques recueils de « Questions et réponses » des Ve–VIIe siècles, in : Hagiographie, cultures et sociétés, IVe–XIIe siècles, Paris 1981, p. 143–156; Baudouin de Gaiffier, Le thème hagiographique de la poutre allongée, in : Mittellateinisches Jahrbuch 17 (1982), p. 18–25; Id., Les thèmes hagiographiques. Est-il possible d’établir pour chacun d’eux une filiation ?, in : Revue d’histoire ecclésiastique 77 (1982), p. 78–81; Paolo Tomea, Il vino nell’agiografia : elementi topici e aspetti sociali, in : La civiltà del vino. Fonti, temi e produzioni vitivinicole dal Medio­evo al Novecento, Brescia 2001, p. 341–364; Jacques Le Goff, À la recherche du temps sacré, Jacques de Voragine et la Légende dorée, Paris 2011. Nous remercions vivement Anne Wagner de nous avoir transmis certaines de ces références. 45 Uniquement pour le sous-ensemble « diplômes V », soit les diplômes authentiques des mérovingiens et carolingiens (cf. les notes précédentes).

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Fig. 4: Capitulaires, chartes-diplômes et vitae. Richesse du vocabulaire (lemmes) dans les corpus retenus. Plus la croissance de la courbe est rapide, plus le corpus est riche.46

Ces tendances (fig. 5) montrent que l’on a affaire à des documents relativement proches du point de vue du stock lexical. Par ailleurs, l’évolution de leur richesse respective suit une tendance globalement similaire, tant pour les capitulaires que pour les diplômes : plus on avance dans le temps, plus la variété du vocabulaire s’accroît. Plusieurs périodes font pourtant exception. En premier lieu, pour les diplômes, les documents de la fourchette 768–799 sont lexicalement plus riches que ceux des périodes 800–814 et 814–840.47 Cette évolution s’explique probablement par la plus grande stéréotypicalité des diplômes impériaux après 800, en partie 46 Stefan Evert / Marco Baroni, ZipfR: Word frequency distributions, in : Proceedings of the 45th Annual Meeting of the Association for Computational Linguistics, Prague 2007; Baayen, Analyzing Linguistic Data, p. 165–240. Ces analyses n’auraient toutefois pas été possibles sans les bibliothèques de fonctions pour R développées par Alain Guerreau, en particulier Cooc. Celle-ci permet de manipuler statistiquement les corpus documentaires latins, en surajoutant une série d’algorithmes interactifs à l’ensemble formé par CWB et RCQP (une bibliothèque R destinée à l’intégration de CWB dans celui-ci). RCQP est développé par deux chercheurs, Bernard Desgraupes et Sylvain Loiseau : https://cran.r-project. org/web/packages/rcqp/rcqp.pdf (consulté le 29.09.2017). 47 Il faut en outre noter que ces deux périodes (800–814 et 814–840) possèdent des courbes extrêmement proches. Pour en conclure que le lexique change moins que lors des périodes précédentes et postérieures, d’autres analyses devront toutefois être menées.

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Fig. 5: Capitulaires (à gauche) et diplômes (à droite). Richesse du vocabulaire (lemmes) dans les corpus, par période. Plus la croissance de la courbe est rapide, plus le corpus est riche.

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imputable à la normativité des formules employées voire des contextes évoqués.48 Toutefois, la richesse lexicale augmente fortement dans les diplômes entre la période d’avant 768 et la période d’après 840.49 Pour les capitulaires, l’augmentation de la richesse lexicale semble plus régulière encore. Cela indique que ces derniers ne deviennent pas de plus en plus homogènes, mais tout au contraire, qu’ils s’enrichissent progressivement d’apports lexicaux (et donc, probablement, évoquent des sujets plus variés). L’indication principale reste néanmoins une tendance commune des deux corpus à l’enrichissement du vocabulaire dans le temps et, plus encore, des stocks lexicaux d’une richesse équivalente.

2. Circulations et communautés scripturaires 2.1 Des capitulaires aux diplômes La comparaison entre capitulaires et chartes doit cependant aller plus loin. Une des questions lancinantes des études sur les capitulaires est bien entendu celle de leur rédaction.50 Là encore, les méthodes numériques, parallèlement aux méthodes classiques, peuvent nous aider. Il est en effet aujourd’hui possible de mesurer la proximité entre différents corpus de textes, en prenant en compte 48 Robert-Henri Bautier évoque quant à lui d’une « plus grande pureté de langue, dans la ligne de la renaissance carolingienne », dans Bautier, La chancellerie, p. 13, ainsi que les remarques conclusives p. 75–76. Voir de même les remarques données dans Arthur Giry, Manuel de diplomatique, Paris 1894, p. 713–722, qui constate une évolution lente mais néanmoins réelle de la stéréotypicalité des diplômes (l’auteur évoque une langue prenant « un caractère moins barbare », p. 721, tout en indiquant que « le formulaire du diplôme carolingien acheva de se fixer sous le règne de Louis le Pieux », p. 722). Sur cette dernière question, nous renvoyons à Theo Kölzer (dir.), Zwischen Tradition und Innovation : Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840), Paderborn 2014; Jacques Fontaine, De la pluralité à l’unité dans le ‹ latin carolingien ›?, in : Nascità dell’Europa ed Europa carolingia : un’equazione da verificare (Settimane distudio del centro italiano di studi sull’alto medioevo 27), Spoleto 1981, tome 2, p. 765–805. Sur les liens entre évolution du latin à l’époque carolingienne et structure sociale, on trouvera de nombreux éléments dans Anita Guerreau-Jalabert, La « Renaissance carolingienne »: modèles culturels, usages linguistiques et structures sociales, in : Bibliothèque de l’École des Chartes 139 (1981), p. 5–35. 49 Pour aller plus loin dans l’appréciation de ce phénomène d’enrichissement lexical, il faudrait néanmoins déterminer la part des diplômes composés en tout ou en partie par les destinataires. Ces documents provenant de scriptoria différents, ils sont en effet davantage susceptibles de contenir un vocabulaire plus hétérogène, donc plus riche. En pratique, cette analyse nécessiterait de repérer ces « diplômes locaux », ce qui n’est pas chose facile. 50 Diverses tentatives ont déjà été menées pour identifier les rédacteurs de capitulaires. Voir par exemple, dès 1958: Friedrich-Carl Scheibe, Alcuin und die Admonitio generalis, in : Deutsches Archiv 14 (1958), p. 221–229. Plus récemment : McKitterick, Charlemagne, p. 234.

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la totalité du vocabulaire contenu dans ces ensembles.51 Ainsi, une première analyse factorielle portant sur les bi-lemmes (c’est-à-dire des groupes de deux lemmes : et si, in nomine, etc.) révèle que les capitulaires se distinguent en apparence nettement des diplômes.52 Cette analyse (fig. 6 ci-dessous) doit être lue comme une carte : chaque point correspond à un document. Plus deux points sont proches, plus la proximité lexicale entre ces documents est grande. À cette échelle globale, on constate ainsi que les capitulaires se regroupent (ici à droite) et semblent s’opposer aux chartes. Ce rassemblement quasi-général des capitulaires en un ensemble indique la relative cohérence du lexique de ces documents, du moins face aux diplômes. À l’opposé, le corpus des diplômes se scinde assez nettement en deux ensembles, autour de l’axe 2.53 Mais qu’en est-il à des échelles plus fines ? L’examen précis des groupes de lemmes contenus dans les diplômes et les capitulaires fait apparaître de multiples circulations – certains syntagmes latins se retrouvent dans les deux corpus, mais pas dans les vitae. Le phénomène s’observe d’ailleurs dans les deux sens, des capitulaires aux diplômes et vice-versa. Commençons avec le premier cas de figure, par exemple avec le syntagme tuitione et / ac defensione ou  tuitione 51 Cette approche relève de ce que l’on appelle aujourd’hui la « stylométrie » et plus largement de la fouille textuelle (text mining). Quelques ouvrages de référence dans ce dernier domaine : Christopher D. Manning et al., Introduction to Information Retrieval, Cambridge 2008; Ian H. Witten / Eibe Frank, Data Mining. Practical Machine Learning Tools and Techniques (3ème édition), Burlington 2011. Une des méthodes les plus employées dans les pages qui suivent est l’analyse multivariée, qui relève aujourd’hui pleinement de la fouille de données (data mining): Jean-Paul Benzécri (dir.), Pratique de l’analyse des données, Paris 1980–1986; Philippe Cibois, L’analyse factorielle : analyse en composantes principales et analyse des correspondances (5ème édition), Paris, 2000. Ces traitements des textes par analyses multivariées ont aujourd’hui une longue histoire en médiévistique; voir par exemple : Jean-Philippe Genet, Une application de l’analyse factorielle à l’étude du vocabulaire, in : Le médiéviste et l’ordinateur 5 (1981), p. 11–15; Stéphane Guerault, Le vocabulaire économique et technique des polyptyques, in : Histoire & Mesure 18 (2003), p. 313–333; Aude Mairey, La poésie allitérative anglaise du XIVe siècle. Une analyse factorielle par domaine lexical, in : Histoire & Mesure 18 (2003), p. 263–288; Nicolas Perreaux, Mesurer un système de représentation ? Approche statistique du champ lexical de l’eau dans la Patrologie Latine, in : Mesure et histoire médiévale. XLIIIe Congrès de la SHMESP (Tours, 31 mai–2 juin 2012), Paris 2013, p. 365–374. 52 L’extraction des fréquences a été réalisée pour 800 bi-lemmes, les plus fréquents du lexique (bibliothèque tm() de R). Le tableau obtenu a ensuite été traité, afin de ne conserver que les bi-lemmes contenus dans au moins deux textes, et dans moins de 50 textes. Ce filtre a pour objectif d’améliorer la distinction entre types documentaires, en retirant à la fois les bi-lemmes trop rares et trop fréquents. Une analyse factorielle est ensuite appliquée au tableau. 53 Voir les analyses qui suivent, où l’on montre que ces ensembles correspondent à deux chronologies. On peut d’ores et déjà dire qu’en comparaison, les capitulaires forment en effet un ensemble très synchrone.

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Fig. 6: Diplômes (en noir) et capitulaires (en gris): comparaison systématique du lexique, à partir de 800 bi-lemmes contenus dans les textes, par analyse factorielle (axes 1–2).

et inmunitatis defensione. Dans le corpus des capitulaires, il apparaît dès 587, dans le pacte d’Andelot entre Childebert II et Gontran, roi de Burgondie.54 Il s’agit certes d’un document limite au plan typologique, mais une autre occurrence se rencontre en février 854 dans l’accord-capitulaire passé entre Lothaire Ier 54 […] et si quid de agris fiscalibus vel speciebus atque presidio pro arbitrii sui voluntate facere aut cuiquam conferre voluerit, in perpetuo auxiliante Domino conservetur, neque a quocumque ullo umquam tempore convellatur, et sub tuitione ac defensione domni Childeberti, cum his omnibus que ipsam transitus genitoris sui invenerit possidentem sub omni honore et dignitate secura debeat possidere., MGH Capit. 1, n° 6 (587). Le texte est issu de l’Histoire des francs de Grégoire de Tours (Grégoire de Tours, Historiarum libri decem, 9, 20, éd. Bruno Krusch / Wilhelm Levison, MGH SS rer. Merow. 1/1, Hannover 1951, p. 436). Concernant le document, voir Geneviève Bührer-Thierry / Charles Mériaux, 481–888. La France avant la France, Paris 2010, p. 164–165; Bruno Dumézil, La reine Brunehaut, Paris 2008, p. 240–243.

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et Charles le Chauve, peut-être sous l’influence du premier.55 Or, on constate que plusieurs diplômes reprennent ce syntagme, qui reste rare jusqu’au début du IXe siècle :56 ainsi, en 777, dans cette confirmation de Charlemagne pour l’abbaye de Saint-Denis concernant le prieuré de Salonnes (fig. 7).57 Ou encore en 816, dans une confirmation d’immunité de Louis le Pieux pour l’église de Cambrai.58 La formule est ensuite largement diffusée, avec plus de 200 occurrences repérées dans les CEMA59. S’agit-il d’un cas isolé ? 55 Et si aliquis pari suo superstes extiterit, ipse, qui remanserit, nepotes suos una cum regno patris sub tuitione et defensione habeat, ut contra adversantium machinationes auxiliante Deo ita muniti existant, qualiter quieto ordine regnum patris obtinere valeant. MGH Capit. 2, n° 207 (février 854). Concernant ce document, qui relate une rencontre entre Lothaire et Charles ayant eu lieu à Liège, voir Joseph Calmette, La diplomatie carolingienne. Du traité de Verdun à la mort de Charles le Chauve (843–877), Paris 1901, p. 23–26. 56 Toutes les occurrences antérieures à 777 dans le corpus des diplômes semblent fausses. Ainsi, la formule apparaît par exemple dans un faux diplôme de Clovis pour MicySaint-Mesmin (481, DD Mer. 2):  […] sub nostra tuitione ac defensione plenissima sive in redeundo sive in veniendo […]. On trouve toutefois quelques mentions en dehors des actes diplomatiques avant le IXe siècle. En premier lieu, nous avons pu relever trois occurrences dans l’Histoire des Francs de Grégoire de Tours, celle du pacte d’Andelot comprise (cf. note 51 pour la première; pour les deux autres : in sua tuitione et defensione spiritali dilectione recipiat; et : ut pius pater sub sua tuitione et defensione recipiat, ita ut regnum patris eorum sub omni soliditate possedeant, p. 436–437). Deux mentions sont présentes chez Bertrand du Mans [† 623]: et toti sub tuitione et defensione sancti Petri perseverent et sub tuitione et defensione sanctae Ecclesiae rependeant. Bertichramnus Cenomanensis, Testamentum, PL 80, col. 387–410b, ici col. 406b). On trouve aussi trois occurrences dans les volumes de Lettres des MGH, mais toutes plus tardives que celle du diplôme de 777 (en 867, dans une lettre d’Adrien II: MGH Epp. 4, p. 696; en juin 878, dans une lettre de Jean VIII: MGH Epp. 5, p. 113–114; en octobre 879, dans une lettre du même : Id., p. 212). Les conciles contiennent deux mentions de la séquence, là encore postérieure au VIIIe siècle : Iterumque de nostro consilio et auxilio, tuitione ac defensione contra omnes insidias vel violentias securam reddidimus […] (MGH Conc. 4, c. 17, p. 10, février 860 à Aix-la-Chapelle); et in tuitione atque defensione Christi consistunt (MGH Conc. 4, c. 3, p. 30, 22 octobre–7 novembre 860, concile de Tusey). Ces circulations montrent que la diffusion d’une formule est souvent un problème complexe. 57 Simile modo ex nostrum promissum et confirmationem absque episcoporum Metinsis ecclesiae inpedimentum pars sancti Dionisii unacum ipso cenubio Salona sub nostram tuitionem et defensionem et procerumque […], MGH DD Kar. 118 (6 décembre 777). 58 In quibus continebatur insertum qualiter idem genitor noster et antecessores reges praedictam sedem quae est in honore sanctae Dei genetricis Mariae semperque virginis, ob amorem Dei tranquillitatemque fratrum ibidem consistentium semper sub plenissima tuitione et inmunitatis defensionem habuissent […], MGH LdF 92 = Artem n° 349 – Lille, AD Nord, 3 G 6 n° 62 Musée 57 (15 avril 816): « Louis le Pieux, empereur, confirme à l’église de Cambrai l’immunité qui lui avait été accordée par son grand-père Pépin et son père Charles ». L’acte est aussi édité dans la base Diplomata Belgica (n° 3554): on y trouvera toutes les références bibliographiques nécessaires. 59 Soit en premier lieu 13 occurrences dans le corpus des diplômes mérovingiens et carolingiens authentiques. Le reste des mentions se rencontre essentiellement dans des diplômes (ottoniens, capétiens, hispaniques, etc.), mais aussi dans des actes de moindre importance, et ceci encore au XIVe siècle.

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Fig. 7: Charlemagne confirme les droits de l’abbaye de Saint-Denis sur son prieuré de Salonnes (6 décembre 777). Nancy, Archives départementales Meurthe-et-Moselle, G468 (DD Kar. 118, Artem n° 200). (Photographie : AD Nancy). En rouge: la formule tuitionem et defensionem.

Un second exemple de circulation pourrait être le syntagme bone memorie domnum, rencontré à 6 reprises dans les capitulaires, avec là-encore deux premières occurrences dans le Pacte d’Andelot (587),60 puis en 614 (édit de Clotaire II),61 60 Similiter, quia domnus Guntchramnus juxta pactionem quam cum bone memorie domno Syghiberto inierat integram portionem que de regno Chariberti ille fuerat consecutus sibi diceret in integrum redhiberi […], et : Similiter conuenit, ut secundum pactiones inter domnum Guntchramnum et bone memorie domnum Sigibertum initas […], MGH Capit. 1, n° 6. On observe une mention presque contemporaine dans le Concile de Paris (556–573): Accedit etiam, ut temporibus discordiae supra promissionem bonae memoriae domni Clodouei regis […], MGH Conc. 1, p. 143. 61 Là encore avec deux occurrences : De toloneo ea loca debeat exegi vel de speciebus ipsis, que precidentium principum, id est usque transitum bone memorie domnorum parentum nostrorum Gunthramni, Chilperici, Sigiberthi regum est exactum; et : […] usque transitum bone memorie domnorum parentum nostrorum Gunthramni Chilperici Sigiberthi […], MGH Capit. 1, n° 9 (18 octobre 614). Concernant l’édit de Paris, voir Alexander Callander Murray, Immunity, Nobility, and the Edict of Paris, in : Speculum 69 (1994), p. 18–39.

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811–813 (Capitulaire de Charlemagne De justitiis faciendis)62 et 827 (recueil d’Anségise, III:76).63 Parallèlement, la séquence se retrouve par la suite dans une petite dizaine de diplômes authentiques, essentiellement des confirmations, par exemple celui de Clotaire III en 658–659,64 de Carloman en 769,65 de Charle­ magne en 769,66 77567 et 779,68 ou encore de Lothaire Ier en 854.69 Un autre cas est celui de lex et justitia ou encore legem et equitatem / justiciam, que l’on trouve 32 fois dans les capitulaires70 dès le VIe siècle, et qui se diffuse 62 De termino causarum et litium statuimus, ut ex quo bone memorie domnus Pippinus rex obiit […], MGH Capit. 1, n° 80 (811–813). 63 De termino causarum et litium statuimus, ut ex quo bone memorie domnus Pippinus rex obiit et nos regnare coepimus […], MGH Capit. 1, n° 183 (recueil Anségise, III, n° 76, 827). Il s’agit bien entendu d’une copie basée sur le précédent. Voir Gerhard Schmitz (éd.), Die Kapitulariensammlung des Ansegis. Collectio capitularium Ansegisi, MGH Capit. N. S. 1, Hannover 1996, n° LXXVI De causarum et litium terminis, p. 608, qui renvoie au capitulaire de 811–813. 64 […] eo quod bonae memoriae domnus et genitor noster Clodoveus quondam rex […], DD Mer. 92 (12 octobre 658 – 9 novembre 659; aussi Charles Lalore (éd.), Cartulaire de Montier-la-Celle, Paris 1882, VI, p. 196–197): Clotaire III confirme une donation de Clovis II à Frodobert, afin de servir la fondation de ce dernier (Montier-la-Celle). Voir Isabelle Crété-Protin, Église et vie chrétienne dans le diocèse de Troyes du IVe au IXe siècle, Villeneuve d’Ascq 2002, p. 222–223; Jean-Marie Pardessus, Diplomata chartae, epistolae, leges aliaque instrumenta, tome 1, Paris 1843, p. 87–88, qui donne une analyse de l’acte. 65 […] nobis suggesserunt eo quod bone memoriae domnus et genitor Pippinus quondam rex […], DD Kar. 43 (janvier 769, Samoussy, acte de Carloman en faveur de Saint-Denis). On trouve d’ailleurs deux occurrences de la formule dans ce dernier document. 66 […] ideoque venerabilis vir Gregorius episcopus confirmationem bonę memorię domni genitoris nostri Pippini quondam regis de rebus ęcclesię suę sancti Martini […], DD Kar. 56 (1er mars 769, Aix-la-Chapelle, acte en faveur de l’église d’Utrecht). 67 […] ad monasterium qui dicitur Prumia quem bone memorię domnus et genitor noster ­Pippinus quondam rex in honore sancti Salvatoris  a novo construxit opere ubi Asuerus abba praeesse videtur […], DD Kar. 108 (novembre 775, Charlemagne confirme son immunité au monastère de Prüm). 68 […] quod antecessoris nostri anterioris reges vel bonae [me]moriae domnus et genitur noster Pippinus [quondam] rex […], DD Kar. 123 (30 avril 779, Herstal, Charlemagne confirme son immunité à Saint-Marcel-lès-Chalon). 69 […] iam dictus bonae memoriae domnus et avus noster Karolus imperator […], DD Lo I 133 (4 août 854, Verdun, Lothaire confirme l’immunité de Saint-Denis). 70 Par exemple dans MGH Capit. 1, n° 4 (quod male eum destruat et contra legem et justitia, et encore : et ille qui accepit res illius quem contra legem et justitiam extruderit [reddat], édit de Chilpéric, 561–584), MGH Capit. 1, n° 6 (Et quicquid unicuique fidelium in utriusque regno per legem et justitiam redebetur, nullum ei preiudicium pariatur, sed liceat res debitas possidere atque recipere. Pacte d’Andelot, 587). De nombreux occurrences datent du IXe siècle, en particulier après 840: MGH Capit. 1, n° 33 (Ut episcopi, abbates adque abbatisse advocatos adque vicedomini centenariosque legem scientes et justitiam diligentes pacificosque et mansuetus habeant, Capitulare Missorum Generale, 802), MGH Capit. 1, n°  167 (propter illam calumniam quam fecit secundum legem et equitatem justitiam reddat, Capitula Francica de Louis le Pieux ou Lothaire, non daté), MGH Capit. 2, n° 233 (ut secundum legem et iustitiam incedat iuditium, Pacte de Lothaire, 23 février 840), mais

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plus tard aux diplômes.71 La séquence est par ailleurs visible dans les recueils de formules du début du IXe siècle.72 Elle reste ensuite présente dans les textes diplomatiques, au moins jusqu’au XIIIe siècle.73 Certes, ces différents syntagmes se rencontrent aussi dans d’autres typologies textuelles (lettres, documents narratifs, etc.), mais ces occurrences sont proportionnellement beaucoup plus rares.74 Il ne s’agit en outre là que de quelques exemples isolés.

2.2 Des diplômes aux capitulaires Par ailleurs, certaines formules contenues dans les capitulaires semblent provenir des diplômes. D’après les analyses menées, il s’agit d’ailleurs d’un cas plus

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encore MGH Capit. 2, n° 205 (851), MGH Capit. 2, n° 269 (21 mars 858), MGH Capit. 2, n° 297 (novembre 858), etc. En définitive, 26 des occurrences sont postérieures à 840. La variante lex ac justicia est un peu moins répandue, avec tout de même 17 occurrences dans les capitulaires, toutes au IXe siècle (et pour 16 d’entre elles, postérieures à 840). Par exemple : Scire debent missi dominici, qualiter episcopus atque comes inter se habent conversationem et quomodo sunt consentientes legem atque justitiam vel pacem […], de nouveau en MGH Capit. 1, n° 104. Quelques exemples : et postea ante nos per legem et iustitiam accipiant sententiam, DD Kar. 2 (acte de Pépin en faveur de l’abbaye de Saint-Calais, 26 avril 752); et ibidem finitivam sententiam per legem et iustitiam accipiant, DD Kar. 14 (de nouveau Pépin pour SaintCalais, 10 juin 760); repris en juillet 771, toujours pour Saint-Calais : et ibidem finitiva sententia per legem et iustitiam debeant accipere, DD Kar. 62; Quod ita et fecimus ut sicut constat quod ipsas res per legem et iustitiam in palatio ante genitore nostro, DD Kar. 101 (26 juin 775, acte de Charlemagne en faveur de Saint-Denis); et ibidem finitivam per legem et iustitiam debeant accipere sententiam, DD Kar. 128 (Charlemagne pour Saint-Calais, 7 novembre 779); per cartolam traditionis delegasset sed minime secundum legem [et] iustitiam ipsa traditio facta fuit nec nullatenus manere potest, DD Kar. 198 (Charlemagne pour l’abbaye d’Hersfeld, 15 septembre 802); qualiter secundum legem et iustitiam in presentia missorum nostrorum, DD Lo I 14 (Lothaire pour l’église d’Arezzo, 9 décembre 833). Karl Zeumer (éd.), Formulae Merowingici et Karolini aevi, MGH Formulae, Hannover 1886, Formulae Imperiales, n° 15, p. 297 (aliquid qui contra legem et iustitiam facere, 822) ou encore n° 43, p. 320 (et si iustitiam facere detraxerint, hoc ad nostram noticiam deducatur, ut nos praesenti secundum legem et iustitiam facere iubeamus, 822). Ces recueils issus de la chancellerie de Louis le Pieux sont toutefois problématiques, cf. Alice Rio, Legal Practice and the Written Word in the Early Middle Age. Frankish Formulae, c. 500–1000, Cambridge 2009, p. 45–46. 87 occurrences repérées dans les CEMA , dont une part non négligeable dans les actes souverains postérieurs. Par exemple pour cette dernière formule, nous avons pu effectuer un repérage dans la partie actuellement numérisée des MGH, disponible à Francfort (qui représente environ la moitié des volumes des MGH). Si l’on exclut les capitulaires, on trouve 14 mentions dans les conciles – mais aucune antérieure à la seconde moitié du IXe siècle pour ce type documentaire –, et seulement 13 pour toutes les autres typologies textuelles. Dans ces 13 mentions, au moins une partie est issue directement des diplômes (à travers des copies insérées dans des textes narratifs).

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fréquent que la circulation précédente. Un syntagme en apparence aussi peu instructif que a longo tempore est pourtant intéressant pour cette histoire des diffusions scripturaires. Il apparaît dès le milieu du VIIe siècle dans le corpus des diplômes, avec un acte de Sigebert III pour les églises de Cologne et de Metz,75 puis dans un acte de Childebert IV pour l’abbaye d’Argenteuil en 697.76 Par la suite, ce sont 24 mentions que l’on relève dans les diplômes carolingiens.77 Or, la première occurrence de la formule dans les capitulaires date en effet seulement de 779, avec le capitulaire donné par Charlemagne à Herstal.78 A longo tempore apparaît ainsi 6 fois au total dans les capitulaires.79 Vingt-deux occurrences dans des diplômes sont donc antérieures à la première dans les capitulaires. Une fois encore, il semble que l’expression soit relativement typique de l’écriture documentaire. Une rapide recherche dans les volumes 90 à 132 de la Patrologie latine – soit de Bède [† 735] à Réginon de Prüm [† 915] ou encore Hucbald de Saint-Amand [† 930], ces derniers inclus – renvoie 48 occurrences de la séquence a longo tempore : aucune n’est pas issue d’un contexte diplomatique ou épistolaire. Il est aussi possible de pointer le syntagme justus et / ac rationabiliter, qui apparaît dès 679–691 dans les diplômes, avec un acte de Thierry III pour Stave­ 75 […] qui semper a longo tempore in ipso loco commanere videntur, DD Mer. 77 (640–647). 76 […] quicquid ibidem a longo tempore fiscus fuit aut in giro tinuit, DD Mer. 150 (3 avril 697). On note aussi cette occurrence dans un plaid de Childebert IV: quod a longo tempore semper ipse farinarius ad ipso Latiniaco curte ipsius monastirie sancti Dionisii aspexissit, DD Mer. 157 (14 décembre 709). 77 Par exemple : quod ab antecessoribus regibus a longo tempore omnis emunitas de uillas prefate sancti basilici fuit concessum, DD Kar. 26 (Pépin confirme son immunité à l’abbaye de Saint-Denis, 23 septembre 768); confirmatione domno et genitore nostro Pippino gloriosissimo rege per manibus adserit retullisse vel quomodo a longo tempore regum ibidem fuit consuetudo, DD Kar. 43 (Carloman confirme des droits à Saint-Denis, janvier 769); ut res ipsius monasterii quę a longo tempore ad ipsum sanctum locum per diversorum hominum donationes videlicet regum reginarum ducum pontificum comitum castaldiorum vel collationes populi cessiones venditiones comparationes commutationesque pervenerunt, DD Kar. 199 (Charlmagne pour Farfa, 13 juin 803), etc. 78 De cujus causa periurium fecerit, sicut lex loci illius, ubi periurium factum est,  a longo tempore fuit, de eorum pretium emendare studeat. Capitulare Haristallense, MGH Capit. 1, n° 20 (mars 779). 79 De cujus causa periurium fecerit, sicut lex loci illius, ubi periurium factum est, a longo tempore fuit, de eorum pretium emendare studeat; et : De maioribus vero causis legem quam a longo tempore habuerunt obseruentur; et encore : De cerariis et tabulariis atque cartolariis, sicut a longo tempore fuit, observetur. MGH Capit. 1, n° 20 (779). Mais aussi : Ut ecclesias baptismales seu oraculas qui eas a longo tempore restauraverunt mox iterum restaurare debeant, et tam curtis regia quam et Langobardos talem inibi habeant dominationem, qualem illorum a longo tempore fuit consuetudo. ubi consuetudo fuerit pignerandi a longo tempore, ut et inantea in eo modo sit pro ipsas iustitias faciendas; et : Et si ipse pontifice, Francus aut Langobardus, distulerit iustitiam faciendum, tunc, iuxta ut ipsi episcopi eligerunt, ubi consuetudo fuerit pignerandi a longo tempore, ut et inantea in eo modo sit pro ipsas iustitias faciendas. MGH Capit. 1, n° 91 (782–786).

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lot-Malmedy.80 Il est par la suite employé 91 fois dans ce corpus,81 et 555 fois dans la totalité des chartes consultées.82 La formule apparaît certes dans les capitulaires, mais pas avant février 806 et la Divisio Regnorum (MGH Capit. 1, n° 45),83 puis 11 autres fois jusqu’en 879.84 Pour certaines formules, l’apparition semble toutefois plus ou moins concomitante dans les deux types documentaires. Ainsi les formules fidelibus sancte (Dei) ecclesie, ou encore cum fidelibus nostris. La première apparaît dès 769 dans le corpus des diplômes,85 et en 785 dans les capitulaires86 – tandis que la seconde émerge en 771 dans les chartes, avec un 80 […] quod ibidem fuit firmatum vel condonatum seu et inantea juste et rationabiliter fuerit conlatum, DD Mer. 124 (24 décembre 679 – 12 décembre 691). 81 Par exemple : ut quicquid constat per inspectam ipsam commutationem ipsius principis iuste et rationabiliter inter ipsum et gloriosum domnum Remaglum (DD Mer. 139, Clovis IV pour Stavelot-Malmedy, 25 juin 693); genitor noster Childericus etiam et consobrini nostri Chlodoueus et Childebertus quondam regum iuste et racionabiliter concesserunt vel confirmaverunt (DD Mer. 178, Chilperic II pour Saint-Bertin, 5 septembre 717–26 septembre 718); Que antecessores nostri sepedicti Pippinus et Karolus vel Karlomannus ad ipsa casa dei per eorum instrumenta condonaverunt iuste et rationabiliter (DD Kar. 4, Pépin pour l’église d’Utrecht, 23 mai 753), etc. 82 Toujours dans les CEMA . La formule est essentiellement présente dans les diplômes et, au plan géographique, dans le nord de l’Europe. Elle s’étend toutefois lentement aux actes épiscopaux et apparaît encore au XIVe siècle. 83 Que autem juste et racionabiliter  a condigno viro ad coniugium fuerit quesita, MGH Capit. 1, n°  45, c.  17 (6 février 806). Sur la Divisio Regnorum et son capitulaire, voir Walter Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung. Zur Divisio regnorum von 806, in : Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1, Göttingen 1963, p. 193–232; Matthias M. Tischler, Die Divisio regnorum von 806 zwischen handschriftlicher Überlieferung und historiographischer Rezeption, in : Brigitte Kasten (dir.), Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, Köln 2008, p. 193–258; Sören Kaschke, Tradition und Adaption : Die « Divisio regnorum » und die fränkische Herrschaftsnachfolge, in : Brigitte Kasten (dir.), Fürstentestamente, p. 259–289. 84 […] a quo, quicquid iuste ac rationabiliter fides nostra, MGH Capit. 1, n° 124 (novembre 807  – le document relève toutefois plus de la lettre que du capitulaire au sens étroit); Sciatis, quia vult vobis hoc observare, secundum quod vobis in Vermeria concessit, et sicut scriptis et verbis antea mandaverat, et quicquid amplius iuste et rationabiliter postulare vultis. MGH Capit. 2, n° 263, c. 4 (26 juillet – 1er septembre 856). Et encore : MGH Capit. 2, n° 261, c. 3 (7 juillet 856); n° 297, c. 2 (novembre 858); n° 275, c. 2 et 3 (2 occurrences, juillet 869); n° 276 B. Responsio Karoli ad populum (9 septembre 869); n° 278 (4 janvier 873); n° 221, c. 10 (février 876); n° 282, I, c. 2 (16 juin 877); n° 284, (B.) Bosonis regis electi ad synodum responsio (15 octobre 879). 85 Et ut hoc nostro auctoritatis preceptum firmius habeatur et per futura tempora a succes­ soribus nostris et fidelibus sanctę dei ęcclesię melius credatur et diligentius conservetur, DD Kar 58 (Charlemagne pour Saint-Aubin d’Angers, mai 769). On trouve par la suite, dans le corpus des diplômes tel que nous l’avons constitué ici, 173 mentions de la formule, et 1 153 dans l’ensemble des CEMA . 86 Similiter multas vobis agit gratias dominus noster filius vester de sacrissanctis orationibus vestris quibus adsidue pro illo et fidelibus sanctae ecclesiae et vestris at que suis decertatis, non solum pro vivis sed etiam pro defunctis. MGH Capit. 1, n° 111 (Memoratorium missis datum ad papam Adrianum legatis, c. 785).

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acte de Charlemagne concernant Fulda,87 et en 780 dans les capitulaires.88 Ici, les mentions sont si proches qu’on ne saurait parler d’appropriation au sens strict, mais plutôt de dynamique scripturaire commune, probablement liée aux transformations des chancelleries, voire des structures sociales. Enfin, là encore, ces différentes formules (fidelibus sancte (Dei) ecclesie; cum fidelibus nostris) sont typiques de l’écriture documentaire et se rencontrent rarement hors de cette typologie scripturaire.

2.3 Une influence lombarde ? Si ces exemples permettent d’avancer l’hypothèse d’une perméabilité entre diplômes mérovingiens / carolingiens et capitulaires plus forte qu’on l’a dit généralement jusqu’ici, ils ne permettent pas de conclure à une circulation systématique. D’autres expériences statistiques sur le lexique ont donc été menées, associant cette fois les capitulaires et l’ensemble des chartes numérisées pour le haut Moyen Âge, regroupées par institution et par demi-siècle. Un tableau décomptant la présence de 21 500 bi-lemmes dans ces corpus a ainsi été généré.89 Des analyses factorielles permettent d’éclairer les proximités lexicales les plus déterminantes entre ces documents. Une première étude a ainsi été menée sur l’ensemble des actes des CEMA, quelle que soit leur provenance (fig. 8).90 Par la suite, seuls les diplômes mérovingiens, carolingiens, les actes provenant du 87 Proinde nos talia una cum fidelibus nostris iudicavimus sufficere vadium et obsidem ab ipso Dagalego suscipere, DD Kar. 63 (Charlemagne pour Sturm de Fulda, 3 novembre 771). 88 Notum igitur sit Deo placitae devotioni vestrae, quia nos una cum fidelibus nostris consideravimus utile esse, MGH Capit. 1, n° 29 (Karoli epistola de litteris colendis, 780–800). 89 En particulier grâce à la bibliothèque de fonctions « tm() » de R. La sélection de ce très grand nombre de bi-lemmes permet de ne manquer aucune relation lexicale ou presque, au sein de fonds documentaires parfois limités. 90 Pour des raisons évidentes de place, la mention des éditions diplomatiques employées est ici impossible. Nous nous bornerons donc à évoquer les institutions, fonds et corpus utilisés : Angers (cathédrale), Aniane, Autun (église, évêché, Saint-Martin), Beaulieu, Brioude, Carton des Rois, Cartulaire générale de l’Yonne, Cluny, Codice diplomatico Istriano, Codice Diplomatico Longobardo, Codice diplomatico Padovano, Conques, Crémone (évêques), Flavigny, Fulda, Gigny, Gorze, Kremsmünster, La Cava, La Novalaise, Le Mont-Cassin, Lézat, Louis le Pieux (PL), MGH (DD Arn., DD Burg., DD Kar., DD K I / H I / O I, DD K II ., DD Karls, DD LD / K n / LJ, DD Zw / L K), Montiéramey, Naples (archives), Nevers (Saint-Cyr et Sainte-Julitte), Oberösterreichisches Urkundenbuch, Pays d’Avignon, Ratisbonne (évêques), Redon, Saint-André-le-Bas de Vienne, Saint-Augustin de Canterbury, Saint-Bénigne de Dijon, Saint-Benoît-sur-Loire, Saint-Bertin de Saint-Omer, Saint­Cyprien de Poitiers, Saint-Germain d’Auxerre, Saint-Maixent, Saint-Mihiel, Saint-Philibert de Tournus, Saint-Vincent de Mâcon, San Cugat, Santa Giulia de Brescia, Santa Maria de Serrateix, Savigny, Thesaurus Diplomaticus, Vabres, Valpuesta, Württembergisches Urkundenbuch.

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Fig. 8: Chartes (en jaune: les actes provenant d’Italie; en noir: les actes provenant des autres espaces) et capitulaires (en rouge),91 comparaison systématique du lexique par demi-siècle, à partir de 21 500 bi-lemmes contenus dans les textes, par analyse factorielle. L’axe 2 oppose massivement les capitulaires et les actes italiens aux chartes provenant d’autres espaces européens.

nord et du nord-est de l’Europe, ainsi que ceux d’Italie, ont été comparés aux capitulaires (fig. 9).92 91 Le sous-ensemble « CAP.9999 » intègre la totalité des capitulaires non-datés. 92 Une méthode fréquente en analyse factorielle, appliquée ici, consiste en effet à d’abord réaliser une exploration générale des données, puis à réduire l’étude aux ensembles les plus déterminants.

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Fig. 9: Chartes (en bleu clair: les diplômes mérovingiens et carolingiens; en bleu foncé: les autres corpus du nord et nord-est de l’Europe; en jaune: les corpus italiens) et capitulaires (en rouge), comparaison systématique du lexique par demi-siècle, à partir de 21 500 bi-lemmes contenus dans les textes, par analyse factorielle. L’axe 1 oppose les corpus diplomatiques «germaniques» (diplômes et actes du nord / nord-est) aux actes d’Italie et capitulaires.

Il apparaît alors que les capitulaires possèdent plus de propriétés lexicales communes avec les actes d’Italie, et en particulier lombards, qu’avec les diplômes germaniques (fig. 8 et 9). Ainsi qu’on peut le constater, les capitulaires (en rouge) se regroupent en effet du côté des actes italiens (en jaune). Le phénomène est intéressant car dès 1995, François Bougard rappelait après François Ganshof que la forme capitulare était précoce en terre lombarde, et qu’elle apparaissait plus particulièrement en 750 dans le prologue aux lois d’Aistulf.93 93 François Bougard, La justice, p. 18 et en particulier note 5. Voir aussi les remarques p. 24–25, sur l’apport législatif des carolingiens face à la tradition lombarde. L’édition des Lois d’Aistulf est disponible dans les MGH: Friedrich Bluhme (éd.), Edictus Langobardorum, MGH LL 4, Hannover 1868, p. 194–205. Dans le texte on peut lire : previdimus enim ut, cum edictus Langobardorum antiquorum regum precessorum nostrorum fuerat

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Or, d’autres analyses, alternant quantitatif et qualitatif, confirment que les liens entre les actes lombards et les capitulaires sont plus nombreux et plus forts que ceux avec les diplômes carolingiens.94 Quelques exemples peuvent être retenus, en apparence anodins. En premier lieu, l’association des lemmes homo et liber,95 qui apparaît plus de 120 fois dans le corpus des capitulaires, dans un large IXe siècle.96 Parallèlement, il s’agit d’un syntagme que l’on retrouve plus de 950 fois dans les CEMA, dont 190 occurrences avant le XIe siècle.97 Mais si l’on exclut les mentions provenant des documents impériaux, plus de 95 % de celles-ci émanent d’Italie : Codice Diplomatico Longobardo,98 Santa Giulia et San Salva-

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institutus, paruit in eius volumine adaugeri et in capitulare affigere. Bluhme (éd.), Edictus Langobardorum, p. 195. Soulignons encore une fois la complémentarité du qualitatif et quantitatif : les analyses numériques précédentes ont ouvert la voie aux investigations qui suivent. Sans elles, nous n’aurions peut-être pas nécessairement eu l’idée de comparer méthodiquement les actes lombards et les capitulaires. Sur le problème des libres et non-libres dans le haut Moyen Âge, nous renvoyons en premier lieu à Jean-Pierre Devroey, Puissants et misérables. Système social et monde paysan dans l’Europe des Francs (VIe–IXe siècles), Bruxelles 2006, en particulier le chapitre 8, p. 265–315; Alice Rio, Slavery after Rome, 500–1100, Oxford 2017. La répartition du syntagme homo liber est toutefois différente de la séquence liber homo. Dans le premier cas, on observe 15 mentions dans le corpus, entre 803–813 et 864. Quelques exemples : Si quis homo liber peccato imminente, quod absit, patrem aut matrem, avunculum vel nepotem interfecerit, hereditatem propriam amittat. MGH Capit. 1, n° 56 (capitulaire de Charlemagne, 803–813); Ut omnis homo liber potestatem habeat, ubicumque voluerit, res suas dare pro salute animae suae. Si liber homo de furto accusatus fuerit et res proprias habuerit, in mallo ad praesentiam comitis se adhramiat; et si res non habet, fideiussores donet qui eum adhramire et in placitum adduci faciant; et encore : Et si homo liber vel ministerialis comitis hoc fecerit, honorem, qualemcumque habuerit, sive beneficium amittat; et si servus fuerit, nudus ad palum vapulet et caput eius tondeatur. MGH Capit., n° 136, c. 6, 15 et 16 (Capitula Legibus Addenda de Louis le Pieux, 818–819); Et si homo liber vel ministerialis comitis hoc fecerit, honorem, qualemcumque habuerit, sive beneficium amittat; et si servus fuerit, nudus ad palum vapulet et caput eius tondeatur; et : Quicumque liber homo denarium merum et bene pensantem recipere noluerit, bannum nostrum, id est sexaginta solidos, conponat. MGH Capit. 1, n° 183, Ansegis, IV, c. 28 et 30, etc. Pour l’ordre liber homo, ce sont donc 114 références, entre 781–810 (MGH Capit. 1, n° 99) et 903–906 (MGH Capit. 2, n° 253). Par exemple, dans MGH Capit. 1, n° 99. c. 7, 12 et 13: De liberorum hominum possibilitate : ut iuxta qualitatem proprietatis exercitare debeant. Ut per placita non fiant banniti liberi homines, excepto si aliqua proclama cio super aliquem venerit aut certe si scabinus aut iudex non fuerit; et pro hoc con demnati illi pauperiores non fiant; et encore : Ut haribannum aut aliquod coniectum pro exercitali causa comites de liberis hominibus recipere aut requirere non praesumant, excepto si de palacio nostro aut filii nostri missus veniat qui illum haribannum requirat. (Capitulare missorum Italicum de Charlemagne, 781–810). Avec respectivement 187 occurrences pour homo liber et 786 pour liber homo. À la limite de cette typologie documentaire, on trouve plusieurs mentions dans le Breve de inquisitione (20 juin 715, Sienne), CDL 19: Item Poto liber homo senex dixit : Ecce sunt anni quinquaginta et supra que de trans Pado hic me conlocaui. Item Marcus senex liber homo

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tore de Brescia,99 Sainte-Trinité de Cava,100 archives de Naples101 ou encore de Bénévent.102 La mention diplomatique la plus ancienne du syntagme apparaît d’ailleurs dans un document de Saint-Bénigne de Dijon, potentiellement du VIIe siècle. Or, celui-ci concerne des biens liés au Jura et à l’abbaye d’Agaune, toute proche de l’Italie.103 Prenons un second exemple, en apparence plus anodin encore : le syntagme unus alterum. Celui est présent dans les capitulaires, avec 7 mentions entre 807

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similiter dixit; ou encore: Item Iohannes liber homo exercitalis de uico Grecena similiter dixit. Puis: Manifestum est mihi Liutpert homo liber et filio quondam Teuderici, CDL 176 (Charta promissionis, 21 janvier 764, Lucques); et casa in Uersilia, qui regitur per Sirola massario homine liuero, CDL 178 (Charta decretionis, mars 764, Lucques); una ex ipsis casis regitur per Gaidoald liberum hominem, CDL 226 (Charta venditionis, 29 mars 769, Pavie). Ces actes sont consultables au format numérique grâce au site Codice diplomatico della Lombardia Medievale (CDLM, http://cdlm.unipv.it [consulté le 29.09.2017]). Par exemple: casale quod dicitur Ermenfrit, regentes ipsas casas per liberis hominibus, cum familiis, servos pro servis, liberos pro liberis, cum omnia et in omnibus, S. Giulia I n° 3 (acte de Didier et d’Ansia en faveur de San Salvatore de Brescia – 4 octobre 760, Pavie; voir aussi: Luigi Schiaparelli / Carlrichard Brühl, Codice Diplomatico Longobardo, volume III, Roma 1973, n° 33, p. 203–208.); alia casa in vico Febresa, quod laborare videtur Rodoaldo homo livero, S. Giulia I n° 18 (acte d’Anselperga, fille de Didier et abbesse de San Salvatore de Brescia – 25 septembre 771, Brescia; aussi: CDL II, n° 257); et de singulis liberis hominibus et pertinentibus nostris actores ipsius monasterii singulas conquisierunt tam per coparationem, donationem, commutationem et per quolibet genio potuerunt. S. Giulia I 22 (diplôme d’Adalgis de Bénévent – 11 novembre 772, Bénévent). […] ideo que ego Landulo homo liber filius quondam Ermoaldi, dans Mauro Schiani et al. (éd.), Codex Diplomaticus Cavensis, 12 volumes, Napoli 1873–2015, ici vol. 1, n° 4 (801); per anc cartulam te nominatus iohannes tota tua persona libera absoluta costituimus inter omnes liberi ominibus, Id., vol. 2, n° 225 (964); quod ipsi germani ad pastenandum ad partione datum habent petri libero homine, Id., vol. 2, n° 22 (965), etc. […] et commenditis censitis seu serbis memorati vestri monasterii et de illorum heredibus homines liberis mariti tulerint a tunc sint in memorato sancto vestro monasterio, Bartholomaei Capasso (éd.), Monumenta Neapolitani Ducatus Historiam Pertinentia, tomus secundus, pars altera, Napoli 1892, n° 5, p. 16 (confirmation pour l’église Santi Severino e Sossio de Naples, 975). […] in qua ipsi homines liberi, qui in rebus eiusdem monasterii resident et laborant, Antonio Ciaralli et al. (éd.), Le più antiche carte del Capitolo della Cattedrale di Benevento : (668–1200), Roma 2002, n° 21 (acte de Pandolf Tête de Fer et de Landolf IV de Bénévent en faveur de Saint-Loup de Bénévent – 7 octobre 980, Bénévent). […] loco nuncupato Petregio, per quod Romam petentium quondam fuit iter, et est juxta burgum Salinas vocatum, homines liberi ibidem commanentes, Georges Chevrier et Maurice Chaume (éd.), Chartes et documents de Saint-Bénigne de Dijon, tome 1, Dijon 1986, n° 11, p. 48–49 (« Notice sur les acquisitions faites par Saint-Bénigne en Séquanie sur les routes conduisant de Dijon à Agaune », possiblement du VIIe siècle – le document est en fait extrait de la Chronique de Saint-Bénigne : cf. Émile Bougaud (éd.), Chronique de l’abbaye de Saint-Bénigne de Dijon, suivie de la chronique de Saint-Pierre de Bèze, Dijon 1875, p. 31–32).

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et 854.104 Il s’agit de documents – pour ceux dont nous pouvons identifier le lieu de production – donnés à Aix ou à Worms, et non en Italie donc. Parallèlement, dans les chartes, il est possible de décompter 595 mentions d’unus alterum avant le XIIe siècle. Or, 587 de ces occurrences, soit plus de 98 %, proviennent d’Italie,105 avec des chartes de Brescia, Crémone, Velate, San Pietro  a Cerreto, Bergame, San Pietro in Monte, Pise, Lucques, mais encore, pour le sud, Cava.106 Nous avons affaire ici à un véritable marqueur italien, un lexique qualifié dans notre thèse d’« endémique ».107 Enfin, deux derniers exemples : l’association promitto ego et le lemme introeo, avec respectivement 7 et 14 occurrences dans les capi-

104 MGH Capit. 1, n° 48, 71, 136 et MGH Capit. 2, n° 192, 207 et 307. Par exemple : Et ubi inventi fuerint duo, quorum unus habeat duos mansos et alter habeat unum mansum, similiter se sociare faciant et unus alterum praeparet; et qui melius potuerit, in hostem veniat. MGH Capit. 1, n° 48 (Memoratorium de exercitu in Gallia Occidentali praeparando, début 807). 105 En premier lieu dans le Codice Diplomatico Longobardo : non habeatis potestate aliis hominibus uendendi licentia nisi inter uobis conliuertis, unus alterius, seo iste ad parentibus nostris de benefactoribus uestris superscribtis diacones. CDL 93 (Charta testamenti, 17 février ou 13 mars 748). Ou encore : ut nus in bonis operibus et ipsei eclesie Dei autilitas, unus alterius, que recte locutus fueret, nus audire uocis diueamus, faciendum adque adinplendum. CDL 138 (Charta dotis, octobre 759, Lucques). 106 Quelques exemples : eidem Didoni comiti proprietario habendum cum suis heredibus, fatiendum quod voluerint, ingressis et accessionibus earum, seo superioribus et inferioribus, cum finibus et terminibus, ut dictum est, unus alterius vicissim commutationis nomine tradiderunt. CDLM , S. Giulia I 48 (transfert d’un champ par Adalberto, évêque de Bergame, à Didon – 9 octobre 915, Bergame); unde tali ordine uno alterius per partes wadia mihi dederunt et mediatores nobis posuerunt radelgrimus filius airissi, Codex Diplomaticus Cavensis I, 121 (905); et qui de nos de hac vita discesserit, unus alterius in ipso frugio nobis succedere debeamus, ut semper ipso frugium diebus vite nostre medietatem tollamus, ut superius legitur, Codex Diplomaticus Cavensis I, 141 (923); sicut a presenti dederunt atque tradiderunt, scilicet unus alteri vicissim in commutacionis nomine. in Carlo Cipolla (éd.), Monumenta Novaliciensia vetustiora : raccolta degli atti e delle cronache riguardanti l’abbazia della Novalesa, 2 volumes, Roma 1898–1901, n° 42 (juin 955); Et spoponderunt sibi unus alteris comutatorex ipsis una cum heredibus et succesoribus suorum suprascriptis rebus quisquo dederunt inintegrum omni tempore ab omni omine defensare, CDLM , S. Maria del Monte I:6 (mars 959, Velate); cum finales discernitur et eius egresso prestando sibi unus alteri ambe partes comutacionis nomine proprietario iure tradiderunt, CDLM , Cerreto, S. Pietro 1 (acte d’Ata, abbesse de S. Salvatore et Giulia de Brescia, 31 décembre 960, Brescia); etc. 107 Nicolas Perreaux, L’écriture du monde (II). L’écriture comme facteur de régionalisation et de spiritualisation du mundus : études lexicales et sémantiques, in : Bulletin du Centre médiéval d’Auxerre 20:1 (2016), en ligne : http://cem.revues.org/14452 (consulté le 29.09.2017). Ces marqueurs géo-lexicaux demeurent peu étudiés. Pour l’Italie, voir les travaux remarquables de Paul Aebischer, Études de stratigraphie linguistique, Bern 1978. Les régionalismes sont bien entendu mieux étudiés pour les langues vernaculaires : Martin-Dietrich Glessgen / David A. Trotter (dir.), La régionalité lexicale du français au Moyen Âge, Strasbourg 2016.

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tulaires.108 Or, en diplomatique, on obtient là-encore des pourcentages énormes pour l’Italie : soit 96 % et 85 % des mentions qui proviennent de cet espace avant le XIe siècle. Ainsi, le lemme introeo apparaît dans Forma langobardica du capitulaire d’Herstal (MGH Capit. 1, n° 20, mars 779), mais pas dans la Forma communis du même document.109 S’ils doivent être pris avec une certaine prudence, ces exemples sont plus caractéristiques d’une pratique régionale, en l’occurrence italienne, que ceux présentés pour les chancelleries mérovingienne et carolingienne, car ils concernent des dizaines voire des centaines de documents diplomatiques. Comment expliquer cette proximité entre les actes lombards et les capitulaires ? Une possibilité serait bien entendu d’y voir une influence commune : les lois lombardes. La piste paraît prometteuse et doit être explorée, car certains syntagmes communs aux deux ensembles sont présents dans les édits lombards.110 Néanmoins, cette situation n’est pas systématique : certains marqueurs « lombards » présents dans les chartes et dans les capitulaires n’existent pas dans les lois lombardes. En première hypothèse, nous pencherons donc pour la présence de scribes italiens voire lombards à la cour carolingienne, d’une communauté textuelle autour des rois et des empereurs, qui aurait pu jouer un rôle dans la rédaction des capitulaires – et néanmoins pas nécessairement dans celle des diplômes. Cela expliquerait ce fond lexical commun, sur lequel nous reviendrons en conclusion.

108 Pour promitto ego : MGH Capit. 1, n° 23, c. 18 (23 mars 789); n° 161, c. 9 (novembre 824); MGH Capit. 2, n° 220 (février 876, p. 100); n° 250 (6 mars 870, p. 192); n° 279, C (21 juin – 16 juillet 876); n° 231 (1er décembre 898); n° 307 (3 août 865, p. 468). Pour introeo : MGH Capit. 1, n° 88, c. 2 (20 février 776 ou 781); n° 20, c. 8 (mars 779); n° 95, c. 10 (vers 790) n° 28, c. 16 (juin 794); n° 162 (février 825); MGH Capit. 2, n° 233, c. 25 (840, 2 occurrences); n° 293, c. 26 (845, p. 405); n° 248 (847, p. 174); n° 236, c. 25 (880, 2 occurrences, p. 140); n° 238, c. 25 (888, p. 146); n° 252 (895, p. 217). 109 MGH Capit. 20, n° 10, c. 8, Forma communis : Ut homicidas aut caeteros reos qui legibus mori debent, si ad ecclesiam confugerint, non excusentur, neque eis ibidem victus detur; Id., Forma langobardica : De homicidis et ceteris malefactoribus, qui legibus aut pro pace facienda morire debent : nemo eos ad excusationem in aecclesia sua introire permittat; et si absque voluntate pastoris ibidem introierit, tunc ipse in cuius ecclesia est nullum victum ei donet nec alio dare permittat. 110 C’est le cas du lemme introeo, des séquences unus alterum, homo liber, etc. L’établisse­ment d’une liste comparant les trois typologies documentaires (capitulaires, édits lombards, chartes / diplômes) semble nécessaire, afin d’affirmer plus fortement nos hypothèses.

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3. Spécificités lexicales et sémantiques 3.1 Stabilité et hétérogénéité des capitulaires, dynamique des diplômes La comparaison entre les chartes et les capitulaires peut toutefois aller plus loin que ces questions de rédaction, pour entrer dans le domaine de la sémantique. Ainsi, il semblait intéressant de savoir si les deux corpus évoluaient de la même façon. Afin de mesurer leur évolution respective, des analyses statistiques complémentaires ont été menées. Débutons en premier lieu par le corpus des diplômes mérovingiens et carolingiens. Pour chacun des 505 actes authentiques, les fréquences de 2 331 bi-lemmes ont été calculées, à l’aide du logiciel R.111 L’application d’une analyse factorielle à ce tableau composé de 1,17 millions de cases permet de générer une carte de l’évolution lexicale du corpus. Ces résultats (fig. 10) montrent une forte transformation du lexique des diplômes entre le VIe et la fin du IXe siècle – visible au décalage progressif des documents vers la droite. Cette modification des actes est graduelle, même si le début du IXe siècle constitue ici à des biens des égards une forme de rupture.112 Si ça n’est pas une surprise, il faut néanmoins noter que cette évolution est déterminante, puisqu’elle structure l’ensemble de la carte factorielle. Qu’en est-il pour les capitulaires ? En appliquant la même méthode au corpus (fig. 11), on constate qu’aucune évolution chronologique globale n’est décelable à partir du lexique.113 La seule opposition qui apparaît concerne la dernière tranche chronologique, après 840, au cours de laquelle les capitulaires se diversifient lexicalement.114 Cela correspond d’ailleurs à la tendance déjà notée concernant l’évolution de la richesse du lexique de ces documents, avec une diversification du vocabulaire, et donc probablement des thèmes des capitulaires après 840.115 111 Extraction grâce à la bibliothèque tm(), puis traitement grâce aux bibliothèques FactoMineR, dynGraph et ade4. 112 Cf. la légende de la figure 10. Même si l’évolution du lexique se traduit visuellement par un glissement des documents vers la droite de l’analyse, on note que la différence la plus sensible se situe entre la période avant et après 814 (ou plutôt « avant 800 » d’une part et « après 814 » d’autre part). Ces graphiques et les tableaux qui ont permis de les générer pourraient bien entendu donner à de nombreuses analyses ultérieures, en particulier dans le domaine de la détection d’actes faux ou interpolés. 113 Les cercles de confiance tracés autour des points-documents, qui contiennet le plus grand nombre possible de documents, sont ici totalement imbriqués – à l’exception donc de celui pour la dernière tranche chronologie (840–927). Cette situation indique un très fort recouvrement du lexique pour les capitulaires. 114 Visible sur l’extension des documents sur l’axe 2, à gauche. 115 Cf. notre point I, 3, en particulier la figure 5(a).

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Fig. 10: Diplômes mérovingiens et carolingiens authentiques (chaque point correspond à un diplôme). Évolution générale du lexique, à partir de l’analyse de 2 331 bi-lemmes, par analyse factorielle (axe 1–2). On constate une forte évolution du lexique entre le VIe et le début du Xe siècle, avec une rupture sensible au début du IXe siècle.

Les méthodes employées fonctionnant par ailleurs (fig. 10), il reste à déterminer les causes de cette absence de profonde évolution lexicale. Nos expériences antérieures ont en effet montré que les corpus historiques médiolatins étaient systématiquement traversés par des évolutions chronologiques franches, certes inégales, mais toujours sensibles sur plusieurs siècles.116 L’absence de transformation nette dans le corpus des capitulaires, si l’on considère son lexique de façon systématique comme c’est le cas ici, invite donc à penser que l’ensemble textuel pose certaines difficultés, en lui-même. En cela, l’analyse lexico-sémantique rejoint le jugement d’Henri Pirenne qui, dans son Histoire de l’Europe, qualifiait la collection d’«ensemble hétérogène […]».117 Trois pistes explicatives peuvent alors

116 Nicolas Perreaux, De l’accumulation à l’exploitation ? Expériences et propositions pour l’indexation et l’utilisation des bases de données diplomatiques », in : Ambrosio et al. (dir.), Digital diplomatics, p. 187–210; Id., L’écriture du monde (II). 117 Henri Pirenne, Histoire de l’Europe. Tome I, Des invasions au XVIe siècle, Bruxelles 1962, p. 53 (édition originale Paris 1936). Ce jugement du fameux historien belge, certes en accord avec nos analyses, peut aussi être lu au prisme de la genèse de la rédaction de son ouvrage : voir Geneviève Warland, L’Histoire de l’Europe de Henri Pirenne : Genèse

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Fig. 11: Capitulaires mérovingiens et carolingiens, édition Boretius / K rause (chaque point correspond à un capitulaire). Évolution générale du lexique, à partir de l’analyse de 1 084 bilemmes, par analyse factorielle (axe 1–2). Il est très difficile d’observer une évolution lexicale franche au sein du corpus.

être envisagées, qui ne sont d’ailleurs pas exclusives les unes des autres: a) soit le corpus est fortement incomplet, et de ce fait biaisé et hétérogène; b) soit il est marqué par une forme de stabilité délibérée assez remarquable, l’inertie lexicale visant alors à suggérer l’ancienneté et donc l’autorité de ces constructions118; c) soit il contient des ensembles textuels très différents, et doit donc être subdivisé en sous-corpus pour pouvoir être analysé plus efficacement. Cette dernière de l’œuvre et représentation en miroir de l’Allemagne et de la Belgique, in : Textyles. Revue des lettres belges de langue française 24 (2004), p. 38–51. Plus récemment, sur l’hétérogénéité de ces textes, voir les remarques de Steffen Patzold, Normen im Buch. Überlegungen zu Geltungsansprüchen so genannter ‹ Kapitularien ›, in : Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), p. 331–350; Id., Capitularies in the Ottonian realm, in : Early Medieval Europe 27 (2019), p. 112–132. 118 Cette possibilité induirait néanmoins que les capitulaires sont un cas quasi-unique.

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hypothèse induirait que la présence de capitula n’est pas un critère suffisant pour déterminer un corpus, du moins au plan thématique, confirmant l’intuition de certains auteurs antérieurs.119

3.2 Identifier les thématiques centrales des deux corpus Bien entendu, l’autre versant sur lequel la comparaison des diplômes et des capitulaires peut être instructive est le versant sémantique proprement dit.120 En quoi le contenu des chartes diffère-t-il, thématiquement, de celui des capitulaires ? La comparaison de la fréquence de 12 000 lemmes dans ces documents permet de faire ressortir les spécificités de chaque ensemble, et ainsi leur complémentarité.121 Ce type d’analyse permet par exemple de confirmer, à la suite de l’historiographie récente, que l’oralité n’est pas un critère convainquant pour opposer les capitulaires et les autres types documentaire, supposément plus ancrés dans la scripturalité.122 Ainsi, le verbe dico arrive quasiment au même rang 119 Voir encore récemment les remarques de Takuro Tsuda, War die Zeit Karls des Großen ‹ die eigentliche Ära der Kapitularien ›?, in : Frühmittelalterliche Studien 49 (2015), p. ­21–48, qui nuance la catégorie de « capitulaire », en tant que corpus homogène. 120 La sémantique historique est l’un des domaines les plus prometteurs de la médiévistique. Les travaux, encore peu nombreux, montrent l’immense richesse que l’on peut attendre de ce côté. Un article très suggestif : Alain Guerreau, Le champ sémantique de l’espace dans la vita de saint Maieul (Cluny, début du XIe siècle), in : Journal des Savants (1997), p. 363–419. 121 La méthode employée consiste en premier lieu à établir une liste de tous les lemmes au sein des deux corpus, puis de compter la présence de ces derniers dans chaque typologie documentaire. En classant ces lemmes par rang d’importance dans les deux ensembles, on fait ensuite ressortir ceux qui sont sur- ou sous-représentés (en sachant que le rang 1 correspond au lemme le plus fréquent du corpus). Bien entendu, plus haut l’on se situe dans le classement (en partant du rang 1), plus les différences sont significatives : une variation de 20 rangs dans le début du classement est structurante, tandis qu’elle ne l’est pas en fin, où les rangs se jouent à quelques occurrences seulement (cf. les notes suivantes). Une possibilité d’analyse complémentaire consiste alors à convertir les fréquences en indices, par exemple en utilisant la pondération TF-IDF (term frequency-inverse document frequency). Les observations qui suivent résultent en partie de l’analyse de ces indices pondérés (rangs et TF-IDF). 122 Par exemple : McKitterick, The Carolingians, p. 23–76; Janet Nelson, The voice of Charlemagne, in : Richard Gameson / Henrietta Leyser (dir.), Belief and Culture in the Middle Ages : Studies presented to Henry Mayr-Harting, Oxford 2001; Kikuchi, Carolingian capitularies; Martin Gravel, Du rôle des missi impériaux dans la supervision de la vie chrétienne. Témoignage d’une collection de capitulaires du début du IXe siècle, in : Memini 11 (2007), p. 99–130. Plus généralement, sur la non-opposition entre oral et écrit, voir Matthew Innes, Memory, Orality and Literacy in an Early Medieval Society, in : Past & Present 158 (1998), p. 3–36. Le point de vue inverse avait initialement été défendu par François Louis Ganshof, dans Id., Recherches sur les capitulaires; Id., Charlemagne et l’usage de l’écrit en matière administrative, in : Le Moyen Âge 57 (1951), p. 1–25.

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dans les capitulaires et les diplômes.123 Il en va de même pour audio124 ou encore pour vox,125 en dépit d’une importance légèrement plus grande dans les capitulaires. Plus surprenant en revanche est la nette surreprésentation du champ sémantique du pouvoir et de l’autorité dans les diplômes, face aux capitulaires. Ainsi, proportionnellement, dominus, potestas, rex, imperator, imperium et même auctoritas ou feodum sont beaucoup plus présents dans les textes diplomatiques.126 Dans ce champ, seul regnum se répartit équitablement entre les deux types documentaires,127 avec toutefois une évolution chronologique divergente, nous y reviendrons. Ce second point montre que, pour les capitulaires, le champ sémantique du pouvoir n’est sans doute pas la thématique la plus déterminante. De la même façon, la plupart des termes relatifs à l’organisation spatio-temporelle sont sous représentés dans les capitulaires. C’est bien entendu le cas de terra ou aqua, mais aussi de villa, mansus, locus, pagus, ager, fluvius, farinarius / farinaria, edificium, basilica, appendicia, subter et civitas.128 Parallèlement, les lemmes palatium et plus nettement encore monasterium (ainsi que monachus, monasteriolum, cella, cenobium et abbas), sont privilégiés dans les diplômes.129 Cellula, 123 Respectivement aux rangs 56 (capitulaires) et 58 (diplômes), pour 760 et 565 occurrences. Au total, nous avons pu classer le vocabulaire des capitulaires selon 350 rangs (de 15 182 à 0 occurrences) et celui des diplômes selon 421 (de 32 726 à 0 occurrences). Pour les notes qui suivent, il s’agit ainsi de prendre en compte que le rang 350 des diplômes correspond à 71 occurrences. 124 Avec un score de 196 occurrences (167e rang) dans les capitulaires, et 288 occurrences (187e rang) dans les diplômes. Si la balance penche ici légèrement en faveur des capitulaires, l’écart entre les deux classements n’est pas déterminant. En effet, au-delà d’un certain nombre de rangs, on peut penser que la significativité des différences diminue fortement. 125 Avec un score de 48 occurrences (302e rang) dans les capitulaires, et 19 occurrences (402e rang) dans les diplômes. Là encore la faveur penche légèrement du côté des capitulaires, mais dans des proportions faibles. 126 Les chiffres sont ici donnés selon la présentation suivante : « capitulaires : occurrences »/ « capitulaires : rangs » | « diplômes : occurrences » / « diplômes : rangs ». Soit dominus : 851/43 | 2 559/21; potestas : 365/98 | 711/82; rex : 689/54 | 1984/27; imperator : 276/127 | 1 053/53; imperium : 126/226 | 683/86; auctoritas : 403/91 | 1 635/34; feodum : 1/349  | 15/406. 127 Regnum : 784/49 | 1 194/46. 128 Terra : 180/178 | 633/96; aqua : 57/293 | 556/104; villa : 144/209 | 1 353/39; mansus : 82/268 | 422/139; locus : 636/58 | 2 097/25; pagus : 51/299 | 646/95; ager : 21/329 | 131/292; fluvius : 12/338 | 311/174; farinarius : 1/349 | 20/401; edificium : 14/336 | 164/266; basilica : 20/330 | 177/255; appendicia : 2/348 |278/194; subter : 3/347 | 267/199; civitas : 212/160 | 395/145. On note toutefois la plus grande importance de parochia dans les capitulaires : 214/159 | 43/378. Il ne s’agit là que de quelques exemples. 129 Palatio : 83/267 | 440/133; monasterium : 399/93 | 2 203/24; monasteriolum : 2/348 | 66: 355; monachus : 224/151 | 662/90; cella : 5/345 | 148/279; cenobium : 6/344 | 226/225; abbas : 335/105 | 1 632/35.

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molendinum, regressus,130 curtile mais encore locellus semblent par ailleurs être absents du corpus des capitulaires.131 Ainsi, tout un système relatif aux lieux et la spatialité est soit inexistant dans les capitulaires, soit plus rare dans ces derniers que dans les diplômes. Il en va par ailleurs de même pour la dimension temporelle : tempus, annus, perenniter, perennis, perpetualiter, calende, anniversarius, hodiernus, etc., sont nettement plus présents dans les diplômes.132 À cela s’ajoute le vocabulaire (ici sémantiquement proche)  relatif à l’ancrage et à la fixation : stabilitas, stabilis, stabilio, stabiliter, etc.133 En revanche, d’autres lemmes sont nettement surreprésentés dans les capitulaires. C’est le cas de nombreux termes relatifs à des personnages et au statut social : episcopus, comes, laicus, homo, mais encore presbyter, sacerdos, populus, ecclesiasticus, ministerium, clericus, servus, pauper, etc.134 Cette liste exclut pourtant les termes relatifs aux abbayes, qui sont proportionnellement majoritaires dans les diplômes, ainsi que nous l’avons dit plus haut. Or, la sureprésentation des évêques n’est certainement pas anodine : parmi le vocabulaire spatial, un des seuls termes clés n’étant pas majoritaire dans les diplômes, mais dans les capitulaires, est parochia.135 D’autres champs apparaissent comme centraux : celui de la justice et des fautes (lex, justitia, justus, penitentia, rapina, latro, peniteo, flagello, crimen, raptus, homicida, homicidium, rapio, juramentum, pax, etc.),136 mais encore celui de la morale et des péchés (avaritia, turpis, usura, depredatio, incestuosus, confessio, peccatum, inhonestus, indignatio, inimicitia,

130 Dans les formules dites de pertinence, par exemple : terris cultis et incultis silvis pratis pascuis aquis aquarumve decursibus molendinis exitibus et regressibus, DD Loth I 46 (acte de Lothaire pour Saint-Arnould de Metz, 13 août 840, Mainz). 131 Cellula : 0/350 | 114/308; molendinum : 0/350 | 114/308; regressus : 0/350 | 44/377; curtile : 0/350; 17/404; locellus : 0/350 | 25/396, etc. 132 Tempus : 531/68 | 1696/32; annus : 434/84 | 1 205/43; perenniter : 2/348 | 104/318; perennis : 3/347 | 61/360; perpetualiter : 6/344 | 163/267; calende : 34/316 | 344/156; anniversarius : 1/349 | 8/413; hodiernus : 1/349 | 42/379. 133 Stabilitas : 24/326 | 347/155; stabilis : 8/342 | 131/292; stabilio : 11/339 | 48/373; stabiliter : 1/349 | 14/407. 134 Episcopus : 1997/19 | 1084/50; comes : 826/46 | 571/101; laicus : 187/179 | 9/414; homo : 945/36 | 843/68; presbyter : 586/64 | 66/355; sacerdos : 391/94 | 175/257; populus : 511/74 | 95/327; ecclesiasticus : 419/87 | 78/343; ministerium : 329/107 | 42/379; clericus : 328/108 | 61/360; seruus : 320/111 | 509/116; pauper : 223/152 | 154/273. 135 Parochia : 214/159 | 43/378. 136 Lex : 679/55 | 193/241; justitia : 523/71 | 127/296; justus : 252/138 | 495/122; penitentia : 276/127 | 2/419; rapina : 75/275 | 1/420; latro : 147/207 | 2/419; peniteo : 73/277 | 2/419; flagello : 33/317 | 1/420; crimen : 116/236 | 4/417; raptus : 26/324 | 1/420; homicida : 37/313 | 2/419; homicidium : 110/242 | 6/415; rapio : 88/262 | 5/416; juramentum : 61/289 | 4/417; pax : 335/105 | 61/360. D’autres termes relatifs à ce champ sont même absents des diplômes : jurator : 33/317 | 0/421; heresis : 19/331 | 0/421; faidus : 15/335 | 0/421; reprehendo : 13/337 | 0/421; contumax : 12/338 | 0/421; faida : 12/338 | 0/421, etc.

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diabolus, etc.).137 Se distinguent aussi les termes relatifs à la parenté, semble-t-il plus présents dans les capitulaires (filius, frater, pater, mulier, matrimonium, maritus, etc.).138 Il se dessine ainsi un champ sémantique très cohérent, et surtout très complémentaire de celui des textes diplomatiques. Ainsi, les diplômes insistent, en toute logique, sur l’organisation spatio-temporelle, les institutions monastiques et la domination, tandis que les capitulaires entendent stabiliser l’ordre social, la hiérarchie, la morale et la parenté. Ces différents éléments pourraient renforcer l’idée selon laquelle les deux types documentaires étaient employés comme des moyens de gouvernement et de gestion dont l’échelle et donc le fonctionnement étaient différents, mais néanmoins complémentaires. Ces variabilités sémantiques pourraient en outre expliquer les chronologies divergentes des deux corpus, évoquées dans la première partie de l’article. En effet, si les diplômes permettent de renforcer l’ancrage spatio-temporel et les capitulaires le fonctionnement social par l’édiction de normes idéologiques, on comprend mieux pourquoi ces derniers secondent et non précèdent les diplômes au cours d’un règne.

3.3 Regnum : chronologies et sémantiques comparées Pour finir, il est possible d’évoquer deux méthodes permettant d’aller plus loin en matière de comparaisons textuelles. L’analyse de l’évolution chronologique en est une première. Il est aujourd’hui en effet possible de diviser automatiquement les corpus en tranches chronologiques contenant un nombre de mots équivalents.139 Cette méthode permet ainsi de mesurer les évolutions des mentions d’un lemme, et non l’évolution de la production documentaire elle-même, de façon beaucoup plus juste et fiable qu’avec des pourcentages.140 137 Avaritia : 49/301 | 1/420; turpis : 37/313 | 1/420; usura : 37/313 | 1/420; depredatio : 37/313 | 1/420; incestuosus : 23/327 | 1/420; confessio : 43/307 | 2/419; peccatum : 151/203 | 8/413; inhonestus : 16/334 | 1/420; indignatio : 14/336 | 1/420; inimicitia : 14/336 | 1/420; diabolus : 53/297 | 4/417, etc. Là encore, divers termes n’apparaissent que dans les capitulaires, par exemple : adulterium : 45/305 | 0/421; fornicatio : 34/316 | 0/421; sacrilegium : 29/321 | 0/421; conspiratio : 28/322 | 0/421; malitia : 27/323 | 0/421; ebrietas : 25/325 | 0/421; penitens : 25/325 | 0/421; scandalum : 24/326 | 0/421; adultero : 18/332 | 0/421; incestus : 17/333 | 0/421; incestum : 14/336 | 0/421; maleficus : 18/334 | 0/421; adulter : 20/337 | 0/421; immunditia : 11/339 | 0/421; libido : 11/339 | 0/421; dehonesto : 10/340 | 0/421, etc. On remarquera que nombre de ces termes évoquent en fait la rupture de l’ordre social et de la caritas. 138 Filius : 411/88 | 332/160; frater : 358/99 | 514/113; pater : 318/113 | 257/204; mulier : 121/231 | 9/412; matrimonium : 22/328 | 1/420; maritus : 39/311 | 2/419. 139 Grâce à la bibliothèque de fonctions Cooc (cf. note 44). 140 La difficulté de l’opération consiste en effet à comparer la fréquence de mentions, au sein d’ensembles textuels dont la répartition chronologique est très différente. Afin de comparer réellement l’évolution des occurrences, et non celui des corpus, une solution consiste

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Fig. 12: Évolution chronologique des mentions de regnum dans les capitulaires (à gauche) et les diplômes (à droite), VIIIe–Xe siècle. Comptage par tranche de 17 7000 mots (environ).

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L’exemple de regnum, également représenté dans les deux types documentaires, mais dont la chronologie des mentions y diffère fortement, est ici éloquent.141 Le lemme est en effet très présent dans les diplômes tout au long du VIIIe siècle,142 avec un regain de mentions vers 860–870. Le terme est en revanche faible au VIIIe siècle dans les capitulaires, et ne s’affirme nettement qu’entre 850 et 880, supplantant alors même les diplômes en termes fréquentiels. Tout se passe donc comme si un second type documentaire, les capitulaires, prenait le rôle du premier, les diplômes, en matière d’affirmation du regnum, et cela dès la fin du VIIIe siècle. Cette observation simple plaide elle aussi pour une réarticulation plus nette des deux types documentaires, et pour leur compréhension simultanée par les médiévistes. Le second type de méthode qui peut être mis en avant concerne la visualisation des champs sémantiques.143 Ces figures permettent de mesurer, à partir des

à diviser ces derniers en tranches contenant un nombre de mots égaux. Initialement, le corpus des capitulaires compte 337 026 mots, contre 212 444 pour celui des diplômes authentiques. Il s’agit donc de diviser ces ensembles d’une part en 19 (pour les capitulaires) et 12 tranches (pour les diplômes). On obtient ainsi des tranches chronologiques composées de respectivement 17 738 et 17 703 mots – soit deux effectifs très proches, et donc comparables. Le défaut de cette méthode est évident : sans opération complémentaire, elle implique de comparer des chronologies légèrement décalées (cf. fig. 12), les tranches ne recouvrant pas les mêmes périodes. 141 Sur le concept de regnum, la bibliographie est extrêmement abondante, les discus­sions historiographiques vives. Nous renvoyons à Johannes Fried, Gens und regnum. Wahr­ nehmungs- und Deutungskategorien politischen Wandels im früheren Mittelalter. Bemerkungen zur doppelten Theoriebindung des Historikers, in: Jürgen Miethke / ​ Klaus Schreiner (dir.), Sozialer Wandel im Mittelalter. Wahrnehmungsformen, Erklä­ rungsmuster, Regelungsmechanismen, Sigmaringen 1994, p. 73–104; Id., Um 900. Warum es das Reich der Franken nicht gegeben hat, in: Bernhard Jussen (dir.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, p. 83–89; Hans-Werner Goetz, Regnum: Zum politischen Denken der Karolingerzeit, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 104 (1987), p. 110–189; Id., Die Wahrnehmung von ‹Staat› und ‹Herrschaft› im frühen Mittelalter, in: Stuart Airlie et al. (dir.), Staat im frühen Mittelalter, Wien 2006, p. 39–58; Bernhard Jussen (dir.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005; Walter Pohl, Staat und Herrschaft im Frühmittelalter: Überlegungen zum Forschungsstand, in: Stuart Airlie et al. (dir.), Staat im frühen Mittelalter, Wien 2006, p. 9–38; Bernhard Jussen, ‹Reich› – ‹Staat› – ‹Kirche›? Worüber verhandelten die Päpste mit den fränkischen Herrschern?, in: Norbert Zimmermann et al. (dir.), Die Päpste und Rom zwischen Spätantike und Mittelalter. Formen päpstlicher Machtentfaltung, Regensburg 2017, p. 271–286. 142 Avec un pic de mentions dans la seconde moitié de ce siècle. 143 La visualisation / modélisation des champs sémantiques est un domaine où beaucoup reste à faire, en particulier dans le champ si particulier du médiolatin. Si de nombreuses méthodes existent déjà, beaucoup restent à inventer  – l’équipe du projet HSCM de Francfort en développe d’ailleurs actuellement de nouvelles. Ici, nous avons retenu une

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Fig. 13: Champ sémantique de regnum, dans les capitulaires (à gauche) et les diplômes (à droite). Figures réalisées grâce aux bibliothèques RCQP, wordspace et Cooc de R, asssociées à CWB. On constate que les structures obtenues sont très différentes, et donc sémantiquement complémentaires.

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principaux cooccurrents, combien les diplômes et les capitulaires apparaissent comme complémentaires et doivent être de ce fait considérés simultanément. L’exemple du lemme regnum sera encore retenu. Dans les diplômes (fig. 13, à droite), celui-ci est fortement lié au temps, et deux blocs sémantiques apparaissent distinctement : d’une part les mois (entourés à gauche sur la figure), d’autre part les ides, les calendes, mais aussi le Christ, l’Incarnation, etc. Tous les médiévistes savent qu’en diplomatique regnum apparaît dans les formules de datation. Mais par ailleurs, le champ sémantique autour du terme est beaucoup plus complexe, voire éclaté, dans les capitulaires (fig. 13, à gauche). Il offre une vue complémentaire sur cette question intimement liée à la domination des souverains mérovingiens et carolingiens, avec des termes comme fidelis, honor, status, soliditas, populus, imperium, etc.

Éléments conclusifs Peu abordée de façon systématique, la comparaison des capitulaires et des chartes s’est révélée beaucoup plus riche que prévue. L’analyse de la chronologie respective des deux corpus, de leurs contenus lexicaux (formules et lemmes), mais encore de leurs sémantiques, montrent de nombreuses circulations d’un genre à l’autre, mais aussi des relations de complémentarité, fondées sur les échelles d’actions très différentes de ces documents. Ces éléments incitent à reconsidérer l’articulation entre les deux types textuels, en tant qu’outils de domi­ nation, de reproduction culturelle et idéologique.144 Nous avons ainsi pu en premier lieu constater que lors des périodes mérovingienne et carolingienne, les répartitions chronologiques respectives de ces documents se complétaient souvent, l’une chassant l’autre. Ainsi, les périodes où les diplômes furent produits en nombre paraissent aussi être celles où les capitulaires furent plus rares, et vice-versa. Parallèlement, l’examen de l’évolution de la richesse lexicale des deux corpus a permis de montrer des tendances communes, à travers un enrichissement progressif des corpus très similaires, mais aussi une variété de vocables comparable d’un genre à l’autre – tandis qu’elle se révèle différente, par exemple, dans l’hagiographie. De là, nous avons pu envisager la question des circulations linguistiques dans les deux typologies textuelles, à partir d’éléments isolés (lemmes, bi-lemmes, méthode développée par Stefan Evert, adaptée à CWB grâce à la bibliothèque Cooc (Alain Guerreau). Voir Evert Stefan, Distributional semantics in R with the wordspace package, in : Proceedings of COLING 2014, the 25th International Conference on Computational Linguistics : System Demonstrations, Dublin 2014, p. 110–114. 144 Anita Guerreau-Jalabert, Renaissance carolingienne, p. 9–10.

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tri-lemmes), mais aussi grâce à des traitements systématiques du vocabulaire. Ces observations ont permis de montrer qu’une partie du vocabulaire ou des formules communes aux chartes et aux capitulaires était absente ou rare dans les autres typologies documentaires (en particulier narratives). Ces indices donnent à penser sur l’existence de relations privilégiées entre les capitulaires et les actes diplomatiques, qui relèvent de fait tous deux de l’écriture documentaire. Poursuivant ces expériences par des analyses régionales, il a été possible de montrer l’existence de liens entre les capitulaires et les actes lombards. Ces relations suggèrent soit l’existence de références communes (en particulier les lois lombardes), soit la présence de scribes lombards à la cour royale ou impériale, ayant pris part à la rédaction des capitulaires.145 Ces différents éléments évoquent ainsi des relations intenses et complexes entre les deux types documentaires, qu’il conviendrait de reconsidérer plus en profondeur. En particulier, une enquête sur les liens entre les actes anglo-saxons et les capitulaires pourrait se révéler fructueuse, si l’on garde à l’esprit le rôle qu’a pu jouer le monde d’outre-Manche dans le creuset carolingien. Cependant, l’étude systématique du lexique  a aussi montré les limites très sensibles du corpus des capitulaires. Alors que le vocabulaire et les formules contenus dans les diplômes connaissent une évolution nette, suivant une tendance chronologique, il n’a pas été possible de déceler cette transformation temporelle dans les capitulaires. Cette observation étonnante invite à reconsidérer rapidement le corpus en tant que tel, afin de le définir : la non-évolution lexicale incite à conclure en première hypothèse à l’hétérogénéité du corpus exploré, qui expliquerait fort bien cette absence de transformation. La question serait ainsi de savoir si l’organisation d’un texte en capitula constitue une catégorie documentaire au sens fort, ou seulement un mode de formalisation médiéval peu spécifique.146 Toutefois, il n’est pas absolument impossible que cette stabilité lexicale soit aussi partiellement imputable au fait que les capitulaires avaient pour fonction de maintenir, de reproduire et de légitimer l’ordre social, tandis que les diplômes posaient des actions nouvelles.147

145 Ce qui pose bien entendu d’autres questions et invitent à des cherches ultérieures : dans ce cas, pourquoi les diplômes sont-ils moins marqués par cette potentielle influence lombarde ? Y avait-il une chancellerie distincte pour les diplômes et les capitulaires ? Remarquons-nous là l’impact des diplômes rédigés par les destinataires, et de ce fait produits (au moins en partie) en dehors de la cour ? 146 Les outils numériques permettraient sans doute, là encore, de mieux comprendre la structure du corpus. Une extraction systématique des thèmes clés, à partir des lemmes, ferait en effet apparaître les groupes documentaires présents dans la typologie « capitulaire ». Une réflexion pourrait alors être menée sur la cohérence lexicale de l’ensemble. 147 Les deux hypothèses (hétérogénéité du corpus / corpus fondé sur une rhétorique de la stabilité) ne sont en outre pas exclusives et pourraient se compléter.

Langue des capitulaires et langue des chartes  

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Enfin, l’analyse du contenu sémantique des corpus a permis d’aller plus loin. L’extraction des thèmes clés des deux ensembles montre que les diplômes privilégient des champs sémantiques relatifs au pouvoir, à l’organisation spatiale et temporelle, aux bâtiments et au monde monastique. En contrepartie, les capitulaires focalisent sur l’ordre, la morale, la hiérarchie, certaines relations de parenté et les évêques. Il ressort ainsi de cette analyse globale une forte complémentarité des thèmes abordés. En rapprochant ces données avec la chronologie documentaire dégagée pour les deux ensembles, on comprend mieux la nature de leur articulation : les diplômes, abondamment employés dans certaines phases chronologiques permettent d’ancrer spatialement le pouvoir du roi et de ses réseaux élitaires,148 à travers des lieux et des bâtiments, tout en affirmant le caractère temporellement cohérent de cet ancrage (rapport à la lignée royale, au passé, au futur et à l’éternité). Les capitulaires donnent quant à eux le ton idéologique d’une hiérarchie sociale fondée sur l’ordre et les statuts,149 en précisant la nature des relations justes, l’ordre de la justitia et de la caritas, qu’il convient de ne pas enfreindre en commettant des actes peccamineux. Venant souvent dans un second temps, ces documents constituent une couche idéologique, qui venait se greffer sur l’ordre spatio-temporel déterminé par les choses, les personnes et les lieux évoqués dans les diplômes. Ces dernières considérations permettent enfin, peut-être, de réévaluer une question lancinante des études sur les capitulaires : celle de leur disparition lente mais certaine, au cours du Xe siècle. Si les deux types documentaires relèvent de deux logiques, de deux échelles, de deux sémantiques différentes – d’une part l’ancrage spatio-temporel, d’autre part un cadre idéologique fondé sur certains statuts et certaines constructions hiérarchiques –, on pourrait envisager cette disparition comme un effet secondaire de la reconfiguration du système médiéval sur des échelles régionales ou locales au cours de ce siècle. Les moines, surreprésentés dans les chartes, prirent alors un ascendant considérable sur la société, devenant un modèle pour celle-ci dans son ensemble.150 L’ancrage devait alors se faire avant tout à ce niveau local, alors que les phénomènes liés à l­ ’encellulement s’intensifiaient (inecclesiamento, incastellamento, émergence lente des topolignées, et plus généralement regroupement spatial et idéologique des popula-

148 François Bougard / Geneviève Bührer-Thierry / Régine Le Jan, Les élites du haut Moyen Âge : identités, stratégies, mobilité, in : Annales 68 (2013), p. 1079–1112. 149 Dominique Iogna-Prat / François Bougard / Régine Le Jan (dir.), Hiérarchie et stratification sociale dans l’Occident médiéval 400–1100, Turnhout 2008. 150 Isabelle Rosé, Les origines de Cluny, le Cluny des origines. Réflexions sur la construction d’une domination monastique au premier âge féodal, in : Dominique Iogna-Prat / Michel Lauwers / Florian Mazel / Isabelle Rosé (dir.), Cluny. Les moines et la société au premier âge féodal, Rennes 2013, p. 35–51.

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tions).151 Se peut-il que cette reconfiguration du système, dont la pleine efficacité tenait alors à l’ancrage spatial et à la fixation des populations, rendait les outils de gouvernement à grande échelle très largement obsolètes ? C’est cette hypothèse explicative que semble en tout cas soutenir le faisceau d’indices ici regroupé.

151 Pierre Toubert, Les structures du Latium médiéval. Le Latium méridional et la Sabine du IXe siècle à la fin du XIIe siècle, Paris, 1973; Robert Fossier, Enfance de l’Europe : Xe–XIIe siècles, aspects économiques et sociaux, 2 vol., Paris 1982; Michel Lauwers, Naissance du cimetière : lieux sacrés et terre des morts dans l’Occident médiéval, Paris 2005 (l’inecclesiamento est toutefois un concept sensiblement différent, puisqu’il se positionne sur le temps long de l’Europe médiévale, subsumant l’encellulement de Robert Fossier sans s’y limiter – mais en laissant aussi volontairement en dehors certaines de ses composantes); Anita Guerreau-Jalabert, La Parenté dans l’Europe médiévale et moderne : à propos d’une synthèse récente, in : L’Homme 29 (1989), p. 69–93.

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Die moralische Sprache der Predigten und der Kapitularien

1. Einleitung Wenn das Thema auf moralische Sprache kommt, dann sind Predigten die erste Quelle, die zu untersuchen ist. Keine andere Textsorte vermittelt so unmittelbar moralische Imperative an einen ausgewählten Kreis von Hörern oder Lesern wie die Predigt. Für Augustinus von Hippo war das Ziel einer Predigt, jeden Einzelnen zu ermutigen, »dass ein guter Lebenswandel geliebt und ein schlechter vermieden wird«.1 Deshalb thematisierte er die irdische Existenz als die Verpflichtung zu einem moralischen Leben, zu einer Pilgerschaft zu Glück und Frieden im Rahmen des christlichen Glaubens. Da dem Bischof von Hippo die Fehlbarkeit und Unvollkommenheit des Menschen bewusst war, strebte er in seinen Predigten stets danach, das moralische Fundament seiner Hörer zu verbessern, indem er sie mit verschiedenen Argumenten und unter Anwendung unterschiedlicher rhetorischer Elemente zu überzeugen trachtete. Das »moralische Rüstzeug«, das er dazu nutzte, konnte dabei durchaus variieren, musste der Prediger doch auf sehr unterschiedliche Ereignisse und Themen im Laufe der Zeit eingehen.2 Wie jeder andere Bischof trug Augustinus Sorge, sein Kirchenvolk als Gruppe zusammen zu halten und im besten Fall zu stärken. Aufforderungen zur Nächstenliebe, zum Frieden und korrekten moralischen Verhalten gegenüber anderen dürfen daher in keiner Predigt fehlen, wobei der Prediger selbst als leuchtendes Vorbild vorangehen sollte.3 Die in der Predigt entworfene Moral war aber nicht nur allein für die Stiftung von einzelnen Kirchengemeinden gedacht. Um 410 betonte der Bischof von Hippo in mehreren Briefen die bedeutsame Rolle der Predigten für die gesamte res publica. In einem Schreiben an Nectarius bezeichnet er die christlichen Kirchen, »die sich nun überall in der Welt vervielfachen« als »heilige Hörsäle« (sancta auditoria), in denen die Sitten (mores) gelehrt und 1 Augustinus von Hippo, De doctrina christiana IV, 144, hg. von William MacAllen Green, CSEL 80, Wien 1963, S. 163: …ut bona morum diligantur vel devitentur mala … Ich danke Richard Corradini für Kommentare zum Text. 2 Peter Brown, Religion and Society in the Ages of Saint Augustine, London 1972, S. 262: »Moral equipment« mit Bezug auf Lucien Febvre’s »outillage moral«. 3 Augustinus von Hippo, De doctrina christiana IV, 151–153, S. 165 f.

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gelernt werden (docentur atque discuntur).4 Die römischen virtutes bestanden weiterhin. Gegenüber Marcellinus räumt er Bedenken aus, dass die christliche Predigt nicht mit den Rechten und Pflichten eines römischen Bürgers konform sei und führt sogar den Beweis, dass die durch die Predigt gestiftete concordia weitaus stabiler und beständiger sei, als sie es zu den Zeiten war, als Rom die heidnischen Götter verehrte.5 Der Zusammenhang zwischen dem in der res publica herrschenden Recht und dem was christlich als rechtens empfunden wurde, war für Augustinus und seine Zeitgenossen ebenso ein Thema, wie die Bedeutung der Predigt für den sozialen Zusammenhalt innerhalb eines Staates. Obwohl oder gerade weil der soziale Zusammenhalt auf unterschiedlichen Ebenen durch verschiedene Anlässe und soziale Veränderungen bedroht war, hatten die meisten Predigten aus dieser Zeit ein Potential für die Festigung von Gruppenbindungen, das von nachfolgenden Generationen genutzt werden konnte. Vor allem Karl der Große, der sich unterschiedlicher Herausforderungen stellen musste, zeigte für diesen Aspekt Interesse. Er versuchte die Predigtleistung der Bischöfe und von Priestern in seinem Reich zu stärken. Das längste Kapitel der Admonitio generalis von 789 wurde daher dem Thema der Predigt gewidmet. Den Ratgebern am Hof des fränkischen Königs, allen voran dem Angelsachsen Alkuin, war außerdem die Ähnlichkeit zwischen geistlicher praedicatio und königlicher admonitio bewusst.6 Denn ähnlich wie die Kapitularien unterbreiteten Predigten Verhaltensnormen für verschiedene Gruppen und versuchten wie normative Texte einen sozialen Zusammenhalt herzustellen. Mit dem sog. »Großen programmatischen Kapitular« von 802 konzentrierte er sich dann sogar mehr auf moralische Aspekte des politischen Zusammenlebens als auf spezifische Rechtsfälle. Predigten und Kapitularien teilten immer mehr gemeinsame Elemente einer moralischen Sprache. In den folgenden Seiten werden verschiedene Aspekte dieses Zusammenspiels von Predigten und Kapitularien untersucht: die gemeinsame Überlieferung in den Handschriften, thematische Überschneidungen und die mündliche Vermittlung.

4 Augustinus von Hippo, Epistola 91, 3, hg. von Alois Goldbacher, CSEL 34/2, Wien 1898, S. 429. Vgl. dazu auch Peter Brown, Augustine of Hippo. A Biography. Forty-Fifth Anniversary Edition, Berkeley 2000, S. 295. 5 Augustinus von Hippo, Epistola 138, 9–10, hg. von Alois Goldbacher, CSEL 44, Wien 1904, S. 133–136. 6 Thomas Martin Buck, Admonitio und Praedicatio. Zur religiös-pastoralen Dimension von Kapitularien und kapitulariennahen Texten (507–814), Frankfurt 1997.

Die moralische Sprache der Predigten und der Kapitularien 

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2. Gemeinsame handschriftliche Überlieferung Tausende von Predigten aus der Spätantike überdauerten die Jahrhunderte, wurden durch Texte weiterer Autoren, wie von Gregor dem Großen und Beda venerabilis ergänzt und vermittelten damit sehr unterschiedliche moralische Argumente, wenngleich sie letztlich alle auf den(selben) biblischen Erzählungen fußen. Diese textuellen Hinterlassenschaften bildeten die Grundlage für jene Hofkreise, an der Spitze Alkuin, die mit der Admonitio generalis für die karolingerzeitliche Predigt neue Maßstäbe setzten. Sie taten dies auf zweifache Weise. Einerseits wurde dem Thema der Predigt in diesem Text sehr viel Platz eingeräumt, indem der Klerus zur regelmäßigen Predigt aufgefordert wurde.7 Andererseits fand mit der Admonitio generalis die Bibel Eingang in die Kapitularien8 und damit auch jene Passagen, die in den Predigten der Kirchenväter Ausgangspunkt für moralisierende Mahnungen waren. Die Predigtaufforderung der Admonitio generalis betraf zunächst die Vermittlung des Glaubensbekenntnisses (symbolum) und des Vaterunsers.9 Dann sollten moralische Aspekte thematisiert werden, also »Unzucht, Unlauterkeit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindseligkeit, Streit, Eifersucht, Groll, Zorn, Zank, Entzweiungen, Häresien, Spaltungen, Neid, Totschlag, Trinksucht, Schwelgerei und dergleichen.«10 Davor schon wurde den Predigern aufgetragen, über das große Übel des Hasses und des Neids zu predigen, oder auch über Habsucht und Gier, die Wurzel allen Übels.11 Tatsächlich finden sich Predigten über das Vaterunser und das Glaubens­ bekenntnis gemeinsam mit Kapitularientexten in den Handschriften früh überliefert. Die Handschrift Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Helmstedt 496a, um 800 aus Fulda, überliefert die Admonitio Generalis mit Pseudo-Augustinus, Sermo 242,12 Augustinus, Sermo 212, 2,13 Pseudo-Augustinus, Sermo 24114 und Augustinus, Sermo 59,15 die alle das Glaubensbekenntnis thematisieren.16 Ähn7 Admonitio generalis c. 80, hg. von Hubert Mordek u. a., MGH Fontes iuris 16, Hannover 2012, S. 234–239. 8 Wilfried Hartmann, Die karolingische Reform und die Bibel, in: Annuarium Historiae Conciliorum 18 (1986) S. 58–74, bes. 60 f. 9 Admonitio generalis c. 80, S. 234–237. 10 Admonitio generalis c. 80, S. 236 f. 11 Admonitio generalis c. 65, S. 218 f. 12 Pseudo-Augustinus, Sermo 242, Migne PL 39, Sp. 2191–2193. 13 Augustinus, Sermo 212, 2, hg. von Suzanne Poque, SC 116, Paris 1966, S. 183 f. 14 Pseudo-Agustinus, Sermo 241, Migne PL 39, Sp. 2190 f. 15 Augustinus, Sermo 59, S. 186–198. 16 Vgl. Glatthaar, Einleitung, in: Die Admonitio generalis, S. 73, der auch noch die Beschlüsse von Frankfurt 794 als Verstärkung der Bestimmungen von 789 sieht.

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liches ist über Brüssel, Bibliothèque Royale 8654–72 (Anfang 9. Jh., Saint-Bertin) mit der Admonitio generalis, dem Duplex capitulare missorum und weiteren Texten zu sagen, die Pseudo-Augustinus Sermo 236 überliefert, der ebenso das Glaubensbekenntnis abhandelt,17 wie über einen Sermo im Münchener Codex 14508 (Reims?, 3. Viertel 9. Jh.).18 Davon unterscheiden sich andere Handschriften, die teilweise oder ganz einen moralischen Ton anschlagen: Berlin Staatsbibliothek-Preußischer Kulturbesitz Lat. 355 (1. Hälfte 9. Jh., Nordfrankreich) überliefert das Capitulare monasticum I mit Predigten des Caesarius von Arles, Ephrems des Syrers und weiterer Autoren.19 Programmatisch könnte man Laon, Bibliothèque municipiale 265 (Laon, 1. Hälfte 9. Jh.) bezeichnen. Hier ist dem Kapitularienteil der Sammlung die Musterpredigt Necessarium est vorangestellt worden, später folgt noch Pseudo-Augustinus Sermo 242.20 Letztere ist ein Kommentar zum Vaterunser, wie es von der Admonitio generalis gefordert wurde. Die sog. Muster­ predigt befasst sich mit mehreren biblischen Großereignissen, wie die Schöpfung, dem Sündenfall, die Sintflut bis zu Christi Geburt und Tod. Danach werden die Hörer auf die Konsequenzen der Sünden aufmerksam gemacht und das Wohlverhalten angepriesen. An dieser Stelle greifen wir den moralischen Anspruch einer Predigt, deren Entstehung oft mit der Admonitio generalis im Zusammenhang gebracht wurde, die tatsächlich aber aus einer anderen Sammlung stammt, worauf bereits Michael Glatthaar hinwies.21 In diesem Text finden sich knapp und bündig klare Handlungsanweisungen: Die guten Werke sind nämlich, »den Hungernden Nahrung zu geben, … gerecht zu urteilen, den Armen Almosen zu geben … den Frieden immer zu lieben« etc.22 17 Pseudo-Augustinus, Sermo 236, Migne PL 39, Sp. 2181–2183. 18 Vat. Reg. Lat. 991 (Hofkreis, 2. Viertel 9. Jh.); Pseudo-Augustinus, Sermo 251, Migne PL 39, Sp. 2210 (nur Ps. 69, 16 »Exaudi me, Domine« entnommen). 19 Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, München 1995, S. 70 f. Vgl. die sog. »Collectio XXV admonitionum« der Predigten des Caesarius von Arles. Siehe dazu Caesarius von Arles, Sermones, hg. von Germain Morin, CCSL 103, Turnhout 1953, S. XXV–XXVII . Zu den Predigten Ephrems vgl. Patrologia Latina Supplementum 4, hg. von Adalbert-Gautier Hamman, Paris 1967, Sp. 641–648. 20 Pseudo-Augustinus, Sermo 242, Migne PL 39, Sp. 2191–2193. Vgl. Mordek, Bibliotheca, S. 200–205. 21 Pseudo-Bonifatius, Sermo 6, Migne PL 89, Paris 1850, Sp. 843–872, hier S. 955 f. 22 Wilhelm Scherer, Eine lateinische Musterpredigt aus der Zeit Karls des Großen, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum 12 (1865), S. 436–446, hier S. 441: Opera enim sunt misericordiae, esurienti cibum dare, sitienti potum, nudum vestire, infirmos et in carcere inclusos visitare, et illis ministrare, hospites suscipere, mortuos sepelire, iuste iudicare, ius­ titiam laudare, iniquitatem detestare et non facere, viduas et orphanos adiuvare, peregrinos suscipere, eleemosynas in pauperes partiri, tribulationem patientibus subvenire, decimas annis singulis reddere, semper orare in omni loco dominationis eius, castitatem servare et ieiunium amare, pacem semper diligere, gratiarum actionem Deo de omnibus agere.

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In der für die Kapitularien- und Formulae-Forschung so bedeutsamen Handschrift Paris BN 2718 (um 830 Schule von Tours) findet sich Sermo 219 des ­Caesarius von Arles über den hl. Stephan, eine Predigt, die wortreich und mit vielen Beispielen zur Nächstenliebe auffordert.23 Die folgende pseudoaugustinische Predigt preist die Buße an, warnt vor den Genüssen (delectationes) und geißelt die unterschiedlichsten Sünden. Der Autor wendet sich in seiner Predigt ausdrücklich auch an verheiratete Frauen, an Witwen, an die Armen und servi.24 Eine wichtige Position nimmt eine Homilia sancti Augustini De arca que in nubibus apparuit in der Paris Handschrift lat. 4788 (Frankreich, 3. Viertel 9. Jh.) ein. Sie findet sich zwischen den Capitula per se scribenda und dem Capitulare de disciplina palatii Aquisgranensis, das nur hier überliefert ist. Die Handschrift überliefert auch die Lex Salica Karolina. Leider ist der Zustand des Manuskripts sehr schlecht und die Predigt kaum zu lesen, wie es die Beschreibungen der Handschrift vermerken. Der Titel ist auch sonst nicht bekannt, ob es sich tatsächlich um einen Augustinus handelt, ist unklar. Er verweist jedenfalls auf Gen. 6–9, auf die Sintflut und auf Noah. Das ist an sich schon interessant, vor allem in der handschriftlichen Umgebung, in der sich diese Homilia befindet. In den Capitula per se scribenda ordnete Ludwig der Fromme allerlei Angelegenheiten in seinem Reich. Das nach der Homilia folgende Capitulare zielte darauf ab, alle jene zu identifizieren und zu entfernen, deren Verhalten die moralische Ordnung am Hof bedrohte, also Themen, die mit der Sintflut in Zusammenhang gebracht werden können. Predigten über die Glaubenslehre und solche mit moralischem Ton halten sich in der gemeinsamen handschriftlichen Überlieferung mit den Kapitularientexten also die Waage. Gemessen an der Gesamtüberlieferung von Sermones in der Karolingerzeit ist das ungewöhnlich. Denn grundsätzlich überwiegen die moralischen Themen bei weitem.

3. Thematische Überschneidungen von Predigten und Kapitularien Auch die textuellen Übernahmen von Sermones bzw. Homilien in den Kapitularientexten – im Gegensatz zu den Bischofskapitularien und Konzilstexten – ist überschaubar, wobei man in Rechnung stellen muss, dass karolingerzeitliche Predigtkompilationen kaum berücksichtigt werden können, da sie zum Großteil 23 Caesarius von Arles, Sermo 219, hg. von Germain Morin, CCL 104, Turnhout 1953, S. 867–870. 24 Pseudo-Augustinus, Sermo 117, Migne PL , Sp. 1977–1981.

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nicht adäquat ediert sind. Eine Ausnahme bildet die Epistola de litteris colendis, in der fast am Beginn eine Predigtpassage aus Caesarius ausgeschrieben wurde.25 In der Admonitio generalis finden sich Anklänge an eine Predigt aus dem Vaticanus palatinus latinus 556 (fol. 28v), aus Lorsch um 800, in der die Sünden aus Gal. 5, 19–21 ähnlich aufgelistet werden.26 Einige Parallelen zwischen der Admonitio lassen sich auch mit dem pseudo-bonifatianischen Homiliar feststellen, das um 800 im bayerischen Raum entstand27, und mit der sogenannten Musterpredigt aus der Vita Eligii.28 Grundsätzlich finden sich aber kaum wörtliche Übernahmen von Kapitularientexten in den Sermones. Mit diesen Befunden kann man bisher keine besondere Übereinstimmung zwischen Predigt und Kapitularientext ausmachen, vor allem wenn man die Überscheidungen zwischen Predigten und Konzilstexten oder Bischofskapitularien zum Vergleich heranzieht, in der es große Schnittmengen gibt. Anders sieht es aus, wenn man die zahlreichen thematischen Anklänge berücksichtigt, vor allem aber Bibelzitate als Ausgangspunkt einer Analyse nimmt, da sie von beiden Textsorten genutzt wurden. Die in der Admonitio generalis aufgelisteten Sünden, die die Prediger thematisieren sollten, gehen auf 1. Cor. 6, 9–10 und auf Gal. 5, 19–21 zurück. Diese Passagen fanden in zahlreichen Predigten dieser Zeit Verwendung.29 In der Admonitio generalis c. 65 ist im Rahmen der Predigtverpflichtungen z. B. die Rede davon: »Ebenso lesen wir über die 25 Epistola de litteris colendis, hg. von Edmund E.  Stengel, Urkundenbuch des Klosters Fulda 1. Die Zeit der Äbte Sturmi und Baugulf, Marburg, 1958, S. 246–254, hier S. 252. Vgl. Caesarius von Arles, Sermo 4, hg. von Germain Morin, CCL 103, Turnhout 1953, S. 21–25, hier S. 22; siehe dazu: Steffen Patzold, Prius tamen est nosse quam facere. Die »Epistola de litteris colendis«, Caesarius von Arles und die karolingische Correctio, in: Laurent Jégou u. a. (Hg.), Faire lien. Aristocratie, réseaux et échanges compétitifs. Mélanges en l’honneur de Régine Le Jan, Paris 2015, S. 343–350. 26 Vgl. Admonitio generalis c. 80, S. 236: … quae sunt fornicatio, inmunditia, luxuria, idolorum servitus, veneficia, inimicitiae, contentiones, emulationes, animositates, irae, rixae, dissensiones, heres, sectae, invidiae, homicidia, ebrietates, commessationes et his similia… mit Sermo 13 in Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 556, fol. 28v, wo die hereses ebenfalls in der Liste aufscheinen. 27 Vgl. Glatthaar, Einleitung, S. 142 Anm. 602. Zum Homiliar siehe Rob Meens, Christiani­ zation and the spoken word: the Sermons attributed to St Boniface, in: Maximilian Diesenberger u. a. (Hg.), Sermo doctorum. Compilers, Preachers, and their Audiences in the Early Medieval West, Turnhout 2013, S. 263–282. Gerhard Schmitz, Bonifatius und Alkuin. Ein Beitrag zur Glaubensverkündigung in der Karolingerzeit, in: Ernst Tremp / Karl Schmuki (Hg.), Alkuin von York und die geistige Grundlegung Europas, Sankt Gallen 2010, S. 73–90. 28 Vgl. Admonitio generalis c. 64, S. 216, mit Vita Eligii episcopi Noviomagensis, hg. von Bruno Krusch, MGH SS rer. Merov. 4, Hannover / Leipzig 1904, S. 663–741, hier S. 706. Siehe dazu James McCune, Rethinking the Pseudo-Eligius sermon collection, in: Early Medieval Europe 16 (2008), S. 445–476, hier S. 445 f. 29 Vgl. Sermo de execrandis vitiis: München, BSB , Clm 14410, fol. 77v–80v.

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Begierde (concupiscentia), dass sie die Wurzel allen Übels ist«30 (1. Tim. 6, 10). Diese Bibelpassage findet sich u. a. auch im Capitulare missorum Niumagae datum,31 in der Ordinatio imperii32 und in der Relatio episcoporum.33 Ausgiebig wird sie in den Predigten verwendet: bei Augustinus,34 aber auch in mehreren Predigten der Salzburger Sermones-Sammlung,35 bei Hrabanus Maurus36 bei Pseudo-Beda usw.37 Oft werden in der Predigt biblische Motive auch kombiniert. 1. Tim. 6, 10 mit Matth. 6, 20: Thesaurizate vobis thesauros in caelo. Das wird in Hrabans Homilien für Haistulf von Mainz für die Predigt ad populum ebenso verwendet,38 wie für die potentes in Bayern in der Salzburger Sermonessammlung,39 für den klerikalen Zirkel Hildebolds von Köln,40 und schließlich für Mönche im sog. Mondseer Homiliar.41 Der Unterschied zwischen den Kapitularientexten und den Predigten liegt u. a. darin, dass die Prediger jene Themen lang und breit behandelten, die in den Kapitularien meist nur kurz angesprochen wurden. Viele Kapitularientexte 30 Admonitio generalis 65, ed. Glatthaar, S. 218: Omnibus. Item praedicari necesse est, quantum malum sit odium vel invidia…Item de concupiscentia legitur, quod radix sit omnium malorum. 31 Capitulare missorum Niumagae datum 806 c. 14, MGH Capit. 1, Nr. 46, S. 132. 32 Ordinatio imperii 817, c. 10, MGH Capit. 1, Nr. 45, S. 272. 33 Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio 829, c. 6, MGH Capit. 2, Nr. 196, S. 31: Verum cum nullus christianus thesauros in terra, sed potius secundum Domini sententiam in caelo recondere debeat, cavendum sum mopere sacerdotibus est, ut ab avaritiae peste, quae radix omnium malorum est suosque sectatores a regno Christi excludit, se cohibeant; quoniam digne non possunt subditis praedicare, ut ab his se abstineant, cum ipsi his, quod valde dedecus, immo periculosum est, se mancipaverint. 34 Augustinus, Sermo 177, 9, Migne PL 38, Sp. 959: et in ipso adam radix omnium malorum auaritia fuit. Plus enim uoluit, quam accepit, quia deus illi non suffecit. 35 Sermo XII . De concupiscenita fugienda. Omilia sancti Augustini, hg. von James c. McCune, Four Pseudo-Augustine sermons De concupiscentia fugienda from the Carolingian Sermonary of Würzburg, in: Revue d’études augustiniennes et patristiques 52 (2006), S. 391–431, hier S. 423. […] Radix omnium malorum, inquit, est cupiditas: quam quidam appetentes errauerunt a fide, et inseruerunt se doloribus multis. O radix pestifera, per quam a fide disceditur, et infelix anima doloribus innumeris implicatur! 36 Hrabanus Maurus, Homilia CXXX . Hebdomada X post Pentecosten. Lectio Epistolae ad Corinthios, Migne PL 110, Sp. 135–468, hier S. 394 f. 37 Pseudo-Beda, Homilia 84: Dominica XI . Paulus ad Corinthios. I Cor. 10, hg. von Johannes Gymnicus, Homiliae in D. Pauli epistolas et alias ueteris et noui testamenti lectiones tam de tempore quam de Sanctis, Köln 1535, S. 198–201. 38 Hrabanus Maurus, Homiliae de festis praecipuis, item de uirtutibus, XXX , Migne PL 110, Sp. 9–134, hier Sp. 58. 39 Sermo XII . De concupiscenita fugienda, S. 424. 40 Pseudo-Beda, Homilia 7. In natali s. Ioannis. Lectio epistolae beati Pauli apost. ad Ephesi cap. 1, S. 16. Vgl. Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Codex 172, fol. 15v. 41 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 3833, fol. 74r.

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sind naturgemäß kurz und vielgestaltig und haben nicht den Raum, länger zu argumentieren. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Die Relatio episcoporum von 829 räumt den einzelnen moralischen Themen mehr Platz als viele andere Kapitularien dieser Zeit ein: Damit erhöht sich auch die Schnittmenge zwischen diesem Text und den Predigten. Wenn in der Relatio von der Habgier die Rede ist, die Wurzel allen Übels, dann wird darauf verwiesen, dass man keine Schätze hier auf Erden, sondern für das Himmelreich sammeln solle. Das gelte vor allem für Priester, die den ihnen Anvertrauten dies ja glaubhaft predigen sollten. Es folgen Mahnungen darüber, welche Auswirkungen ihr Fehlverhalten auf ihre Zukunft habe.42 Hier klingen Vorgaben für die Predigten dieser Zeit an: man solle den Gläubigen mit dem Himmelreich locken und mit der Hölle drohen. Tatsächlich wurden viele Predigtkompilationen auf dieses einfache Schwarz / WeißMuster zugeschnitten, obwohl oder gerade weil die spätantiken Vorlagen noch weitaus differenziertere rhetorische Elemente aufwiesen.43 Die Relatio episco­ porum folgt damit an dieser Stelle auch einer Vorgabe der Predigtreform. Die Kombination von Bibelpassagen könnte ein Weg sein, der Gemeinsamkeit von Argumentationsketten zwischen Kapitularien und Predigten auf die Spur zu kommen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, der Häufung der Motive und der sprachlichen Umsetzung zu folgen. Habgier und Geiz werden in den Kapitularien oft für das Fehlverhalten von weltlichen Amtsträgern, aber auch von Klerikern und Mönchen verantwortlich gemacht. Sie beeinträchtigten das gerechte Urteil durch die Bestechlichkeit der Richter, durch Meineide, falsche Zeugen und gefährdeten den sozialen Frieden. Mit diesen spezifischen Themen befasst sich die Salzburger Sermones-Sammlung vom Anfang des 9. Jahrhunderts: Sie überliefert Texte zum Meineid, über schlechte Richter und falsche Zeugen; sie setzt sich mit der Bestechlichkeit auseinander und überliefert einen Sermo De pace et concordia.44 Abgesehen von Hrabans Homiliar für Haistulf ist das in keiner anderen erhaltenen Predigtsammlung ein Thema.45 Mit guten Gründen können wir davon ausgehen, dass hier politisches Vokabular aufgenommen wurde und gegebenenfalls sogar rückwirkte. Die Konzilsakten von Mainz 813 weisen wörtliche Anklänge an den Sermo De pace et concordia auf. Und es gibt gute Gründe, dass der Sermo schon vorhanden war, als das Konzil in Mainz zusammentrat.46 42 Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio c. 3, MGH Capit. 2, Nr. 196, S. 30 f. 43 Vgl. die karolingerzeitliche Überarbeitung von Augustinus’ De doctrina christiana. Siehe dazu Maximilian Diesenberger, Predigt und Politik im frühmittelalterlichen Bayern. Arn von Salzburg, Karl der Große und die Salzburger Sermones-Sammlung, Berlin 2015, S. 166–174. 44 Diesenberger, Predigt und Politik, S. 214–286. 45 Hrabanus Maurus, Homilia LII . De pace et unitate, Migne PL 110, Sp. 95–97. 46 Vgl. Concilium Moguntinense 813 c. 5, hg. von Albert Werminghoff, MGH Concilia 2, 1, Hannover / Leipzig 1906, S. 258–273, hier S. 261: De pace et concordia et unanimitate, mit Sermo II, 60: De pace et concordia, hg. von James McCune, An Edition and Study of Select

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Eine Verdichtung von Motiven ist auch in den Kapitularientexten beobachtbar, entweder in einem einzelnen Text oder in mehreren Texten für eine gewisse Zeitspanne. Vor allem in Notzeiten wie um 805/06 setzte sich der Hof mit zahlreichen Beweggründen für die Krise des Reichs auseinander. Im Kapitular von Nimwegen wurde ein Katalog von Sünden erstellt und ihre genaue Definition wiedergegeben: Avaricia est alienas res appetere … Cupiditas: … alienas res iniuste appetere. Usura est ubi amplius requiritur quam datur und so weiter.47 Das sind keine wörtlichen Anklänge an Predigten, könnten dort aber durchaus ähnlich vorkommen, wenn man etwa Augustinus, Sermo 239 zum Vergleich heranzieht: Quid est fenerare? Minus dare, et plus accipere;48 Augustinus, Sermo 9, 9: Si quis concupiscat alienas res, raptor et injustus deputatur.49 Oder ein als Augustinuspredigt betitelter Sermo aus der Salzburger Sammlung vom Anfang des 9. Jahrhunderts: Auarus numquam in propriis requiescit, dum aliena diripere quaerit.50 Meist gehen die Autoren der Predigten aber weit über diese einfachen Bezeich­ nungen hinaus. Ein weiteres Beispiel aus der Salzburger Sammlung: Cupi­ditas enim rubigo est cordis, subuersio mentis, mater infidelitatis, aemula concordiae, amica nequitiae, uia gehennae, iurgiorum genetrix, odii liuorisque nutricula, pacis inimica, caritatis ignara.51 Oder sie veranschaulichen die Sünden mit biblischen Beispielen, wie bei Hrabans Homiliar für Lothar, der die Erzählung von Ananias und Sapphira verwendet, um die Sünde der cupiditas zu verdeutlichen.52 Schließlich wenden sich die Prediger meist direkt an ihr Publikum: Iracundiam atque invidiam radicemquem omnium malorum cupiditatem exSermons from the Carolingian Sermonary of Salzburg, London 2006 (unveröffentlichte Dissertationsschrift), Appendix, S. 75–78. Vgl. Diesenberger, Predigt und Politik, S. 34 Anm. 72. 47 Capitulare missorum Niumagae c.  12–17, MGH Capit. 1, Nr. 46, S. 132. Diesenberger, Predigt und Politik, S. 300–302. 48 Augustinus, Sermo 239, Migne PL 38, Sp. 1128. 49 Augustinus, Sermo 9, 9, Migne PL 38, Sp. 84. 50 Sermo 13. Item alia unde supra. Sermo sancti Augustini, in: McCune, Four Pseudo-­ Augustine sermons, S. 425. 51 Sermo 12, 2, in: McCune, Four Pseudo-Augustine sermons, S. 423 f. 52 Hrabanus Maurus, Homiliae in evangelia et epistolas 108, Migne PL 110, Sp. 370 f.: Vade, quaecunque habes vende et da pauperibus, et habebis thesaurum in coelo; et veni, sequere me. Quicunque perfectus esse voluerit debet vendere quae habet, et non ex parte vendere, sicut Ananias fecit et Saphira, sed totum vendere, et, cum vendiderit, dare omne pauperi­ bus, et sic sibi praeparare thesaurum in regno coelorum. Nec hoc ad perfectionem sufficit, nisi post contemptas divitias Salvatorem sequatur, id est, relictis malis, faciat bona. Facilius enim sacculus contemnitur quam voluntas. Multi divitias relinquentes Dominum non sequuntur. Sequitur autem Dominum qui imitator ejus est, et per vestigia illius graditur. Qui enim dicit se in Christo credere, debet quomodo ille ambulavit et ipse ambulare, sicque perveniet ad regnum coeleste.

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cludamus  a vobis, heißt es im Mondseer Homiliar.53 Einige Passagen des von Gerhard Schmitz und Hubert Mordek edierten Capitulare ecclesiasticum Caroli magni (805–13) könnten aus einer Predigt stammen: O avare, vis adquirere per cupiditatem sectatur, quod te delectet habere seculo, etsi times perdere, quod te Deus vult habere, id est beatudinem sempiternam.54 Vergleichbare Ansprachen des avarus finden sich bei Augustinus55 oder aber auch in bayerischen Predigten vom Anfang des 9. Jahrhunderts.56

4. Die mündliche Vermittlung von Kapitularien (in Predigtform) Damit wird ein anderer Aspekt berührt, nämlich der der mündlichen Vermittlung von Predigten und Kapitularien. Viele Predigten haben wahrscheinlich nur als Vorlage für eigenständige Vorträge gedient und dürften inhaltlich durchaus spezifischer gewesen sein. Dass man sich fremde Güter nicht durch Ränke und Intrigen aneignen darf, was in den Kapitularien immer wieder angesprochen wird, wird in einigen Predigtsammlungen des 9. Jahrhunderts thematisiert. So etwa in Cambridge, Pembroke College Ms. 25, Sermo 40, einer Handschrift aus dem Ende des 11. Jahrhunderts, die auf eine karolingerzeitliche Vorlage zurückgeht: Sic et rapaces caueant qui res alienas per malum ingenium et per potestatem tollunt.57 Dass dies mitunter auch den ministri der iudices untersagt werden muss, betont eine Predigt der bayerischen Handschrift Clm 14410 aus dem ersten Viertel des 9. Jahrhunderts.58 53 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 3833, fol. 79v. 54 Capitulare ecclesiasticum Caroli magni c. 5, hg. von Hubert Mordek / Gerhard Schmitz, Neue Kapitularien und Kapitulariensammlungen, in: Deutsches Archiv 43 (1987), S. 396– 414, hier S. 401. 55 Augustinus, Sermo 50: De salute animae, Migne PL 40, Sp. 1336: Avare, audi me; quid tibi sufficit, si Deus tibi non sufficit? Si ergo ista omnia desideratis, paradisi requiem quaerite, pro aeterna beatitudine suspirate, unde non exit amicus, ubi non intrat inimicus, unde nec bonus potest exire aliquando, nec malus ullo modo introire. 56 Sermo 57, De fraude cavenda. Ysidori, hg. von James c. McCune, The sermons on the Virtues and Vices for lay potentes in the Carolingian Sermonary of Salzburg, in: The Journal of Medieval Latin 19 (2009), S. 250–290, hier S. 287 f.: Dic fraudator, dic sceleste, dic auare, dic cupide, quid adquesisti per tuam fraudem? Forte aurum? Ecce aurum adquisisti et fidei thesaurum perdidisti… Vgl. dazu Alkuin, De virtutibus et vitiis c. 19, Migne PL 101, Sp. 627 f. 57 Cambridge, Pembroke College Ms 25 (Bury St. Edmunds, Ende 11. Jh.), fol. 93r. Zur Datierung der Vorlage ins 9. Jahrhundert vgl. James E. Cross, Cambridge, Pembroke College, MS 25: A Carolingian Sermonary used by Anglo-Saxon Preachers, London 1987. 58 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14410, fol 79r / v: non solum rapax dicitur esse, qui violenter res pauperis rapit, verum etiam iudex vel alius dives et potens, qui quolibet pravo ingenio vel fraude maligna proximum sibi nobilem autignobilem Christianum vel

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Grundsätzlich gab es verschiedene Formen von Reden und Vorträgen auf Basis von Predigttexten. Hier findet sich um 800 eine Überschneidung mit der Vermittlung von Kapitularien, gerade wenn die Bischöfe auch die Funktion von missi dominici ausübten. Eine Textgruppe, die die Form der mündlichen Verbreitung eines Kapitularientextes durch einen bischöflichen missus verdeutlicht, ist eine von Herbert Schneider edierte Admonitio samt Proömium und nachfolgendem Kapitularexzerpt, die sehr wahrscheinlich von Erzbischof Arn von Salzburg verfasst und was die ersten beiden Teile betrifft, wohl auch mündlich vorgetragen wurde.59 In der Admonitio erläutert der Sprecher ausführlich die Kapitulariengesetzgebung des Kaisers und erklärt, dass die correctio alle Bevölkerungsteile betreffe. In den schriftlich verbreiteten Kapitularien und in den mündlichen Anweisungen für die missi werde nur Rechtgläubiges wiedergegeben, argumentiert der Sprecher. Alle kaiserlichen monita und statuta seien medicamenta für die Seelen.60 Im Pröomium wird die Rolle der Kirche und des Kaisers im Heilsplan erklärt. Dabei werden die mandata Christi mit den precepta (sic!) des Kaisers gleichgesetzt.61 Danach folgt das Kapitularienexzerpt.62 Die Admonitio und das Proömium waren deutlich für den Vortrag bestimmt, was etwa die direkte Anrede der Zuhörer und die persönliche Wir-Form verdeutlichen. Die Texte bleiben aber auf das Thema der Kapitularien konzentriert und weisen keine spezifischen Predigtinhalte auf. Trotzdem sind die Schnittmengen zwischen Predigten und Kapitularien in den großen Kapitularien selbst bereits angelegt, vor allem in der Admonitio generalis von 789, besonders aber im großen Kapitular von 802, von dem Ganshof schon meinte, dass hier der Kaiser nicht einfach Befehle aussprach, sondern dass er predigte,63 damit also einen anderen Ton in den Kapitularien anschlug als es bisher der Fall gewesen war. Das von Schneider edierte Proömium trägt diesem Umstand auch Rechnung, wenn der Sprecher die Anweisungen des Kaisers als Predigt beschreibt: »Er selbst weist alle zurecht, die zu ihm kommen, durch seine wunderbare und rühmliche

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forte paganum de propriis suis expoliare contendit. Vgl. dazu Maximilian Diesenberger, »Über die verfluchenswerten Laster«. Eine Predigt aus der Zeit Ludwigs des Frommen, in: Philippe Depreux / Stefan Esders (Hg.), Produktivität einer Krise. Die Regierungszeit Ludwigs des Frommen (814–840) und die Transformation des karolingischen Imperiums, Ostfildern 2018, S. 217–234. Herbert Schneider, Karolingische Kapitularien und ihre bischöfliche Vermittlung. Unbekannte Texte aus dem Vaticanus latinus 7701, in: Deutsches Archiv 63 (2007), S. 469–496. Admonitio, in: ebd., S. 485–491. Prömium, in: ebd., S. 491–493. Kapitularexzerpt, in: ebd., S. 493–496. François L. Ganshof, The last period of Charlemagne’s reign: a study in decomposition, in: ders., The Carolingians and the Frankish Monarchy. Studies in Carolingian History, London 1971, S. 240–255, hier S. 244 f.

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Predigt, und wird nicht müde durch seine überaus angenehme Unterweisung zu jedem guten Werk aufzufordern.«64 Ein Kapitular im Format als Predigt zeigt sich mit der Missi cuiusdam admonitio.65 Schon Boretius hat über diesen Text gemeint: »Die Rede ist offenbar von einem Geistlichen und vollständig im Predigtton gehalten«.66 Bei diesem Text handelt es sich um eine Ansprache, die sich wie eine Predigt an fratres dilectissimi wendet und am Ende einen Schlusssegen ausspricht. Auch der Inhalt gleicht ganz dem einer Predigt dieser Zeit. Zunächst erfolgt eine expositio symboli, dann erweitert sich das Thema auf allgemeine gesellschaftliche Aspekte. Jene, die ihr Leben secundum Deum führen, werden aufgefordert, gerecht und gut (iuste et bene) zu leben. Die anderen, die secundum hoc seculum ihr Dasein fristen, sollen dies mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (cum iustitia et misericordia) tun, fordert der Prediger.67 Trotz des homiletischen Charakters entspricht der Text ganz den Kapitularien dieser Zeit. Diese Ansprache war nämlich Teil der Gesetzgebungsinitiative des Jahres 802 und verkörpert vielleicht am besten den moralischen Charakter der Beratungen dieses Jahres, die insgesamt weniger »Juristisches« als »Religiös-pastorales« produzierten.68 Offenkundig ist es ein missus, der in diesem Text seine Stimme erhebt. Der Redner verrät, dass er zum Heil der Zuhörer gesandt worden sei. Nach der Auslegung des Glaubensbekenntnisses beginnt eine Art »Laienspiegel« mit ähnlichen Motiven und oft ganz im Wortlaut der Kapitularien desselben Jahres. Motivische Ähnlichkeiten weist dieser Text aber auch mit einigen pseudo-bonifatianischen Predigten vom Beginn des 9. Jahrhunderts auf, gerade was die Festigung der sozialen Hierarchien innerhalb der Familie aber auch in der Gesellschaft allgemein betrifft.69 64 Proömium, in: Schneider, S. 493: Ipse enim omnes, qui sibi adveniunt, mirifica et gloriosa sua predicatione castigat et suavissima eruditione ad omne opus bonum exhortare non cessat. 65 Missi cuiusdam admonitio, MGH Capit. 1, Nr. 121, S. 238–240; neu herausgegeben in: Buck, Admonitio, S. 397–401. 66 Alfred Boretius, Capitularien im Langobardenreich. Eine rechtsgeschichtliche Abhandlung, Halle 1864, S. 74. 67 Missi cuiusdam admonitio, in: Buck, Admonitio, S. 398. 68 Vgl. Thomas Martin Buck, »Capitularia imperatoria«: Zur Kaisergesetzgebung Karls des Grossen von 802, in: Historisches Jahrbuch 122 (2002), S. 3–26, bes. S. 23–25; siehe auch Steffen Patzold, Überlegungen zu Geltungsansprüchen so genannter ›Kapitularien‹, in: Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), S. 331–350, hier S. 335 f. 69 Vgl. den Abschnitt der Missi cuiusdam admonitio, in: Buck, Admonitio, S. 400: Mulier [!] sint subiecti viri sui in omni bonitate et pudicitia, custodiant se a fornicatione et beneficiis et abaritiis, quoniam qui hec facit Deo repugnant […] mit Pseudo-Bonifatius, Sermo III . De gemina justitiae operatione, Migne PL 89, Sp. 843–872, hier Sp. 849: Uxores vero suos ma­ritos timeant et honorent, et castitatem illis servent … Siehe dazu Diesenberger, Predigt und Politik, S. 334–340, mit weiteren Parallelen und Angaben zur weiterführenden Literatur.

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Zu welchem Anlass der missus seine Stimme erhoben haben mag, ist nicht näher zu bestimmen: Es kann während einer Versammlung von weltlichen Amtsträgern aber auch anlässlich einer Synode gewesen sein. Um 806 verlautbarte Erzbischof Arn von Salzburg Anweisungen Karls des Großen anlässlich einer bayerischen Diözesansynode, flocht dabei aber auch gleich Mahnworte für weltliche potentes mit ein, die sich nicht in der vom Hof ausgesandten Vorlage fanden.70 Und wenn auch Kapitularien in ihrer ausgegebenen Form nur verlesen wurden, dann fand dies anlässlich von Versammlungen statt, die oft von liturgischen Akten begleitet wurden, wo Predigten zum Einsatz kamen. In diesen Predigten konnten dann die moralischen Grundlagen der gesetzlichen Bestimmungen, die eben verlesen worden waren, erläutert und vertieft werden. Darüber hinaus wurden am Rande dieser Versammlungen Rechtsgeschäfte getätigt, bei denen auch die missi zum Einsatz kamen. Im Rahmen dieser Verhandlungen setzten die Vorsitzenden die neuesten Bestimmungen um, wie etwa im Frühsommer 802, als Karl der Große den missi die Möglichkeit eröffnete, in einem Inquisitionsverfahren die örtlichen Zeugen mit dem Hinweis auf den zuvor geleisteten Treueid auf den Kaiser zur Aussage zu zwingen.71 Dieser Vorgang war sicher auch von Erläuterungen und Mahnungen begleitet, den zu leistenden Eid ernst zu nehmen. Für Bayern am beginnenden 9. Jahrhundert ist die lokale Umsetzung dieser Bestimmung dokumentiert und es sind mehrere Texte für diesen Anlass überliefert.72 Dasselbe trifft auch auf Ermahnungen von Streitparteien zu, sich gütlich zu einigen. Das Repertoire für diese Mahnreden konnte ein missus in zahlreichen Predigten dieser Zeit finden, darunter auch in einem Sermo mit dem Titel De pace et concordia.73 Der Grundtenor wurde von den Kapitularien vorgegeben.74 In den Jahren 802 und 804 hat Arn mit Mahn­ reden zu diesem Thema uneinsichtige Streitparteien zur Räson gebracht.75 In diesen Fällen der lokalen Umsetzung wird das Zusammenspiel von Predigten und Kapitularien und ihr gemeinsames moralisches Fundament besonders deutlich.

70 Arn von Salzburg, Synodalsermo, hg. von Rudolf Pokorny, Ein unbekannter Synodalsermo Arns von Salzburg, in: Deutsches Archiv 39 (1983), S. 390–394. Siehe dazu Diesenberger, Predigt und Politik, S. 104 f. 71 Capitulare missorum generale a. 802, c. 4, MGH Capit. 1, Nr. 33, S. 91–99, hier S. 92. Diesenberger, Predigt und Politik, S. 272–278. 72 Sermones II, 57–59, in: McCune, The sermons on the Virtues and Vices, S. 287–290. Siehe Traditionen Freising 186, hg. von Theodor Bitterauf, Die Traditionen des Hochstifts Freising 1, 744–926, München 1905, S. 178 f. Vgl. Warren Brown, Unjust Seizure. Conflict, Interest, and Authority in an Early Medieval Society, Ithaca N. Y. 2001 S. 86–88. 73 Sermo II, 60, De pace et concordia, in: McCune, An Edition, Appendix, S. 75–78. 74 Siehe Diesenberger, Predigt und Politik, S. 278–286. 75 Traditionen Freising 193a und 197, S. 182–185 und S. 187–190.

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5. Schluss Die Untersuchung des »moralischen Rüstzeugs« der jeweiligen Kapitularien­ texte sollte synchron und diachron erfolgen. Dasselbe müsste für die oft nur oberflächlich bekannten Predigtsammlungen durchgeführt werden. Eine gemeinsame Verdichtung gewisser Themen ist sehr wahrscheinlich, wie sich der forcierte Einsatz für Recht und Gerechtigkeit in den ersten Kaiserkapitularien deutlich in der Salzburger Sermones-Sammlung ablichtet.76 Was hier aber nur oberflächlich mit cupiditas und avaritia angedeutet wurde, gilt selbstverständlich für alle anderen Sünden und Tugenden. Für Hrabanus Maurus bedingt z. B. die ebrietas alle anderen Sünden, da nicht nur die plebeii viri et ignobiliores sondern auch die nobiliores gloriosique terrae von diesem Übel befallen sind.77 Janet L. Nelson hat auf die politische Dimension der Trunksucht und der Trinkgelage hingewiesen.78 In den Kapitularien und Konzilsakten hat man den Eindruck, dass diese Sünde vor allem Kleriker und Mönche betrifft, da sich diese bis zur alienatio mentis besaufen und manche sogar volltrunken die Predigt halten.79 In den Homilien für Mönche gesteht man die Gefahr der Trunksucht ein, indem man sie prominent an zweiter Stelle der Sünden reiht. An erster Stelle und Ursache für alle weiteren wird die Geschwätzigkeit genannt. Und die war tatsächlich ein großes Problem, weil sie jede Ordnung infrage stellte. Entscheidend war die Predigtreform an sich, also der Versuch, im gesamten Reich Bischöfe und Priester zur regelmäßigen Predigt zu verpflichten bzw. dem populus zu befehlen, die Predigt auch zu hören. Denn damit sollte ein moralisches Fundament gelegt werden, auf das Karls Herrschaft gründete. Deshalb wurde den Priestern in der Admonitio generalis auch untersagt, nova zu predigen.80 Der Versuch, einen flächendeckenden moralischen Diskurs durch die Predigten zu etablieren, sollte den zunehmend moralischen Ton der Kapitularien verstärken. Wenn die Kapitularien kurz Sünden benannten und als Ursache der Missstände im Reich identifizierten, dann ging man davon aus, dass dieses Fehlverhalten in den Predigten ausgiebig behandelt wurde. Selbstverständlich erzielte dieses Unterfangen nicht jene Effekte, die man erhofft hatte. Zu schlecht 76 Buck, Admonitio, S. 223. 77 Hrabanus Maurus, Homilia 63: Contra comessationem, et ebrietatem, et scurrilitatem, Migne PL 110, Sp. 119. 78 Janet L. Nelson, Peers in the early Middle Ages, in: Pauline Stafford u. a. (Hg.), Law, Laity and Solidarities. Essays in Honour of Susan Reynolds, Manchester 2001, S. 27–46, hier S. 37 f. 79 Vgl. Concilium Cabillonense 813 c. 10, hg. von Albert Werminghoff, MGH Conc. 2, 1, Hannover / Leipzig 1906, S. 273–285, hier S. 276. 80 Admonitio generalis c. 80, S. 294.

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war die Ausbildung der Priester, zu eigenwillig waren die Interessen der Bischöfe und der weltlichen Amtsträger. Aber, und das war ein unschätzbarer Vorteil dieser Reform, die Autorität des Herrschers als moralische Instanz war gestärkt: niemand konnte behaupten, er kenne die moralischen Vorgaben nicht. Wenn es darauf ankam, konnte der Herrscher mit dem Vorwurf unmoralischen Verhaltens jeden Einzelnen korrigieren. Dies alles trifft auf die Herrschaft Karl den Großen zu. Unter Ludwig und seinen Nachfolgern sieht es anders aus. Es wäre eine Aufgabe zu prüfen, welches »moralisches Rüstzeug« die Autoren und Kompilatoren von Predigtsammlungen aus dieser Zeit hatten. Aber auf alle Fälle war das nicht mehr zu ignorieren, was Arn von Salzburg ganz im Sinne des Augustinus in einer Predigt für die weltlichen Großen in Bayern auf den Punkt brachte: Wir müssen unser Leben nach den Sitten gestalten!81

81 Sermo sancti Leonis papae de natale domni, in: McCune, An edition, Appendix, S. 2: […] Vitam nostram moresque conponamus. Vgl. dazu Augustinus, De doctrina christia­na  IV, 144. Zur Rezeption von dieser Schrift in Salzburg vgl. Diesenberger, Predigt und Politik, S. 167–174.

2. Wortfelder in Kapitularien

Jennifer R. Davis

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies: A Vocabulary of Power1

1. Introduction: A Capitulary Was Made In 779, Charlemagne and his court issued a document known to scholars as the Capitulary of Herstal.2 The introduction to the law proclaims that »a capitulary was made«, marking the first time the word capitulare was employed to refer to the legislation of the Frankish kings.3 This text has been seen as  a major turning-point, both for its importance in the overall scope of Charlemagne’s legislation4 and for its use of this new vocabulary of capitulare.5 This usage was 1 I am very grateful to Bernhard Jussen and Karl Ubl for the invitation to the original conference, to the German Historical Institute in Paris for their gracious hospitality, to the other conference participants for their comments and questions, and to Bernhard and Karl for their patience during the long preparation of this article. I presented a rough draft of the Paris paper at Patrick Geary’s medieval history seminar at the Institute for Advanced Study in Princeton. I thank Patrick and the seminar participants for their useful comments and suggestions. I have also benefited from Karl Ubl’s comments on a draft of this article. 2 Unusually for a capitulary, the text is dated in the introduction: MGH Capit. 1, no. 20, Introduction, p. 47. Unless otherwise noted, capitularies are cited by their number, chapter number where necessary, and page number in the Boretius / K rause edition: Capitularia regum Francorum, ed. Alfred Boretius / Victor Krause, 2 vols., MGH Capit. 1–2, Hannover 1883 and 1897. The titles given to capitularies are typically modern and often problematic (see further p. 238 below). In this case, however, our narrative and diplomatic evidence makes it clear that the capitulary was produced at the palace of Herstal. Regesta imperii, no. 216b and 216c, 217–221: http://www.regesta-imperii.de [last accessed 29.09.2020]. 3 MGH Capit. 1, no. 20, Introduction, p. 47: Anno feliciter undecimo regni domni nostri Karoli gloriosissimi regis in mense Martio factum capitulare, qualiter, congregatis in unum sinodali concilio episcopis, abbatibus virisque inlustribus comitibus, una cum piisimo domno nostro secundum Dei voluntatem pro causis oportunis consenserunt decretum. 4 See now Rosamond McKitterick’s discussion of the early capitularies, like Herstal, setting a program for the rest of the reign, in contrast to Ganshof’s designation of the so-called Capitulare missorum generale (MGH Capit. 1, no. 33, pp. 91–99) of 802 as the »programmatic capitulary«. Rosamond McKitterick, Charlemagne: The Formation of a European Identity, Cambridge 2008, pp. 236–243; François-Louis Ganshof, Charlemagne’s Programme of Imperial Government, in: id., The Carolingians and the Frankish Monarchy: Studies in Carolingian History, trans. Janet Sondheimer Ithaca 1971, pp. 55–85, here p. 56. 5 François-Louis Ganshof, Recherches sur les capitulaires, Paris 1958, p. 4.

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at the start of a long tradition, in which the Frankish courts that produced what the great student of the capitularies, François-Louis Ganshof, called »edicts sub-divided into chapters«, identified these texts as capitularies,  a usage now adopted by modern scholars.6 The terminology of the capitularies, in the sense of what the texts we call capitularies called themselves, has long been the object of study, albeit without much in the way of consensus being reached.7 Capitulary, plural capitularies, has indeed become the standard term that modern scholars use to refer to Frankish royal law. However, while the term itself is a Carolingian usage, it was not used in or to name all the texts that most scholars would class as capitularies. What are the implications of this variability in vocabulary? These questions of terminology have become deeply intertwined with broader debates about what capitularies were, how they were produced, and how or if they were ever put into action. Historians of course use all kinds of words to describe the past that were not used or not used in the same way by contemporaries. Yet, we also agree that understanding the vocabulary of a time period is an important component of unpacking past mentalities. Exploring when the Carolingians used the term ›capitulary‹ and what it might have meant to them thus has  a useful contribution to make to our efforts to analyze more fully the corpus of Carolingian capitularies. Such an exploration is the focus of this paper. This goal is particularly important at the moment, when welcome new projects are in progress to re-edit the capitularies (a long-standing desideratum in the field)  and when  a number of scholars are actively working on rethinking these texts.8 This productive efflorescence of research has led to  a number of new approaches and debates. Indeed, defining the capitularies as  a genre of 6 Ganshof, Recherches, p. 4. 7 In addition to the seminal study of Ganshof, Recherches, key work includes Arnold Bühler, Capitularia relecta. Studien zur Entstehung und Überlieferung der Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 32 (1986), pp. 305–501; Hubert Mordek, Karolingische Kapi­ tularien, in: id. (ed.), Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, Sigmaringen 1986, pp. 25–50, now reprinted in his Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung. Aufsätze über Kapitularien und Kapitulariensammlungen ausgewählt zum 60. Geburtstag, Frankfurt am Main 2000, pp. 55–80. 8 The new editorial work will mark a major step forward in research on the capitularies. For the time being, see the very helpful Capitularia website, full of resources for the student of the capitularies, including an extensive bibliography: https://capitularia.uni-koeln.de/ [last accessed 29.09.2020]. An overview of the editorial project and its digital components can be found in: Sören Kaschke, The New Edition of the Frankish Capitularies. Accommodating Digital and Print Edition, in: Christelle Balouzat-Loubet (ed.), Digitizing Medieval Sources. Challenges and Methodologies. L’édition en ligne de documents d’archives médiévaux. Enjeux, méthodologie et défis,  Turnhout  2019, pp. 107–115. There is  a very useful and even-handed state of the field introduction in Sören Kaschke / Britta Mischke, Capitularies in the Carolingian Period, in: History Compass 17 (2019), pp. 1–11.

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source has become a vexed question of late. The best definition we have states that capitularies are legal decisions of Frankish kings typically sub-divided into chapters, or capitula in Latin, hence the name.9 However, just about all aspects of our understanding of the genre, including whether or not there was such a recognizable genre, have been contested. To make sense of these definitional quandaries, it is important to distinguish questions of vocabulary from questions of genre. As noted, the name capitulary is contemporary Carolingian usage, but it was not inevitably used for the texts we call capitularies, nor was its use confined to that genre of text. The word capitulare had a range of meanings in early medieval Latin.10 Its use as a term for legal or quasi-legal pronouncements seems to have emerged in the context of early medieval Italy, first by the papacy, and then secondarily in one of the Lombard law codes.11 The first use of it to refer to a Frankish royal law was in the 9 The best definition remains that of Ganshof, Recherches, pp. 3–4: »On appelle capitulaires des actes du pouvoir dont le texte était généralement divisé en articles (capitulum) et dont plusieurs souverains carolingiens ont fait usage pour publier des mesures d’ordre législatif ou administratif. En restant à la surface du sujet, on pourrait dire que les capitulaires étaient des édits subdivisés en articles, émanant des chefs d’état carolingiens«. See also Mordek, Karolingische Kapitularien, pp. 25–27 (pp. 55–57 in the reprint); Karl Ubl, Kapitularien, in: Germanische Altertumskunde Online, https://db.degruyter.com/view/ GAO/RGA_2851 [last accessed 29.09.2020]. Bühler, Capitularia relecta, pp. 431, 439–445 suggests a definition that focuses on their links to bishops, positing both a deep connection between royal and episcopal legislation and emphasizing the role played by bishops in composing and compiling capitularies. I would argue for a clearer distinction between royal and episcopal capitularies and for less emphasis on the role of bishops in compiling manuscripts. 10 The starting points are the standard dictionaries: Jan Frederik Niermeyer / Co van de Kieft, revised by Jan W. J. Burgers, Mediae Latinitatis Lexikon minus, Leiden 2002, s.v. capitulare, capitularis, capitulum; Charles du Cange / Leopold Favre, Glossarium mediae et infimae latinitatis, Niort 1883–1887, s.v. capitulum, capitulare, accessed online at: http:// ducange.enc.sorbonne.fr/capitulare?clear=1 [last accessed 29.09.2020]; Thesaurus linguae latinae online, s.v. capitulum, capitularis, accessed at: https://www.thesaurus.badw.de/en/ tll-digital/tll-open-access.html [last accessed 29.09.2020]. 11 Hubert Mordek, Fränkische Kapitularien und Kapitulariensammlungen. Eine Einfüh­ rung, in: id., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, pp. 1–53, here pp. 2–3; Ganshof, Recherches, pp. 4–6; Bühler, Capitularia relecta, pp. 327–329. All of these scholars also make clear the link to papal terminology, and Mordek (p. 2) notes that the Roman context influenced Aistulf, who presents himself as legislating for the Roman people. For the Lombard usage, see Edictus Langobardorum, ed. Friedrich Bluhme, MGH LL 4, Hannover 1868, Laws of Aistulf, year 1 (750), prologue, p. 195: Sed modo auxiliante domino nostro Iesu Christo Aistolfus, in ipsius nomine rex gentis Langobardorum, traditum nobis a Domino populum Romanorum, anno regiminis primo, indictione tertia, residente intra Ticinum in palatio nostro una cum cunctis iudicibus et Langobardis universarum provinciarum nostrarum: previdimus enim ut, cum edictus Langobardorum antiquorum regum precessorum nostrorum fuerat institutus, paruit in eius volumine adaugeri et in capitulare affigere die Kalendarum Martiarum.

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Capitulary of Herstal in 779 mentioned above, where the term is used directly in the text of the law to refer to itself.12 Subsequently, the term was used by many, although nowhere near all, Frankish laws.13 This observation is complicated by the fact that many capitularies make no reference to themselves or other similar laws in the body of the text, meaning that they do not call themselves anything. Moreover, capitularies are sometimes but not necessarily given titles in the manuscripts, and when there are such titles, they almost inevitably vary between manuscripts.14 Furthermore, many of the titles were only added in later manuscripts and thus provide no evidence for how eighth or ninth-century contemporaries would have chosen to identify these texts.15 In the texts that do use a term to identify themselves, capitulare or variants is thus one prominent possibility, but far from the only one. However, we cannot confuse name and genre. That is, there are texts indistinguishable from those that call themselves capitularies that do not use the term, but otherwise in their issuance, formatting, and content, fit with the others.16 Those texts, regardless of if they call themselves capitularies, clearly are part of the corpus, both in terms of the features noted above and in terms of their manuscript transmission and often layout. Similarly, most scholars would agree that there were capitularies before the name was applied to the genre. That is, the Capitulary of Herstal was not the first capitulary produced, but the first 12 The text can be found in note 3 above. Note there the combination of capitulare and decretum, an older word to refer to Frankish law. Our sources can explicitly identify a text by more than one name, as a number of citations in this paper will show. On both terms and their usage in the Capitulary of Herstal, see Michael Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil in den Kapitularien Karls des Großen. Ein Beitrag zur Frage ihrer Entstehung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 70 (2014), pp. 1–42, here pp. 5–7. 13 Not all scholars would call the capitularies laws. McKitterick, Charlemagne, p. 230, is one example. This is reasonable, as the capitularies do much else, particularly in their engagement with moral issues and admonition (for which the key study is Thomas Martin Buck, Admonitio und Praedicatio. Zur religiös-pastoralen Dimension von Kapitularien und kapitulariennahen Texten (507–814), Frankfurt am Main 1997). However, given their clear desire to set norms, I will use the terms ›law‹ and ›legislation‹ in relation to the body of texts scholars have considered capitularies. See further note 49 below. 14 To give just one example, see the editor’s notes to the so-called Capitulare missorum of 803: MGH Capit. 1, no. 40, p. 115. 15 On the titles found in manuscripts, see further note 31 below. In addition to the complexity of the manuscript evidence, the titles used in the edition are often editorial inventions. For a case study of the problems posed by titles, see Philippe Depreux, Zur Nützlichkeit bzw. Nutzlosigkeit von Kunsttiteln für Kapitularien (am Beispiel der Nummern 134–135, 143–145 und 178 aus der Boretius-Edition), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 70 (2014), pp. 87–106 16 Defining the characteristic features of a group of texts often noted for their diversity is of course an exercise open to debate. However, these seem reasonable criteria to me, with the limitation that not all are found in all texts we might seek to link.

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to use the name to refer to this particular type of text.17 Yet, given the recent debates about the capitularies, the lack of standardization in the vocabulary used in the texts themselves raises further questions about how those who produced capitularies understood them. Exploring further the vocabulary of the capitularies in terms of their internal self-referencing is only one way to consider this question, but can offer some new approaches to thinking about the semantic range of the word capitulare and its cognate capitulum in the late eighth and ninth centuries. What I hope to do in this paper is to analyze the terminology of the capitularies focusing in particular on how capitularies cross-reference other capitularies. That is, when a capitulary refers to another capitulary, how does it do so? Thinking about how the court conceptualized the capitularies as a set of texts in dialogue with each other enables us to see how the accumulation of these 17 This claim requires attention to different groups of texts. The earliest capitularies are often considered to be those produced by Charlemagne’s father Pippin. The capitularies Pippin and his brother Carloman issued as mayors of the palace skirt a line between being capitularies or council records. However one chooses to classify those texts, Pippin also produced legal texts as king whose status has not been seriously contested (his so-called first capitulary is one example: MGH Capit. 1, no. 13, pp. 31–32). Charlemagne himself also issued capitularies before Herstal, or probably at least one such text. This is the Notitia italica, traditionally dated to 776, but which Rosamond McKitterick has suggested was produced in 774 (MGH Capit. 1, no. 88, pp. 187–188; for McKitterick’s dating, see McKitterick, Charlemagne, pp. 111–113). For the overall dating of the Italian capitularies, Manacorda remains essential reading: Francesco Manacorda, Ricerche sugli inizii della dominazione dei Carolingi in Italia, Rome 1968, now to be supplemented with Claudio Azzara / Pierandrea Moro, I capitolari italici. Storia e diritto della dominazione carolingia in Italia, Rome 1998, and some key observations in Hubert Mordek, Die Anfänge der fränkischen Gesetzgebung für Italien, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bi­ bliotheken 85 (2005), pp. 1–35. Mordek dates the Notitia to 781, the others to 776, but I have followed McKitterick’s date of 774: Jennifer R. Davis, Charlemagne’s Practice of Empire, Cambridge 2015, pp. 410–411. I leave aside here Charlemagne’s contested first capitulary: MGH Capit. 1, no. 19, pp. 44–46. Finally, another possible group of pre-Herstal capitularies are made up of the Merovingian capitularies. Whether these should be considered actual capitularies is debated. For example, Ganshof, Recherches, treats the capitularies as a fundamentally Carolingian genre, while Mordek, Fränkische Kapitularien, pp. 4–5 stresses continuity between Merovingian and Carolingian legislation. The key study of these Merovingian texts is Ingrid Woll, Untersuchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien, Frankfurt am Main 1995. Thus, while establishing the corpus of capitularies produced before Herstal is not without complications (like everything involving capitularies), it is clear that Herstal was not the first such legislative production associated with Frankish kings. It should also be noted that Mordek has raised the possibility of considering two conciliar texts from Bavaria, the Synods of Dingolfing and Neuching as a type of ›ducal‹ capitularies: Mordek, Karolingische Kapitularien, p. 27 (p. 57 in the reprint). The conciliar records are edited in: Concilia Aevi Karolini, ed. Albert Werminghoff, MGH Conc. 2, 1, Hannover 1906, no. 15, pp. 93–97 and no. 16, pp. 99–105, respectively. However, the genre is predominately Frankish and the Bavarian texts, should one choose to consider them capitularies, were produced in a Frankish orbit.

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texts over time helped shape the political trajectory of the empire. Capitularies are fundamentally texts about power: they encode expressions of royal will, often formulated in quite forceful terms. The capitularies were one of the major tools with which Charlemagne and his men sought to govern the vast empire he conquered too quickly to fully know what to do with it. Examining how these texts refer to themselves gives us a window into how the court itself built on its previous practices and sought to shape capitularies into effective tools of political communication. While there is much that could be said about the vocabulary of power in Charlemagne’s capitularies, I hope focusing on this more limited question of cross-referencing, of building  a corpus of legislation that offered tools for rulership, can help us illuminate some essential aspects of Carolingian legal culture. The fact that contemporary texts call themselves, sometimes, capitularies seems to me to make clear that the term meant something to contemporary authors. They knew what they meant, even if we do not. But how then can we understand the variability of the vocabulary? The potential of a computer database to track patterns of usage is one way into this problem. I took the occasion of the original conference on the semantics of law to use the Frankfurt Computational Historical Semantics database to study the use of self-referencing in the capitularies.18 In order to explore this theme, I have analyzed the database results for use of the words capitulare and capitulum and their variants in the capitularies. To provide some context for the use of the word ›capitulary‹ during the reign of Charlemagne, I also examined the terminology used by subsequent Carolingians and the use of other words for law in the capitularies. After presenting these results, I will next briefly consider how the term ›capitulary‹ appears in sources other than capitularies themselves. Finally, I will conclude with some observations about what these patterns of usage have to tell us about the thorny problem of defining capitularies as a genre, processes of archiving or the lack thereof, and the nature of Carolingian legal culture. 18 The argument offered in this article has been updated from that presented at the original conference. However, the database results depend on my original analysis of the data undertaken in January and February, 2017. I am very grateful for Tim Geelhaar’s assistance in using the database. I did the research for this article while a member of the Institute for Advanced Study in Princeton, courtesy of the Herodotus Fund. I quite simply could not have worked with the database results without the help of Maria Mercedes Tuya at the Institute. Maria helped reorganize all the search results into usable Excel files and was instrumental in figuring out how to subtract some ›noise‹ in the results and to organize them so that I was able to analyze them. I record here my profound gratitude for her generous assistance and for the ideal working conditions offered by the Institute. The public version of the database is online at: https://www.comphistsem.org/home.html [last ­accessed 29.09.2020]. I used the version prepared specifically for the University of Cologne.

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2. Methodology My first question was, on the face of it, a simple one: how many times and in what ways is the word capitulare used in the corpus of texts defined as Charlemagne’s capitularies by scholars?19 Even this basic question raised some problems. First of all, the word capitulare had a history before it was appropriated by the Carolingians as a designation for their laws, as noted above. The term was used in a range of ways in the early medieval period,20 including for tax registers, as in Gregory of Tours,21 and, according to Isidore of Seville, as a vulgar word for a head-covering.22 As indicated above, it may have begun to take on a more legal connotation in Italy, where Hubert Mordek has stressed its use in quasi-legal contexts by the papacy.23 It seems to have been first used in the context of a law divided into chapters in Aistulf’s addition to the Lombard laws, and Ganshof has suggested that the Carolingian »technical term« was borrowed from Italian usage.24 When the word is used in Carolingian royal legal texts it is used predominantly to refer to these same legal texts. However, this broader range of possible meanings needs 19 In order to provide context for Charlemagne’s capitularies, I consider the later capitularies as well. However, the references given here will emphasize examples from the capitularies of Charlemagne. See further p. 239–240 below on the corpus of texts included in the database. 20 The fullest account is in Bühler, Capitularia relecta, pp. 321–339, summarized on p. 467. While the readings I offer of particular passages in the following pages frequently differ from those of Bühler, I nonetheless owe a great debt to his work. 21 Noted by Bühler, Capitularia relecta, p. 328. Gregory of Tours, Historiae, ed. Bruno Krusch / Wilhelm Levison, MGH SS rer. Merov. 1, 1, Hannover 1951, book 9, c. 30, p. 449: Gaiso vero comes eiusdem temporis, accepto capitulario, quem anteriores scriptores fecisse commemoravimus, tributa coepit exegere. 22 Isidore of Seville, Etymologiarum sive originum libri xx, ed. Wallace M. Lindsay, Oxford 1911, book 19, c. 31 (non-paginated): Ornamenta capitis feminarum: diadema, nimbum, capitulum et mitra … Capitulum est quod vulgo capitulare dicunt. 23 Mordek, Fränkische Kapitularien, p. 2. We might note in particular the use of the term in Pope Gregory II’s instructions to legates in Bavaria (Litterae Gregorii II Papae decretales, ed. Johannes Merkel, MGH Leges 3, Hannover 1863, pp. 451–454, with capitulare on p. 451) and in the report on the legatine councils of 786 in England (known via George of Ostia’s report to pope Hadrian: Epistolae, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 4, Berlin 1895, pp. 20–29, with capitulare on p. 21). For the former text, see now the new interpretation of its context in Ludger Körntgen, Bonifatius, Bayern und das fränkische Kirchenrecht. Zur Überlieferung des Capitulare Papst Gregors II . für Bayern (716), in: Gordon Blennemann et al. (eds.), Konstanz und Wandel. Religiöse Lebensformen im europäischen Mittelalter, Affalterbach 2016, pp. 33–56; for the latter as a combination of Frankish and Anglo-Saxon elements, see Joanna Story, Carolingian Connections: Anglo-Saxon England and Carolingian Francia, c. 750–870, Aldershot 2003, chapter 3. 24 Ganshof, Recherches, pp. 5–6, with quotation on p. 6. Its usage by Aistulf is cited in note 11 above.

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to be kept in mind when we classify the search results and especially when we consider the use of the term ›capitulary‹ in other sources.25 A more pressing problem emerges from the fact that the word capitulare is clearly linked to capitulum. Accordingly, sometimes the capitularies refer to other capitularies by calling them capitula. This usage has led Steffen Patzold to argue that we might be better off employing the term capitula rather than ›capitulary‹, as a way of escaping from what he sees as a problematic definition of the genre.26 I will return to this argument below. For now, the key issue is that the

25 While I have undertaken searches of the Monumenta Germaniae Historica and the Corpus Christianorum to guide my comments, I have not done so systematically. The examples given here are simply illustrative. 26 Steffen Patzold, Integration durch Kommunikation. Ein Versuch über Herrscher, missi und Kapitularien im Karolingerreich, in: Wolfram Drews (ed.), Die Interaktion von Herrschern und Eliten in imperialen Ordnungen des Mittelalters, Berlin 2018, pp. ­191–211, here p. 205. Patzold is correct that capitula is a more common term, and its importance is underlined by its use by Ansegisus, Collectio capitularium, ed. Gerhard Schmitz, MGH Capit. N. S. 1, Hannover 1996, preface, pp. 432–433: Sed quia in diversis sparsim scripta membranulis per diversorum spatia temporum fuerant, ne oblivioni traderentur, pro dilectione nimia, ut praefatus sum, praedictorum gloriosissimorum principum et pro amore sanctissimae prolis eorum, sed et pro sanctae ecclesiae statu placuit mihi praedicta in hoc libello adunare quae invenire potui capitula praedictorum principum iussu descripta, ut ad sanctae ecclesiae statum longevis conservandum temporibus atque ad meritum praefatorum principum gloriosius in vita perpetua augmentandum proficiant. Its use by Benedict the Levite has also been stressed: Ubl, Kapitularien; see: Benedict the Levite, Benedicti capitularia, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH LL 2, 2, Hannover 1837, preface, p. 39: De conglutinatione istorum et communicatione septem librorum, capitulorum videlicet dominicorum, qualiterque, quibus, et a quibus collecti, ordinati atque conscripti esse monstrantur, sequens indicat lectio et qui etiam istis panduntur versiculis. Equally important is the usage of Hincmar of Rheims, De ordine palatii, ed. Thomas Gross / Rudolf Schieffer, MGH Fontes iuris 3, Hannover 1980, c. 8, pp. 46–48: Habent enim reges et reipublicae ministri leges, quibus in quacunque provincia degentes regere debent, habent capitula christianorum regum ac progenitorum suorum, quae generali consensu fidelium suorum tenere legaliter promulgaverunt. Hincmar, De ordine palatii, c. 34, pp. 90–92: Proceres vero praedicti sive in hoc sive in illo praefato placito, qui et primi senatores regni, ne quasi sine causa convocari viderentur, mox auctoritate regia per denominata et ordinata capitula, quae vel ab ipso per inspirationem Dei inventa vel undique sibi nuntiata post eorum abscessum praecipue fuerant eis ad conferendum vel ad considerandum patefacta sunt. Quibus susceptis interdum die uno, interdum biduo, interdum etiam triduo vel amplius, prout rerum pondus expetebat, accepto ex praedictis domesticis palatii missis intercurrentibus quaeque sibi videbantur interrogantes responsumque recipientes, tam diu ita nullo extraneo adpropinquante, donec res singulae ad effectum perductae gloriosi principis auditui in sacris eius obtutibus exponerentur, et quicquid a Deo data sapientia eius eligeret, omnes sequerentur. Ecce sicut de uno, ita de duobus, vel quotquot essent capitulis agebatur, quousque omnia Deo miserante illius temporis necessaria expolirentur. However, the usage of capitula in these important sources does not mean that the genre we identify as capitularies did not exist as a meaningful category in the late eighth and ninth centuries, as I attempt to show here. This is

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term capitula requires particular attention in my corpus. This term for the texts we call capitularies is also not an original usage; the word capitula had long been employed to signify divisions in legal texts, including the Theodosian code and canon law, as well as some divisions in biblical books (which were also broadly understood by the Carolingians to be, among other things, law).27 A reference to capitula then could possibly evoke a number of different kinds of texts, and could also just mean individual chapters of various kinds of texts.28 Therefore, in my searches, I went through all results for capitulum as well, and selected out those that referred to capitularies in the context of royal law and not just chapters in other senses. To give one example, the chapter below is, to my mind, a clear reference to another capitulary: De teloneis et cespitaticis, sicut in alia capitula ordinavimus, teneant, id est ubi antiqua consuetudo fuit, ita exigantur, ubi nova fuerint inventa, destruantur.29

It must be admitted, however, that some cases are not so clear cut, and are simply judgement calls (some references to ›chapters added to‹ the national laws pose

particularly the case because none of these sources were attempting to define a genre, but rather to introduce  a text or to explain assemblies (which were not the inevitable context for the production of capitularies; see Christina Pössel, Authors and Recipients of Carolingian Capitularies, 779–829, in: Richard Corradini et al. (eds.), Texts and Identities in the Early Middle Ages, Vienna 2006, pp. 253–274, here pp. 255–259; for a very useful discussion of possible contexts for creating capitularies, see Patzold, Integration, pp. 207–210). In this, my approach is directly opposite to that of Tsuda: Takuro Tsuda, Was hat Ansegis gesammelt? Über die zeitgenössische Wahrnehmung der »Kapitularien« in der Karolingerzeit, in: Concilium medii aevi 16 (2013), pp. 209–231. Much of this recent work has emphasized capitularies as tools of communication, which is an important aspect of how the Carolingians used these laws. See also Christoph Haack, Mobilisierung als Bedrohungskommunikation. Das ›Capitulare missorum de exercitu promovendo‹ (MGH Capit. Nr. 50) und die Funktion karolingischer Aufgebotslisten, in: Frühmittelalterliche Studien 54 (2020), pp. 143–172, although I would contest his emphasis on moments of threat provoking clusters of capitularies. That did happen sometimes, but is not the only factor that prompted moments of more intensive legislation. I would like to thank Karl Ubl for sending me a copy of this article. 27 Bühler, Capitularia relecta, pp. 322–333; McKitterick, Charlemagne, p. 233, in reference to the Pauline Epistles. For the Bible in general as law, see, for instance, the Admonitio generalis as re-edited in Die Admonitio generalis Karls des Grossen, ed. Hubert Mordek et al., MGH Fontes iuris 16, Hannover 2012, c. 64, p. 216: Omnibus. Item habemus in lege domini mandatum. The specific reference here is to the book of Leviticus, as indicated in the edition. N. B.: all future citations of the Admonitio generalis will be to the new edition. 28 For example, MGH Capit. 1, no. 41, c. 2, p. 117: X. cap. Homo regius, id est fiscalinus, et aeclesiasticus vel litus interfectus centum solidis conponantur. The cap in this passage clearly is just a reference to the chapter of the Lex Ribuaria the capitulary was meant to supplement. 29 MGH Capit. 1, no. 46, c. 10, p. 132.

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Jennifer R. Davis

these kinds of problems).30 Another scholar going through the corpora I have compiled would undoubtedly make some different classifications in certain cases. Similarly,  a fuller picture would ultimately require taking account of manuscript variations and the titles given to texts in the manuscripts. My first efforts  at considering these (to the extent possible, given the current state of the edition) suggests that this too would not significantly change the results (although the use of headings in manuscripts does change over time, an issue that requires further attention).31 It is also worth noting, however, that the capitularies sometimes explicitly state that capitularies are made up of capitula, underscoring  a contemporary sense that these concepts are linked while not being identical.32 In light of this relationship between the terms capitulare and capitulum I have combined 30 For instance, MGH Capit. 1, no. 77, introduction, p. 170: Karolus serenissimus imperator augustus,  a Deo coronatus, magnus et pacificus, cum episcopis, abbatibus, comitibus, ducibus omnibusque fidelibus christianae ecclesiae cum consensu consilioque constituit ex lege Salica, Romana at que Gombata capitula ista in palatio Aquis, ut unusuquisque fidelis iustitias ita faceret: qui et ipse manu propria firmavit capitula ista, ut omnes fideles manu roborare studuissent. Should we take the capitula to be just the following chapters, evoking legal divisions similar to the laws Charlemagne sought to supplement, or is this a more precise reference to a capitulary? The point could be argued either way, but I have excluded such debatable cases from my counts. Do note in this case, the following chapters do not help, as Steffen Patzold has demonstrated that this introductory clause does not in fact belong to the subsequent text: Steffen Patzold, Das sogennante ›Capitulare Aquisgranense‹ Karls des Großen und die letzte Reforminitiative Ludwigs des Frommen im Jahr 829, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 71 (2015), pp. 459–473. 31 For one famous example of a manuscript title, see Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 4995, f. 19v; cited in Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta: Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, Munich 1995, p. 551: IN CHRISTI NOM . INCIPIUNT CAP. LEGIS IMPERATORIS KAROLI NVPER INVENTA . ANNO TERTIO CLEMENTISSIMI DOMNI nostri karoli augusti sub ipso anno hæc facta capitula sunt et consignata stephano comiti ut hæc manifesta fecisset in ciuitate parisius mallo pubplico et ipsa legere fecisset coram illis scabineis quod ita et fecit. Et omnes in uno consenserunt quod ipsi uoluissent omni tempore obseruare usque in posterum; etiam omnes scabinei episcopi abbatis comitis manu propria subter firmauerunt. The manuscript can be consulted online at: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9066600w.r=4995. langFR [last accessed 29.09.2020]. These titles are worthy of more attention. Thomas Faulkner, Law and Authority in the Early Middle Ages: The Frankish Leges in the Carolingian Period, Cambridge 2016, for instance, pp. 107–115 considers how titles included in manuscripts changed over time. His is  a stimulating discussion, that usefully underscores the importance of the issue, although I cannot agree that this change in titles can be explained by later scribes inventing a royal context for capitularies added to the national laws. 32 MGH Capit. 1, no. 55, c. 3, p. 142: Reliqua capitula quae in anteriore capitulari scripta sunt, tam de venundatione annonae et de reliquis iustitiis et de restauratione aecclesiarum et de pace et de fugitivis et de singulis quibusque causis, omnia ita observentur. Compare Bühler, Capitularia relecta, p. 330, arguing for a more technical relationship between capitulare and capitula.

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

239

the results for these words into one analysis and will use the English word ›capitulary‹ for both. This choice is not meant to ignore the distinction between the words, but to account for the fact that they can, in some cases, have the same meaning. I analyzed each result from the database searches before characterizing them and thus have sought to avoid simply equating the two terms. However, the philological links, conceptual relationship indicated in Carolingian sources, and intertwined usage all underscore the necessity of examining both words together. A few other points must be made to give context to how to interpret the results below. First, the database counts each instance of a word as a hit, and I have followed suit. So a term used twice in the same chapter of a capitulary, would, in the figures I give here, count as two separate instances of the use of the word.33 As some words are used primarily in just a few texts, there is the risk of distortion of some of the results generated by the database, as a word might be used heavily in one particular capitulary, and less so elsewhere.34 Moreover, the database includes all texts edited in the Monumenta Germaniae Historica volumes (minus those subtracted from the corpus by Mordek), and the additional texts edited by Mordek.35 Some of the remaining texts in these volumes are of contested status.36 Other than removing texts about which there is no question (such as the decrees of the triple synod of Reisbach, Freising and Salzburg, which is clearly not a royal capitulary),37 I have let the corpus stand. So, for instance, 33 For example, MGH Capit. 1, no. 40, c. 19, p. 116: Ut populus interrogetur de capitulis quae in lege noviter addita sunt; et postquam omnes consenserint, subscriptiones et manufirmationes suas in ipsis capitulis faciant. This chapter counts as two separate hits in the database, preserved as such in my figures. 34 For example, judging from my database results, the word mandatum is only used to refer to royal law in Charles the Bald’s Edict of Pîtres (MGH Capit. 2, no. 273, pp. 311–328), an unusual text in many respects. There are also a number of other tendencies in usage to be observed, such as the frequent use of decretum to refer to papal law (see further note 52 below) or what might be a link between the use of the word littera to refer to law and the region of Spain. 35 Drawing on his earlier work with Gerhard Schmitz (Hubert Mordek / Gerhard Schmitz, Neue Kapitularien und Kapitulariensammlungen, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 43 (1987), pp. 361–439, now reprinted in Mordek’s Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, pp. 81–159), Mordek published twenty-seven additional texts or collections of material (some newly found, some previously not considered capitularies, some re-edited) in his Bibliotheca capitularium. The list of capitularies established by Mordek is found in his Bibliotheca capitularium, pp. 1079–1110. 36 For instance, the database includes the so-called Capitula ecclesiastica, MGH Capit. 1, no. 81, pp. 178–179, whose status as a capitulary is contested by Schmitz, Einleitung, MGH Capit. N. S. 1, pp. 29–30. 37 Concilia Rispacense, Frisingense, Salisburgense, MGH Conc. 2, 1, no. 24, pp. 206–219. See Davis, Charlemagne’s Practice of Empire, pp. 243–245 for discussion and further bibliography. In general, I was more intrusive with the database for the reign of Charlemagne, as that is the focus of my analysis here.

240

Jennifer R. Davis

the council / capitularies of Charles the Bald’s reign are included in my results, as well as some later conciliar material. The consequence of this choice is that I have looked for self-referencing in a body of material that has been at some point considered to be either capitularies or capitulary-like.38 Thus my analysis will help clarify semantic range within this group of texts, but would not illuminate usage in other, possibly related bodies of sources, and includes material we might prefer to exclude. A final point about method: I have looked for direct references to law, not for implicit citation. That is, the capitularies sometimes repeat things already said in other capitularies. When these repetitions are made without a direct cross-reference to previous law, they have been excluded from my analysis here. Consider, for instance, the following passage: Ut missi nostri populum nostrum iterum nobis fidelitatem promittere faciant secundum consuetudinem iamdudum ordinatum; et ipsi aperient et interpretentur illis hominibus, qualiter ipsum sacramentum et fidelitatem erga nos servare debeant.39

While the capitulary is obviously referring to the arrangements for swearing the oath set out in 802 in capitulary form,40 because the capitulary itself does not directly refer to the prior capitularies, I have not included it in my corpus. I have also not excluded seemingly incorrect cross-references. That is, sometimes the capitularies claim that other capitularies said certain things that we cannot substantiate.41 I have let these stand nonetheless as uses of the term. In short, what I have done is look for the terms by which capitularies directly make reference to what they consider to be other capitularies. While I have not excluded instances 38 The phrasing is close to the German ›kapitulariennahe‹ but the concept, as with so many features of the study of the capitularies, goes back to Ganshof, Recherches, pp. 11–12. 39 MGH Capit. 1. no. 80, c. 13, p. 177. 40 MGH Capit. 1, no. 33, c. 2, p. 92: De fidelitate promittenda domno imperatori. Precepitque, ut omni homo in toto regno suo, sive ecclesiasticus sive laicus, unusquisque secundum votum et propositum suum, qui antea fidelitate sibi regis nomine promisissent, nunc ipsum promissum nominis cesaris faciat; et hii qui adhuc ipsum promissum non perficerunt omnes usque ad duodecimo aetatis annum similiter facerent. Et ut omnes tradetur publice, qualiter unusquisque intellegere posset, quam magna in isto sacramento et quam multa conprehensa sunt, non, ut multi usque nunc extimaverunt, tantum fidelitate domno imperatori usque in vita ipsius, et ne aliquem inimicum in suum regnum causa inimicitiae inducat, et ne alicui infidelitate illius consentiant aut retaciat, sed ut sciant omnes istam in se rationem hoc sacramentum habere. See also MGH Capit. 1, no. 46, c. 2, p. 131: De sacramento. Ut hi qui antea fidelitatem partibus nostris non promiserunt promittere faciant, et insuper omnes denuo repromittant, ut ea quae inter filios nostros propter pacis concordiam statuimus pleniter omnes consentire debeant. 41 For example, as the edition indicates, the capitulary referred to in the following passage does not seem to have survived: MGH Capit. 1, no. 44, c. 6, p. 123: De armatura in exercitu, sicut antea in alio capitulare commendavimus, ita servetur, et insuper omnis homo de duodecim mansis bruneam habeat; qui vero bruniam habens et eam secum non tullerit, omne beneficium cum brunia pariter perdat.

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

241

where capitularies name themselves,42 rather than refer to other capitularies,43 my particular interest here is in how this referencing of texts contributes to shaping the capitularies as a group into a tool of power, or, put differently, into a resource for rulership.

3. Use of Terms capitulare and capitulum in Charlemagne’s Capitularies To that end, my search of the database for references to capitulare, capitulum, and their variants has discovered approximately forty cases of the clear, explicit use of these words to refer to royal legislation in the capitularies of Charlemagne (see table 1). This makes ›capitulary‹ by far the most common term used for royal laws in those same texts.44 Ganshof long ago recognized this,45 but the database allows us to characterize the way the term dominates discussion in more detail. In order to make this claim, however, I needed to look for other possible references to royal law using different words. Ganshof again provides a useful starting point for investigating other options for naming law. In his foundational survey of the genre, he identified a number of terms that could be used for capitularies.46 I took Ganshof’s list as a base, supplemented by terms suggested by Bühler and by colleagues,47 and performed searches for the following words: – Acta – Admonitio – Auctoritas – Carta – Constitutio 42 For example, Capit. 1, no. 67, c. 6, p. 157: Quicumque ista capitula habet, ad alios missos ea transmittat qui non habent, ut nulla excusatio de ignorantia fiat. 43 Such as in MGH Capit. 1, no. 44, c. 21, p. 125: De latronibus, sicut iam antea in alio capitulare commendavimus ita maneat. 44 I have paid no attention to the format of the text. So, for instance, letters that have been considered to convey royal orders and thus included in the Monumenta Germaniae Historica edition are part of my corpus. For example, MGH Capit. 1, no. 97, pp. 203–204: Si quis autem, quod absit, ullus ex vobis de nonis et decimis censibusque reddendis atque precariis renovandis neglegens apparuerit, et inportunus episcopis nostris, de his quae ad ministerium illorum pertinere noscuntur vel sicut in capitulare dudum  a nobis factum continentur, contradicere praesumperserit, sciat se procul dubio, nisi se cito correxerit, in conspectu nostro exinde deducere rationem. While this is in the form of a letter, I have included this as a clear reference to a previous capitulary in my figures. 45 Ganshof, Recherches, pp. 6–7. As I do, Ganshof addresses both capitulare and capitulum together. 46 Ganshof, Recherches, pp. 4–7, especially p. 4. 47 Bühler, Capitularia relecta, pp. 334–335.

242

– – – – – – – – – –

Jennifer R. Davis

Decretum Edictum Littera Mandatum Ordinatio Pactus Privilegium Praeceptum Statutum Testamentum

One could come up with other possibilities to search for, but I think this gives us a reasonable group of comparisons. One omission does require comment. I will not discuss the use of the term lex or other words for law in general. This is a well-studied topic, albeit one where there is room for further research.48 However, as the semantic range of the term is so wide, it would detract from my intention to focus on cross-referencing. I would argue that the capitularies are conceived of by their authors as law, but that broader term is typically not used in the same way to create a self-referential corpus.49 Confining myself then to more specific words for particular types of texts, the table below shows the frequency with which all of these words I selected, and the key terms capitulare / capitulum,50 are used in Charlemagne’s capitularies to refer to capitularies. It must be stressed that these figures do not include every usage of these words, but rather those cases that seem to me to involve a clear, explicit, direct reference

48 A useful starting point for the idea of law in the early Middle Ages is: Gerhard Köbler, Das Recht im frühen Mittelalter. Untersuchungen zu Herkunft und Inhalt frühmittelalter­ licher Rechtsbegriffe im deutschen Sprachgebiet, Köln 1971. 49 For example, the following passage seems to me to make the normative expectations of the capitularies sufficiently clear that to refuse to call them law distorts the meaning of the term: Caroli Magni capitulare generale, c. 40, in: Mordek, Bibliotheca capitularium, Anhang 1, text 13, p. 994: Illud autem omnibus hominibus prȩcipimus, qui fidelitatem nobis promissam custodire voluerint, ista capitula et his similia omnimodis observare, quisquis gratiam nostram habere voluerit; de istis autem capitulariis atque de aliis omnibus, quȩ a multis annis misimus per regnum nostrum, volumus nunc pleniter per missos nostros scire, quid ex his omnibus factum sit vel quis hȩc observet, quȩ ibi prȩcepta sunt, vel quis illa condempnat et neglegat, ut sciamus, quid de his agere debeant, qui tam multis annis dei prȩcepta et decretum nostrum contempserunt. This is, however, by no means to say that the concept of capitularies is equivalent to lex. The use of the word lex itself in the capitularies does not form as tight a discourse as some of the other terms studied here, but that does not mean that the concept of ›law‹ is not applicable to many of them. 50 My results do not demonstrate a particular link between diplomatic form and the term capitulare, as Bühler suggested (Capitularia relecta, p. 334, 467).

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

243

to laws associated with Frankish kings.51 Thus, for example, the word decretum is sometimes employed in the capitularies as a way of indicating papal laws;52 my count here is only those cases where the reference is clearly to the royal laws of Charlemagne or his predecessors. Table 1: Words Used to Refer to Royal Law in Charlemagne’s Capitularies.53 Acta

1

Admonitio

254

Auctoritas

0

Capitulare / capitulum

41

Carta

1

51 As I am working from a corpus of texts thought to be capitularies at some point, there is a danger of circularity. Certainly, the procedure adopted here has no statistical validity. However, within the broad corpus of texts that one might consider to be a capitulary in the very loose sense of a normative / admonitory / administrative decree associated with the Frankish courts (a formulation that sidesteps the issue, discussed below, of if the capitularies are given directly by kings), how do these texts refer to each other? This more limited question, I think, allows us to explore the associations attached to the words used that seem, by their content, to refer to other texts in the loosely defined corpus. This method does not necessarily answer the question of if a particular text should count as a capitulary, but it can help us show the semantic range of the terms used, and thus help us develop a sense of what the concept meant in the late eighth and ninth centuries. Do note too that with such a loose definition, an agenda for discussion can easily be seen as a capitulary: associated with a king does not mean formally composed at an assembly. For a famous example of such an agenda, see Hubert Mordek, Unbekannte Texte zur karolingischen Gesetzgebung. Ludwig der Fromme, Einhard and die Capitula adhuc conferenda, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 42 (1986), pp. 446–470, now reprinted in his Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, pp. 161–185. 52 For example, Mordek et al. (eds.), Die Admonitio generalis, c. 5, p. 186: Omnibus. Item in eodem concilio seu in decretis papae Leonis necnon in canonibus, quae dicuntur apo­ storolum, sicut et in lege ipse dominus praecepit, omnino omnibus interdictum est ad usurum aliquid dare. This usage is particularly common in the Admonitio generalis, with its frequent citations of canon law in its first part. 53 Search words are listed here in nominative forms, but all searches were lemmatized. Note too that some capitularies call themselves more than one thing. Such multiple references in a single capitulary are counted as two separate usages in the chart. For one example, see the reference in the Admonitio generalis to the text as both edictum and carta (note 80 below). This table also includes all references to what I consider to be royal law in Charlemagne’s capitularies, which would include both his own legislation and earlier texts. See further note 66 below on this point. 54 These two uses of admonitio both come from the Admonitio generalis: Mordek et al. (eds.), Die Admonitio generalis, prologue, p. 182: Ne aliquis, queso, huius pietatis ammonitionem esse praesumtiosam iudicet, qua nos errata corrigere, superflua abscidere, recta coartare studemus, sed magis benivolo caritatis animo sucipiat. Mordek et al. (eds.), Die Admonitio generalis, transition paragraph, p. 210: Sunt quoque aliqua capitula, quae nobis utilia huic praecedenti ammonitione subiungere visa sunt. This does not imply that

244

Jennifer R. Davis

Constitutio

0

Decretum

8

Edictum

6

Littera

3

Mandatum

0

Ordinatio

155

Pactus

0

Privilegium

0

Praeceptum

6

Statutum

1

Testamentum

0

To reiterate, while the categorization of individual instances could be argued, I hope that the advantage of using a quantitative approach is that the basic trend will hold. As table 1 indicates, ›capitulary‹ is »the« way that Charlemagne’s court admonitio should be taken as the title of the text. On this point, see Mordek et al. (eds.), Die Admonitio generalis, p. 17–20, especially p. 18 on the use of admonitio and admoneo in this text. Do note I differ here from Buck, Admonitio und Praedicatio, p. 78–82, who considers all the terms used in the text to describe itself, namely, admonitio, carta, and edictum, (for the latter two usages, see note 80 below) to refer to only parts of the text. I think that is too strict and technical and would take them to refer to the whole. They could still potentially count as cross-references nonetheless. The other usage of admonitio worth noting is the so-called Missi cuiusdam admonitio, MGH Capit. 1, no. 121, p. 239: Ammonitionem domni Caroli imperatori audite, fratres dilectissimi. This is clearly not a cross-reference to a capitulary, but the usage here is intriguing. On this complex and difficult text, the starting point is Buck, Admonitio und Praedicatio, p. 157–238, 376–394. 55 The sole case of using ordinatio to refer to a capitulary is MGH Capit. 1, no. 50, c. 2, p. 137: Volumus atque iubemus, ut idem missi nostri diligenter inquirant, qui anno praeterito de hoste bannito remanissent super illam ordinationem quam modo superius comprehenso de liberis et pauperibus hominibus fieri iussimus; et quicumque fuerit inventus, qui nec parem suum ad hostem suum faciendum secundum nostrum iussionem adiuvit neque perrexit, haribannum nostrum pleniter rewadiet et de solvendo illo secundum legem fidem faciat. Christoph Haack, Mobilisierung, has argued that the passage does not refer to MGH Capit. 1, no. 48, p. 134–135, as has been the common assumption. Rather, he suggests the term ordinatio means just a royal order in a looser sense. He is correct that most usages of the term in the capitularies (other than clerical ordination, its most common meaning), when used in reference to kings, means simply command (pp. 166–167). The term could indicate a command conveyed in a capitulary, but it need not, and thus I have not counted such references here. However, in this case, it seems to me the most likely interpretation of this chapter is that it does indeed seek to refer to an earlier capitulary and I have counted it as such. One need not subscribe to an old-fashioned view of the capitularies as modern normative law to interpret a particular passage as expressing a cross-reference. Moreover, Haack proposes that the reference to modo superius means the first chapter of the capitulary (Haack, Mobilisierung, p. 158). In that case, ordinatio would still be a cross-reference for my purposes.

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

245

invoked Frankish royal law.56 While decretum, edictum, and praeceptum have a place in court usage, the other words are used exceptionally or not at all. The predominant words the court itself used to designate material seen by scholars as court products were capitulare / capitulum or their variants. The use of the words capitulare / capitulum also reveals two other key features of these terms as expressions of power. This is because while the terms were used regularly, they were also generally employed in quite specific ways. The majority of the time, when the capitularies cross-reference other capitularies, they do so by seeking to underline that capitularies are given by kings,57 that they give orders,58 or both these points.59 That is, most of the cross-references to capitularies found in Charlemagne’s capitularies stress signs of authority, in the form of invocation of the name of the king explicitly (a tendency also underlined by Bühler)60 or by linking the word ›capitulary‹ to a verb of command:61 A few examples can illustrate the point: 56 I will discuss the issue of the composition of the capitularies further below. However, regardless how much emphasis one puts on the royal nature of the capitularies, and the role played by ›unofficial‹ copies, most of those copies were prepared for aristocrats and thus, to my mind, can be thought of as in some sense court products using a court vocabulary. For the extent to which aristocrats were court figures, see Stuart Airlie, The Aristocracy in the Service of the State in the Carolingian Period, in: Stuart Airlie et al. (eds.), Staat im frühen Mittelalter, Wien 2006, pp. 93–111, now reprinted in his Power and its Problems in Carolingian Europe, Farnham, 2012, chapter 5 pp. 1–32; Stuart Airlie, Semper Fideles? Loyauté envers les Carolingiens comme constituant de l’identité aristocratique, in: Régine Le Jan (ed.), La royauté et les élites dans l’Europe carolingienne (début IXe siècle aux environs de 920), Lille 1998, pp. 129–143, now reprinted in his Power and its Problems in Carolingian Europe, chapter 8 with original pagination; Matthew Innes, ›A Place of Discipline‹: Carolingian Courts and Aristocratic Youth, in: Catherine Cubitt (ed.), Court Culture in the Early Middle Ages, Turnhout 2003, pp. 59–76. 57 To give one example, see MGH Capit. 1, no. 28, c. 25, p. 76: Ut decimas et nonas sive census omnes generaliter donent qui debitores sunt ex beneficia et rebus ecclesiarum secundum priorum capitularum domni regis; et omnis homo ex sua proprietate legitimam decimam ad ecclesiam conferat. 58 For instance: MGH Capit. 1, no. 44, c. 14, p. 125: De fugitivis clericis sive laicis vel etiam feminis, sicut iam in alio capitulare praecepimus ita servetur. 59 For example, MGH Capit. 1, no. 79, c. 3, p. 175: id est, ut refectoria et dormitoria una simul observentur, quemadmodum iamdudum in capitulis nostris iniunctum habemus. 60 Bühler, Capitularia relecta, p. 333. Note that I am interested here in reference to the king in any form, whether in the use of the first person or third. Therefore, the distinctions addressed by Glatthaar, Subjecktiver und indirecker Stil are not the focus of my analysis here. 61 For example, compare MGH Capit. 1, no. 46, c. 1, p. 131: Ut unusquisque in suo missatico maximam habeat curam ad praevidendum et ordinandum ac dispondendum secundum Dei voluntatem et secundum iussionem nostram. I would argue that the reference to ›our command‹ in this chapter refers both to capitularies and to the king’s wishes broadly, conveyed orally or in writing. However, such a passage makes no direct reference to a capitulary and thus would not be germane for the analysis here.

246

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Charlemagne’s Capitularies 25

20

15

10

5

0

Reference to king

Verb of command

Both

No reference to authority

Fig. 1: Features Associated with the Use of the Words Capitulare / Capitulum and Their Variants in Charlemagne’s Capitularies.

Praecipimus autem missis nostris, ut ea quae a multis iam annis per capitularios nostros in toto regno nostro mandavimus agere, discere, observare vel in consuetudine habere, ut haec omnia nunc diligenter inquirant et omnino innovare ad servitium Dei et ad utilitatem nostram, vel ad omnium christianorum hominum profectum innovare studeant et, quantum Domino donante prevalent, ad perfectum usque perducant. Et nobis omnino adnuntient, quis inde certamen bonum hoc adimplere habuisset, ut a Deo et a nobis gratum habeat; qui autem neglegens inde fuerit, ut talem disciplinam percipiat, qualem talis sit contemptor percipere dignus, ita ut ceteri metum habeant amplius.62 Ut servi, aldiones, libellarii antiqui vel illi noviter facti, qui non pro fraude nec pro malo ingenio de publico se subtrahentes, sed pro sola paupertate et necessitate terram aecclesiae colunt vel colenda suscipiunt, non a comite vel a quolibet ministro illius ad ulla angaria seu servitio publico vel privato cogantur vel compellantur; sed quidquid ab eis iuste agendum est a patrono vel domino suo ordinandum est. Si vero de crimine aliquo accusantur, episcopus primo compellatur, et ipse per advocatum suum secundum quod lex est, iuxta conditionem singularum personarum iustitiam faciant; sin vero, sicut in capitulare nostro scriptum est, ita fiat.63

62 MGH Capit. 1, no. 60, c. 4, p. 147. 63 MGH, Capit. 1, no. 93, c. 5, p. 196.

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

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The cases above both make explicit reference to previous capitularies, and put emphasis on the ideas that capitularies are produced by kings (which does not of course mean that they were not also products of consensus and communal composition) and that capitularies encode commands. I have tried to be quite conservative in evaluating the appearance of references to the king or verbs of command. I have counted only instances where the king’s direct link to the capitulary is made explicit by naming the king, or referring to the capitulary as imperial or royal, or ours, when the chapter is given in the first person.64 Similarly, I have looked for cases where the verb of command is directly tied to the evocation of a capitulary, excluding instances where the chapter as a whole may convey  a command, but where the text does not explicitly state that the command was given in the form of a capitulary.65 Even in light of these stringent criteria, reference to the king and use of verbs of command are the standard accompaniments to the usage of the word ›capitulary‹. When the court chose to make explicit reference to previous capitularies, it did so in quite particular and consistent ways, including by emphasizing royal authority in the form of directly invoking Charlemagne’s responsibility for the capitularies and insisting that they were a vehicle for conveying orders.66 Referring to capitularies does not just indicate law, but law with a particular function and origin.

64 For example, while the following chapter makes it clear, to my mind, that the king made the order, as the chapter does not explicitly state this, it would count as a reference to a command, but not to the king in my figures: MGH Capit. 1, no. 52, c. 4, p. 139: Ut nullus se periurare praesumat; et si fecerit, sicut in anterioribus capitulis mandatum est manum perdat aut redimat. What variations in person and other stylistic shifts in the capitularies mean has been debated. For useful orientation into this topic, see Glatthaar, Subjektiver und indirekter Stil. 65 For instance, Caroli Magni capitulare ecclesiasticum, in: Mordek, Bibliotheca capitularium, Anhang 1, no. 12, c. 10, p. 985: Ut libros suos episcopi atque abbates per singula loca emendent, similiterque vitiosos scriptores; quia dum bene rogare cupiunt deum, ut in capitulariis dominicis scriptum est, per inemendatos libros male rogant. While the echo of the Admonitio generalis is clear: Mordek et al. (eds.), Admonitio generalis, c. 70, MGH Fontes iuris 16, p. 224: Psalmos, notas, cantus, compotum, grammaticam per singula monasteria vel episcopia et libros catholicos bene emendate, quia sepe dum bene aliqui deum rogare cupiunt, sed per inemendatos libros male rogant) and the chapter obviously evokes royal capitularies, its wording does not, strictu sensu, explicitly state a royal command given in a capitulary. The sense is clear, but the text does not spell it out. 66 For another example, see MGH Capit. 1, no. 94, c. 7, p. 199: Placuit nobis de ecclesiis baptismalibus, ut in omnibus ita debeant esse ordinate et conservate, quomodo domnus Karolus rex demandavit et in suo capitulare continet. In the case of Charlemagne’s capitularies, use of the terms capitulare and capitula do in fact mean his own legislation, as opposed to that of earlier Frankish kings, with one exception (cited in note 83 below.)

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4. The Vocabulary of Later Capitularies A few words about how specific this is, or is not, to Charlemagne’s capitularies are necessary. As suggested above, the use of the term capitulare for capitularies did not emerge until the reign of Charlemagne. Therefore, in terms of the use of this particular word, our only source for direct comparison is the use of the term in the capitularies of later Carolingians. As for the analysis of the capitularies of Charlemagne, I will include both capitulare and capitulum in my analysis, as they can be used with the same meaning, contingent, in each case, on careful consideration of the passage in question. Other Carolingian capitularies 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Reference to king

Verb of command

Both

No reference to authority

Fig. 2: Features Associated with the Use of the Words Capitulare / Capitulum and Their Variants in Capitularies After Charlemagne.67

As displayed in figure 2, the later Carolingians continued to use the word ›capitu­ lary‹ and its variants to cross-reference other Frankish legislation, and they continued to do so by highlighting signs of authority, including using verbs of command in conjunction with the word ›capitulary‹ and explicitly identifying these texts as royal. The examples below, one from Louis the Pious and the other from Charles the Bald, give some sense of the language used: 67 This chart includes references to earlier independent capitularies, or what seem to be, that is, not to the collection of Ansegisus, or at least not explicitly.

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

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De nonis quidem et decimis, unde et genitor noster et nos frequenter et in diversis placitis admonitionem fecimus et per capitularia nostra qualiter haec observarentur ordinavimus, volumus atque iubemus, ut de omni conlaboratu et de vino et foeno fideliter et pleniter ab omnibus nona et decima persolvatur; de nutrimene vero pro decima, sicut hactenus consuetudo fuit, ab omnibus observetur.68 Denuntiandum est omnibus et a missis nostris ordinandum, ut omnes ecclesiae et presbyteri sub inmunitate ac privilegio et ordinatione atque dispositione episcoporum singularum parrochiarum, in quibus consistunt, secundum auctoritatem canonicam et capitularia domni Karoli imperatoris avi nostri et pii augusti Hludowici domni et genitoris nostri permaneant.69

If anything, the association between the concept of the capitulary and signs of authority was strengthened under the later Carolingians. This is not to say that nothing changed over time. One major shift in how capitularies were cited in other capitularies was the composition of Ansegisus’ collection. The ways in which later courts made use of Ansegisus has been well-studied, so I will confine myself here to one observation.70 The new option of citing Ansegisus supplemented, but did not replace, the older ways of referring back to earlier capitularies. My search of the Frankfurt database has discovered about 170 citations of capitularies in the old style, and about 100 direct citations of Ansegisus (again, I leave aside citations that are not explicitly identified as such in the texts. I also have excluded from my counts cases where Ansegisus repeats earlier legislation, that is, when I count the number of times decretum, for instance, is used to refer to capitularies, I do not double count Ansegisus’ repetition of earlier examples. However, the numbers do include all texts in the Monumenta Germaniae Historica so ideally they would need to be adjusted to remove, in particular, later conciliar texts).71 I will return to the implications of these ways of citing capitularies below, but the emergence of Ansegisus clearly did shape how courts made use of earlier capitularies. However, and this point perhaps bears emphasis, this new way of referring to capitularies did not exclude the older ways, suggesting that in some respects the impact of Ansegisus on how Carolingian courts used capitularies can be overstated. At the least, capitularies as  a group of discrete, individual texts continued to be regularly referred to by Carolingian courts, and in ways that continued and even augmented the

68 MGH Capit. 1, no. 150, c. 23, p. 307. 69 MGH Capit. 2, no. 259, c. 4, p. 268. 70 The key starting point for such study is Schmitz’s discussion in his introduction to the edition: Schmitz, Einleitung, MGH Capit. N. S. 1, pp. 286–299. 71 It is of course possible that a reference to a previous capitulary, unspecified, could mean Ansegisus, not the original capitulary. My analysis does not control for that possibility. The database includes capitularies as defined by Mordek; see further pp. 239–240 above.

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discourse linking kings, capitularies, and the power to command that emerged during the reign of Charlemagne. If this linkage of kings, capitularies and command was indeed a sustained Carolingian discourse, we might also ask if it was specific to the idea of the capitulary as a particular form of law. This is where my other terms for comparison can also come in handy. It must be admitted that some of these comparisons are not necessarily of apples to apples. A reference to a decretum evokes a written text in the way in which a reference to, say, a praeceptum, which could take multiple forms, does not.72 It is therefore possible that my counts overlook implicit references to capitularies, although the fact that these references are not spelled out is also worthy of note. Despite these limitations, the corpus of other legal terms does offer some food for thought. The first thing we must observe is that they are simply not used regularly enough to constitute a discourse, in the sense of a sustained set of ways to talk about law and its meaning. When other kinds of words for legislation are employed, they do sometimes make direct reference to rulers or are associated with verbs of command. But the combination of  a relatively small number of references and variable contexts makes it harder to see them as expressing a coherent view of royal lawgiving in the way that the word ›capitulary‹ does. However, I think we do learn two things that are important from examining these other possible ways of referring to law, related to changing vocabulary over time and the specificity of legal vocabulary. In terms of change, Ganshof observed that while the word ›capitulary‹ was more common than any other expression already during the reign of Charlemagne, other terms were used.73 He also argued that these other terms declined in frequency after the reign of Charlemagne, leaving the field clear for the triumph of the term ›capitulary‹ as a way of talking about royal law. He did note the exception of the word constitutio, which becomes common only after the reign of Charlemagne, a development he linked to the influence of Roman tradition.74 These claims need nuancing. Some terms did become less common over time, and Ganshof is right to draw attention to the use of several terms under Charlemagne, as the court worked to develop a vocabulary for a tool that, while it may not have been 72 My search of the database generated roughly the same number of hits for the words decretum and praeceptum. In the case of decretum for only around 10 % of hits was a link to written law questionable. In the case of praeceptum, for almost two-thirds of the results it was not clear if the reference meant to indicate written law or not. Rather, these references possibly involved a range of meanings (including concepts like God’s commands, which could be written or not). 73 Ganshof, Recherches, pp. 4–7. 74 Ganshof, Recherches, p. 7. The turning point in the use of the term constitutio seems to be the reign of Louis the Pious. The new edition of the capitularies shows eleven uses of the word to refer to capitularies in the corpus of Louis’ legislation. I would like to thank Karl Ubl for sharing this information with me.

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

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new, was being used in radically new ways. This kind of multiplicity of early approaches is very common in Charlemagne’s reign.75 However, over time, other terms were used more (pactus, for instance, reemerges as a legal word later in the period),76 illustrating that the term ›capitulary‹ did not entirely crowd out all other usages. The word ›capitulary‹ was the major way in which the Franks referred to their own laws, but they could draw on other terms when this was useful. This brings me to my second point. Where the term ›capitulary‹ was a way of broadly talking about law and its links to kings and commands, other words were used in quite specific and targeted ways. I will give just one example here, the use of the word edictum. Edictum is used as a way to refer to law clearly and directly twenty-one times in the corpus (excluding references that are Ansegisus’ repetitions of earlier chapters). The distribution of these references is illustrated in table 2. Table 2: Use of the Word Edictum in the Capitularies.77 Merovingians

5

Charlemagne

10

Lothar

1

Charles the Bald

3

Synods

2

Total

21

75 This is one of the core arguments of part I of my 2015 book: Davis, Charlemagne’s Practice of Empire. 76 After being used in the Merovingian period, the word pactus disappears until seemingly 843. MGH Capit. 2, no. 254, c. 2, p. 255: Honor etiam regius et potestas regali dignitati competens atque sinceritas et optemperantia seniori debita, remota omni socordia et calliditate seu qualibet indebita quorumcumque coniunctione contra honorem et potestatem atque salutem nostram sive regni nostri soliditatem, nobis in omnibus et ab omnibus, sicut tempore antecessorum nostrorum consueverat, exhibeatur. Et si quis quemcumque contra nos et contra hanc pactam sinceritatem aliquid moliri manifeste cognoverit, si eum converti nequiverit, aperte prodat atque denotet. Et sic consilio atque auxilio episcopalis auctoritas et fidelium unanimitas, ut noster honor et potestas regia inconvulsa permaneat, totis nisibus decertare et adiuvare procuret. One could argue that pactus here refers to the relationship of concord between king and aristocracy the chapter evokes, but I would be inclined to interpret it as referring to the text in question. It should also be noted that the database excludes the treaties with the Venetians, where the word pactus is used. 77 As noted, these figures exclude repetitions of previous chapters in Ansegisus. I also omit one debatable instance where I am uncertain if the word should be taken to refer to a more general sense of command. Additionally, I have excluded a synodal reference that is a citation of Ansegisus. The Council of Mainz of 852 cites, via Ansegisus, Collectio capitularium, MGH Capit. N. S. 1, book 1, c. 75, pp. 471–473, the passage from the Admonitio generalis partly cited in note 84 below. While the database found this council as it was edited in MGH Capit. 2, it should now be consulted in Die Konzilien der karolingischen Teilreiche

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However, these results can be categorized in more detail. The Merovingian usage is entirely to characterize their texts as legislation.78 Under Charlemagne, the word is used in multiple ways (see table 3). Table 3: The Use of Edictum in Charlemagne’s Capitularies.79 Canon law

1

Charlemagne’s own legislation

4 (2 times in relationship to coinage)

Pippin’s legislation

2

Lombard law

3

It is used four times to characterize Charlemagne’s own legislation; interestingly two of these four references are in relation to coinage, and one wonders if there is a Roman connotation being evoked here.80 It is also used once to refer to ›syn

843–859, ed. Wilfried Hartmann, MGH Conc. 3, Hannover 1984, here c. 14, p. 250. As Hartmann demonstrates, the replication of the rubric makes clear the council was citing Ansegisus, not the Admonitio generalis directly. 78 For example, MGH Capit. 1, no. 7, c. 4, p. 16: Qui vero edictum nostrum ausus fuerit contempnere, in cuiuslibet iudicis pago primitus admissum fuerit, ille iudex collectum solatium ipsum raptorem occidat, et iaceat forbatutus. 79 Do note the difference with the figures given in table 1. There, 6 uses of edictum are noted. However, those six hits are references to the use of the word to indicate royal law, of Charlemagne himself or earlier. The table here includes all usages in texts produced during Charlemagne’s reign to any kind of edicts, royal or not. The six ›royal‹ references in table 1 are represented here by the four times edictum is used to indicate Charlemagne’s own legislation and the two times it is used to refer to his father’s Pippin’s legal work. 80 The references in the context of coinage are: MGH Capit. 1, no. 28, c. 5, p. 74: De denariis autem certissime sciatis nostrum edictum, quod in omni loco, in omni civitate et in omni empturio similiter vadant isti novi denarii et accipiantur ab omnibus. Si autem nominis nostri nomisma habent et mero sunt argento, pleniter pensantes, si quis contradicit eos in ullo loco in aliquo negotio emptionis vel venditionis: si ingenuus est homo, quindecim solidos conponat ad opus regis; si servilis conditionis, si suum est illud negotium proprium, perdat illud negotium aut flagelletur nudus ad palam coram populo; si autem ex iussione sui domini fecerit, tunc ille dominus solidos quindecim componat, si ei adprobatum fuerit; MGH Capit. 1, no. 44, c. 18, p. 125: De falsis monetis, quia in multis locis contra iustitiam et contra edictum fiunt, volumus ut nullo alio loco moneta sit nisi in palatio nostro, nisi forte iterum a nobis aliter fuerit ordinatum, illi tamen denarii qui modo monetati sunt, si pensantes et meri fuerint, habeantur. The use of the word nomisma in the first reference, to the best of my knowledge a unique incidence in the capitularies, reinforces the sense of  a Roman connection. The third reference is in the dating clause of the Admonitio generalis: Mordek et al. (eds.), Admonitio generalis, MGH Fontes iuris 16, p. 238: Anno dominicae incarnationis DCCLXXXVIIII, indictione XII, anno XXI regni nostri actum est huius legationis edictum in Aquis palatio publico. Data est haec carta die X kalendas Aprilis. This clause was printed in the Boretius edition as the start of the next capitulary, the so-called Duplex legationis edictum, MGH Capit. 1, no. 23, p. 62. For the argument that the clause properly belongs with the Admonitio generalis, see Mordek et al. (eds.), Die Admonitio generalis, pp. 20–24. The fourth reference is from the Breviarium missorum

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odal edicts‹, in the context of canon law.81 The term is additionally used twice in relation to Pippin’s legislation,82 perhaps because there was some concern about calling these texts capitularies ›avant la lettre‹ (although this does happen once).83 In one of these cases, Pippin’s legislation is characterized as ›synodal edicts‹84 (this indeed in reference to a text that could be seen to skirt the line between councils and capitularies).85 The final three usages are to refer to the Lombard law, at least once in the case of Charlemagne adding to said corpus.86 The semantic range here is thus wider than simply legislation, but also quite specific.

81

82

83 84

85 86

Aquitanicum, MGH Capit. 1, no. 24, c. 1, p. 65, in which the usage may be determined by the comparison to Pippin’s legislation for Aquitaine, also referred to as an edict in that same chapter (cited in note 82 below). Mordek et al. (eds.), Admonitio generalis, c. 6, MGH Fontes iuris 16, pp. 186–188: Episcopis. Auditum est aliquos presbiteros missam celebrare et non communicare, quod omnino in canonibus apostolorum interdictum esse legitur. Vel quomodo dicere recte potest, si non communicaverit, Sumpsimus, domine, sacramenta? Haec vero per singula capitula in statutis Nioceni concilii legere potestis seu in aliis sanctorum patrum sinodalibus edictis. For references in Charlemagne’s capitularies to Pippin’s capitularies as edicts, see: MGH Capit. 1, no. 24, c. 1, p. 65: De illo edicto quod domnus et genitor noster Pipinus instituit et nos in postmodum pro nostros missos conservare et implore iussimus vel de nostros edictos, quomodo fuerunt custoditi. The second reference is from the Admonitio generalis, and is cited in note 84 below. MGH Capit. 1, no. 20, c. 12, p. 50: Capitula vero quae bonae memoriae genitor noster in sua placita constituit et sinodus conservare volumus. Mordek et al. (eds.), Admonitio generalis, c. 79, MGH Fontes iuris 16, pp. 230–232: Statuimus quoque secundum quod et in lege dominus praecepit, ut opera servilia diebus dominicis non agantur, sicut et bonae memoriae genitor meus in suis synodalibus edictis mandavit. Note here not only the repetition of the idea of »synodal edicts,« as in note 81, but also the association of a synodal element and the legislation of Pippin, as in the note above. The cross-reference is to the Council of Ver (MGH Capit. 1, no. 14, c. 14, p. 36), as noted in both the Monumenta Germaniae Historica capitulary volume and the new edition of the Admonitio generalis. MGH Capit. 1, no. 91, c. 9, p. 193: De servis et ancillis fugacibus ut unusquisque iudex stu­ dium ponat ad perequirendum iuxta ut edictus continet. MGH Capit. 1, no. 98, Introduction, pp. 204–205: Quocirca nos, considerantes utilitatem nostram et populi a Deo nobis concessi, ea quae ab antecessoribus nostris regis Italiae in edictis legis Langobardicae ab ipsis editae pratermissa sunt, iuxta rerum et temporis considerationem addere curavimus, scilicet ut necessaria quae legi defuerunt supplerentur, et in rebus dubiis non quorumlibet iudicium arbitrium, set nostrae regiae auctoritatis sanctio praevaleret. Capitula autem quae nobis addere placuit haec sunt. MGH Capit. 1, no. 105, c. 14, pp. 218–219: Sicut consuetudo nostrorum est, ut Langobardus vel Romanus si evenerit quod causam inter se habeant, observamus, ut Romanus populus successionem eorum iuxta suam legem habeant; similiter et omnes conscriptiones iuxta suam legem faciant et, quando iurant, iuxta suam legem iurent et, quando component, iuxta legem cui malum fecerint componant; et Longobardos similiter convenit componere. De ceteris vero causis communi lege vivamus, quam domnus excellentissimus Karolus rex Francorum atque Longobardorum in edicto adiunxit. The last of these references raises several questions. The chapter is not from a discrete capitulary as such, but is edited as part of a collection of additional chapters with Italian context taken primarily, as in this case, from the Liber papiensis. In the context of the Liber papiensis

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What is particularly interesting is that this range of associations persists in later usage of the word. In the case of Lothar, the word is again used in the context of the Lombard law, in  a capitulary produced for Italy.87 Charles the Bald uses the term three times, once in Italy in reference to the capitularies of Charlemagne and Louis the Pious,88 again reflecting the connection between this word and that kingdom, once as  a general term for his legislation,89 and finally as  a characterization of the capitularies as imperial legislation.90 The synodal references similarly reflect some older understandings: the term is used to mean legislation, but in reference to both the contemporary Carolingian ruler and in an interesting evocation of Merovingian legislation.91 This survey of the

87 88 89 90

91

(a text that cries out for further study), we could interpret the reference above as suggesting that Charlemagne added to the Lombard law (particularly as the Liber combines Lombard and Carolingian materials). It is also possible to read it as indicating simply the additional legal material Charlemagne produced for Italy. More problematically, it seems to me questionable whether the chapter, although ascribed to Charlemagne or Pippin of Italy (whose legislation I do subsume into Charlemagne’s) in some manuscripts, is genuine. MGH Capit. 1, no. 157, c. 3, p. 317: Si quis adulter cum adultera conprehensus, secundum edicta legis Langobardorum marito adulterae ambo ad vindictam traditi fuerint, si eos quispiam emerit eosque coniunctos in eodem scelere habere repertus fuerit, ipsos fiscus adquirat. MGH Capit. 2, no. 221, c. 4, p. 101: Ut ecclesiasticus honor et sacerdotalis atque clericalis reverentia debita competentique sinceritatis religione ab omnibus amplectatur et ab omnibus custodiatur, sicut avi et genitoris nostri monent edicta. MGH Capit. 2, no. 273, c. 34, p. 326: Unde cum episcopis et ceteris Dei ac nostris fidelibus tractavimus, quid nobis esset agendum; et quod cum eis inde invenimus ac constituimus, praesenti edicto decrevimus … MGH Capit. 2, no. 256, p. 258: Si enim ea, quae ob utilitatem sanctae Dei ecclesiae imperialibus edictis sunt constituta, magnificentiae nostrae confirmatione denuo instituentes corroboramus, ad diuturnam prosperamque regni a Deo nobis collate stabilitatem id ipsum adtinere non dubitamus, quin etiam ad capessendam aeternae felicitatis beatiudinem profurturum nobis liquido credimus. This text, one of  a series of regulations produced for recently conquered Spanish territory, should arguably be considered a diploma, not a capitulary (and thus could be considered a diploma referencing previous diplomas). For this group of texts, see Philippe Depreux, Les préceptes pour les Hispani de Charlemagne, Louis le Pieux et Charles le Chauve, in: Philippe Sénac (ed.), Aquitaine-Espagne (VIIIe-XIIIe siècle), Poitiers 2001, pp. 19–38. The Council of Quierzy of 858 refers to an edict of Charlemagne; as in note 77 above, in this note my references will be to the new edition of the councils: MGH Conc. 3, c. 7, pp. 416–417: Unde et domnus Carolus imperator adhuc in regio nomine constitutus edictum fecit, ut nec ipse nec filii eius neque successores huiusmodi rem agere adtemptarent; quod manu propria firmavit, cuius plenitudinem habemus, et de quo capitulum excerptum in libro capitulorum eius, quicunque librum illum habet et legere voluerit, invenire valebit. As Hartmann observes, Charlemagne does not seem to have produced such a capitulary. This interesting chapter refers to Ansegisus and Benedict the Levite and elsewhere to the capitularies as capitula: p. 413: Ut presbyteris honor congruus et iura et iura debita, quae canones et capi­tula avi et patris vestri statuerunt, conserventur, satagite. This multiplicity of vocabulary reveals not the bankruptcy of the genre, but its richness and flexibility. The Merovingian reference is from the Council of Meaux-Paris in 845 and 846, MGH Conc. 3, c. 73, p. 122: Ut Iudeis a cena domini usque primum pascha secundum edictum

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use of the term edictum allows us to chart  a development in meaning. What was a basic term for legislation under the Merovingians retained that sense for the entirety of the period. However, the usage became more specific under the Carolingians, who tended to employ the term in contexts that evoked the law of the Church, the Roman heritage, and especially Lombard tradition. There is much to be gained from a similar unpacking of other terms. While space does not permit such an analysis here, I suggest that the importance of the investigation of these other words is that it allows us to appreciate the particularity of the use of the term ›capitulary‹ and its specific semantic range. The Carolingian court employed  a primary discourse of law that focused on capitularies as the vehicle for delivering royal commands. The nexus of king / law / command may not have been exclusive to the capitularies, but it was predominantly associated with the capitularies. Other legal terms had their own particular set of associations. The use of other legal vocabulary that may have overlapped somewhat with ›capitulary‹, but was distinct from it, underscores that the choice of terms was conscious and thoughtful. The Carolingians did have other ways to talk about law and they did so when this was useful, revealing a far more sophisticated deployment of legal terminology than the early Middle Ages is often given credit for. A word also must be said about if this legal vocabulary extended beyond the capitularies themselves. This is a topic worthy of a paper of its own, so I can make only a few points. There are occasional cases of the word capitulare being used to refer to texts other than royal capitularies.92 To give a particularly clear example, Theodulf of Orléans’ first episcopal statute calls itself a capitulary,93 in a passage bonę recordationis domni Childeberti regis per plateas aut forum quasi insultationis causa deambulandi licentia denegetur, et ut reverentiam cunctis sacerdotibus domini vel clericis inpendant nec ante sacrdotes consessum nisi ordinati habere praesumant. Hartmann makes clear the relationship of this chapter to Amolo of Lyons’ treatise on the Jews. 92 For this section of the paper, I will focus on use of the word capitulare rather than capitulum. Given the wider range of meaning of the latter term, this emphasis on the more specific term will allow us to focus our discussion. A complete investigation would benefit from consideration of both words. 93 Theodulf of Orléans, first capitulary, ed. Peter Brommer, MGH Capit. episc. 1, Hanno­ ver 1984, c. 21, p. 117: Cum ergo omnium sanctarum scripturarum paginae instrumentis bonorum operum refertae sint et per sanctarum scripturarum campos possint inveniri arma, quibus vitia comprimantur et virtutes nutriantur, libuit nobis huic nostro capitulari inserere sententiam cuiusdam patris … Even here, the term could imply no more than a list of chapters: Theodulf of Orléans, first capitulary, Introduction, p. 103: Obsecro etiam fraternitatem vestram, ut haec capitula, quae ad emendationem vitae breviter digessi, assidue legatis et memoriae commendetis et eorum sive sanctarum scripturarum lectione mores componatis, vitam emendetis et cum subditis plebibus opitulante domino ad regna caelestia pergere certetis. The best introduction to the episcopal capitularies is now Carine van Rhijn, Shepherds of the Lord: Priests and Episcopal Statutes in the Carolingian Period, Turnhout 2007.

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repeated by Atto of Vercelli.94 On the whole, however, while other meanings remain, we have more evidence of the word capitulary being used to represent royal law than the contrary, in contexts ranging from library catalogues95 to one of Agobard of Lyon’s treatises on the Jews.96 Moreover, when the word is employed in other sources, not only does it usually mean a royal capitulary, it is also typically used with awareness of its directly royal context. To give one example, when the Council of Mainz in 847 cited  a regulation first given in Charlemagne’s double capitulary of Thionville, it made one small adjustment that underscored the royal nature of capitularies. Table 4: Referencing Capitularies in Other Sources. Charlemagne’s Double Capitulary of Thionville

Council of Mainz (847)

Et ut saepius non fiant manniti ad placita, nisi sicut in alio capitulare praecepimus ita servetur.97

Et ut sepius non fiant manniti ad placita nisi sicut in dominico capitulari olim facto pręcipitur.98

94 Atto of Vercelli, episcopal capitulary, ed. Rudolf Pokorny, MGH Capit. episc. 3, Hannover 1995, c. 96, p. 300. 95 For example, Reginbert’s catalogue from Reichenau records capitularies: Paul Lehmann (ed.), Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, vol. 1, München 1918, p. 260: In XVII. libro continentur leges diversae, id est lex Alemannorum, lex Ripuaria, lex Salica, lex Theodosiana et diversi capitulares Pippini, Karoli et Hludovici regum et ordo ecclesiasticus Romanae ecclesiae et qualiter missa celebretur et de officis divinis in noctibus a caena Domini usque in pascha et qualiter in sancta Romana ecclesia reliquiae conduntur et quomodo in sancta Romana ecclesia ordinationes fiant et capitula in omnibus laborandi cura. There are also references to capitula, which, while requiring interpretation, do clearly seem to be capitularies. For example, the earliest library catalogue from St. Gall, preserved in St. Gall, Stifsbibliothek, 728, p. 17 records four books of capitula that seem to be capitularies (or some of them) under the heading de legibus (online at: https:// www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0728/17 [last accessed 29.09.2020]). 96 Agobard of Lyons, De insolentia judeorum, in: Agobardi Lugdunensis Opera Omnia, ed. Lieven van Acker, CCCM 52, Turnhout 1981, p. 192: Deinde uenerunt et praedicti missi, habentes in manibus tractoriam stipendialem et capitularia sanctionum, que non putamus uestra iussione existere talia. 97 MGH Capit. 1, no. 44, c. 16, p. 125. For the complicated development of this capitulary, see Michael Glatthaar, Die drei Fassungen des Doppelkapitulars von Didenhofen / Thionville (805/806): Entwurf-Erlass-Revision, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 69 (2013), p. 443–477. 98 Council of Mainz of 847, in Hartmann (ed.), Die Konzilien (as before, cited from the new edition), c. 17, p. 170. I do think this example usefully brings out how contemporaries associated capitularies with what kings command. However, because of its original inclusion in the Boretius-Krause edition, this council record is part of the database and thus included in the figures presented in figure 2 of post-Charlemagne usage of the words capitulare and capitula. The linking of capitularies, kings, and command is securely documented by sources we more comfortably consider post-Charlemagne capitularies; that is, the association demonstrated in figure 2 is not simply a creation of non-royal sources,

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

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The passage from the capitulary of Thionville had been included in Ansegisus, who kept, as was his custom, the wording of the text as he had it.99 However, when it was cited at Mainz decades later, the gathered bishops took care to remind Louis the German that protection of the poor had been mandated by his royal ancestors.100 The care in signaling that this was  a royal capitulary obviously served the ends of Hrabanus Maurus and the bishops he convened at Mainz.101 However, it also suggests that while the word could require qualification, the association between capitularies and kings was a common one. The idea that capitularies were royal texts, directly linked to kings, and conveying royal orders, was, on the whole, a concept received into other sources produced in the Carolingian world.

5. The Vocabulary of Power and the Carolingian Legal World By way of conclusion, let me suggest three points about capitularies and their vocabulary of power that I think emerge from the foregoing analysis. First, let us consider the problem of genre. Figuring out what should count as  a royal capitulary, versus an episcopal capitulary or a synodal record in particular, is a vexed question, and much recent research has sought to undermine the divisions between these sources. Of course, there is a great deal of overlap between the categories created by modern editions, and one does not want to simply reify the classifications produced in the nineteenth century (or earlier). Nonetheless, it seems to me one lesson of the use of legal vocabulary in the capitularies is to strengthen the sense of them as a genre, recognizable to contemporaries. Recent work that has challenged the idea of capitularies as a genre has focused on the variability of the manuscripts, which were not copied at court, and the range of contexts and settings in which capitularies were produced.102 The contention is

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100 101 102

but in fact reflects the process of self-referencing in the capitularies. However, it would be a useful exercise to redo figure 2 comparing the association of capitularies, kings and command in sources we more securely consider to be capitularies versus the same association in the conciliar material edited in Boretius-Krause. Ansegisus, Collectio capitularium, MGH Capit. N. S. 1, book 1, c. 115, p. 500: Et ut saepius non fiant manniti ad placita, nisi sicut in alio capitulari praecepimus, ita servetur. On Ansegisus’ tendency to preserve the wording of his sources, see Schmitz’ comments in Schmitz, Einleitung, pp. 54–66. Schmitz suggests the Mainz fathers were citing Ansegisus, but this is not clear to me. On the historical context of this council, see Eric Goldberg, Struggle for Empire: Kingship and Conflict under Louis the German, 817–876, Ithaca 2006, pp. 160–164, 175–176. For orientation on Hrabanus’ councils, see Wilfried Hartmann, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, Paderborn 1989, pp. 222–233. Steffen Patzold, Normen im Buch. Überlegungen zu Geltungsansprüchen so genannter ›Kapitularien‹, in: Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), pp. 331–350 set the stage for

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that capitularies were no more than a combination of notes and ideas in the form of capitula put together largely by participants at assemblies or other aristocrats rather than coherent productions of royal courts.103 This argument underplays the extent to which these manuscripts which were indeed copied throughout the empire do typically present somewhat stable texts and the extent to which notes and drafts compiled by aristocrats were in fact court productions.104 Regardless of this broader debate, the database analysis undertaken here illustrates that the words used in these motley legal texts do evince a clear sense of meaning. The this research, drawing on the emphasis on recipients in Pössel, Authors and Recipients (do note, however, Pössel’s emphasis on capitularies as royal, and this royal link shaping the genre). See also Patzold, Integration, pp. 205–210; Steffen Patzold, Benedictus Levita, I, 279 – ein echtes Capitulum von 829? Vorarbeiten zur Neuedition der Kapitularien Ludwigs des Frommen, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 70 (2014), pp. 67–86, here p. 86; Steffen Patzold, Capitularies in the Ottonian Realm, in: Early Medieval Europe 27 (2019), pp. 112–132, here pp. 115–120. Tsuda (Tsuda, Was hat Ansegis; Takuro Tsuda, War die Zeit Karls des Großen »die eigentliche Ära der Kapitularien«?, in: Frühmittelalterliche Studien 49 (2015), pp. 21–48) seeks to undermine the concept of a capitulary genre from another angle, arguing that the usage of narrative sources reflects too much variability to express  a coherent concept, that capitularies assimilable to law are their own category to be distinguished from more amorphous capitula, and that a category as such is a function of only later manuscripts. While I would agree that manuscripts do reflect a sense of genre, the variations in meaning found in narrative sources and differences in how capitularies were produced does not undermine the idea of capitularies. A word can have multiple meanings without that destroying its ability to indicate a particular concept. I would also take exception to a number of his readings of particular texts. Nonetheless, his interest in how the genre developed over time is a useful starting point for further work. 103 For  a recent statement of this view, see Patzold, Capitularies in the Ottonian Realm, p. 119: »If we pay proper attention to their textual transmission, then, capitularies should no longer be seen as normative texts originating from the ruler, but rather as lists of capitula produced by recipients«. 104 The letter of instruction sent to a missus that Pokorny edited is helpful here. The text is not in the name of the king, but is nonetheless a court production. This is a useful model for thinking about capitularies as well. See Rudolf Pokorny, Eine Brief-Instruktion aus dem Hofkreis Karls des Großen an einen geistlichen Missus, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 52 (1996), pp. 57–83. I should note this is my reading of the text Pokorny presents. Similarly, the editing work undertaken by (probably) Arn of Salzburg to present capitularies does not make that material less royal. On this collection, see Herbert Schneider, Karolingische Kapitularien und ihre bischöfliche Vermittlung: Unbekannte Texte aus dem Vaticanus latinus 7701, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 63 (2007), pp. 469–496. Also helpful for this broader sense of royal, see Stuart Airlie, ›For it is written in the law‹: Ansegis and the Writing of Carolingian Royal Authority, in: Stephen Baxter et al. (eds.), Early Medieval Studies in Memory of Patrick Wormald, Farnham 2009, pp. 219–235, here p. 222: »No matter where he was, Ansegis could never be away from the court; he worked within a potent discourse of Carolingian authority and, in doing so, he himself helped articulate and broadcast the very discourse that spoke through him, that uttered his own text.«

Cross-Referencing in Charlemagne’s Capitularies 

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use of the word ›capitulary‹ comes along with a set of particular and consistent associations, suggesting that designating  a text as  a ›capitulary‹ was  a way of laying claim to a recognized vocabulary of royal power. What capitularies were was legal statements that conveyed royal orders. The sense expressed by the texts themselves that capitularies were a category with an associated set of meanings does not negate the fuzziness of the classification, but does reveal that the term had a coherence that was reflected beyond the court itself. This does not help us decide how to classify particular texts,105 but it does underscore that capitularies’ importance to the courts that produced them and the various parties that copied them partly lay in their self-presentation as a vehicle for conveying royal authority and acting out royal power. This does result in a definition of the capitularies as a genre that is loose. One is reminded of the famous US Supreme Court decision that noted in response to the problem of defining pornography: you know it when you see it.106 It may be difficult for us to recapture that contemporary understanding, but it does suggest that in the Carolingian period, aristocrats knew a capitulary when they saw one. Second, many of these cross-references in the capitularies are very vague, which is why Ansegisus is so often seen as an improvement.107 But the continued use of these looser forms of cross-reference alongside Ansegisus should make us 105 Recent work clarifying the status of particular capitularies, or untangling what are discrete texts versus a corpus of legislation, has a major contribution to make. Examples include (to name just  a few): Stefan Esders, Die »Capitula de expeditione Corsicana« Lothars I. vom Februar 825. Überlieferung, historischer Kontext, Textrekonstruktion und Rechtsinhalt, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 98 (2018), pp. 91–144; Britta Mischke, Die postume Zusammenführung einer italienischen Kapitularien-Überliferung. Ein zerstörtes Turiner Fragment und die Handschrift Ivrea XXXIV, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 74 (2018), pp. 193–200; Shigeto Kikuchi, Carolingian Capitularies as Texts. Significance of Texts in the Government of the Frankish Kingdom Especially under Charlemagne, in: Osamu Kano (ed.), Configuration du texte en histoire, Nagoya 2012, pp. 67–80; Glatthaar, Die drei Fassungen; Patzold, Benedictus Levita. 106 A paraphrase of Justice Stewart’s concurring opinion in Jacobellis v. Ohio, 378 U. S. 184, 197 (1964). 107 Compare two references from the Capitulary of Quierzy, MGH Capit. 2, no. 278, c. 3, p. 343: De illis liberis hominibus, qui infames vel clamodici sunt de testeiis vel latrociniis et rapacitatibus et assalturis vel de infidelitate nostra et cum furto non comprehenduntur, si eis iam vita perdonata est propter aliquod malefactum, fiat de illis, sicut in capitulari avi et patris nostri continentur in libro III, capitulo XLVII; et si iam de latrocinio revicti sunt, fiat de illis, sicut de revictis … compared to c. 9, p. 346: Ut, sicut in capitulis avi et patris nostri continentur, ›missi nostri, ubi boni scabinei non sunt, bonos scabineos mittant; et ubicumque malos scabineos inveniunt, eiciant et totius populi consensu in locum eorum bonos eligant; et cum electi fuerint, iurare eos faciant, ut scienter iniuste non iudicent‹. The latter is possible to find, but would require much more work than the former. The passage mentioned in the next note presents an even greater challenge to anyone attempting to implement it. Ansegisus’ own preface has helped encourage modern views of his work

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pause. Why were these references to what »we commanded in another capitulary« useful?108 Would not this imply that those seeking to carry out capitularies had to have a copy of the entire corpus to use them, which the ninth-century manuscripts that typically contain less than ten capitularies per codex suggest was not the case?109 Even if one did have a copy of everything, such a reference might not be much help, as in cases where what had been commanded had changed over time. Even if the commands had not changed, finding the relevant passage in a body of material without obvious organizing principles or set tables of contents would have been  a challenge. What I think these references do is reveal for us  a different way of referencing capitularies that was not archival, but communicative. I can only introduce this idea here, but the references, I propose, hint that what was important was to underscore that  a topic was of concern to the king and to encourage the recipient to engage with the court on the issue, via written capitularies certainly, but also via the discussion of their ideas, meetings with missi, consultation with other aristocrats and so forth. The cross-references are thus not so much finding aids for locating all decisions on a topic, as ways of shaping communication among the elite about ideas that have been marked out as special royal concerns. Finally, the use of the vocabulary of law in the capitularies as it emerges from this analysis reveals the sophistication and cogency of the legal language of the early Middle Ages. The choice of words reflects careful thought about what law was and what it could do. As part of a vocabulary of power, the term ›capitulary‹ helped mark out certain texts, helped assert royal authority, and helped foster a legal culture of discussion and consultation surrounding topics judged of interest by the court.

as an improvement over the previous availability of capitularies: Ansegisus, Collectio capitularium, MGH Capit. N. S. 1, preface, pp. 432–433, as cited in note 26 above. 108 For some characteristic language, see: MGH Capit. 1, no. 46, c. 10, p. 132: sicut in alia capitula ordinavimus, fully cited on p. 237 above. 109 My examination of the manuscripts suggests to me that ten is a good dividing line for a more extensive capitulary collection. Bühler, Capitularia relecta, p. 340, 378 offers a similar figure. Compare Patrick Wormald, The Making of English Law: King Alfred to the Twelfth Century, vol. 1: Legislation and its Limits, Oxford 1999, who emphasizes codices with at least twelve capitularies (for instance, p. 68).

Jean Meyers

L’environnement syntaxique du verbe iubere dans les capitulaires carolingiens

D’après François Louis Ganshof, la plupart des capitulaires sous Charlemagne ont été rédigés « en une langue très peu soignée et même fréquemment fort incorrect sous le rapport du vocabulaire, de la morphologie, de la syntaxe », tandis que les capitulaires de Louis le Pieux et ceux de Charles le Chauve avaient une langue et un style « plus corrects » dus aux effets de la Renaissance carolingienne. Selon lui toujours, le corpus des capitulaires révèle par ailleurs « un grand manque d’uniformité, voire même de simple régularité ».1 Ce que je voudrais faire ici dans une optique essentiellement linguistique, c’est vérifier la validité de ces remarques à partir d’un test précis portant sur la syntaxe du verbe iubere. Les deux verbes les plus usuels en latin pour dire « ordonner » au sens d’« imposer quelque chose à quelqu’un » sont iubere et imperare. Dans le dictionnaire fréquentiel du latin, publié par le LASLA et qui repose, si l’on ne tient compte que des formes de verbe, sur un total de 182.070 occurrences, iubeo a une fréquence de 1.104 occurrences et impero de 258. Les autres verbes de sens similaire sont nettement moins fréquents, tels praecipio (125), praescribo (25) ou encore edico (20).2 Si j’ai choisi d’étudier ici l’environnement syntaxique de iubere, c’est que le verbe imperare n’apparaît presque jamais dans les capitulaires carolingiens, pas plus d’ailleurs que dans les textes de lois romains, comme le Code Théodosien : 4 occurrences seulement dans tout le corpus des capitulaires et 3 dans le Code Théodosien. La chose peut sans doute sembler étrange de prime abord, mais elle a une raison d’être, qui tient au sens particulier d’imperare. Comme l’a bien 1 François  Louis Ganshof, Recherches sur les capitulaires, Paris 1958, p. 54. Comme l’a signalé Philippe Depreux, Les sociétés occidentales du milieu du VIe à la fin du IXe siècle, Rennes 2002, p. 53, n. 188, cet ouvrage est dépassé sur certains points mais toujours utile. 2 Cf. Louis Delatte et al., Dictionnaire fréquentiel et index inverse de la langue latine, Liège 1981. La consultation de Paul Tombeur (dir.), Thesaurus formarum totius Latinitatis  a Plauto usque ad saeculum XXum, Turnhout 1998, montre que cet ordre de fréquence ne varie guère avec le temps. Pour ne prendre que l’exemple d’une seule forme, celle de la 3e personne du pluriel de l’indicatif présent, on trouvera les fréquences suivantes : iubent (444), imperant (164), praescribunt (36), edicunt (12); seul praecipere a ici un surcroît d’em­ ploi : praecipiunt (253).

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montré Étienne Évrard,3 imperare peut exprimer, plus qu’une activité, un état, l’état de celui qui a l’imperium, autrement dit l’état de celui qui est présenté non comme donnant un ou des ordres, mais comme ayant la capacité d’en donner. Imperare peut donc mettre en évidence une virtualité plutôt que son actualisation.4 Étienne Évrard a aussi montré ailleurs que dans le domaine militaire, imperare chez César était réservé à l’ordre principal et iubere aux modalités d’exécution ou encore que le premier était lié à l’exercice de l’imperium, le second s’utilisant pour les autres cadres d’autorité.5 Jean-François Thomas, de son côté, a mis en évidence que des différences similaires pouvaient aussi s’observer dans les domaines politiques, psychologiques et philosophiques : le verbe imperare exprime de préférence une autorité liée à une position hiérarchique supérieure, qui ne se partage pas et attend une obéissance, alors que l’autorité supposée par le verbe iubere est d’un degré moindre et que ses injonctions se trouvent par exemple attachées aux dispositions particulières de la lex, mais non à son principe juridique.6 La volonté qu’une chose se fasse relève dès lors davantage de l’incitation.7 Comme Jean-François Thomas l’écrit si bien,8 « imperare, c’est s’appuyer sur une puissance intrinsèque pour dominer une totalité, iubere, c’est 3 Étienne Évrard, L’environnement syntaxique du verbe imperare chez César et chez Cicé­ ron, in : Dominique Longrée (dir.), De Vsu. Études de syntaxe latine offertes à Marius Lavency, Louvain-la-Neuve 1995, p. 115–130. 4 Un des exemples, cité par Évrard, L’environnement syntaxique, p. 117 et qui le révèle avec clarté, est celui de la maxime dans laquelle Cicéron oppose imperare à seruire et où il rappelle avec « un parfait cynisme politique »: nulla est tam stulta ciuitas quae non iniuste imperare malit quam seruire iuste (Rep.  3, 28). Voir aussi id., Vues diachroniques sur l’environnement syntaxique du verbe imperare, in : Yves Duhoux (dir.), Langue et langues. Hommage à Albert Maniet, Louvain-la-Neuve 1998, p. 43–68, spéc. p. 44. Le dictionnaire étymologique d’Ernout / Meillet invitait déjà d’une certaine façon à ce constat en soulignant qu’imperare veut dire « commander en maître », alors que iubere signifie de façon générale « ordonner »: l’idée d’actualisation est bien plus prégnante dans ce dernier verbe, cf. Alfred Ernout / Antoine Meillet, Dictionnaire étymologique de la langue latine. Histoire des mots, Paris 1932, p. 455 et 476. 5 Étienne Évrard, Les cooccurrences des verbes imperare et iubere, in: Claude Moussy (dir.), De lingua latina nouae quaestiones, Louvain / Paris 2001, p. 723–733. 6 Jean-François Thomas, Observations sur des cas de parasynonymie entre imperare et ­iubere, in : Revista de Estudios Latinos 14 (2014), p. 11–34. Voir aussi id., Sur le champ lexical du pouvoir en latin, in : Vita Latina 185–186 (2012), p. 237–249 et id., ‹ J’ordonne › chez Plaute et Térence : aspects pragmatiques et sémantiques, in : Alessandro Garcea et al. (dir.), Polyphonia Romana. Hommages à Frédérique Biville, Hildesheim 2013, p. 293–305. 7 D’après Laurent Gavoille, « Imperare : du causatif au directif », in : Bernard  Bortolussi / ​ Peggy Lecaudé (dir.), La causalité en latin, Paris 2014, p. 199–220, cela expliquerait aussi la différence classique de construction entre imperare ut + subj. et iubere + proposition infinitive : à l’origine, iubere serait un verbe de parole renvoyant à l’énoncé de ce qu’il y a à faire (performatif directif : « dire de faire »), contrairement à imperare, qui ne serait pas un verbe de parole et signifierait plutôt « faire faire » (directif-causatif). 8 Thomas, Observations, p. 34.

L’environnement syntaxique du verbe iubere 

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construire assez d’emprise sur les choses pour en attendre un changement ». On comprend à partir de ces particularités sémantiques que iubere s’est imposé comme le verbe privilégié des lois dans le droit romain. C’est donc l’environnement syntaxique de ce verbe que j’ai choisi d’étudier dans le cadre de ce colloque. Dans mon enquête, inspirée par celle qu’Étienne Évrard a faite pour le verbe imperare et fondée, selon la méthode qu’il a toujours préconisée en syntaxe latine,9 sur un relevé exhaustif des 235 occurrences de iubere,10 j’étudierai tout ce qui par rapport au verbe fonctionne comme terme régi, en examinant pour chaque occurrence l’objet (la matière de l’injonction), le destinataire (celui qui reçoit l’ordre, qui peut être ou non l’exécutant), ainsi que le bénéficiaire (la personne ou la chose au bénéfice de laquelle l’ordre peut être donné, celle-ci pouvant n’être que le sujet).11

1.

Emploi absolu (29 occurrences)

Dans ses deux articles sur imperare, Étienne Évrard avait relevé un certain nombre d’exemples où le verbe est employé de manière absolue sans régir un complément exprimant la matière de l’injonction, soit dans les cas où le verbe exprime un état plus qu’une activité (emploi essentiellement absolu), soit dans les cas où le contenu de l’ordre est précisé dans le contexte, mais non sous la forme d’un élément régi par le verbe (emploi accidentellement absolu).12 Les cas d’emploi essentiellement absolu tiennent au fait qu’imperare, contrairement à ­iubere, peut exprimer l’autorité souveraine dans son principe même. On ne trouve dans les capitulaires aucun emploi de ce type pour le verbe iubere. Dans tous les passages où iubere n’a pas de complément, il s’agit toujours d’un emploi accidentellement absolu, la matière de l’injonction étant exprimée dans le contexte environnant. Ce type d’emploi se rencontre surtout dans des subordon9 Voir par ex. Étienne Évrard, Rue Mégevand, à Besançon… suivi de modestes réflexions sur la méthode en syntaxe latine, in : Computational Lexicology and Lexicography. Special issue dedicated to Bernard Quemada, Pisa 1991, p. 297–303. 10 Toutes les données proviennent évidemment de l’exploitation de la base de données constituée à Cologne et Francfort dans le cadre du projet Leibniz « Politische Sprache im Mittelalter / CompHistSem » (cf. http://www.comphistsem.org/home.html [consulté le 08.10.2020]), qui regroupe les capitulaires édités par Alfredus Boretius (MGH Capit. 1, 1883), et par Alfredus Boretius / Victor Krause (MGH Capit. 2, 1897), ainsi que les ajouts de Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, München 1995, p. 969–1028 (Anhang I). 11 Comme Évrard, L’environnement syntaxique, p. 117, il m’a semblé judicieux de négliger ici le sujet, sauf dans le cadre de la tournure passive, qui est en effet soumise en latin classique à un certain nombre de restrictions. 12 Évrard, L’environnement syntaxique, p. 117–120 et id., Vues diachroniques, p. 44.

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nées (18 occurrences)13 – des comparatives (12), des relatives (4), une conditionnelle (1) et une complétive (1) –, du type sicut (ut) lex iubet, ubi nos iubemus, si iusserint, et dans des ablatifs absolus (8 ex.),14 du type ipso iubente, Deo iubente, iubente priore, iubente comite, lege iubente. Dans deux cas, le verbe se présente sous la forme d’un simple participe présent sans aucun complément, soit parce que l’injonction qu’il implique est formulée dans le contexte,15 soit parce qu’elle est donnée directement dans une citation biblique au discours direct, comme dans un passage du capitulaire n° 178, où les évêques écrivent : Ut aequales mensurae et iuste in omnibus provinciis imperii vestri sint secundum legem Domini iubentis : ‹ Sit tibi aequus modius iustusque sextarius ! ›16

13 MGH Capit. 1, n° 102 (Pippini capitulare italicum, 801 [806?]–810), c. 12, p. 210 (2 occurrences) et c. 16, p. 211 (sicut lex iubet); n° 23 (Duplex legationis edictum, 789), c. 11, p. 63 (sicut regula iubet); n° 33 (Capitulare missorum generale, 802), c. 21, p. 95 (ut canonica institutio iubet); n° 64 (Capitulare missorum Aquisgranense primum, 810), c. 10, p. 153 (sicut saepe per alia capitula iussi [iussimus corr. Vat. Pal. 582]); n° 85 (Capitula a missis dominicis ad comites directa, 801–813), c. 1, p. 184 (sicut iussit [Karolus imperator]); MGH Capit. 2, n° 266 (Capitulare Carisiacense, 857), c. 7, p. 290 (sicut saepe per alia capitula iussimus); n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 21, p. 319 (plus […] quam iussimus); n° 281 (Capitulare Carisiacensis, 877), c. 5, p. 357 (sicut iubetis); n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), c. 15, p. 441 (sicut litteris vestris iussistis); Mordek, Bibliotheca, n° 13 (Caroli Magni capitulare ecclesiasticum, 805/813), c. 9, p. 985 (sicut ipse domnus noster imperator in omni placito suo iubet); MGH Capit. 1, n° 14 (Concilium Vernense, 755), c. 4, p. 34 (ubi domnus rex iusserit); n° 77 (Capitulare Aquisgranense, 801–813), c. 6, p. 171 (ad nostrum opus vel ubi nos iubemus veniant) et c. 9, ibid. (ad illum locum ubi iubetur veniant); MGH Capit. 2, n° 255 (Capitulare Septimanicum apud Tolosam datum, 844), c. 3, p. 256 (in civitate, cui iusserit civitatis episcopus); n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), c. 7, p. 432 (cum ipsis, si iusserint, eat); MGH, Capit. 1, n° 11 (Karlmanni principis capitulare Liptinense, 743), c. 2, p. 28 (si necessitas cogat ut princeps iubeat). 14 MGH Capit. 1, n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 22, p. 306–307 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 20, p. 418 = MGH Capit. N. S. 1, p. 538 (tempore genitoris nostri ipso iubente); n°  112 (Statuta Rhispacensia Frisingensia Salisburgensia, 799–800), c. 47, p. 230 (quando quis Deo iubente de hoc saeculo migraverit); n° 22 (Admonitio generalis, 789), c. 67, p. 59; n° 35 (Capitulare missorum item speciale, 802?), c.  42, p. 104; et n°  183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), III, c.  89, p. 434 = MGH Capit. N. S. 1, p. 613 (non occidatur homo nisi lege iubente); n° 170 (Capitulare monasticum, 817), c. 13, p. 344 (et tunc iubente priore surgat); n° 50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c. 6, p. 138 (iubente comite vel ministerialibus eius). 15 MGH Capit. 2, n° 293 (Concilium Meldense-Parisiense, 845–846), c. 58, p. 412: Et si in ordine clericali eum promoveri voluerit, manus ipsius impositione ad ecclesiasticum ordinem, sancti Spiritus munere si dignus fuerit, consecretur; qualiter et divina auctoritas vigeat et regalis dignitas obsequatur et salus ordinantis et ordinati atque iubentis in omnibus observetur. 16 MGH Capit. 1, n° 178 (Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio, c. 820), c. 7, p. 367. Cf. Ezech. 45, 10.

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Que vos mesures soient équitables et justes dans toutes les provinces de votre empire selon la loi du Seigneur qui ordonne : ‹ Que ton boisseau soit exact et que ton sextier soit juste ! ›

On a la même structure dans un dernier exemple, très isolé,17 où l’injonction est donnée au style direct : De falsa moneta iubemus : qui eam percussisse conprobatus fuerit, manus ei amputetur, encore que l’on puisse ici soupçonner l’omission du ut que l’on rencontre dans les autres formulations de cet ordre.18 Ces rares exemples d’emploi relativement absolu, pour reprendre la terminologie d’Étienne Évrard, prouvent que iubere ne peut signifier et ne signifie jamais dans les capitulaires : « avoir l’autorité de donner des ordres ».

2. La matière de l’injonction (206 occurrences) 2.1 Objet direct ou sujet dans une structure passive (29 occurrences) En latin classique, imperare peut avoir pour objet direct un substantif, qui avant Tite-Live renvoie presque toujours à une réalité concrète : on peut dire imperare frumentum, naues etc., le verbe prenant alors à peu près le sens de « réquisitionner ». À partir de Tite-Live, apparaissent aussi des substantifs abstraits qui désignent une action ou un comportement (par ex. imperare silentium).19 Ce type d’emploi est inconnu pour le verbe iubere, en dehors de l’expression politique de la volonté populaire qui s’affirme par le vote : populus iubet legem ou bellum, « le peuple vote une loi, la guerre ».20 Ceci explique que dans l’usage de César et de 17 MGH Capit. 1, n° 136 (Capitula legis addenda, 818–819), c. 19, p. 285. 18 Au cours de la discussion après mon exposé, Karl Ubl m’a d’ailleurs confirmé que les manuscrits avaient bien ici un ut, comme ailleurs : MGH Capit. 1, n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 31, p. 441 = MGH Capit. N. S. 1, p. 641 et MGH Capit. 2, n° 201 (Hlotharii capitulare Papiense, 832), c. 10, p. 61: De falsa moneta iubemus ut qui eam percussisse conprobatus fuerit, manus ei amputetur. Sur la fiabilité de l’édition des MGH , on sait ce qu’écrivait, avec un peu trop de sévérité peut-être, Ganshof, Recherches, p. 8: « On ne peut considérer cette édition comme bonne. Elle laisse fort à désirer au point de vue de la critique textuelle et de l’histoire du droit. Celui qui s’en sert n’y trouve pas tous les éléments nécessaires à une étude sérieuse du texte de chaque capitulaire. L’apparat critique est incomplet et ne repose pas sur un classement méthodique des éléments de la tradition manuscrite ou imprimée. » La connaissance de la tradition manuscrite des capitulaires a fait des progrès énormes depuis le travail monumental de Hubert Mordek. Malheureusement, sa mort en 2006 l’aura empêché de donner la nouvelle édition en vue de laquelle cette étude avait été menée. 19 Cf. Évrard, L’environnement syntaxique, et id., Vues diachroniques. 20 Comme l’écrit Thomas, Observations, p. 17, même si par contrainte nous traduisons dans ce cas iubere par voter, « il s’agit d’une contrainte du français, car iubere ne signifie pas

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Cicéron en tout cas, le passif de iubere ne peut avoir comme sujet le contenu d’un ordre, mais uniquement le destinataire, alors que c’est l’inverse pour imperare.21 Dans les capitulaires, l’usage ne connaît presque aucune innovation : en dehors d’un cas exceptionnel dont je parlerai à la fin de ce développement, il n’y a pas un seul exemple de iubere régissant directement un substantif objet. Lorsque le verbe est construit avec un objet direct, celui-ci est le plus souvent un pronom neutre (pronom relatif, interrogatif, démonstratif, etc.), qui renvoie à une action ou un comportement évoqués dans le contexte ou supposés connus du destinataire (19 occurrences).22 Ce à quoi renvoie le pronom peut être vague et très général. Ainsi, dans le capitulaire n° 293 (Concilium Meldense-Parisiense, 845–846), p. 396, les évêques, à propos des invasions normandes, citent Ezech. 1, 14 (« C’est du Nord qu’est attisé le malheur ») et rappellent l’inévitable punition de la désobéissance aux commandements divins avant de conclure qu’« en venant jusqu’à Paris, les Normands ont fait connaître la volonté du Seigneur »: usque Parisius [Nortmanni] venientes quod iussit Dominus monstraverunt. Les invasions des Vikings ne sont donc qu’une vengeance de Dieu destinée à rappeler sa volonté.23 Dans quelques passages, assez rares (5 occurrences), le pronom ne renvoie pas au contexte immédiat ou à une chose connue, mais à un substantif précis : il ‹ voter ›. Les langues ne suivent pas toujours les mêmes voies de lexicalisation. Ce que dit le verbe latin, c’est que le peuple par son libre vote affirme sa volonté que le projet de loi devienne effectif…» 21 Cf. Évrard, Cooccurrences, p. 725–726. 22 MGH Capit. 1, n° 14 (Concilium Vernense, 755), c. 6, p. 34: quod ipsa abbatissa eius iusserit; n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 20, p. 306; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 18, p. 418 = MGH Capit. N. S. 1, p. 536; MGH Capit. 2, n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 35, p. 327: hoc quod iussimus; MGH Capit. 1, n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 27, p. 420 = MGH Capit. N. S. 1, p. 547: de his quae constituimus ac iussimus; MGH Capit. 1, n° 32 (Capitulare de villis, 800 vel ante ?), c. 47, p. 87: secundum quod nos aut regina per litteras nostras iusserimus; n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 20, p. 306; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 18, p. 418 = MGH Capit. N. S. 1, p. 536; MGH Capit. 2, n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 35, p. 327: hoc quod iubemus; MGH Capit. 1, n° 46 (Capitulare missorum Niumagae datum, 806), c.  3, p. 131; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), I, 116, p. 410 = MGH Capit. N. S. 1, p. 501: quomodo emendatum habeant quod iussimus; n° 170 (Capitulare monasticum, 817), c. 29, p. 346: quod regula iubet; ibid., c. 22, p. 345: quaecumque praeter haec regula iubet; MGH Capit. 2, n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), c. 15, p. 439: bene scitis quid de illo iusserit [David]; n° 298 (Synodus Mettensis, 859), c. 1, p. 442: memores quid veritas missis praedicatoribus iusserit; MGH Capit. 2, n°  293 (Concilium Meldense-Parisiense, 845–846), c. 44, p. 409: hoc iubente episcopo; MGH Capit. 1, n° 45 (Divisio regnorum, 806), c. 13, p. 138; MGH Capit. 2, n° 194 (Regni divisio, 831), c. 9, p. 23: idem iubemus.  23 Sur cette lecture théologique des invasions, cf. Simon Coupland, The Rod of God’s Wrath or the People of God’s Wrath ? The Carolingian Theology of the Vikings Invasions, in : Journal of Ecclesiastical History 42 (1991), p. 535–554.

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s’agit toujours dans ce cas de l’avoué d’un évêque ou d’un plaid24 ou, même dans un cas, du mot iussio lui-même, qui forme ainsi une sorte d’accusatif interne, comme dans somnium somniare, vitam vivere etc., mais détaché quand même du verbe par la subordination :25 nostra iussio, quam consilio fidelium nostrorum iussimus, executa non est; id est ut fidelitatem nobis promittant, « l’ordre que nous [= Charles II] avons donné au conseil de nos fidèles, n’a pas été suivi, à savoir celui de nous promettre fidélité. »  Reste un passage, totalement isolé dans le corpus, où iubere régit directement un objet, qui n’est pas un substantif proprement dit, mais un adjectif neutre substantivé. Cette construction se présente dans un discours direct rapportant une parole aux allures proverbiales reprise par Hincmar de Reims pour justifier une absence à un plaid tenu par Charles le Chauve :26 mandatum vestrum nostra non contempsit humilitas, sed, sicut longe est ante nos dictum, ‹ qui iubet impossibile facit se contemptibilem. › L’éditeur des MGH notent, au sujet de ce mot (n. 2), « Quis dixerit, nescio », et Jean Devisse écrit que la comparative si vague sicut longe est ante nos dictum ne lui  a « nullement facilité l’identification » et que toutes ses recherches « se sont révélées vaines ».27 Cependant on sait par ailleurs28 qu’il s’agit du mot d’un « sage », souvent mentionné par Hincmar de Reims, que son neveu, Hincmar de Laon, condamné au synode de Douzy (871), cite lui aussi dans une lettre adressée à son oncle pour expliquer son refus de se soumettre à la sentence29 (cf. Migne PL 124, col. 1071 A ): Alioquin reminiscor et in hoc negotio illius sapientis, cuius crebro agitis mentionem, dicentis : « Qui iubet impossibile, ipse se facit contemptibilem. » Les mots illius sapientis cuius crebro agitis mentionem conduisent naturellement à penser que l’oncle et le neveu renvoient ici 24 MGH Capit. 1, n°  93 (Capitulare Mantuanum secundum, generale, 787?), c.  1, p. 196: per advocatum episcopi, qualem iusserit ipse; Mordek, Bibliotheca, n°  14 (Concilium Vernense, 755), c. 14, p. 996: per advocatum episcopi qualem iusserit causa ipsa et n° 15 (Capitula Italica incerta II, 813/829?), c. 1, p. 998: per advocatum episcopi qualem ipse iusserit ipsa causa; MGH Capit. 1, n° 144 (Capitula de iustitiis faciendis, c. 820), c. 2, p. 295: Vult domnus imperator, ut in tale placitum quale ille nunc iusserit, veniat unusquisque comes. 25 MGH Capit. 2, n° 278 (Capitulare Carisiacense, 873), c. 4, p. 344. Il s’agit de la promesse de fidélité réclamée à ceux qui avaient participé à la révolte de Carloman contre son père en 869 (De hominibus, qui cum Carlomanno praeteritis annis tanta mala et tanta scelera in regno nostro fecerunt). La Brepolis Library of Latin Texts n’offre aucun autre exemple d’une telle expression. 26 MGH Capit. 2, n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), c. 1, p. 428. 27 Jean Devisse, Hincmar, archevêque de Reims, 729–785, T. II, Genève 1976, p. 1058, n. 10. 28 C’est ce que j’ai appris en lisant l’article de George H. Tavard, Episcopy and Apostolic succession according to Hincmar of Reims, in : Theological Studies 34 (1996), p. 594–623, ici p. 597, n. 7. 29 Sur le conflit entre Hincmar de Reims et son neveu, voir les longs développements dans Devisse, Hincmar, p. 729–785.

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à une autorité illustre. Or on trouve une idée et une formulation assez proches chez Augustin,30 qu’Hincmar de Reims cite en effet volontiers.31 La source n’est peut-être pas parfaitement assurée, mais il est évident qu’il s’agit là d’un bon mot, qui n’appartient pas en réalité à la langue des capitulaires, ce qui explique son caractère unique du point de vue syntaxique. Ce qui est vraiment nouveau dans les capitulaires par rapport au latin classique, c’est que le contenu d’un ordre peut dans une structure passive devenir le sujet du verbe. Comme on peut s’y attendre, ce sujet n’est jamais un substantif, mais toujours un neutre (4 occurrences), lexicalisé ou non par un pronom et qui reprend la matière de l’injonction exprimée dans le contexte.32 Cette construction passive avec le contenu de l’ordre pour sujet, présente dans quatre exemples seulement, reste cependant très marginale.

2.2 Infinitif et infinitive (118 occurrences) En latin classique, iubere se construit normalement avec la proposition infinitive ou Accusativus cum Infinitivo (A.c.I.). Cette construction avec infinitif et sujet à l’accusatif est présente dans 45 exemples. Dans la plupart des cas, le sujet à l’accusatif est un nom ou un pronom (32 occurrences),33 mais il arrive aussi, plus 30 Augustin écrit en effet dans le Contra Iulianum III, 18, 35 (Migne PL 44, col. 720): iniuste autem iudicarentur, si ea non fecissent, quae impossibilia iuberentur. 31 Cf. Devisse, Hincmar, p. 1056. 32 MGH Capit. 1, n° 82 (Capitulare Karoli M. de latronibus, 804–813), c. 8, p. 181: Ut per nullo modo missi nostri alias iusticias non presumant facere nisi quemadmodum illis iussum est; n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 24, p. 307: sicut a nobis saepe iussum est, hoc aut illud partibus ecclesiarum persolvatur; MGH Capit. 2, n° 260 (Capitulare missorum Silvacense, 853), c. 11, p. 274: capitula autem avi et patris nostri […] corrigere […], sicut in eisdem capitulis iubetur; n° 271 (Constitutio Carisiacensis de moneta, 861), p. 301: in eo quod ad regni utilitatem iubetur et agitur. 33 MGH Capit. 1, n° 14 (Concilium Vernense, 755), c. 6, p. 34: aliquas de ipsa abbatissas ipse domnus rex ad se iusserit venire; n° 28 (Synodus Franconofurtensis, 794), c. 3, p. 74: tertium [brevem de hoc capitulo] vero in sacri palacii capella recondendum fieri iussit; n° 33 (Capitulare missorum generale, 802), c. 13, p. 93: eos canonica vel regularis institutio fieri iubet; n° 95 (Pippini Capitulare, c. 790), c. 9, p. 201: pater […] omnes servos suos iussit fieri liberos; n° 129 (Iudicatum regium), p. 257: De homine qui comprehendidit servum et iussit eum occidere dominos suos duos infantes; n° 144 (Capitula de iustitiis faciendis, c. 820), c. 4, p. 295: ut comes ipse in comitatu suo iubeat eum exire foras; n° 152 (Legationis capitulum, 826), p. 309 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 28, p. 420 = MGH Capit. N. S. 1, p. 548: caute vos observare [capitula(re)] iussimus; n° 169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), p. 339, col. A: ut […] institutionis formulam praelegi iubeas; n° 169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), p. 339, col. B: studii nostri fuit eam [formulam canonicae institutionis] diligenter transcribi iubere; n° 169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), p. 341, col. A: quando nos aliquam abbatissarum

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rarement, que ce sujet soit un pronom relatif (8 occurrences).34 On trouve aussi deux phrases plus complexes où le sujet de l’infinitive est une proposition relative sans antécédent (2 occurrences).35 Les propositions infinitives sont le plus souvent de faible extension, détail sur lequel je reviendrai dans les conclusions, mais on y trouve quand même trois

nostram adire iusserimus praesentiam; ibid., col. B: aliquam abbatissarum quando nos ad praesentiam nostram venire iusserimus; ibid., p. 342, col. A et B: illum [illos col. B] […] morari et discurrere una cum misso tuo iussimus; MGH Capit. 2, n° 196 (Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio, 829), c. 24, p. 37: Cum sacri canones bis in anno concilia celebrari iubeant; n° 252 (Concilium Triburiense, 895), c. 20, p. 224 = MGH Conc. 5, p. 354: iubeat eum domnus episcopus per bannum a se inpositum ante se venire; n° 266 (Capitulare Carisiacense, 857), c. 6, p. 287 et n° 272 (Capitula Pistensia, 862), c. 4, p. 309: ut […] ad nostram praesentiam illum [inoboedientem] venire iubeamus; n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 6, p. 313: statuimus, ut comes […] eum bannire et mannire iubeat; n° 273 (Edictum Pistense, 864), c.  20, p. 318: et inde sacri Nicaeni canones [canon 17] clericos gradus perdere iubent; ibid., c. 37, p. 328: vos paratos esse iubemus; ibid., c. 20, p. 318 (13): si hoc […] fieri iussisse aut consensisse  comprobatus fuerit; n° 275 (Capitula Pistensia, 869), c. 10, p. 335: ecclesiastici canones hoc fieri iubent; n° 276 (Electionis Karoli capitula in regno Hlotharii factae, 869), c. 3, p. 340: isti venerabiles domini […] nos fraterna caritate iubent et commonent agere; n° 291 (Concilium Vernense, 844), c. 4, p. 384: Monachos […] ad sua loca iubemus reverti et regulariter abbatum sollertia recipi; n° 293 (Concilium Meldense-Parisiense, 845–846), c. 27, p. 405: inmunes et liberas vestra dominatio iubeat a depraedationum exactationibus fieri mansiones intra civitatem; ibid., c. 73, p. 416: Omnes igitur personas erroris infausti iubemus excludi [= Cod. Theod. XVI, 4, 1]; n° 277 (Sacramenta apud Gundulfivillam facta, 872), p. 342: cum […] sacramenta […] fieri iussisset Ingilberga regina; n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 14, p. 315: comes, in cuius comitatu monetam esse iussimus; ibid., c. 18, p. 317: de illis locis, in quibus monetam fieri iussimus; n° 232 (Capitula incerta), c. 1, p. 127: iussimus manus eius implumbari; Mordek, Bibliotheca, n° 13 (Caroli Magni capitulare ecclesiasticum, 805/813), c. 21, p. 993: centenarii […] iubent eos dorsum eorum redimere. 34 MGH Capit. 1, n° 14 (Concilium Vernense, 755), c. 4, p. 34: alii episcopi vel abbates seu presbiteri, quos ipsi metropolitani aput se venire iusserint; n° 50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c. 2, p. 137: super illam ordinationem quam […] fieri iussimus; n° 50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c. 9, p. 138: homines fidelium nostrorum, quos […] remanere iussimus; n° 85 (Capitula a missis dominicis ad comites directa, 801–813), p. 184: quae ipse in istis annis per missos suos fieri iussit; n° 103 (Karoli ad Pippinum filium epistola, 806–810), p. 212: capitula quae in lege scribi iussimus; MGH Capit. 2, n°  196 (Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio, 829), c.  54, p. 44: magi, arioli, sortilegi, venefici, divini, incantatores, somniatorum coniectores, quos divina lex inretractabiliter puniri iubet; n° 272 (Capitula Pistensia, 862), c. 2, p. 307: illa, quae consensu fidelium nostrorum fieri iussimus; n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 37, p. 327: heribergum nostrum, quod praeterito anno hic fieri iussimus. 35 MGH Capit. 1, n° 88 (Karoli Magni notitia Italica, 776 vel 781), c. 4, p. 188: que in loca venera­bilia facta sunt suspendi iussimus; n° 178 (Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio, c. 820), c. 5, p. 367: Ut erga eclesias piissima misericordia vestra id quod iam dudum Deo inspirante statuit observari ab omnibus iubeat.

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exemples de proposition infinitive assez ample et comportant plusieurs prescriptions (3 occurrences).36 Le construction de iubere avec un infinitif seul sans sujet exprimé est rare en latin classique mais autorisée cependant, quand toute amibgüité est exclue.37 Dans la mesure où les personnes concernées par les injonctions des capitulaires vont de soi la plupart du temps, ce type de construction est donc assez fréquente dans nos textes. Dans la plupart des cas, seul un infinitif dépend du verbe et les injonctions sont donc de faible extension (24 occurrences).38 Il arrive aussi

36 MGH Capit. 1, n° 169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), p. 341, col. A: Quam [formulam] volumus  a te sive  a tuis conprovincialibus episcopis studiose iubere transcribi et monasteriis puellaribus in tuo diocesi consistentibus, in quibus scilicet canonice vivitur, tenendam conferri, qualiterque abbatissis et caeteris monialibus religiosissime ac devotissime observari debeat, apertissime perdoceri; MGH Capit. 2, n° 266 (Capitulare Carisiacense, 857), c.  9, p. 287: (en cas de déprédations ou rapines) nobis notum facere curent, ut iubeamus ipsos depraedatores per eandem viam cum misso nostro redire et illa omnia, quae male egerant, legaliter emendare et talem harmiscaram, sicut nobis visum fuerit, aut iudicium, sicut cum fidelibus nostris consideraverimus, sustinere; n° 291 (Concilium Vernense, 844), c. 5, p. 384: Qui sanctimonialibus illicite miscentur et sacrilega foedera cum eis faciunt nuptiarum, eos Innocentii [en fait Gelasii generale decretum, c. 22] papae censura  a communione iubet suspendi et nisi per publicam probatamque poenitentiam omnino non recipi aut his certe viaticum de saeculo transeuntibus, si tamen poenituerint, non negari. 37 Voir par ex. Marius Lavency, La proposition infinitive (A. C.I.), in : Colette Bodelot (dir.), Grammaire fondamentale du latin, T. X: Les propositions complétives en latin, Louvain 2003, p. 97–192, ici p. 160. 38 MGH Capit. 1, n° 7 (Childeberti secundi decreto, 596), c. 2, p. 15: per praedicationem episcoporum iussimus emendare et c. 2, p. 16: De homicidiis vero ita iussimus observare, ut quicumque ausu temerario alium sine causa occiderit vitae periculum feriatur; n° 14 (Concilium Vernense, 755), c. 6, p. 34: Et si iusserit rex venire, veniat; n° 22 (Admonitio generalis, 789), Praef., p. 54 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), Praef., p. 397 = MGH Capit. N. S. 1, p. 442: aliqua capitula notare iussimus, ut simul haec eadem vos ammonere studeatis; n° 51 (Capitula cum primis conferenda, 808), c. 10, p. 139: De navibus quas facere iussimus; n°  66 (Capitula de missorum officiis, 810), c.  3, p. 155: Quando iustitiam pauperibus facere iusserint; n°  70 (Capitula Karoli apud Ansegisum servata, 810–811?), c. 6, p. 160 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), Append., c. 35, p. 449 = MGH Capit. N. S. 1, p. 677: inoboediens fuit contra praeceptum domni imperatoris, quod ipse pro pace statuere iussit; n° 80 (Capitulare de iustitiis faciendis, 811–813), c. 9, p. 177 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), III, c. 84, p. 434 (55) = MGH Capit. N. S. 1, p. 611: Ut quicquid ille missus in illo missatico aliter factum invenerit quam nostra sit iussio, non solum illud emendare iubeat; n° 100 (Pippini Italiae regis capitulare, 800–810), c. 2, p. 207: hoc capitulum adnotare iussimus; n° 102 (Pippini capitulare italicum, 801 [806?]–810), c. 11, p. 210: tales [advocati] eligantur quales lex iubet eligere; ibid., c. 16, p. 211: propter ullam districtionem quem nos facere iubemus; n° 104 (Capitula Francisca, 779?), c. 1, p. 213: sicut […] rex Francorum […] facere iussit; n° 112 (Statuta Rhispacensia Frisingensia Salisburgensia, 799–800), c. 29, p. 229: Dominus missis in praedicationem discipulis iussit non peram sumere neque calciamenta neque duas tunicas; n° 133

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que iubere ait sous sa dépendance deux infinitifs coordonnés (8 occurrences).39 Dans un passage, le verbe régit trois infinitifs coordonnés, seul cas où, avec cette structure, la matière de l’injonction est un peu plus développée (1 occurrence).40 Dans quelques passages où iubere est construit avec un infinitif, l’exécutant est spécifié au datif (3 occurrences). En théorie, il s’agit là d’une construction inconnue des textes archaïques et classiques : Alain Christol signale cependant qu’elle semble attestée chez Cicéron lui-même en Att. IX , 13, 2 (Quamquam hae mihi Dolabellae iubent ad pristinas cogitationes reverti), où les plus anciens manuscrits ont bien mihi, que les éditeurs modernes corrigent en général en me.41 Quoi qu’il en soit, cette structure, fréquente chez les juristes des IIe et IIIe siècles, s’est répandue en latin tardif, sans doute par analogie avec les constructions (Constitutio Hludowici de Hispanis secunda, 816),  p.  264 = MGH DD Karol. 2, p. 216: De hac constitutione nostra septem praecepta uno tenore conscribere iussimus; n°  169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), p. 340, col. A: perquirere iubebimus, quis praelatorum iniunctum sibi officium strenue peragat; ibid., col. B: inquirere iubebimus, qualiter unus quisque praelatorum ministerium suum expleat; MGH Capit. 2, n° 259 (Capitulare missorum Suessionense, 853), c. 1, p. 267: Ut missi nostri […] ubi desunt congruas officinas construere iubeant; n° 271 (Constitutio Carisiacensis de moneta, 861), p. 302: ut cambiare illum [denarium] mercanti iubeat; n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), p. 439: gladio eum interficere iussit [David]; ibid., p. 440: bellum cum vitiis et pacem cum fratribus iussit habere [Dominus]; Mordek, Bibliotheca, n° 10 (Capitulare missorum de villis inquirendis, 811?), c. 19, p. 979: De nostra ellimosina que dare iussimus. 39 MGH Capit. 1, n° 24 (Breviarium missorum Aquitanicum, 789), c. 1, p. 65: De illo edicto quod […] nos […] conservare et implere iussimus; n° 31 (Capitulum in pago Cenomannico datum, 800), p. 82: Haec Adalardo comiti palatio nostro ad eorum satisfactionem una cum aliis fidelibus nostris praecipere nostra vice et publice adnuntiare iussimus; n° 33 (Capitulare missorum generale, 802), c. 1, p. 92: hoc diligentissimo animo exquirere iussit et sibi innotescere; n° 57 (Capitula omnibus cognita facienda, 801–814 [801–806?]), c. 3, p. 144: ipsos [vicarios aliquid mali consentientes vel facientes] eicere et meliores ponere iubemus; n° 122 (Karoli M. ad Ghaerebaldum episcopum Leodiensem epistola, 803–811), p. 241: iussimus singulariter et diligenter examinare et requirere, si orationem dominicam et simbolum […] scirent aut memoriter tenerent [qui volebant suscipere infantes de sacro fonte baptismatis]; n°  133 (Constitutio Hludowici de Hispanis secunda, 816),  p.  263 = MGH DD Karol. 2, p. 216: praeceptum auctoritatis nostrae […] scribere et eis [Hispanis] dare iussimus; MGH Capit. 2, n° 185 (Hluodwici et Hlotharii epistola generalis, 828), p. 4: generale ieiunium per totum regnum nostrum celebrare iussimus Deumque tota devotione deposcere, ut nobis propitiari […] dignaretur; n° 218 (Constitutio de expeditione Beneventana, 866), c. 2, p. 95: Quicumque enim contra hanc constitutionem remanere praesumpserit, […] praesentaliter ad nostrum opus recipere iussimus et illum foras eicere. 40 Mordek, Bibliotheca, n° 12 (Caroli Magni capitulare ecclesiasticum, 805/813), c. 2, p. 983: sanctę oblationis ad altare munus, quod ipse dominus ibi relinquere iussit et ire prius reconciliare fratri suo et ita munus placabile deo offerre, quia caritas, que est omnium virtutum mater, sine pace et concordia fieri non potest. 41 Alain Christol, Des mots et des mythes (Études linguistiques), Mont-Saint-Aignan 2008, p. 133, n. 5. Cf. aussi Manu Leumann et al., Lateinische Grammatik, Vol. II, 2: Lateinische Syntax und Stilistik, München 1972, p. 363.

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de verbe comme imperare et praecipere, mais elle reste très rare dans les capi­ tulaires.42 Signalons enfin trois exemples d’infinitif passif  sans sujet exprimé en dependance de iubere (3 occurrences). On pourrait supposer qu’il s’agit ici d’une tournure impersonnelle, qui est admise dans l’infinitive,43 mais le contexte semble plutôt exclure cette interprétation : la chose est, me semble-t-il, assez claire dans le capitulaire n° 281 (Capitulare Carisiacense, 877), Tit., p. 355, où le passif est accompagné d’un complément d’agent, ce qui interdit d’interpréter le passif comme un passif impersonnel : de quibusdam [capitulis] quaedam ipse definivit, et de quibusdam a suis fidelibus responderi iussit, « sur certains chapitres, il [Charles-le-Chauve] a lui-même arrêté certains points, et sur d’autres, il a ordonné que certaines réponses soient données par ses fidèles. » Le sujet de responderi doit être quaedam, qui n’est tout simplement pas repris. Dans les deux autres cas, il s’agit de la mention du sceau apposé pour garantir l’authenticité du document dans les capitulaires n° 76: Et ut certius credatis, de anulo nostro subter sigillari iussimus; et n° 133: Ut haec nostrae auctoritatis constitutio firmiorem obtineat vigorem […], anuli nostri impressione signari iussimus.44 L’interprétation syntaxique est peut-être ici plus délicate et n’exclut pas l’emploi de la tournure impersonnelle, mais la structure parallèle avec sujet à l’accusatif dans le capitulaire n°  132 (Hanc constitutionem […] anuli nostri impressione signari iussimus)45 me fait plutôt songer que le sujet est tout simplement omis parce que toute ambigüité est exclue.46 En opposition à la voix active, le verbe iubere admet aussi la voix passive personnelle, la construction étant alors appelée Nominativus cum Infinitivo (N. c. I.). Les capitulaires y ont volontiers recours. À côté de la structure A. c. I.: homines 42 MGH Capit. 1, n° 31 (Capitulum in pago Cenomannico datum, 800), p. 82: Haec Adalardo comiti palatio nostro ad eorum satisfactionem una cum aliis fidelibus nostris praecipere nostra vice et publice adnuntiare iussimus; n° 112 (Statuta Rhispacensia Frisingensia Salisburgensia, 799–800), c. 29, p. 229: Dominus missis in praedicationem discipulis iussit non peram sumere neque calciamenta neque duas tunicas; n° 271 (Constitutio Carisiacensis de moneta, 861), p. 302: ut cambiare illum [denarium] mercanti iubeat. 43 Lavency, A. C.I., p. 160, qui cite par ex. César, Gall. V, 56, 1: Intellexit ultro ad se ueniri, « Il comprit qu’on venait spontanément à lui ». 44 MGH ., Cap. 1, n° 76 (Praeceptum pro Hispanis, 812), p. 169 et n° 133 (Constitutio Hludowici de Hispanis secunda, 816), p. 264 = MGH DD Karol. 2, p. 216. 45 MGH., Cap. 1, n° 132 (Constitutio de Hispanis in Francorum regnum profugis prima, 815), c. 7, p. 262–263 = MGH DD Karol. 2, p. 124. 46 On aurait une structure tout à fait similaire par ex. chez Pline, Hist. nat. XXXIII, 35, 108: Quodsi sit argyritis, ut candor ei detur, magnitudine fabae confracta in fictili coqui iubetur ex aqua addito in linteolis tritico et hordeo novis, donec ea purgentur, « Si c’est l’argyritis, on recommande, pour lui donner de la blancheur, de la concasser en morceaux gros comme une fève, et de la cuire dans un vase de terre avec de l’eau; après y avoir mis dans un linge blanc de l’orge et du blé nouveaux, qu’on laisse jusqu’à ce que la pellicule s’en aille. »

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fidelium nostrorum, quos […] remanere iussimus, on peut ainsi rencontrer dans le même capitulaire la structure N.c.I.:  alii duo qui […] remanere iussi sunt.47 En dehors de quelques exemples, dont celui que nous venons de citer (9 occurrences),48 il s’agit toujours d’une ou plusieurs personnes ayant reçu ordre de faire acte de présence (iussus / i ou iubetur / entur uenire ou praesentare). Cette structure, somme toute assez formulaire (23 occurrences),49 n’est donc jamais 47 MGH Capit. 1, n°  50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c.  4, p. 137 (N. c. I.) et c. 9, p. 138 (A. c.I.). 48 MGH Capit. 1, n° 50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c. 4, p. 137: De hominibus comitum casatis isti sunt excipiendi et bannum rewadiare non iubeantur : duo qui dimissi fuerunt cum uxore illius et alii duo qui propter ministerium eius custodiendum et servitium nostrum faciendum remanere iussi sunt; et c. 9, p. 138: Neque haribannum rewadiare iubeantur illi homines qui anno praeterito nobiscum fuerunt; n° 141 (Capitulare missorum, 819), c. 18, p. 290 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 59, p. 444 = MGH Capit. N. S. 1, p. 655: Ut clerici et monachi et servi fugitivi ad loca sua redire iubeantur; n° 148 (Capitula missorum, 821), c. 11, p. 301 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 11, p. 437; ibi ubi nunc necesse est eosdem pontes facere iubeantur [hi pagenses qui pontes facere debent]; n° 165 (Capitulare Olonnense mundanum, 825), p. 329: liberi homines, qui tantum proprietatis habent unde hostem bene facere possunt et iussi facere nolunt. 49 MGH Capit. 1, n° 141 (Capitulare missorum, 819), c. 14, p. 290; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 55, p. 444 = MGH Capit. N. S. 1, p. 653 et MGH Capit. 2, n° 193 (Capitulare pro lege habendum Wormatiense, 829), c.  5, p. 19: non alius venire iubeatur, nisi qui aut litigat aut iudicat aut testificatur; n°  259 (Capitulare missorum Suessionense, 853), c.  6, p. 268–269: ille, qui […] nonam ac decimam solvere detractat, simul cum missis nostris ad nostram iubeatur venire praesentiam; MGH Capit. 1, n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 20, p. 306 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 18, p. 418 = MGH Capit. N. S. 1, p. 536: Et quicumque neglegens inde inventus fuerit, volumus ut ante nostram praesentiam quantocius venire iubeatur; MGH Capit. 2, n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 23, p. 320: secundum legem ad nostram praesentiam venire iubeatur; et c. 35, p. 327: quicumque neglegens inde inventus fuerit, praecipiemus, ut ante nostram praesentiam venire iubeatur; n°  191 (Capitulare Wormatense, 829), c. 1, p. 12 et n° 303 (Synodus Attiniacensis, 874), c. 1, p. 459 = MGH Conc. 4, p. 599: ut bannum nostrum rewadiare cogantur et per fideiussores ad palatium nostrum venire iubeantur; MGH Capit. 1, n° 132 (Constitutio de Hispanis in Francorum regnum profugis prima, 815), c. 2, p. 262 = MGH DD Karol. 2, p. 123: ad placitum venire iussus; MGH Capit. 2, n° 188 (Capitulare missorum, 829), c. 3, p. 10: Et quicumque hoc se velle pronuntiaverit, ad generale placitum nostrum venire iubeatur; n°  252 (Concilium Triburiense, 895), c. 13, p. 249 = MGH Conc. 5, p. 351: ad synodum canonice iussus venire contempnit; MGH Capit. 1, n° 136 (Capitula legis addenda, 818–819), c. 18, p. 285; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 30, p. 441 = MGH Capit. N. S. 1, p. 641; MGH Capit. 2, n° 201 (Hlotharii capitulare Papiense, 832), c. 9, p. 61; n° 201 (Hlotharii capitulare Papiense, 832), c. 9, p. 61; n° 273 (Edictum Pistense, 864), c. 15, p. 316: [si aliquis] misso nostro iussus praesentare noluerit; MGH Capit. 1, n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 21, p. 306 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 19, p. 418 = MGH Capit. N. S. 1, p. 537: ad nostram volumus ut veniat iussus praesentiam; n° 80 (Capitulare de iustitiis faciendis, 811–813), c. 2, p. 176 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), III, c.  77, p. 433 = MGH Capit. N. S.  1, p. 609: ad nostram

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utilisée pour exprimer des prescriptions complexes et variées et n’est construite qu’avec un seul infinitif sous sa dépendance. Le sujet, comme en latin classique,50 est toujours un être animé. Seuls deux exemples ne répondent pas à une syntaxe classique (2 occurrences). Il s’agit tout d’abord du rappel de l’obligation pour tous les chrétiens d’apprendre le Credo et le Pater dans le capitulaire  n°  3851: Omnibus omnino christianis iubetur simbolum et orationem dominicam discere, « Ordre est donné à tous les chrétiens sans exception d’apprendre le symbole et la prière dominicale. » Comme on le voit, ici c’est la matière de l’injonction qui est le sujet du verbe, alors que la personne concernée par l’ordre est au datif. L’autre exemple est plus problématique. Dans le capitulaire n° 33, le chapitre 31 interdit de faire outrage à ceux qui annoncent la justice au nom de l’empereur et spécifie que « si quelqu’un s’est rendu coupable d’une dette plus grande [que le ban], il doit être mené en présence de l’empereur »: Qui autem praesumpserit, bannum dominicum solvat, vel, si maioris debiti reus sit, ad sua praesentia perduci iussum est.52 On pourrait être tenté de corriger iussum en iussus pour faire du coupable le sujet du verbe au passif, mais en réalité, ce capitulaire, daté de 802 comme le n° 38, porte encore bien des traces de latin non normé : dans notre phrase elle-même, on notera la graphie « vulgaire » ad sua praesentia pour noter l’accusatif ad suam praesentiam. Il me semble donc qu’ici le sujet de iussum est est bien l’infinitif perduci ou, plus exactement, l’infinitive [eum] perduci, dont le sujet à l’accusatif n’est pas exprimé puisqu’il est évident. Cette tournure passive impersonnelle est donc contraire au latin classique qui interdit d’écrire par exemple : *Iubetur Marcum uenire pour signifier « Ordre est donné que Marcus vienne ».53 Ces deux derniers exemples, isolés par rapport à l’ensemble dans deux capitulaires datés de 802,

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iubeantur venire praesentiam; MGH Capit. 2, n° 192 (Capitulare missorum Wormatiense, 829), c. 8, p. 15–16: Et si actores nostri aut aliorum vel advocati eos missis nostris vel comitibus iussi praesentare noluerint, praedictum bannum, id est sexaginta solidos, conponant. Les exemples de sujets inanimés en latin classique sont rarissimes : deux cas seulement chez Cicéron, Pro Balbo 36: deinde cum alterius populi maiestas conseruari iubetur de altero siletur et Topique 39 (sur le droit de détourner les eaux de pluie): quarum [pluviae aquarum] altera iubetur ab arbitro coerceri, altera non iubetur. Je remercie mon collègue et ami, Michel Griffe, spécialiste reconnu de ut, qui m’a fourni ces deux références. MGH Capit. 1, n° 38 (Capitula de examinandis ecclesiasticis, 802), c. 13, p. 110. Si l’on en croit Josef Hermann, Du latin aux langues romanes II . Nouvelles études de linguistique historique, Tübingen 2006, p. 202–203, cette injonction – et sa répitition fréquente sous des formes diverses (on en trouvera la liste dans Gustav Ehrismann, Die Althochdeutsche Literatur, Paderborn 2013 [1918], p. 280–284)  – s’expliquerait par une méconnaissance accrue du latin chez une partie des fidèles et même chez certains membres du clergé. On pourrait éventuellement supposer, mais je n’oserais aller jusque là, que cela pourrait avoir influencé la syntaxe plus « romane » de la formulation. MGH Capit. 1, n° 33 (Capitulare missorum generale, 802), c. 31, p. 97. Voir par ex. Lavency, A. C.I., p. 113.

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témoignent d’un mode d’expression que les effets progressifs de la réforme du latin finiront par éliminer.

2.3 La complétive en ut + subjonctif (59 occurrences) La complétive en ut + subjonctif sous la dépendance du verbe iubere, attestée en latin archaïque, a été ensuite évitée en latin classique avant de réapparaître à partir de Tacite.54 Suite à une « confusion progressive entre imperare et iubeo »,55 elle s’est alors généralisée en latin tardif et médiéval. Ainsi, Jeanne Vielliard a montré par exemple que, dans les Diplomata merovingica, la complétive en ut supplantait largement la proposition infinitive,56 ce qui n’est plus le cas, nous venons de le voir, dans les capitulaires carolingiens. Cependant, elle y est aussi bien présente. Dans la plupart des cas, le destinataire de l’ordre est le sujet de la complétive (16 occurrences). Celui-ci peut être un nom, un pronom personnel ou indéfini, ou encore une relative. Parmi les noms qui reviennent le plus souvent figurent les différents rouages du pouvoir, notamment les missi57 et les comtes,58 mais aussi les évêques, les abbés et abbesses, leurs 54 Federico Panchón, Les complétives en ut, in : Colette Bodelot (dir.), Grammaire fondamentale du latin, T. X: Les propositions complétives en latin, Louvain 2003, p. 335–481, ici p. 378. 55 Panchón, Complétives, p. 378. 56 Jeanne Vielliard, Le latin des diplômes royaux et chartes privées de l’époque mérovingienne, Paris 1927, p. 232–233. 57 MGH Capit. 1, n°  50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c.  2, p. 137: Volumus atque iubemus, ut idem missi nostri diligenter inquirant, qui anno praeterito de hoste bannito remansissent super illam ordinationem quam modo superius comprehenso de liberis et pauperioribus hominibus fieri iussimus; MGH Capit. 2, n° 186 (Capitula ab episcopis in placito tractanda, 829), c. 7, p. 7 et n° 188 (Capitulare missorum, 829), c. 5, p. 10: Volumus atque iubemus, ut missi nostri diligenter inquirant, quanti liberi homines in singulis comitatibus maneant, qui per se possint expeditionem facere [qui possint expeditionem exercitalem per se facere]…; n° 193 (Capitulare pro lege habendum Wormatiense, 829), c. 7, p. 19: Volumus atque iubemus, ut missi nostri diligenter inquirant, quanti liberi homines in singulis comitatibus maneant. 58 MGH Capit. 1, n° 49 (Capitula de causis diversis, 807?), c. 1, p. 135: Volumus atque iubemus, ut comites nostri propter venationem et alia ioca placita sua non dimittant nec ea minuta faciant, sed ad exemplum quod nos cum illis placitare solemus, sic et illi cum suis subiectis placitent et iustitias faciant; n° 102 (Pippini capitulare italicum, 801 [806?]–810), c. 12, p. 210: Volumus etiam atque iubemus, ut comites et eorum iudices non dimittant testes habentes mala fama testimonium perhibere, sed tales eligantur qui testimonium bonum habeant inter suos pagenses; et primum per ipsos iudices inquirantur, et sicut ab illis rectius inquirere potuerint, ita faciant, non voluntas malorum hominum assensum praebentes; MGH Capit. 2, n°  287 (Karolomanni Capitulae Vernense, 884), c.  11, p. 374: De nostris quoque dominicis vassallis iubemus, ut, si aliquis praedas egerit, comes, in cuius potestate fuerit, ad emendationem eum venire vocet.

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vassaux, les rectores ecclesiarum ou encore les fideles du souverain.59 Parfois, c’est un terme vague comme homines nostri qui est utilisé, mais le contexte permet de comprendre qu’il s’agit d’ouvriers ou d’hommes en armes.60 À deux reprises seulement, le nom renvoie à des personnes précises, nommées par ailleurs dans les capitulaires, comme dans la divisio regni de 806 et de 831: les tres fratres, Pépin, Louis et Charles, qui ont ordre de défendre l’Église Saint-Pierre, sont les trois fils de Charlemagne dans le n° 45 et les trois fils de Louis le Pieux dans le n° 194.61 De la même façon, dans l’Ordinatio imperii de 817,62 le senior frater, qui a ordre d’aider militairement ses deux jeunes frères, est Lothaire, le primogenitus mentionné plus haut (in dilecti primogeniti nostri Hlutharii electione, MGH Capit 1, p. 271, l. 5). L’emploi du pronom personnel (6 occurrences) aux premières ou deuxièmes personnes se rencontre tout naturellement dans des capitulaires, dont le texte est une simple lettre,63 mais aussi dans des conciles regroupant des canons à l’inten59 MGH Capit. 1, n°  164 (Capitulare Olonnense ecclesiasticum alterum, 825), c.  1, p. 328: Iubemus ut baptismalium aecclesiarum rectores sint presbyteri singularum singuli, nam non diaconi vel cuiuslibet inferioris ordinis clerici; MGH Capit. 2, n° 275 (Capitula Pistensia), Adnuntiatio Karoli, c. 2, p. 337: Et volumus atque iubemus, ut vassalli episcoporum, abbatum et abbatissarum atque comitum et vassorum nostrorum talem legem et iustitiam apud seniores suos habeant, sicut eorum antecessores apud illorum seniores tempore antecessorum habuerunt; et ibid., c. 3, p. 337: Et volumus atque iubemus, ut episcopi atque abbates, comites ac vassi nostri concordi dilectione et unanimi voluntate ad Dei et sanctae ecclesiae ac nostrum et regni nostri honorem et statum atque communem nostram salvationem decertare procurent; n° 281 (Capitulare Carisiacensis, 877), c. 9, p. 358: Et volumus atque expresse iubemus, ut tam episcopi, quam abbates et comites, seu etiam ceteri fideles nostri hominibus suis similiter conservare studeant. 60 MGH Capit. 2, n° 185 (Hluodwici et Hlotharii epistola generalis, 828), col. A, p. 5: praecipimus atque iubemus, ut omnes homines per totum regnum nostrum, qui exercitalis itineris debitores sunt, bene sint praeparati cum equis, armis, vestimentis, carris et victualibus; n° 192 (Capitulare missorum Wormatiense, 829), c. 11 p. 16: hi, qui iussionem nostram in reparandis pontibus contempserunt, volumus ac iubemus, ut omnes homines nostri in nostram praesentiam veniant rationes reddere, cur nostram iussionem ausi sunt contempnere. 61 MGH Capit. 1, n° 45 (Divisio regnorum, 806), c. 15, p. 129 et MGH Capit. 2, n° 194 (Regni divisio, 831), c.  11, p. 23: Super omnia autem iubemus atque [adque] praecipimus [pre­ cipimus], ut ipsi tres fratres curam et defensionem ecclesiae [aecclesiae] sancti Petri simul suscipiant [sucipiant simul], sicut quondam ab avo [proavo] nostro Karolo et beatae memoriae genitore nostro [avo nostro] Pippino rege [et beate memorie genitore nostro Karolo imperatore add. n° 194] et a nobis postea suscepta est, ut eam cum Dei adiutorio ab hostibus defendere nitantur et iustitiam suam, quantum ad ipsos pertinet et ratio postulaverit, habere [abere] faciant. 62 MGH Capit. 1, n° 136 (Capitula legis addenda, 818–819), c. 6, p. 271: Volumus atque iubemus, ut senior frater iunioribus fratribus suis […] vel per se ipsum vel per fideles missos et exercitus suos oportunum eis auxilium ferat. 63 MGH Capit. 1, n°  169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), col.  B, p. 339: Proinde has litteras ad tuam direximus sanctitatem, per quas iubemus ut, memor admonitionis nostrae, suffraganeos tuae dioeceseos loco et tempore competenti ad te convocare

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tion d’un souverain, comme dans le concile de Verneuil adressé par les évêques à Charles-le-Chauve64 ou dans des instructions envoyées aux missi.65 Quant à la troisième personne, elle apparaît quand le référent est clairement explicité dans le contexte immédiat.66 Enfin, le pronom indéfini (quilibet, unusquisque, nullus) se rencontre aussi pour souligner que toutes les personnes envisagées sans exception sont concernées par l’injonction (3 occurrences).67 Dans quelques cas (5 occurrences), le sujet de la complétive est une relative qui spécifie la catégorie de personnes concernées par l’injonction.68 Dans un

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studeas et eandem institutionem per singula capitula coram ecclesiasticis ordinibus praelegi facias et, qualiter eam sacer conventus ob emolumentum animarum instruere salubriter curaverit, patenter edoceas et his qui canonicae professionis censentur nomine secundum ministerium tibi divinitus collatum et nostrae auctoritatis praeceptum coram memoratis missis nostris observandam percenseas; MGH Capit. 2, n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), c. 1, p. 428 (18) = MGH Conc. 3, p. 408: iussistis, ut vobis VII. Kal. Decembr. Remis occurreremus. MGH Capit. 2, n° 291 (Concilium Vernense, 844), p. 283: eodem Deo inspirante dignati estis iubere, ut de statu ecclesiae, qui vehementer magnitudine ac multitudine peccatorum nostrorum confusus est, tractaremus. Mordek, Bibliotheca, n° 10 (Capitulare missorum de villis inquirendis, 811?), c. 20, p. 979: Insuper volumus us, ut de omnia que supradiximus et de alia que ad nostram utilitae pertinet vos, qui missi estis, diligenter inquirere certetis. MGH Capit. 2, n°  214 (Hludowici II capitula Papiensia in legem data, 855), c.  2, p. 89: iubemus, ut praesentaliter inter se wadient [qui aliquem mallaverit et qui mallatus fuerit], ut ad primum et secundum vel tertium placitum causam ipsam definiant; n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), c. 13, p. 437: ut ad suos episcopos humiliter, sicut eis necesse est, veniant [homines qui excommunicationem meruerunt], iubete vel cogite. MGH Capit. 1, n° 45 (Divisio regnorum, 806), c. 17, p. 129: De filiabus autem nostris, sororibus scilicet praedictorum filiorum nostrorum, iubemus, ut post nostrum ab hoc corpore discessum licentiam habeat unaquaeque eligendi sub cuius fratris tutela et defensione se conferre velit; n°  97 (Karoli epistola in Italiam emissa, 790–800), p. 203: Praecipientes enim iubemus, ut nullus quilibet ex fidelibus nostris, a minimo usque ad maximum, in his quae ad Deum pertinent episcopo suo inoboediens parere audeat de supradictis capitulis seu aliis eruditionibus ad illorum ministerium pertinentibus, sed cum bona voluntate et omni mansuetudinis subiectione unusquisque sacerdoti suo propter Deum et pacis studio obtemperare studeat; n°  146 (Capitulare de disciplina palatii Aquisgranensis, c.  820?), c. 3, p. 298: Volumus atque iubemus, ut nullus de his qui nobis in nostro palatio deserviunt aliquem hominem propter furtum aut aliquod homicidium vel adulterium vel aliud aliquod crimen ab ipso perpetratum et propter hoc ad palatium nostrum venientem atque ibi latitare volentem recipere praesumat. MGH Capit. 1, n° 95 (Pippini Capitulare, c. 790), c. 1, p. 200: iussit ut quicumque senedochia habent […] habeant ipsa senedochia et regant ordinabiliter; Mordek, Bibliotheca, n°  24 (Breviarium missorum Aquitanicum, 789), c. 5, p. 1017: De autem in primo capitulo de senodochio iussit, ut quicumque exsenodochio habent […] habeant ipsi exsenodochia et regant ordinabiliter; n° 133 (Constitutio Hludowici de Hispanis secunda, 816), p. 263 = MGH DD Karol. 2, p. 216: decernimus atque iubemus, ut hi, qui vel nostrum vel domni et genitoris nostri praeceptum accipere meruerunt, hoc quod ipsi cum suis hominibus de deserto excoluerunt per nostram concessionem habeant; MGH Capit. 2, n° 203 (­Hlotharii capitulare de

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des exemples, la relative, placée en prolepse, précède la complétive dans un capi­ tulaire mérovingien,69 et l’on sait que la prolepse ou dislocation est certes une figure de style, mais aussi un trait de langage oral. Dans quelques exemples, le sujet de la complétive est également mentionné au datif dans la principale comme destinataire de l’ordre (5 occurrences).70 Enfin, le destinataire peut aussi occuper la fonction de complément d’agent avec un verbe au passif dans la complétive (2 occurrences).71 Mais, quand les verbes de la complétive sont au passif, le destinataire le plus souvent n’est pas spécifié soit parce qu’il est impliqué par le contexte, soit parce que la matière de l’injonction est évidemment plus importante que la mention de l’exécutant. Dans ces cas, la voix passive implique nécessairement, même s’il n’est pas exprimé, un complément d’agent,72 donc un exécutant (14 occurrences). Dans

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expeditione contra Sarracenos facienda, 846), c. 10, p. 67: Summopere iubemus et modis omnibus observandum censemus, ut quicunque illuc [ad Alarinum in ducato Beneventano] ibunt, sine praedatione christiani populi vadant, quoniam propter hoc magnum nobis malum accidisse non dubitamus. MGH Capit. 1, n° 2 (Childeberti I regis praeceptum, 511–558), p. 3: Quicumque post commonitionem sacerdotum vel nostro praecepto sacrilegia ista perpetrare praesumpserit, si serviles persona est, centum ictus flagellorum ut suscipiat iubemus. MGH Capit. 1, n° 76 (Praeceptum pro Hispanis, 812), p. 169: Quamobrem iussimus Iohanne archiepiscopo misso nostro, ut ad dilectum filium nostrum Lodoicum regem veniret et hanc causam ei per ordinem recitaret; n° 85 (Capitula a missis dominicis ad comites directa, 801–813), p. 183–184: Nos igitur in ipsa legatione positi, idcirco ad vos hanc direximus epistolam, ut vobis et ex parte domni imperatoris iuberemus et ex nostra parte exortando precaremur, ut de omni re, quantum ad ministerium vestrum pertinet, tam ex his quae ad Dei cultum quamque ex his quae ad domni nostri servitium seu ad christiani populi salvationem vel custodiam pertinet totis viribus agere studeatis; n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 10, p. 305 et n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 8, p. 416 = MGH Capit. N. S. 1, p. 528: Abbatibus quoque et laicis specialiter iubemus, ut in monasteriis quae ex nostra largitate habent episcoporum consilio et documento ea quae ad religionem canonicorum, monachorum, sanctimonialium pertinent peragant et eorum salubrem admonitionem in hoc libenter audiant et oboediant; MGH Capit. 2, n° 252 (Concilium Triburiense), Canones extravagantes, c. 11, p. 249: Praecipimus vobis, ut unusquisque vestrum super duas seu tres ebdomadas diebus dominicis seu festivitatibus sanctorum populum sibi commissum doctrinis salutiferis ex sacra scriptura sumptis in aecclesia sibi commissa post evangelium perlectum instruere studeat et iubeat illis, ut nullus de aecclesia exeat, antequam a presbytero sive diacono ultima laus, id est : ‹ Benedicamus Domino › aut ‹ Ite, missa est › pronuntietur. MGH Capit. 1, n°  8 (Chlotharii II praeceptio, 584–628), c.  1, p. 18: Ideoque per hanc gene­ralem auctoritatem praecipientes iubemus, ut in omnibus causis antiqui iuris norma ser­vetur, et nulla sententia a quolebet iudicum vim firmitatis obteneat, quae modum leges adque aequitatis excedit; n° 132 (Constitutio de Hispanis in Francorum regnum profugis prima, 815), c. 7, p. 262 = MGH DD Karol. 2, p. 124: decernimus atque iubemus ut haec nostrae liberalitatis et mansuetudinis constitutio erga illos tenore perpetuo ab omnibus fidelibus sanctae Dei ecclesiae et nostris inviolabiliter conservetur. MGH Capit. 1, n° 3 (Pactus Childeberti I et Chlotharii I, 551–558), c. 16, p. 7: Pro tenore ­pacis iubemus, ut in truste electi centenarii ponantur, per quorum fidem adque sollicitu-

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un exemple, il semble que le passif soit un passif impersonnel, à moins qu’il ne faille envisager une correction.73 Dans deux phrases enfin, très isolées dans deux capitulaires de Pépin d’Italie, la complétive comporte deux verbes coordonnés, l’un au passif et l’autre à l’actif, sans changement de sujet dans l’une,74 avec un changement dans l’autre,75 le premier mentionnant les serfs concernés par l’injonction, le deuxième les domini et advocati chargés de faire exécuter une partie de l’ordre (2 occurrences). Signalons encore quelques particularités très isolées. Comme la proposition infinitive, la complétive en ut + subjonctif peut aussi, dans une tournure au passif impersonnel, être le sujet du verbe iubere (3 occurrences)76; le corpus offre un

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dinem pax praedicta observetur; n° 26 (Capitulatio de partibus Saxoniae, 775–790), c. 22, p. 69: Iubemus ut corpora christianorum Saxanorum ad cimiteria ecclesiae deferantur et non ad tumulus paganorum; n° 102 (Pippini capitulare italicum, 801 [806?]–810), c. 12, p. 210: Et iubemus, ut testimonia ab invicem separentur, sicut lex iubet  et c.  16, p. 211: Iubemus enim, ut […] servi non mittantur in districtionem; n° 150 (Admonitio ad omnes regni ordines, 823–825), c. 23, p. 307; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), II, c. 21, p. 418 = MGH Capit. N. S. 1, p. 539 et n° 191 (Capitulare Wormatense, 829), c. 5, p. 13: volumus atque iubemus, ut de omni conlaboratu et de vino et foeno [feno] fideliter et pleniter ab omnibus nona et decima persolvatur; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 31, p. 441 = MGH Capit. N. S. 1, p. 641; MGH Capit. 2, n° 201 (Hlotharii capitulare Papiense, 832), c. 10, p. 61: De falsa moneta iubemus, ut qui eam percussisse conprobatus fuerit, manus ei amputetur; n° 213 (Hludowicum II capitulare Papiense, 850), c. 7, p. 87: unde iubemus, ut protinus restaurentur [publicae domus] et ad priorem statum recuperentur, quatinus nostris usibus et externarum gentium legationibus, quae ad nos veniunt, satis congrua et decora fiant; n° 294 (Synodus Vermeriensis, 853), c. 1, p. 422 = MGH Conc.  3, p. 305: canonica iubet auctoritas, ut ab uno quilibet reiectus episcopo […] non recipiatur sine testimonii aut litterarum evidentissimo documento; Mordek, Bibliotheca, n°  20 (Capitulum de contentione inter partem ecclesiasticam et saecularem, post 818), p. 1012: Auctoritate nostra iubemus, ut si quod agitur ex una parte fuerit æclesiasticum et ex altera seculare, tunc duo ex illis eligantur, qui cum fustibus et scutis decertent. Seule exception à la voix passive : MGH Capit. 1, n° 88 (Karoli Magni notitia Italica, 776 vel 781), c. 4, p. 188: Et hoc iubemus, ut illis partibus iustum procedat iudicium, ubi nos aut nostra hostis fuerimus, pro illud quod supra scriptum est, mais où procedat semble bien avoir plus ou moins le même sens qu’un fiat. MGH Capit. 1, n° 100 (Pippini Italiae regis capitulare, 800–810), c. 4, p. 208: iubemus atque precipimus, ut si suspitio fuerit quod periurassent, ut postea ad campum vel ad crucem iudicetur [ou iudicentur ?], ut ipsa veritas vel periurium fiant declarata. MGH Capit. 1, n° 100 (Pippini Italiae regis capitulare, 800–810), c. 4, p. 208: Tunc volumus atque iubemus, ut, si sacerdos vel clericus fuerit, dupliciter bannum nostrum persolvat sicut superius decrevimus et postea secundum sanctos canones iudicetur; et si laicus fuerit, widrigild suum ad partem nostram persolvat. MGH Capit. 1, n° 102 (Pippini capitulare italicum, 801 [806?]–810), c. 16, p. 211: Iubemus enim, ut propter ullam districtionem quem nos facere iubemus aut quibuslibet causis servi non mittantur in districtionem, sed per missos nostros vel domini eorum aut illorum advocati ipsos servos distringant, et ipsi sicut lex iubet rationem pro servos reddant, utrum culpabiles sint an non. MGH Capit. 1, n°  69 (Capitulare Baiwaricum, c.  810?), c.  1, p. 158: In primis omnium iubendum est ut habeant aecclesiae earum iustitias, tam in vita illorum qui habitant in

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exemple, à mon avis suspect, de parataxe (1 occurrence)77 et deux emplois de la negation ne au lieu de ut non, qui domine largement (10 exemples) et qui s’était répandu en latin tardif (2 occurrences).78

3. Le bénéficiaire (6 occurrences) Dans les emplois d’imperare étudiés par Étienne Évrard, le bénéficiaire est le plus souvent la personne même qui donne l’ordre. Quand il s’agit d’une tierce personne, celle-ci apparaît au datif, qui est aussi le cas du destinataire, ce qui provoque à l’occasion des ambiguïtés que l’on ne peut lever qu’après un examen minutieux du contexte.79 Ce type d’incertitude n’apparaît pas dans les capitulaires dans la mesure où le bénéficiaire n’est jamais exprimé par un mot au datif. Les bénéficiaires ici aussi sont le plus souvent les donneurs d’ordre et, quand ils sont différents, ils sont presque toujours mentionnés dans la matière de l’injonction. Pour ne prendre qu’un exemple, quand Louis II ordonne de restaurer les domus publicae, c’est dans la complétive qu’il est précisé que le but est qu’elles soient confortables et agréables « pour notre usage et pour les ambassades étrangères » (n° 213, Hludowicum II capitulare Papiense, c. 7, p. 87): unde iubemus, ut protinus restaurentur [publicae domus] et ad priorem statum recuperentur, quatinus nostris usibus et externarum gentium legationibus, quae ad nos veniunt, satis congrua et decora fiant. Dans quelques cas, le bénéficiaire est régi par le verbe iubere, mais dans ce cas il est toujours introduit par une préposition comme de ou pro ou ad.80

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ipsis ecclesiis quamque in pecuniis et substantiis eorum; n° 141 (Capitulare missorum, 819), c. 21, p. 290: Ut comites et vicarii et centenarii de constitutione legis ammoneantur, qua iubetur ut propter iustitiam pervertendam munera non accipiant; n° 183 (Ansegisi abbatis capitularium collectio, 827), IV, c. 62, p. 444 = MGH Capit. N. S. 1, p. 655: Ut comites et vicarii de constitutione legis ammoneantur, qua iubetur ut propter iustitiam pervertendam munera non accipiant. MGH Capit. 2, n° 214 (Hludowici II capitula Papiensia in legem data, 855), c. 3, p. 89: Si vero aliquis alium ad servitium mallaverit et ille, qui mallatus fuerit, wadiam de sua probanda libertate dederit, iubemus, ut supra [ou ut, ut supra ?], ad primum aut secundum vel tertium placitum causam deliberent. Comme on le voit, le ut devant supra introduit une comparative (« comme ci-dessus ») et on peut se demander si le ut complétif n’a pas disparu à cause de lui, cette comparative renvoyant précisément au chapitre 2, p. 89, où le ut complétif est bien présent : iubemus, ut praesentaliter inter se wadient, ut ad primum et secundum vel tertium placitum causam ipsam definiant. MGH Capit. 1, n°  77 (Capitulare Aquisgranense, 801–813), c.  1, p. 170: iam frequenter iussimus, ne monachi foras monasterio habitassent; MGH Capit. 2, n° 216 (Capitula Papiae optimatibus ab imperatore pronuntiata, 865), c. 4, p. 92: iubemus, ne quis suum [beneficium] depravet nullo modo, sed instauret securiter. Évrard, Vues diachroniques, p. 45. MGH Capit. 1, n° 45 (Divisio regnorum, 806), c. 17, p. 129: De filiabus autem nostris, sororibus scilicet praedictorum filiorum nostrorum, iubemus, ut post nostrum ab hoc corpore

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Il me semble évident que si le bénéficaire est si rarement exprimé comme terme régi du verbe lui-même, c’est dans la mesure où la plupart des ordres sont en réalité donnés ad regni utilitatem, pour reprendre une expression du capitulaire n° 271.

Conclusion Du relévé qui précède, nous pouvons tirer le tableau récapitulatif suivant et comparer les données ainsi obtenues à deux autres corpus contenant un total d’occurrences plus ou moins équivalent, celui des dix premiers livres du Code Théodosien et celui des emplois d’imperare chez Cicéron :81  Tableau 1: Les emplois des verbes imperare et iubere Type

Capitulaires iubere

Code Théodosien iubere

Cicéron imperare

– essentiellement absolu – relativement absolu

– 29 (12,3 %)

– 15 (6,5 %)

65 (26,6 %) 21 (8,6 %)

+ accus. avec un nom





72 (29,5 %)

+ accus. avec un pronom, adj. ou partic. subst., relative

29 (12,3 %)

9 (3,9 %)

36 (14,75 %)

+ groupe verbal – inf. ou prop. inf. – complétive en ut – parataxe

118 (50,2 %) 58 (24,6 %) 1 (0,42 %)

189 (82 %) 15 (6,5 %) 1 (0, 43 %)

14 (5,7 %) 36 (14,75 %) –

Total

235

229

244

Une double constatation s’impose tout d’abord au regard de ce tableau. D’une part, les capitulaires ne confondent pas syntaxiquement les verbes imperare et discessum licentiam habeat unaquaeque eligendi sub cuius fratris tutela et defensione se conferre velit; n° 50 (Capitulare missorum de exercitu promovendo, 808), c. 2, p. 137: super illam ordinationem quam modo superius comprehenso de liberis et pauperioribus hominibus fieri iussimus; n° 95 (Pippini Capitulare, c. 790), c. 9, p. 201: De filia cuius pater per manum erogatoris omnes servos suos iussit fieri liberos; n° 3 (Pactus Childeberti I et Chlotharii I, 551–558), c. 16, p. 7: Pro tenore pacis iubemus, ut in truste electi centenarii ponantur, per quorum fidem adque sollicitudinem pax praedicta observetur; n° 24 (Breviarium missorum Aquitanicum, 789), c. 1, p. 65: De illo edicto quod […] nos in postmodum pro nostros missos conservare et implere iussimus; n°  271 (Constitutio Carisiacensis de moneta, 861), p. 301: in eo quod ad regni utilitatem iubetur et agitur. 81 Les chiffres pour le Code Théodosien reposent sur un relevé personnel et ceux pour Cicéron sont tirés du tableau donné par Évrard, L’environnement syntaxique, p. 127, en tenant compte des corrections qu’il y a apportées dans Évrard, Vues diachroniques, p. 52, n. 4.

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iubere. Les emplois essentiellement absolus de imperare et ceux avec un nom à l’accusatif n’ont pas entraîné d’emplois similaires avec iubere. D’autre part, on note, par rapport au Code Théodosien, l’importance accrue donnée à l’emploi de la complétive en ut au lieu de l’infinitive, mais cette innovation par rapport au latin classique ne fait que réactiver une virtualité syntaxique qui existait déjà dans le latin archaïque et qui donc, aux yeux d’un écrivain carolingien, ne pouvait passer pour une incorrection. Par ailleurs, les auteurs des capitulaires ont su profiter de cette construction pour viser à une plus grande clarté. Les linguistes en effet ont tenté d’expliquer la différence de signification qu’il pouvait y avoir entre l’infinitive et la proposition en ut avec les verba imperandi. Ainsi, Armin Dittmar avait soutenu jadis que la première était réservée à des ordres faciles à exécuter et la seconde à des ordres difficiles à exécuter,82 théorie qui n’a pas résisté longtemps à l’examen. En revanche on peut considérer, avec Federico Panchón,83 que l’infinitive est préférée quand la proposition est de faible extension et la proposition en ut quand elle est d’une extension plus ample, cette dernière facilitant le traitement de prescriptions plus longues. Le corpus des capitulaires confirme le plus souvent cette interprétation : en règle générale, les auteurs recourent à l’infinitive pour des injonctions de faible extension et à la complétive en ut pour des prescriptions plus amples et plus complexes. On y trouve cependant aussi, comme nous l’avons vu, trois exemples de proposition infinitive assez ample et comportant plusieurs prescriptions, mais la plus longue ne compte que 36 mots,84 alors que la complétive peut en compter jusqu’à 60.85 On peut donc dire que si les auteurs ont parfois un souci d’écriture, de « style intentionnellement tendu », comme dit Pascale Bourgain,86 ils manifestent le plus souvent un souci de clarté et d’intelligibilité. 82 Armin Dittmar, Studien zur lateinischen Moduslehre, Leipzig 1897, p. 320. 83 Panchón, Complétives, p. 377–378. 84 MGH Capit. 1, n° 169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817), p. 341, col. A: Quam [formulam] volumus  a te sive  a tuis conprovincialibus episcopis studiose iubere transcribi et monasteriis puellaribus in tue diocesi consistentibus, in quibus scilicet canonice vivitur, tenendam conferri, qualiterque abbatissis et caeteris monialibus religiosissime ac devotissime observari debeat, apertissime perdoceri. 85 MGH Capit. 1, n° 169 (Hludowici ad archiepiscopos epistolae, 816–817),  col.  B, p. 339: Proinde has litteras ad tuam direximus sanctitatem, per quas iubemus ut, memor admonitionis nostrae, suffraganeos tuae dioeceseos loco et tempore competenti ad te convocare studeas et eandem institutionem per singula capitula coram ecclesiasticis ordinibus praelegi facias et, qualiter eam sacer conventus ob emolumentum animarum instruere salubriter curaverit, patenter edoceas et his qui canonicae professionis censentur nomine secundum ministerium tibi divinitus collatum et nostrae auctoritatis praeceptum coram memoratis missis nostris observandam percenseas. 86 Pascale Bourgain, Le latin médiéval, Turnhout 2005, p. 94: « L’emploi de la proposition infinitive, au lieu de quod ou quia et une complétive, marque un style intentionnellement tendu, l’imitation des formes antiques; fréquente chez des auteurs recherchés comme

283

L’environnement syntaxique du verbe iubere 

Enfin, ce tableau révèle que le verbe iubere connaît dans les capitulaires une variété d’emploi syntaxique exactement similaire à celle qu’il  a dans le Code Théodosien.  On peut donc se demander si le droit romain n’a pas eu une influence linguistique profonde sur la langue des auteurs.87 Pour savoir si les effets de la réforme carolingienne de la langue  a eu une influence notable sur la rédaction des capitulaires après Charlemagne, on peut reprendre le tableau en scindant cette fois les capitulaires en deux groupes, un groupe A (capitulaires avant 814) et un groupe B (capitulaires après 814). Cela donne les résultats suivants : Tableau 2: Les effets de la réforme carolingienne Type

Capitulaires A avant 814 iubere

Capitulaires B après 814 iubere

Code Théodosien iubere

– essentiellement absolu – relativement absolu

– 16 (18,8 %)

– 13 (8,6 %)

– 15 (6,5 %)

+ accus. nom concret







+ accus. pronom, adj. ou partic. subst., relative

8 (9,4 %)

21 (14 %)

9 (3,9 %)

+ groupe verbal – inf. ou prop. inf. – complétive en ut – parataxe

38 (44,7 %) 23 (27 %) –

80 (53,3 %) 35 (23,3 %) 1 (0,6 %)

189 (82 %) 15 (6,5 %) 1 (0, 43 %)

Total

85

150

229

On ne voit en fait aucune différence notable, en dehors d’un cas de parataxe après 814 – mais que je crois suspect, comme je l’ai signalé – et d’une lègère augmentation dans l’emploi de l’infinitif et de la proposition infinitive. Il y a donc bien dans l’ensemble des capitulaires une réelle uniformité quant à l’environnement syntaxique de iubere. On peut cependant affiner quelque peu cette impression en entrant dans le détail de certaines données : ainsi, si l’emploi de l’infinitif Guillaume de Poitiers, elle se rencontre peu, en France du moins, dans le latin courant, les sermons, les contes, les chartes, et dans ce cas, elle est généralement brève, de façon à être englobée dans une même émission de voix ou un même coup d’œil à la suite de son verbe déclaratif ». 87 Selon François  Louis Ganshof, Droit romain dans les capitulaires, Milan 1969, p. 43, « l’influence du droit romain sur les capitulaires fut tout à fait occassionnelle et extrêmement faible », mais depuis lors, Jean Imbert, Les références au droit romain sous les carolingiens, in : Revue historique de droit français et étranger 73 (1995), p. 163–174, a montré qu’en fait, les références au droit romain sous les Carolingiens étaient nombreuses et précises.

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seul est quasiment identique dans les deux groupes (20 occurrences en A et 19 en B), il n’en va pas de même dans l’emploi de la proposition infinitive, qui est mieux représentée dans les capitulaires après 814 (11 occurrences seulement dans le groupe A [13,75 %] et 34 dans le groupe B [22,6 %]). Ce n’est aussi que dans les capitulaires du groupe B que l’on trouve des infinives d’une extension plus large, effet évident d’un retour à des normes plus classiques. De la même manière, le recours au Nominativus cum infinitivo, parallèle de l’infinitive dans la structure passive, n’apparaît que trois fois avant 814 [3,75 %], alors que son emploi augmente considérablement après cette date (29 occurrences [19, 33 %]). On peut enfin rappeler que les deux cas de passif impersonnel, ayant donc pour sujet non celui qui reçoit l’ordre, mais l’infinitif lui-même, structure interdite en latin classique, ne sont présents que dans des capitulaires datés de 802. Il est donc incontestable que la syntaxe du verbe iubere a retrouvé des allures un peu plus classiques après 814, mais il n’empêche que dans l’ensemble, les structures syntaxiques non classiques sont infimes dans tout le corpus : 13 cas seulement,88 autrement dit 5,5 % (6 cas dans le corpus A, soit 7 % et 7 dans le B, soit 4,6 %). Les remarques de François Louis Ganshof sur l’incorrection syntaxique des capitulaires à l’époque de Charlemagne méritent donc d’être nuancées.89 Je voudrais terminer en revenant sur la différence sémantique entre imperare et iubere. D’après Isidore de Séville, la différence antique entre les deux verbes aurait disparu à son époque. Il écrit en effet dans ses Differentiae : Inter iubere et imperare. Iubere apud ueteres non idem erat quod imperare; nam ­iubere ibi dicebatur, ubi uoluntatis erat obsequium; imperare autem ubi debito quisque imperio parebat.90  (Différence) entre iubere et imperare. Chez les Anciens, iubere n’avait pas le même sens qu’imperare; on employait iubere là où il y avait soumission à une volonté, imperare, en revanche, là où chacun obéissait à un ordre auquel il était tenu.91

Selon lui, le verbe iubere aurait été employé dans l’Antiquité quand quelqu’un attend la soumission d’un autre à sa volonté, tandis qu’imperare suppose l’obligation d’obéissance à une autorité incontestable. Et de fait, dans le domaine ju88 Je ne tiens pas compte des 10 emplois de ut non au lieu de ne, tant son emploi s’était répandu en latin tardif (voir Panchón, Complétives, p. 460, qui signale aussi p. 452 que « ut non dans une complétive avec subj. volitif a dû être utilisé dans la langue parlée avant Sénèque »). Même en en tenant compte, on n’arriverait de toute façon qu’à un taux de 11 % de structures non classiques dans l’ensemble des capitulaires. 89 Il est juste cependant de souligner qu’une étude de la morphologie et de la stylistique donnerait vraisemblablement des résultats très différents. 90 Isidore, Differentiae I, 304 (Migne PL 83, col. 42). 91 Trad. Évrard, Cooccurrences, p. 723 (légèrement retouchée).

L’environnement syntaxique du verbe iubere 

285

ridique, comme l’a montré Jean-François Thomas, imperare est utilisé, de Plaute à Sénèque, pour le principe d’autorité inhérent à la loi, tandis que iubere « joue moins sur l’autorité visant à l’obéissance que sur l’incitation et le sens moral »: imperare « impose la décision », iubere « repose sur la volonté et l’incitation ».92 Or il en va de même dans notre corpus. En effet, les emplois d’imperare dans les capitulaires renvoient toujours plus ou moins directement au pouvoir de Dieu. On le rencontre dans une citation de Prov. 8, 16: Per me principes imperant, et potentes decernunt iustitiam93; dans une allusion à la tempête apaisée et à celui qui imperet ventis et mari94; dans une citation des Sententiae d’Isidore (III, 5A; Migne PL 88, col. 723–724) pour rappeler que la potestas temporalis n’est là que pour imposer par la terreur de la discipline ce que le prêtre ne peut obtenir par l’exposé de la doctrine : Ceterum intra ecclesiam potestates necessariae non essent, nisi ut, quod non prevalet sacerdos efficere per doctrinae sermonem, potestas hoc imperet per disciplinae terrorem95; et enfin, dans un ablatif absolu soulignant que Louis et Lothaire détiennent l’imperium au nom de Dieu : In nomine domini et salvatoris nostri Iesu Christi imperantibus dominis nostris piissimis augustis Hludowico […] et Lothario […].96 Dans ces 4 exemples, imperare ne renvoie à aucun ordre précis, mais à la simple détention du pouvoir suprême, qui vient de Dieu : Dieu commande (imperat) en vertu de son autorité et les hommes ordonnent (iubent) pour tenter d’imposer leur volonté. Il est d’ailleurs significatif que lorsque iubere dans nos capitulaires est accordé à un autre verbe, ce verbe soit presque toujours le verbe velle : volumus atque (ac / et) iubemus apparaît 18 fois dans les capitulaires (69, 23 % du total des cas de coordination avec un autre verbe).97 La différence sémantique entre imperare et iubere, qu’Isidore tenait 92 Thomas, Observations, p. 19–20. 93 MGH Capit. 2, n° 252 (Concilium Triburiense, 895), p. 212 = MGH Conc. 5, p. 344. 94 MGH Capit. 2, n° 297 (Epistola synodi Carisiacensis ad Hludowicum regem Germaniae directa, 858), p. 441 = MGH Conc. 3, p. 427. Cf. Matth. 8, 27; Marc. 4, 41; Luc. 8, 25. 95 MGH Capit. 2, n° 196 (Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio, 829), c.  56, p. 47. Sur ce passage, voir les remarques de Stéphane Derousseau, Le droit impérial concernant les hommes et les biens d’Église et sa contestation en 829 dans l’Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio, in : Élisabeth Magnou-Nortier (dir.), Aux sources de la gestion publique, T. II: L’invasio des villae ou la villa comme enjeu de pouvoir, Lille 1995, p. 209–225, spéc. p. 222. 96 MGH Capit. 1, n° 180 (Eugenii II concilium Romanum, 826), p. 370. 97 Cf. n° 49, c. 1, p. 135; n° 50, c. 2, p. 137; n° 100, c. 4, p. 208; n° 102, c. 12, p. 210; n° 136, c. 6, p. 261; n° 146, c. 3, p. 298; n° 150, c. 23, p. 307; n° 183, II, c. 21, p. 418; n° 186, c. 7, p. 7; n° 188, c. 5, p. 10; n° 191, c. 5, p. 13; n° 192, c. 11, p. 16; n° 193, c. 7, p. 19; n° 273, c. 37, p. 328; n° 275, c. 2 et c. 3, p. 337; n° 281, c. 9, p. 358; Mordek, Bibliotheca, n° 10, c.20, p. 979), à côté de 4 occurrences de iubemus atque praecipimus (n° 45, c. 15, p. 129; n° 100, c. 4, p. 108; n° 185, col. A, p. 5; n° 194, c. 11, p. 23), 2 occurrences de decernimus atque iubemus (n° 132, c. 7, p. 262; n° 133, p. 263) et 1 occurrence de iubemus et censemus (n° 203, c. 10, p. 67) et de iubete vel cogite (n° 297, c. 13, p. 437).

286

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pour disparue à son époque, a incontestablement retrouvé vie à l’époque carolingienne. C’est sans doute ce qui explique que les ordres introduits par iubere n’ait pas une forme fixe : assez souvent, le latin des capitulaires mentionne plutôt le destinataire du discours qui exprime l’ordre que l’exécutant d’où en viendra la réalisation.98 Souvent aussi le destinataire n’est pas du tout indiqué, ce qui montre bien que la matière de l’injonction est plus importante que la mention du destinataire ou du bénéficiaire.99 On rejoint ainsi une remarque de François Louis Ganshof, selon lequel « on peut […] admettre que ce qui comptait seulement était la prescription, non la forme où elle était coulée ». Enfin, les injonctions liées au verbe iubere sont rarement juridiques : dans 65 cas seulement (27,6 %), celles-ci concernent directement des points de droit judiciaire, canonique ou monastique, les autres touchent de manière parfois très vague au respect de la discipline, des rites ou des pratiques religieuses (29 cas, soit 12,3 %), à des appels à l’intégrité et à la probité morale des destinataires (55 cas, soit 23, 4 %), pour qu’ils respectent scrupuleusement la loi, les ordonnances et décisions des souverains ou des évêques,100 ou encore à des commandements de toute sorte (imposer un sceau sur un document, faire construire des ponts, restaurer des bâtiments, etc.), difficiles à classer (86 cas, 36,5 %). La force législative des prescriptions régies par le verbe iubere est donc assez faible, mais, comme l’a montré Martin Gravel, le rôle principal des capitulaires tenait moins à leur efficacité juridique qu’à leur diffusion à grande échelle, qui permettait ainsi de faire connaître dans toutes les régions de l’empire la volonté de l’empereur dans les domaines les plus variés.101 D’une certaine façon, l’environnement syntaxique du verbe iubere confirme la clef que Philippe Depreux a rappelée pour comprendre les capitulaires et qui « consiste notamment à les considérer moins comme les éléments d’un code juridique qu’on appliquerait à la lettre, que comme un cadre, comme l’expression d’une ‹ rhétorique d’exhortation permettant aux responsables politiques de satisfaire aux demandes du roi au niveau local › ».102 Les injonctions dépendant du verbe iubere en effet ne sont pas l’expression d’une autorité qui impose l’obéissance, mais bien celle d’une incitation morale à se soumettre ad regni utilitatem à la volonté des divers représentants de l’autorité. 98 Comme dans les emplois d’imperare étudiés par Évrard, Vues diachroniques, p. 45. 99 Évrard, L’environnement syntaxique, p. 117 formulait lui aussi une remarque similaire à propos des emplois de imperare: « Il est clair que la matière de l’injonction est nettement plus importante que le destinataire et qu’elle retiendra plus l’attention.» 100 Sur cette dimension pastorale et religieuse, voir en particulier Thomas Martin Buck, Admonitio und Praedicatio. Zur religiös-pastoralen Dimension von Kapitularien und kapitulariennahen Texten (507–814), Frankfurt am Main 1997. 101 Martin Gravel, Distances, rencontres, communications. Réaliser l’empire sous Charlemagne et Louis le Pieux, Turhout 2012, p. 155–159. 102 Depreux, Sociétés occidentales, p. 19–20, citant ici Matthew Innes, State and Society in the Early Middle Ages. The Middle Rhine Valley, 400–1000, Cambridge 2000, p. 254.

Els Rose * 

»Thy Stranger within Thy Gates«: The Semantic Field of »Foreignness« in the Frankish Capitularies

1. Introduction The stranger is a familiar figure wherever people form communities, regardless of these communities’ historical, cultural, or geographic backgrounds. In  a recent volume edited by Altay Coșkun and Lutz Raphael the legal position of the stranger or foreigner is studied throughout history, from Antiquity to the present. The authors in this volume acknowledge the singular position in which the stranger finds himself legally with regard to the insiders of that particular group who are dominant and ruling in actual fact. At the same time, however, they challenge the assumption that in premodern societies being a stranger was automatically equal to being without rights, as the title with its question mark reflects: »Fremd und rechtlos?«1 In the present contribution I aim to investigate the vocabulary of »stranger« and »foreigner« in the Frankish capitularies of the early Middle Ages. I will survey the terms that belong to the semantic field of foreignness in this particular kind of royal decrees of combined administrative, legislative, and exhortative character and content.2 I will concentrate on the contextual meaning of the ∗ I would like to thank the organisers of the conference in Paris, February 2017 and its participants for their comments on an earlier draft of this work, especially Karl Ubl for his constructive feedback. The final draft was written with financial support of NWO VICI-Rose 277-03-002 Citizenship Discourses in the Early Middle Ages, 400–1100, funded by the Netherlands Organisation for Scientific Research (NWO). 1 Altay Coşkun / Lutz Raphael, Inklusion und Exklusion von Fremden und die Relevanz von Recht und Politik – Eine Einführung, in: id. (eds.), Fremd und Rechtlos? Zugehörigkeitsrechte Fremder von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch, Köln 2014, p. 9–56, at p. 10: »Ebenso ist zu betonen, dass in vormodernen Zeiten vielfach personal formuliertes Recht – wie etwa die germanischen Stammesrechte – nicht automatisch dazu geführt hat, dass Nichtteilhabe an der Rechtsgemeinschaft des herrschenden Volkes automatisch zu Rechtlosigkeit geführt hätte«. 2 For definitions of capitularies see Hubert Mordek, Kapitularien und Schriftlichkeit, in: Rudolf Schieffer (ed.), Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern. Referate des Kolloquiums der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften am 17./18.  Februar 1994 in Bonn (Abhandlungen der Nordrhein-Westfälischen Akademie

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Els Rose 

Latin terms used to distinguish the stranger or foreigner from the insiders of the community, in order to highlight the position of these strangers and foreigners in the society addressed by the capitularies.

1.1

The semantic field: terminology inherited from Roman Antiquity and the biblical Old Testament

In this presentation of ongoing research, embedded in  a more encompassing investigation of citizenship discourses in the early Middle Ages (c.400–c.1100),3 I limit myself primarily to Latin vocabulary, rather than including the vernacular. The classical Latin vocabulary is rich in synonyms to express what comes from far or abroad. The technical term that traditionally distinguished the foreigner from the citizen in the legal terms of the Roman Empire is peregrinus.4 For this word the classical dictionaries list  a number of synonyms, including hospes, advena, and alienigena.5 These singular words in their turn yield additional equivalents, such as externus, exterus, and alienus as synonyms of advena,6 and extraneus and adventicius as synoyms of exterus,7 as graphically displayed in table 1. Table 1: peregrinus and its synonyms, according to Lewis / Short, Latin Dictionary. hospes peregrinus

alienigena

externus

aduena

alienus extraneus

3 4

5 6 7

extraneus aduenticius

der Wissenschaften 97), Opladen 1996, p. 34–66, at p. 34; Rosamond McKitterick, Charle­ magne. The Formation of a European Identity, Cambridge 2008, p. 233–237; Brian E. Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres (864): A Translation and Commentary, PhD thesis University of Minnesota 2013, p. 11–15, accessed through: http://conservancy.umn.edu/ bitstream/handle/11299/152270/Hill_umn_0130M_13627.pdf?sequence=1&isAllowed=y [last accessed 27.08.2020]. On this project see Els Rose, Citizenship Discourses in Late Antiquity and the Early Middle Ages, in: Frühmittelalterliche Studien 55 (2021), p. 1–21. Peter Garnsey, Roman Citizenship and Roman Law in the Later Empire, in: Simon Swain / ​ Mark Edwards (eds.), Approaching Late Antiquity: The Transformation from Early to Later Empire, Oxford 2004, p. 133–155, at p. 143–145; Oliver Schipp, Römer und Barbaren: Fremde in der Spätantike und im Frühmittelalter, in: Altay Coşkun / Lutz Raphael (eds.), Fremd und Rechtlos?, p. 121–151, at p. 122. Charlton T. Lewis / Charles Short, A Latin Dictionary, Oxford 2002, s.v. peregrinus. Ibid., s.v. advena. Ibid., s.v. exterus.

»Thy Stranger within Thy Gates« 

289

In the Latin translations of the Old Testament, a similar richness in terminology to indicate the stranger is found. One central passage serves as an example here, namely the wording of the Ten Commandments. The fourth commandment prescribes Sabbath observance both for those belonging to »the community« and for those who are strangers to it.8 In the Vulgate text, the two different versions that transmit this passage use two different terms to express the »stranger«. We find the word advena in Exod. 20, 10,9 while in Deut. 5, 14 the word peregrinus is used.10 In the older Latin Bible translations of Deut. 5, 14, such as the Itala version of the Vetus Latina, as well as the patristic commentaries based on these earlier translations we also find the terms aduena11 and colonus.12

1.2 Peregrinus and its equivalents in early medieval usage Given the range of synonyms in the vocabulary of »stranger« and »foreigner« inherited from the ancient and biblical past it comes as no surprise to find  a variety of synonyms in the early medieval Frankish capitularies to express notions of foreignness and strangerhood. Working from the index in Boretius’ MGH edition, to which I confined myself for this study,13 I listed the following relevant alternatives (in alphabetical order): 1. advena 2. alienigena 8 Exod. 20, 10: »But the seventh day is a sabbath to the Lord your God; you shall not do any work – you, your son or your daughter, your male or female slave, your livestock, or the alien resident in your towns«. Deut. 5, 14: »But the seventh day is a sabbath to the Lord your God; you shall not do any work – you, or your son or your daughter, or your male or female slave, or your ox or your donkey, or any of your livestock, or the resident alien in your towns, so that your male and female slave may rest as well as you«. English Bible translation: New Revised Standard Version (henceforth NRSV). 9 Vulgate Exod. 20, 10: Septimo autem die sabbati Domini Dei tui non facies omne opus tu et filius tuus et filia tua servus tuus et ancilla tua iumentum tuum et advena qui est intra portas tuas. 10 Deut. 5, 14: Septimus dies sabbati est id est requies Domini Dei tui non facies in eo quicquam operis tu et filius tuus et filia servus et ancilla et bos et asinus et omne iumentum tuum et peregrinus qui est intra portas tuas ut requiescat servus et ancilla tua sicut et tu. 11 Deut. 5, 14 in Vetus latina database, fiche 2: aduena. The reference is to Itala, codex lugdu­ nensis, Robert 1881, p. 321. Consulted at: http://apps.brepolis.net [last accessed 10.12.2020]. 12 Deut. 5, 14 in Vetus latina database, fiche 4: colonus. The reference is to Augustine’s commentary on this passage in Contra Adimantum, ed. Joseph Zycha, CSEL 25, 1, Prague 1891, p. 159. Vetus latina database consulted at: http://apps.brepolis.net [last accessed 10.12.2020]. 13 Capitularia regum Francorum, ed. Alfred Boretius / Viktor Krause, MGH Leges, 2 vols., Hannover 1883–1897. The problematic nature of this edition and its approach to capitularies has been the subject of many studies and the incentive to make new editions in recent decades; see http://capitularia.uni-koeln.de/en/ [last accessed 12.10.2020]. Mordek qual-

290

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3. alienus 4. barbarus 5. exterus 6. extraneus 7. hospes 8. peregrinus The semantic opposites of this list as they occur in the capitularies are primarily: a) civis b) indigena c) inquilinus In the following section we will trace the terms in the capitularies focussing primarily on the list of terms related to »the stranger«, asking the question as to how the meaning and use of these terms in the social context of the early Middle Ages relate to the classical and biblical traditions depicted above, and how they reflect the approach to strangers in the Frankish world.

2. Contextual meaning: semantic continuity or change? The examination of the semantic contexts in which the terminology of foreignness and strangerhood is used in the Frankish capitularies follows the alphabetical order of the terms in question as listed in the preceding section.

2.1 advena At the top of the alphabetical list is the word advena, which is at the same time the most frequently used term to indicate foreignness in the capitularies. This echoes the central role the term played in the complex mix of continuity and change that constituted the world of late antique and early medieval Frankish ifies the lack of attention for the complex relation of manuscript evidence as »an in many respects unstable basis« (»… hatten […] auf vielfach unsicherem Fundament gebaut«): Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta. Überlieferung und Traditionszusammenhang der fränkischen Herrschererlasse, MGH Hilfsmittel 15, München 1995, p. vii. See further Mordek, Kapitularien und Schriftlichkeit, p. 34–37 on the state of the present research and 65–66 on the need to return to the manuscripts. A critical reflection on modern defintions and classifications as in Boretius’ edition is given by Steffen Patzold, Normen im Buch. Überlegungen zu Geltungsansprüchen so genannter »Kapitularien«, in: Frühmittelalterliche Studien 41 (2007), p. 331–350 and in the contribution of Jennifer Davis in the present volume.

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Gaul. Stefan Esders gives an overview of the use and meaning of the word in late Roman and early medieval culture.14 Esders refers to Isidore of Seville, who defines advena in his Etymologiae IX .4 (De civibus) as someone who has left his region of origin with the deliberate purpose to settle permanently in the new region of his choice: There is this difference between a tenant (inquilinus) and a ›resident alien‹ (advena): tenants are people who emigrate, and do not remain permanently, whereas we speak of resident aliens or immigrants (incolae) as coming from abroad (adventicii) but settling permanently – hence the term incolae, for those who are now inhabitants, from the word ›reside‹ (incolendo).15

In the following we will explore the extent to which the use of advena in the capitularies relates to Isidore. The earliest capitulary in Boretius’ collection where the word is found is the so-called Capitulare missorum Niumagae, issued by Charlemagne and dated by Boretius to March 806. The edict addresses the missi and phrases their requested attitude towards strangers or migrants: We wish that our missi act similarly in individual cases, with regard to either the haribannus,16 or strangers (de advenis), or whatever other cases. With regard to strangers (De advenis) we wish that those who have married (coniugati sunt) in specific places a long time ago remain there and that they are not chased without cause or crime. Fugitive slaves, however, and criminals must return to where they come from.17 14 Stefan Esders, Controlling Social Mobility and Adjusting Ethnicity: The Concept of advena in the Early Medieval West, paper presented at the conference Nation, Group and Religion in Late Antiquity and the Early Middle Ages, Princeton, 16–18 April 2008. I thank Stefan Esders for sharing the unpublished version of this paper with me. See now Stefan Esders and Helmut Reimitz, Legalizing Ethnicity: The Remaking of Citizenship in Post-Roman Gaul (6th-7th Centuries), in: Cédric Brélaz and Els Rose (ed.), Civic Identity and Civic Participation in Late Antiquity and the Early Middle Ages, CELAMA 37, ­Turnhout 2021, p. 295–329. 15 Isidore of Seville, Etymologiae IX .4.38, ed. Wallace M. Lindsay, Oxford 1911, vol. 1 s. p.: Differt autem inter inquilinum et advenam. Inquilini enim sunt qui emigrant, et non perpetuo permanent. Advenae autem vel incolae adventicii perhibentur, sed permanentes; et inde incolae, quia iam habitatores sunt, ab incolendo; transl. Stephen Barney et al., The Etymologies of Isidore of Seville, Cambridge 2006, p. 205. See Esders, Controlling Social Mobility, p. 2. 16 Haribannus: »fine exacted by the public authority for neglect of duty in the host later taking the character of a tax paid in stead of duty in the host«. Jan F. Niermeyer et al., Mediae Latinitatis Lexicon Minus, Leiden 2001, s.v. haribannus. See also Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 54: »The term bannum is used also for the fine issued if the king’s decrees were violated«. 17 MGH Capit. 1, no. 46, c. 5, p. 130–132, at p. 131: Volumus ut equaliter missi nostri faciant de singulis causis, siue de haribanno siue de aduenis siue de ceteris cuiuslibet causis. De

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The capitulary expresses the king’s wish that the missi treat the case of strangers in the same way as they would handle any other case. Strangers who are iam diu coniugati per singula loca should not be deported unless there is  a cause (causa) or a crime (culpa) that gives reason to do so. The decree seems to correct a tendency to treat strangers like transgressors, as if they were fugitive slaves or criminals. In any case, the edict expresses a protective attitude towards strangers who wish to remain in the region they migrated into. Three mid-ninth-century capitularies use the word advena in the context of the invasions by the Northmen. The first is the Capitulare missorum Silvacense, dated by Boretius to 853 and issued by Charles the Bald (and Lothar). Chapter 9 seems to adopt  a similar attitude towards strangers as the edict we have just discussed: With regard to strangers (De advenis) who through the oppression of the Northmen and the Bretons have taken refuge in the parts of these kingdoms, our predecessors have stated that they may suffer no violence or abuse of power (oppressionem) or exaction (exactationem) through any court dignitary (ministro rei publicae),18 but that they are allowed to find and follow their own way of life, until they either return to their own countries or their lords (seniores) may take them up again. And [they stated] that if one of the court dignitaries (rei publicae ministris) or one of the others was found to act or to have acted against this precept of charity, he should pay the fine of the lord (bannum dominicum).19

The capitulary states that immigrants, who have taken refuge under pressure of the invasions by Northmen and Bretons, should not suffer violence of any kind. Different from the previous examples, advenae are seen in this capitulary as temporary refugees with the obvious aim to return to their home country, who should be able to »follow their own way of life«. Anyone who hinders them to do so is to be punished by a fine. The edict expresses a clear concern with

aduenis uolumus, ut qui iam diu coniugati sunt per singula loca, ut ibi maneant et sine causa et sine aliqua culpa non fiant eiecti; fugitiui uero serui et latrones redeant ad propria loca. 18 Albert Blaise, Dictionnaire latin-français des auteurs du Moyen Age, Turnhout 1975, s.v. exactatio: »action d’exiger, de lever (une taxe)«, with reference to the present locus. There is no attestation of the noun in the classical dictionaries. 19 Niermeyer, Lexicon, s.v. bannus 6. MGH Capit. 1, no.  260, c.  9, p. 273: De aduenis, qui oppressione Nortmannorum uel Brittannorum in partes istorum regnorum confugerant, statuerunt seniores nostri, ut a nullo rei publicae ministro quamcumque uiolentiam uel oppressionem aut exactationem patiantur; sed liceat eis conductum suum quaerere et habere, donec aut ipsi redeant ad loca sua aut seniores illorum eos recipiant. Quodsi inuentus fuerit ex rei publicae ministris aut aliis quibuslibet contra hoc pietatis praeceptum facere aut fecisse, bannum dominicum exinde componat.

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the protection of these refugees: protection from violence (violentia), abuse of power (oppressio), and exaction (exactatio). The latter two terms in particular are not entirely univocal. With regard to oppressio, Leo Stelten offers the possible interpretation of »slavery«.20 The lack of attestations in Stelten, however, makes it difficult to see if this is indeed the kind of »abuse of power« that Charles has in mind here. The term exactatio seems to refer to levying taxes, as Niermeyer and Blaise indicate with reference to this attestation.21 In that sense, the advenae meant in this edict are different from the advenae as defined by Isidore and occurring in the preceding capitulary: strangers who have the intention to stay in the newly chosen region. The latter were, as Stefan Esders makes clear, submitted to the collection of taxes, just as the inhabitants of a domain were.22 Advenae were registered by name, origin and former lord (senior) in order to make »an advena liable to certain obligations and to control his behaviour«.23 The foreign refugees indicated in the 853 edict with the same term advenae did not have the intention to stay and it was not allowed to expose them to taxes. A second relevant capitulary issued by Charles the Bald is entitled Capitulare missorum Attiniacense and dated 854 by Boretius. Charles addressed it to the missi while he sojourned in Attigny together with Lothar in June 854. The text is equally protective towards foreigners and fugitives seeking shelter against the Northmen and Bretons: With regard to the foreigners (De advenis), afflicted by the court dignitaries in such a way that they exact taxes or demand labour (censum vel operationes exegerunt) from those who were dashed by the Northmen or Bretons and therefore came begging to this kingdom, or those who have come hither because of the oppression that befell Aquitaine, this [precept] may compensate for them with their own law. And anyone who will dare to do this henceforth should pay the fine of the lord likewise with compensation.24

20 Leo Stelten, Dictionary of Ecclesiastical Latin, Peabody MA 1995, s.v. oppressio, accessed through: http://clt.brepolis.net [last accessed 27.08.2020]. Leo the Great uses the word in relation to the position of the Jewish people as slaves in Egypt: Tractatus 53.3, ed. Antoine Chavasse, CCSL 138–138A, Turnhout 1973. 21 Niermeyer, Lexicon, s.v. exactatio; Blaise, Dictionnaire latin-français, s.v. exactatio, consulted online through: http://clt.brepolis.net [last accessed 27.08.2020]. Both give this locus as attestation. 22 Esders, Controlling Social Mobility, p. 3–5. 23 Esders, Controlling Social Mobility, p. 3. 24 MGH Capit. 2, no. 261, c. 6, p. 277–278: De aduenis, quos affligunt ministri rei publicae, scilicet ut qui ab illis, quos Nortmanni uel Brittones adflixerunt, et ideo mendicando in istud regnum uenerunt, uel qui propter adflictionem Aquitanicam huc uenerunt, censum uel operationes exegerunt, hoc cum sua lege illis emendet. Et qui deinceps hoc facere praesumpserit, simul cum emendatione dominicum bannum componat.

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Like the Capitulare Silvacense this text suggests that fugitive immigrants easily fell victim to court dignitaries who abused them as sources of taxes and labour. This is seen as a crime. The text does not express itself about the intention of the refugees, but given the correspondence with the 853 edict it seems reasonable to assume that, again, the term advenae indicates temporary refugees. A third capitulary by Charles the Bald that addresses the matter of fugitive foreigners and their status in the period after the Northmen invasions is the Edict of Pîtres (864), c. 31.25 The chapter indicates that advenae who have lived in the new region for a longer period, sometimes for a number of generations, are to be registered by name and by the name of their former lords in the region of origin. For this practice the edict refers to earlier statutes by Charlemagne (»my grandfather«)26  – the practice of controlling social mobility that Esders explained seems to be at stake here: Concerning migrants (adventitiis)27 from that territory which has been laid waste by the Northmen, we decree that, just as is held in the capitulary of our grandfather the emperor Charles, each count (comes) is to create a list from his own county (comitatu) of both the names (of the displaced people)  and the names of their original lords (seniores),28 and they are to permit those migrants (advenas), who remain from the time of our grandfather and from the time of our lord and father in the counties of those counts, according to custom as it existed in their time, to remain there.29

Those who have fallen victim to the Northmen more recently (nuper), however, should be protected from oppression and taxes.30 The chapter regulates the 25 For a discussion of this capitulary and a translation of its text see Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres; for a more detailed reconstruction of the context in which the edict was issued, including the problem of the Viking raids with which Charles the Bald was confronted, see ibid., p. 69–76. 26 On Charles the Bald’s reliance on earlier capitularies, in particular the collection of Ansegisus dated 827, see Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 17 and 66; see also Janet Nelson, Literacy in the Carolingian Government, in: Rosamond McKitterick (ed.), The Uses of Literacy in Early Mediaeval Europe, Cambridge 1990, p. 258–296, at p. 288. 27 The word aduenticius is used as a synonym of aduena, a rare occurrence in the capitularies. 28 The word is not translated by Hill. On the importance of the »lords« in the control over newcomers, see Esders, Controlling Social Mobility, p. 4. 29 Edict of Pîtres (864), MGH Capit. 2, no.  273, c.  31, p. 323: De aduentitiis istius terrae, quae a Nortmannis deuastata est, constituimus, ut, sicut in capitulari aui nostri Karoli imperatoris habetur, unusquisque comes de suo comitatu et nomina eorum et qui sunt eorum seniores describi faciant et ipsos aduenas, qui a tempore aui nostri atque a tempore domini et patris nostri in illorum comitatibus commanent, secundum consuetudinem, quae illorum temporibus fuit, eos ibi manere permittant. Transl. Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 135. 30 Edict of Pîtres (864), MGH Capit. 2, no. 73, c. 31, p. 323: Illos uero, qui persecutione Nortmannorum nuper de istis partibus in illas partes confugerunt, episcoporum missi cum

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conditions of working the land for these persons, both in the region they fled into and in the region of origin, to which they should be guaranteed safe conduct. The word advena is not further mentioned in this passage or in the remaining part of this chapter. The temporary refugees are not indicated in this capitulary with any technical term, while advena in this chapter seems to be reserved for permanent immigrants in the Isidorian sense. The same is valid for the final part of the chapter, which deals with mixed marriages between alien and indigenous slaves (both foreign women with inhabitant men and vice versa). These marriages are considered illegal and should be dissolved: If, however,  a woman from (other) regions accepted  a husband or  a man from (other) regions accepted a wife in those regions (into which they fled), that marriage (coniugium), because it is not legal nor legitimate, as Leo in his decretal and St. Gregory in his letter teach, is to be dissolved; and he whose man or woman it was, his authority is to receive his slave, and he is to have (that person) marry a person under his authority.31

Any children born of these marriages should remain with the mother, for which decision Charles the Bald refers to »our law and ancient custom« (secundum legem et antiquam consuetudinem nostram). In regions, however, where Roman law prevails, the situation should be regulated according to that law.32 This final part of the Edict of Pîtres shows the complexity of the »blend of Roman and ›Germanic‹ law and custom at work behind the Carolingians’ conceptualizations of kingship and authority«, as Hill phrases it.33 missis rei publicae taliter de illis partibus in istas partes uenire faciant, ut non opprimantur nec aliquis census uel quaecumque exactio ab illis exigatur. See Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 135–136. 31 Edict of Pîtres (864), MGH Capit. 2, no. 273, c. 31, p. 324: Si autem de istis partibus in illis partibus femina maritum aut maritus feminam accepit, illud coniugium, quia non est legale neque legitimum, sicut Leo in suis decretis et sanctus Gregorius in suis epistolis monstrant, dissoluatur; et cuius fuerit uir uel femina, mancipium suum quaeque potestas recipiat, et suae potestatis homini coniungere faciat. Transl. Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 137–138. For matters regarding mixed marriages, see also the discussion of alienigena below. 32 Edict of Pîtres (864), MGH Capit. 2, no. 273, c. 31, p. 324: Et si infantes inde nati sunt, secundum legem et antiquam consuetudinem nostram infantes matrem sequantur. In illis autem regionibus, quae legem Romanam sequuntur, secundum eandem legem fieri exinde decreuimus. 33 Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 10. On the relation between Roman law and Germanic laws and customs see ibid., p. 15–16, 18–24 and 67–68; also Stefan Esders, Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum. Zum Rechtscharakter politischer Herrschaft in Burgund im 6. und 7. Jahrhundert, Göttingen 1997; see also Helmut ­Reimitz, History, Frankish Identity and the Framing of Western Ethnicity, 550–850, Cambridge 2015, esp. p. 213–214. Hill depicts the Edict of Pîtres as an example of the transition from personal (applied to a group of people falling under Roman law) to territorial

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The capitularies discussed make clear that definitions in this kind of sources were not set in stone. The word advena is sometimes but not always used in the way Isidore defined it: not all advenae are immigrants who wish to remain or who have already settled in the region they migrated into. The term, despite its long history in post-Roman legal context, does not have one fixed use or interpretation in the type of sources discussed here, not even in the edicts issued by Charles the Bald who frequently relates to earlier capitularies, particularly those of his grandfather. While Charlemagne’s Capitulare missorum maintains Isidore’s definition of advena, Charles the Bald gives a different semantic context to the same term.

2.2 alienigena The noun alienigena and the adjective alienigenus occur rarely in the capitula­ ries, and when they do it is in a fixed context of »foreign, abroad«. Thus, the adjective is used in the Divisio regnorum, dated 806. Charlemagne uses the word with regard to the outer borders of the newly divided kingdoms, stipulating that his sons should help each other to defend these frontier zones: fines regni sui qui ad alienigenas extenduntur.34 The word is used in an ethnic, rather than  a territorial context in the late ninth-century Synod of Tribur (895), where it refers to persons belonging to a different people. This source, testifying to the Church council which took place during a ›Reichsversammlung‹ summoned by king Arnulf and was chaired by archbishop Hatto of Mainz,35 is included in the ›Ergänzung‹ added to Boretius’ edition of the Capitularia regum Francorum. The source as such is relevant for

law (applied to a region falling under Roman law): Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 19. On the way Roman law echoes in the Edict of Pîtres see Janet Nelson, Translating Images of Authority: The Christian Roman Emperors in the Carolingian World, in: ead., The Frankish World, 750–900, London 1996, p. 89–98; on this particular chapter of the Edict of Pîtres and the division of children born in illegal slave relations see François L. Ganshof, Le droit romain dans les capitulaires et dans la collection d’Ansegise, Milan 1969, p. 34–35. 34 Divisio regnorum, MGH Capit. 1, no. 45, p. 127: … et fines regni sui qui ad alienigenas extenduntur cum Dei adiutorio nitatur defendere, et pacem atque caritatem cum fratre custodire. 35 Wilfried Hartmann, Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien, Paderborn 1989, p. 367; see on this council also Christopher Carroll, The Last Great Carolingian Church Council: the Tribur Synod of 895, in: Annuarium historiae conciliorum 33 (2001), p. 9–25; on the transmission of its canons Rudolf Pokorny, Die drei Versionen der Triburer Synodalakten von 895. Eine Neubewertung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 48 (1992), p. 429–511.

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the present investigation because it explains alienigenus as modifying people with a different ethnic background. The context in which it is used is that of mixed marriages, where the divorce of foreign women is prohibited: »Whoever has legally and with mutual consent married a woman from another people […] should keep her…«36

2.3 alienus The word alienus is most often used as an adjective, rather than a noun. The word refers most commonly to »that which belongs to someone else« (sive sui sunt sive alieni)37, rather than to »foreign«.38 In a capitulary issued by Louis the Pious and dated to 816 the word is used to indicate »a foreign region« (aliena patria), and states that if someone is summoned, for whatever cause, in a foreign region, he should make amends39 in that same region but according to his own law: If someone is summoned for whatever reason in a foreign region (in aliena patria), where he may dwell because of a land grant or for whatever reason, let him make amends there according to his own law. He may also take an oath with those conjurors that are with him in that same region or province.40

Exceptions to this rule are formulated in this capitulary for those who are summoned precisely for reasons concerning manumission or on matters of inheritance: for these people the region of origin (patria sua) is the place where

36 Synod of Tribur, MGH Capit. 2, no. 252, c. 39, p. 235–236 = MGH Conc. 5, p. 362–363: Si quis alienigenam in matrimoniam duxerit, habere debebit. Quicunque alienigenam, hoc est alienae gentis feminam, uerbi gratia Francus mulierem Baioaricam, utrorumque consultu propinquorum legitime uel sua uel mulieris lege adquisitam in coniugium duxerit, uelit nolit, tenenda erit nec ultra ab eo separanda, excepta fornicationis causa. Cf. Hans-Werner Goetz, Terminology and Perceptions of the ›Germanic‹ Peoples, in Richard Corradini et al. (eds.), The Construction of Communities in the Early Middle Ages, Leiden 2003, p. 39–64, at p. 49. 37 Admonitio ad omnes regni ordines (823–825), MGH Capit. 1, no. 150, c. 17, p. 303–307, at p. 305. 38 For the use of the noun alienus in late Roman legal context, see Carolina Lo Nero, Christiana dignitas: New Christian Criteria for Citizenship in the Late Roman Empire, in: Medieval Encounters 7 (2001), p. 146–164, esp. p. 159–164 (»Cives and Alieni«). 39 Iustitiam facere: »to atone, comply«: Niermeyer, Lexicon, s.v. iustitia, 9a. 40 MGH Capit. 1, no. 134, c. 2, p. 267–269, at p. 268: Si quis in aliena patria, ubi uel propter beneficium uel propter aliam quamlibet occasionem conuersari solet, de qualibet causa fuerit interpellatus, ibi secundum suam legem iustitiam faciat, et cum talibus quales in eadem regione uel prouincia secum habere potuerit coniuratoribus legitimum sacramentum iuret.

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they should swear and where conjurors should follow them.41 The context suggests that aliena patria is indeed not one’s own fatherland, but nevertheless an important substitute for patria sua.42

2.4 barbarus With regard to the etymological background of the word barbarus, Lewis and Short indicate affinity with a number of verbs expressing animals’ speech, such as the bleating of sheep (balo) and the crying of elephants (barrio).43 In its original Greek usage, βάρβαρος is used in opposition to citizen, as those who lacked logos: »the ability to reason and speak« needed to qualify for citizenship.44 Within the biblical New Testament, the teaching of the apostle Paul relativises the tendency to use the term as  a marker of cultural difference (Col. 3, 11; 1. Cor. 7, 21).45 However, in the early Church as well as in the early medieval period authors frequently used barbarus to mark the distinction between different social groups.46 In this interplay of insiders and outsiders the label barbarus could work out as a proud nickname47 or as a marker of »not belonging«. The mechanism works in the shifting relation between citizen and barbarian in the post-classical world, in which process Christianity played  a distinctive role. The barbarian symbolising the outsider of the community was no longer the non-citizen in Roman, legal terms but, increasingly, the non-Christian, all

41 MGH Capit. 1, no. 134, p. 268: Excepto si quis eum de statu suo, id est de libertate sua uel de hereditate quam ei pater suus moriens dereliquit, appellauerit: de his duobus liceat illi sacramentum in patria sua, id est in legitimo sui sacramenti loco, iurandum offerre; et is qui cum eo litigatur, si uelit, sequatur illum in patriam suam ad recipiendum illud sacramentum. 42 The word patria falls outside the scope of this study because it refers to a region not a person. A preliminary survey indicates that its use in the capitularies is often in correspondence with the present example: to indicate a person’s region of origin or belonging and, closely related to that, the area of jurisdiction a person belongs to. See e.g. MGH Capit. 1, no. 27 (797), c. 10; MGH Capit. 1, no. 158 (822–823), c. 18. See further below section 2.5 on exterus. 43 Lewis / Short, Latin Dictionary, s.v. barbarus. 44 Thomas E. J.  Weidemann, Barbarian, in: Simon Hornblower / A ntony Spawforth (eds.), The Oxford Classical Dictionary, third edition, Oxford 1996, p. 233; see also Adrian N.  Sherwin-White, Racial Prejudice in Imperial Rome, Cambridge 1967, p. 13; Yves A. Dauge, Le barbare: recherches sur la conception romaine de la barbarie et de la civilisation, Bruxelles 1981, p. 424–426. 45 See Weidemann, Barbarian. 46 Weidemann, Barbarian. 47 See Ian Wood, The Term »barbarus« in Fifth-, Sixth-, and Seventh-Century Gaul, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 41 (2011), p. 39–50.

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those not baptised and, therefore, not participating in the social community that was defined by religious boundaries.48 The label barbarus then starts to occur in unexpected places, in contexts that turn around the classical distinction between »Romans« and »barbarians«. Thus it is used in regions that are traditionally seen as the »periphery« of the former Roman Empire – either because of their geographical situation or because Roman presence was relatively short or late or both – such as in the work of the Anglo-Saxon historiographer Bede, who proclaims Christianity as  a triumph over barbarism in his Ecclesiastical History.49 In the Frankish capitularies we do not find the use of barbarus to distinguish social groups and to define boundaries of inclusion and exclusion. Instead, the association of barbarus with language is dominant here.50 In two capitularies the word is used to set the vernacular apart from the sacred language (Latin), of which I give one example here: Secondly we order that the Lord’s Prayer, which comprises all necessities of human existence, and the Apostolic Creed, in which the Catholic faith is comprised in its integrity, must be learned by all people, both in Latin and in the vernacular, so that they believe and understand with their heart what they profess with their tongue.51

The word is not used to prescribe behaviour towards strangers, for which reason I leave it further undiscussed here.

48 Bernhard Jussen, Liturgy and Legitimation, or How the Gallo-Romans Ended the Roman Empire, in: id. (ed.), Ordering Medieval Society. Perspectives on Intellectual and Practical Modes of Shaping Social Relations, Philadelphia 2001, p. 147–199, at p. 153; Reinhart Koselleck, Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe, in: id., Vergangene Zukunft: Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt am Main 1979, p. 233. 49 Bede, Historia ecclesiastica  IV.2, ed. Charles Plummer, Oxford 1969, p. 205; see also Rose, Citizenship Discourses, p. 6–7. 50 As it is for Isidore of Seville, Etymologiae I.32. 51 Haitonis episcopi Basileensis capitula ecclesiastica, MGH Capit. 1, no. 177, c. 2 = MGH Capit. episc. 1, p. 210: Secundo iubendum, ut oratio dominica in qua omnia necessaria humanae uitae comprehenduntur et symbolum apostolorum in quo fides catholica ex integro conprehenditur ab omnibus discatur, tam latine quam barbarice, ut quod ore profitentur corde credatur et intellegatur. For another example in the Capitularia regum Francorum see the work of Walafrid Strabo, who uses the word barbaries to indicate the (German) vernacular as opposed to Latin: Walafridi Strabonis Libellus de exordiis et incrementis rerum ecclesiasticarum, MGH Capit. 2, Appendix, c. 7, p. 481.

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2.5 exterus Although the word exterus occurs rather frequently in the capitularies, it brings comparatively little new information as its use in different edicts is more or less similar. In all cases exterus occurs as an adjective, often connected to nationes or provinciae and in opposition to patria. The oldest instance is the Divisio regnorum issued by Charlemagne in 806, where the need for the royal brothers to help each other in defending the borders is mentioned: Following this ruling of our authority, it has pleased us, for the sake of the peace which it is our desire should persist in perpetuity among our foresaid sons, to decree and command that none of them should presume to invade the boundaries of frontier-regions of his brother’s kingdom or treacherously to apply himself to causing strife within his brother’s kingdom or to weakening the frontier-regions; rather, each of them is to aid his brother and bring him help against his brother’s enemies, insofar as is reasonable and possible, both within the country and against external races (exteras nationes).52

The word also occurs in Louis the Pious’s Ordinatio imperii of 817, where again the need for the rulers to defend their own region against exteras nationes is mentioned.53 These exterae nationes are often presented as inimical (extereas et … inimicas nationes).54 Elsewhere in the same Ordinatio imperii foreign regions are given the benefit of the doubt, e.g. when envoys are mentioned who may arrive for a variety of purposes, either peaceful or belligerent.55 Later on during Louis’s reign the emperor expressed his concern with regard to the bad treatment of legations, which apparently befell them from time to time due to  a lack of respect from the side of those held responsible for an adequate reception of such envoys. Chapter 18 of the Admonitio ad omnes regni ordines (dated 823–825) describes in striking detail how certain vassals refuse to provide hospitality in 52 Divisio regnorum (806), MGH Capit. 1, no. 45, c. 6, p. 126–130, at p. 128: Post hanc nostrae auctoritatis dispositionem placuit inter praedictos filios nostros statuere atque praecipere, propter pacem quam inter eos perpetuo permanere desideramus, ut nullus eorum fratris sui terminos uel regni limites inuadere praesumat neque fraudulenter ingredi ad conturbandum regnum eius uel marcas minuendas, sed adiuuet unusquisque illorum fratrem suum et auxilium illi ferat contra inimicos eius iuxta rationem et possibilitatem, siue infra patriam siue contra exteras nationes. Transl. Paul D.  King, Charlemagne. Translated Sources, Lambrigg 1987, p. 253. 53 Ordinatio imperii (817), MGH Capit. 1, no. 136, c. 6, p. 271. 54 Ordinatio imperii (817), MGH Capit. 1, no. 136, c. 7, p. 272. 55 Ordinatio imperii (817), MGH Capit. 1, no. 136, c. 8, p. 272: De legatis uero, si ab exteris nationibus uel propter pacem faciendam uel bellum suscipiendum uel ciuitates aut castella tradenda uel propter alias quaslibet maiores causas directi fuerint, nullatenus sine senioris fratris conscientia ei respondeant uel eos remittant.

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their houses, or even attack legations and rob them. As this harms the honour of king and kingdom, Louis expresses his wish that persons acting in this manner, or also failing to keep control over their own dependents in matters of hospitality and reception of legates coming from outside that may be important for king and realm, be deprived from their fiefs.56 To return to the Ordinatio imperii, there is another relevant chapter for exterae nationes, namely the one in which Louis the Pious expresses himself with regard to future marriages of his sons which might take place after his own death. In chapter 13, Louis decrees that his sons should avoid choosing a bride from a foreign nation, while he at the same time gives freedom to their vassals (homines) to find  a wife in whatever region, as marriages strengthen bonds between regions and help fortify and guarantee peace: We wish, also, that if to any one of them, after our decease, the time for marrying shall come, he shall take a wife with the counsel and consent of his elder brother. This, moreover, we decree shall be guarded against, for the sake of avoiding dis56 MGH Capit. 1, no. 150, c. 18, p. 303–307, at p. 305–306: De inhonoratione quoque regis et regni et mala fama in exteras nationes dispersa, propter neglegentiam eorum qui legationes ad nos directas in suis mansionibus aut male recipiunt aut constitutam a nobis expensam non tribuunt aut parvareda dare nolunt aut furto aliquid eis subripiunt aut, quod perpessimum est, apertas violentias, eos caedendo et res eorum diripiendo, in ipsis exercere non pertimescunt, hoc omnibus notum esse volumus, quod quicumque ex his qui honores nostros habent abhinc hanc neglegentiam emendare non certaverit et suos homines, qui eius vice hoc agere debent, ut id bene perficiant, non instruxerit aut constrinxerit, ut ulterius illud neglegere non praesumant, et honorem nostrum et regni nobis commissi custodire contempserit, nec nostrum nec regni nostri honorem ulterius volumus ut habeat. Sed volumus ut unusquisque fidelium nostrorum procuratores rerum suarum de his specialiter instruat, ut, quandocumque et undecumque legatio advenerit, et aut litteras aut missum nostrum viderint, honorifice illum in omni loco imperii nostri propter nostrum et totius regni honorem omnes suscipere valeant: »Concerning the dishonour done to king or realm, and concerning rumours dispersed to foreign nations caused by the disrespect displayed towards legations sent to us by those who receive them badly in their houses or do not provide the subsistence I required from them, or are not willing to give the horses needed or because they secretly steal from them, or, what is even worse, are not afraid of openly using violence against them by knocking them down and taking their things from them: I want this to be known to all, that everyone of those who hold a fief, who does not strive to amend this disrespect, and also fails to instruct and to hold in check his own dependents who in their turn act like this, so that they carry this out well lest they dare to show such disrespect in future and despise to guard the honour of me and of the kingdom entrusted to me, we do not want them to have any fief of the kingdom or of the king any longer. But we wish that all our loyal subjects instruct their stewards with regard to this matter with special attention, so that, whenever and from wherever a legation will come to us, whether they will see our letters or our messenger, they can all receive him in every place of our empire on behalf of the honour of me and of the entire kingdom.« See also Heinhard Steiger, Die Ordnung der Welt. Eine Völkerrechtsgeschichte des karolingischen Zeitalters (741 bis 840), Köln 2010, p. 746–747 for the text and passim for the treatment of legations.

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cords and removing harmful opportunities: that any one of them shall presume to take a wife from external nations (de exteris gentibus). But the vassals of all of them, in order that the bonds of peace may be drawn more closely, may take their wives from whatever places they wish.57

The notion of a good relation with external regions is brought forward in a late ninth-century capitulary issued by Karloman in 884: the capitulary of Ver. The king admonishes his fideles not to do injustice to foreign regions (pagani et exterae nationes) by plundering them and taking their livestock, for this will be reciprocated and such behaviour will, thereby, ultimately usher in the downfall of the kingdom.58 Finally, the word exterus is combined with provinciae in a capitulary issued by Wido, king of Italy in the 880s. Here, the external provinces are approached in a negative way, more particularly those who arrive from there to commit crimes of plundering and robbery (depredationes atque rapinas). Those who provide them hospitality (hi, cum quibus morantur) are pressed to either bring them to court and / or to emend for them (aut ad audientiam eos adducant aut pro eis emendent). They are not allowed to protect these evildoers with their authority, and if they do so, they will be considered excommunicated until they repent.59 In sum, the word exterus is in almost all cases associated with the regions external to the kingdom. The relation with these adjacent regions is a delicate one and can influence the realm itself with either threat and danger or peace and friendly relations. Many of the capitularies therefore discuss the way people from external regions should be approached: with respect and care as long as the honour and good fame of the kingdom are at stake, but also with firm restrictions once they form a threat or negative influence.

57 MGH Capit. 1, no. 136, c. 13, p. 270–273, at p. 272: Volumus etiam ut, si alicui illorum post decessum nostrum tempus nubendi uenerit, ut cum consilio et consensu senioris fratris uxorem ducat; illud tamen propter discordias euitandas et occasiones noxias auferendas cauendum decernimus, ut de exteris gentibus nullus illorum uxorem accipere praesumat. Omnium uero homines propter pacem artius conligandam, ubicumque inter partes elegerint, uxores ducant. Transl. Ernest F.  Henderson, Select Historical Documents of the Middle Ages, London 1896, consulted online: http://avalon.law.yale.edu/medieval/ verdun.asp [last accessed 27.08.2020]. 58 MGH Capit. 2, no. 287, c. 14, p. 371–375, at p. 371: Non est autem mirum, si pagani et exterae nationes nobis dominantur nobisque bona temporalia tollunt, dum unusquisque proximo suo per uim tollit, unde uiuere debet. 59 MGH Capit. 2, no. 222, c. 8, p. 105: Quicumque ab exteris prouinciis aduentantes depredationes atque rapinas infra regnum hoc exercere presumunt, hi, cum quibus morantur, aut ad audientiam eos adducant aut pro eis emendent neque eos ulterius in talibus ausis sua potestate defendere audeant; quodsi fecerint, inter excommunicatos habeantur, quousqe resipiscant.

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2.6 extraneus The use of the word extraneus in the capitularies, synonym of peregrinus, alienus, adventicius, and externus according to the classical dictionaries,60 is in harmony with the most frequently occurring meaning in classical contexts: »not of one’s family«, »not related«, »not of one’s blood«, as the examples show. The lexeme occurs in the episcopal capitulary attributed to Gerbold of Liège (784–810) and directed at the clergy. Chapter 15 uses the word extraneus to forbid sacerdotes to let a woman from outside the family live in the houses of sacerdotes: No priest must have a relation with women outside his family, and he must never let a woman live in his own house in which he lives.61

The word sacerdotes has  a variety of meanings including priests and bishops but also deacons and sub-deacons.62 Modern translators tend to leave the word untranslated.63 In various capitularies sacerdos is mentioned in relation to the ritual purity of the celebrant, which is essential to safeguard the effectiveness of Mass and other sacraments. Therefore, I would translate sacerdos here as »priest«, in the awareness that the word can (and does in this context) include the bishop as celebrant in the holy mysteries.64 The extraneae mulieres mentioned here are specified by Gerbold as »other than his mother, sister, or aunt from father’s or mother’s side«. Gerbold refers to the fourth-century Council of Nicaea, counting as the first of the ecumenical councils whose authority is shared by Eastern and Western Christendom: As the holy council of Nicaea forbids, no priest (presbyter) must ever allow  a woman from outside his family to live in his house with him, with the exception of his mother and sister and his aunt from father’s or mother’s side; and no priest (presbyter) may allow any woman to go near his bedroom or cell; and if he does so he must be aware that he will be excluded from the honourable priesthood (presbyteratus).65 60 Lewis / Short, Latin Dictionary, s.v. extraneus; Thesaurus Linguae Latinae, s.v. extraneus. 61 MGH Capit. episc. 1, p. 20: Ut nullus sacerdos extranearum mulierum habeat familiaritatem nec in sua domo, in qua ipse habitat, nullam mulierem umquam permittat habitare. 62 Niermeyer, Lexicon, s.v. sacerdos (»bishop or priest«). 63 Thus P. D. King in the context of the Admonitio generalis: King, Charlemagne, p. 209–220 passim. 64 On the term episcopus, referring to the bishop as office holder, see Els Rose (ed.), Missale Gothicum e codice Vaticano Reginensi latino editum, CCSL 159D, Turnhout 2005, p. 167. 65 MGH Capit. episc. 1, p. 37: Sicut sancta synodus Nicena interdicit, nullus umquam presbyter in domo sua habitare secum permittat mulierem extraneam, preter matrem et sororem atque amitam vel materteram, vel etiam ad secretum cubiculi vel cellarium nullus presbyter feminam aliquam adire permittat; quod si fecerit post hec, sciat se ab honore presbyteratus deponi. Boretius dates the text between 802 and 810. See for the text of Nicaea 325, c. 3: Norman P. Tanner, Decrees of the Ecumenical Councils, 2 vols., vol. 1, London 1990, p. 7.

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This episcopal capitulary explicitly addresses the ban on female housemates, other than members of the family, to priests (presbyteri). Half a century later, the word is found in the Council of Paris-Meaux, convened by Charles the Bald and held in June 845 to be continued in February 846. At first sight, the meaning of extraneus seems to have a different, specifically ecclesiastical context. Canons 73–76 deal with relations of Christians with Jews, and among them canon 74 addresses the ancient issue of gift exchanging between the two religious groups by inserting in full the relevant canon 58 of the fourth Council of Toledo held in 633:66 From the Fourth Council of Toledo, chapter 58: »On those who offer favour and support to the Jews against the faith of Christ. So great is the avarice of some people that, as the Apostle says, while they strive after it they will stray away even from the faith; even now, indeed, many of the priests and the laymen have received gifts from the Jews and encouraged, with their protection, the perfidy of those who are known (and not without reason) to be members of the Antichrist’s body; for they act against Christ. Henceforth, therefore, any bishop, cleric, or layman who would provide them help against the Christian faith through favour and support, should be put under anathema as an impious and sacrilegious and expelled out of (efficiatur extraneus) the Catholic Church of the Kingdom of God, for it is proper that one who becomes defender of the enemies of Christ should be separated from the body of Christ«.67

The word extraneus here means »to be excommunicated«, »to be expelled«, »to become an outsider« from the Christian community here and hereafter. This meaning is attested by Blaise already for the sixth century.68 However, in the

66 See Elizabeth Boddens Hosang, Will You Join Us for a Meal? Jewish and Christian Inter­ action in Early Council Texts, in: Paul van Geest et al. (eds.), Sanctifying Texts, Transforming Rituals: Encounters in Liturgical Studies, Leiden 2017, p. 330–348, esp. p. 342–343. 67 MGH Capit. 2, no. 293, c. 74, p. 388–421, at p. 418–419 = MGH Conc. 3, p. 123: Ex concilio Tolitano IV. cap.  LVIII: »De his, qui contra fidem Christi Iudeis munus uel fauorem praestant. Tanta est quorundam cupiditas, ut »quidam eam appetentes«, iuxta quod ait apostolus, »etiam a fide errauerint«. Multi quippe hucusque ex sacerdotibus atque laicis accipientes a Iudeis munera perfidiam eorum patrocinio suo fouebant; qui non inmerito ex corpore antichristi esse noscuntur, quia contra Christum faciunt. Quicumque igitur deinceps episcopus siue clericus siue secularis illis contra fidem christianam suffragium uel munere uel fauore praestiterit, ut profanus et sacrilegus anathema effectus ab ecclesia catho­lica et regno Dei efficiatur extraneus; quia dignum est, ut a corpore Christi separetur, qui inimicis Christi patronus efficitur. Transl. Amnon Linder, The Jews in the Legal Sources of the Early Middle Ages, Detroit 1997, p. 547. 68 Blaise, Dictionnaire, s.v. extraneus, with reference to the sixth-century collection of imperial and papal documents entitled Collectio Avellana, ed. Otto Günther, CSEL 35, 2 vols., Prague 1895.

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early Christian understanding of the Church as familia dei,69 the meaning of extraneus as outsider is not far removed from the earlier familial context of use.

2.7 hospes The word hospes has basically two meanings: 1. the stranger (ξένος) as a guest and 2. the stranger as  a foreigner. In the latter sense it is synonymous with peregrinus, just as advena and alienigena as we have seen above, and opposite to an indigenous inhabitant.70 In the capitularies the word is found in the meaning mentioned first. The word occurs primarily in  a context of admonitions to be hospitable and to welcome strangers, often with explicit reference to the Works of Mercy in Matth. 25, 31–46 where the Latin Vulgate likewise uses the word hospes: hospes eram et collexistis me  quando autem te vidimus hospitem et colleximus te 43  hospes eram et non collexistis me 44  quando te vidimus esurientem aut sitientem aut hospitem. 35

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The word is translated in modern (and earlier) English Bible translations as »stranger«:  I was a stranger and you welcomed me […]  »And when was it that we saw you a stranger and welcomed you?« 43  I was a stranger and you did not welcome me […] 44  Then they also will answer, »Lord, when was it that we saw you […] a stranger […] and did not take care of you?« (NRSV) 35

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The use of the word hospes in this meaning and particular context is remarkably frequent in the capitularies issued under Charlemagne, mainly in the meaning that dominates in Isidore: guest.71 The Admonitio generalis, c. 75 requires that religious houses (monks and canons) take in hospites, peregrini and pauperes, with reference to Matth. 25 and Hebr. 13, 2.72 The words hospites and peregrini seem to be synonyms in this context, given the fact that both words occur in pre-Vulgate Latin Bible translations in the context of Matth. 25, also alterna-

69 Blaise, Dictionnaire, s.v. familia. 70 Lewis / Short, Latin Dictionary, s.v. peregrinus and hospes B: »opp. to a native, a stranger, foreigner (syn.: advena, peregrinus, peregrinator, alienus)«. 71 Isidore of Seville, De differentiis verborum 160. 72 Admonitio generalis, MGH Capit. 1, no. 22, c. 75, p. 52–62, at p. 60 = MGH Fontes iuris 16, p. 226–228.

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tively within one version.73 A similar alternation is visible in the commentary tradition, where in the quotation of or reference to Matth. 25 the words hospes and peregrinus take each other’s place.74 It seems, therefore, safe to translate the phrase in the Admonitio as »guests, strangers, and poor«, in which I follow the most recent translation of this text:75 To all. And this seems fit and respectable to do that guests, strangers and the poor find a warm welcome in monasteries and the communities of canons: for the Lord himself is about to say in the grand Day of retribution: I was a stranger, and you welcomed me (Matth. 25, 35); and the apostle said in praise of hospitality: ›… for by doing [hospitality] they have pleased God, receiving angels without knowing it by their hospitality‹.76

A more general admonition to be hospitable, not directed to a particular group of clergy or lay people but addressed to omne regnum, is found in the general admonition to the missi, issued in Aachen and dated 802:77 We pray that in the entire kingdom no one will dare to refuse hospitality (hospitium) to rich or poor or strangers (peregrinis), be it to strangers (peregrinis) who travel (perambulantibus) the earth on behalf of God or to whatever person travelling (cuilibet iteranti): let no one refuse them a roof and a fire and some water out of love for God and for the sake of their soul. If anyone wants to do good, he must know that God’s highest reward is for him, as he himself said: »Whoever welcomes one such child in my name welcomes me« (Matth. 18, 5 NRSV), and »I was a stranger (hospes) and you welcomed me« (Matth. 25, 35 NRSV).78

73 Matth. 25, 35, 38, 43, and 44: Vetus Latina database, consulted via: http://apps.brepolis. net [last accessed 27.08.2020]. 74 A search of »et collegistis me« in the Brepolis Cross Database searchtool yields both the sentence hospes fui et collegistis me and peregrinus fui et collegistis me, though the former variant is clearly the most favourite (17 out of 19 hits give hospes). Search in: http://clt. brepolis.net [last accessed 27.08.2020]. The fiches in the Vetus latina database show  a much more frequent exchange or combination of hospes and peregrinus in this context; see the search mentioned in the previous footnote. 75 Admonitio generalis, ed. Hubert Mordek et al., MGH Fontes iuris 16, Wiesbaden 2013, p. 227 translate »Gäste, Fremde und Arme«. King, however, translates hospites with »strangers« and leaves the word peregrini untranslated: King, Charlemagne, p. 217. 76 Admonitio generalis, MGH Capit. 1, no. 22, c. 75, p. 60 = MGH Fontes iuris 16, p. 226–228: Omnibus. Et hoc nobis competens et uenerabile uidetur, ut hospites, peregrini et pauperes susceptiones regulares et canonicas per loca diuersa habeant: quia ipse Dominus dicturus erit in remuneratione magni diei: »Hospes eram, et suscepistis me« (Matth. 25, 35), et apostolus hospitalitatem laudans, dixit: »Per hanc quidam placuerunt Deo, angelis hospitio susceptis« (Hebr. 13, 2). 77 On this text see McKitterick, Charlemagne, p. 258–259. 78 MGH Capit. 1, no. 33, c. 27, p. 91–99, at p. 96: Precimusque ut in omni regno nostro neque diuitibus neque pauperibus neque peregrinis nemo hospitium denegare audeat, id est siue

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Here again the words hospes and peregrini are exchangeable, denoting those groups that are entitled to hospitality (hospitium). The word peregrinus needs some explanation before it is clear that travellers are meant here.79 This will be further discussed in the next lemma. The text, authored by Jonas of Orléans and addressed to Louis the Pious emphasises hospitality as a biblical virtue, recommended by the apostle and to be followed by ecclesiastics, particularly bishops, as well as lay people. The text not only uses the Bible (Matth. 25), but also appeals to Jerome to underline the importance of hospitality as a bishop’s core duty. If a bishop fails to practice this, he is qualified inhumanus: Then, if hospitality (hospitalitas) is to be rewarded on that tremendous day of judgement by the eternal judge who will say: ›I was  a stranger (hospes) and you welcomed me‹ (Matth. 25, 35), and if this is therefore to be followed with a supreme effort by all Christians, how much more and how much more vigilantly it must be accomplished by those who by words and deeds offer guidance to others towards eternal life, while the pest of selfishness is left aside. For the apostle preaches that – among the other praise of virtues that a bishop must possess – a bishop must have the virtue of hospitality. ›For the house of a bishop,‹ as the blessed Jerome writes, ›must be a hospitable place open to all. A lay person who welcomes one or two or a number of people, fulfils the office of hospitality (hospitalitatis officium); a bishop is, unless he welcomes all, heartless‹, as it is written by him [Jerome].80

peregrinis propter Deum perambulantibus terram siue cuilibet iteranti propter amorem Dei et propter salutem animae suae tectum et focum et aquam illi nemo deneget. Si autem amplius eis aliquid boni facere uoluerit, a Deo sibi sciat retributionem optimam, ut ipse dixit: »Qui autem susceperit unum paruulum propter me, me suscepit«, et alibi: »Hospes fui et suscepistis me«. I disagree with King, who in his translation relates propter amorem Dei et propter salutem animae suae to iteranti, rather than to the subject nemo, to which the entire second propter-clause is explicitly related as indicated by the reflexive possessive pronoun suae. King, Charlemagne, p. 239. 79 The word is again left untranslated by King, Charlemagne, p. 239. 80 Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio (classified by Boretius as ›additamenta ad Hludowici pii capitularia‹ and dated 829), MGH Capit. 2, no.  196, c.  8, p. 26–51, at p. ­31–32: Porro si hospitalitas in tremendi examinis die ab aeterno iudice est remuneranda, qui dicturus est: »Hospes fui, et collegistis me«, et ob id ab omnibus christianis summopere est sectanda, multo magis tamen uigilantiusque ab his, qui dictis et exemplis ad uitam aeternam aliis ducatum praebent, postposita auaritiae peste et alia qualibet occasione prorsus est exequenda. Ab apostolo quippe inter cetera uirtutum praeconia, quae episcopo inesse debent, hospitalitas etiam habenda praedicatur. »Episcopi namque domus«, ut beatus ­Hieronimus scribit, »omnium commune debet esse hospitium; et laicus, si unum aut duos aut paucos recipiat, implet hospitalitatis officium; et episcopus, nisi omnes recipiat, inhumanus [est]« ab eo scribitur. The quotation is from Jerome, Commentarii in IV epistulas Paulinas, ed. Federica Bucchi, CCSL 77C, Turnhout 2003, p. 23.

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By following Jerome’s qualification of  a bishop who fails to fulfil his office of hospitality as inhumanus, the capitulary positions the virtue of hospitality in a tradition that surpasses the context in which it was framed in the earlier capitularies issued by Charlemagne. Whereas these admonitions called upon a biblical, even more strictly  a New Testament frame of reference (Matth. 25; Hebr. 13), the word inhumanus copied from Jerome by Jonas does not occur in the Latin Vulgate.81 It rather echoes classical notions of civilisation82 and thus places the virtue of hospitality in a broader understanding of what is »humane« than only the Christian world view. Finally, the latest attestation of hospitality as a Christian and, in particular, clerical virtue is found in the late ninth-century Capitulary of Ver, issued by Karloman and dated 884. Karloman continues the tradition of depicting hospitality as a core virtue of clergymen, in this case priests (presbyteri). Different from his great-grandfather he limits himself to biblical authority to enforce his summons by referring to Hebr. 13, 2, so prominent in the earliest admonitions issued by Charlemagne as we have seen above: In order to take away all opportunity for robbery, we wish that priests, who must set a good example of charity for all, are hospitable, as the apostle says: ›Be hospitable to one another without complaining‹ (I Peter 4, 9), and ›through hospitality they have pleased God, welcoming angels in their dwelling‹ (Hebr. 13, 2).83

This final example leads us away from hospes as  a person to the virtue of hospitality and the various, biblical and classical, backgrounds against which this virtue is understood and promoted among the clergy by Carolingian rulers. Let us now return to the stranger as a person by examining the final lemma in this study: peregrinus.

2.8 peregrinus In the alphabetical order we follow our final lemma is peregrinus, the word with which we started our semantic field and which we encountered in several capitularies. As we have seen above, peregrinus emerges in the legal vocabulary of the 81 Blaise gives only one attestation, in Sidonius Apollinaris, Epistula 7.9: Blaise, Dictionnaire, s.v. inhumanus; consulted via: http://clt.brepolis.net [last accessed 27.08.2020]. 82 Thesaurus Linguae Latinae, s.v. inhumanus. 83 Karlomanni Capitulare Vernense (884), MGH Capit. 2, no. 287, c. 12, p. 371–388, at p. 375: Ut autem omnis occasio rapinae tollatur, volumus, ut presbyteri, qui bonum exemplum caritatis omnibus ostendere debent, hospitales existant, sicut apostolus dicit: »Hospitales invicem sine murmuratione«, et hospitalitatem praebeant iter facientibus, quia »per hospitalitatem placuerunt quidam Deo, angelis hospitio receptis«.

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Roman Empire as the most poignant opposition to the insider, the indigenous, the civis. Even if the strict legal distinction between citizen (civis) and resident alien (peregrinus) was effectively diminished or even nullified by the Antonine Constitution issued by Caracalla in 212, which granted citizens and (free) aliens similar access to civil law,84 the difference between civis and peregrinus remained alive in other forms of citizenship discourse. It is highlighted most notably in the Christian interpretation of what it means to be a resident in this world and at the same time a member of the civitas dei – as is discussed most prominently in Augustine’s magnum opus of the same title.85 Elsewhere I paid attention to the paradoxical nature of the peregrinus in texts that precede Augustine and have a more narrative (but no less contrastive) character, such as the apocryphal Acts of the Apostles.86 In the capitularies the word is more ambiguous, perhaps more so than the terms we have discussed so far. In this corpus of texts, peregrinus occurs only once as the opposite to civis. This locus is the Admonitio generalis, c. 63. Quoting 84 Clifford Ando (ed.), Citizenship and Empire in Europe 200–1900: The Antonine Constitution after 1800 Years, Stuttgart 2016; Ralph Mathisen, Peregrini, Barbari, and Cives Romani: Concepts of Citizenship and the Legal Identity of Barbarians in the Later Roman Empire, in: The American Historical Review 111 (2006), p. 1011–1040, at p. 1020; Peter Garnsey, Citizens and Aliens, in: Peter Garnsey / Caroline Humfress (eds.), The Evolution of the Late Antique World, Cambridge 2001, p. 88–91; Peter Garnsey, Roman Citizenship and Roman Law in the Later Empire, in: Simon Swain / Mark Edwards (eds.), Approaching Late Antiquity: The Transformation from Early to Later Empire, Oxford 2004, p. 133–155, at p. 143–145. For the text, transmitted in a Greek papyrus, see Adolf Wilhelm, Die Constitutio Antoniniana, in: American Journal of Archaeology 38 (1934), p. 178–181; for editions see Christhoph Sasse, Die Constitutio Antoniniana, Wiesbaden 1958, p. 12–14; Hartmut Wolff, Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I, 2 vols., Köln 1976. See Daphne Penna, »Exporting Law in the Ancient Mediterranean: Misunderstandings or New Interpretations?«, paper published at: http://www.rug.nl/research/centre-for-religious-studies/crasis/activities/annual-meeting/penna_exporting_law.pdf [last accessed 27.08.2020]. 85 The words peregrinus, peregrinor, and peregrinatio occur 85 times in Augustine’s De civitate dei. There are 21 occurrences of the noun peregrinus; 46 forms of the verb peregrinor, most often in the form of the adjectival use of the participle co-occurring with civis or civitas; and 18 occurrences of the apposition (in) peregrinatione. Quantitative data based on a search in Brepolis Cross Database Searchtool, http://clt.brepolis.net [last accessed 27.08.2020]. The notion of peregrinatio in Augustine’s work is subject to divergent interpretations, see e.g. Christoph Horn, Einleitung, in: id., Augustinus De civitate dei, Tübingen 1997, p. 12–13. Robert Markus contradicts Horn’s interpretation of Markus’ earlier work (the seculum as tertium quid): Robert Markus, Christianity and the Secular, Notre Dame 2006, p. 39. 86 Els Rose, Thomas peregrinus. The Apostle as Stranger in the Latin Apocryphal Acts of Thomas, in: Apocrypha 27 (2016), p. 161–175. See on the figure of the stranger-apostle also Timothy Luckritz Marquis, Transient Apostle. Paul, Travel, and the Rhetoric of Empire, New Haven 2013.

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Deut. 1, 16 (»… judge rightly between one person and another, whether citizen or resident alien«), the Admonitio exhorts to judge fairly, without making a distinction between citizen and stranger, without fear or favour, and without yielding to bribery through gifts or flattery: To all. That those to whom the power of judgement is given judge fairly, as it is written: »Judge people fairly, you son of men« (Ps. 57, 2), without considering gifts, »for a bribe blinds the eyes of the wise and subverts the cause of those who are in the right« (Deut. 16, 19; see also Exod. 23, 8), without considering flattery, and without partiality, as it is said in the book Deuteronomy (Deut. 1, 16–17): ›[J]udge rightly between one person and another, whether citizen or resident alien. You must not be partial in judging […] for the judgment is God’s.‹87

As we have seen in the previous section, peregrinus often occurs together with hospes, of which it seems to be more or less a synonym. For the word peregrinus, however, a context of travelling is oftentimes prevailing, as we have seen in the Capitulare missorum of 802 (c. 27). Not in all contexts this travel is a spiritual one,  a journey that we would qualify as  a pilgrimage. The same Capitulare missorum places under the same umbrella of peregrini those »who travel the earth on behalf of God or whatever person travelling«. Sometimes, however, it is clear that the word should be interpreted as pilgrim in the confined meaning of a person travelling for religious or, if you will, spiritual reasons. In this meaning the word is found in an early capitulary issued by Pippin III in the early 750s. The chapter protects pilgrims on their way to Rome or elsewhere, and forbids submitting them to toll: With regard to toll: […] With regard to pilgrims who travel for God’s sake to Rome or anywhere, we have likewise determined that you may on no account hold them at bridges or weirs88 or in a ferry. And you may not violate a pilgrim because of his money or impose any toll on them. And if anyone does this nevertheless, whosoever attests to it, we shall impose a fine of ninety solidi, and they are collected in the king’s treasure chest.89

87 Admonitio generalis, MGH Capit. 1, no.  22, c.  63, p. 58 = MGH Fontes iuris 16, p. 212: Omnibus. Vt quibus data est potestas iudicandi iuste iudicent, sicut scriptum est: »iuste iudicate, fili hominum«, non in muneribus, »quia munera excecant corda prudentium et subuertunt uerba iustorum«, non in adolatione, nec in consideratione personae, sicut in deuteronomio dictum est: »quod iustum est iudicate; siue ciuis sit ille siue peregrinus, nulla sit distantia personarum, quia Dei iudicium est«. 88 Or »mountain-passes«, see Niermeyer, Lexicon, s.v. exclusa 1. weir (in a river); 3. mountain-pass. 89 Pippini regis capitulare, MGH Capit. 1, no. 13, c. 4, p. 31–32, at p. 31: De theloneis: […] Et de peregrinos similiter constituimus qui propter Deum ad Romam uel alicubi uadunt, ut ipsos per nullam occasionem ad pontes uel ad exclusas aut nauigio non deteneatis, nec

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The spiritual goal of the pilgrimage is made more explicit in the so-called »Italian« capitulary Capitulare cum episcopis Langobardicis deliberatum, dealing with issues with regard to the Carolingian regions south of the Alps and dated by Boretius roughly to the 780s–790s.90 The capitulary issues  a protection of peregrini who visit Rome to honour the relics of Peter and Paul or other saints. Those »pilgrims« fall under royal protection (sub nostra defensione); to kill them requires a penalty of sixty solidi: With regard to strangers and pilgrims who hasten themselves in God’s service to Rome or to other bodies of saints: that they may travel safely and return under our protection; and he who dares to kill one of those pilgrims has to pay a fine of sixty solidi in our palace.91

The occurrence of the word peregrinus in the meaning of »traveller« in the capitularies of Pippin and Charlemagne often has a positive association incited by the lofty, religious goal these travellers have in mind, for which reason they establish a group that deserves (royal) protection. In other capitularies, however, the word also occurs in a pejorative meaning, often in combination with fugitivi, which brings to mind a negative association of insecurity and a threatening lack of control. Thus it appears in a list of brief admonitions to the missi, dated by Boretius to 802 or 803: With regard to fugitives and travellers: they must be compelled so that we are able to know who they are and where they come from.92

While the fugitives and travellers are not further specified in the 802–803 admonition, they are linked to a clerical ordination in the Admonitio generalis, c. 3: To all. Likewise we find in the same council [of Nicaea], as well as in the Councils of Antioch and Chalcedon, that fugitive and wandering clerics must not be received or ordained by anyone without letters of recommendation and permission of their own bishop or abbot.93

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propter scrippa sua ullo peregrino calumpniam faciatis, nec ullum theloneum eis tollatis. Et si aliquis hoc fecerit, qualiscumque homo hoc comprobauerit, de LX solidis triginta illi concedimus, et illi alii in sacello regis ueniant. MGH Capit. 1, p. 188. MGH Capit. 1, no. 89, c. 10, p. 188–193, at p. 193: De aduenas et peregrinos qui in Dei serui­ tio Roma uel per alia sanctorum festinant corpora, ut salui uadant et reuertant sub nostra defensione; et qui ex ipsis peregrinis ausus fuerit occidere, LX solidos componat in palatio nostro. MGH Capit. 1, no. 40, c. 6, p. 114–116, at p. 115: De fugitivis ac peregrinis, ut distrangantur, ut scire possimus qui sint aut unde venerint. Admonitio generalis, MGH Capit. 1, no. 22, c. 3, p. 54 = MGH Fontes iuris 16, p. 186: Omnibus. Item in eodem concilio necnon et in Antiocheno simul et in Calcidonense, ut fugitiui clerici et peregrini  a nullo recipiantur nec ordinentur sine commendaticiis litteris et sui

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Thus the word peregrinus has, among the synonyms for stranger and outsider that we analysed in the Frankish capitularies of the eighth and ninth centuries, the most extended meaning, comprising the semantic contexts of Roman law, Old Testament commandments, early Christian ecumenical councils and Frankish daily life. With peregrinus, the »stranger« as opposed to the »citizen« is indicated echoing the biblical, Old Testament discourse of fair judgment to inhabitant and alien. The term also refers to travellers, especially pilgrims as a special group that deserves protection at the highest level because of the pious character of their wanderings. Finally, it is also used in a pejorative sense, referring to wanderers as  a dangerous category because they cannot be controlled, are difficult to locate and identify and, therefore, must be approached cautiously and closely, particularly if they seek after a ministerial office.

3. Findings and further questions The Frankish capitularies of the eighth and ninth centuries show themselves indebted to the classical and biblical inheritance by employing a variety of terms to indicate what and who is strange, foreign, or approaching a community from outside. Within this broad scope, there is a rather clear division of the terms: 1. aduena is used to indicate the newcomer or (fugitive) immigrant; 2. alienigena / us refers to what is »from outside« and is used as an adjective. It refers most often to foreign regions or foreigners; 3. aliena is used only once to indicate territorial foreignness; it occurs most often to indicate what falls under someone else’s property; 4. barbarus is a cultural, not a territorial distinction; 5. exterus refers to foreign regions and is almost always pejorative or hostile; 6. extraneus is most often used to indicate who is outside the family; against that familial background it is also used in the context of the familia christiana to indicate excommunication; 7. hospes, with its complex meaning of stranger and guest, seems to be the odd one out in our survey. The word is almost exclusively used in the meaning of the stranger as ›guest‹ and always in a positive meaning. Biblical admonition with regard to hospitality is leading here. Whether guests are also strangers is not specified;

episcopi vel abbatis licentia. This, like many other chapters of the Admonitio generalis, is repeated in MGH Capit. 1, no. 35, to the missi, p. 102. See also Tanner, Decrees of the Ecumenical Councils, vol. 1, p. 13–14 (Nicaea); p. 90 (Chalcedon).

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8. peregrinus, to conclude, almost always refers to travellers: first pilgrims with spiritual goals, but secular travellers can also be denoted by the word. The word can also, more rarely, refer to wandering persons (clerics) who are dangerous as long as their origin and supporting authority are unknown. With this specific application of traveller it has gone the longest distance from its Roman (and biblical) roots among the other terms on the list. What does this survey tell us about the legal position of strangers in early medieval Francia and about their social position in the community? It is difficult to draw general conclusions from the analysis presented above, given the differences in chronological period, contexts of power, and geographical regions. Still, some tendencies can be discerned. The list of terms can be split into two groups: terms referring to strangers out­ side the regnum (alienigena, alienus, exterus, and extraneus) and those moving into it (advena, hospes, peregrinus). Within the latter group, hospes and peregrinus are often taken as synonyms in the sense that hospitality is to be offered to both. The capitularies expressing this precept almost all do so with reference to biblical admonitions: it is a Christian virtue to be hospitable to guests and strangers. At the same time, the word inhumanus used by Jonas enlarges the horizon beyond the boundaries of the Bible and shows the Franks’ broad understanding of what is humane or civilised behaviour. Advena, on the other hand, most often refers to fugitive immigrants. They need protection and the capitularies define how this must be organised. Here we rarely find a biblical motivation for this attitude. Rather, the capitularies, particularly those issued by Charles the Bald in the later ninth century, build on an approach already established by Louis the Pious and Charlemagne. In this respect, the capitularies represent  a longer tradition to protect those who seek refuge in the Carolingian realms and who are, apparently, easily subject to oppression in the form of taxation or labour demands, or even violence and exclusion. A number of questions remain, many of which can only be answered properly by taking more serious account of the manuscript transmission of these sources.94 How effective were capitularies and how universal or, conversely, local was their impact? Many capitularies were of local character and addressed regional concerns – this implies that they often had a local rather than a universal effect.95 94 On the textual transmission of the Capitularies, see Hubert Mordek, Karolingische Kapi­ tularien, in: Hubert Mordek (ed.), Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, Sigmaringen 1986, p. 25–50 and Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 29–30. 95 This is emphasised by Hill for the case of the Edict of Pîtres: Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 53 and footnote 170; see more generally Mordek, Karolingische Kapitularien, p. 32–40.

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To what extent did they reflect reality?96 And how does the Latin vocabulary of the written transmission relate to the oral performance of these texts, often in a »language understandable to the majority of the people«?97 With the caveat of these questions in mind, directions of further research unfold to further explore the position of strangers in early medieval communities.

96 On both topics, see the summaries of literature given by Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 8–9 and 26–27 and see, on »effectiveness« of the capitularies Mordek, Karolingische Kapitularien, p. 44–50. 97 Hill, Charles the Bald’s Edict of Pîtres, p. 59–65; the quotation is on p. 61.

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Fideles Dei et regis. Ein Zeugma in der politisch-religiösen Rechtssprache des Karolingerreiches∗

Um den Diskurs über die Legitimität ihres Handelns zu verbreiten, zu lenken und zu kontrollieren, haben die karolingischen Herrscher und ihr Beraterstab bei Hof auf ausgesprochen vielfältige Weise versucht, in ihrem Großreich »offizielle Sprachregelungen« zu etablieren. Am bekanntesten ist in dieser Hinsicht die Herrschertitulatur (intitulatio),1 insbesondere das nomen regis bzw. nomen imperatoris, wie es in Urkunden und auf Münzen verwendet wurde2 und auf dessen spezifische Gestalt Karl der Große seine Bevölkerung sogar vereidigen ließ.3 Solche Bemühungen, eine offizielle Redeweise über das Herrschaftsverständnis zu verbreiten, müssen in einem komplexeren Kommunikationszusammenhang betrachtet werden. Sie unter Stichworten wie »Propaganda« oder »Herrschaftsideologie« abzuhandeln hieße die Zerbrechlichkeit, Vielschichtigkeit, Responsivität und Raffinesse karolingischer Legitimationskonstruktionen grob zu unterschätzen – und womöglich auch deren praktische Konsequenzen. Zielführender erscheint es eher schon, offizielle Sprachregelungen dieser Art zu dem zu rech∗ Der Vortrag, auf dem der folgende Beitrag fußt, wurde außer auf der Pariser Tagung über »Die Sprache des Rechts. Historische Semantik und karolingische Kapitularien« auch am 31. Mai 2017 in englischer Sprache unter dem Titel »Fideles Dei et regis. A Zeugma in Carolingian political discourse« im Rahmen des »Medieval Seminar« des Institute of Historical Research der University of London zur Diskussion gestellt. Für ihre Einladung und Gastfreundschaft möchte ich Janet L.  Nelson sehr herzlich danken  – ihr und den Diskussions- bzw. Gesprächsbeiträgen von John Gillingham, Peter Heather, Alice Rio und Rachel Stone verdanke ich zahlreiche weiterführende Anregungen. Gerda Heydemann möchte ich sehr herzlich für die kritische Lektüre des Manuskripts und für weiterführende Literaturhinweise danken. 1 Herwig Wolfram, Intitulatio I: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, Graz 1967. 2 Stefan Esders, Übereinstimmung von Name und Sache. Der Kaisertitel Karls des Großen, die Lorscher Annalen und die römischen Grundlagen der fränkischen »Nomen-Theorie«, in: Ernst Baltrusch / Christian Wendt (Hg.),  Der Erste. Augustus und der Beginn einer neuen Epoche, Darmstadt 2016, S. 122–129. 3 Vgl. dazu Matthias Becher, Eid und Herrschaft. Untersuchungen zum Herrscherethos Karls des Großen, Sigmaringen 1993, S. 165–175; Esders, Übereinstimmung von Name und Sache, S. 125–128.

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nen, was Niklas Luhmann in seiner Wissenssoziologie als »gepflegte Semantik« bezeichnet hat. Damit ist gemeint, dass in der Kommunikation zwischen gesellschaftlichen Akteuren bestimmte Gedanken, Redewendungen und Begriffe bewahrt und ausgearbeitet werden, wodurch sie eine stärkere Konsistenz erhalten. Mit dem Begriff der »gepflegten Semantik« erfasst Luhmann die Bemühungen, im Prozess der gesellschaftlichen Kommunikation bestimmte Gesichtspunkte, Ideen und Redeweisen begrifflich zu verfestigen,4 ihren diskursiven Wert zu steigern und ihn auch zu steuern, um es einmal im Vokabular Michel Foucaults auszudrücken, der freilich in meinen Augen die diskursive Kommunikation allzu sehr auf den Machtaspekt verkürzt.5 Begriffliche Verfestigungen ergeben sich nicht einfach aus Gebrauch und Tradition, vielmehr bedingen »Struktur­ entscheidungen des Gesellschaftssystems«, welche Semantiken zu »pflegen« sind, d. h. wie man sie bewahrt, ihre Konsistenz erhält, sie möglichst reflektiert ausgestaltet und situativ, also kontextbezogen einsetzt. Die Konsistenz der Semantik erhöht sich abhängig davon, wie stark die Kommunikation in diesem Feld durch Institutionen abgesichert ist, von diesen getragen, ja gesteuert wird,6 so dass so etwas wie eine »Fachsprache« entstehen kann.7 Und die »Sprache des Rechts« schien dem ausgebildeten Verwaltungsjuristen Luhmann hierfür besonders aussagekräftig zu sein. Denn für die Rechtssprache ist es charakteristisch, dass sie auf unterschiedliche Weise gepflegt wird, einmal durch Spezialisten, die bis zu einem gewissen Grad um die Verwendung einer konsistenten Terminologie bemüht sind, vor allem Fachtermini und Rechtswörter, die eine spezifische Bedeutung haben und auf bestimmte Rechsinstitute verweisen; und zum anderen durch Institutionen wie das Gericht, die mit dem binären Code »Recht / Nicht-Recht« arbeiten.8 Beides hat fundamentale Auswirkungen auf die Rechtssprache wie auch auf den Begriff »Recht« selbst. Natürlich trifft diese Feststellung nicht auf jede Rechtsordnung in gleicher Weise zu. Denn während das römische Recht im Laufe seiner Ausdifferen­ zierung eine vergleichsweise hohe begriffliche und semantische Konsistenz er­

4 Niklas Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt 1980, S. 18–20 u. S. 53–58. 5 Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses (1971), dt. Frankfurt 1991. 6 Vgl. dazu grundsätzlich Eckhard Rolf, Dialoge in Institutionen, in: Gerd Fritz / Franz Hundsnurscher (Hg.), Handbuch der Dialoganalyse, Tübingen 1994, S. 321–355. 7 Vgl. Thorsten Roelcke, Fachsprachen, Tübingen 32010. 8 Dietrich Busse, Recht als Text. Linguistische Untersuchungen zur Arbeit mit Sprache in einer gesellschaftlichen Institution, Tübingen 1992; Ders., Juristische Semantik. Grundfragen der juristischen Interpretationstheorie in sprachwissenschaftlicher Sicht, Berlin 1993; Ders., Rechtssprache als Problem der Bedeutungsbeschreibung. Semantische Aspekte einer institutionellen Fachsprache, in: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 29 (1998), S. 24–47.

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reichte,9 die auch sein wissenschaftliches Studium und seine Rezipierbarkeit bis ins 19. Jahrhundert ermöglichte,10 ist diese für das frühmittelalterliche Recht von vornherein weitaus geringer zu veranschlagen, und zwar aus mehreren Gründen: Während dieses Zeitraums herrschte beträchtliche Rechtspluralität, wenn man etwa an die leges barbarorum denkt oder an das Neben- und Miteinander von weltlichem und kirchlichem Recht.11 Die verwendete rechtliche Terminologie charakterisiert überdies eine höhere Aufgeschlossenheit gegenüber dem Einfluss der religiösen Sprache12 und des kirchlichen Rechts, je mehr die Rechtskenntnis der Zeit sich in den Händen des Klerus konzentrierte und je mehr Gesellschaft und Politik als religiöse Vergemeinschaftung begriffen wurden. Zugleich zeigen Elemente der Volkssprache, die latinisiert wurden, dass der rechtliche Diskurs nicht nur in die Volkssprache übertragen wurde,13 sondern seinerseits auch für die Aufnahme vernakular vermittelter Rechtsvorstellungen durchlässig war.14 Die Bemühungen der fränkischen Herrscher und ihrer Berater, bestimmte offizielle Redeweisen in ihren Rechtstexten durchzusetzen, lassen somit die Offenheit ihrer »Sprache des Rechts« in aller Deutlichkeit erkennen.

9 Grundlegend dazu bereits Fritz Schulz, Prinzipien des römischen Rechts, München 1934, S. 13–15, 30–33, 45–53 u. ö. Zur Genese vgl. auch Okko Behrends, Gesetz und Sprache. Das römische Gesetz unter dem Einfluß der hellenistischen Philosophie (1995), in: Ders., Institut und Prinzip. Ausgewählte Aufsätze, Bd. 2, Göttingen 2004, S. 91–224. 10 Vgl. nur für die spätantike Kirche Christian Hornung, Die Sprache des römischen Rechts in Schreiben römischer Bischöfe des 4. und 5. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 52 (2010), S. 20–80; in größerem Zusammenhang vgl. Nikolaus Benke / ​ Franz-Stefan Meissel, Juristenlatein. 2800 lateinische Fachausdrücke und Redewendungen der Juristensprache übersetzt und erläutert, Wien 32009; Johanna Filip-Fröschl / Peter Mader, Latein in der Rechtssprache: Ein Studienbuch und Nachschlagewerk, Wien 42014. 11 Dazu demnächst Stefan Esders, Agobard, Wala und die Vielfalt gentiler Rechte. Zwei Studien zu Rechtspluralismus, Personalitätsprinzip und Zeugnisfähigkeit im Karolingerreich (im Druck). 12 Thomas Martin Buck, Admonitio und Praedicatio. Zur religiös-pastoralen Dimension von Kapitularien und kapitulariennahen Texten (507–814), Frankfurt 1997. 13 Karl Hyldgaard-Jensen, Wechselbeziehungen zwischen der juristischen und nicht-juristischen Sprache im Frühmittelalter am Beispiel des Wortschatzes, in: Kopenhagener Beiträge zur germanistischen Linguistik 16 (1980), S. 85–91; Hans Hattenhauer, Lingua vernacula – Rechtssprache zwischen Volkssprache und Gelehrtensprache, in: Jörn Eckert / ​ Ders. (Hg.), Sprache – Recht – Geschichte, Heidelberg 1991, S. 49–68. 14 Vgl. etwa Ruth Schmidt-Wiegand, Quod theodisca lingua harisliz dicitur. Das Zeugnis der Lorscher Annalen (788) im Kontext frühmittelalterlicher Rechtssprache, in: Elvira Glaser / Michael Schlaefer (Hg.), Grammatica ianua artium. Festschrift für Rolf Bergmann zum 60. Geburtstag, Heidelberg 1997, S. 85–91, sowie in größerem Zusammenhang Dies., Rechtssprache in althochdeutscher Zeit, in: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), S. 1–18; Dies., Die Rechtssprache im Althochdeutschen und ihre Erforschung. Eine Übersicht, in: Lothar Hoffmann u. a. (Hg.), Fachsprachen. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft, Berlin 1999, Bd. 2, S. 2309–2319.

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Die Admonitio generalis von 789,15 deren von Alkuin geprägter Wortlaut bibli­ schen und kanonistischen Vorbildern folgte16 und die auch eine gewisse Nähe zur Predigt aufweist,17 oder verbreitete Eidformeln, in denen volkssprachliche Elemente immer wieder eine große Rolle spielten,18 veranschaulichen dies. Im Zentrum des folgenden Beitrags steht eine in zahlreichen »Rechtstexten« greifbare »politische Ethik« der Karolingerzeit, soweit sie in den Leitideen von »Glaube«, »Treue«, »Verlässlichkeit« und »Vertrauen« ihre begriffliche Verfestigung erhielt. Sie alle bewegten sich innerhalb desselben semantischen Feldes, das in charakteristischer Weise um den vielschichtigen Begriff des lateinischen Wortes fides aufgespannt ist. Man könnte in diesem Zusammenhang im weitesten Sinne von einer »Sprache der fides« sprechen, denn das lateinische Wort fides und damit korrespondierende Adjektive (fidelis), Substantive (fideles bzw. fidelitas) und verbale Wendungen (fidelem esse) wie auch volkssprachliche Termini (z. B. holdi) prägten den  – semantisch gepflegten  – politisch-religiösen Diskurs innerhalb des Karolingerreiches in beträchtlichem Maße. Nicht nur, dass die Herrscher von der Bevölkerung ihres Reiches erwarteten, ja verlangen zu dürfen glaubten, sie solle ihnen treu (fidelis) sein und zu diesem Zweck einen persönlichen Treueid schwören.19 Das Substantiv fidelitas deutet demgegenüber auf eine regelrechte Institutionalisierung dieser Vorstellungswelt, und die bekannte und vielbehandelte Redewendung vom consensus fidelium20 brachte zum Ausdruck, dass auch die Gesamtheit der vereidigten fideles als eine Art Kollektiv 15 Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. von Hubert Mordek u. a. (MGH Fontes iuris 16), Hannover 2012. 16 Friedrich-Carl Scheibe, Alcuin und die Admonitio generalis, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 14 (1958), S. 221–229; Wilfried Hartmann, Alkuin und die Gesetzgebung Karls des Großen, in: Ernst Tremp / Karl Schmuki (Hg.), Alkuin von York und die geistige Grundlegung Europas, St. Gallen 2010, S. 33–48; Mordek u. a., Die Admonitio generalis Karls des Großen, S. 47–63. 17 Zu Alkuins Einfluss auf karolingische Predigten vgl. Maximilian Diesenberger, Predigt und Politik im frühmittelalterlichen Bayern. Arn von Salzburg, Karl der Große und die Salzburger Sermones-Sammlung, Berlin 2016, S. 61–80 u. ö. 18 Vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, Eid und Gelöbnis, Formel und Formular im mittelalterlichen Recht, in: Peter Classen (Hg.), Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977, S. 55–90; Stefan Esders / Heike Johanna Mierau, Der althochdeutsche Klerikereid. Bischöfliche Diözesangewalt, kirchliches Benefizialwesen und volkssprachliche Rechtspraxis im frühmittelalterlichen Baiern, Hannover 2000, S. 13–77. 19 Matthias Becher, Omnes iurent. Karl der Große und der allgemeine Treueid, in: Rolf Große / Michel Sot (Hg.), Charlemagne. Les temps, les espaces, les hommes. Construction et déconstruction d’un règne, Turnhout 2018, S. 183–192; Stefan Esders, Amt und Bann: Weltliche Funktionsträger (centenarii, vicarii) als Teil ländlicher Gesellschaften im Karolingerreich, in: Thomas Kohl u. a. (Hg.), Kleine Welten. Ländliche Gesellschaften im Karolingerreich, Ostfildern 2019, S. 255–307, hier S. 264–275. 20 Jürgen Hannig, Consensus fidelium. Frühfeudale Interpretationen des Verhältnisses von Königtum und Adel am Beispiel des Frankenreiches, Stuttgart 1982.

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imaginiert werden konnte, welches bestimmte Handlungen und Entscheidungen in geeigneter Weise zu legitimieren half. Zudem besaßen das lateinische Wort fides und sein semantisches Feld eine Vielzahl religiöser Konnotationen, von denen der christliche »Glaube« (fides) fraglos die prominenteste war.21 Insoweit war das semantische Feld, in dessen Zentrum das Wort fides stand und das über weitere Termini in unterschiedlichste Lebensbereiche auszustrahlen vermochte, außerordentlich breit und anschlussfähig für Assoziationen vielfältigster – z. B. rechtlicher, religiöser und emotionaler – Art.  Der Fokus des Beitrags wird dabei auf einer typisch karolingischen Wendung liegen, welche die Art und Weise, wie über politisch-religiöse Vergesellschaftung und die Stellung des Herrschers geredet wurde, weit über das Frühmittelalter hinaus prägen sollte.22 Die Sprachformel fideles Dei et regis nimmt im politisch-religiösen Diskurs der Karolingerzeit und der folgenden Jahrhunderte eine herausragende Stellung ein, weil sie ein komplexes Ideal von »Herrschertreue« vermittelte und als offizielle, ›gepflegte‹ Redeweise fundamentale christliche Vorstellungen inkorporierte. Es handelt sich dabei um eine Sprachregelung innerhalb der karolingischen »Sprache des Rechts«, die uns deswegen besonders griffig erscheint, weil sie in eine prägnante sprachliche Figur gekleidet wurde. Vor 70 Jahren widmete der Historiker Herbert Helbig ihr den bis dato einzigen wissenschaftlichen Aufsatz; er erklärte das in der Formel formulierte karolin­ gische Treueideal als Verchristlichung der »Germanentreue«.23 An deren Existenz mag heute niemand mehr glauben,24 weshalb ein anderer Erklärungsansatz nötig erscheint, der das Wesen und die Funktion einer sprachlichen Figur nicht vorzugsweise von ihrer angenommenen gentilen Herkunft aus zu verstehen sucht. Gerade weil es sich bei der rechtssprachlichen Formel fideles Dei et regis um das Produkt eines Nachdenkens über das politisch-religiöse Ganze handelt, gilt es, deren Vielschichtigkeit und auch Rafinesse freizulegen. Dafür sollen im Folgenden zunächst die sprachliche Struktur der Formel und ihre bis in die Spätantike zurückreichenden semantischen und institutionellen Voraussetzungen geklärt werden, bevor ihre Entstehung, Verbreitung und Funktion in karolingischer Zeit eingehender untersucht werden kann. 21 Carl Becker, Art. Fides, in: Reallexikon für Antike und Christentum 7 (1969), Sp. 801–839. 22 Vgl. etwa Jean-François Lemarignier, Les fideles du roi de France, in: Recueil de travaux offerts à Clovis Brunel, Paris 1955, S. 138–162; Arthur L. Herman, The Language of Fidelity in Early Modern France, in: Journal of Modern History 67 (1995), S. 1–24; Nikolaus Buschmann / Karl Borromäus Murr (Hg.), Treue. Politische Loyalität und militärische Gefolgschaft in der Moderne, Göttingen 2008. 23 Herbert Helbig, Fideles Dei et regis. Zur Bedeutungsentwicklung von Glaube und Treue im hohen Mittelalter, in: Archiv für Kulturgeschichte 33 (1951), S. 275–306. 24 Vgl. Stefan Esders, Art. Treue, historisch, in: Reallexikon der germanischen Altertums­ kunde 31 (2006), Sp. 165–170.

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Die Formel fideles Dei et regis als Zeugma

Die Wendung fideles Dei et regis heißt, versuchte man sie ins Deutsche zu übersetzen, »Getreue Gottes und des Königs«; doch ebenso könnte sie in deutscher Übertragung »Gläubige Gottes und des Königs« lauten. Wir würden heute im Deutschen korrekterweise nur jeweils von den »Getreuen des Königs« und den »Gläubigen Gottes« sprechen wollen, weniger jedoch von den »Getreuen Gottes« und erst recht nicht von den »Gläubigen des Königs«. Das liegt daran, dass wir mit »Treue« und »Glaube« bzw. mit »Getreuen« und »Gläubigen« zwei verschiedene Substantive für das zu benutzen pflegen, was in der lateinischen Sprache einfach fides oder fideles lautete.25 Die lateinische Terminologie war also mehrdeutig und konnte möglicherweise sogar graduell fluide sein, so dass ein Leser oder Zuhörer häufig nur aus dem Kontext heraus sicher erkennen konnte, ob mit fides eine Form der Loyalität mehr religiösen oder politischen Charakters gemeint war. Das Besondere an der offiziellen Redewendung fideles Dei et regis, die in frühkarolingischer Zeit aufkam und in zahlreichen Varianten bis in die Neuzeit Verwendung fand, liegt darin, dass sie mit der Mehrdeutigkeit des lateinischen Wortes fidelis gleichsam »spielte« und letztlich eine sprachlich wie inhaltlich ausgesprochen gewagte Formel war. Sie brachte äußerst prägnant zum Ausdruck, dass die Loyalität der fideles gegenüber dem König und ihr Glaube an den christlichen Gott etwas miteinander zu tun hatten bzw. haben sollten, wie Hans-Dietrich Kahl formuliert hat: »In geistreichem Spiel mit vorgefundenen Bedeutungsnuancen der lateinischen Schriftsprache kam sie [die Religiosität fränkisch-karolingischer Prägung – S. E.] zu einer Wendung, die für uns unübersetzbar bleibt, der Formel vom fidelis Dei et regis – von dem, der den Glauben an Gott und die Treue zum Herrscher als unverbrüchliche Einheit bewahrte –, und auch sie überdauerte die Karolingerzeit des Reiches beträchtlich. Abwendung vom einen war demnach gleichbedeutend mit Abfall vom anderen, und beides berührte in gleicher Weise die Herrschaft des ›Reichsvolks‹.«26 Ihrer sprachlichen Gestalt nach handelt es sich bei der Formel fideles Dei et regis, was bisher erstaunlicherweise noch nicht thematisiert worden ist, um ein sog. Zeugma, d. h. um eine rhetorische und dichterische Stilfigur, die dadurch gebildet wird, dass in einer Kombination von zwei Satzgliedern ein eigentlich zweimal zu verwendendes Wort einmal ausgelassen wird (teilweise Ellipse). Diese 25 Auch im Englischen würde man zwischen »faithful« und »believers« terminologisch trennen. 26 Hans-Dietrich Kahl, Das erloschene Slawentum des Obermaingebietes und sein vorchristlicher Opferbrauch (trebo) im Spiegel eines mutmaßlich würzburgischen Synodalbeschlusses aus dem 10. Jahrhundert, in: Studia mythologia slavica 7 (2004), S. 11–42, hier S. 29.

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Auslassung kann ein Verb, ein Substantiv oder ein Adjektiv betreffen, im Kontext der karolingischen Formel ist es das Substantiv fideles, auf welches einmal verzichtet wurde. Denn das Wort fideles passt in der hier interessierenden Wortverbindung zu zwei verschiedenen Genitiv-Objekten, zu Deus und rex,27 und kann daher einmal »ausgeklammert« werden. Das führt zu einer eigenartigen Kontraktion. Das fragliche Wort muss dann nämlich in der Beziehung zu den beiden Satzgliedern jeweils verschieden verstanden werden, woraus sich ein überraschender, scheinbar unlogischer, u. U. sogar komischer,28 in jedem Fall aber zum Nachdenken anregender Effekt ergibt.29 Dies haben nicht nur Sprach-, sondern auch Literaturwissenschaftler immer wieder betont, etwa der Romanist Ulrich Schulz-Buschhaus: »Werden beide Dinge im Widerspruch zu ihrer traditionell verschiedenartigen semantischen Dignität syntaktisch gleichgeordnet, so erwächst die ironische Pointe offensichtlich aus der überraschenden Nivellierung herkömmlicher Dignitätsunterschiede«.30 Damit ein Zeugma »funktionieren« kann, bedarf es jedoch auch bestimmter semantischer Voraussetzungen, die im Fall des hier interessierenden Wortes fideles ohne Zweifel gegeben waren: »Das ausgeklammerte Glied ist im Sprachgebrauch semantisch so ausgedehnt, dass es zu jedem der eingeklammerten Glieder passt, jedoch jeweils mit einem verschiedenen Teil seiner ausgedehnten Bedeutung. Die verfremdende Wirkung entsteht in diesem Fall durch die semantische Ungleichartigkeit der eingeklam-

27 Häufig wird das Wort rex dabei, wenn ein Text in der Wir-Form gehalten ist, durch das deklinierte Possessivpronomen noster ersetzt (grammatikalisch korrekt anstelle des Personalpronomens). Siehe dazu die Beispiele unten in den Abschnitten 5 und 6.  28 Zur strukturellen Ambiguität und Unübersetzbarkeit des Zeugmas, das außer in literarischen Kontexten auch gerne in Witzen und in der Werbung verwendet wird, vgl. Erzsébet Forgács, Ausgewählte Arten der Ambiguität und ihre Übersetzbarkeit, in: Berliner Beiträge zur Hungarologie 14 (2004), S. 304–320, hier S. 312–315, bes. S. 312: »Die doppelte oder mehrfache Auslegbarkeit resultiert hier nicht aus der Ambiguität einer Wortform (eines Lexems, eine Affixes oder einer Morphemverbindung), sondern der doppelten Interpretierbarkeit einer größeren sprachlichen Einheit, d. h der Struktur eines Syntagmas oder eines Satzes«. – Der deutsche Komiker Heinz Ehrhardt (gest. 1979) begann seine Auftritte häufig mit dem Zeugma »Ich heiße Heinz und Sie herzlich willkommen«. 29 Zu diesem Funktionsaspekt vgl. grundsätzlich Undine Kramer, Linguistic lightbulb moments. Zeugma in idioms, in: International Journal of Lexicography 19 (2006), S. 379– 395; Dies., Koordinierte Ungleichheit. Zum Zeugma bei Idiomen, in: Muttersprache 117 (2007), S. 337–347. – Ein bekanntes zeitgenössisches Zeugma mit sarkastischem Unterton stammt aus der Filmreihe »Star Trek. The Next Generation« von 1990, hier aus dem Munde von Colonel William Riker: »You are free to execute your laws and your citizens as you see fit«. 30 Ulrich Schulz-Buschhaus, Zeugma und zeugmatische Erfahrung in Flauberts L’éducation sentimentale, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 95 (1985), S. 26–40, hier S. 27 f.

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merten Glieder untereinander, die eine chaotische Erscheinung ist.«31 Heinrich Lausberg, dem diese Beschreibung der sprachlichen Funktionalität des Zeugmas verdankt wird, hat in dem von ihm verfassten klassischen Standardwerk, dem »Handbuch der literarischen Rhetorik«, das Zeugma in allen Erscheinungsformen abgehandelt und dabei auch aufgezeigt, wie die antiken Grammatiker und Rhetoren den Grund für die Definition und den Gebrauch dieses Stilmittels gelegt haben.32 Bereits die römische Literatur steckt voller Zeugmata, etwa wenn ein ironischer Stilist wie der römische Geschichtsschreiber Tacitus gleich im ersten Satz seiner »Germania« im Anklang an den Beginn von Caesars Bellum Gallicum betonte: »Ganz Germanien (Germania omnis) wird von den Galliern, den Rätiern und den Pannoniern durch die Flüsse Rhein und Donau, von den Sarmaten und den Dakern durch wechselseitige Furcht oder durch Gebirge geschieden (mutuo metu aut montibus separatur)«.33 Dieser antike Hintergrund ist auch für das Verständnis des hier interessie­ renden karolingerzeitlichen Zeugmas wichtig, da die breit rezipierten lateinischen Grammatiken der Spätantike zu den Grundlagentexten der karolingischen 31 Heinrich Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik. Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie, Ismaning 10 1990, S. 105, § 325, Abs. 2. Vgl. dazu auch Craig Kallendorf, Art. Apokoinou, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 1 (1992), Sp. 792–795, hier Sp. 792: »›Zeugma‹ (ζεῦγμα: Fessel) bedeutet allgemein die teilweise Ellipse von einem oder mehreren Gliedern einer grammatisch koordinierten Einheit, wobei der verbleibende Teil des einen Gliedes an die Stelle des unterdrückten Elements in den Parallelgliedern tritt. Man unterscheidet generell zwischen ›kompliziertem Zeugma‹ und ›komplikationslosem Zeugma‹. Beim ›komplizierten Zeugma‹ besteht eine syntaktische oder semantische Spannung zwischen dem verbleibenden Teil und zumindest einem der mit ihm koordinierten elliptischen Glieder. Lassen sich die von der Ellipse betroffenen Elemente ohne Spannung so wiederherstellen, daß eine Äquivalenz der parallelen Teile besteht, handelt es sich also um eine elegante Verkürzung, so spricht man von einem ›komplikationslosen Zeugma‹.« SchulzBuschhaus, Zeugma und zeugmatische Erfahrung, S. 28 hat über Lausberg hinausgehend »eine literarhistorische Typologie der Stilfunktionen des Zeugmas« eingeführt und dabei zwischen einer »komisch-desillusionierenden« Stilfunktion und einer »allegorischen« unterschieden: Letztere sei »dann gegeben, wenn zwischen den an sich kategorial verschiedenartigen Gliedern der zeugmatischen Dopplung ein evidenter symbolischer Zusammenhang besteht, wenn z. B. das Konkretum sinnvoll und sinnreich auf das gleichgeordnete Abstraktum verweist.« Dies scheint mir im Fall des  – im Sinne Lausbergs »komplizierten« – Zeugmas fideles Dei et regis gegeben. 32 Heinrich Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Lite­ raturwissenschaft, Stuttgart 2008 (Nachdruck der 2. Auflage 1973 in einem Band), §§ 688–708; englische Übersetzung: Handbook of Literary Rhetoric: A Foundation for Literary Study, Leiden 1998. 33 Tacitus, Germania 1, 1: Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Rheno et Danuvio fluminibus, a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur. (P. Cornelius Tacitus, Germania, hg., übers. u. komment. von Allan A. Lund, Heidelberg 1988, S. 70 f.; dt. Übers.: S. E.).

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»Bildungsreform« zu rechnen sind.34 Die antiken Autoren waren sich allerdings darin, was genau unter einem Zeugma zu verstehen sei, nicht ganz einig gewesen.35 In der römischen Rhetorik, die ihrerseits in griechischer Tradition stand, gab es eine Lehrmeinung, die das Stilmittel des zeugma (bzw. ἐπεζευγμένον) auf durch ein gemeinsames Verb konstruierte Ausdrücke beschränkt wissen wollte.36 Doch ist sein Verständnis bei den antiken Grammatikern weiter gewesen. Nach der Ars grammatica des Aelius Donatus aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert war unter einem Zeugma jede Einschließung eines einzelnen Wortes zu verstehen, die mit verschiedenen Wendungen in passender Weise verbunden war.37 Neben dieser im Frühmittelalter besonders einflussreichen Grammatik38 ist auch die ebenfalls in der Karolingerzeit breit rezipierte – und zumal von Alkuin wiederentdeckte39 – spätantike Grammatik des Priscian von 34 Vgl. Vivien Law, The study of grammar, in: Rosamond McKitterick (Hg.), Carolingian Culture. Emulation and Innovation, Cambridge 1994, S. 88–110; Louis Holtz, L’oeuvre grammaticale d’Alcuin dans le context de son temps, in: Ernst Tremp / Karl Schmuki (Hg.), Alkuin von York und die geistige Grundlegung Europas, St. Gallen 2010 S. 129–149. 35 Vgl. Gernot Krapinger, Art. Zeugma, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 9 (2009), Sp. 1504–1511, hier Sp. 1505. Vgl. auch Ernest A.  Lussky, Misapplications of the term zeugma, in: The Classical Journal 48 (1953), S. 285–290 mit dem Versuch, den Gebrauch des Begriffs auf bestimmte verbale Ausdrücke zu beschränken. 36 So etwa Quintilian, Institutio oratoria, IX , 3, 62–64: M.  Fabi Qvintiliani Institvtionis oratoriae libri dvodecim, hg. von Michael Winterbottom, Oxford 1970. – Auch in den Etymologiae (I, 36,3) Isidors von Sevilla wird die Stilfigur des Zeugmas auf solche Wendungen beschränkt, bei denen mehrere Sinngehalte mit einem einzigen Verb zusammengeschlossen werden: Zeugma est clausula, quum plures sensus uno verbo clauduntur (Isidori Hispalensis episcopi Etymologiarum sive originum libri XX , hg. von William M. Lindsay, Bd. 1, Oxford 1911). Dass verbum hier nicht einfach »Wort«, sondern tatsächlich grammatikalisch das »Verb« meint, geht aus den jeweils anschließend angefügten (hier nicht wiedergegebenen) Beispielen hervor. Isidor legt insbesondere dar, dass das das Zeugma verklammernde Verb am Anfang, in der Mitte und am Ende der Wendung stehen kann, und belegt dies mit Beispielen altrömischer Schriftsteller (Lucilius, Ennius, Terenz).  – Unter den »durch Auslassung (per detractionem) gebildete[n] Wortfiguren« wird der Begriff »Zeugma« z. T. auch in der modernen Rhetorik auf die Auslassung eines Verbs begrenzt verwendet, vgl. Gert Ueding / Bernd Steinbrink, Grundriss der Rhetorik. Geschichte – Technik – Methode, Stuttgart 52011, S. 306 f. 37 Donatus, Ars grammatica (ars maior), De schematibus 2: Zeugma est unius verbi conclusio diversis clausulis apte coniuncta, ut ›Troiugena interpres divum, qui numina Phoebi, qui tripodas, Clari lauros, qui sidera sentis‹ et cetera. (Die Ars maior des Aelius Donatus. Lateinischer Text und kommentierte deutsche Übersetzung einer antiken Lateingrammatik des 4. Jahrhunderts für den fortgeschrittenen Anfängerunterricht, hg. von Axel Schönberger [Bibliotheca Romanica et Latina 7], Frankfurt 2009). 38 Vgl. nur den Sedulius Scottus zugeschriebenen Kommentar zu diesem Text: Commentum Sedulii Scotti in Maiorem Donatum Grammaticum, hg. von Denis Brearly, Toronto 1975; Grammatici Hiberni Carolini aevi, Ps. 3,1: In Donati artem maiorem / Sedvlivs Scottvs, hg. von Bengt Löfstedt (CCCM 40 B), Turnhout 1977. 39 Vgl. Law, The study of grammar, S. 95 f.

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Caesarea von Bedeutung. Sie bot eine Vielzahl von Beispielen dafür, wie im Lateinischen im Rahmen rhetorischer Figuren, so auch eines Zeugmas, Wörter ohne Rücksicht auf numerus, genus, persona usw. miteinander verbunden und Wortverbindungen aus stilistischen Gründen variiert werden konnten.40 Eine großenteils auf Donat basierende, aber durch biblische exempla erweiterte Schrift De schematibus et tropis,41 die im Mittelalter zu weiter Verbreitung gelangte, wurde bereits im Frühmittelalter sowohl Cassiodor als auch Beda Venerabilis zugeschrieben.42 Der Verfasser dieses Textes hat die Definition des Zeugmas wörtlich aus Cassiodors Psalmenkommentar entnommen43 und betont, dass die durch ein Zeugma hergestellte Wortverbindung sowohl durch ein Verb als auch im Rahmen eines Satzes begründet sein könne.44 Doch auch Cassiodors 40 Priscian, Institutiones XVII, 21, 155: Variantur autem, ut dictum est, per transitiones et reciprocationes non solum casus et numeri, sed etiam genera …; illud tamen sciendum, quod per figuram, quam Graeci ἀλλοιόστητα vocant, id est variationem, et per πρόληψιν vel σύλληψιν, id est praeceptionem sive conceptionem, et per ζεῦγμα, id est adiunctionem et concidentiam, quam συνέμπτωσιν Graeci vocant, vel procidentiam, id est ἀντίπτωσιν, et numeri diversi et diversa genera et diversi casus et tempora et personae non solum transitive et per reprocationem, sed etiam intransitive copulantur, quae diversis auctorum exemplis tam nostrorum quam Graecorum necessarium esse duximus comprobare. (Prisciani grammatici Caesariensis, Institutionum grammaticarum libri XVIII, hg. von Martin Hertz, Bd. 2 [= Grammatici latini, hg. von Heinrich Keil, Bd. 3], Leipzig 1855, S. 183 f.). 41 Zur handschriftlichen Überlieferung vgl. Bernhard Bischoff, Eine Sammelhandschrift Walahfrid Strabos (Cod. Sangall. 878) (1950), erw. Fassung in: Ders., Mittelalterliche Studien. Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1967, S. 34–51, hier S. 39. 42 Vgl. Gussie Hecht Tanenhaus, Bede’s De Schematibus et tropis – A translation, in: Quarterly Journal of Speech 48 (1962), S. 237–253. Luciana Cuppo Csaki, De schematibus et tropis in Italian garb. A study of Bamberg Msc. Class. 43, in: Carol D.  Lanham (Hg.), Latin Grammar and Rhetoric: From Classical Theory to Medieval Practice, London 2002, S. 92–108 betont, dass der Text aus dem 6. Jahrhundert stamme und auf Cassiodor zurückgehe. 43 Vgl. Cassiodor, Expositio psalmorum 14.5: Hoc schema dicitur zeugma, id est coniunctio, quando multa pendentia aut uno uerbo aut una sententia concluduntur. (Cassiodor, Expositio psalmorum, hg. von Marc Adriaen [CCSL 98], Turnhout 1958, S. 136). In Expositio psalmorum 150.5–6 wird erläutert, dass man aus dem Psalter Kenntnisse de schematibus, de arte rhetorica, de topicis usw. erwerben könne (ebd. S. 1329). Zum Gebrauch von Stilfiguren in Cassiodors Psalmenkommentar vgl. die umfassende Untersuchung von Mauro Agosto, Impiego e definizione di tropi e schemi retorici nell’Expositio psalmorum di Cassiodoro, Montella 2003, der diesen in die rhetorische Tradition einordnet. 44 Zeugma, id est coniunctio, dicitur figura, quando multa pendentia aut uno verbo aut una sententia concluduntur. Verba, ut Apostolus ait: ›Omnis amaritudo et ira et indignatio et clamor et blasphemia tollatur a vobis‹ (Eph. 4, 31). Sententia autem, ut Psalmista pro­ ponens: ›Qui ingreditur sine macula et operatur iustitiam, qui loquitur veritatem in corde suo‹, et cetera. Ad ultimum ita concludit: ›Qui facit haec, non commovebitur in aeternum‹ (Ps. 14, 5). Beda, De schematibus et tropis, in: Karl Halm (Hg.), Rhetores latini minores, Leipzig 1863, Nr. 24, S. 607–618, hier S. 608, und, auf weitaus breiterer handschriftlicher

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Psalmenkommentar selbst hat bei der Vermittlung dieser Vorstellun­gen offenbar eine wichtige Rolle gespielt.45 Frühmittelalterliche Mönche und Kleriker suchten somit der alten Forderung des Augustinus von Hippo zu entsprechen, dass sowohl zum Verständnis der Bibel als auch zur Vermittlung ihrer Inhalte eine genaue Kenntnis der lateinischen Tropen und Stilfiguren zu erwerben sei.46 In der Karolingerzeit wurden sie sogar von höchster irdischer Stelle dazu gemahnt, dies beim Studium der heiligen Schrift zu beherzigen:47 Wenn man aber auf den heiligen Seiten rhetorische Figuren (schemata), bildliche Rede (tropi) und die übrigen [Stilmittel] dieser Art eingefügt findet, so kann für niemanden Zweifel daran bestehen, dass ein jeder Leser diese umso rascher in ihrem geistigen Sinn begreift, je früher er in der Schulung der Literatur (in litterarum magisterio) vollumfänglich ausgebildet worden ist.48

Die Epistola de litteris colendis hatte Karl der Große auf Anregung Alkuins verfasst,49 ohne dessen sprachtheoretische und -praktische Schriften diese Bemühungen unverständlich bleiben. Alkuin selbst hat sich in seinen rhetorischen Schriften auch mit dem Phänomen der Ambiguität von (rechtlichen) Ausdrücken befasst,50 doch seiner Förderung des Lateinunterrichts auf der Grundlage

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Basis: De schematibus et tropis, hg. von Calvin B. Kendall, in: Bedae Venerabilis opera didascalia (CCSL 123A), Turnhout 1975, S. 142–171. Zur karolingischen Extrahierung einer kleinen ars rhetorica mit schemata aus Cassiodors Psalmenkommentar vgl. Colette Jeudy, Un relevé carolingien des schèmes extraits du commentaire de Cassiodore sur les psaumes, in: Mittellateinisches Jahrbuch 29 (1994), S. 1–20. Augustinus, De doctrina christiana III, 29, 40–41 (87–93): Augustine, De doctrina Christiana, hg. und übers. Roger P. H. Green, Oxford 1995, S. 170–174. Vgl. dazu Ueding / Steinbrink, Grundriss der Rhetorik, S. 50–54. Zur Überlieferung und Datierung der Epistola de litteris colendis (wohl zweite Hälfte der 780er Jahre) vgl. Thomas Martin, Bemerkungen zur Epistola de litteris colendis, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 31 (1985), S. 227–272. Karoli Epistola de litteris colendis ca. a. 780–800 (ad Baugulfum abbatem): Cum autem in sacris paginis schemata, tropi et caetera his similia inserta inveniantur, nulli dubium est, quod ea unusquisque legens tanto citius spiritualiter intelligit, quanto prius in litterarum magisterio plenius instructus fuerit. (Alfred Boretius [Hg.], Capitularia regum Francorum 1 [MGH Capit. 1], Hannover 1883, Nr. 29, S. 79). Vgl. Luitpold Wallach, Charlemagne’s De litteris colendis and Alcuin. A Diplomatic-Historical Study, in: Speculum 26 (1951), S. 288–305. Alkuin, Disputatio de rhetorica et de virtutibus sapientissimi regis Karoli et Albini magistri, c. 9: Item ambiguitas saepe in scripta lege facit quaestionem (Artur Costrino, Alcuin’s Disputatio de rhetorica: A critical edition with studies of aspects of the text, the stemma codicum, the didactic diagrams and a reinterpretation of sources for the problem of the duality of the dialogue, D. Phil. Thesis, University of York 2016, S. 187–288: http://etheses. whiterose.ac.uk/17792/ [zuletzt eingesehen am 01.10.2020]). Zu diesem Text vgl. auch Matthew S. Kempshall, The virtues of rhetoric. Alcuin’s Disputatio de rhetorica et de uirtutibus, in: Anglo-Saxon England 37 (2008), S. 7–30.

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der antiken Grammatiken ist es zu verdanken, dass zahlreiche karolingerzeitliche Kleriker und Mönche infolge der Umsetzung dieses »Bildungsprogramms« nicht nur gewusst haben, was ein Zeugma ist, sondern auch, dass sein Wortwitz und der durch Kontraktion entstandene, provokante Verfremdungseffekt dieses zu einem sehr suggestiven Stilmittel werden lassen konnten. Und das Zeugma fideles Dei et regis, um das es hier geht, »funktionierte« ja auch nur in der lateinischen Sprache. Indem die Formel elliptisch gestaltet, d. h. einmal fideles ausgelassen wurde, musste das verbliebene Wort fideles zugleich auf Gott und den Herrscher bezogen werden, da sonst – grammatikalisch gesprochen – ein Genitiv-Objekt ohne Regens geblieben wäre.51 Da das Wort fidelis semantisch jedoch nicht nur zwei-, sondern mehrdeutig war, zielte die Formel auf zweierlei: Sie sollte zuerst die mehrdeutige begriffliche Valenz des Wortes fidelis auf zwei Kontexte eingrenzen, also die Zweideutigkeit der Wortbedeutung von fidelis in Bezug auf Gott und den König durchsetzen;52 und diese Zweideutigkeit suchte sie anschließend durch das Zeugma partiell wieder aufzuheben, indem die Auslassung des einen Wortes fideles den damit adressierten Personenkreis nachdrücklich daran erinnerte, dass sein christlicher Glaube und seine Loyalität gegenüber dem Herrscher etwas miteinander zu tun hatten, sich wechselseitig bedingten, das eine schlechterdings nicht ohne das andere vorstellbar war.

2. Die in der Formel vereinten semantischen Felder Beide Wortbedeutungen von fidelis verweisen zurück in die Antike. Treu zu sein, fidelem esse, war in der römischen Kaiserzeit die klassische Militärtugend, denn der Fahneneid der römischen Soldaten war ein Treueid auf ihren Kaiser;53 aus 51 Die sprachliche Besonderheit dieses Zeugmas besteht also darin, dass es anders als die meisten Zeugmata nicht um ein Verb herum konstruiert worden ist. Dies gründet zweifellos darin, dass es sich bei ihm um eine erweiterte Version der bereits zuvor etablierten Formel fideles regis handelte; siehe dazu unten Anm. 87. 52 Dies ist auch vor dem Hintergrund der seit der Spätantike verbreiteten »Mehrfachfidelität« zu sehen, insofern die Formel durch die Verknüpfung mit dem christlichen Gott den besonderen, überragenden Charakter der dem König geschuldeten Treue sichtbar machen sollte. Siehe dazu unten Abschnitt 6.  53 William Seston, Art. Fahneneid, in: Reallexikon für Antike und Christentum 7 (1969), Sp. 277–284; Dorottya Gáspár, Quelques remarques concernant le mot sacramentum et le serment militaire, in: Acta archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 28 (1976), S. 197–203; Harald von Petrikovits, Sacramentum, in: Brian Hartley / John Wacher (Hg.), Rome and her Northern Provinces, Gloucester 1983, S. 179–201 (besonders wichtig für die bildliche Darstellung des Fahneneides auf Münzen, Legionsstandarten usw.); Stefan ­Esders, Art. Schwur, in: Reallexikon für Antike und Christentum 30 (2019), Sp. 29–70, hier Sp. 38–40 u. 55–58 (mit weiterer Literatur); Michael Wuk, Religionibus firmis iuramenta constricta? Ammianus and the sacramentum militiae (im Druck).

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diesem Grund trugen auch viele Legionen und weitere Militäreinheiten den Beinamen pia fidelis – übrigens besonders häufig bei den in den germanischen Provinzen stationierten Legionen,54 womit man sich eigentlich die gesamte Diskussion um die vermeintliche »Germanentreue« hätte sparen können: Nirgendwo kam es in der Antike zu einer so weitreichenden Institutionalisierung eines politisch-militärischen Treuediskurses wie im Umfeld des römischen Heeres. Die Soldaten, und zwar auch die aus Barbaren gebildeten Auxiliareinheiten und späteren Föderatenverbände, versicherten den Kaiser ihrer Treue (fides). Das semantisch viel weitere Wort fides umfasste in römischer Zeit jedoch weitaus mehr, meinte beispielsweise auch die Verlässlichkeit allgemein und das rechtlich geschützte Vertrauen (bona fides).55 Das demgegenüber spezifischer gebrauchte Adjektiv fidelis ist in der römischen Kaiserzeit allerdings nur selten zum Substantiv fidelitas ausgebaut worden; fidelitas wurde erst im Frühmittelalter häufiger verwendet, was auf eine institutionalisierte Begriffsbildung schließen lässt, worauf noch zurückzukommen ist. Doch schon in römischer Zeit verwiesen die Wörter fides, soweit im militärischen Kontext verwendet, und fidelis auf den Treueid des Soldaten56 ebenso wie auf die Befehlsgewalt (imperium) seines Vorgesetzten, d. h. in letzter Konsequenz des Kaisers.57 Insofern lässt sich bereits hier eine Ausdeutung der Worte fides und fidelis im Sinne eines soldatischen Statuskontrakts beobachten.58 Im offiziellen Diskurs über Kaiserloyalität spielte die fides exercitus eine entscheidende Rolle, wie dies die immer wieder als Donativ für Soldaten ausgebrachten Münzen zeigen,59 oder auch in jüngerer Zeit 54 Vgl. Paul A. Holder, Exercitus pius fidelis: The Army of Germania Inferior in A. D. 89, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 128 (1999), S. 237–250. Zur »Treue« römischer Provinzen in bildlichen Darstellungen vgl. Marina Sapelli, Provinciae fideles. Il fregio del tempio di Adriano in Campo Marzio, Milano 1999. 55 Dazu die klassischen philologischen Studien von Eduard Fraenkel, Zur Geschichte des Wortes fides, in: Rheinisches Museum für Philologie N. F. 71 (1916), S. 187–199, und Richard Heinze, Fides (1929), in: Ders., Vom Geist des Römertums. Gesammelte Aufsätze, Darmstadt 31960, S. 59–81. – Zu bona fides vgl. etwa Detlef Liebs, Römisches Recht. Ein Studienbuch, Göttingen 62004, S. 264–299. 56 Pierre Boyancé, Fides et le serment, in: Marcel Renard (Hg.), Hommages à Albert Grenier, Brüssel 1962, Bd. 1, S. 329–341. 57 Jules Paoli, Quelques observations sur la fides, l’imperium et leurs rapports, in: Juristische Fakultät der Universität Basel (Hg.), Aequitas und bona fides. Festgabe zum 70. Geburtstag von August Simonius, Basel 1955, S. 273–286. 58 Hierauf deutet auch der Gebrauch des Wortes devotio, das seit der Spätantike und auch im Frühmittelalter häufig in Paarformeln mit fides verknüpft wurde, vgl. Pier Maria Conti, Devotio e viri devoti in Italia da Diocleziano ai Carolingi, Padova 1971. Zur Wortbedeutung von devotio vgl. Klaus Winkler, Art. Devotio, A. Nichtchristlich, in: Reallexikon für Antike und Christentum 3 (1957), Sp. 849–858; Alfred Stuiber, Art. Devotio, B. Christlich, ebd., Sp. 858–862. 59 Vgl. dazu auch Victorine von Gonzenbach, Fides exercituum, eine Hand aus Vindonissa, in: Jahresbericht (der) Gesellschaft pro Vindonissa 1951–1952, S. 5–21.

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in größerer Zahl gefundene edelmetallene Treueringe,60 die beispielsweise die Kaiser der konstantinischen Dynastie verschenkten. Unter ihnen ist einer, der das Christusmonogramm enthält und damit schon auf den zweiten Bedeutungsinhalt von fidelis und fides verweist, der in unserem Zusammenhang relevant ist. Dass fides und sein bereits im Neuen Testament gebrauchtes griechischsprachiges Äquivalent πίστις ursprünglich nicht den Glauben an Gott bezeichneten, sondern die Treue gegenüber Gott und das Sich-verlassen auf Gott, haben kürzlich unabhängig voneinander Thomas Schumacher61 und Teresa Morgan62 in zwei theologischen Begriffsuntersuchungen dargelegt. In der Tat hatte eine solche Vermutung bereits Alfred Stuiber geäußert.63 Und interessanterweise findet man eine vergleichbare Valenz auch im Arabischen, wo das Wort al-mu’minīn ebenso den Gläubigen wie den Getreuen bezeichnen kann – weshalb die Titulatur des muslimischen Kalifen als amir al-mu’minin sowohl mit »Befehlshaber der Gläubigen« wie mit »Befehlshaber der Getreuen« übersetzt werden kann.64 Wenn das zutrifft, hätten wir es im Griechischen, im Lateinischen und auch im Arabischen mit einer semantischen Doppeldeutigkeit von Glaube und Treue zu tun, die möglicherweise in geteilten Vorstellungen der militia Dei wurzelt. 60 Rudolf Noll, Fidem Constantino – Treue dem Konstantin. Zu einem goldenen Fingerring aus Oberwinterthur, in: Helvetia Archaeologica 67 (1986), S. 102–108; Lothar Schwinden, Kaisertreue. Ein weiterer Fingerring mit Inschrift fidem Constantino, in: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 27 (1995), S. 39–45; Ivana Popović, »Fidelity rings« to the emperors of the Constantinian house, in: Starinar 50 (2000), S. 187–199; Max Martin, CONSTANTINO FIDEM und CONSTANT(I) FIDES .  Goldene Treueringe für Constantinus I. und seinen Vater Constantius Chlorus, in: Ludwig Wamser / Bernd Steidl (Hg.), Neue Forschungen zur römischen Besiedlung zwischen Oberrhein und Enns, Remshalden-Grunbach 2002, S. 253–265 (mit Auflistung der bis dahin gefundenen Ringe); Lothar Schwinden, Kaisertreue II . Ein dritter Fingerring aus Trier mit Inschrift fidem Constantino, in: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 37 (2005), S. 50–57. 61 Thomas Schumacher, Zur Entstehung christlicher Sprache. Eine Untersuchung der paulinischen Idiomatik und der Verwendung des Begriffes πίστις, Göttingen 2015. 62 Teresa Morgan, Roman Faith and Christian Faith. Pistis and Fides in the Early Roman Empire and Early Churches, Oxford 2015. 63 Vgl. Alfred Stuiber, Die Diptychon-Formel für die nomina offerentium im römischen Meßkanon, in: Ephemerides liturgicae 68 (1954), S. 127–146, bes. S. 143 f.: »Fides et devotio ist ursprünglich die Bezeichnung für die Soldatentugend der Treue und Dienstergebenheit gegenüber dem Feldherrn, fides ist also zunächst nicht der christliche Glaube, sondern die Treue. […] Das Wort fides in seiner christlichen Bedeutung ›Glaube‹ besitzt soviel semasiologische Kraft, dass es auch in der überlieferten Verbindung fides et devotio den christlichen Glauben bedeutet, freilich nicht als abstraktes Fürwahrhalten von Wahrheiten, sondern als treues und vertrauensvolles Festhalten an Gott, das durch das Nachbarwort devotio besonders betont wird.« – Zu devotio siehe oben Anm. 58. 64 Stefan Esders, »Faithful believers«. Oaths of Allegiance in Post-Roman Societies as Evidence for Eastern and Western »Visions of Community«, in: Walter Pohl u. a. (Hg.), Visions of Community in the Post-Roman World. The West, Byzantium and the Islamic World, 300–1100, Aldershot 2012, S. 357–374.

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Dass zumindest im Christentum die Entwicklung der Fidelitätsterminologie mit dem Militär zu tun hat und die Bezeichnung der christlichen Gläubigen als fideles nicht einfach eine Ableitung von fides, ihrem Glauben, war,65 ist bereits um 200 nach Christus bei Tertullian zu greifen. Ihm diente das Wort fidelis im Rahmen der militia Christi-Vorstellung dazu, die Hingabe zum christlichen Gott am Beispiel der Soldatentreue zu sinnbildlichen.66 Aus dieser Herleitung erklärt es sich auch, dass man bereits in der römischen Kaiserzeit mit der Doppeldeutigkeit des Wortes fidelis gespielt hat. Als beispielsweise in der diokletianischen Christenverfolgung der Militärveteran Iulius zum paganen Opfer gezwungen wurde, verweigerte er dies gegenüber dem Statthalter mit der rhetorischen Frage: »Glaubst du, dass ich, der ich bei den schlechteren Dingen [als Soldat  – S. E.] für treu (fidelis) gehalten wurde, nun in den besseren Dingen [als Christ] für untreu (infidelis) befunden werden könnte?«67 Und zu einer Zeit, als das Christentum bereits römische Staatsreligion geworden war, suchte der Mailänder Bischof Ambrosius in seiner Totenrede auf den im Jahr 395 verstorbenen Kaiser Theodosius I. die angesichts der Minderjährigkeit von dessen Söhnen aufkommenden Zweifel zu entkräften, indem er durch kunstvolle verbale Vignetten aus dem christlichen Glauben des Kaisers (fides) die Pflicht zur Treue gegenüber dessen Söhnen folgerte.68 Nach dem römischen Militärschrift65 Vgl. Henri Leclercq, Art. fidelis, in: Dictionnaire d’archéologie chrétienne et de liturgie 5 (1923), Sp. 1586–1593. Zu den entsprechenden Gegenbegriffen vgl. die Wortuntersuchungen von Helmut Schmeck, Infidus  – infoedus, in: Emerita 18 (1950), S. 440–443; ders., Infidelis. Ein Beitrag zur Wortgeschichte, in: Vigiliae christianae 5 (1951), S. 129–147. – Das zu fides gehörige lateinische Adjektiv wäre eigentlich fidus gewesen, doch kam dies während der römischen Kaiserzeit offenbar weitgehend außer Gebrauch. 66 Tertullian, De corona militis 11, 1 u. 4 f.: Tertullian, De corona, hg. von Emil Kroymann, in: Quinti Septimi Florentis Tertulliani opera, Pars II: Opera montanistica (CCSL 2, 2), Turnhout 1954, S. 1037–1065, hier S. 1056 f. Zum Hintergrund der Schrift De corona militis allgemein und speziell zu diesem Kapitel vgl. Willy Rordorf, Tertullians Beurteilung des Soldatenstandes, in: Vigiliae christianae 23 (1969), S. 105–141, bes. S. 114–120. – Zur Wortbedeutung von fidelis bei Tertullian vgl. auch Hans Christof Brennecke, An fidelis ad militiam converti possit? [Tertullian, De idolatria 19, 1] Frühchristliches Bekenntnis und Militärdienst im Widerspruch?, in: Dietmar Wyrwa (Hg.), Die Weltlichkeit des Glaubens in der Alten Kirche. Festschrift für Ulrich Wickert zum siebzigsten Geburtstag, Berlin 1997, S. 45–100. 67 Passio Iuli veterani c. 2: Non possum praecepta diuina contemnere et infidelis apparere deo meo. […] princeps me non uidit aliquando errare, et modo putas me, qui in prioribus [peioribus?] fidelis fueram repertus, in melioribus infidelem posse inueniri? (Herbert Musurillo [Hg.], The Acts of the Christian Martyrs, Oxford 1972, S. 260). 68 Ambrosius von Mailand, De obitu Theodosii c. 6–8 u. 10: Nec moveat aetas! Fides militum imperatoris perfecta aetas est; est enim perfecta aetas, ubi perfecta est virtus. Reciproca haec, quia et fides imperatoris militum virtus est. Recognoscitis nempe, quos vobis Theodosii fides triumphos adquisiverit. […] Quo … exemplo omnes armavit, et iam certe senior aetate, sed validus fide. Theodosii ergo fides fuit vestra victoria: vestra fides filiorum

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steller Vegetius, der um 400 schrieb, sollte der römische Soldat fidelis devotio nicht nur Gott, sondern auch dem Kaiser erweisen, sobald dieser den Namen des Augustus angenommen hatte.69 Und um die Mitte des 5. Jahrhunderts ließ Bischof Eucherius von Lyon die Soldaten der sog. Thebaischen Legion, die in der diokletianischen Verfolgung umgekommen sein sollen, ihre Befehlserweigerung gegenüber dem Kaiser Maximian rechtfertigen: »Wir haben immer für die Gerechtigkeit gekämpft, für die Frömmigkeit, für das Heil der Unschuldigen. Dies ist für uns bisher der Lohn für die aufgenommenen Gefahren gewesen. Haben wir für die Treue (fides), die wir dir gleich wie bewahren werden, auch dann gekämpft, wenn wir dieselbe Treue nicht gegenüber unserem Gott zeigen? Wir haben zu allererst bei den göttlichen Eiden (sacramenta divina) geschworen, und danach erst bei den königlichen Eiden (sacramenta regia). Glaub’ uns: Von den an zweiter Stelle genannten Eiden ist nichts mehr für uns notwendig, wenn wir die erstgenannten Eide brechen.«70

eius fortitudo sit. Fides ergo auget aetatem. […] Nec mirum, si auget aetatem fides, cum repraesentet futura. Quid est enim fides nisi rerum earum, quae sperantur, substantia? […] Audistis certe, milites, qui circumfusi estis, quia ubi perfidia, ibi caecitas est. Merito ergo caecus erat exercitus infidelium. Ubi autem fides, ibi exercitus angelorum est (Sancti Ambrosii opera VII, hg. von Otto Faller [CSEL 73], Wien 1953, S. 369–401, hier S. 374–376). Vgl. dazu auch Martin Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand. Rhetorik, Predigt, Politik, Stuttgart 1995, S. 182 f. 69 Vegetius, Epitoma rei militaris II, 5: Quemadmodum legio constituatur. […] Nam uicturis in cute punctis milites scripti, cum matriculis inseruntur, iurare solent; et ideo militiae sacramenta dicuntur. Iurant autem per Deum et per Christum et per sanctum Spiritum et per maiestatem imperatoris, quae secundum Deum generi humano diligenda est et colenda. Nam imperator cum Augusti nomen accepit, tamquam praesenti et corporali Deo fidelis est praestanda deuotio, inpendendus peruigil famulatus. Deo enim vel priuatus vel militans seruit, cum fideliter eum diligit qui Deo regnat auctore. Iurant autem milites omnia se strenue facturos, quae praeceperit imperator, numquam deserturos militiam nec mortem recusaturos pro Romana re publica (P. Flavii Renati Vegetii Epitoma rei militaris, hg. von Alf Önnerfors, Stuttgart 1995, S. 61 f.). 70 Eucherius von Lyon, Passio Agaunensium Martyrum c. 4: Pugnauimus semper pro iustitia, pro pietate, pro innocentium salute; haec fuerunt hactenus nobis pretia periculorum. Pugnauimus pro fide, quam quo pacto conseruabimus tibi, si hanc deo nostro non exhibe­ mus? Iurauimus primum in sacramenta diuina, iurauimus deinde in sacramenta regia, nihil nobis de secundis credas necesse est, si prima perrumpimus (Sancti Eucherii Lugdunensis opera omnia I, hg. von Karl Wotke [CSEL 31,1], Wien 1894, S. 168 f.). Zur Stelle, der für ein christliches Widerstandsrecht einige Bedeutung zukommt, vgl. auch Jean-Michel Hornus, Évangile et labarum. Étude sur l’attitude du christianisme primitif devant les problèmes de l’État, de la guerre et de la violence, Genf 1960, S. 119 f.

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3. Taufe und Treueid als institutionelle Bezugspunkte der Formel fideles Dei et regis Diese antiken Wurzeln machen zugleich deutlich, dass eine zweigleisige Herleitung der Formel aus jeweils einem germanischen-gefolgschaftlichen und einem römisch-kirchlichen Bedeutungsstrang keinen Sinn ergibt. Entscheidend ist vielmehr, dass beide Vorstellungen von »Treue« auf zwei unterschiedliche institutionelle Anknüpfungspunkte innerhalb des spätrömischen Reiches verweisen. Für die soldatische Treue bildete diesen der militärische Treueid, das sacramentum militiae, das man auch auf Mosaiken als Inbegriff des Soldatenstatus dargestellt findet,71 und die unverkennbare Präsenz der Schwurhände auf den römischen Feldstandarten72 unterstreicht dies nur. Das sacramentum militiae schworen als Föderaten die christlichen Germanen wie auch die christianisierten Araber.73 So sollte gerade das spätrömische Heer zur entscheidenden Vermittlungsinstanz staatlich-politischer Vorstellungen an die nachrömischen Reichsgründer werden, die ja ausnahmlos als römische Föderaten agiert hatten.74 Fidelitas wird erst in den poströmischen Reichen zu einem festeren Begriff, was auf eine Institutionalisierung im Sinne eines genauer umrissenen Konzeptes schließen lässt. Ein früher Beleg der offiziellen Sprache ist ein fränkisches Formular, das wohl aus dem Jahr 633 stammt und für das merowingische Ostreich die Ableistung des allgemeinen Treueides (fidelitas et leudesamio) anordnete.75 Für die frühmittelalterlichen Quellen hat Karl Kroeschell von dem 71 In zwei Kalendermosaiken des 6. Jahrhunderts wird als Personifikation des Monats März ein Soldat dargestellt, der zum Schwur die Hand erhebt. Das eine davon befindet sich im Marienkloster von Bet Sche’an (Skythopolis), vgl. dazu Stephanie A. Hagan, Time, Memory, and Mosaics at the Monastery of Lady Mary, in: Expedition. The Magazine of the University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology 55 (2013), S. 37–42; das andere in der sog. Falkner-Villa in Argos, vgl. hierzu Gunilla ÅkerströmHougen, The Calendar and Hunting Mosaics of the Villa of the Falconer in Argos. A Study in Early Byzantine Iconography, 2 Bde., Stockholm 1974, jeweils mit Abbildungen. 72 Vgl. dazu von Petrikovits, Sacramentum, S. 180–189 mit Abbildungen. 73 Vgl. Esders, Faithful believers, S. 364 f. 74 Stefan Esders, Les implications militaires du serment dans les royaumes barbares (Ve–VIIe siècles), in: Marie-France Auzepy / Guillaume Saint-Guillain (Hg.), Oralité et lien social au Moyen Âge (Occident, Byzance, Islam): Parole donnée, foi jurée, serment, Paris 2008, S. 17–24. 75 Marculf, Formulae I, 40: Ut leudesamio promittantur rege. Ille rex ille comis. Dum et nos una cum consensu procerum nostrorum in regno nostro illo glorioso filio nostro illo regnare precipemus, adeo iubemus, ut omnes pagensis vestros, tam Francos, Romanos vel reliqua natione degentibus, bannire et locis congruis per civitates, vicos et castella congregare fa­ ciatis, quatenus presente misso nostro, inlustris vero illo, quem ex nostro latere illuc pro hoc direximus, fidelitatem precelso filio nostro vel nobis et leudesamio per loca sanctorum

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allgegenwärtigen Begriff der fides das in der Antike weitaus weniger, dafür im Mittelalter aber umso stärker verbreitete Wort fidelitas in seinem Sinngehalt und seiner rechtlichen Ausformung unterschieden: Das Substantiv fidelitas sei danach als Ableitung des Adjektivs fidelis zu verstehen, also kein direktes Derivat von fides, und von grundlegender Bedeutung ist daher Kroeschells Beobachtung, »daß die fidelitas offenbar typischerweise durch Eid, also mit einer religiösen Bestärkung, begründet wird. […] dabei dient der Eid offenbar nicht zur bloßen Bestärkung einer ohnehin bestehenden Treupflicht, sondern von der Wahrung der Eidesform hängt die fidelitas in ihrem Bestande ab.«76 Den institutionellen Anknüpfungspunkt für christliche Fidelitätskonzep­ tionen bildete dagegen die Taufe, die man bei den frühen Kirchenvätern häufig mit dem Fahneneid verglichen findet, um ihre sakramentale Qualität, ihren – später so bezeichneten  – character indelebilis begrifflich zu schärfen.77 Damit hängt es zusammen, dass in der frühchristlichen Terminologie als fideles stets nur die getauften Christen bezeichnet wurden, im Unterschied zu den noch

vel pignora, quas illuc per eodem direximus, dibeant promittere et coniurare (MGH Formulae, hg. von Karl Zeumer [MGH LL Sect. 5], Hannover 1886, S. 68). Zur Datierung der Formel vgl. Stefan Esders, Rechtliche Grundlagen frühmittelalterlicher Staatlichkeit: Der allgemeine Treueid, in: Walter Pohl / Veronika Wieser (Hg.), Der frühmittelalterliche Staat – Europäische Perspektiven, Wien 2009, S. 423–432, hier S. 429 Anm. 45; zu ihrem militärischen Funktionskontext ders., Les origines militaires, S. 22; ders., ›Faithful believers‹, S. 362 f. Zur vergleichenden Funktion der Endung -sam, welche in der Paarformel in dem Begriff leudesamio verwendet wird, vgl. Ulrich Möllmann, Die althochdeutschen Adjektive auf -sam, Göttingen 1994, S. 291 (zusammenfassend ebd. S. 301). Fidelitas et leudesamio ist daher die substantivische, in eine Paarformel gekleidete Ausdrucksweise für die in karolingischer Zeit gebräuchliche Klausel fidelem esse, sicut homo esse debet. Zu dieser siehe auch unten Anm. 208. – Für das Westgotenreich vgl. Antonio García, El juramento de fidelidad de los concilios visigoticos, in: Francisco Suarez (Hg.), De iuramento fidelitatis. Estudio preliminar: Conciencia y politica, Madrid 1979, S. 447–490; Stefan Esders, Regem iura faciunt, non persona. Der westgotische Treueid im Kräftefeld personaler und transpersonaler Konzepte der Legitimität politischer Herrschaft, in: Mechthild Albert  u. a. (Hg.), Die Macht des Herrschers. Personale und transpersonale Aspekte, Göttingen 2019, S. 70–152. 76 Karl Kroeschell, Die Treue in der deutschen Rechtsgeschichte, in: Studi Medievali 10 (1969), S. 465–489, hier S. 479 (der diese Beobachtung gerade auf die allgemeinen Treueide der Karolingerzeit gestützt hat). In ähnlicher Weise hat man auch anhand hochmittelalterlicher Beispiele »den Zusammenhang von fidelis nicht mit fides, sondern mit fidelitas« betont, vgl. Dieter Girgensohn, Miscellanea Italiae pontificiae. Untersuchungen und Urkunden zur mittelalterlichen Kirchengeschichte Italiens, vornehmlich Kalabriens, Siziliens und Sardiniens (zugleich Nachträge zu den Papsturkunden Italiens XI), 1. Hälfte, Göttingen 1974, S. 173 Anm. 156. 77 Vgl. Adolf Kolping, Sacramentum Tertullianeum, Teil I: Untersuchungen über die Anfänge des christlichen Gebrauchs der Vokabel sacramentum, Münster 1948; Esders, Art. Schwur, Sp. 52 f.

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ungetauften audientes; auch diese begriffliche Dichotomie lässt sich bruchlos im Mittelalter weiterverfolgen. Owen Phelan hat unlängst die Entwicklungslinien nachgezeichnet, die vom spätantiken sacramentum baptismatis zur politischen Indienst­nahme der Taufe unter den Karolingern führen.78 Die Diskussionen über die Taufe im Kontext der »Heidenmission«79 sowie der Adoptia­nimusKontroverse und des Frankfurter Konzils von 794,80 die Taufrundfrage Karls des Großen vom Jahr 812,81 aber auch die Streitschriften Agobards von Lyon82 bezeugen eindrucksvoll, wie die Taufe nicht nur als Eintritt in Gemeinde und Kirche, sondern in die christliche Gesellschaft des multiethnischen karolingischen Großreiches insgesamt betrachtet wurde.83 Gerade wenn man mit Walter Ullmann die sog. »karolingische Renaissance« als sakramentale Regeneration des populus christianus durch die Taufe begreift, wird deutlich, welche Möglichkeiten darin enthalten waren, wenn der Herrscher seine Getreuen zugleich als fideles Dei adressierte.84 Zugleich wird nachvollziehbar, warum mit der Taufe essentiell verbundene Dinge – wie z. B. die Entrichtung des Kirchenzehnten in der eigenen Taufkirche85 – schnell zu einem Politikum werden konnten.86 Mit der ausgreifenden, an politischer Relevanz gewinnenden Bedeutung der Taufe wird man demnach wohl zu erklären haben, dass im Rahmen der hier 78 Owen Phelan, The Formation of Christian Europe. The Carolingians, Baptism and the Imperium christianum, Oxford 2014, S. 48–93 u. ö. 79 Lutz E. von Padberg, Die Diskussion missionarischer Programme zur Zeit Karls des Großen, in: Peter Godman u. a. (Hg.), Am Vorabend der Kaiserkrönung. Das Epos Karolus Magnus et Leo papa und der Papstbesuch in Paderborn 799, Berlin 2002, S. 125–143. 80 Dazu Phelan, The Formation of Christian Europe, S. 49–63. 81 Susan A. Keefe, Water and the Word. Baptism and the Education of the Clergy in the Carolingian Empire, 2 Bde., Notre Dame 2002. 82 Egon Boshof, Erzbischof Agobard von Lyon. Leben und Werk, Köln 1969, S. 41–54 u. ö. 83 Michel Rubellin, Entrée dans la vie, entrée dans la chrétienté, entrée dans la société: ­Autour du baptême à l’époque carolingienne, in: Annales de l’Est 5. Sér. 34 (1982), S. 31–51. 84 Walter Ullmann, The Carolingian Renaissance and the Idea of Kingship, London 1969, S. 21 f. u. 30. 85 Vgl. Josef Semmler, Zehntgebot und Pfarrorganisation in karolingischer Zeit, in: Hubert Mordek (Hg.), Aus Kirche und Reich. Studien zu Theologie, Politik und Recht im Mittelalter. Festschrift für Friedrich Kempf zu seinem 75. Geburtstag und 50jährigen Doktorjubiläum, Sigmaringen 1983, S. 33–44. 86 Zum Kirchenzehnten in der karolingischen Gesetzgebung und zu seiner Funktionalität vgl. nun eingehend Steffen Patzold, Presbyter. Moral, Mobilität und die Kirchenorganisation im Karolingerreich, Stuttgart 2020, S. 241–303. Zur Sanktionierung der Zahlung des Kirchenzehnten mit Exkommunikation und Königsbann vgl. Rudolf Schieffer, Der Pittaciolus Hinkmars von Laon in einer Salzburger Handschrift aus Köln, in: Hubert Mordek (Hg.), Aus Archiven und Bibliotheken. Festschrift für Raymund Kottje zum 65. Geburtstag, Frankfurt 1992, S. 137–147, hier S. 147.

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interessierenden Wendung die bereits ältere Bezeichnung der fideles regis87 um die fideles Dei erweitert werden konnte. Dass man in karolingischer Zeit nun allerdings ein Zeugma daraus entwerfen konnte, also das Wort fideles in der Formel einfach einmal ausfallen lassen konnte, setzt selbstredend voraus, dass man glaubte, zwischen Treue und Glaube eigentlich doch begrifflich und der Sache nach relativ streng trennen zu können. Anderenfalls hätte die kontrahierte Formel ja wenig Sinn gemacht, ihren eigentlichen »Witz« verloren. Den Grund dafür sehe ich darin, dass die beiden Konzepte von fidelitas bzw. fidelem esse auf jeweils verschiedene institutionelle Bezugspunkte verweisen, nämlich im Falle von fides bzw. fidelitas als »Glaube« auf die Taufe und bei fidelitas als »Treue« auf den allgemeinen Treueid. Dies wird auch in einigen Quellen der Karolingerzeit deutlich. Schon die of­fiziösen fränkischen Reichsannalen beschrieben, wenn sie über die kriegerischen Auseinandersetzungen Karls des Großen mit Sachsen und Awaren berichteten, deren Kapitulation als Annahme des Christentums und Leistung eines Treueides:88 christianitas vel fidelitas, »Christsein und Treue«, so heißt es kurz und bündig in verschiedenen Variationen.89 Beide Substantive, fidelitas und

87 Vgl. dazu zusammenfassend Dietrich von Gladiss, Fideles regis, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 57 (1937), S. 442–451 und Karl-Friedrich Krieger, Art. Fidelis (regis), in: Lexikon des Mittelalters 4 (1989), Sp. 433. Für das Westgotenreich vgl. Claudio Sánchez-Albornoz (y Menduiña), En torno  a los origines des feudalismo, I, 1: Fideles y gardingos en la monarquía visigoda. Raíces del vasallaje y del beneficio hispanos, Buenos Aires 21974. 88 Walter Pohl, »Das sanfte Joch Christi«. Zum Christentum als gestaltende Kraft im Mitteleuropa des Frühmittelalters, in: Günther Hödl / Johannes Grabmayer (Hg.), Karantanien und der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter, Wien 1991, S. 259–280, hier S. 270; ähnlich Patrick Geary, Die Bedeutung von Religion und Bekehrung im frühen Mittelalter, in: Dieter Geuenich (Hg.), Die Franken und die Alemannen bis zur »Schlacht bei Zülpich« (496/497), Berlin 1998, S. 438–450, hier S. 446. 89 Zu den Vereinbarungen Karls des Großen mit den Sachsen (776/777) vgl. Annales regni Francorum ad. a. 776: Et Saxones perterriti omnes ad locum, ubi Lippia consurgit, venientes ex omni parte et reddiderunt patriam per wadium omnes manibus eorum et spoponderunt se esse christianos et sub dicione domni Caroli regis et Francorum subdiderunt […] a. 777: Ibique multitudo Saxonum baptizati sunt et secundum morem illorum ingenuitatem et alodem manibus dulgtum fecerunt, si amplius inmutassent secundum malam consuetudinem eorum, nisi conservarent in omnibus christianitatem vel fidelitatem supradicti domni Caroli regis et filiorum eius vel Francorum (Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, hg. von Friedrich Kurze [MGH SS rer. Germ. 6], Hannover 1895, S. 46 u. 48). Vereinbarungen Karls des Großen mit Sachsen und Awaren (794/795): Saxones autem congregantes se in campo, qui dicitur Sinistfelt, praeparantes se quasi ad pugnam; cum vero audissent se ex duabus partibus circumdatos, dissipavit Deus consilia eorum, et quamvis fraudulenter et christianos se et fideles domno regi fore promiserunt. […] a. 795: Audiens vero, quod Saxones more solito promissionem suam, quam de habenda christianitate et fide regis tenenda

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christianitas, deuten auf eine frühmittelalterliche Verfestigung der damit verbundenen Konzepte hin, die in der Karolingerzeit den Charakter von Schlagworten angenommen zu haben scheinen.90 In beiden Fällen wurde zudem betont, dass Sachsen und Awaren, als sie sich in Form einer deditio ergaben, auch ihr Land an den Frankenherrscher übertrugen, um es anschließend als Besitz zurückzuerhalten. Damit stand der weitere Besitz ihres Landes fortan unter dem rechtlichen Vorbehalt, dass sie weiterhin Christen blieben und nicht treubrüchig würden.91 Die Verkoppelung von Taufe und Treueid begründete daher, wie auch in der Capitulatio de partibus Saxoniae erkennbar,92 die Möglichkeit, dass religiöse Vergehen strafrechtlich verfolgt werden konnten: Jeder Rückfall ins Heidentum war insofern nicht nur Apostasie, sondern stellte auch einen Treubruch gegenüber dem Herrscher dar.

fecerant, irritam fecissent, cum exercitu in Saxoniam ingressus est et usque ad fluvium Albim pervenit ad locum, qui dicitur Hliuni …. Ibi etiam venerunt missi tudun, qui in gente et regno Avarorum magnam potestatem habebat; qui dixerunt, quod idem tudun cum terra et populo suo se regi dedere vellet et eius ordinatione christianam fidem suscipere vellet (ebd. S. 94 u. 96). Als Bedingung für die Ansiedlung unterworfener Awaren erwähnt dies um 840? auch die Conversio Bagoariorum et Carantanorum, c. 3: Eos autem, qui obediebant fidei et baptismum sunt consecuti, tributarios fecerunt regum, et terram, quam possident residui, adhuc pro tributo retinent regis usque in hodiernum diem (Fritz Lošek, Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und der Brief des Erzbischofs Theotmar von Salzburg, Hannover 1997, S. 102). 90 Zur Begriffsgeschichte und Semantik des Substantivs christianitas und zum Gebrauch des Wortes als einer »religiös-politischen Ordnungsfigur« vgl. Tim Geelhaar, Christianitas. Eine Wortgeschichte von der Spätantike bis zum Mittelalter, Göttingen 2015, der S. 252–260 betont, dass christianitas erst in der Karolingerzeit zur Bezeichnung der identitätsstiftenden und insoweit auch gefährdeten christlichen Gemeinschaft avanciert sei, und hierfür insbesondere die Missionsbestrebungen verantwortlich macht. 91 Zum spätantiken Hintergrund dieser Konstruktion, die darauf zielte, Taufe, Treue und Landbesitz miteinander zu verquicken, vgl. Stefan Esders, Deditio and Baptism. Religious Borders and the Integration of Barbarians in the Later Roman Empire, in: Annette Weissenrieder (Hg.), Borders. Terms, Performances and Ideologies, Tübingen 2016, S. 123–134. 92 Capitulatio de partibus Saxoniae a. 782 (?), c. 11: Si quis domino regi infidelis apparuerit, capitali sententia punietur. (MGH Capit. 1, Nr. 26, S. 68–70, hier S. 69). Zur strafrecht­ lichen Systematik der Capitulatio de partibus Saxoniae vgl. insbesondere Ernst Schubert, Die Capitulatio de partibus Saxoniae, in: Dieter Brosius u. a. (Hg.), Geschichte in der Region. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Schmidt, Hannover 1993, S. 3–28, hier S. 7 u. 15; Hans Martin Weikmann, Hoheitliche Strafbestimmungen als Instrument fränkischer Eroberungs- und Missionspolitik, in: Jürgen Weitzel (Hg.), Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, Köln u. a. 2002, S. 153–174, bes. S. 155, 158 u. 160 f. sowie Robert Flierman, Gens perfida or populus Christianus? Saxon (in)fidelity in Fran­ kish historical writing, in: Clemens Gantner u. a. (Hg.), The resources of the past in Early Medieval Europe, Cambridge 2015, S. 188–205, bes. S. 199–201.

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Die Sanktionen, die ein solcher Vertragsbruch auslösen konnte,93 reichten von der Konfiskation bis hin zur Todesstrafe.94 Die doppelte Berufung auf Taufe und Treueid findet sich nicht nur in historiographischen Texten wie den Reichsannalen, sondern auch in im engeren Sinne »rechtlichen« Texten wie Kapitularien und Urkunden. Insbesondere zur Zeit Karls des Kahlen scheint die Aussagepflicht in Inquisitionsverfahren hiermit begründet worden zu sein: Jeder sollte vor den missi des Herrschers öffentlich Räuber anzeigen – »bei jener Eidestreue, die man Gott und dem König geschworen habe, und bei jenem Christsein, aufgrunddessen ein jeder gegenüber seinem Nächsten Frieden bewahren müsse« (in illa fidelitate, quam Deo et regi unusquisque debent et promissum habet, et in illa christianitate, qua pacem proximo unusquisque servare debet)  – fidelitas et christianitas heißt es hier erneut.95 Offenbar glaubte man, nur auf diese Weise die Mauern der Verschwiegenheit niederreißen zu können. Noch expliziter heißt es in einer um 875 entstandenen Urkunde über einen Rechtsstreit über eine strittige villa zwischen dem Bischof und dem Grafen von Autun, der vor den missi Karls des Kahlen geführt wurde, die vorgeladenen Zeugen der pagenses hätten die Wahrheit gesagt »bei jenem Eid, den sie dem Herrn Karl geschworen hätten, und bei jenem Bekenntnis, das sie anlässlich ihrer Taufe abgegeben hätten« (per illum sacramentum quem domno Karolo rege habebant iurata et per illam professionem quam in bap93 Treffend betont Weikmann, Hoheitliche Strafbestimmungen, S. 160 zum Taufzwang in der Capitulatio de partibus Saxoniae: »Man hat den Eindruck, dass … seit den mehrfach wiederholten, mit den Friedensschlüssen verbundenen Versprechungen der Sachsen, das Christentum anzunehmen, … eine Existenz als Heide eigentlich nur noch im Verborgenen möglich [gewesen sei]. Von diesem Standpunkt aus betrachtet geht es nicht um die individuelle Entscheidung für oder gegen den christlichen Glauben oder die Taufe, sondern um den Bruch des Versprechens, die Taufe zu empfangen.« Für die Zeit davor auch Eckhard Freise, Die Sachsenmission Karls des Großen und die Anfänge des Bistums Minden, in: An Weser und Wiehen. Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Landschaft. Festschrift für Wilhelm Brepohl, Minden 1983, S. 57–100, hier S. 60: »Die aufständischen Sachsen wurden von nun an wie Hochverräter und Apostaten behandelt.« 94 Zu den Diskussionen über erzwungene Taufe, Apostasie und Bekehrung im Gefolge des Awarenkrieges vgl. Helmut Reimitz, Conversion and Control: The Establishment of Liturgical Frontiers in Carolingian Pannonia, in: Walter Pohl u. a. (Hg.), The Transformation of Frontiers. From Late Antiquity to the Carolingians, Leiden u. a. 2001, S. 189–207, hier S. 199 f. sowie grundsätzlich v. Padberg, Die Diskussion missionarischer Programme. 95 Capitulare missorum Silvacense a. 853, c. 4: De latronibus autem commendaverunt, ut missi omnibus denuntient in illa fidelitate, quam Deo et regi unusquisque debent et promissum habet, et in illa christianitate, qua pacem proximo unusquisque servare debet, ut sine exceptione alicuius personae nec pro amicitia vel propinquitate aut amore vel timore ullus latronem celet, sed illum missis illorum manifestet, et ad accipiendum illum adiutorium, quantum potuerit, unusquisque prestet, et per sacramentum hoc missi illorum firmare faciant, sicut tempore antecessorum illorum consuetudo fuit (Alfred Boretius / Victor Krause [Hg.], Capitularia regum Francorum 2 [nachfolgend zitiert als MGH Capit. 2], Hannover 1897, Nr. 260, S. 272).

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tismo promiserunt).96 Das sollte den Wahrheitsanspruch ihrer Aussage gleichsam verdoppeln, ihn existentiell machen. Treueid und Taufe zu bemühen, um Rechtsansprüche des Fiskus zu sichern  – dies war gewiss ein Einzelfall, der jedoch gerade in seiner Maßlosigkeit verdeutlicht, wie weit die Ansprüche des Herrschers und seiner Sachwalter reichen konnten. Da nur wenige Quellen erhalten sind, die sich derart explizit äußern, darf natürlich gefragt werden, wie sinnvoll es überhaupt war, das Offensichtliche so sehr zu betonen, dass es dieses Argument womöglich hätte faktisch entwerten können.

4. Der päpstliche Anstoß zur karolingischen Entwicklung der Formel (754/755) Liegen somit die systematischen Anknüpfungspunkte der karolingischen Formel fideles Dei et regis relativ klar auf der Hand, so ist es weitaus schwieriger, deren Entstehung nachzuvollziehen und zu erklären. Wie bereits bemerkt wurde, ist die Bezeichnung der engeren Funktionäre, möglicherweise auch der Untertanen der Könige als fideles regis wesentlich älter, also vorkarolingisch.97 Die Einbeziehung der religiösen Loyalität gegenüber dem christlichen Gott in die Formel erscheint insofern sprachlich als spätere Zutat, die in frühkarolingischer Zeit, und zwar schon vor der Annahme des Kaisertitels durch Karl den Großen im Jahr 800, in eine bereits etablierte Wendung integriert worden sein muss. Wie bereits erwähnt, setzte die Formel eine stärkere begriffliche und institutionelle Trennung nicht nur von Taufe und Treueid, sondern womöglich auch von Königtum und Kirche voraus,98 denn diese Trennung suchte sie ja gerade bewusst zu überspielen und damit für den König nutzbar zu machen. Aus diesem Grund hat man die Erfindung einer derart gewagten Konzeption auch nur einem exponierten Geist zutrauen wollen. Als ihr Urheber gilt seit langem 96 Uenerunt Leudo episcopus et Adelardus comes, missi dominici, in comitatu Augustodunense, in uilla quae dicitur in Monte, et fecerunt ibi uenire ipsos pagenses nobiliores et caeteris quampluris de iam dicto comitatu per bannum domni regis, et fecerunt requisitum inter Uulfaldum episcopum et Heccardum comitem, per illos quem Uulfaldus ibi denominavit uel per caeteros, per illum sacramentum quem domno Karolo rege habebant iurata et per illam professionem quam in baptismo promiserunt ut ueritatem dixissent de uilla quae dicitur Patriciacus, quem Uulfaldus dicebat quod de sua ecclesia essere debebat (Maurice Prou / A lexandre Verdier [Hg.], Recueil des chartes de l’abbaye de St. Benoît-sur-Loire, Paris 1900, Nr. 24, S. 57 f.). 97 Siehe oben Anm. 87. 98 Dies ist auch daran zu erkennen, dass z. T. in den gleich zu behandelnden päpstlichen Schreiben, vereinzelt unter Karl dem Großen in der Divisio regnorum von 806 (siehe unten Anm. 150) sowie vor allem dann aber unter den nachfolgenden Königen die fideles Dei als fideles sanctae ecclesiae (Dei) bezeichnet werden.

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Fulrad, der Abt von St. Denis und oberste Hofkaplan Pippins des Jüngeren.99 Als fränkischer Unterhändler hatte er die Zustimmung des Papsttums zum Dynastiewechsel von 751 erwirkt, und auch an der Salbung Pippins durch Papst Stephan II. im Jahr 754 war Fulrad beteiligt gewesen. Überdies war er der Abt desjenigen Klosters, das Pippin im folgenden Jahr in einer im Original erhaltenen Urkunde begünstigte, in deren Publikationsformel die Formel fideles Dei et regis erstmals überliefert ist.100 Und so könnte die Formel tatsächlich auf Fulrad zurückzuführen sein, denn sie weist enge Berührungen mit Formulierungen in päpstlichen Briefen auf, die in dieser Zeit an die fränkischen Herrscher geschickt wurden und denen für die Genese der Formel einige Bedeutung zukommt.101 99 Vgl. Walter Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung. Zur Divisio regnorum von 806 (1958), in: Ders., Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 1: Germanen, Franken, Deutsche, Göttingen 1963, S. 194–232 u. 345 (Nachtrag), hier S. 212 f.; Helmut Beumann, Nomen imperatoris. Studien zur Kaiseridee Karls des Großen (1958), in: Ders., Ideengeschichtliche Studien zu Einhard und anderen Geschichtsschreibern des früheren Mittelalters, Darmstadt 1982, S. 80–114, hier S. 110. – Zur Bedeutung Fulrads als Leiter der Hofkapelle vgl. Rudolf Schieffer, Die Karolinger, Stuttgart 32000, S. 67. Zu seinem politischen Wirken vgl. insbesondere Alain Stoclet, Autour de Fulrad de Saint-Denis (v. 710–784), Genf 1993. 100 Schenkung wegen Hochverrates eingezogener Güter an das Kloster St. Denis durch Pippin I. (755): … cognuscat omnium fidelium Dei et nostrorum tam praesencium quam et futurorum sagacetas, quia nos pro dei amore et sancto Dionisie specialis patroni nostri, ubi Folleradus abbas et custos praeesse dinuscitur, loco aleco in pago Uereduninse, quae apellatur ad Munte sancto Micaelo arcangelo super fluvio, quem Uulfoaldus quondam pro sua vita nobis dedit pro eo, quod illo castello ibidem volebat aedificare ad nostros inemicos recipiendum, sicut comprobatum est, et ad Francorum iudicium propter hoc missus fuit ad causas … (Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Großen, hg. von Engelbert Mühlbacher [MGH DD Karol. 1] [nachfolgend zitiert als MGH DD KdG], Berlin 21956, Nr. 8, S. 12 f.). Vgl. auch Chartae Latinae Antiquiores 15 (France 3), hg. von Hartmut Atsma / Jean Vezin, Dietikon 1986, Nr. 599. Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung, S. 212 vermutete für die Urkunde Empfängerdiktat, doch ist diese immerhin in der Pfalz Compiègne ausgestellt worden, vgl. dazu auch Heinrich Fichtenau, Adressen von Urkunden und Briefen (1976), in: Ders., Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze, Bd. 3: Lebensordnungen, Urkundenforschung, Stuttgart 1986, S. 149–166. Arenga und Schluss nahmen dagegen eine Hausmeierurkunde Pippins zur Vorlage, vgl. Brigitte Merta, Politische Theorie in den Königsurkunden Pippins I, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 100 (1992), S. 117–131, hier S. 121. 101 Die Adressierung derjenigen, die eine Königsurkunde vorzugsweise einsehen würden, als fideles ist vorkarolingisch, womit freilich nicht das gesamte Volk gemeint war, sondern die königlichen Amtsträger und Funktionäre. Ihre Urkunden hatten Pippin und Karl der Große wie schon ihre merowingischen Vorgänger teilweise omnibus agentibus tam praesentibus quam futuris adressieren lassen, mitunter unter Nennung der Funktionäre omnibus domesticis, vicariis, centenariis … quam praesentibus quam futuris. Aus den agentes wurden sodann in einigen Urkunden fideles. Angedeutet findet sich bereits früh der Gedanke, dass die Treue der fideles regis auch von der Gunst Gottes abhänge, sichtbar etwa in der mehrfach bezeugten Wendung fidelis Deo propitio noster, vgl. etwa MGH DD Karlm. 51 [770], S. 71.

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Hintergrund waren die Konflikte um die Pippinische Schenkung und die konfliktreichen Beziehungen der Päpste zu den langobardischen Königen ­Aistulf (749–756) und Desiderius (757–774), denen von päpstlicher Seite wiederholter Eid- und Vertragsbruch vorgeworfen wurde, während man demgegenüber die Verpfichtung der Franken zur Treue gegenüber dem römischen Stuhl betonte.102 Papst Paul I. (757–767) bezeichnete in einem an Karl den Großen und seinen Bruder Karlmann gerichteten Brief, der im Codex Carolinus erhalten ist und wohl in die frühen 760er Jahre datiert, deren Urgroßvater, Großvater und Vater sowie Mutter als »Gott und dem heiligen Petrus treu« (fideles Deo et beato Petro), um sie an ihre Beschützerfunktion gegenüber Rom zu erinnern.103 Der Papst bezog sich hiermit ausdrücklich auf die treue Haltung (fides) Pippins des Mittleren, Karl Martells und Pippins des Jüngeren gegenüber der römischen Kirche, doch wäre es verkehrt darum anzunehmen, dass die Wendung fideles Deo et beato Petro deswegen schon in deren Regierungszeit gebraucht worden wäre.104 Auch wenn sie erstmals in einem päpstlichen Brief aus den frühen 760er Jahren bezeugt ist,105 hat die Vermutung einiges für sich, in der Formel einen Reflex auf die Pippinische Schenkung des Jahres 754 und die mit ihr verbundenen engeren Verflechtungen zwischen König Pippin und der römischen Kirche zu sehen, die sich ja auch in der Salbung König Pippins manifestiert hatten.106 Denn bereits Papst Stephan II. hatte in einem 755 verfassten Brief an König Pippin und dessen Söhne den von ihm behaupteten Eidbruch Königs Aistulfs zum Anlass genommen, von Pippin und den Franken, die sich von Aistulf hinters Licht hätten führen lassen, ihre Treue (fides) gegenüber dem seligen Petrus einzufordern: 102 Zu Rhetorik und Feindbildern der päpstlichen Korrespondenz mit Franken und Langobarden in dieser Zeit vgl. ausführlich Clemens Gantner, Freunde Roms und Völker der Finsternis. Die päpstliche Konstruktion von Anderen im 8. und 9. Jahrhundert, Wien 2014, S. 139–242. 103 Codex Carolinus Nr. 33: pia vestigia sequentes, imitatores efficiamini christianorum paren­tum vestrorum, avi nempe et proavi atque excellentissimi et a Deo instituti magni regis, genitoris vestri, et praecellentissimi genetricis vestrae, a Deo conservandae reginae, qui vere prae omnibus regibus fideles Deo et beato Petro esse conprobantur, quorum merita in celestibus regnis fulgent. (Codex Carolinus, hg. von Wilhelm Gundlach [MGH Epp. 3], Berlin 1892, S. 469–657, hier S. 540). Deutsche Übersetzung: Codex epistolaris Carolinus. Frühmittelalterliche Papstbriefe an die Karolingerherrscher, hg., übers. u. eingel. von Florian Hartmann / Tina B. Orth-Müller, Darmstadt 2017, Nr. 42 (33), S. 210 u. 212 (hier S. 212). 104 So aber Helbig, Fideles Dei et regis, S. 285. Die fides Karl Martells gegenüber der römischen Kirche wird in der Tat erwähnt in Cod. Carol. 1, 2 u. 8, doch nicht im Kontext der hier interessierenden Formel. 105 Codex Carolinus Nr. 7 (MGH Epp. 3), S. 491. Vgl. Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung, S. 209 mit weiteren Belegen. 106 Josef Semmler, Der Dynastiewechsel von 751 und die fränkische Königssalbung, Düsseldorf 2003, S. 46–53.

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›Da der Name Eures Königreiches‹ unter den übrigen Völkern in Anbetracht der aufrichtigen Treue gegenüber dem seligen Apostelfürsten Petrus (sinceram fidem beati Petri principis apostolorum) hellstens ›erstrahlt, so bedarf es gerade deshalb‹, weil alle Christen verkünden, dass Ihr im Dienst des seligen Petrus (in servitio beati Petri) ruhmreicher als die übrigen Völker seid, ›großer Anstrengung‹, um ›auch den allmächtigen Herrn, der den Königen das Heil gibt‹, bei der Verteidigung seiner heiligen Kirche vollkommen ›zufrieden zu stellen, damit Ihr die Treue (fides)‹, die Ihr dem Apostelfürsten entgegenbringt, ›in allem als Unterstützung habt‹.107

Über die Einhaltung ihres anlässlich der Schenkung im vorherigen Jahr gegebenen Versprechens, alle Anliegen der heiligen Kirche (omnes causas sanctaę Dei ecclęsię) zu beschützen, müssten sie dereinst am Ende der Tage »Gott und dem seligen Petrus Rechenschaft ablegen« (et vos reddetis Deo et beato Petro rationem): »Fides werde aus den Werken gerecht« (Iac. 2, 24).108 Indem der Papst von vornherein auf die karolingische Dynastie setzte und damit auch vorsorglich mögliche dynastische Allianzen mit den Langobarden zu unterbinden suchte, ging er zweifellos ein hohes Risiko ein, und schloss daher auch das gesamte Volk der Franken in seine Argumentation mit ein.109 Im Februar 756 verfasste Stephan II. erneut einen Brief an König Pippin, seinen spirit(u)alis compater, in dem er fränkischen Militärschutz gegen die Langobarden einforderte und dabei ausführlich die Untaten, Eidbrüchigkeit und impietas der Langobarden und ihrer Könige anprangerte;110 das Vertrauen der Römer in Volk und Könige der Franken hervorhebend (fidutia, quam post Deum in regibus et gente Francorum habebant), brachte der Papst seine Hoffnung zum Ausdruck, am Tage des Jüngsten Gerichts möge der Frankenkönig behaupten dürfen, er habe seinem Herrn, dem Apostelfürsten Petrus, die Treue bewahrt (fidem servans), die ihm und dem gesamten Volk der Franken auf die Weisung Gottes und des seligen Petrus (per Dei praeceptionem et beati Petri) hin übertragen worden sei, indem er die heilige Kirche Gottes und sein Volk des Gemeinwesens der Römer (sanctam 107 Codex Carolinus Nr. 6: ›Dum regni vestri nomen inter ceteras‹ gentes erga sinceram fidem beati Petri principis apostolorum lucidissimę ›fulserit, valde studendum est, ut, unde gloriosiores gentibus‹ in servitio beati Petri vos omnes christiani asserunt, ›inde omnipotenti Domino, qui dat salutem regibus‹, pro defensione sanctae suae ecclesiae ›perfectius placeatis‹, ut ›fidem, quam‹ erga eundem principem apostolorum ›colitis, adiutricem in omnibus habeatis‹. (MGH Epp. 3, S. 488–490, hier S. 488 f.). Die als Zitate ausgewiesenen Passagen stammen aus Gregor d. Gr., ep. IX , 216 bzw. aus Ps. 144,10. Vgl. auch die deutsche Übersetzung: Codex epistolaris Carolinus, Nr. 7 (6), S. 83–87. 108 Ebd. 109 Zum Gedanken der amicitia in diesem Zusammenhang vgl. Wolfgang H. Fritze, Papst und Frankenkönig. Studien zu den päpstlich-fränkischen Rechtsbeziehungen von 754 bis 824, Sigmaringen 1973, S. 63–94. 110 Codex Carolinus Nr. 8 (MGH Epp. 3), S. 494–498; deutsche Übersetzung: Codex epistolaris Carolinus, Nr. 6 (8), S. 73–83.

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Dei ecclęsiam et nostrum Romanorum rei publicę populum) beschützt habe.111 Fides im Sinne von Treue, aber auch in der Bedeutung als christlicher Glaube ist zentral in den Briefen dieser Jahre, und als »Petri und der heiligen Kirche Gottes treu« (fideles erga beatum Petrum principem apostolorum et sanctam Dei ecclesiam,112 fidelibus sanctae Dei ecclesiae et nostris)113 bezeichnete der erwähnte Papst Paul I. sowohl die Franken als auch seine kirchlichen Unterstützer in Ravenna. Die Nennung des christlichen Glaubens und der Loyalität gegenüber der römischen Kirche bzw. die fides gegenüber Gott bzw. Gottes heiliger Kirche und dem seligen Petrus mochte dabei einigermaßen mutig erscheinen, weil ja niemand an den Papst »glauben« musste, sondern ihm allenfalls treu zu sein hatte, und die Wendung den Unterschied förmlich einzuebnen beabsichtigte. Die besondere Situation nach dem fränkisch-päpstlichen Bündnis und der ­Pippinischen Schenkung mag dies hinreichend erklären. In den Briefen Stephans II. wird immer wieder Fulrad von St. Denis als fränkischer Gesandter genannt,114 weshalb er in der Tat als Vermittler dieser Vorstellungswelt an die Franken anzusehen ist, zumal es sich bei der (einzigen) Urkunde Pippins I., die von den fideles Dei et regis spricht, um ein Privileg für das Kloster St. Denis handelt, für das sich ein besonderer Entstehungshintergrund aufzeigen lässt.115 Pippin übertrug darin an das Kloster den Ort St. Mihiel im Verdungau samt einer dazugehörigen Festung, welche sein Rivale Wulfoald gegen ihn errichtet und zur Aufnahme seiner Feinde benutzt habe. Wulfoald sei für sein hochverräterisches Tun von den Franken zum Tode verurteilt und auf Bitten Fulrads und seiner Mönche begnadigt worden, während man sein Gut konfisziert und nun dauerhaft dem Kloster St. Denis übertragen habe. Die einem Hausmeierdiplom Pippins entnommene Arenga der Urkunde beruft sich auf die Pflicht des Herrschers, den Priestern Christi und den Kirchen Gottes bene­ ficia zu erweisen, und verweist auf die Pflicht des Klosters, pro nos vel filios nostros seu pro stabilitate regni nostri et Francorum zu beten.116 Sie ist auf einen Tag nach dem Jahrestag der Königssalbung von 754 datiert,117 die in St. Denis stattgefunden hatte. Folgt man Josef Semmler darin, dass es sich bei dieser 111 Ebd. 112 Codex Carolinus Nr. 13 (MGH Epp.  3), S. 508–510, hier S. 509; deutsche Übersetzung: Codex epistolaris Carolinus, Nr. 36 (13), S. 195–199. 113 Codex Carolinus Nr. 29 (MGH Epp. 3), S. 533–535, hier S. 535; außerdem ebd. S. 534 mit zweimaliger Kontrastierung der inimici sanctae Dei ecclesiae et nostri sowie Bezeichnung der Franken als amici sanctae Dei ecclesiae et nostri. Übersetzung: Codex epistolaris Carolinus, Nr. 32 (29), S. 187–191. 114 Vgl. auch Codex Carolinus Nr. 11 (MGH Epp. 3), S. 504–507, hier S. 506 u. 507 vom Frühjahr 757; Übersetzung: Codex epistolaris Carolinus, Nr. 8 (11), S. 89–97. 115 Merta, Politische Theorie in den Königsurkunden Pippins I., S. 121 f. 116 MGH DD KdG Nr. 8, S. 12 f. 117 Vgl. Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung, S. 211.

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Salbung um eine postbaptismale Salbung gehandelt habe, die erst später in eine Königssalbung umgedeutet wurde,118 wäre neben dem implizierten Bezug auf Treue und Treubruch auch ein Verweis auf die Taufe gegeben. In jedem Fall wertete schon Helmut Beumann die in der Urkunde gebrauchte Formel fideles Dei et regis als »Ausdruck einer religiös-politischen Konzeption, in der für die Stellung des Königs … die Konsequenzen aus der Königssalbung und [aus] dem Gottesgnadentum gezogen« wurden und erblickte ihren Grundgedanken darin, »die Gefolgschaften Gottes und des Königs in Eins zu setzen, die des Königs also zugleich auch religiös, das Verhältnis der Gläubigen zu Gott zugleich gefolgschaftlich zu interpretieren.«119 Mag man seiner gefolgschaftlichen Herleitung von Treueid und fidelitas heute auch nicht mehr folgen,120 so ist doch in der engen wechselseitigen Verbindung zwischen Papsttum und fränkischem Königtum die Voraussetzung der Entstehung dieser Formel zu sehen. Die offenbar prekäre politische Situation im Frankenreich nach 754 dürfte einiges dazu beigetragen haben,121 die Bedingungen und den Charakter der dem karolingischen Königtum gegenüber zu erbringenden Loyalität genauer zum Ausdruck zu bringen. Wenn die Urkunde Pippins somit eine Wendung der päpstlichen Kanzlei aufgriff und auf die Beziehung der erst seit 754 umfassend legimitierten karolingischen Könige zu ihren »Untertanen« anwendete, so ist darin fraglos eine weitere »Radikalisierung« zu erblicken. Was Fulrad von St. Denis daraus machte, war ungleich gewagter als die päpstliche Diktion, denn Pippin bezeichnete seine Untertanen ganz unmittelbar als fideles Dei et regis, so dass Gott und der weltliche Herrscher damit zumindest sprachlich auf derselben Stufe standen. Erst in der karolingischen Interpretation wurde die doppelte Treubindung auf die gesamte Gesellschaft des Frankenreiches bezogen. Damit trat die Bipolarität von Taufe und Treueid ungleich deutlicher hervor als dies in der Anwendung auf den Bischof von Rom möglich gewesen wäre. 118 Semmler, Der Dynastiewechsel von 751, S. 46–53. 119 Beumann, Nomen imperatoris, S. 285. Vgl. auch für die Zeit seit Karl dem Großen Hans Dietrich Kahl, Das Würzburger Sondersendrecht für christianisierte Slawen und sonstige Nichtfranken. Ein Rechtstext aus der Zeit König Konrads I. (918?). Einführung, Edition und deutsche Übersetzung, in: Studia mythologica slavica 11 (2008), S. 39–64, hier S. 58: »seit Karl d. Gr. entwickelte sich die merkwürdige im Grunde genommen unübersetzbare Formel, man habe fidelis Dei et regis zu sein, an Gott zu glauben und ein Getreuer des Königs zu sein, den die feierliche kirchliche Salbung beim Herrschaftsantritt irgendwie in die Nähe des Höchsten gerückt hatte. Franke sein und ein Christ sein, der den dem Herrscher geleisteten Treueeid nicht durch Abfall nachträglich zum Meineid werden ließ, waren der Idee nach eins.« 120 Vgl. dazu Becher, Eid und Herrschaft, S. 104–110. 121 Zur Bedeutung Wulfoalds und seiner Familie, vgl. Merta, Politische Theorie in den Königsurkunden Pippins I., S. 122; zu den Fraktionierungen vor und nach 751 vgl. Semmler, Der Dynastiewechsel von 751, S. 58–86.

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5. Vermehrter und intensivierter Gebrauch der Formel fideles Dei et regis seit ca. 790 Freilich klafft zwischen dem bezeugten fränkischen Erstgebrauch der Formel im Jahr 755 und ihrer häufigeren Verwendung eine Lücke von mindestens 30 Jahren. Für das erneute Aufgreifen der Formel seit den 790er Jahren wird daher eine Erklärung zu finden sein. Gerade die zeitlich am weitesten zurückreichenden Belegstellen für die Formel erweisen sich bei näherer Betrachtung als spätere, und zwar karolingerzeitliche Bearbeitungen von älteren Texten, so dass eine sichere zeitliche Zuordnung nicht immer möglich ist. Dies gilt für eine Bezeichnung des merowingerzeitlichen Bischofs Desiderius von Cahors (630–655) als fidelissimus Dei et noster durch König Dagobert I. (623/9–639) in dem Bericht seiner karolingischen Vita122 ebenso wie für den karolingischen Hausmeier Pippin den Mittleren, der nach dem Zeugnis der kurz nach 800 entstandenen sog. Älteren Metzer Annalen (Annales Mettenses priores) vor der entscheidenden Schlacht von Tertry (678) seine Krieger als fideles Dei [et] nostri angeredet haben soll.123 Ist hier eine anachronistische Umformung der Terminologie mit Händen zu greifen, die den beiden Zeugnissen Aussagewert allein für die karolingische Zeit zukommen lässt, so betritt man etwas festeren Boden mit dem bekannten Brief, den Karl der Große, als er im Jahr 791 mit seinem Heer an der Donau lagerte, an seine Frau Fastrada schrieb, um ihr von einer ersten Expedition gegen die Awaren zu berichten und sie zur Veranlassung von Gebetsdiensten zu bitten. Die 122 In der Urkunde König Dagoberts I. aus dem Jahr 630, in welcher der König dem Bischof Sulpicius von Bourges die Anweisung gab, seinen Getreuen und königlichen thesaurarius Desiderius aufgrund seiner treuen Dienste zum Bischof von Cahors zu weihen, wird der künftige Bischof als iste fidelissimus Dei et noster Desiderius bezeichnet (letzte Edition: Die Urkunden der Merowinger, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl hg. von Theo Kölzer [MGH DD Merov.], Hannover 2001, Nr. 37, Bd. 1, S. 99–102, die zitierte Passage S. 100). Freilich ist diese Urkunde nur in einer überarbeiteten Form im Rahmen der wohl um 800 entstandenen Vita des Desiderius von Cahors erhalten (Lebensbeschreibung des Desiderius von Cahors, c. 14: Vita Desiderii Cadurcae urbis episcopi, in: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici 2, hg. von Bruno Krusch [MGH SS rer. Mer. 4], Hannover 1902, S. 547–602, hier S. 572 f.), weshalb ihr Text »im Wortlaut nicht für verbürgt gelten« kann (Kölzer, MGH DD Mer. S. 102). Eine karolingische Prägung besitzt für die fragliche Wendung daher größte Wahrscheinlichkeit. 123 Ältere Metzer Annalen zum Jahr 690 (?): Annales Mettenses priores, hg. von Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 10), Hannover 1905, S. 1–98, hier S. 8. Vgl. zu dieser Stelle Irene Haselbach, Aufstieg und Herrschaft der Karolinger in der Darstellung der sogenannten Annales Mettenses priores. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ideen im Reiche Karls des Großen, Lübeck 1970, S. 72. Zu Entstehungszeit und -ort der Metzer Annalen (wohl um 805 im Kloster Chelles) vgl. Hartmut Hoffmann, Untersuchungen zur karolingischen Annalistik, Bonn 1958, S. 9–68.

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militärischen Unterstützer, die sein Sohn König Pippin dem Aufgebot zuführte, welches einen Bischof, zwei Herzöge und mehrere Grafen mit deren Aufgebot umfasst habe, betitelte der König in diesem Zusammenhang als fideles Dei et regis, woran zu erkennen ist, dass die Wendung sich nicht allein auf die engsten Funktionsträger bezogen haben kann124 und sie die so Bezeichneten in ihrer militärischen Funktion addressierte.125 Den Krieg gegen die Awaren ließ Karl der Große, wie den fränkischen Reichsannalen zu entnehmen ist, offiziell wegen deren Un­ taten gegen die heilige Kirche und gegen das christliche Volk als religiösen Krieg führen.126 Nicht nur an der Front, sondern auch in der Heimat setzte man den gut vorbereiteten Feldzug mit Gebeten und Messen als Heidenkrieg liturgisch in Szene.127 Die Beteiligung an diesem Krieg scheint demnach als Konsequenz der Königstreue ebenso wie des Christseins verstanden worden zu sein. Freilich liegt uns der Brief nur in einer – wohl in St. Denis128 – bereinigten Fassung vor, in der die meisten Personennamen durch ille ersetzt worden sind, um den Text zu einem Formular auszubauen. Daher erscheint es zumindest denkbar, dass die Formel erst später in den Text hineingebracht wurde. Dass mit den erfolgreichen Religionskriegen gegen Sachsen und Awaren deren Taufe auf die Tagesordnung kam, was die fidelitas Dei befügelt haben dürfte, ist jedoch bereits oben betont worden.129 Die Taufe besiegter Fürsten versinnbildlichte deren politische 124 Et insuper retulit nobis, qualiter illa scara nostra, que prius de Italia iussimus pergere partibus Avariae in ill. confinia resedendum, perrexerunt infra fines ipsorum decimo Kalendas Septembris. Et inierunt pugnam cum eis. Et dedit eis Deus omnipotens pro sua misericordia victoriam, et multitudinem de ipsis Avaris interfecerunt. […] Fideles Dei ac nostri, qui hoc egerunt, fuerunt ille episcopus, ill. dux, ill. et ill. comites. Ill. dux de Histria, ut dictum est nobis, quod ibidem benefecit cum suis hominibus. Vassi vero nostri fuerunt illi. Nos autem, Domino adiuvante, tribus diebus letania fecimus, … Dei misericordiam deprecantes, ut nobis pacem et sanitatem atque victoriam et prosperum iter tribuere dignentur … [es folgen ausführliche Erläuterungen zur liturgischen Umrahmung des Kriegsgeschehens] (Epistolae variae Carolo magno regnante scriptae Nr. 20, in: Epistolae Karolini aevi II, hg. von Ernst Dümmler u. a. [MGH Epp. 4], Berlin 1895, S. 528 f.). Von den fideles Dei ac nostri wurden die vassi nostri noch einmal abgehoben. 125 Vgl. dazu bereits Michael McCormick, Liturgie et guerre des Carolingiens à la première croisade, in: Militia Christi e crociata nei secoli XI–XIII, Mailand 1992, S. 209–238, hier S. 221–227. 126 Annales regni Francorum ad a. 791: propter nimiam malitiam et intollerabilem, quam fecerunt Avari contra sanctam ecclesiam vel populum Christianum. (MGH SS rer. Germ. 6, S. 86 u. 88). 127 Vgl. Michael McCormick, The Liturgy of War in the Early Middle Ages: Crisis, Litanies, and the Carolingian Monarchy, in: Viator 15 (1984), S. 1–23. 128 Weil der Brief wohl um 800 in St. Denis zu einem Formular ausgestaltet und hierfür überarbeitet worden ist, hat Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung, S. 232 einen Bezug zu der oben angeführten Urkunde Pippins für Fulrad von St. Denis von 755 hergestellt. 129 Siehe oben Anm. 89 u. 90. Vgl. dazu auch Reimitz, Conversion and Control.

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Aufnahme in das Frankenreich,130 doch galt dies nicht weniger für die Taufe von deren Volk. Die kurz nach 800 entstandenen131 sog. Lorscher Annalen, deren Verfasser königsnahen Kreisen verbunden gewesen zu sein scheint, bestätigen in einem Eintrag zum Jahr 792, dass im Kontext der Heiden- und Missionskriege Karls des Großen gegen Sachsen und Awaren deren – aufgrund ihrer Taufe und ihres Eides erhofften – doppelte Loyalität gegenüber Gott und dem König bereits in den 790er Jahren ein großes Thema gewesen sein muss: In demselben Jahr nahm der König seinen Sitz in Bayern, und feierte bei Regens­ burg das Osterfest. Aber als es schon Sommer wurde, zeigten die Sachsen  – in dem Glauben, dass das Volk der Awaren sich an den Christen rächen müsste –, das, was in ihren Herzen schon zuvor lange verborgen war, (nun) vollkommen offen: So wie ein Hund, der zu seinem Erbrochenen zurückkehrt, kehrten sie zurück zu dem Heidentum (reversi sunt ad paganismum), das sie längst ausgespien hatten, und indem sie erneut ihr Christsein (iterum relinquentes christianitatem) zurückließen, belogen sie Gott ebenso wie den Herrn König (mentientes tam Deo quam domno rege), der ihnen viele Wohltaten erwiesen hatte, und vereinten sich mit den heidnischen Völkern, die sich in ihrem Umkreis befanden. Aber auch ihre Gesandten, die sie zu den Awaren schickten, versuchten [diese dazu zu bringen,] zuerst gegen Gott und sodann gegen den König und die Christen zu rebellieren (in primis rebellare contra Deum, deinde contra regem et christianos); alle Kirchen, die sich in deren Grenzgebiet befanden, verwüsteten sie mit Zerstörung und Feuer, wobei sie die Bischöfe und Priester, die über sie [eingesetzt] waren, zurückwiesen, und einige [von ihnen] ergriffen, andere töteten, sich vollkommen zur Verehrung der Götzenbilder bekehrten.132 130 Vgl. Arnold Angenendt, Taufe und Politik im frühen Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 7 (1973), S. 143–168, hier S. 158 f. 131 Für die ausführlicheren Berichte der Lorscher Annalen zu den Jahren 786 bis 803 ist wiederholt das Bodenseekloster Reichenau als Abfassungsort erwogen worden, vgl. Roger Collins, Charlemagne’s Imperial Coronation and the Annals of Lorsch, in: Joanna E. Story (Hg.), Charlemagne. Empire and Society, Manchester 2005, S. 52–70, hier S. 56 f.; Rosamond McKitterick, Entstehung und Gestaltung fränkischer Annales im Spiegel der Lorscher Annalen, in: Richard Corradini u. a. (Hg.), Zwischen Niederschrift und Wiederschrift. Hagiographie und Historiographie im Spannungsfeld von Kompendien­ überlieferung und Editionstechnik, Wien 2010, S. 107–113; Rudolf Pokorny, Die Annales Laureshamenses in einer neu aufgefundenen Teilüberlieferung, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 29 (2013), S. 1–43, hier S. 21 f. Jüngst hat man ihre Entstehung jedoch auch wieder im Kloster Lorsch selbst vermutet, vgl. dazu Janet L. Nelson, Opposition to Charlemagne, London 2009, S. 24 f., und Helmut Reimitz, History, Frankish Identity and the Framing of Western Ethnicity, 550–850, Cambridge 2015, S. 352–355. 132 Annales Laureshamenses ad ann. 792 (c. 25): Eodem anno resedit rex in Paioaria, et apud Reganesburg celebravit pascha. Sed et propinquante aestivo tempore Saxones, aesti­ mantes quod Avarorum gens se vindicare super christianos debuisset, hoc quod in corde eorum dudum iam antea latebat, manifestissime ostenderunt: quasi canis qui revertit ad

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Man gewinnt aus der – für die Lorscher Annalen charakteristischen – legalistischen Argumentation den Eindruck, dass gerade die fränkischen Friedensschlüsse mit Sachsen und Awaren, die ja Deditionsverträge gewesen waren und neben der üblichen Eidestreue ein Taufversprechen umfasst hatten, eine Sicht begünstigt haben, dass Taufe und Treueid einander nicht nur komplementär ergänzen sollten, sondern dass letzterer in fränkischer Sicht ohne erstere schlechterdings wenig wert war. Da die Franken nachweislich auch Verträge mit anderen heidnischen Völkern beeideten, hatte diese Zuspitzung im Fall von Sachsen und Awaren fraglos damit zu tun, dass den kooperationswilligen Teilen dieser Völker unter dem Vorbehalt ihres Verbleibs bei der christianitas auch Land (wieder)gegeben wurde.133 Damit gehörten nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Gebiet zum Frankenreich. Die Problematik der religiösen Integration in das karolingische Großreich erreichte damit eine neue, durchaus auch territoriale Dimension. Der Vorwurf, wonach die Völker, die von ihrem zuvor durch die Taufe angenommenen Glauben abgefallen, also strafrechtlich »Apostaten« geworden seien, spiegelt sich in der Redeweise des Annalisten, sie hätten damit Gott und den König betrogen und gegen beide rebelliert – doch ging der Text noch weiter, indem er ihnen unterstellte, dass sie auch gegen andere Christen rebelliert hätten, die demnach als eigenes Kollektiv imaginiert wurden. Als Kollektiv, welches gemeinsam mit dem Herrscher zum höheren Wohl handelte, erscheinen die fideles Dei et regis in einem Bericht der fränkischen vomitum suum, sic reversi sunt ad paganismum quem pridem respuerant, iterum relinquentes christianitatem, mentientes tam Deo quam domno rege, qui eis multa beneficia prestetit, coniungentes se cum paganas gentes, qui in circuito eorum erant. Sed et missos suos ad Avaros transmittentes conati sunt in primis rebellare contra Deum, deinde contra regem et christianos; omnes ecclesias que in finibus eorum erant, cum destructione et incendio vastabant, reicientes episcopos et presbyteros qui super eos erant, et aliquos comprehenderunt, nec non et alios occiderunt, et plenissime se ad culturam idolorum converterunt. [der Bericht fährt dann direkt mit dem Aufstand Pippins »des Buckligen« fort:] Et in ipso anno inventum est consilium pessimum, quod Pippinus filius regis, ex concubina Himiltrude nomine genitus, contra regis vitam seu filiorum eius, qui ex legitima matrona geniti sunt …, quia voluerunt regem et ipsos occidere, et ipse pro eo quasi Abimelech in diebus iudicum Israel regnare, qui occidit fratres suos septuaginta viros supra petram unam, et regnavit pro Gedeone patre suo, cum malitia tamen et non diu. Sed Carolus rex, cum cognovisset consilium Pippini et eorum qui cum ipso erant, coadunavit conventum Francorum et aliorum fidelium suorum ad Reganesburuge, ibique universus christianus populus qui cum rege aderat, iudicaverunt et ipsum Pippinum et eos qui consentanei eius erant in ipso consilio nefando, ut simul hereditate et vita privarentur; et ita de aliquis adimpletum est. Nam de Pippino filio, quia noluit rex ut occideretur, iudica­ verunt Franci, ut ad servitium Dei inclinare debuisset; quod et ita factum est, et misit iam clericum in ­monasterio. Et iterum ibi demoravit. Annales Laureshamenses, Alamannici, Guel­ferbytani et Nazariani, in: MGH SS 1, hg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1826, S. 19–60, hier S. 35; dt. Teilübers.: S. E. 133 Siehe oben Anm. 89.

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Reichsannalen über die Begnadigung des Bayernherzogs Tassilo III. in Ingel­ heim im Jahr 788. Nach dem recht zeitnah zu den beschriebenen Ereignissen schreibenden Annalisten134 habe Tassilo mit den heidnischen Awaren paktiert, und die in Ingelheim zum Urteil versammelten Franken, Bayern, Langobarden und Sachsen hätten Tassilo zum Tod verurteilt, weil er Pippin und Karl die Treue gebrochen habe. Doch habe Karl aus Liebe zu Gott Mitleid mit seinem Vetter gefühlt und daher von »Gottes und seinen Getreuen« (Dei ac sui fideles) erwirkt, dass sie ihn dahingehend begnadigten, dass er für seine Vergehen nicht sterben sollte.135 Zum Kreis dieser »Getreuen Gottes und des Königs« zählten hier auch Gruppen von Langobarden und Sachsen, die erst kurz zuvor selbst besiegt bzw. zur Kapitulation gezwungen worden waren. Jetzt gehörten sie zum Kollektiv der fideles Dei et regis und besaßen als solche politische Mitwirkungsrechte im Rahmen des Gerichts. In dieser Funktion gewährten sie eine Begnadigung des zum Tode Verurteilten, in der die – später noch zu behandelnde – Idee der gratia Dei et regis bereits angedeutet erscheint.136 Neben der Kriegführung gegen pagane Völker scheinen in den 790er Jahren insbesondere Fragen politischer Loyalität und Illoyalität in einen Ton gekleidet worden zu sein, in dem Hochverrat leicht auch als gravierendes religiöses Delikt aufgefasst werden konnte. Als Hintergrund dafür ist die allgemeine Treueidleistung des Jahres 789 zu nennen,137 die auch im Zusammenhang mit der Mobilisierung für den Awarenkrieg zu sehen ist138 und der – von den einzeln vereidigten fideles verlangten  – politischen Loyalität eine weitaus deutlichere

134 Die Abfassungsphasen der fränkischen Reichsannalen sind in der Forschung sehr unterschiedlich beurteilt worden. Vgl. dazu Rosamond McKitterick, History and Memory in the Carolingian World, Cambridge 2004, S. 101–104 u. 108–111. 135 Annales regni Francorum ad a. 788: Et de haec omnia conprobatus, Franci et Baioarii, Langobardi et Saxones, vel ex omnibus provinciis, qui ad eundem synodum congregati fuerunt, reminiscentes priorum malorum eius, et quomodo domnum Pippinum regem in exercitu derelinquens et ibi, quod theodisca lingua harisliz dicitur, visi sunt iudicasse eundem Tassilonem ad mortem. Sed dum omnes una voce adclamarent capitale eum ferire sententiam, iamdictus domnus Carolus piissimus rex motus misericordia ab amorem Dei, et quia consanguineus eius erat, contenuit ab ipsis Dei ac suis fidelibus, ut non moriretur. (MGH SS rer. Germ. 6, S. 80). 136 Vgl. auch Stuart Airlie, Narratives of Triumph and Rituals of Submission: Charlemagne’s Mastering of Bavaria, in: Transactions of the Royal Historical Society 6th ser. 9 (1999), S. 93–119, hier S. 115, der den Gebrauch der Formel in der zitierten Passage vor allem auf die von Karl beabsichtigte Begnadigung Tassilos bezieht. 137 Dazu Becher, Eid und Herrschaft, S. 79–85 u. 195–201, und Esders, Amt und Bann, S. 264–275. 138 Vgl. dazu Stefan Esders, Sacramentum fidelitatis. Treueid, Militärwesen und Formierung mittelalterlicher Staatlichkeit (unveröff. Habilitationsschrift Bochum 2003, ergänzte Fassung 2009), S. 310–321.

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religiöse Färbung verlieh.139 Passenderweise erfuhr im selben Jahr 789 mit der Admonitio generalis auch die Herrschergesetzgebung eine in dieser Intensität bis dahin ungekannte biblische Legitimierung, indem sie die Umsetzung biblischer Gebote in den Rang des herrscherlichen Regierungsauftrages erhob.140 Um 797 ließ Karl der Große in einer in St. Denis erhaltenen Originalurkunde dem Grafen Theodald sein Gut zurückerstatten, das er ihm zuvor in der Annahme entzogen hatte, dieser hätte sich an der Verschwörung Pippins des Buckligen (792) beteiligt,141 seines ältesten Sohnes aus seiner ersten Ehe mit Himiltrud.142 Diese Verschwörung des Sohnes gegen den Vater, die ja zeitlich auch in den Kontext des Awarenkrieges fiel,143 sei, so heißt es, auf Zureden des Teufels (suadente diabolo) zustandegekommen. Pippins Komplizen seien »treubrüchig 139 In den Königsurkunden Karls des Großen begegnet erstmals im Jahr 786, dann seit den 790er Jahren häufiger (auch eigens eingefügt bei Bestätigungen) die Wendung nobis per omnia fidelem, die in den Urkunden Ludwigs des Frommen dann wieder ausfällt. Vgl. dazu Engelbert Mühlbacher, Die Treupflicht in den Urkunden Karls des Grossen, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungs Bd. 6 (1901), S. 871–883, bes. S. 875–879. 140 Siehe oben Anm. 15 u. 16. 141 Siehe dazu auch den Bericht der Lorscher Annalen oben Anm. 132, wo Himiltrud als concubina bezeichnet wird. 142 Zur Verschwörung Pippins des Buckligen vgl. Konrad Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, Bonn 1979, S. 392 f. 143 Ein weiterer Hintergrund (neben der Vater-Sohn-Problematik) für den Gebrauch der Wendungen in den beiden Urkunden könnte darin zu suchen sein, dass der Aufstand des zugunsten der Hildegardsöhne von der Erbfolge ausgeschlossenen Pippin im Jahr 792, an dem sich immerhin mehrere Grafen beteiligt haben sollen (vgl. dazu Adelheid Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht. Untersuchungen zum Kräfteverhältnis zwischen Königtum und Adel im Karolingerreich und seinen Nachfolgestaaten, Aalen 1987, S. 37 m. Anm. 134), mitten in die Planung des Awarenkriegs fiel, als außerdem wiederum sächsische Gruppen vom christlichen Glauben abgefallen waren. Aus diesem Grund wurden die Verschwörer auch auf einer Versammlung in Regensburg abgeurteilt, wo der König sich wegen der Kriegsplanung für längere Zeit aufhielt; die Lorscher Annalen und die sog. Einhards-Annalen stellen durch die Art ihrer Darstellung einen unmittelbaren Zusammenhang her zwischen dem Aufstand Pippins und den Beratungen Karls darüber, wie er mit den vom Glauben abgefallenen, also ihm treubrüchig gewordenen Awaren und Sachsen verfahren sollte. Vgl. Annales Laureshamenses a. 792: direkt auf den oben Anm. 132 zitierten Passus folgt: Et in ipso anno inventum est consilium pessimum, quod Pippinus filius … (MGH SS 1, S. 35); vgl. auch Annales qui dicuntur Einhardi a. 792 (MGH SS rer. Germ. 6, S. 93). Die Reichsannalen lassen überdies keinen Zweifel daran, dass der Krieg gegen die Awaren ein gerechter Krieg vor allem deswegen war, weil diese christlichen Stätten verletzt hätten. Vgl. Annales regni Francorum ad a. 791: Inde autem itinere permoto partibus Baioariae perrexit, ad Reganesburg pervenit, ibi exercitum suum coniunxit. Ibique consilio peracto Francorum, Saxonum, Frisonum, disposuerunt propter nimiam malitiam et intollerabilem, quam fecerunt Avari contra sanctam ecclesiam vel populum christianum, unde iustitias per missos impetrare non valuerunt, iter peragendi; cum Dei adiutorio partibus iamdictis Avarorum perrexerunt (MGH SS rer. Germ. 6, S. 86 u. 88).

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gegenüber Gott und uns« (infideles Dei et nostri) geworden, indem sie es gewagt hätten, gegen das Leben des Königs und die ihm von Gott anvertraute Herrschaft vorzugehen. Während manche von ihnen in Gegenwart des Königs überführt und gemäß dem Urteil der Franken (secundum iudicium Francorum) verurteilt worden seien, hätten einige sich daraufhin mittels eines Gottesurteils (per iudi­ cium Dei) als Getreue erweisen können (fideles per iudicium Dei se exinde idoniaverunt), und so schien auch Graf Theodald »als unser Getreuer« gehandelt zu haben (sicuti Theodoldus comis fidelis noster visus est fecisse). Ein Gottesurteil scheint also in diesen Fällen die beschädigte doppelte Fidelität wiederhergestellt zu haben. Folgerichtig gab der König dem Grafen sein Land zurück, das er fortan, wie zweimal ausdrücklich betont wurde, »aus Gottes und unserer Gnade heraus« (cum Dei et nostra gratia) behalten sollte.144 Hatte der Verlust der Huld des Herrschers auch vorher schon die Möglichkeit begründet, einem Verräter neben dem Leben auch dessen Eigen- oder Benefizialgut zu nehmen,145 so war der Hochverrat146 in dieser Beschreibung ein doppelter Treubruch gegenüber dem Herrscher und gegenüber Gott; die Begnadigung, die der Herrscher verfügte, war Gnade Gottes und des Königs zugleich. Daraus wird man vielleicht 144 Quapropter dum [ab o]mnibus non habetur incognitum, qualiter suadente [dia]bolo Pippi­ nus filius noster cum aliquibus Dei infidelibus ac nostris in vita et regno nobis a Deo concesso impie conatus est tractare et domino Iesu Christo miserante nihil prevaluit eorum perfidia. … aliqui vero fideles per iudicium Dei se exinde idoniaverunt, sicuti Theodoldus comis fidelis noster visus est fecisse. Cui … cum Dei et nostra gratia iure firmissimo ad legitimam proprietatem reddi fecimus et per auctoritatem nostram plenissima deliberatione confirmavimus. Statuentes ergo iubemus, ut quicquid ex successione parentum vel per strumenta cartarum tunc tempore, ut diximus, iuste et racionabiliter cum aequitatis ordine iure eredetario visus fuit habere vel dominare, per hoc nostrum serenitatis atque confirmationis praeceptum cum Dei et nostra gratia amodo et deinceps tenere et possidere valeat et suis posteris aut cui voluerit domino favente ad possedendum derelinquat (MGH D KdG, Nr. 181, S. 244 f.). 145 Vgl. Georg Cohn, Die Strafe des Huldverlustes im deutschen Recht, Diss., Göttingen 1907, sowie Rudolf Koestler, Huldentzug als Strafe. Eine kirchenrechtliche Untersuchung mit Berücksichtigung des römischen und des deutschen Rechtes, Stuttgart 1910, jeweils mit Belegen. 146 Der Vorwurf, dass die Verschwörer impie gehandelt hätten, klingt dabei durchaus an die antike Terminologie des Hochverrats an. Tatsächlich berichten die sog. Einhards-­ Annalen, dass die Urheber der Verschwörung in Regensburg als Majestätsverbrecher angeklagt worden seien, vgl. Annales qui dicuntur Einhardi a. 792: Rege vero ibidem aestatem agente facta est contra illum coniuratio a filio suo maiore, nomine Pippino, et quibusdam Francis, qui se crudelitatem Fastradae reginae ferre non posse adseverabant atque ideo in necem regis conspiraverant. Quae cum per Fardulfum Langobardum detecta fuisset, ipse ob meritum fidei servatae monasterio sancti Dionysii donatus est, auctores vero coniurationis ut rei maiestatis partim gladio caesi, partim patibulis suspensi ob meditatum scelus tali morte multati sunt (MGH SS rer. Germ. 6, S. 91 u. 93). Die Hauptverschwörer wurden mit Tod und Vermögenskonfiskation bestraft, vgl. Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, S. 36–40 u. ö.

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den Schluss ziehen dürfen, dass die Verschwörer auch exkommuniziert worden waren. Vermutlich ist das Konzept der »doppelten Huld« ausgehend von der Urkundenformel fideles Dei et regis in eine doppelte Sanktionsandrohung für den Treubruch übertragen worden; nicht vollständig auszuschließen ist jedoch die Möglichkeit, dass letztere ältere Vorläufer gehabt haben könnte.147 Auf die doppelte Sanktion von Huldverlust und Exkommunikation wird noch zurückzukommen sein.148 Wohl zwei Jahre nach der Restitutionsurkunde für Theodald, im Juni 799, benutzte die Kanzlei Karl des Großen in zwei Besitzbestätigungsurkunden für die Klöster Aniane und Lagrasse eine Publikationsformel, in der sich der Herrscher den Beamten seu cunctis fidelibus sanctae Dei ecclesiae et nostris praesentibus quam futuris zuwandte.149 Hier wurde also die durch Einbeziehung der sancta ecclesia »ekklesiologisch erweiterte« Formel benutzt, die dann erneut in der Divisio regnorum von 806 auftaucht150 und die in den unter

147 Alice Rio (London) verdanke ich den Hinweis darauf, dass die Formel gratia Dei et regis bereits in der Markulfschen Formelsammlung begegnet. Sie ist dort allerdings nur einmal bezeugt, und zwar in der – etwas unorthodox formulierten – Bekräftigungsformel einer Gütertauschurkunde, vgl. Formula Marculfi I, 12 (Preceptum interdonationis): Propterea per presentem preceptum decernemus ac iobemus, ut, dum taliter suprascribtis illis decrevit volontas, et per manu nostra invicem condonatum esse denuscitur, per hunc preceptum robustissimo iure suffultum atque firmatum, quicquid superius contenetur, auxiliante Domino, cum Dei et nostra gratia debeat perdurare, ita ut nulla refragatione nec de parte fisci nostri nec a parentibus eorum propinquis nec a quemcumque possit convelli, sed omni tempore inconvulsum. (MGH Formulae, S. 50 f.). Eine spätere Hinzufügung in die – handschriftlich nicht vor dem ausgehenden 8. Jahrhundert bezeugte – Sammlung erscheint zumindest denkbar. Die anderen Formeln der Marculf-Sammlung sprechen von der königlichen Huld (gratia regis) allein. Ansonsten begegnet die Formel erst wieder als Pön in den Formulae Marculfi Karolinae Nr. 18: qualiter gratiam Dei et nostrum vultis habere (ebd. S. 120). – Der Verlust von gratia Dei et nostra wird auch im 812 erfügten Praecep­tum pro Hispanis Karls des Großen angedroht (MGH Capit. 1, Nr. 76, S. 169), außerdem in Kapitularien aus dieser Zeit, siehe unten Anm. 181. 148 Siehe dazu unten Abschnitt 6. 149 MGH DD KdG, Nr. 188, S. 252 und Nr. 189, S. 254. 150 Die im Februar des Jahres 806 verfügte sog. Divisio regnorum, die u. a. einen Plan zur Reichsteilung formulierte, wandte sich bereits in der Inscriptio omnibus fidelibus sanctae aecclesiae ac nostris, praesentibus scilicet futuris zu, vgl. Divisio regnorum a. 806, Inscriptio (MGH Capit. 1, Nr. 45, S. 126). Die Formel hat Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung, S. 215 als Anknüpfung an die in der Urkunde Pippins für Fulrad von St. Denis von 755 verwendete Wendung gewertet. – Zur Intention und Deutungsgeschichte der Divisio regnorum, auf deren Hintergrund an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann, vgl. die Beiträge in Brigitte Kasten (Hg.), Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, Köln 2008, sowie zuletzt Florence Close, La Divisio regnorum (806). Convention paradoxale d’unité dans la paix et la concorde? In: Pierre-Olivier de Broux u. a. (Hg.), La transmission du pouvoir monarchique. Entre droits et devoirs, Brüssel 2019, S. 29–44.

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den Nachfolgern Karls des Großen ausgefertigten Urkunden dann mehr oder weniger regelmäßig verwendet wurde.151 Im Zusammenhang jener Entwicklung, in deren Verlauf die Formel fideles Dei et regis häufiger, wenn auch nicht regelmäßig verwendet und auf weitere Formeln übertragen wurde, ist auch zu sehen, dass Karl der Große und seine Berater seit ungefähr 797 den Versuch unternahmen, die Verfolgung bestimmter schwerer politischer und religiöser Vergehen zu einer Art königlichem Prärogativ zu machen, welches die Verhängung des Königsbanns von 60 solidi als Sanktion ermöglichen sollte. Sichtbarstes Zeugnis hierfür sind die sog. »acht Bannfälle« (octo banni), die Verbote benannten, bei deren Übertretung als Bußsumme der Königsbann von 60 Schillingen fällig werden sollte. Darunter fielen die Missachtung des Friedensschutzes von Kirchen, Witwen, Waisen und Armen, aber auch Frauenraub, Brandstiftung, schwerer Landfriedensbruch und Nichterfüllung der Heerfolgepflicht. Die darunter befindlichen Straftatbestände finden sich, wie Felix Grollmann betont hat, zwar bereits in den leges,152 doch bedeutete die Sanktionierung mit dem Königsbann einen Eingriff in bestehendes Recht 151 Während weitere Urkundenbelege aus der Zeit Karls des Großen fehlen, wurde die Parallelisierung von Gottestreue und Untertanentreue unter Ludwig dem Frommen häufiger zum Bestandteil des Urkundenformulars, vgl. Beumann, Nomen imperatoris, S. 284. Die Urkunden Ludwigs des Frommen wenden sich häufig bereits in der Inscriptio omnibus fidelibus sanctae Dei ecclesiae et nostris presentibus scilicet et futuris zu, also »allen jetzigen und künftigen Getreuen der heiligen Kirche Gottes und von uns«. Die Wendung ist erstmals in einer Urkunde des Jahres 808 aus Ludwigs Zeit als König von Aquitanien zu finden (Die Urkunden Ludwigs des Frommen, hg. von Theo Kölzer (MGH DD LdF), Wiesbaden 2016, Nr. 5, S. 15 [wo auch sein Vater in der Formel genannt wird] und Nr. 6, S. 17). In seinen nach der Übernahme der Alleinherrschaft ausgestellten Urkunden wird die Formel häufig in der Publikationsformel, mitunter auch in der Corroboratio verwendet – allerdings immer in der charakteristischen Erweiterung fideles sanctae ecclesiae Dei ac nostri, vgl. aus dem Jahr 814 etwa D LdF Nr. 15, 20, 27, 28, 30, 32, 34, 35, 40, 43 (dort auch in der Corroboratio) u. 44 (S. 42, 51, 71, 74, 79, 83, 90, 92, 104, 112 u. 115). Die Formel scheint insofern ein stärkeres ekklesiologisches Denken zu spiegeln, welches die Vermittlung durch die Kirche zu betonen suchte. Unter den zahllosen Urkunden Lothars I. begegnet zumeist die Formel fideles Dei et regis, und zwar häufig in der Publicatio: Die Urkunden Lothars I. und Lothars II ., hg. von Theodor Schieffer (MGH DD Lo  I. / DD Lo II .), Berlin 1966, Nr. 1, 4, 5, 6, 9, 10, 13, 14, 16 (Sanctio), 18, 21, 22, 23, 25, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51 (auch in der Corroboratio), 52, 53, 56, 58, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 76, 77 (auch in der Corroboratio), 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 86, 87, 88, 89 (nur Corroboratio), 90, 91, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 103, 105, 106, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 122, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 135, 137, 138, 139. Nur wenige Urkunden Lothars benutzen demgegenüber die Formel fideles sanctae Dei ecclesiae. Bei Urkundenbestätigungen wurde in der Regel das Formular der Vorlage übernommen. Auf die zahlreichen Belege in den Urkunden Lothars II ., Ludwigs II . und weiterer Herrscher kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. 152 Felix Grollmann, Vom bayerischen Stammesrecht zur karolingischen Rechtsreform. Zur Integration Bayerns in das Frankenreich, Berlin 2018, S. 295.

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und eine Erweiterung der königlichen Strafgewalt: »Die 60-Schillingbuße der octo banni lässt sich im Lichte von Karls Herrschaft am besten als Addition zu etwaig bereits bestehenden Legesbußen begreifen, sodass durch den parallelen Anfall von Bann- und Lexbuße den Betroffenen die rechtsverändernde Wirkung … klar vor Augen stand.«153 Diese acht Bannfälle sollten auf Anweisung Karls des Großen wortgleich den sächsischen, salfränkischen, langobardischen, bairischen, burgundischen und römischen Rechtsaufzeichnungen inseriert werden, was nach dem Zeugnis mehrerer erhaltener Handschriften teilweise auch geschah.154 Dahinter stand die Absicht, die Verfolgung schwerer strafrechtlicher Vergehen in den lokalen Rechtsordnungen als königliche Prärogative zu verankern. Diese acht Vergehen waren daneben aber wohl auch nach kirchlichem Recht mit der Exkommunikation sanktionierbar.155 Was sich hier anbahnte, war eine »intendierte Kohärenz von göttlichem und menschlichem Recht«, wie Thomas Buck das für die Aachener Gesetzgebung des Jahres 802 formuliert hat.156 Konkret bedeutete das, dass bestimmte schwere Verbrechen in den Rang schwerster Sünden erhoben wurden und ihre Ahndung daher gleichermaßen die königliche wie die kirchliche Justiz betraf. Dabei ist eindeutig, dass diese acht Bannfälle als Gesamtheit bereits vor 800 konzipiert und zunächst vom fränkischen auf das sächsische Recht übertragen worden waren, dann aber, vor allem seit dem Jahr 802, die Beachtung des Königsbannes und seiner Anwendungsfälle zu einem reichsweiten Gebot gemacht wurde, welches über die allgemeine Treueidleistung als essentieller Inhalt der fidelitas verpflichtend gemacht wurde, wie im Folgenden zu zeigen ist. 153 Grollmann, Vom bayerischen Stammesrecht zur karolingischen Rechtsreform, S. 319. 154 Summula de bannis (MGH Capit. 1, Nr. 110, S. 224); Capitulare Saxonicum a. 797, Prolog, c. 1 u. 2 (ebd. Nr. 27, S. 71); Capitulare Italicum a. 801, c. 2 (ebd. Nr. 98, S. 205); Capitula in legem Baiwariorum addita a. 801–813, c. 1–3 (ebd. Nr. 68, S. 157 f.); Capitulare Aquisgranense a. 801–813, cc. 1–3 u. 9 (ebd. Nr. 77, S. 171); sog. Capitula Francica, c.  6: De banno domini imperatoris et regis quod per semetipsum consuetus est bannire, id est de mundepurdio aecclesiarum et viduarum, orfanorum et de minus potentium atque rapto et de incendio, et nullus presumat hostiliter alium in propria domo querere ad interficiendum aut aliquid tollendum et de exercitalia placito instituto, ut hii qui ista inrumperit bannum dominicum omnimodis componant (ebd. S. 214); hierauf bezieht sich auch eine in zwei Handschriften im Titelverzeichnis erwähnte memoratio de octo bannos … id. sunt cap. VIII. (Paris, Bibliothèque nationale, lat. 10758, fol. 58r, und, davon abhängig, BN lat. 4760, fol. 6r). Ferner Lex Francorum Chamavorum 2: Lex Ribuaria et Lex Francorum Chamavorum, hg. von Rudolph Sohm (MGH Fontes iuris 6), Hannover 1883, S. 117. Vgl. dazu jüngst eingehend Grollmann, Vom bayerischen Stammesrecht zur karolingischen Rechtsreform, S. 248–322. 155 Vgl. dazu Eduard Eichmann, Acht und Bann im Reichsrecht des Mittelalters, Paderborn 1909, S. 20 f. mit (allerdings nicht vollständigen und vielfach erst späten) Belegen. 156 Thomas Martin Buck, Capitularia imperatoria. Zur Kaisergesetzgebung Karls des Großen von 802, in: Historisches Jahrbuch 122 (2002), S. 3–26, hier S. 24.

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6. Bannus Dei et regis: Mit der Doppelfidelität korrespondierende Paarformeln und Zeugmata Dass die allgemeine Treueidleistung des Jahres 802 eine – insbesondere im Vergleich mit früheren generellen Vereidigungen  – massive Ausweitung der aus dem Schwur gefolgerten Verpflichtungen bewirken sollte, hat Matthias Becher ausführlich dargestellt.157 Ausdrücklich ließ Karl der Große ein gutes Jahr nach seiner Kaiserkrönung darlegen, dass ein jeder Mann, gleich ob Kleriker oder Laie, gemäß seinem Gelübde und Lebensvorsatz (unusquisque secundum votum et propositum suum) nun die – bisher nomine regis versprochene – Treue (fidelitas) auf seinen »Titel als Kaiser« (nominis cesaris)158 schwören sollte.159 Dies konkretisierte sich darin, dass die fidelitas nicht nur im eigentlichen Sinne hochverräterische Delikte umfasste,160 vielmehr solle zuerst ein jeder auch in eigener Person im heiligen Dienst an Gott (in sancto Dei servitio) gemäß Gottes Vorschrift (secundum Dei preceptum) und gemäß seinem Versprechen (secundum sponsionem suam) sich voll zu erhalten bemühen (se … pleniter conservare studeat), soweit sein Verstand und seine Kräfte es erlauben, weil der Herr Kaiser selbst nicht allen einzeln die notwendige Fürsorge und Disziplin zuzuwenden vermag.161

Es ist kein Zufall, dass das servitium Dei als der nächstliegende und zugleich allgemeinste Kontext genannt wird, in dem die »neue Eidestreue« ihren Verpflichtungsgehalt entfalten sollte. Wie gleich zu zeigen ist, wurde das servitium Dei in den nach 800 verfügten Kapitularien wiederholt bemüht, um von den fideles ganz konkrete Leistungen einzufordern. Zugleich ist das Argument, der Kaiser könne sich nicht um jeden einzelnen persönlich kümmern,162 ein treffender Beleg für die von André Holenstein formulierte These, dass die wich157 Vgl. Becher, Eid und Herrschaft, S. 202–211. 158 Vgl. dazu Esders, Übereinstimmung von Name und Sache, S. 128 f. 159 Capitulare missorum generale a. 802, c. 2 (MGH Capit. 1, Nr. 33, S. 92). 160 Becher, Eid und Herrschaft, S. 201 f. spricht in diesem Zusammenhang von passiven Pflichten bzw. Unterlassungspflichten, wobei zu betonen ist, dass diese Formen des Treubruchs in einem üblicherweise höchst aktiven Kontext des Treuerweises (dem Militärdienst) begangen wurden. 161 Capitulare missorum generale a. 802, c. 3: Primum, ut unusquisque et persona propria se in sancto Dei servitio secundum Dei preceptum et secundum sponsionem suam pleniter conservare studeat secundum intellectum et vires suas, quia ipse domnus imperator non omnibus singulariter necessariam potest exhibere curam et disciplinam. (MGH Capit. 1, Nr. 33, S. 92). 162 Vgl. dazu Henry Mayr-Harting, Alcuin, Charlemagne and the problem of sanctions, in: Stephen Baxter u. a. (Hg.), Early Medieval Studies in memory of Patrick Wormald, Farnham 2009, S. 207–218, hier S. 210 f.

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tigste Funktion des promissorischen Eides darin bestehe, »Fremdkontrolle in Selbstkontrolle und Selbstzwang zu überführen«.163 Aus dem doppelten Verpflichtungsgehalt der Taufe164 und des Treueids wurde gefolgert, dass sich das Verhalten am eigenen Versprechen (secundum sponsionem suam) zu orientieren habe, in der Selbstverpflichtung also eine Letztbegründung der Normensetzung lag, welche in Gottes Vorschrift (secundum Dei preceptum) ihr Pendant haben sollte. Die darauffolgenden Bestimmungen konkretisierten die Eidestreue zum Teil in sehr spezifischer Weise,165 um klarzustellen, was als Bruch der Kaiser­ treue zu verstehen sei, d. h. als ein die schwersten Sanktionen nach sich ziehendes Delikt. Ein Bruch der Eidestreue sollte es fortan beispielsweise auch sein, den heiligen Kirchen Gottes sowie Witwen, Waisen und Fremden Betrug, Raub oder Unrecht zuzufügen, und zwar, wie ausdrücklich betont wurde, »weil der Herr Kaiser selbst« (quia ipse domnus imperator) »nach Gott und den Heiligen (post Domini et sanctis eius) dazu eingesetzt worden ist, sowohl als deren Beschützer als auch als ihr Verteidiger zu fungieren (eorum et protector et defensor esse constitutus est).«166 Die herrscherliche Schutzgewalt gegenüber Kirchen und gegenüber aufgrund religiösen Gebotes Schutzbefohlenen berührte sich dabei aufs Engste mit den erwähnten acht Bannfällen, von denen nun einige explizit in den Rang der aus der Kaisertreue entspringenden Verhaltenspflichten erhoben wurden. Noch mehr fügt sich zu den octo banni, dass allein zwei Bestimmungen des Vereidigungskapitulars von 802 im Kontext der Eidestreue die Banngewalt des Herrschers im Blick haben: Niemand wage es, den Heerbann (ostile bannum) des Herrn Kaisers zu ignorieren, und kein Graf sei so anmaßend, dass sie von denjenigen, die kriegsdienstpflichtig sind, künftig einen unter Vorschützung von Verwandtschaft oder aufgrund der 163 André Holenstein, Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800–1800), Stuttgart 1991, S. 52. 164 Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass im Kontext der Kindstaufe die Freiwilligkeit der Entscheidung bei Eltern und Taufpaten lag. 165 So sollte etwa das betrügerische Missachten, Infragestellen oder Verbergen kaiserlicher Rechtsansprüche auf Besitz, Grenzen und Sklaven als Bruch des kaiserlichen Treueides gelten (Capitulare missorum generale a. 802, c. 4: MGH Capit. 1, Nr. 33, S. 92). Auch das Vernachlässigen eines kaiserlichen beneficium mit dem Ziel, daraus für sich Eigengut zu machen, galt fortan als hochverräterische Handlung (ebd., c.  6, S. 93). Schließlich wurde in einer außergewöhnlich konkreten, möglicherweise durch einen aktuellen Fall ver­a nlassten Regelung auch die unrechtmäßige Übernahme der Prozessvertretung zum Schutz Dritter unter die Kategorie des Treubruchs subsumiert (ebd. c.  9, S. 93). Diese Regelungen dienten offenkundig auch dem Ziel, die Durchsetzungsfähigkeit der missi zu erhöhen. 166 Capitulare missorum generale a. 802, c. 5 (MGH Capit. 1, Nr. 33, S. 93). Zum Kapitular von 802 und seinen biblischen Inspirationsquellen vgl. jüngst Gerda Heydemann, The People of God and the Law: Biblical Models in Carolingian Legislation, in: Speculum 95 (2020), S. 89–131, hier S. 113–119.

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Schmeichelei eines Geschenks zu Hause zu lassen wagen. Auf gar keinen Fall wage es jemand, irgendeinen Bannbefehl oder eine Anordnung des Herrn Kaisers ­(bannum vel preceptum domni imperatori) auch nur irgendwie zu verletzen, indem er dessen Ausführung ausweicht, sie behindert, beeinträchtigt oder sich in anderer Weise dem Willen oder Anordnungen des Herrn Kaisers widersetzt.167

Die Bestimmungen zeigen, dass der allgemeine Treueid der rechtliche Hebel war, um den Bann des Herrschers in verschärfter Weise in Höhe von 60 ­solidi als Sanktionsgebühr in solchen Rechtsmaterien durchzusetzen, in deren Durchsetzung die karolingischen Herrscher ihren besonderen Regierungsauftrag bzw. ihre Prärogative erblickten.168 Mit der Subsumierung bestimmter Vergehen unter das Infidelitätsdelikt und der Statuierung des Banns von 60 solidi ging eine rechtliche Zentrierung und Hierarchisierung des Strafanspruches, der Strafhöhe und der Strafverfolgung beim Herrscher einher.169 Ansätze dazu waren wie gesehen bereits vor 800 vorhanden, während nach 800 einiges davon als kaiserliches Recht verkündet wurde.170 Doch wird man das Neue an den Regelungen nach 800 darin zu sehen haben, dass viele dieser Verpflichtungen explizit und direkt aus der individuellen religiösen Selbst­ verpflichtung über das sacramentum fidelitatis abgeleitet wurden. Hierüber er167 Ut ostile bannum domni imperatoris nemo pretermittere presumat, nullusque comis tam presumtiosum sit, ut ullum de his qui hostem facere debiti sunt exinde vel aliqua propin­ quitatis defensionem vel cuius muneris adolationem dimittere audeant. Ut nullum bannum vel preceptum domni imperatori nullus omnino in nullo marrire praesumat, neque opus eius tricare vel inpedire vel minuere vel in alia contrarius fierit voluntati vel praeceptis eius. Et ut nemo debitum suum vel censum marrire ausus fuerit. (MGH Capit. 1, Nr. 33, cc. 7 u. 8, S. 93; dt. Übersetzung: S. E.; die – offenbar auch mündlichem Sprachgebrauch verpflichtete – dreifache Verneinung ist kaum wortgetreu im Deutschen wiederzugeben). – Zur Herkunft und Bedeutung des volkssprachlichen Wortes marrire, das in der Zeit um 800 vereinzelt in Quellen begegnet, vgl. Eugen Lerch, Germanische Wörter im Vulgärlatein? (werra, marrire, bastire), in: Romanische Forschungen 60 (1947), S. 647–684. 168 Vgl. Capitulare missorum item speciale a. 802 [?], c. 57: Ut bannus quem per semetipsum domus imperator bannivit sexaginta solidos solvatur. Caeteri vero banni, quos comites et iudices faciunt, secundum legem uniuscuiusque componantur (ebd. Nr. 35, S. 104). Vgl. auch Buck, Capitularia imperatoria, S. 21. 169 Zu c. 2 der Capitula per missos cognita facienda a. 803–813 (MGH Capit. 1, Nr. 67, S. 156), in dem es um die Verfolgung von Raub ging, vgl. Hans-Rudolf Hagemann, Vom Diebstahl im altdeutschen Recht, in: Sten Gagnér u. a. (Hg.), Festschrift für Hermann Krause, Köln 1975, S. 1–20, hier S. 16: »Ein neues Element trägt Karl der Große in die Beurteilung des furtum-latrocinium damit herein, daß er dieses Delikt – wohl um den Fall der Begünstigung besser erfassen zu können – unter den Gesichtspunkt der Infidelität stellt: wer wissentlich einem latro Unterschlupf gewährt, quasi et latro infidelis iudicetur, quia qui latro est infidelis noster et Francorum, et qui illum suscipit similis est illi. Die erweiterte Interpretation, die Karl als Kaiser dem Untertaneneid verlieh, ermöglichte die Einordnung des furtum-latrocinium in das umfassendere Vergehen des Eidbruchs.« 170 Vgl. Buck, Capitularia imperatoria, S. 17–24.

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gab sich nicht nur, wie Janet Nelson gezeigt hat, ein Rückbezug auf christliche Initiationsakte wie die Salbung,171 sondern auch auf die Taufe als das primor­ diale sacramentum des fidelis schlechthin.172 Wie sehr der korrekte Taufritus und dessen Interpretation Karl den Großen und seine Berater beschäftigten, erhellt schließlich auch aus der großen Taufrundfrage des Jahres 812.173 Auch wenn die Formel fideles Dei et regis nach 800 vergleichsweise selten begegnet und erst unter Ludwig dem Frommen dauerhaft Eingang in das Formular der Herrscherurkunden fand, sind die Konsequenzen der Parallelisierung von Taufe und Treueid, von Treue gegenüber Gott und dem Herrscher sowie von kirchlichem und herrscherlichem Recht inhaltlich in zahlreichen Kapitularienbestimmungen und auch sprachlich in einer Vielzahl von Wendungen und Ausdrücken zu greifen. Auf einer inhaltlichen Ebene ist beispielsweise an die Androhung von Doppelsanktionen (Exkommunikation und Buße kirchlicherseits, Königsbann und peinliche Strafen von Seiten des Herrschers) zu denken.174 Sprachlich sind hierzu neben einzelnen, offenbar mit Bedacht formulierten Zeugmata (gratia Dei et regis, utilitas Dei et regis, verbum Dei et regis, praeceptum Dei et regis, bannus Dei et regis, servitium Dei et regis)175 insbesondere Paarformeln zu rechnen,176 in denen die Befehlsgewalt Gottes und des Herrschers sowie der Dienst für Gott und den Herrscher parallelisiert wurden, ohne dass eine Verknappung in Gestalt eines Zeugmas erfolgt wäre (z. B. ad Dei servitium et nostram utilitatem); solche Paarformeln hatten häufig die

171 Janet L. Nelson, Carolingian Oaths, in: Martin Aurell u. a. (Hg.), Le sacré et la parole. Le serment au moyen âge, Paris 2018, S. 33–55, hier S. 43. 172 Vgl. Rubellin, Entrée dans la vie. 173 Vgl. insbesondere Keefe, Water and the Word. 174 Eine neuere systematische Untersuchung dieses Phänomens, das zum Teil sogar in die spätantike Zeit zurückführt, und zu den Kontexten, in denen Doppelsanktionen geltend gemacht wurden, fehlt. Zur doppelten Sanktionierung vgl. etwa Eichmann, Acht und Bann; Thomas P. Oakley, The Cooperation of Medieval Penance and Secular Law, in: Speculum 7 (1932), S. 515–524; Schieffer, Der Pittaciolus Hinkmars von Laon, S. 146 f. (Kapitularientexte); Catherine Cubitt, Bishops and Councils in late Saxon England: the intersection of secular and ecclesiastical law, in: Wilfried Hartmann (Hg.), Recht und Gericht um 900, München 2007, S. 151–168; Mayr-Harting, Alcuin, Charlemagne and the problem of sanctions, S. 210–215.  – Zur Wendung Dei iram incurrat et nostram offensam (Marculf I, 2) vgl. Hans-Rudolf Hagemann, Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 91 (1974), S. 1–72, hier S. 41. 175 Zu praeceptum Dei et nostrum vgl. Heydemann, The People of God and the Law, S. 112. Obwohl Konzepte wie ira Dei oder ira regis älter sind und im ersten Fall bis in die Spätantike (Laktanz) zurückreichen, sind Zeugmata wie ira Dei et nostra, indignatio Dei et nostra m. W. erst seit dem Hochmittelalter bezeugt. 176 Vgl. dazu Gerhard Dilcher, Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, Darmstadt 1961.

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Funktion, einen komplexeren Sachverhalt gleichsam von seinen beiden Enden her zu verbalisieren.177 Insbesondere Funktionsträgern wurde, wie schon die Urkunde Karls des Großen für den Grafen Theodald von 797 zeigte,178 der Verlust der Huld des Königs und Gottes angedroht. Auch ein Kapitular aus der Spätzeit Karls des Großen (813?), welches, vielleicht noch unter dem Eindruck der 812 getätigten Taufrundfrage stehend,179 einen markanten religiösen Ton anschlug,180 drohte Funktionsträgern, die im Rahmen ihrer Gerichtstätigkeit Geschenke annahmen, mit dem Verlust »von Gottes und unserer Gnade« (Dei gratia et nostra), was wohl die häufig gegen korrupte Richter zu findende Exkommunikations­androhung einschloss. Dass »einem jeden Mann« (omnis homo) unabhängig von seinem Status vor Gericht Gerechtigkeit widerfahren solle, ordnete Karl hier zudem »mit Gottes und unserem Wort« an (volumus etiam atque praecipimus Dei verbo et nostro).181 Dieser Befehl des Herrschers beanspruchte demnach, mit dem Wort Gottes zu kongruieren, und Zuwiderhandelnden wurde mitgeteilt, dass sie dafür vor Gott Rechenschaft abzulegen hätten (coram deo rationem inde reddat). Und auch den etwas frustriert klingenden Schluss des Kapitulars mit der Frage, was am Ende aus all seinen Kapitularien geworden sei, konkre­tisierte Karl dahin, er wolle wissen, was mit denen zu geschehen habe, die über so viele Jahre »Gottes Vorschriften und unser Dekret« (Dei praecepta et decretum nostrum) missachtet hätten.182 Göttliches und königliches Recht wurden so gleichsam kontrahiert, 177 Dies ist insbesondere, aber keineswegs ausschließlich bei Übersetzungen in die Volkssprache zu beobachten, wo mit sprachbedingten semantischen Inkongruenzen zu rechnen ist. Vgl. dazu und zur Forschungsgeschichte Ruth Schmidt-Wiegand, Art. Paarformeln, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3 (1984), Sp. 1387–1393. 178 Siehe oben Anm. 144. 179 Siehe oben Anm. 81. 180 Vgl. dazu Gerda Heydemann / Helmut Reimitz, Novae et antiquae consuetudines. Beob­ achtungen zu Geschichte und Exegese in den karolingischen Kapitularien (in diesem Band). 181 Caroli magni capitulare generale a. 813 [?], cc. 17–18: Ut comites et iudices et centenarii munera pro iniusticiis nequaquam percipere audeant, si Dei gratiam et nostram habere voluerint, nullique homini suam iusticiam nullo ingenio marrire praesumant. Volumus etiam atque praecipimus Dei verbo et nostro, ut omnis homo, nobiles et ignobiles, maiores et minores, pauperes et potentes pleniter suam habeant iusticiam; qui autem hoc marrire praesumpserit, coram deo rationem inde reddat. (Hubert Mordek / Gerhard Schmitz, Neue Kapitularien und Kapitulariensammlungen, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 43 [1987], S. 361–438, hier S. 418). 182 Caroli magni capitulare generale a. 813 [?], c. 40: Illud autem omnibus hominibus prae­ cipimus, qui fidelitatem nobis promissam custodire voluerint, ista capitula et his similia omnimodis observare, quisquis gratiam nostram habere voluerit; de istis autem capitulariis atque de aliis omnibus, quae a multis annis misimus per regnum nostrum, volumus nunc pleniter per missos nostros scire, quid ex his omnibus factum sit vel quis haec observet, quae ibi praecepta sunt, vel quis illa condempnat et neglegat, ut sciamus, quid de his agere

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demselben Ziel dienstbar gemacht, man stellte »den irdischen Herrschaftswillen ganz unverhohlen neben den göttlichen«.183 Neben diesen allgemeinen Bemühungen, mit der doppelten Fidelität und damit korrespondierenden Formeln rechtspolitische und gesetzgeberische Maßnahmen zu rechtfertigen, finden sich solche Zeugmata oder ihnen ähnliche Wendungen wiederholt auch in den Kapitularien Karls des Großen und seiner Nachfolger im Kontext militärischer Mobilmachung, d. h. zur Durchsetzung exekutorischer Maßnahmen. In den Jahren 805 und 808 ließ Karl der Große anordnen, die Dienstpflichtigen für anstehende Feldzüge feststellen zu lassen.184 Die geplanten Operationen richteten sich gegen slawische Gruppen und waren erneut von Gebeten religiös umrahmt. Die Musterung der Kriegsdienstpflichtigen wurde in den Kapitularien jeweils als »Vorbereitung zum Dienst für Gott und zu unserem Nutzen« bezeichnet (praeparatio ad Dei servitium et nostram utilitatem),185 debeant, qui tam multis annis Dei praecepta et decretum nostrum contempserunt. (Mordek / Schmitz, Neue Kapitularien und Kapitulariensammlungen, S. 423). 183 Buck, Admonitio und Praedicatio, S. 47 unter Hinweis auf das Kapitular von Nijmegen von 806. 184 Zur Grenzsicherungsfunktion dieser Feldzüge vgl. Matthias Hardt, Linien und Säume, Zonen und Räume an der Ostgrenze des Reiches im frühen und hohen Mittelalter, in: Walter Pohl / Helmut Reimitz (Hg.), Grenze und Differenz im frühen Mittelalter, Wien 2000, S. 39–56, hier S. 43 u. 45; Ders., Das Diedenhofener Kapitular und die Ostgrenze des Karolingerreiches, in: Matthias Puhle (Hg.), Magdeburg 1200. Mittelalterliche Metropole – preußische Festung – Landeshauptstadt. Die Geschichte der Stadt von 805–2005, Stuttgart 2005, S. 42 f.; ferner Erwin Herrmann, Das Diedenhofener Capitulare Karls des Großen, eine karolingische Quelle zur Frühgeschichte der Oberpfalz, in: Oberpfälzer Heimat 6 (1961), S. 15–22, hier S. 17 f. 185 Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum, generale a. 805, c.  19: De heribanno volumus, ut missi nostri hoc anno fideliter exactare debeant absque ullius personae gratiae, blanditia seu terrore secundum iussionem nostram. […] Qui vero non habuerint amplius in suprascripto praecio valente nisi libras tres, solidi triginta ab eo exigantur; qui autem non habuerit amplius nisi duas libras, solidi decem; si vero una habuerit, solidi quinque, ita ut iterum se valeat praeparare ad Dei servitium et nostram utilitatem (MGH Capit. 1, Nr. 44, S. 125). Zum Diedenhofener Kapitular, seiner Überlieferung und Entstehung vgl. Michael Glatthaar, Die drei Fassungen des Doppelkapitulars von Diedenhofen / Thionville (805/806). Entwurf – Erlass – Revision, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 69 (2013), S. 443–478. Beim Erlass dieses Kapitulars standen militärische Operationen gegen Slawen bzw. Sorben in Böhmen und im mittleren Elbegebiet unmittelbar bevor. Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem die Bestimmungen zu Rekrutierung und Ausrüstung (c. 5, 6 u. 15), zum Heerbann (c. 19) und das Verbot von Waffenexporten an die Slawen und die Kontrolle des Slawenhandels (c. 7). Vgl. zusammenfassend Karl Brunner, Art. Diedenhofener Kapitular, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde 5 (1984), Sp. 407 f. Auch hier kam es parallel zur allgemeinen Anordnung von Gebeten, Fasten sowie Messen. Vgl. Karoli ad Ghaerbaldum episcopum epistola a. 807 (MGH Capit. 1, Nr. 124, S. 245). Der Brief ist nicht in das Jahr 807, sondern 805 zu datieren, vgl. Wilhelm Alfred Eckhardt, Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich, Göttingen 1955, S. 48 f. Vgl. zum Text

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gebrauchte also eine Paarformel;186 unter Karl dem Kahlen, dessen Kanzlei eine gewisse Vorliebe für den »zeugmatischen Ausdruck« gehabt zu haben scheint,187 sprach man in vergleichbarem Zusammenhang einfach in kontrahierter Weise vom servitium Dei et nostrum.188 Den Nutzen des Königs, die utilitas regis, hatten schon die Merowinger bemüht, um die Bevölkerung zu militärischen und anderen Diensten heranzuziehen;189 man wird darin einen Nachklang des antiken Konzept der utilitas publica, des gemeinen Nutzens sehen dürfen, das in römischer Zeit bemüht worden war, um den Vorrang staatlicher und öffentlicher auch Buck, Admonitio und Praedicatio, S. 63. Waren im Diedenhofener Kapitular noch die missi als Multiplikatoren zwischen Zentrale und Lokalverwaltung angesprochen, so erscheinen in einem offenbar mit Bezug auf das Diedenhofener Kapitular erlassenen späteren Text die Bischöfe und Grafen als diejenigen, die vor Ort sicherstellen sollten, dass bei der Rekrutierung für den Krieg gegen die Heiden die Dienstpflicht als eine doppelte des Gottgläubigen ebenso wie des Königstreuen erschien, vgl. Capitula per episcopos et comites nota facienda a. 808, c. 3: Ut omnes praeparati sint ad Dei servitium et ad nostram utilitatem, quandoquidem missus aut epistola nostra venerit, ut statim nobiscum venire faciatis (MGH Capit. 1, Nr. 54, S. 141). 186 Das zur Umsetzung der Divisio regnorum im März 806 erlassene Kapitular von Nijmegen gab den missi die Anweisung, in ihren Sprengeln secundum Dei voluntatem et secundum iussionem nostram (zu dieser Wendung vgl. eingehend Buck, Admonitio und Praedicatio, S. 45–54; Ders., Capitularia imperatoria, S. 21–24) alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen; in diesem Zusammenhang sollte auch der allgemeine Treueid erneuert werden, um das Volk auf den Reichsteilungsplan einzuschwören und die bevorstehenden militärischen Operationen gegen die Sorben gut vorbereitet in Angriff nehmen zu können, vgl. Capitulare missorum Niumagae datum a. 806, cc. 1 u. 2: Ut unusquisque in suo missatico maximam habeat curam ad praevidendum et ordinandum ac disponendum secundum Dei voluntatem et secundum iussionem nostram. De sacramento: Ut hi, qui antea fidelitatem partibus nostris non promiserunt promittere faciant, et insuper omnes denuo repromittant, ut ea, quae inter filios nostros propter pacis concordiam statuimus pleniter omnes consentire debeant (MGH Capit. 1, Nr. 46, S. 131). Wenige Tage nach Fastenzeit und Osterfest schickte Karl seinen gleichnamigen Sohn von Aachen aus mit einem Heer gegen die Sorben sowie ein aus den regna Baiern, Schwaben und Burgund rekrutiertes Heereskontingent wie im Jahr zuvor nach Böhmen, vgl. Annales regni Francorum ad a. 806 (MGH SS rer. Germ 6, S. 121 f.). 187 Siehe auch oben Anm. 95 u. 96. Zum unter Karl dem Kahlen bezeugten consensus fidelium Dei et nostrorum vgl. die Literaturhinweise unten Anm. 230. 188 Capitulare Carisiacense a. 877, c. 18: Comites quoque per suos comitatus de raptoribus et malis hominibus praevideant, qualiter pax fiat, et malla teneant, et omnibus, qui hostem debent, denuntient, ut parati sint, quatinus, si necessitas fuerit, in Dei et nostrum servitium pergere valeant. Et missi nostri, qui per omne regnum constituti sunt, missaticum nostrum, prout eis opportunum fuerit, agere non negligant (MGH Capit. 2, Nr. 281, S. 359 f.). 189 Zur Begriffsgeschichte von servitium vgl. Elisabeth Magnou-Nortier, Servus – servitium: une enquête à poursuivre, in: Media in Francia … Recueil de mélanges offerts à Karl Ferdinand Werner à l’occasion de son 65e anniversaire par ses amis et collègues français, Paris 1989, S. 269–284. Dass servitium Dei oder servitium Christi teilweise im Sinne der militia Christi zu verstehen sei, betonte mit Recht Pohl, »Das sanfte Joch Christi«, S. 271.

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Forderungen vor privaten Interessen zu begründen.190 Erst in frühmittelalterlicher Zeit begegnet die Wendung utilitas regis, die auf eine stärkere terminologische Lokalisierung des öffentlichen Interesses und der Idee des Gemeinnutzes in der Person und Rolle des Königs schließen lässt.191 Mit der karolingischen Verbindung von servitium Dei und utilitas nostra trat der Dienst für Gott hinzu, denn das war die Beteiligung an einem Krieg gegen Heiden nach dem Denken der Zeit.192 Ludwig der Fromme ließ im Jahr 821 einem Krieger namens Folkwin Güter zurückgeben, die dieser einem einstigen Urkundenschreiber zur Verwahrung übergeben hatte, als er »zu Gottes und zu unserem Nutzen gegen die Slawen aufbrechen musste« (in Dei et nostra utilitate).193 Die doppelte utilitas sollte verdeutlichen, was man in dieser Situation unter »Gemeinnutz« verstand. Dreh- und Angelpunkt für die Umsetzung solcher Forderungen seitens der herrscherlichen Gewalt war wie gezeigt die Banngewalt des Herrschers, die als echte Zwangsgewalt konzipiert war und die Rechtsfolge vorsah, dass bei Missachtung eines unter Bann erfolgten herrscherlichen Befehls eine außerordentlich hohe Strafgebühr zu entrichten war.194 Schon in merowingischer Zeit wurden u. a. die Militärdienstpflichtigen unter Bann in utilitatem regis sive in hoste seu in reliquam utilitatem einberufen195 und mussten im Fall ihrer unentschuldbaren Nicht-Erfüllung dieser Verpflichtung hohe Strafgebühren zahlen, d. h. in der 190 Vgl. dazu Artur Steinwenter, Utilitas publica – utilitas singulorum, in: Festschrift Paul Koschaker, Bd. 1, Weimar 1939, S. 84–102. 191 Vgl. Esders, Rechtliche Grundlagen frühmittelalterlicher Staatlichkeit, S. 426. 192 Zum Begriff der utilitas vgl. auch Dieter Hägermann, Quae ad profectum et utilitatem pertinent. Normen und Maximen zur »Innen- und Außenpolitik« in der Divisio regnorum von 806, in: Jean-Marie Duvosquel / Erik Thoen (Hg.), Peasants and Townsmen in Medieval Europe. Studia in honorem Adriaan Verhulst, Gent 1995, S. 605–617. 193 Die fragliche Passage der abschriftlich im Prümer liber aureus überlieferten Urkunde lautet: Hludouuicus divina ordinante providentia imperator augustus omnibus fidelibus sanctae Dei ecclesiae et nostris presentibus scilicet et futuris seu missis nostris discurrentibus. Notum sit vobis quia quidam homo nomine Fulquinus de pago Engrisgoe et de villa Meineburo nostram adiens clementiam innotuit mansuetudini nostrae, qualiter dum in Dei et nostra utilitate contra Sclauos pergere deberet, res suas proprias quas habebat [ad] Teuthardum quondam cartolarium nostrum tradidit, ea videlicet conditione, ut si domino auxiliante de illo itinere reverteretur, easdem res suas illi redderet, et si vitam prȩsentem in illo exercitu amitteret, pro eius anima iamdictas res daret. MGH DD LdF, Nr. 196, S. 484. Der Urkundenschreiber, der die Güter im Fall von Folkwins Tod zu dessen Seelenheil verschenken, im Falle seiner Rückkehr ihm zurückgeben sollte, war verstorben, als Folkwin tatsächlich von dem Feldzug zurückkehrte. Folkwins Güter waren inzwischen konfisziert und dem Königsgut zugeschlagen worden. 194 Vgl. dazu Gerhard Dilcher, Die Zwangsgewalt und der Rechtsbegriff vorstaatlicher Ordnungen im Mittelalter, in: Albrecht Cordes / Bernd Kannowski (Hg.), Rechtsbegriffe im Mittelalter, Frankfurt 2002, S. 111–153, sowie Esders, Amt und Bann, S. 281–284. 195 L. Rib. 68 (65) (De eo qui bannum non adimplet): Lex Ribuaria, hg. von Franz Beyerle / Rudolf Buchner (MGH LL nat. Germ. 3, 2), Hannover 1954, S. 119. Vgl. auch Kathrin Bayerle, Einsatzfelder des weltlichen Bannes im Frühmittelalter, in: Hans-Georg Hermann u. a.

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Regel den königlichen Bann in Höhe von 60 solidi. Das Anwendungsspektrum des Bannes von 60 solidi war wie gezeigt unter Karl dem Großen durch die Fixierung der »acht Bannfälle« substantiell erweitert worden.196 Wenn dieser nun jedoch bestimmte Dinge Dei verbo et nostro anordnete, zeigt dies, dass über die Parallelität und Komplementarität kirchlicher und herrscherlicher Anordnungs- und Sanktionsgewalt nachgedacht worden sein muss.197 Auf dieses doppelte Sanktionsrégime bezogen sich später auch Ludwig der Deutsche, Karl der Kahle und Lothar  II. im Jahr 860 auf dem Reichstag von Koblenz:198 Frauenraub, Verschwörungen, Einbruch in Kirchen, Entehrung von Klerikern und anderes mehr seien gleichermaßen durch göttliches, weltliches und kaiserliches Recht untersagt; sie bedürften daher einer schärferen Verfolgung, einer maior districtio.199 Ihr Verbot solcher Delikte dekretierten die drei Könige daher, wie es wörtlich heißt, »durch Gottes und unsere Gebotsgewalt« (Dei bannus et ­noster).200 Der »Bann Gottes und des Königs« – in der Rechtspolitik bedingte die Verkoppelung von politischer und religiöser Treue eine religiöse, geradezu moralisierende Aufladung zahlreicher Rechtsnormen und Maßnahmen. Und im Edikt von Pîtres, das Karl der Kahle im Jahr 864 im Zeichen von Normanneneinfällen und der Apostasie Pippins II. von Aquitanien erließ, wurde die Missachtung der Rechts- und Friedensordnung als Dei et nostrum ac totius christianitatis contemptum bezeichnet, als »Verachtung von Gott, uns und der gesamten Chris(Hg.), Von den leges barbarorum bis zum ius barbarum des Nationalsozialismus. Festschrift für Hermann Nehlsen zum 70. Geburtstag, Köln 2008, S. 13–34. 196 Siehe oben Anm. 154. 197 Vgl. dazu Mayr-Harting, Alcuin, Charlemagne and the problem of sanctions, S. 210–215; vgl. in größerem Zusammenhang auch Laurent Jégou, L’évêque, juge de paix. L’autorité episcopale et le réglement des conflits entre Loire et Elbe (milieu VIIIe–milieu XIe siècle), Turnhout 2011. 198 Zum Koblenzer Vertrag (860) und den in diesem Zusammenhang geschworenen ­Eiden vgl. Patrick J. Geary, Oath-taking and conflict management in the ninth century, in: Stefan Esders (Hg.), Rechtsverständnis und Konfliktbewältigung. Gerichtliche und außergerichtliche Strategien im Mittelalter, Köln 2007, S. 239–253, hier S. 241–253. 199 Der Anklang an die erwähnten octo banni ist unverkennbar. – Zum lateinischen und volkssprachlichen Wortfeld, das häufig den Bann bezeichnet (so auch districtio), vgl. allgemein auch Hermann Wiessner, Twing und Bann. Eine Studie über Herkunft, Wesen und Wandlung der Zwing- und Bannrechte, Wien 1935. Die Terminologie der lateinischen Äquivalente der Banngewalt (distringere, districtio, districtus) ist bisher vergleichsweise wenig erforscht, vgl. Dilcher, Die Zwangsgewalt und der Rechtsbegriff vorstaatlicher Ordnungen, S. 135 Anm. 76: »Eine Wort- und Begriffsgeschichte fehlt ebenso wie eine Sach- und Problemgeschichte«. 200 Capitula post conventum Confluentinum missis tradita a. 860, c.  7: Capitula autem legum divinarum atque mundanarum et imperatorum de raptis feminarum et de conspirationibus et de ecclesiarum infracturis atque clericorum dehonorationibus et de comitibus, qui in comitatibus suis iniusta faciunt, hic non adnotavimus, quia cognita sunt et maiori districtione indigent, de quibus omnes admonere atque omnes Dei banno et nostro cavere praecipimus (MGH Capit. 2, Nr. 270, S. 301).

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tenheit«;201 wer beispielsweise Waffen an die Normannen verkaufte, der solle als »Verräter des Vaterlandes und als einer, der die Christenheit ausliefere« (sicut proditor patriae et expositor christianitatis), mit dem Tod bestraft werden.202 In zahlreichen Bestimmungen des Edikts wurden diesem dualen Denken entsprechend schwere Straftaten doppelt sanktioniert, nämlich nach der Kapitulariensammlung des Ansegis mit peinlichen Strafen und nach kirchlichem Recht mit öffentlicher Buße. Das Edikt von Pîtres markiert insofern eine radikale Zuspitzung dieses Diskurses, dessen programmatische Formulierung sicherlich auch damit in Verbindung zu bringen ist, dass der Text die Handschrift Hinkmars von Reims trägt.203 Das erstmals unter Karl dem Kahlen bezeugte Zeugma bannus Dei et regis204 klingt sprachlich an das von Karl dem Großen geltend gemachte verbum Dei et nostrum an, doch ging es hier weniger um das mit dem Befehl des Herrschers parallelisierte Wort Gottes. Die Wendung benutzte vielmehr das mehr rechtstechnische, auf die Sanktionsgewalt zielende Wort bannus,205 was selbstredend 201 Edictum Pistense a. 864, c. 3: Ut lex et iustitia unicuique in suo ordine omnibus conservetur, et pacem, quam proxime teste Deo propriis manibus communi consensu confirmavimus, quando hic placitum nostrum habuimus, sic omnes et infra patriam et quando ad placitum unusquisque venerit et quando redierit et quando necessitas nobis evenerit, ut hostem nostrum adnuntiemus, usque constituta loca secundum consuetudinem et capitula praedecessorum nostrorum observare procuret. Et qui contra hanc confirmationem per contemptum venerit aut quantocius, quod contra hanc confirmationem excessum fuerit, emendare neglexerit, ab episcopis et missis ac comitibus nostris hoc nobis nuntiari mandamus, quatenus tantum Dei et nostrum ac totius christianitatis contemptum, sicut secundum leges divinas et humanas invenerimus, emendare curemus, ne ipso nostro iudicio a Deo, quod absit, condemnati simus. Et videant episcopi et missi ac comites nostri, ne, si contra nostram communem confirmationem aliquis per contemptum fecerit et emendare noluerit, per alium, quam per illos, qui ad hoc constituti sunt, hunc contemptum sciamus; quoniam si per alium, quam per illos hoc, sicut non convenit, audierimus, sicut nec ipsi immunes a peccato erunt, sic nec ab ultione immunes existent (MGH Capit. 2, Nr. 273, S. 312 f.). 202 Edictum Pistense a. 864, c. 25: quicumque post proximas Iulii Kalendas huius duodecimae indictionis Nortmannis quodcumque ingenio vel pro redemptione vel pro aliquo pretio bruniam vel quaecumque arma aut caballum donaverit, sicut prodítor patriae et expositor christianitatis ad perditionem gentilitati sine ulla retractione vel redemptione de vita componat. Quae omnia omnibus citissime a missis nostris et comitibus nota fiant, ne de ignorantia se excusare valeant (MGH Capit. 2, Nr. 273, S. 321). 203 Vgl. dazu Stefan Esders, Montesquieu, the spirit of early medieval law, and »the modern origins of the early middle ages«, in: N. Kıvılcım Yavuz / R ichard Broome (Hg.), Transforming the Early Medieval World: Studies in Honour of Ian N. Wood (im Druck). 204 Zur Formel bannus Dei et regis vgl. auch Wiessner, Twing und Bann, S. 91 mit einigen Belegen, allerdings ohne weitere Diskussion. 205 Zur Wortgeschichte von bannus vgl. Johannes Schneider / Teja Erb, Bannus. Zur Geschichte einer mittellateinischen Wortgruppe im europäischen Bezug, in: Archivum latinitatis medii aevi 64 (2006), S. 57–104.

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voraussetzte, dass man bereit war, auch die kirchliche Exkommunikation mit dem volkssprachlichen Wort bannus zu bezeichnen. Das wiederum gründete offenbar darin, dass innerhalb der Kirche eine bischöfliche Anordnungsgewalt ausgebildet wurde, die der weltlichen vergleichbar war206 und die – im Rahmen der Sendgerichtsbarkeit – auch an die Archidiakone delegiert werden konnte.207 Selbstverständlich erhoffte man sich vom Gebrauch solcher Wendungen vor allem eine höhere Motivation der adressierten Bevölkerung, die angeordneten Maßnahmen zu befolgen, wenn sie nicht nur herrscherliches Gebot waren, sondern sich auch mit elementaren Forderungen ihres Glaubens deckten. Das in der Formel fideles Dei et regis formulierte und in Wendungen wie bannus bzw. verbum Dei et regis aufgegriffene, mit Absicht betonte Ineinanderwirken der Verpflichtungsgehalte von Treueid und Taufe verwies auf zwei verschiedene Normensysteme  – das Kirchenrecht, dem die Taufe den Christen unterwarf, sowie das königliche bzw. kaiserliche Recht, welches aus dem Treueid gefolgert wurde. In derartigen sprachlich verknappten, aber dafür umso pointierteren Wendungen suchte man die erhoffte Synergie beider Rechtsordnungen zu einer zentralen Leitidee zu machen. Wendungen wie verbum Dei et regis oder bannus Dei et regis leiteten manchmal auch Bestimmungen ein, die auf biblischen Texten beruhten, und bemühten sich einen Gleichklang des Gotteswortes und des herrscherlichen Wortes herbeizuführen. Vor allem aber ging es bei ihrem Gebrauch um die (partielle) Konvergenz und Komplementarität von kirchlichem Recht und der Befehlsgewalt des Herrschers, die ihrerseits auch nicht unbegrenzt war, sondern sich in erheblichem Maße am Herkommen orientierte. Überdies müssen sich Karl der Große und seine Berater darüber im Klaren gewesen sein, dass sie mit hohem Risiko spielten, wenn sie aus dem allgemeinen Treueid und der geschuldeten fidelitas so weitreichende Konsequenzen zogen. Hätte man Unerfüllbares verlangt oder

206 Vgl. die bekannte Gegenüberstellung kirchlicher und weltlicher Ämter bei Walahfrid Strabo, Libellus de exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum c. 32: Quod comites vel praefecti in saeculo, hoc episcopi ceteri in ecclesia explent (MGH Capit. 2, S. 515). Dass Walahfrid Grafen und Bischöfe auf dieselbe Ebene stellte, war für seinen gesamten Ämtervergleich konstitutiv. 207 Erst im Laufe des 9. Jahrhunderts ist die Bezeichnung der Anordnungsgewalt des Bischofs in seiner Diözese als Banngewalt (bannus episcopalis) nachweisbar; hierbei handelte es sich um eine Adaption aus dem weltlichen Recht, vgl. Nikolaus Hilling, Die bischöfliche Banngewalt, der Archipresbyterat und der Archidiakonat in den säch­sischen Bistümern, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 80 (1900), S. 80–114, 323–345, 443– 468, 645–664 (u. ebd. 81 [1901] S. 86–112), hier S. 85–90 u. ö. Zum Bischofsbann, der als ­bannus christianitatis auf die Taufe zurückgeführt wurde, vgl. auch Albert ­Michael Koeniger, Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1, München 1907, S. 47–51, 73–76, 85–89 u. ö.

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die fideles allzuleicht in die Situation gebracht, gegen den eigenen Willen ihren bei Gott geschworenen Eid gegenüber dem Herrscher zu brechen und damit in der offiziellen Sichtweise zugleich auch gegenüber Gott treubrüchig zu werden bzw. ihr Taufversprechen zu verraten, so hätte ein Instrument wie der allgemeine Treueid leicht dysfunktional werden können. Fundamentale Bedeutung für die Funktionalität des Fidelitätseides mussten daher die Klauseln in den Eidformeln haben, welche die individuellen Bedingungen der zu erfüllenden Treue spezifizierten und einen unwillentlichen Treubruch nach Möglichkeit ausschlossen. Matthias Becher hat in diesem Zusammenhang auf die in den Formularen der allgemeinen Treueide enthaltenen, aus dem römischen Recht stammenden Arglistklauseln (sine fraude et malo ingenio u. ä.) hingewiesen, die sicherstellen sollten, dass der Herrscher zu seinem Recht kam und nicht von seinen fideles hinter das Licht geführt würde; daneben waren von besonderer Bedeutung die von mir so bezeichneten sicut-Klauseln (sicut homo per drictum suo domino fidelis esse debet u. ä.), mit denen die Fidelität auf eine ganz konkrete Rechtsgewohnheit bezogen wurde, die zugleich den Rahmen für das abgab, was rechtlich unter dem Signum der Herrschertreue verlangt werden durfte und zu erfüllen war, und was nicht.208 Auch Klauseln wie diejenige von 802, derzufolge ein jeder seine Treue gemäß seinem Status (unusquisque secundum votum et propositum suum) zuzusichern habe,209 und spätere Formeln, nach denen insbesondere geistliche Funktionsträger betonten, ihre Treue secundum ministerium meum zu schulden, wird man insbesondere in ihrer präzisierenden, tendenziell begrenzenden Funktion verstehen dürfen. Damit der Eid auch nichts subjektiv Unerfüllbares verlangte, wurden zudem weitere Klauseln eingefügt, die eine Art mentalen Vorbehalt begründeten und das Versprechen so spezifizierten, dass der fidelis seinem König versicherte, ihm »nach meinem Vermögen und Können« (secundum meum scire et posse oder secundum intellectum et vires suas im Kapitular von 802)210 treu zu sein. Auch hier schimmert das römische Vertragsrecht durch, konkret der Merksatz nemo obligetur ultra posse, demzufolge niemand über sein persönliches Vermögen hinaus zu etwas verpflichtet werden durfte.211 Derartige Klauseln

208 Becher, Eid und Herrschaft, S. 128–139; Stefan Esders, Fidelität und Rechtsvielfalt. Die sicut-Klausel der früh- und hochmittelalterlichen Eidformulare, in: François Bougard u. a. (Hg.), Hiérarchie et stratification sociale dans l’Occident médiéval (400–1100), Turnhout 2008, S. 239–255. 209 Capitulare missorum generale a. 802, c. 2: ut omni homo in toto regno suo, sive ecclesiasticus sive laicus, unusquisque secundum votum et propositum suum, qui antea fidelitate sibi regis nomine promisissent, nunc ipsum promissum nominis cesaris faciat (MGH Capit. 1, Nr. 33, S. 92). 210 Siehe oben Anm. 161. 211 Vgl. dazu Detlef Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, München 6 1998, S. 98 u. 146.

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waren essentiell, verpfändete der fidelis mit seinem Eid doch nichts Geringeres als sein Seelenheil.212 In einer Zeit, in der am Hof auch über das Problem der Mehrfachfidelität nachgedacht wurde, war auch die Superiorität der dem Herrscher geschuldeten Treue sicherzustellen, wie das erwähnte Diedenhofener Kapitular von 805 zeigt: Hinsichtlich des Eides: Niemand anderem soll durch einen Eid Treue (fidelitas) versprochen werden außer uns und jedem eigenen Senior zu unserem Nutzen (ad nostram utilitatem) und dem seines Seniors; ausgenommen diejenigen Eide, die gerechtermaßen und nach Recht (iuste secundum legem) dem einen vom andern geschuldet werden.213

Zweifellos betrachtete Karl der Große die zu seinem Nutzen geschworenen Eide als vorrangig, aber in einer Zeit konkurrierender eidlicher Bindungen mochte die Parallelisierung der Herrschertreue mit dem Glauben gegenüber Gott nicht zuletzt dessen besonderen Anspruch und sein Herrschaftsethos verdeutlichen. Der 789 und 802 geschworenen Loyalität gegenüber dem König bzw. Kaiser und seinen politischen Entscheidungen sollte ein besonderer Vorrang zuerkannt werden, der nicht zuletzt im Gottesgnadentum des karolingischen Monarchen wurzelte und der sich leicht mit anderen Vorstellungen wie derjenigen vom rex et sacerdos verknüpfen ließ.214 Dass die behandelten Formeln häufig das Genetivobjekt regis durch das Possessivpronomen nostri ersetzen, nicht jedoch von den fideles Dei et imperatoris o. ä. sprechen, ist m. E. ein deutliches Indiz dafür, dass die Bezugsgröße des Vergleichs vor allem das Königtum des fränkischen Herrschers bildete. Dies lässt es zumindest denkbar erscheinen, dass umgekehrt das Königtum Christi hierfür eine Rolle gespielt haben könnte.215

212 Grundlegend für derartige Formeln und Klauseln ist der Beitrag von Konrad Ewald, Formelhafte Wendungen in den Straßburger Eiden, in: Vox Romanica 23 (1964), S. 35–55. 213 Capitulare missorum in Theodonis villa datum secundum generale a. 805, c.  9: De iuramento, ut nulli alteri per sacramentum fidelitas promittatur nisi nobis et unicuique proprio seniori ad nostram utilitatem et sui senioris; excepto his sacramentis quae iuste secundum legem alteri ab altero debetur (MGH Capit. 1, Nr. 44, S. 124). Zur Interpretation dieser vieldiskutierten Passage, die z. T. auch als gegen coniurationes gerichtet gedeutet wird, vgl. vor allem Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, S. 121 f. 214 Vgl. dazu etwa Arnold Angenendt, Rex et sacerdos. Zur Genese der Königssalbung, in: Norbert Kamp / Joachim Wollasch (Hg.), Tradition als historische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des früheren Mittelalters, Berlin 1982, S. 100–118. 215 Vgl. dazu Ildefons Herwegen, Das Königtum Christi in der Liturgie, in: Franz Fessler (Hg.), Ehrengabe deutscher Wissenschaft, dargeboten von katholischen Gelehrten, Freiburg i. Br. 1920, S. 147–168; Johannes Kollwitz, Das Bild von Christus dem König in Kunst und Liturgie der christlichen Frühzeit, in: Theologie und Glaube 37/38 (1947/48), S. 95–117; Hans Feldbusch, Art. Christus als König, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 3 (1954), Sp. 692–702.

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Einseitig wäre es freilich, hierin nur eine gesteigerte religiöse Aura des Herrschers zu erblicken, denn mit solchen Ansprüchen änderte sich ja auch zugleich das diskursive Kräftefeld, auf dem Konflikte und Maßnahmen zu verhandeln waren. Es wäre daher auch vollkommen verfehlt, wollte man hierin lediglich »graue politische Theorie« sehen. Natürlich wissen wir nicht, ob beispielsweise ein Hochverräter, der dem Herrscher die Treue brach, immer auch zugleich exkommuniziert wurde  – was ja wenigstens die Involvierung eines Bischofs erforderte. Es gibt m. E. jedoch eindeutige Indizien dafür, dass man diese Synergien in der Normenbegründung wie auch in der doppelten Sanktionierung unbedingt ernst nehmen sollte. Wenn ein schweres politisches Verbrechen zugleich ein schweres kirchenrechtlich zu sanktionierendes Vergehen, also eine gravierende Sünde war, musste ja, da das Kirchenrecht in letzter Begründung »soteriologisch« begründet war und darauf zielte, das durch das Fehlverhalten beschädigte Verhältnis des Delinquenten zu Gott zu reparieren, einem reumütigen Delinquenten auch die Möglichkeit eingeräumt werden, dafür ggf. Buße zu leisten.216 Die lebenslange Klosterhaft, welche die karolingischen Herrscher nicht selten gegen adelige Empörer verhängten, lässt sich ohne ein verändertes, religiös begründetes Rechts- und Schuldverständnis kaum erklären. Auch hier reicht die Tradition bis in die Spätantike zurück.217 Wenn die »öffentliche Buße« (paenitentia publica) im Laufe des 9. Jahrhunderts zu einer häufiger in Kapitularien statuierten Sanktion wurde, so ist das auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass zumindest bestimmte Vergehen auch als schwere religiöse Normverstöße angesehen wurden.218 Es sind somit in Veränderung befindliche Konzeptionen der Normbegründung sowie Diskussionen über Vergehen, Schuld, Sanktionen, Satisfaktion und Gnade, auf welche die Formel fideles Dei et regis im Zusammenspiel mit ähnlichen Wendungen letztlich verwies, und damit auch auf ein verändertes Verständnis von »öffentlichen« Verpflichtungen, ja des politischreligiösen Diskurses schlechthin.

216 Vgl. dazu Thomas Duve, Katholisches Kirchenrecht und Moraltheologie im 16. Jahrhundert. Eine globale normative Ordnung im Schatten schwacher Staatlichkeit, in: Stefan Kadelbach / K laus Günther (Hg.), Recht ohne Staat? Zur Normativität nichtstaatlicher Rechtsetzung, Frankfurt 2011, S. 147–174, hier S. 164 f. 217 Vgl. Julia Hillner, Prison, Punishment and Penance in Late Antiquity, Cambridge 2015, S. 279–341. 218 Vgl. Mayke De Jong, What was public about public penance? Paenitentia publica and justice in the Carolingian world, in: La giustizia nell’alto medioevo (secoli ix–xi), Spoleto 1997, Bd. 2, S. 863–904; Lotte Kéry, Gottesfurcht und irdische Strafe. Der Beitrag des mittelalterlichen Kirchenrechts zur Entstehung des öffentlichen Strafrechts, Köln 2006, S. 37–43.

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Zeugmatische Erfahrung und zeugmatische Rede im Karolingerreich: Einige Schlussüberlegungen

Es gehört zu den fast schon stereotypen Gewissheiten der historischen Forschung, dass es im Mittelalter, und zwar bereits im Frühmittelalter, ebenso wie keine Separation des Politischen vom Religiösen möglich gewesen sei,219 es auch keine klare Trennung zwischen kirchlichem und weltlichem Recht gegeben habe. Mit dieser Feststellung ist zugleich alles und nichts gesagt. Jedem wird unschwer eine Anzahl von Fällen einfallen, die belegen, wie künstlich und schematisch jedes Unterfangen anmuten muss, zu klaren Unterscheidungen zwischen »kirchlichen« und »weltlichen« Rechtsordnungen zu gelangen, und auch in Handschriften und einzelnen Erlassen findet man beides z. T. miteinander verquickt. Dennoch würde man, wenn denn schon alles irgendwie miteinander vermischt gewesen zu sein scheint, doch allzu gerne wissen, ob diese eigentümliche Mélange vielleicht doch »more salad than soup« gewesen ist. Damit ist gemeint, dass es vielleicht doch etwas voreilig ist, sich mit einem »non liquet« kurzerhand aus der Diskussion zu verabschieden. Denn bereits die Zeitgenossen haben derartige Fragen beschäftigt, und es hat auch jenseits der »gelasianischen Zweigewaltenlehre«220 durchaus verschiedene Ansätze gegeben, zu terminologischen Abgrenzungen zu gelangen. Einem frühmittelalterlichen Zeitgenossen, so dürfen wir vermuten, dürfte es in den allermeisten Fällen klar gewesen sein, was ein bischöfliches und was ein königliches Gericht war, wer im einen und im anderen den Vorsitz führte, und mit welch unterschiedlichen Sanktionen hier und dort zu rechnen war. Institutionelle Unterscheidungen gab es also durchaus. Doch wurden beide »Bereiche« für bestimmte Gegenstände bewusst miteinander verbunden, soweit man sie als einander ergänzend verstand. Die Formel fideles Dei et regis, die im Zentrum dieses Beitrages stand, steht für eine politische Konzeption, die auf der Parallelisierung von Taufe und Treu­ eid als Rechtsakten basierte und die auf eine Verklammerung von politischer Loyalität und religiösem Bekenntnis zielte. Sie ist ein besonderer Fall, insofern sie die Trennung von etwas voraussetzte, was sie gezielt miteinander zu verbinden suchte und dafür auch noch in ein gewagtes Wortspiel kleidete. Sie betonte im Rekurs auf Taufe und Treueid die unterschiedlichen Ausgangspunkte der 219 Mit Recht ist betont worden, dass die ecclesia ein wichtiges begriffliches Gefäß gewesen sei, um in karolingischer Zeit das Ganze des politischen Verbandes zu begreifen, vgl. Mayke De Jong, The penitential state. Authority and atonement in the age of Louis the Pious, 814–840, Cambridge 2009, S. 112–147 u. ö.; Steffen Patzold, Episcopus. Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts, Ostfildern 2008, S. 105–183 u. ö. 220 Vgl. dazu Patzold, Episcopus, S. 156 f. u. ö.

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normativen Ordnungen des kirchlichen und des vom Herrscher dekretierten Rechts, um ihre Konvergenz an bestimmten Stellen und situativ gezielt herbeizuführen. Die Wendung scheint in zahlreichen Texten der karolingischen Zeit mit Bedacht gewählt worden zu sein und ist nicht vor Ludwig dem Frommen zu jener stereotyp anmutenden Urkundenformel geworden, als die man sie zu kennen meint. Der Kampf gegen heidnische Feinde, der ›geheiligte Krieg‹, blieb nicht der einzige Kontext, in dem die Wendung fideles Dei et regis Verwendung fand. Schon unter Karl dem Großen kam es zu einer erheblichen Ausweitung der Vorstellungswelten, die an die Formel fideles Dei et regis angebunden werden sollten. Aus der Parallelisierung von Gottestreue und Herrschertreue wurde für die Bevölkerung des Frankenreichs zunehmend ein auf zwei Rechtsebenen angelegter Verpflichtungsrahmen: Damit aus den fideles Dei et regis keine infideles Dei et regis wurden, unterlagen die freien Reichsbewohner einer doppelten Rechtsordnung (Dei praecepta et decreta regis); für sie sollte Gottes und des Herrschers Wort (verbum Dei et regis), d. h. Bibel und Kapitularien, die Richtschnur ihres Handelns sein; ihre Treupflichten sollten sie zum Nutzen Gottes und des Herrschers (in utilitatem Dei et regis) erfüllen und entsprechend ihren Dienst für beide leisten (servitium Dei et regis); dafür unterstanden sie einer doppelten Befehls- und Sanktionsgewalt (bannus Dei et regis) und im Falle des Zuwiderhandelns drohte ihnen, dass sie gleichermaßen die Gnade Gottes und des Herrschers (gratia Dei et regis) verlören. Es ist in diesem Zusammenhang hilfreich, sich von der Vorstellung freizumachen, bei derartigen Zeugmata und Paarformeln handele es sich gleichsam um Allerweltsformeln oder gar ubiquitäre Floskeln. Gewiss kann sich ein solcher Eindruck einstellen, wenn man ihren Gebrauch in den Herrscherurkunden seit Ludwig dem Frommen nachverfolgt; im Kanzleidiktat tendiert eine solche Wendung möglicherweise leichter dahin, zu »versteinern« und vielleicht auch nicht mehr genau hinterfragt zu werden. Die Urkunden Pippins und Karls des Großen zeigen jedoch, dass der Gebrauch der Formel fideles Dei et regis zu dieser Zeit die Ausnahme war, und dass sich für ihre Verwendung jeweils spezifische situative Hintergründe namhaft machen lassen. Zudem erscheint auch ihr Gebrauch in Briefen, Kapitularien und in der Historiographie, wie gezeigt wurde, als außerordentlich sparsam, gezielt und wohl dosiert. Schließlich stellt sich für Herrschererlasse noch mehr als für Urkunden die Frage, unter welchen Umständen es überhaupt sinnvoll sein konnte, den christlichen Glauben und die Herrschertreue so eng miteinander zu verbinden, dass sie ineinander überzugehen schienen. Hierin zu weit zu gehen hätte auch zur Entwertung der Formel und ihrer Aussage führen können. Die Formel schuf auch nichts umstürzlerisch Neues. Wie gezeigt wurde, basierte der komplementäre Einsatz von kirchlichem und herrscherlich verfügtem Recht z. T. auf älteren Traditionen und war in früheren Rechtsaufzeichnungen

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gleichsam angelegt. Karl der Große und seine Berater waren somit nicht die ersten, die gezielt auf die Verquickung von kirchlichem und königlichem Recht hingearbeitet haben. Sie haben diese Bemühungen aber fraglos erheblich intensiviert und über den allgemeinen Treueid für den Einzelnen verbindlich gemacht, was die Formel gleichsam rhetorisch poliert auf den Punkt brachte. Sie wurde dafür jedoch sehr gezielt verwendet. Ob ein Zeugma wie das hier behandelte bemüht wurde oder nicht, war insofern eine – situationsbezogen zu beantwortende – Frage der Rhetorik und der Begründung von Recht. In den Bekanntmachungsformeln der Urkunden und in einzelnen Kapitularienbestimmungen adressierte der Herrscher mit der Anrede fideles Dei et regis und der Drohung mit doppeltem Huldverlust (gratia Dei et regis) insbesondere seine Funktionsträger, die er auf diese Weise als Exekutoren seines Willens ansprach. Doch suchten die Kapitularienbestimmungen der Spätzeit Karls des Großen, indem sie solche Doppelformen geltend machten, auch einen weitaus größeren Adressatenkreis zu erreichen: ut omnes praeparati sint ad Dei servitium et ad nostram utilitatem.221 Es ist naheliegend, dies mit der allgemeinen Treueidleistung von 802 in Verbindung zu bringen. Doch auch in solchen Kontexten wurden Doppelformeln ausgesprochen situationsbezogen mobilisiert – vor allem, um von der breiteren Bevölkerung Dienste zu verlangen, von denen der Herrscher und seine geistlichen und weltlichen Berater glaubten, dass sie nicht nur aus ihrer Treue gegenüber dem König, sondern auch unmittelbar aus ihrer Pflicht als getaufte Christen entsprangen. Dieser Handlungsraum der fideles Dei et regis wurde nach außen durch die religiöse Begründung zahlreicher Kriegshandlungen definiert, in die erhebliche Teile der Bevölkerung selbst kämpfend oder unterstützend durch Gebete usw. einbezogen waren. Die Integration neuer Völker hat offenbar bei den am Hof tätigen Reformern ein Nachdenken darüber intensiviert, aus einer Verbindung von Taufe und Treueid Konsequenzen auch für die innere Umgestaltung des Reiches zu ziehen. Die parallele Androhung von kirchlichen und weltlichen Sanktionen, die es vereinzelt auch schon früher gegeben hatte, wurde nun auf immer neue Gegenstände ausgeweitet. Zugleich betonte man stärker ihre Komplementarität und erfand immer neue Doppelformeln. Man sprach jetzt nicht mehr nur von den fideles Dei et regis, sondern auch von der gratia Dei et regis, der utilitas Dei et regis, dem verbum Dei et regis, dem servitium Dei et regis sowie dem bannus Dei et regis. All dies zeigt, dass man das Zusammenwirken königlichen und kirchlichen Rechts programmatisch in dieselbe Richtung zu lenken suchte. Die so nach außen gezogene Grenze und die Verzahnung von Kirchenrecht, teilweise biblischem Recht und dem Recht des Herrschers im Innern sollte für die Bevölkerung jenseits ihrer lokalen Lebenszusammenhänge das Frankenreich als einen Raum erfahrbar machen, der durch 221 Siehe oben Anm. 185.

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den Herrscher und das religiöse Bekenntnis geeint war und der auch für den einzelnen Reichsbewohner spezifische Kontexte besonders intensiver Verpflichtung generieren konnte. Die gezielte Verquickung von Treue und Glaube im Inneren war eine in doppelter Weise existentielle Begründung von Normen. Fideles Dei et regis erscheint als eine Idee, um bestimmten Aussagen der politischen Gewalt besonderen Nachdruck zu verleihen und insbesondere den Verpflichtungsgehalt gegenüber Funktionsträgern und der Bevölkerung hervorzuheben. Bei Kriegen mit heidnischen Völkern gehörten das Verrichten von reichsweiten Gebeten für Herrscher, Reich und Heer und die Militärfolge zu jenen Treupflichten, die nun zur Verpflichtung eines jeden Christen erklärt wurden. Den entwicklungsgeschichtlichen Ausgangspunkt für die Konstruktion der Formel bildete die Wortverbindung fideles regis, die bereits in merowingischer Zeit, zumeist begrenzt auf den Kreis von königlichen Funktionsträgern, Verwendung fand.222 Dass diese Wendung auch auf größere Teile der Bevölkerung angewendet werden konnte, setzte deren Vereidigung voraus. Doch obwohl es bereits in merowingischer Zeit allgemeine Treueidleistungen gegeben hat223 und das Substantiv fidelitas zu einem festeren Konzept wurde,224 scheint die Verwendung der Wendung fideles regis zur Bezeichnung größerer Bevölkerungsgruppen erst ein karolingisches Phänomen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es auffallend, dass die Anwendung der Formel fideles regis auf einen weiteren Personenkreis und deren Erweiterung zur Formel fideles Dei et regis, d. h. unter Einbeziehung der Gottestreue zeitlich annähernd zusammenzufallen scheinen. Beides fällt in eine Zeit, in der große, bis dahin nicht-christliche Bevölkerungsgruppen gewaltsam unterworfen, christianisiert und mitsamt ihrem Gebiet in das karolingische Großreich integriert wurden. Die Anfänge eines vermehrten Gebrauchs der Formel fideles Dei et regis um 790 koinzidierten nicht nur mit dem allgemeinen Treueid von 789 und der aus biblischen Geboten gespeisten Admonitio generalis als gesetzgeberischer Initialzündung, sondern auch mit der wachsenden Indienstnahme der Ideen des populus Dei und des populus Christianus zur Bezeichnung der politischen Gemeinschaft des Frankenreiches,225 wie jüngst Gerda Heydemann betont hat: »In the entries from the 790s onwards, 222 223 224 225

Vgl. v. Gladiss, Fidelis regis, S. 444–446. Siehe oben Anm. 75. Siehe oben Anm. 76 u. 89. Vgl. Mary Garrison, The Franks as the New Israel? Education for an Identity from Pippin to Charlemagne, in: Yitzhak Hen / Matthew Innes (Hg.), The Uses of the Past in the early middle ages, Cambridge 2000, S. 114‒161; Gerda Heydemann, People(s) of God? Biblical Exegesis and the Language of Community in late antique and early medieval Europe, in: Eirik Hovden / Christian Lutter / Walter Pohl (Hg.), Meanings of community across medieval Eurasia. Comparative approaches, Leiden u. a. 2016, S. 25–60; Dies., The People of God and the Law, passim, sowie S. 102 f. zu Alkuin; Steffen Patzold, Pater noster:

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the populus Christianus emerges as the most important term for the political community in the empire: it is the universus populus Christianus, who petitions Charlemagne to take on the imperial title, and the populus Christianus, together with bishops and counts, is responsible for the legal reforms of 802.«226 Mit spezifischen ethnischen Denominationen scheint die Losung fideles Dei et regis dagegen weniger zusammengegangen zu sein,227 im Gegenteil: Den in den Kapitularien geforderten Verhaltensnormen und verfügten Maßnahmen lag ein Konzept von Ethnizität zugrunde, welches auf den im Frankenreich vereinten populus Dei insgesamt bezogen war.228 Nur ganz vereinzelt ist die Formel situativ so umgebaut worden, dass an die Stelle von Gott die Franken als Kollektiv traten, etwa wenn ein Räuber und seine Unterstützer als »dem König und den Franken gegenüber treubrüchig« (quia latro est, et infidelis est noster et Francorum, et qui illum suscepit, similis est illi) bezeichnet wurden.229 Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts gewannen Wendungen, in denen die fideles als politisches Kollektiv mit partizipatorischen Rechten bezeichnet wurden (consensus fidelium, consortium fidelium u. ä.), an Bedeutung.230 Der Anspruch, über die Adressierung der Bevölkerung als fideles Dei et regis das kirchliche Recht verstärkt für die vom König innerhalb eines religiös interpretierten Gemeinwesens verfolgten Zwecke in Dienst zu nehmen, dürfte innerhalb der Kirche nicht nur Befürworter gefunden haben.231 Schon die im Gefolge des Sachsenkrieges geführte Diskussion über die Zwangstaufe232 sollte Priests and the religious instruction of the laity in the Carolingian populus Christianus, in: Ders. / Carine van Rhijn (Hg.), Men in the Middle. Local priests in early medieval Europe, Berlin 2016, S. 199–221. 226 Heydemann, The People of God and the Law, S. 105, mit Hinweis auf die Bedeutung der alttestamentlichen Bundestheologie und ihrer Auslegung in der karolingischen Exegese. 227 Vgl. Reimitz, History, Frankish Identity and the Framing of Western Ethnicity, S. 101 u. ö., der betont, dass der Rekurs auf die fränkische Identität als Orientierungsrahmen für die Bevölkerung des karolingischen Großreiches alles andere als selbstverständlich war und für jeden belegten Fall genau zu klären ist. 228 Vgl. Heydemann, The People of God and the Law, S. 131. 229 Einziger Beleg dieser Art: Capitula per missos cognita facienda a. 803–813, c. 2: … quia latro est, et infidelis est noster et Francorum, et qui illum suscepit, similis est illi (MGH Capit. 1, S. 156); wörtlich übernommen in Capitulare missorum Silvacense a. 853, c. 6 (MGH Capit. 2, Nr. 260, S. 273). 230 Zu dieser außerhalb der vorliegenden Betrachtungen liegenden Entwicklung vgl. Peter Classen, Die Verträge von Verdun und von Coulaines 843 als politische Grundlagen des westfränkischen Reiches, in: Historische Zeitschrift 196 (1963) S. 1–35; Hannig, Consensus fidelium, S. 241–244, sowie Burkhard Apsner, Vertrag und Konsens im früheren Mittelalter. Studien zu Gesellschaftsprogrammatik und Staatlichkeit im westfränkischen Reich, Trier 2006, S. 128–155. Ferner für das 10. Jahrhundert Francis N. Estey, The fideles in the County of Mâcon, in: Speculum 30 (1955), S. 82–89. 231 Vgl. dazu bereits Eichmann, Acht und Bann, S. 8. 232 Vgl. v. Padberg, Die Diskussion missionarischer Programme.

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Warnung genug sein, eine weitreichende Dienstbarmachung kirchlicher Riten und Organisationsstrukturen für die Politik der karolingischen Herrscher für unproblematisch zu halten. Der wiederholt anzutreffende Appell, Grafen und Bischöfe möchten doch einträchtig miteinander handeln und sich gegenseitig kontrollieren, ist sicherlich auch vor diesem Hintergrund zu sehen.233 Die erwähnten Formeln sind als Teil eines gelenkten Diskurses, als einer politischen Rhetorik zu verstehen. Doppelsanktionen des königlichen und kirch­ lichen Rechts hatte es bereits in vorkarolingischer Zeit gegeben, insbesondere bei gravierenden religiösen Vergehen wie Häresie, Inzest, u. a. m. Neu war hingegen, dass die Übereinstimmung und Komplementarität beider Rechtsordnungen begrifflich auf den Punkt gebracht wurde – zumindest gelegentlich, in besonderen Situationen. Dass hier trotz der zunächst geringen Belegdichte von einer »gepflegten Semantik« gesprochen werden kann, erhellt nicht nur aus dem offiziellen oder offiziösen Charakter der Dokumente, in denen diese Formeln zu finden sind. Die Formel fideles Dei et regis belegt überdies, dass es zwar methodisch wichtig, aber letztlich nicht immer ausreichend ist, Quellenbegriffe ausschließlich nach Quellengattungen getrennt zu untersuchen. Das Besondere scheint im hier behandelten Fall ja gerade darin zu liegen, dass der rhetorische Stil, mit dem über das politisch-religiöse Gemeinwesen und die daraus für den Einzelnen erwachsenden Konsequenzen reflektiert wurde, Genregrenzen transzendierte, sich nicht nur in Urkunden, Urkundenformeln und Kapitularien, sondern auch in hofnahen Briefen und Geschichtswerken findet. Das gründet in der sprachlichen Eingängigkeit solcher Formeln ebenso wie in der eingangs erwähnten Tatsache, dass diese sich einer im weitesten Sinne rechtlichen »Fachsprache« zuordnen lassen, die eine – vergleichsweise – hohe Artifizialität und Konsistenz aufweist. Abschließend ist noch einmal zu betonen, dass es sich bei der Formel um ein Zeugma handelt, also um eine sehr gewählte, bewusst mit der Zweideutigkeit des Wortes fidelis spielende Stilfigur. Nach Überzeugung ihrer Urheber und Benutzer konnte diese sprachliche Einkleidung dabei helfen, ein »synergisches Denken« zu fördern, welches kirchliches und herrscherliches Recht als zusammengehörig und komplementär begriff. Dabei ist es charakteristisch, dass der »Sprache der Treue«, welche dieses Zeugma zu verdichten suchte, in ihrem Grundton eine ausgesprochene emotionale und moralische Suggestionskraft eignete.234 Das wiederkehrende Zeugma ist in einem solchen Verwendungszusammenhang nicht mehr einfach »eine vereinzelte rhetorische Figur«, denn »objektiviert und 233 Vgl. dazu Paul J. Fouracre, Carolingian Justice. The Rhetoric of Improvement and Contexts of Abuse, in: La giustizia nell’alto medioevo (secoli v–viii), Spoleto 1995, Bd. 2, S. 771–803. 234 Vgl. etwa Tanja Gloyna, »Treue«: Zur Geschichte des Begriffs, in: Archiv für Begriffsgeschichte 41 (1999), S. 65–85; Dorothea Weltecke, Gab es »Vertrauen« im Mittelalter? In: Ute Frevert (Hg.), Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 67–89.

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verallgemeinert, tendiert es … dazu, die Modi von Wahrnehmung, Erfahrung und Sprache überhaupt zu okkupieren«.235 Hat man sich erst einmal für die »zeugmatische Erfahrung« sensibilisiert und dafür, dass die karolingische Formel ein komplexeres politisch-religiöses Denken komprimiert zum Ausdruck bringen sollte und selbst Ausdruck einer hohen, sich an Maßstäben der antiken Rhetorik orientierenden Reflexion über die Ausdrucksmöglichkeiten der lateinischen Sprache war, so fallen bei einer Durchmusterung karolingerzeitlicher Quellen umso mehr die zahlreichen ähnlich konstruierten Sprachformeln ins Auge, welche zum Umfeld der Wortformel fideles Dei et regis zu rechnen sind und auf eine ›gepflegte Semantik‹ rechtlicher Sprache verweisen. Sie sind als das Ergebnis eines Ringens um Worte anzusprechen, die letztlich um die Idee der fidelitas kreisten und in einem religiösen, moralischen und emotionalen Ton an das Selbstwertgefühl des Einzelnen appellierten – worin man durchaus ein Signum dieser Zeit erblicken darf. Jenseits aller vorgeblichen oder tatsächlichen Bemühungen des karolingischen Hofes um »Vereindeutigung«236 zeigen rhetorische Elemente wie das hier behandelte Zeugma, mit welcher Raffinesse im politisch-religiösen Diskurs der Karolingerzeit über »Textsorten« hinweg am Vokabular und an prägnanten Wendungen gefeilt wurde. Das Spiel mit der Ambiguität von Begriffen, aber auch das Vertrauen in die suggestive Kraft politischer Rhetorik, die hieraus sprechen, bezeugen ein hohes Reflexionsniveau, das weit über das rein Sprachliche hinausreichte. Es demonstriert von einer anderen Seite her die seit 789 immer wieder manifest werdende Fähigkeit der engsten Berater Karls des Großen, Leitideen des politisch-religiös verstandenen Gemeinwesens emblematisch auf den Punkt zu bringen. Je nach politischer Situation suchten sprachgewandte Kleriker und Kanzlisten auf diese Weise, der Stimme des Herrschers Nachdruck zu verleihen.237 Sie nahmen diese und andere Formeln in Dienst, um innerhalb des karolingischen Großreiches die rechtliche Selbstbeschreibung der politischen-religiösen Ordnung gleichsam zu essentialisieren und ihr gegenüber andere innergesellschaftliche Trenn- und Identifika235 So der bereits zitierte Romanist Schulz-Buschhaus, Zeugma und zeugmatische Erfahrung, S. 33, der diese Beobachtung am reichen Gebrauch des Zeugmas im Werk Gustave Flauberts gemacht hat. 236 Ein Leitmotiv der Politik Karls des Großen erkennt hierin Stefan Weinfurter, Karl der Große. Der heilige Barbar, München 22014, S. 178–224. 237 Vgl. dazu Janet L. Nelson, The Voice of Charlemagne, in: Richard Gameson / Henrietta Leyser (Hg.), Belief and Culture in the Middle Ages. Studies Presented to Henry MayrHarting, Oxford 2001, S. 76–88; Anton Scharer, Die Stimme des Herrschers. Zum Problem der Selbstaussage in Urkunden, in: Karel Hruza / Paul Herold (Hg.), Wege der Urkunde, Wege der Forschung. Beiträge zur europäischen Diplomatik des Mittelalters, Wien 2005, S. 13–21, sowie Karl Ubl, Die Stimme des Kaisers. Persönlichkeit und Persona in den Dokumenten Ludwigs des Frommen, in: Archiv für Diplomatik, Schrift­ geschichte, Siegel- und Wappenkunde 63 (2017), S. 47–69, hier S. 55.

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tionslinien wie Familie, Siedlungsverband oder Ethnos bewusst in den Hintergrund treten zu lassen. Es gab in der Geschichte des Karolingerreiches immer wieder Situationen, in denen es den Herrschern und ihren Beratern sinnvoll erscheinen mochte, sich speziell dieser Redeweise zu bedienen. Es waren dies Situationen, in denen man offenbar glaubte, dass die Dinge geradezu auf des Messers Schneide standen – vor allem als es galt, militärische Gegner und religiöse Laster zu bezwingen, Gesetze und Sünden zu erlassen sowie eine Rechtsreform und ein Wortspiel zu wagen.

Register

Ado  73 Agambertus  70–73, 78 Agobard, Ebf. von Lyon  256, 333 Aistulf, langobard. Kg.  192, 231, 235, 339 Alarich II ., westgot. Kg.  10, 22, 25, 61, 63, 71 f., 78, 84 Alkuin von York  44, 51, 133, 145, 162, 212 f., 318, 323, 325, 370 Ambrosius, Bf. von Mailand  329 Amolo, Ebf. von Lyon  255 Anianus  63 Ansegis, Abt von Fontenelle  79, 84, 99, 106 f., 110 f., 114, 139, 258, 362 Aribert  124 Arn, Ebf. von Salzburg  28, 50, 54, 221, 223, 225, 258 Arnulf, Bf. von Metz  41 Arnulf von Kärnten, K.  296 Atto, Bf. von Vercelli  256 Augustinus, Bf. von Hippo  211–215, 217, 219 f., 225, 289, 309, 325

Childebert IV., fränk. Kg.  188 Childerich II ., fränk. Kg.  172 Childerich III ., fränk. Kg.  71, 175 Chilperich I., fränk. Kg.  80, 185 f. Chilperich II ., fränk. Kg.  172, 189 Chlodwig I., fränk. Kg.  19, 73 Chlodwig II ., fränk. Kg.  172, 186 Chlodwig III ., fränk. Kg.  172 Chlodwig IV., fränk. Kg.  189 Chlothar I., fränk. Kg.  70 f., 80, 120 Chlothar II ., fränk. Kg.  63, 72, 125, 172 f., 185 Chlothar III ., fränk. Kg.  172, 186 Chlothar IV., fränk. Kg.  172 Cicero  262, 266, 271, 281

Beda Venerabilis  213, 217, 324 Benedictus Levita  99, 107, 111, 113 f., 145 Benedikt von Aniane  96, 98 f., 104–107, 112 f., 162 Bernhard, Kg. von Italien  141 Bertrada, fränk. Kgn.  339 Bonifatius, Ebf. von Mainz  123, 125, 127, 145, 162

Einhard  132, 134 Ephrem der Syrer  214 Eucherius, Bf. von Lyon  330 Eugen II ., P.  154 Ezechiel  46

Caesar  262, 265, 322 Caesarius, Bf. von Arles  214–216 Caracalla, K.  309 Cassiodor  324 Childebert I., fränk. Kg.  68, 70 f., 73, 77, 80, 122 Childebert II ., fränk. Kg.  63, 183 Childebert III ., fränk. Kg.  69, 172

Dagobert I., fränk. Kg.  72, 172, 343 Dagobert III ., fränk. Kg.  172 Desiderius, Bf. von Cahors  343 Desiderius, langobard. Kg.  339 Donatus  323 f.

Fastrada, fränk. Kgn.  75, 78, 343, 349 Folkwin  360 Fredo  73 Fulrad, Abt von St. Denis  338, 341 f., 344, 350 Georg, Bf. von Ostia  146, 235 Gherbald, Bf. von Lüttich  79, 108, 145, 303 Gisela  172 Gregor, Bf. von Tours  120, 235 Gregor II ., P.  235

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Register

Gregor I., P.  213, 295 Grimalt  101, 103 Gunthram I., fränk. Kg.  120, 183, 185

Karl Martell, Hausmeier  41, 43, 72, 339 Konrad I., ostfränk. Kg.  172 Konstantin I. der Große, K.  150

Hadrian I., P.  235 Haggai  57 Haimo von Auxerre  53 Haistulf, Ebf. von Mainz  217 f. Hamingus  63 Hatto, Ebf. von Mainz  296 Helmigaud  124 Herakleios, K.  72 Hieronymus  53, 307 Hildebold, Ebf. von Köln  217 Hildegard, fränk. Kgn.  348 Himiltrud, fränk. Kgn.  346, 348 Hinkmar, Ebf. von Reims  89, 158, 267 f., 362 Hrabanus Maurus, Ebf. von Mainz  53, 56, 217–219, 224, 257 Hucbald von Saint-Amand  188

Laidobrand  73 f. Leo I., P.  293, 295 Liutprand, langobard. Kg.  149 Lothar II ., fränk. Kg.  172, 351, 361 Lothar I., K.  118, 129, 131, 135 f., 139, 153 f., 172, 183 f., 186, 202, 251, 276, 285, 292, 351 Ludwig das Kind, ostfränk. Kg.  172 Ludwig I. der Fromme, K.  14, 19, 21, 26, 28 f., 31, 36, 38, 50 f., 56–60, 64–66, 77, 79, 83, 86, 90–92, 94–100, 102–111, 113 f., 117 f., 129–131, 134–140, 142, 145, 149, 151 f., 154 f., 162, 172, 176, 178, 184, 186 f., 193, 215, 225, 248, 250, 254, 256, 261, 276, 285, 297, 300 f., 307, 313, 348, 351, 356, 360, 368 Ludwig II . der Deutsche, ostfränk. Kg.  172, 257, 267, 280, 351, 361 Ludwig III . der Blinde, K.  172 Ludwig III . der Jüngere, ostfränk. Kg.  172

Isidor, Bf. von Sevilla  10, 23, 29, 52 f., 62, 72, 235, 284 f., 291, 293, 295 f., 305, 323 Iulius  329 Jonas, Bf. von Orléans  53, 56, 307 f., 313 Josias, jüd. Kg.  45 Justinian, K.  150 Karl der Große, K.  11, 14, 19, 21 f., 26, 28– 30, 36, 38, 43–46, 48–51, 54 f., 59 f., 62 f., 66, 68, 71–73, 75, 79, 83–86, 91–94, 103, 108, 110, 112, 118 f., 127, 129, 131–134, 137, 139 f., 143, 145–151, 153, 155–157, 159–162, 164, 169, 172 f., 175, 184–190, 193, 212, 221, 223–225, 229, 233–235, 238 f., 241–248, 250–254, 256, 261, 276, 283 f., 291, 294, 296, 300, 305, 308, 311, 313, 315, 325, 333 f., 337–339, 342–345, 347–359, 361–365, 368 f., 371, 373 Karl der Jüngere, Kg.  172, 359 Karl II . der Kahle, K.  14, 19, 21, 29, 118, 130, 132, 136, 161, 172, 184, 239 f., 248, 251, 254, 261, 267, 277, 292–296, 304, 313, 336, 359, 361 f. Karl III . der Dicke, K.  172 Karlmann, Hausmeier  27, 41–43, 71, 122–125, 145, 173, 233 Karlmann I., fränk. Kg.  172, 186, 188 f., 339 Karlmann II ., westfränk. Kg.  267, 302, 308

Malachi  52 f. Marcellinus  212 Maximian, K.  330 Michael II ., K.  145 Moses  50 f. Nectarius  211 Noah  215 Paschasius Radbertus  56 Paulinus, Patriarch von Aquileia  50, 150 Paul I., P.  339, 341 Paulus  51, 298, 311 Paulus Diaconus  162 Petrus  311, 339 f. Pippin der Bucklige  346, 348 Pippin II . der Mittlere, Hausmeier  339, 343 Pippin III . der Jüngere, fränk. Kg.  27, 36–44, 59, 61–63, 66, 71 f., 77, 122–125, 127–129, 145, 159 f., 169, 172 f., 175, 184, 186–189, 233, 252 f., 256, 310 f., 338–342, 344, 347, 350, 368 Pippin II ., Kg. von Aquitanien  361 Pippin I, Kg. von Aquitanien  53 Pippin, Kg. von Italien  85, 146–149, 254, 276, 279

377

Register Priscian von Caesarea  324 Radobod  124 Reccared I., westgot. Kg.  142 Reginbert  101 f., 256 Rothari, langobard. Kg.  145 Sedulius Scottus  323 Sigibert III ., fränk. Kg.  185 Sisebut, westgot. Kg.  72 Stephan, Gf. von Paris  67, 140, 238 Stephan, hl.  215 Stephan II ., P.  338–341 Stephan IV., P.  150 Sulpicius, Bf. von Bourges  343 Tacitus  275, 322 Tassilo III ., bayer. Hzg.  347

Tatto  101, 103 Tertullian  329 Theodold, Gf.  349 Theodosius I., K.  329 Theodulf, Ebf. von Orléans  151, 162, 255 Theophilos, K.  145 Theotmar, Abt von Montecassino  103, 112 Theuderich III ., fränk. Kg.  71 f., 172, 188 Theuderich IV., fränk. Kg.  172, 175 Vandalgarius  72 Vegetius  330 Walafrid Strabo  299 Wido, K.  302 Wulfoald, Hausmeier  341 Zwentibold, Kg. von Lotharingien  172