Die SARS-Krise in Hongkong: Zur Regierung von Sicherheit in der Global City [1. Aufl.] 9783839406120

Die SARS-Krise in Hong Kong im Jahr 2003 stürzte die Millionenstadt in einen mehrere Monate dauernden Ausnahmezustand, i

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Die SARS-Krise in Hongkong: Zur Regierung von Sicherheit in der Global City [1. Aufl.]
 9783839406120

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
Phänomenologie eines Angstraums
Methode
Fokus
Aufbau
I GENEALOGIE EINER KRISE
GROUND ZERO
Ein Land, zwei Systeme
"Asias World City" – das Schaufenster Chinas
Zoonose
Mystery Illness
Hotel Metropole
HONG KONG, SAR(S)
Das Geheimnis von Amoy Gardens
Der erste April
Fear of Touch – die Angst vor der Stadt
Territorien des Selbst
Reales Risiko
"Mask City"
Affektive Epidemien als politisches Problem
"The Cost of SARS"
II DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM
Die Genealogie des Sicherheitsraums
Die Regierung der Stadt
Sicherheitsdispositive
Die Produktion städtischer Sicherheit
Die Bevölkerung
Das Milieu
Safe Imagined Environments – Sicherheit in der Global City
Öffentlichkeit und Risikowahrnehmung
III DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE
DIE VERORTUNG VON SARS
"HONG KONG IS NORMAL"
Alltag mit SARS
Archipele der Sicherheit
Hygiene als Teil städtischer Sicherheit
TEAM CLEAN
"Use of Momentum"
Blackspots und Grey Areas
Die bisherige Regierung von Hygiene
DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY
"World Class Citizen"
Städtische Identität als gouvernementales Machtinstrument
Urban Imagineering
Die Implementation durch Praktiken
Die Herstellung einer städtischen Community
Die Community einbeziehen – District Hygiene Squads
Neue Repressionsorgane
Disziplinierung über Raum – Das Marking Scheme
IV BEHIND THE MASK
Das Ende der Informellen Stadt
Hong Kongs spezifische Urbanität
Die Ahistorisierung sozialer Probleme
Die Umwertung zivilgesellschaftlicher Energien
Hygiene im Schnittfeld unterschiedlicher Gouvernementalitäten
FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
DANKSAGUNGEN

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Evelyn Lu Yen Roloff Die SARS-Krise in Hong Kong

Materialitäten | Hg. von Gabriele Klein, Martina Löw und Michael Meuser | Band 3

Evelyn Lu Yen Roloff

Die SARS-Krise in Hong Kong Zur Regierung von Sicherheit in der Global City

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Innenlayout: Kathrin Koggelmann & Evelyn Lu Yen Roloff Lektorat & Satz: Evelyn Lu Yen Roloff Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-612-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG Phänomenologie eines Angstraums Methode Fokus Aufbau

I GENEALOGIE EINER KRISE

7 10 12 14 17

GROUND ZERO Ein Land, zwei Systeme "Asias World City" – das Schaufenster Chinas Zoonose Mystery Illness Hotel Metropole

20 21 21 24 25 26 27

HONG KONG, SAR(S) Das Geheimnis von Amoy Gardens Der erste April Fear of Touch – die Angst vor der Stadt Territorien des Selbst Reales Risiko "Mask City" Affektive Epidemien als politisches Problem "The Cost of SARS"

30 32 35 36 39 40 44 47 48

II DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

52 54 56 56 58 59 60 62 65

Die Genealogie des Sicherheitsraums Die Regierung der Stadt Sicherheitsdispositive Die Produktion städtischer Sicherheit Die Bevölkerung Das Milieu Safe Imagined Environments – Sicherheit in der Global City Öffentlichkeit und Risikowahrnehmung

III DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

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DIE VERORTUNG VON SARS

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"HONG KONG IS NORMAL" Alltag mit SARS Archipele der Sicherheit Hygiene als Teil städtischer Sicherheit

74 74 77 78

TEAM CLEAN "Use of Momentum" Blackspots und Grey Areas Die bisherige Regierung von Hygiene

83 84 84 87

DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY "World Class Citizen" Städtische Identität als gouvernementales Machtinstrument Urban Imagineering Die Implementation durch Praktiken Die Herstellung einer städtischen Community Die Community einbeziehen – District Hygiene Squads Neue Repressionsorgane Disziplinierung über Raum – Das Marking Scheme

89 90 93 93 97 100 101 102 105

IV BEHIND THE MASK Das Ende der Informellen Stadt Hong Kongs spezifische Urbanität Die Ahistorisierung sozialer Probleme Die Umwertung zivilgesellschaftlicher Energien Hygiene im Schnittfeld unterschiedlicher Gouvernementalitäten

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FAZIT

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LITERATURVERZEICHNIS

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

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DANKSAGUNGEN

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EINLEITUNG

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SARS SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) ist eine schwere virale Infektion der Lunge, die tödlich sein kann. Der Virus, der SARS verursacht, gehört zur Familie der Coronaviren, die etwa 10 bis 15 % aller gewöhnlichen Erkältungen verursachen. Innerhalb von zwei bis zehn Tagen nach der Infektion mit SARS entwickelt ein Individuum Symptome wie Husten, Fieber und Gliederschmerzen, die schwierig von anderen Lungenerkrankungen abzugrenzen sind. Die primäre Übertragungsgefahr geht von dem direkten oder indirekten Kontakt mit Lungensekreten oder damit verschmutzten Objekten aus. Ein anderes Merkmal der Krankheit ist das Auftreten von so genannten "Superspreading Events", bei denen sich durch eine Kombination von Patient, Umgebung und anderen Faktoren die Krankheit anscheinend stärker überträgt. Nach Angaben der WHO liegt die globale Sterblichkeitsrate durch SARS bei etwa 11 Prozent, sowie bei mehr als 50 Prozent bei Patienten über 65 Jahren. Von ihrer Entdeckung im Februar bis zur ihrer ersten Eindämmung im Juli 2003 traten insgesamt 8.098 Infektionen mit 774 Sterbefällen in 32 Ländern Asiens, Europas und Amerikas, darunter vor allem Kanada,Taiwan, Singapur auf; aber auch Städte in den USA, Australien, Deutschland,Thailand, Malaysia,Vietnam und England waren betroffen.[1] Nach einigen Einzelfällen im ersten Halbjahr 2004 in China gilt die Krankheit inzwischen als eingedämmt. SARS hatte seinen Ursprung in China. Außerhalb der VR China war die Stadt Hong Kong mit insgesamt 1755 Patienten mit 299 Toten von den meisten Fällen betroffen. Über Hong Kong verbreitete sich erstmalig eine derart gefährliche Infektionskrankheit durch den internationalen Flugverkehr in die urbanen Zentren der westlichen Welt.[2] Aus diesem Grund wurde SARS von den Medien auch als die erste "globalisierte Krankheit des 21. Jahrhunderts" bezeichnet.[3]

[Abb.] Fernseh-Screen am Times Square im Einkaufsviertel Causeway Bay. Passanten sehen die Nachrichten mit den Neuigkeiten über SARS. Medialer und realer Stadtraum verschwimmen miteinander. [1] www.who.int/csr/sarsarchive/ 2003_04_07/en/, Stand 13.5.2003 [2] Toronto,Taipei, Europa,Amerika,Australien, asiatische Metropolen [3] Diese Definition bezog sich auf die Ausbreitung einer neuen Krankheit über die globalisierten Verkehrsströme, insbesondere dem internationalen Flugverkehr. Präziser wäre es gewesen, die Krankheit "globalisierend" zu nennen. Denn es existieren bereits etliche weltweit verbreitete, d.h. globale Krankheiten wie AIDS, Grippe und Krebs. Die Besonderheit der Krankheit SARS war zudem, dass sie Globalisierungsprozesse im internationalen Gesundheitswesen erst hervorbrachte, etwa die Zusammenarbeit bei der Entschlüsselung des Genoms von SARS durch mehr als 13 Forschungslabore weltweit.

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EINLEITUNG

PHÄNOMENOLOGIE EINES ANGSTRAUMS Jetzt nicht einatmen. Ein Mann hat gehustet, neben mir, in der U-Bahn. In ringförmigen Wellen breitet sich die Angst auf die Umherstehenden aus, oft direkt sichtbar in einem körperlichen Zurückweichen. Es ist Berufsverkehr in der SARS-Zeit. Einige der Passagiere tragen Masken. Man versucht möglichst viel Abstand voneinander zu halten. Augen blicken starr zu Boden, mustern unauffällig die anderen. Es herrscht Spannung im Abteil, das Beisammensein mit fremden Menschen ist in Zeiten der Kontaktübertragung risikohaft geworden. Die Bahn durchquert den Untergrund Hong Kongs von Kowloon bis nach Causeway Bay, dem Einkaufsviertel im Osten von Hong Kong Island. Ich steige aus. Lange labyrinthische Flure in mehreren Etagen müssen durchquert werden, bevor man an die frische Luft kommt. Das Summen der Klimaanlagen, aus denen die Luft zugeführt wird, scheint lauter als sonst. Szenen aus dem Film Outbreak laufen vor dem inneren Auge ab. Unsichtbare Viren, die aus Lüftungsschächten in die Lungen nichts ahnender Passanten dringen, um dort tödliche Krankheiten auszulösen. Die mit Neonlicht beleuchteten Gänge erscheinen plötzlich klaustrophobisch eng. Der lila gekachelte Schlauch steigt nur langsam an, die glatte Röhre bietet kein Entrinnen, schleust einen in die nächste Ebene, wo ein nächster Schlauch beginnt. Fremde überholen eiligen Schrittes zur Linken. Das Klappern ihrer Schuhe auf dem glatten Boden ist laut. Juckreiz an der Nase. Unter meiner Maske hat sich Schweiß gebildet. Nicht anfassen! Erst die Hände mit Desinfektionsspray einsprühen, trokken tupfen, ein neues Tuch aus der Plastikdose ziehen, darin den Finger einwickeln, dann vorsichtig mit dem Fingernagel die juckende Stelle an der Nase bearbeiten. Die Maske festdrücken, den dünnen Draht unter der OP-grünen Gaze fest an die Nase biegen, die Gummibänder an den Ohren zurückziehen. Die Seiten rechts und links andrücken, den Spalt verkleinern. Merken, dass die Augen offen sind, zwei von Tränenflüssigkeit feuchte, verwundbare organische Bälle; dass die Luft auch an den Seiten der Maske vorbei hinein ins Körperinnere, die Lunge, zieht. Die Grenze zwischen dem Körper und seiner Umwelt ist porös, unsicher. Endlich draußen. Auf dem Vorplatz der Shoppingmall Time Square, einem Treffpunkt für Verabredungen im Einkaufsviertel Causeway Bay, stehen nur wenige Menschen. Auf dem großen Fernsehscreen an der Fassade sind maskierte Menschen zu sehen.Wieder gibt es mehr Infizierte, seit Tagen steigen die Zahlen. Nach der Infektion eines Angestellten der Zentralbibliothek in Causeway Bay wurde diese Bibliothek für eine Desinfektion geschlossen – und das, obwohl die Regierung bislang beteuert hatte,

EINLEITUNG

dass das Virus nur in Krankenhäusern auftrat. Die Erkenntnis kommt mit einem Schock: Ich war genau in der kritischen Zeit in dieser Bibliothek. Die erste Beklemmung weicht einem inneren Film, der sich noch einmal meinen Aufenthalt dort vergegenwärtigt. Es war voll an diesem Samstag, so dass ich im Lift dicht gedrängt mit dutzenden fremder Menschen in den dritten Stock fahren musste. Oben waren alle Leseplätze neben der Glasgalerie und an der Fensterfront besetzt. Ein Bibliothekar hatte mir Zeitungen ausgehändigt – war er derjenige, der zu diesem Zeitpunkt schon das Virus in sich trug? Ich hatte mir die Hände nicht gewaschen. Die geschilderte Episode markiert den Beginn einer von SARS völlig vereinnahmten Periode. Schon kurze Zeit später verdrängte die Krankheit selbst den beginnenden Irak-Krieg der USA aus den lokalen Medien. Die nächsten Wochen waren ein einziger Ausnahmezustand. Als die Fallzahlen weiter stiegen, verließen deutsche und englische Freunde auf unbestimmte Zeit die Stadt, ohne sich zu verabschieden, chinesische Bekannte verbarrikadierten sich wochenlang mit ihren Familien in ihren Wohnungen, während Freunde aus Hamburg, New York und Australien aufgeregt per E-Mail den Kontakt suchten und in Katastrophenszenarien schwelgten. Dann schlossen die Universitäten und Bibliotheken und Seminare wurden bis auf weiteres abgesagt. Ein merkwürdiges Phänomen wurde deutlich – während nur wenige einzelne Personen tatsächlich von Angst beherrscht waren, setzten sich gesellschaftlich immer mehr Vorsichtsmaßnahmen wie Selbstquarantäne oder das Tragen von Masken durch, die sich in ihrer Summe zu einem Ausnahmezustand manifestierten. Auf dem Höhepunkt der SARS-Krise glich die Stadt sogar der wahrgewordenen Dystopie einer von einer Seuche bedrohten Stadt mit leergefegten Straßen und in der Öffentlichkeit zu beobachtenden Panikreaktionen. Dieser Ausnahmezustand nahm in Hong Kong einen spezifischen Verlauf, der von der Entwicklung in anderen von SARS betroffenen Städten wie Singapur,Toronto oder Peking deutlich abwich. Ließen sich aus dem allgemeinen Chaos einzelne Faktoren heraustrennen, die aus der Reaktion der Hong Konger auch Rückschlüsse über die Gesellschaft Hong Kongs erlaubten? Welche lokalen politischen und kulturellen Faktoren machten also dieses soziologische Phänomen "SARS in Hong Kong" aus? An einem unheimlich ruhigen Abend im ausgestorbenen Ausgehviertel Lan Kwai Fong entstand gemeinsam mit der Designerin Nicole Schadewitz und dem Kameramann Greg Evans von der Polytechnic University die Idee, diese Fragen zum Gegenstand von Videoaufnahmen zu machen.

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[4] Dabei fragten wir Passanten nach dem Zusammenhang zwischen ihren Masken und ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl. Die meisten Befragten differenzierten zwischen einer "unsicheren" Öffentlichkeit, wobei besonders geschlossene Räume als unsicher empfunden wurden, also Maskentragen erforderlich machte; und ihren privaten Wohnungen sowie offenen Räumen mit viel frischer Luft, in denen man sich auch ohne Maske aufhalten konnte. [5] So setzte beispielsweise die Webseite "Hong Kong Unmasked" ähnlich wie die von der Regierung ins Leben gerufene Hong Kong Relaunch Campaign zum Ziel, positive Repräsentationen über Hong Kong zu verbreiten; andere Kampagnen waren die "Smile HK Campaign" oder die "MyPledge" Campaign, bei denen Hong Konger Bürger dazu aufgerufen wurden, sich als "Botschafter" ihrer Stadt mittels Ansteckbuttons zu verantwortlicher Hygiene zu bekennen. [6] "Ethnographie" bezeichnet einen vor allem innerhalb der Anthropologie und Ethnologie, aber auch in der Soziologie existierenden Forschungsansatz, der unter Rückgriff insbesondere auf die Methode der teilnehmenden Beobachtung und der Befragung darauf zielt, die materiellen und symbolisch-semantischen Weltbezüge fremder Kulturen bzw. gesellschaftlicher Teilkulturen zu rekonstruieren. Der Anthropologe Clifford Geertz beschrieb seine Methode einmal so: "Wir reden mit dem Bauern auf dem Reisfeld oder mit der Frau auf dem Markt, weitgehend ohne strukturierten Fragenkatalog und nach einer Methode, bei der eins zum anderen und alles zu allem führt; wir tun dies in der Sprache der Einheimischen, über eine längere Zeitspanne hinweg, und beobachten dabei fortwährend aus nächster Nähe ihr Verhalten." (Geertz 1985: 38)

EINLEITUNG

Die in der Folge entstandenen Aufnahmen waren weniger eine gezielte Recherche als eine von Moment zu Moment getriebene Sinnsuche, die auf Nachrichten und Termine reagierte.Wir reisten kreuz und quer durch die Stadt zu den Orten, an denen das soziale Phänomen SARS produziert wurde – zu einer Pressekonferenz der WHO im Epizentrum der Hong Konger Krise, dem mit hunderten Fällen betroffenen Wohnhaus Amoy Gardens; einer Shoppingmall in Shatin und einem Wohnblock im Stadtteil Tai Po.Wir sprachen mit den Akteuren, die die Geschehnisse direkt produzierten – den deutschen Ärzten des WHO-Teams und ihrer Pressesprecherin, den vor Ort anwesenden Journalisten. Mithilfe von befreundeten Studenten und Helfern führten wir Blitzumfragen auf den Straßen Mong Koks und in einer Ausflugsgegend in Tai Po durch.[4] Über das Gespräch mit freiwilligen Helfern, Reiseverkehrskauffrauen,Angestellten, Straßen-Verkäufern, Kommilitonen und Austauschstudenten der Hong Kong University, den Professoren oder auch Passanten versuchten wir, uns den in der Öffentlichkeit kursierenden Meinungen zu nähern. Später vereinbarten wir längere Interviews mit der Politikerin und "Civic-Exchange-Leiterin" Christine Loh und ihrer Assistentin Yip-Yip Yan, dem Journalisten Nury Vittachi von der Far Eastern Economic Review, sowie Kevin Voigt und Geet Frank vom Asia Wall Street Journal. Außerdem führten wir teilnehmende Beobachtungen bei wichtigen Ereignissen, die zur Bewältigung der SARS-Krise hinzugehörten, durch. Im Rahmen der Kampagne Operation Unite begleiteten wir freiwillige Helfer bei einer Putzaktion in eine private Senioren-Wohnung eines Hochhauskomplexes in Kowloon. Am 29. April nahmen wir als Kamerateam an dem von dem Public Policy Think Tank "Civic Exchange" organisierten Workshop "Fearbusters" teil, der sich zum Ziel gesetzt hatte, Strategien der Krisenbewältigung in Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung zu entwickeln. In diesem Workshop wurden einige in den darauf folgenden Monaten startende Kampagnen gegründet.[5] Als die Krise langsam abflaute, wurden wir schließlich auch für einen Moment selbst zu einem Teil der Ereignisse, als wir die Video-Installation "Alltagsmutationen" bei der vom Hong Kong Arts Centre organisierten Ausstellung "SARS – a time like this" in der Galerie des Goetheinstituts Hong Kong präsentierten. METHODE Im Sinne Clifford Geertz´ stellen diese Videoaufnahmen ethnographisches Material dar, das als Deutungshintergrund für diese Studie genutzt wird.[6] Jedoch blieben die damals beobachteten Ereignisse teilweise unverständlich. Die im August 2003 in Deutschland entstandene Idee,

EINLEITUNG

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eine wissenschaftliche Arbeit über SARS zu schreiben, profitierte deswegen wesentlich von einem zweiten Aufenthalt in Hong Kong im Oktober des selben Jahres, bei dem ich die aus den Videoaufnahmen entstandenen Fragen zum Gegenstand einer weitergehenden Recherche machen konnte. Hierfür konzentrierte ich mich besonders auf weitere Interviews, sowie die Recherche in Zeitungsartikeln, Internetseiten,Weblogs, Büchern und Bildern. Intensivere Gespräche über ihre Erfahrungen waren mit drei Familien möglich, von denen die erste direkt in Amoy Gardens, die zweite in unmittelbarer Nähe des betroffenen Wohnkomplexes und die dritte im Stadtteil Shatin wohnte. Auch im Caritas Community Centre im Stadtteil Ngau Tau Kok konnte ich mehrere aufschlussreiche Gespräche mit Mitarbeitern und Betreuern der Senioren der nahe liegenden Problemhäuser "Lower Ngau Tau Kok Estate" und Amoy Gardens führen. In dieser Arbeit fließen beide Ebenen zusammen – die Erlebnisse der tatsächlichen Geschehnisse, und die Reflexion und die gesellschaftlichen Deutungsprozesse, die sich erst im Laufe der Zeit herauskristallisierten. Dabei hat sich ein gouvernementaler Ansatz als hilfreich erwiesen. Dieser stellt eine Möglichkeit dar, gesellschaftliche Entwicklungen in ihrer historischen und geographischen Einzigartigkeit zu betrachten. Besonders in den letzten fünf Jahren hat sich das Konzept der Gouvernementalität im deutschsprachigen Raum derart durchgesetzt, dass sich inzwischen die so genannte "Gouvernementalitäts-Forschung" als eigenständiges Forschungsfeld innerhalb der Sozial- und Kulturwissenschaften herausgebildet haben.[7] Die Arbeiten, die sich an dieses Paradigma anschließen, zeichnen sich bei einer Vielfalt der Themen durch einige Gemeinsamkeiten aus. Sie untersuchen den Zusammenhang von Technologien des Selbst mit modernen Regierungstechniken, mit denen der Staat die individuellen Freiheiten der Bürger zu lenken versucht; sie arbeiten methodisch eng am beschriebenen Gegenstand, und im Fall einer Analyse neuer Regierungsprogramme häufig diskursanalytisch.[8] Die Arbeiten der GouvernementalitätsStudies werfen zumeist einen aktuellen Bezug auf und beziehen sich konkret auf momentan ablaufende politische Prozesse. Als grundsätzlich kritischer Strang der Geisteswissenschaften sind sie der "Kunst" verpflichtet, "nicht regiert zu werden".[9] Insbesondere weist der gouvernementale Ansatz eine Ähnlichkeit zu qualitativen Vorgehensweisen der Sozialforschung auf. Damit besteht eine hohe Anschlußfähigkeit für eine ethnographische Perspektive, wie sie in dieser Arbeit auf Regierung angewandt wird.

[7] Einen Überblick über die englischsprachigen Arbeiten bietet Mitchell Dean (1999) in der Einleitung seines Buches "Governmentality". Arbeiten zum Thema der "Neoliberalisierung des Sozialen" wurden im Sammelband von Ulrich Bröckling und Susanne Krasmann veröffentlicht (2000). Hier finden sich unterschiedliche Auseinandersetzungen mit bestimmten Phänomenen der Gegenwart, etwa Gentechnologie und moderner Kriminologie. Eine Zusammenfassung über die Entwicklung der deutschsprachigen Gouvernementalitätsstudies findet sich bei Pieper und Gutierrez (2003: 7ff.). [8]"Techniken, die es Individuen ermöglichen, mit eigenen Mitteln bestimmte Operationen mit ihren eigenen Körpern, mit ihren eigenen Seelen, mit ihrer eigenen Lebensführung zu vollziehen, und zwar so, dass sie sich selber transformieren, sich selber modifizieren und einen bestimmten Zustand von Vollkommenheit, Glück, Reinheit, übernatürlicher Kraft erlangen."(Foucault 1993: 18) [9] Ziai 2003: 422

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EINLEITUNG

FOKUS Diese Studie möchte das soziale Phänomen SARS in seiner Entstehung und Transformation nachvollziehen. Dabei möchte ich meine Beobachtungen um das Thema der Regierung von Krise und Sicherheit in der Global City bündeln. Der Begriff der "Regierung" oszilliert im Deutschen stark mit dem Institutionen-basierten Regierungsbegriff der Politikwissenschaft, mit dem man das Regierungssystem aus Exekutive, Legislative und Judikative fassen würde. Der Regierungsbegriff bei Foucault verweist dagegen auf die hinter dem Regierungsakt stehende Rationalität des Regierens, auf das "Wissen und […] die Formen der Rationalität, die das politische Handeln anleiten und begründen".[10] Diese Rationalität der Regierung wird nach Foucault in der gesamten Gesellschaft wirksam. Hier verschiebt sich der Schwerpunkt zugunsten der Regierten. Aus einer subjektzentrierten Perspektive fragt Foucault etwa danach, wie Regierung dort einzugreifen sucht, wo der konkrete Einflussbereich der bestehenden Regierungsapparate aufhört.Wenn im Folgenden von Regierung die Rede ist, dann wird damit diese Perspektive auf die konkreten Regierungsapparate und -Praktiken übertragen.[11]

[10] Lemke 1997: 158. [11] Foucault selbst verwendet auch den französischen Begriff "gouverner", der mit "Führung" übersetzt werden kann: "Führung ist zugleich die Tätigkeit des Anführens anderer (vermöge mehr oder weniger strikter Zwangsmechanismen) und die Weise des Sich-Aufführens in einem mehr oder weniger offenen Feld von Möglichkeiten. Machtausübung besteht im "Führen der Führungen" und in der Schaffung der Wahrscheinlichkeit. […] Regieren heißt in diesem Sinn, das Feld eventuellen Handelns der anderen zu strukturieren." (Foucault 1999: 193)

Eine Krise ist aus dieser Perspektive ein einzigartiger Moment – denn sie ermöglicht es, den Prozess der Regierung von Sicherheit in seiner historischen und materiellen Herausbildung zu verfolgen und damit die Herstellung von "Normalität" und "Sicherheit" direkt zu beobachten. Es ist dabei mein Ziel, die Regierung von SARS nicht allein auf der Ebene des Regierungsprogrammes zu diskutieren und damit als Diskursanalyse anzulegen, sondern die Regierungsprogrammatik als taktisch, d.h. in die historischen und sozialen Kontexte der SARS-Krise eingebettete Vorgehensweise zu verstehen. Damit liegt der Schwerpunkt darauf, die Bezüge zwischen den Vorkommnissen in Öffentlichkeit und Populärkultur und Regierung aufzuzeigen. Dies entspricht auch der von der Gouvernementalität postulierten Perspektive auf Regierung als "Scharnier", d.h. als Verbindung zwischen alltäglichen und subjektiven Welten und der Ebene der Verwaltung durch den Staat bzw. den lokalen Staat oder die Stadt. Aus dem Interesse an der Stadtsoziologie heraus möchte ich diese Verbindung auf der Ebene räumlicher Phänomene betrachten. Raum spielt sowohl als Objekt der Verwaltung wie auch als subjektiv mit kultureller Bedeutung aufgeladene Lebensumwelt eine wichtige Rolle bei der Herstellung der Beziehung zwischen Subjekt und Staat. Die sozialräumlichen Aspekte der Gouvernementalität sind bisher nur sehr ansatzweise ausge-

EINLEITUNG

arbeitet. Mit der gouvernementalen Regierung von Städten haben sich im englischsprachigen Raum bislang Alan Hunt (1996), Nicolas Rose (2000), Ash Amin (2004) und Nigel Thrift (2002), Mike Raco (2000, 2003) und Benjamin Chesluk (2004) auseinandergesetzt. Im deutschsprachigen Raum zeichnen sich besonders einige Arbeiten aus der kritischen Kriminologie durch die Verwendung einer gouvernmentalen Perspektive in bezug auf Stadt aus. Sie beschreiben einen Wandel städtischer Kontrollformen, der sich von der Kontrolle konkreter Personen hin zu der Kontrolle von Räumen und Situationen verschiebt (Krasmann 1999) oder durch neue Vorstellungen der Verantwortlichkeit gegenüber "riskanten" Verhaltensformen geprägt ist (De Marinis 2000). In diesen Arbeiten wird das Städtische als "Scharnier" zwischen Machtformen und Subjektivierungsprozessen begriffen. Dies bietet auch eine neue Perspektive auf die Diskussion von städtischer Sicherheit an, wie sie den veränderten Raumbedingungen in der Global City angemessen sind.[12] Denn die Beziehung zwischen Sicherheit und städtischen Räumen wurde im stadtsoziologischen wie urbanistischen Diskurs bisher vor allem auf der Ebene von Überwachungs- und Kontrollstrategien bearbeitet, etwa in Bezug auf kriminelles und abweichendes Verhalten im öffentlichen Raum der Stadt.[13] Die einschlägige Literatur bezieht sich dabei häufig auf Foucaults Ausführungen zum Panoptismus aus "Überwachen und Strafen",da dort die Rolle von Architektur und Raum bei der Ausübung von Macht – ein Interessenschwerpunkt der Stadtsoziologie – am eindeutigsten thematisiert worden ist.[14] Raum erscheint hier angelehnt an die Figur des Panopticons als der durch Architektur strukturierte physische Raum, mit Hilfe dessen Körper an bestimmten Orten festgesetzt und angeordnet werden. Die derart fixierten Körper werden damit einer totalen Einsehbarkeit unterstellt, die sie dazu zwingt, sich normengerecht zu verhalten. Arbeiten, die auf das Panopticon rekurrieren, erfassen dementsprechend nur einige Aspekte des Sicherheitsthemas, nämlich disziplinarische und kontrollierende, d.h. innerhalb der Foucaultschen Machttheorie als repressiv einzuordnende Machttechnologien, die auf Einschließung,Teilung und Kontrolle beruhen, an klar definierbare physische Räume gebunden sind, und in irgendeiner Form mit "Sichtbarkeit" zu tun haben.[15] Die Kritiker von Überwachung und Kontrolle fokussieren deswegen zumeist auf die sozialen Ausgrenzungs- und Ausschlussverfahren, die rund um solche Kontrollmilieus entstehen und die Freiheit von individueller Bewegung und Privatsphäre einschränken; sowie auf die segregierenden Effekte, die diese Verfahren in der Topologie des Sozialen im öffentlichen Raum auslösen: etwa die Konstitution "abstrakter" oder "krimineller" Subjektivitäten [16] oder

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[12] S. zum Raumkonzept der Global City Sassen1991 [13] Krasmann/De Marinis 1997 [14] Foucault 1994: 251-294 [15] Vgl. zum Zusammenhang von Sichtbarkeit und Macht Rajchman 2002 [16] Krasmann/De Marinis 1997

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[17] Wehrheim 2002: 219, De Marinis 2000 [18] Diese Problematik mag sich in Zukunft ändern, da die "Unsichtbarkeit" der inneren Prozesse des Körpers durch neue Technologien tatsächlich immer mehr abniimmt. Sogenannte "Neuroökonomen" messen Gehirnströme bei Konsumenten, die auf Erregung, Lust und Begierde hindeuten. (Schnabel, Ulrich: Die Zeit, 13.11.2003). Mit der Kenntnis über neurophysiologische Prozesse des Körpers ließen sich so mit Thermographie (der Abbildung von Körpertemperatur über Infrarotkameras) auch Aufregung, Angst und andere Emotionen ablesen, die auf geplantes abweichendes Verhalten abzielen könnten. [19] Besonders in den USA rief die Krankheit deswegen Assoziationen zu bioterroristischen Szenarien hervor, glich der "unsichtbare" Patient doch terroristischen "Schläfern", deren Merkmal ein scheinbar normales Auftreten ist. (GAO-04-877) [20] In der von dem Engländer Daniel Percival produzierten fiktiven Dokumentation: "Bioterror: Tödliche Pocken" (England, 2002) wird ein bioterroristischer Anschlag entworfen, bei dem sich ein Terrorist selbst mit Pockenviren infiziert und so eine weltweite Pandemie auslöst. Der Terrorist mischte sich an zwei Hauptverkehrsknotenpunkten unter die Menge und steckte dort intentional hunderte Menschen an. Das Szenario malte unter realistischen Bedingungen aus, dass weltweit insgesamt 60 Millionen Menschen durch einen solchen Anschlag infiziert werden könnten. [21] Dies wurde auch 2005 bei den terroristischen Anschlägen auf London deutlich, also in einer Stadt, die für ihre flächendekkende Videoüberwachung international bekannt ist. Zwar wurde die nachträgliche Fahndung einfacher gemacht, das tatsächliche Ereignis aber blieb unkontrollierbar. Die Technologie soll dennoch weiter ausgeweitet werden. Es scheint das Sicherheitsbedürfnis einer breiten Mehrheit zu befriedigen, dass zumindest im nachhinein Täter identifiziert und gefasst werden konnten. [22] Wehrheim 2002: 213. Zur Unsicherheit als ontologischer Kategorie der modernen Stadt vgl. u.a.Wehrheim 2002: 19 [23] Glaeßner 2002: 5

EINLEITUNG

die Verdrängung und Exklusion sozialer Gruppen aus öffentlichen Räumen.[17] Dies gilt auch für die Arbeiten, die mit Hilfe von Gilles Deleuzes "Thesen zur Kontrollgesellschaft" das panoptische Prinzip der Sichtbarmachung auf neue Technologien wie GPS, Satellitenüberwachung, Kameraüberwachung, aber auch Computer, Kreditkarten erweitern. Diese machen zwar das panoptische Prinzip feinteiliger und unmerklicher, vernachlässigen jedoch häufig, dass sich jedes Kontrollmilieu nach wie vor aus lückenhaften Sicherheitsarchipelen zusammensetzt, die trotz neuer Formen der Sichtbarmachung (noch) keine umfassende Kontrolle der Gesamtgesellschaft ermöglichen.[18] Denn viele Gefahren, die den städtischen Raum betreffen, sind nach wie vor nicht sichtbar und können deswegen nicht unter einen panoptischen Machtmechanismus fallen.[19] Tatsächlich war es ein wesentliches Merkmal der SARS-Krise, dass die Viren in nicht-symptomatischen Körpern nicht erkannt werden konnten und sich deshalb so leicht ausbreiten konnten.Weder unbeabsichtigtes noch intentionales Verhalten wie jenes von Terroristen, die in einem gesund erscheinenden Körper mit hoch ansteckenden Viren wie etwa den Pocken in die Stadt reisen [20], könnten mit Videoüberwachung und Polizeipräsenz verhindert werden.[21] Dabei spielt Hong Kongs Charakter als "Global City" – also als offener, durch Mobilität und Austausch geprägter Raum – eine wichtige Rolle. Das SARS-Problem kann hier exemplarisch für die durch "Globalisierung" entstehenden Risiken verstanden werden. Die Entwicklung neuer Informationsstrukturen, globale Migrations- und Reisebewegungen sowie die zunehmende Interdependenz ungleichzeitig entwickelter und kulturell wie politisch heterogener Systeme haben die "ontologische Unsicherheit" der Großstadt weiter verstärkt.[22] Die daraus entstehende Fülle neuer, dezentraler und oftmals struktureller Risiken unterläuft nicht nur herkömmliche lokalisierte Bewältigungsmechanismen, sondern auch die bisherigen Monitoringfunktionen der nationalen Sicherheitssysteme, was die Erkennung von neuen Risiken erschwert. "Absolute Sicherheit", wie der Soziologe Glaeßner folgert, "ist angesichts sich rasant verändernder Umweltbedingungen nicht mehr herstellbar. Sie würde im Übrigen Stillstand oder gar Regression bedeuten."[23] Eine diesen Anmerkungen angemessene Konzeption von Sicherheit muss also nicht nur die Vorstellung des prinzipiell schließbaren, kontrollierbaren Raums aufgeben, sondern ebenfalls die Konzepte von Macht, die lediglich auf geschlossenen Räumen aufbauen. SARS steht in einer Reihe mit Ereignissen wie dem 11. September 2001sowie den jüngsten terroristischen Anschlägen in Madrid und London – sie alle ließen deutlich wer-

EINLEITUNG

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den, dass die ontologische Unsicherheit der modernen Großstädte auch durch die Kontrollgesellschaft nicht aufgelöst werden kann. AUFBAU Der Aufbau dieser Studie folgt den chronologischen Ereignissen des SARS-Ausbruchs in Hong Kong. Der erste Teil beschreibt die Entwicklung der Krankheit SARS durch Zoonose und ihre Verbreitung über die wirtschaftlich bedingte Binnenmigration in Südchina als Ursache für den Ausbruch in Hong Kong. Im Anschluss möchte ich beschreiben, wie SARS in Hong Kong eine Regierungskrise auslöste, die zu einem städtischen Ausnahmezustand führte. Das Regierungsdefizit in Bezug auf die Bevölkerung bestand hier besonders im Bereich der Informationspolitik und der Abwesenheit einer klaren "Leadership".[24] Die Bevölkerung reagierte hierauf mit zahlreichen "Selbstregierungsprozessen", die besonders durch eine hohe Solidarität innerhalb der Bevölkerung geprägt waren. Der alltägliche Selbstschutz durch Hygiene, wie er sich bildlich besonders im kollektiven Tragen der Masken manifestierte, soll hier beispielhaft für viele andere zivilgesellschaftliche Initiativen herausgegriffen werden. Im zweiten Teil entwickle ich anhand Michel Foucaults Vorlesungen zur "Geschichte der Gouvernementalität" den Begriff des "Sicherheitsraums". Foucault zeigt hier neue Formationen von Macht, Raum und Subjekt auf und setzt sich damit klar von disziplinarischen Raumvorstellungen ab. Unter Rückbezug auf die zeitgenössische Raumsoziologie soll der historisch gebundene Begriff des "Sicherheitsraums" an die städtischen Realitäten einer Global City angepasst werden. Im dritten Teil möchte ich zeigen, wie die im ersten Teil beschriebenen spontanen Bewältigungsmechanismen der Bevölkerung in die Regierung integriert werden. Sicherheitskampagnen gehen oft auf die Initiative von NGOs und Interessengruppen zurück, die auf populäre Ängste und Stereotypen reagieren, und damit auch auf die populäre Kultur, über die sie verbreitet werden.[25] Ängste und affektive Epidemien stellen deswegen als spezifische, historische Situationen einen guten Ausgangspunkt für die Analyse von Regierungsprozessen dar.[26] Danach möchte ich mich der Regierung von Hygiene zuwenden, die einen Aspekt des übergeordneten Sicherheitsdispositivs "Sicherheit vor SARS" darstellt. Dieser Bereich ist exemplarisch herauszugreifen, da er das Feld darstellt, das die Bevölkerung am stärksten in ihrem Alltag betraf. Das Regierungsfeld Hygiene soll hier stellvertretend für viele andere Sicherheitsdispositive betrachtet werden. Insbesondere die Herstellung von "Sicherheit" und "Normalität" als gegenseitiger Konstitutionsprozess von Regierung und Bevölkerung

[24] "Leadership" bezeichnet einen Führungsstil, bei dem die individuellen Charakterzüge eines Politikers innerhalb spezifischer Regierungskontexte zum Tragen kommen. (Vgl. Hambleton 2005: 191ff.) [25] Packer 2003: 142 [26] Dean 1999: 22

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kann hier plastisch nachvollziehbar gemacht werden. Außerdem stellten die in diesem Sektor stattfindenden Regierungsmaßnahmen – aus stadtsoziologischer Perspektive relevant – das Verhältnis von Menschen und Raum in den Mittelpunkt ihrer Regierungspolitik. Regierung ist ein Prozess, der strategische Ziele unter gouvernementaler Einbeziehung der Bevölkerung implementiert. Die Analyse der Macht sollte deswegen, wie Foucault vorschlägt, als ein "aufsteigender" Prozess angelegt werden: "Man muss […] von den unendlich kleinen Mechanismen ausgehen, die ihre Geschichte, ihren Ablauf, ihre Technik haben und dann ergründen, wie diese Machtmechanismen von immer allgemeineren Machtmechanismen und von Formen globaler Herrschaft besetzt, kolonisiert, umgebogen, transformiert, verlagert, ausgedehnt […] werden.“[27]

[27] Foucault 1987: 83

Die Analyse der SARS-Krise und ihrer Regierung beginnt deshalb mit der zivilgesellschaftlichen Verortung von SARS, wie sie im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Initiative sosick.org entstand. Ausgehend davon ist zu untersuchen, inwiefern im Rahmen des Regierungsprogrammes Team Clean diese Lokalisierungs-Strategie aufgegriffen und mit Hilfe verschiedener Machttechnologien in die eigene Regierung integriert wurde. Regierung macht durch reflexive Adaptionen öffentliche Stimmungslagen, zivilgesellschaftlich herausgebildete Praktiken sowie subjektive Ängste und Wünsche für strategische Regierungsziele nutzbar. Sie stellt also einen anthropologisch wirksamen Prozess dar, der direkt in die Lebenswelten und Alltagspraktiken von Menschen einzugreifen sucht und sich dafür bestimmter, in der Bevölkerung bestehender "Realitäten" – etwa bestehender Normen, Subjektivitäten, sozialer Spaltungen, hierarchischer Strukturen, sozialräumlicher Milieus und affektiver Stimmungen – bemittelt, um Gesellschaft neu zu konstituieren und zu normieren. Diese Maßnahme bildete den Beginn eines weit reichenden Maßnahmenbündels, das nicht nur mit Hilfe von Herrschaft das Regierungsziel städtischer Hygiene durchzusetzen versuchte, sondern im Rahmen einer Strategie der "Nachhaltigkeit" neue Subjektivitäten schaffen wollte, mit denen dieses Regierungsziel in die Selbstregierungen der Hong Konger integriert werden sollte. Dieses gouvernementale Ziel, eine neue städtische Kultur der Hygiene zu schaffen, ging einher mit Techniken des "Community"- und "Urban Identity Building". Die Umsetzung dieses strategischen Programms soll im vierten Teil aus einer ethnographischen Perspektive kritisch betrachtet werden. Dabei ist es von besonderem Interesse, welche Aspekte der zivilen Bevölkerung die Regierung anspricht, und wie sie in den Alltag der Bewohner Hong

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Kongs regulierend, verbietend und anreizend eingreift. Dabei soll deutlich werden, dass ein Teil der gouvernementalen Strategie sich zu Gunsten der neu konstituierten Mehrheit der Hong Konger repressiver und disziplinarischer Machtmechanismen gegenüber bestimmten Minderheiten bedient. Der Rückgriff auf politische und historische Strukturen, die den sozialen Kontext dieser Regierungsmaßnahmen bilden, ermöglicht es im Schlussteil, diese Maßnahmen zu kritisieren.

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GROUND ZERO EIN LAND, ZWEI SYSTEME Hong Kong, SAR. Der offizielle Zusatz steht für "Special Administrative Region" und bezeichnet den politischen Sonderstatus, der nach der Rückgabe der ehemaligen britischen Kolonie an die Volksrepublik China am 1. Juli 1997 eingeführt wurde. Der Regierungsstatus einer autonomen Sonderverwaltungsregion der VR China gewährt Hong Kong bis zum Jahr 2046 ein kapitalistisches Wirtschaftssystem und politische Autonomie, ausgenommen in Fragen der nationalen Verteidigung und Diplomatie.[1] Diese Autonomie ist Teil der von Deng Xiao Ping postulierten politischen Leitlinie "Ein Land, zwei Systeme". Innerhalb der seit den 1970er Jahren einsetzenden Öffnung des Landes von einer abgeschlossenen zentralistischen Agrarwirtschaft hin zu einer "sozialistischen Marktwirtschaft" erfüllt sie eine wichtige Rolle. Die "Vier Modernisierungen"sollten das lange vom Weltmarkt abgeschnittene Land nun wieder öffnen.[2] Die Region Südchina/Pearl-River-Delta (PRD) war dabei die erste Entwicklungsregion der chinesischen Öffnungspolitik. Hierfür wurden in unmittelbarer geographischer Nähe zu den politisch autonom bleibenden Sonderverwaltungszonen (SAR) Hong Kong und Macao die Sonderwirtschaftszonen (SEZ) Shenzhen und Zhuhai auf chinesischem Territorium gegründet. Die Zonen dienen dabei als "Fenster" oder "Schaltpulte" zwischen der "sozialistischen Marktwirtschaft" Chinas und dem kapitalistischen Weltmarkt. Sie sollen ausländisches Kapital anwerben und investieren, Joint Ventures und Partnerschaften zwischen Chinesen und Ausländern fördern, für den Export bestimmte Güter produzieren und im Gegensatz zum Rest des Landes den Markt – statt die Politik – über ökonomische Aktivitäten entscheiden lassen.[3] Diese administrativ vom restlichen Staat abgetrennten Zonen stellen also für China eine Möglichkeit dar, mit dem Kapitalismus auf einem überschaubaren Gebiet zu experimentieren. Im Zentrum dieser Politik steht die ökonomische Nutzbarmachung der starken sozialen und entwicklerischen Unterschiede zwischen den ehemaligen Kolonien Hong Kong und Macao und dem Hinterland im PRD.[4] Bereits in den 1980er-Jahren hat sich die Stadt Hong Kong in Antizipation der bevorstehenden Veränderungen regional neu positioniert, um die von der VR China vorgesehene Funktion eines Transformatoren zu übernehmen.[5] Hieß es in den 1970er-Jahren noch "Made in Hong Kong", verlagerte die Stadt nach der Bekanntgabe der chinesischen Öffnungspolitik sukzessive insgesamt 80% seiner innerstädtischen Industrie in das angrenzende PRD.[6] Der damit einhergehende Wissens- und Kapitaltransfer gehört bereits zu den ersten erwünschten Effekten, von denen sowohl

There was a time, when gateways separated the known from the unknown. To pass through was to cross the boundary between nature and civilization. To pass through was to change your destiny forever. We have crossed the threshold to a world where ancient wisdom meets the new millennium. Where global is local. Where distant is present. We are open to the world, open to the future. All is seamless.Transparent. [1] Hong Kong besitzt ein eigenes Gerichtssystem, eine eigene Währung und verwaltet seine Immigration selbst.Weitere Details finden sich unter den Länderinformationen des auswärtigen Amtes der BRD (www.auswaertigesamt.de). [2] Die "Vier Modernisierungen" betreffen die Bereiche Landwirtschaft, Industrie, Militär sowie Wissenschaft und Forschung. [3] Ong 2004: 77 [4] Ong 2004: 71 [5] Die Stadt Hong Kong diente als Modell für den Aufbau der neuen Sonderwirtschaftszonen und damit als Vorbild für die gesamte urbane Tranformation im sich öffnenden China. [6] Lin 1997: 170-185

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die VR China als auch die Stadt Hong Kong selbst profitieren. Nach der Kategorisierung Saskia Sassens besitzt Hong Kong inzwischen die vier grundlegenden Merkmale einer Global City: Sie ist erstens eine Steuerungszentrale innerhalb der Organisation der Weltwirtschaft, zweitens ein Schlüsselstandort für Finanz- und spezialisierte Dienstleistungen, drittens Produktionsstandort dieser Gewerbezweige, wozu auch die Produktion von Innovation gehört und viertens zugleich der Markt der so hergestellten Produkte und Innovationen. Als Global City positioniert sich Hong Kong weiterhin innerhalb einer Hierarchie urbaner Zentren internationaler Finanz- und Unternehmensorientierter Dienstleistungen.[7] Die Stadtplanung Hong Kongs ist wesentlich auf diese Funktionen ausgerichtet worden. Der in den 1980er-Jahren gesetzte Schwerpunkt auf den Ausbau der Infrastruktur führte beispielsweise zum Bau des neuen Flughafens Chep Lau Kok, der auf der Insel Lantau errichtet wurde und über den Hong Kong innerhalb von fünf Stunden mit 140 Ländern verbunden ist.[8] Im Jahr 2005 waren dies 40.74 Mio. Fluggäste.[9]

[Abb.] 5-stündiger Flugradius von Hong Kong in einer Abbildung der Fluggesellschaft Cathay Pacific. Hong Kong wird als Drehkreuz Asiens dargestellt.Tatsächlich nutzen viele Fluggäste Hong Kong als Zwischenstop. [7] Sassen 1991 [8] Yeung 1997 [9] http://www.hongkongairport.com/ eng/aboutus/index.html [10] Brown 2004: 185

Die Kowloon Railway (KCR) wurde zur grenzüberschreitenden Bahnverbindung nach Shenzhen erweitert, das Brücken- und Fährensystem zwischen den Städten Shenzhen, Macao, Zhuhai und Hong Kong ausgebaut. Mit einem Umschlag von 20 Mio.Tonnen Containergut besitzt Hong Kong inzwischen die größten Hafenkapazitäten und Containerumschlagszahlen weltweit.[10] Als Tiefseehafen vernetzt dieser sich zunehmend mit den

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anderen Häfen des Deltas in Huangpo (Guangzhou),Yintian (Shenzhen), Gaolan (Zhuhai) und Macao. Neuere Projekte wie der Science-Park und der geplante Kowloon Cultural District verweisen darauf, dass Hong Kong sich strategisch auf die mit Handel und Produktion verbundenen Dienstleistungen ausrichtet. Diese Infrastrukturmaßnahmen legten die Grundlage für Hong Kongs Ökonomie, die DeGolyer folgendermaßen beschreibt: "[…] Sourcing, organising and controlling trade flows. In fashionable terms, we are the world leaders in what is described as supply chain management between many parts of Asia, in particular China, and the world.[11] […] In fact, Hong Kong is now the worlds most externally oriented economy and controls more manufacturing than ever before. It has never been so influential in managing global trade flows, and profiting from them, at any other time in its history."[12] Heute reisen bereits 250.000 bis 300.000 Menschen täglich über die Grenze zwischen Shenzhen und Hong Kong. Mit Hong Kong als Manager erwirtschaftet das PRD bereits ein Drittel des Bruttosozialproduktes der Volksrepublik China. Die Provinz Kanton in Südchina ist momentan nicht nur die exportstärkste Region der Volksrepublik China, sondern nimmt auch einen Platz ganz vorne in der Weltrangliste ein. Das "Delta" wird deshalb in Anspielung auf die "Vier Tiger"[13] Malaysia, Singapur,Taiwan und Hong Kong auch der "fünfte Tiger" genannt. Das Pearl-River-Delta hat aufgrund seiner bis dato ungesehenen Entwicklungsdynamik Stadtsoziologen, Urbanisten und Architekten wie Manuell Castells und Rem Koolhaas fasziniert. Bereits in den 1990er-Jahren hatte Castells diese Vernetzung zu einem "Raum der Ströme" in seinem Buch "Die Netzwerkgesellschaft" thematisiert.[14] Danach wachsen Hong Kong und das PRD zu einer "Megapolis", einem riesigen urbanen Netzwerk mit 40-50 Millionen Einwohnern zusammen.[15] Zukunftsoptimisten und Manager träumen von einer netzwerkartigen, riesigen urbanen Konglomeration namens "Pearl City", die durch Hochgeschwindigkeitszüge und Fähren verbunden wäre und den höchsten Lebensstandard in ganz China aufwiese.

[Abb.] [A] Das Pearl-River-Delta wird stets als gesichtslose Region, die Stadt Hong Kong als Zentrum präsentiert. Chinesische Architektur dient dagegen als Marker für eine Nation, die sich ganz hinter ihren ökonomischen Funktionen und einer zum Simulakrum verkommenden Kulturtradition zurückzieht.[B] Alltägliches Gedränge am Grenzübergang von Hong Kong nach Shenzhen. [11] Brown 2004: 186 [12] Ders.: 183 [13] Die Tigerstaaten Malaysia, Singapur, Hong Kong und Taiwan zeichnen sich als ehemalige "Entwicklungsländer" durch die Kombination von exportorientierter Produktion und autoritären Regierungen aus. Sie werden auch "neue industrialisierte Länder" (newly industrialized countries, kurz NICs) genannt und übernehmen im Rahmen der neuen internationalen Arbeitsteilung innerhalb der globalen Wirtschaft vormals in den Industrieländern angesiedelte Produktionsschritte.Vor der Asienkrise manifestierten sie mit zweistelligen Wachstumsraten das Wirtschaftswunder Asiens und waren die Vorreiter innerhalb einer zunehmend international verflochtenen Region. Im Zuge der Informatisierungsprozesse übernehmen die ehemaligen NICs nun selbst Steuerungsfunktionen in andern asiatischen Ländern, bauen Bildung und R&D Aktivitäten auf oder entwickelten eine starke regionale Kulturindustrie. [14] Castells 2003 [15] Castells 2003: 459-465

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Doch bislang verbirgt sich hinter den in Repräsentationen chinesischer Großstädte so populären Wolkenkratzern eine vormoderne soziale Realität. So geht das rapide urbane Wachstum, das die Städte des PRD auszeichnet, wesentlich auf die ohne festen Wohnsitz lebende "treibende Bevölkerung" (floating population) Südchinas zurück. Sie besteht aus einer etwa 200 Millionen umfassenden verarmten Landbevölkerung, die durch die Rationalisierungen in der Landwirtschaftspolitik nach Deng Xiao Ping freigesetzt wurde.[16]

[16] Li 2001 [17] "With rapid development occuring all over China, the natural environment has deteriorated significantly during the last 20 years, leading to a rise in morbidity as a result of pollution as well as poor sanitation. Respiratory, waterborne, digestive and infectious diseases are, as a consequence, prevalent in many areas." (Leslie Chang:Asian Wall Street Journal, 2. April 2003) [18] "14-hour shifts, 7 days a week; 30 days a month average take-home pay of 3 cents an hour; $3.10 for a 98-hour workweek; one worker earning 36 cents for an entire month's work; 46 percent of the workers earning nothing at all and actually in debt to the company; housed 16 to a room and fed two dismal meals a day; physical and verbal abuse; workers held as indentured servants; identification documents confiscated and allowed to leave the factory just 1 1/2 hours a day; 800 workers fired for fighting for their basic rights." Vgl. zur Situation der Arbeiter in China (Norbu 2004: 38) [19] Vgl. zum Thema Zensur in China Norbu 2004: 84-89 [20] Hong Kong wurde auch das "shopwindow of democracy" genannt. (Zit. in Turner 1996: 15) [21] www.policyaddress.gov.hk/pa03/ eng/p27.htm

Aus diesem Arbeitskräftepotenzial besonders der südchinesischen Dörfer rekrutieren sich die jungen Frauen und Männer, welche in den Fabriken des Deltas für knapp einen US-Dollar pro Tag Leichteletronikteile, Kleidung, Spielzeug, Plastikwaren, Uhren und andere Güter für den Export produzieren. Im Jahr 1990 lebten beispielsweise in Guangzhou 1,2 Millionen Menschen ohne festen Wohnsitz. Die Knappheit von Wohnraum ist ein Problem der Städte, so dass viele dieser Menschen unter schlechten hygienischen Bedingungen leben, der durch den Industrialisierungs-Prozess häufig verschmutzten Umwelt direkt ausgesetzt sind [17] und durch ihre informelle Organisation sich der direkten Kontrolle der Regierung häufig entziehen. Deswegen stellen einige Fabriken auch Wohnheime bereit, in denen die Arbeiter wie Leibeigene wohnen.[18] Diese Seite ihres wirtschaftliches Booms hält die VR China unter anderem mit Besuchs- und Reiseverboten für Ausländer und Pressezensur unter Verschluss.[19] "ASIA'S WORLD CITY" – DAS SCHAUFENSTER CHINAS Der globale Export, für den diese Arbeiter produzieren, wird jedoch von Hong Kong aus gesteuert. Die Stadt spielt also nicht nur die Rolle des Transformators und Verteilers, sondern auch die Rolle eines "Schaufensters", und zwar sowohl in ökonomischer wie in politischer Hinsicht.[20] Unter dem brandname "Asia's World City" wird die Stadt ganz auf globale Wettbewerbsfähigkeit getrimmt. Nur wenige Wochen vor Beginn der SARS-Krise hatte der Vorsitzende Tung Chee-hwa in der neujährlichen Regierungsansprache 2003 die wesentlichen Säulen der internationalen Ausrichtung Hong Kongs bekräftigt: "Big market, small government", Informationsfreiheit und Rechtsstabilität. Die Stadt sei ein "multi-modal trade management and operation centre" und "Asia's premier transportation and logistics hub", das multinationale Unternehmen anlocken möchte, ihre Hauptquartiere oder Zweigbüros in der Stadt anzusiedeln, und chinesische Unternehmen zu Joint Ventures ermutigt.[21] Als saubere, quasidemokratische und vor

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allem internationalere Version Chinas eignet sich die Stadt hervorragend, um die Investionen und Handelsbeziehungen zwischen China und der Welt zu repräsentieren und zu managen. Inzwischen beschäftigen 63.000 Hong Konger Firmen 12 Millionen Angestellte in den Fabriken des PRD.[22] Mit 500.000 Personen sind insgesamt 43% der Hong Konger Arbeitskräfte mit dem PRD verbunden. Sie rekurrieren wesentlich auf die internationale Expertise, Lebensstile und die institutionelle Einbettung in den Weltmarkt, die sie während der britischen Kolonialisierungsphase gewonnen haben. So übernimmt die im Englischen geschulte, besser ausgebildete Bevölkerung der Stadt wichtige Mittlerfunktionen zu den kulturell und politisch anders sozialisierten Chinesen des Festlandes. Die Stadt lockt auch mit einem internationalen Bildungssystem, politischer Autonomie, günstigen Wirtschaftsbedingungen, einem stabilen, transparenten Rechtssystem, sowie den "weichen Faktoren" – Gesundheitsversorgung, luxuriösem Wohnraum, guten Schulen und einer internationalen Stadtkultur mit tausenden kleiner und großer Shoppingmalls, Restaurants, Karaokebars,Wellness- und Fitnessangeboten vom Bauchtanzkurs bis zum Winetasting – die internationale Manager- und Wirtschaftselite und ihre Familien, sich in Hong Kong anzusiedeln. ZOONOSE "Das Problem der Globalisierung ist die Globalisierung von Problemen." -- Lieuven De Cauter

Die sozioökonomisch ungleichzeitige Entwicklung der Region steigert das Risiko für die Entstehung neuer, ansteckender Krankheiten und ihrer Verbreitung immens.[23] Wissenschaftliche Ergebnisse deuten darauf hin, dass das SARS-Virus in Tieren entstanden ist und in einem Prozess, den man Zoonose nennt, auf Menschen übergesprungen ist.[24] Drei Viertel aller neuen Viren – unter anderem AIDS und Ebola – gehen auf Zoonose

[Abb.] Werbebanner mit dem offiziellen Slogan und dem Markenzeichen der Stadt Hong Kong. (www.brandhk.gov.hk) [22] Federation of Hong Kong Industries and The Hong Kong Centre for Economic Research: Made in PRD, Juni 2003, zit. in Brown 2004: 270 [23] Darüber hinaus sind geographische Faktoren für die Ausbreitung einer Epidemie begünstigend. Das britische Medizinjournal "The Lancet" betonte dies bereits 1982 in einem Artikel über die Region im Zusammenhang mit der Entstehung von Grippekrankheiten. Südchina bietet aufgrund seines warmen, subtropischen Klimas, das kaum unter zwei Grad Celsius fällt, sowie den feuchten, verregneten Frühlings- und Herbstmonaten perfekte "Brutbedingungen" für Viren aller Art (zit. in Loh 2004: 7). Es wurde deswegen auch als "Petrischale Chinas" bezeichnet. Hier entstand etwa die "Hong Kong Grippe", die in den Jahren 1968/69 weltweit ein Drittel der Menschheit innerhalb von neun Monaten infizierte und insgesamt 700.000 Menschen tötete; sowie die Vogelgrippe, die bereits 1996 in Hong Kong ausgebrochen war und 2005 für erneute Aufmerksamkeit sorgte. [24] Guan 2003

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zurück, d.h. den Übersprung eines Virus vom Tier auf den Menschen. Damit ist Zoonose auch der wahrscheinliche Auslöser der Lungenkrankheit SARS.[25] Mit steigendem Lebensstandard im PRD steigt auch die Nachfrage nach Fleisch und damit auch die Zahl derer, die mit der Aufzucht, dem Handel und der Zubereitung von Frischfleisch ihr Geld verdienen. Die Übersprungsmöglichkeiten für Viren auf Menschen sind dabei vielfältig – sie können die Arbeiter der Geflügel- und Schweinefarmen treffen, aber auch die Händler, die Schlachter, die Garköche und die Käufer.[26] Wie in Hong Kong wird in der kantonesischen Küche, die auf eine lange kulinarische Tradition zurückgeht, möglichst frisches, d.h. direkt beim Kauf geschlachtetes Geflügel und Fisch verzehrt. Zu den seltensten und prestigereichsten Gerichten gehört der Verzehr von Wildtieren wie Leopard, Schlangen, Eidechsen, Eulen, Ratten, oder Zibetkatzen.[27] Aufsteigende Geschäftsmänner nutzen derartig elitäre Geschäftsessen für den Abschluss lukrativer Geschäfte. Vor der wirtschaftlichen Entwicklung und der gestiegenen Mobilität der Bevölkerung blieben frühere Ausbrüche von Krankheiten durch Zoonose zumeist auf einen Ort beschränkt und starben dadurch schnell aus. Dies ist unter den Bedingungen der gestiegenen Mobilität zwischen ländlichen und urbanen Regionen nicht mehr der Fall. "It is this unique mix of rural-urban migration, intensive animal husbandry (especially involving avian and other wild species such as civet cats), slaughtering practices on village farms as well as in urban markets and the lack of proper hygiene standards that has made Guangdong and southern China a likely epicentre of newly emerging viruses."[28] [Abb.] Tiermärkte wie dieser in Vietnam bieten leichte Übersprungsmöglichkeiten für Viren von Tieren auf Menschen. [25] Einen Überblick über bisher stattgefundenen Zoonosen bietet http://medicine. bu.edu/dvgl. apiro/zoo1.htm [26] So wurden etwa bei einer Untersuchung unter Köchen und Tierhändlern besonders viele Antikörper gegen das SARS-Virus gefunden. (Vgl. Guan et al.: Science 302/2003: 267; Fukuda 2004) [27] www.southcn.com/englivgl. /features/environment/problems/20020220 1266.htm. Die Zibetkatze wird als möglicher Überträger des SARS-Virus betrachtet. Der Zusammenhang zwischen SARS und den Wildtieren wurde jedoch bislang nicht mit vollkommener Sicherheit belegt. [28] Leung et al. 2004: 58

MYSTERY ILLNESS Am 16. November 2002 wird in der 3 Millionen-Stadt Foshan in der Provinz Kanton ein Mann mit einer ungewöhnlich schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Er infiziert vier Menschen, die eine lokale Epidemie auslösen. Einen Monat später 'trampt' das Virus 200 km weiter nach Heyuan, der Hauptstadt Kantons. Ende Dezember 2002 existieren bereits 300 Fälle in den informatorisch weitgehend von der Außenwelt abgeschnittenen Gegenden Kantons. Dass die Informationen weder an Hong Kong noch an die WHO weitergegeben wurden, lässt sich auf unterschiedliche Faktoren zurückführen. Die Informationsstruktur auf dem chinesischen Festland ist hierarchisch und vertikal organisiert. Da in der politischen Kultur Chinas soziale Stabilität als oberste Priorität betrachtet wird, gelten individuelle Initiativen als unerwünscht. Gerüchte –

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also alle Informationen, die von der Regierung nicht offiziell abgesegnet worden sind, könnten "Unordnung" (chinesisch: luan) wie Panikausbrüche und soziale Unruhen in der Bevölkerung hervorrufen. Dies soll um jeden Preis vermieden werden.[29] Nach dem Gesetz für Staatsgeheimnisse dürfen Informationen des Gesundheitssektors nicht direkt an ausländische Parteien, sondern müssen von den Provinzen an das nationale Ministerium weitergeleitet werden. Das Gesetz verhinderte sowohl die horizontale Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Parteien innerhalb der Region als auch mit dem nahe gelegenen Hong Kong.[30] Der erste Report, den ein Guangzhouer Mediziner an das Kantoner Gesundheitsministerium weiterleitete, beschrieb eine ungewöhnliche Lungenkrankheit. Er blieb jedoch vertraulich. So wurden frühe Erkenntnisse von chinesischen Militärärzten über den genauen Charakter des Virus erst Wochen nach ihrer Entdeckung veröffentlicht.[31] Der Report, den wiederum das Gesundheitsministerium der Provinz Kanton am 23. Januar ausstellte – also bereits zwei Wochen vor der ersten öffentlichen Gesundheitswarnung des nationalen Gesundheitsministeriums – wurde möglicherweise aufgrund der chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten nicht von den zuständigen Beamten berücksichtigt.[32] Zusätzlich verzögerten altmodische Kommunikationswege – Fax und Post anstelle von E-Mail – diesen Informationsfluss. Im Februar berichteten Hong Konger Pendler, die häufig über die Grenze nach Guangdong reisen, dass in den Geschäften Guangdongs der Absatz von weißem Essig sprunghaft angestiegen sei. Die bei Verbrennung des Essigs entstehenden Dämpfe sind ein traditionelles chinesisches Hausmittel gegen Lungenkrankheiten. Gerüchte über eine Epidemie blieben jedoch von den offiziellen Stellen unerkannt. Hong Kong war also nicht auf den Ausbruch der Krankheit in der Stadt vorbereitet. HOTEL METROPOLE Am 11. Februar reiste der im Zhongshang-Krankenhaus arbeitende Nephrologieprofessor und Arzt Liu Jianglun mit dem Bus von Guangzhou nach Hong Kong, um am gleichen Abend an einem Hochzeitsbankett seines Neffen teilzunehmen. Zuvor checkte der hustende, hochfiebrige Mann ins Hotel Metropole in Kowloon ein. Kurze Zeit später steckte der später als "Superspreader" oder "silent super-carrier" bezeichnete Mann im Lift zwölf Gäste aus Singapur,Vietnam, Kanada, den USA, Irland und Deutschland an.[33] Weil die Transitzeiten im Vergleich zu den Inkubationszeiten der Krankheiten so kurz geworden sind, kommen die Krankheitsträger an ihrer Destination an, lange bevor die Gefahr erkannt wird,

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[29] Loh 2004: 158. Ein anderes Beispiel für die politisch motivierte Vertuschung von Krankheiten war AIDS. Noch in der ersten Hälfte der neunziger Jahre, als in der Sonderwirtschaftszone Guangdong die Prostituierten bereits an Aids starben, wurde die Existenz des HI-Virus von der Regierung standhaft geleugnet. [30] Erst nach der offiziellen Verlautbarung der chinesischen Regierung am 17. April 2003 war ein Informationsaustausch möglich. (SCMP 16.4.2003) [31] Chinesische Militärärzte identifizierten das Coronavirus als potenzielle Auslöser für SARS bereits Anfang März 2003, also einige Wochen bevor ein Netzwerk von WHO Epidemiologen den Zusammenhang klar nachweisen konnte. Ein chinesischer Wissenschaftler, der an den Forschungen teilnahm, wurde an die Wissenschaftler des Chinese Center for Disease Control and Prevention verwiesen, die jedoch fälschlicherweise Chlamydia pneumoniae, ein Bakterium, für die atypische Lungenentzündung verantwortlich machten. Ein Untersuchungsteam des amerikanischen General Accounting Office berichtete auch, seinen Quellen wäre es nicht erlaubt gewesen, direkt mit der WHO zu kommunzieren, da dieses Recht allein dem Gesundheitsministerium vorbehalten war. (GAO 04-564: 23) [32] Vgl. die Ausführungen des Gesundheitsministeriums der VR China vom 1. März1991: "Explanation on Regulations on State Secrets in Health Work and Their Specific Classification and Scope," in: "Chinese Law & Government", 66/2003 [33] Ein "Superspreader" ist eine Person, die überproportional infektiös ist und deswegen schneller und "effizienter" als andere Infizierte das Virus verbreiten kann, also mehr Ansteckungen als gewöhnlich verursacht. Ein Grund, wieso neue Viren für Gesundheitsorganisationen wie die WHO so besorgniserregend sind, ist ihre Fähigkeit zur Mutation. Ein Superspreader legt immer den Verdacht nahe, dass es sich bereits um eine genetisch mutierte Form des Virus handeln könnte.

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[Abb.] Metropole Hotel, Hong Kong [34] Dieses 1998 etablierte "Event Management System" analysiert die Daten aus 112 nationalen Netzwerken nach verdächtigen Häufungen ungewöhnlicher Krankheiten. Weitere Unterstützung bei der Frühwarnung erhält die WHO vor allen Dingen durch GPHIN (Global Public Health Intelligence Network), das von Health Canada in Kollaboration mit der WHO entwickelt wurde. Das internetbasierte, multilinguale Frühwarnsystem sucht kontinuierlich informelle globale Medienquellen wie Nachrichtenticker,Webseiten und gesundheitsbezogene Chatforen ab, um Informationen über Krankheitsausbrüche und andere Ereignisse potenzieller internationaler Gesundheitsgefährdungen zu extrahieren. (http://www.who.int/entity/csr/outbreaknetwork/en) Weitere Informationen zum Thema Gesundheitsinformatik gibt Loh 2004: 75

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die sie beherbergen. So verbreitete sich das SARS-Virus innerhalb von 24 Stunden in fünf Länder. Insgesamt 4.000 der insgesamt 8.089 Ansteckungen ließen sich später auf den Indexpatienten im Metropol Hotel zurückführen. Es ist nur eine kleine Ironie der Geschichte, dass die Zimmernummer des Patienten 9-11 lautete. Denn das Metropole Hotel wurde – als man von SARS längst als "Hong Kongs elftem September" spricht – später als "Ground Zero" für das globale Gesundheitswesen bezeichnet. Auch in dieser Hinsicht ähnelte SARS dem 11. September: Die neue Gefahr wurde mit dem Symptom, nicht mit der ursächlichen Struktur identifiziert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) war die erste Institution, die die globale Verbreitung der neuen "Mystery Illness" durch das Computernetzwerk "Global Alert and Response Network" (GOARN) bemerkte.[34] In Kanton hatte GOARN SARS nicht erkannt, sondern zunächst als schwere Grippeepidemie identifiziert.[35] Die Krankheit erregte bei der supranationalen Gesundheitsorganisation erst dann Verdacht, als das Tracking ergab, dass die Infektionen in Hanoi, Singapore und Toronto auf Reisen nach Hong Kong zurückgeführt werden konnten. Als sich am 11. März im Prince of Wales Hospital im Hong Konger Stadtteil Shatin 20 Krankenhausangestellte des Traktes 8A mit der Lungenkrankheit infizieren, veröffentlichten Mitarbeiter der WHO erstmals die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen den Erkrankungen in Kanton und Hong Kong bestehe.[36] Am 12. März gab die WHO eine internationale Warnung vor einer "schweren Form von Lungenentzündung" in Vietnam, Hong Kong und Kanton heraus. Nur drei Tage später, als deutlich wurde, wie schnell sich das Virus über den Luftverkehr verbreitete, drang das neue Gesundheitsrisiko – erstmalig unter dem Namen "Severe Acute Respiratory Syndrome", kurz SARS – in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit: "While SARS appeared to have originated in mainland China, it was only after the virus emerged in Hong Kong that the world began to take note. […] Within the space of a few weeks, Hong Kong had become the epicentre of a global out-

[35] Loh 2004: 144 [36] Eine detaillierte Übersicht zu der Rolle der WHO in der Bekämpfung der SARSKrise mit dem Schwerpunkt Medizin und öffentliches Gesundheitswesen bietet der WHO-Report vom 20. Mai 2003. Zu einer Diskussion der politischen Aspekte der WHO, insbesondere des Reiseverbotes und dem Verhältnis zwischen Staat, supranationaler Ebene und den Städten vgl. Loh 2004: 139-161 [37] Seno/Reyes 2004: 2

break."[37]

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[Abb.] Verbreitung von SARS ausgehend vom Metropole Hotel

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[38] An dieser Stelle im Text greift "Community" im Gegensatz zu dem unten verwandten theoretischen Begriff die umgangssprachliche Formulierung der Hong Konger auf, mit der öffentliche Einrichtungen, öffentlicher Raum und die privaten Wohngegenden der Hong Konger gemeint sind. Später wurde der Begriff "Community" in lokalen Zeitungen und Publikationen auch als Synonym für die städtische Zivilgesellschaft genutzt. [39] Die chinesische Regierung änderte erst Mitte April ihre Informationspolitik. Zuvor hatte die Regierung in Peking stets geleugnet, dass es in Festlandchina ein größeres SARS-Problem gab. Am 20. April wurden der Gesundheitsminister Zhang und Pekings Bürgermeister Meng Xuelong entlassen. Danach wurde veröffentlicht, dass SARS ein schweres Problem sei, die notwendigen Informationen herausgegeben und strikte Bekämpfungsmaßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung eingeleitet (Ngok 2003: 117).

Mitte März berichteten die Hong Konger Medien bereits täglich über die "Mystery Illness", "Killer Pneumonia" oder die "Atypical Pneumonia". Neben dem Prince of Wales Hospital in Shatin waren nun mehrere Krankenhäuser betroffen. Die Regierung vertrat in der Öffentlichkeit die Position, dass die Krankheit auf diese Gebäude beschränkt sei. Bereits einige Tage später, am 20. März, sollte jedoch das Tracking der WHO eindeutig ergeben, dass das Metropole Hotel in Kowloon Schauplatz eines "Superspreading Events" geworden war. An diesem Tag wurde auch der erste Fall in der Community bekannt.[38] Ein Angestellter des Immigration Towers in Wan Chai – einem der größten Verkehrsknotenpunkte in Hong Kong – war erkrankt. Auch vier Kinder – Angehörige des Krankenhauspersonals – waren infiziert gemeldet worden, woraufhin zwei Schulen in Wong Tai Sin und Shatin geschlossen wurden. Als am nächsten Tag 32 neue Fälle bekannt gegeben wurden, waren nun bereits 197 Hong Konger infiziert. Aufgrund der Entwicklungen sagten Italien, Frankreich und Argentinien ihre Teilnahme an den Rugby Sevens ab. Mit dem neuen Cluster im Baptist Hospital existierten nun bereits neun Cluster. Sieben Menschen, zumeist Senioren mit Vorerkrankungen, waren bereits verstorben. Am nächsten Abend identifizierten Wissenschaftler der Hong Kong University das Virus als Coronavirus. Kurze Zeit später schien das Virus sich auf die Community ausgebreitet zu haben. Die Infizierten – ein Angestellter der Bücherei in Causeway Bay, ein Busfahrer der Long Win Bus Operation, die zwischen Shat Tin und dem Flughafen Chek Lap Kok pendelte, sowie ein Angestellter der MTR in Wan Chai – standen in regelmäßigem Kontakt mit der Bevölkerung und hätten deswegen die Krankheit unkontrollierbar verbreiten können. Die Regierung Hong Kongs versuchte dennoch anfangs, die Situation herunterzuspielen. Besonders Gesundheitsminister Eng-kiong Yeoh sorgte für Skepsis innerhalb der Bevölkerung. Er nahm gegenüber der Öffentlichkeit eine beschwichtigende Position ein und wies auch die Presse darauf hin, dass sie akkurat über die Vorfälle berichten solle: Der Ausbruch sei beschränkt auf das Krankenhaus und werde über Tröpfcheninfektionen übertragen, hieß es; die Öffentlichkeit habe daher nichts zu befürchten. Auch auf die Ereignisse hinter der chinesischen Grenze nahm die Regierung keinen Bezug. Bis Mitte April, also lange nach Ausbruch der Krise, gab es keine Hinweise darüber, dass die Krankheit aus Kanton nach Hong Kong gekommen war.[39] Auch bezog die Regierung keine klare Position, ob Reisen zum Festland sicher seien oder nicht. Die Hong Konger mit ihren wirtschaftlichen Verbindungen nach Guangdong hatten jedoch andere Informationen und empfanden das Schweigen in Bezug auf

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das Festland als Vertuschung auf Kosten der Hong Konger Bevölkerung. Für Verunsicherung sorgten zusätzlich die widersprüchlichen Aussagen der Regierung gegenüber der WHO. Die Reisewarnung der WHO war eine Konsequenz auf die Ausbreitung der Krankheit über den internationalen Luftverkehr und signalisierte der Welt, dass die in Hong Kong herrschende Krankheit eine ernsthafte Gefahr für das globale Gesundheitssystem sei. Minister Yeoh bezichtigte die WHO jedoch mehrmalig direkt oder indirekt der Panikmache: "There is no outbreak in the community. Hong Kong is as safe as any other city in the world."[40] Am gleichen Tag informierte jedoch auch ein lokaler Mediziner, Dr. Sidney Chung aus der Chinese University die Presse, dass es sehr wohl Fälle außerhalb der medizinischen Sphäre gegeben habe – ein direkter Widerspruch.[41] Am deutlichsten wurde die Position der Hong Konger Regierung wohl in ihrer Weigerung, den von der WHO nach den Symptomen der Krankheit gewählten Namen "Severe Acute Respiratory Syndrome" – kurz: SARS – zu akzeptieren. Hong Konger Pressemitteilungen wichen von der offiziellen Bezeichnung ab und sprachen dagegen von SRS – zu ähnlich klang das Kürzel Hong Kongs offizieller Gebietskennzeichnung SAR.[42] Exemplarisch für die zunehmende Kluft zwischen Bevölkerung und Regierung muss die Debatte um die Schulschließungen betrachtet werden. Diese Frage weitete sich schnell zum Streitpunkt zwischen besorgten Eltern und dem Erziehungsminister und Arzt Arthur Li aus. Li lehnte die Schließung der Schulen ab, da sie, wie er am 25. März sagte, der "sicherste Ort" innerhalb der Community seien. Zu diesem Zeitpunkt hatten jedoch verängstigte Eltern in den von der Krankheit betroffenen Stadtteilen ihre Kinder bereits eigenmächtig aus der Schule genommen. Erst zwei Tage später wurden die Schulen auf Anweisung der Regierung geschlossen.[43] Nachdem William Ho, der Chef der Hospital Authority, sich bei einem Besuch des Krankenhauspersonals ebenfalls mit SARS infizierte, forderte die Regierung "jeden einzelnen Bürger der Stadt Hong Kong" auf, den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen. Dies war das Eingeständnis, das die Krankheit in der Community ausgebrochen war.[44]

[40] Online-Datenbank des Radiosenders RTHK (www.rthk.hk), zuletzt am 1. April 2004 [41] SCMP 26.3.2003:A11 [42] Strait Times, 30.3.2003: Commentary [43] Ngok 2004: 113f. [44] Online-Datenbank des Radiosenders RTHK (www.rthk.hk), zuletzt am 1. April 2004

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GENEALOGIE EINER KRISE

[A]

Abb. 2

[D]

[B]

DAS GEHEIMNIS VON AMOY GARDENS

[C] [A] Ein Nachrichtensprecher berichtet live von der Tür des Block E. [B] Wissenschaftler arbeiten in einem provisorischen Labor vor der Tür von Block E [C] Quarantänetransport unter Polizeischutz [D] Amoy Gardens von oben

[45] Tatsächlich waren einige Familien zu ihren Eltern in das nahe gelegene Lower Ngau Tau Kok Estate geflüchtet, wo kurze Zeit später der nächste Outbreak stattfand. Drei Personen flüchteten dagegen nach Jiangmen, das auf dem Festland in Guangdong liegt und infizierten dort sieben Personen. (SCMP, 10.4.3002 C4) [46] Loh 2004: 60/61. [47] Hong Konger Polizeireport, 4. April 2003

Eines der wichtigsten Ereignisse, die den spezifischen Charakter der Hong Konger SARS-Ausbruchs ausmachten, war das Auftreten eines ungewöhnlich hohen Clusters an Infektionen in einem privaten Wohnkomplex namens Amoy Gardens. Am 26. März waren offiziell sieben Infektionen bekannt, jedoch in Wirklichkeit – wie das Tracking des Gesundheitsdepartments später ergab – schon 144 Bewohner infiziert. Die ungewöhnlich hohe Ansteckungsrate innerhalb dieses Gebäudes und seiner Nachbarblocks sprach sich unter den Bewohnern des Stadtteils Ngau Tau Kok schnell herum. In der Folge wurden die Restaurants und die Shoppingmall gemieden, so dass der öffentliche Bereich zwischen den Häusern wie ausgestorben war. Als das Ausmaß des Ausbruchs bekannt wurde, griff die Regierung am 31. März erstmalig auf das noch aus dem Jahr 1936 stammende Quarantänegesetz zurück und verhängte eine zehntägige Isolation über Block E von Amoy Gardens, wo zu diesem Zeitpunkt 107 der insgesamt 231 Erkrankungen waren. Obwohl mehr als 50 Polizisten den Block absicherten, um Menschen am Betreten und Verlassen des Hauses zu hindern, kam diese Kontrolle zu spät. Denn zu diesem Zeitpunkt war schon über die Hälfte der Bewohner von Block E aus Angst vor einer Ansteckung in Hotels und zu Familienmitgliedern geflohen, wie die englischsprachige Tageszeitung South China Morning Post am gleichen Morgen vermeldete. Damit potenzierte sich

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das Risiko einer Ausbreitung der Krankheit in der Community.[45] Die Regierung quartierte daraufhin die verbliebenen 250 Personen in ehemaligen Urlaubscamps der Regierung in den New Territories ein.[46] Aus Angst um ihre Sicherheit zeigten sich viele Bewohner Amoy Gardens gegenüber der Regierung sehr unkooperativ. Sorgen machten vor allen Dingen die Amoy Gardens Bewohner, die aus Furcht, mit anderen Infizierten in einer Art "Todesfalle" gefangen gehalten zu werden, selbst auf wiederholte Aufrufe der Polizei hin untergetaucht blieben. Am 4. April hatten sich noch 58 von insgesamt 113 vermissten Familien nicht bei der Polizei gemeldet.[47] Nach Unruhen im Quarantänelager, die durch das dort notwendige Teilen von Waschräumen zwischen den Quarantänierten ausgebrochen waren, wurde ein Teil der Amoy Gardens Bewohner in ein Feriencamp in Sai Kung verlegt. Befürchtungen wie diese wurden laut:

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[48] www.futurepundit.com/archives/ 001093.html, vom 6.10.2005 [49] Das öffentliche Krankenhaussystem Hong Kongs war mit einem Zehntel des Budgets der Hospital Authority chronisch unterversorgt. So existierten zum Zeitpunkt lediglich 350 Intensive-Care-Betten, von denen zum Höhepunkt der Krise 150 belegt waren.Weiterhin gab es in ganz Hong Kong keine speziellen Isolationseinrichtungen. Das teilweise ungenügend geschulte Personal der Krankenhäuser arbeitete durch die starke Belegung am Rande der Belastbarkeit. Auch stellte die Regierung nicht genügend Schutzmaterialien wie Schutzanzüge, Brillen etc. zur Verfügung (Chan 2003: 4). So können viele Ansteckungen innerhalb des Krankenhaussystems mit unzureichenden Arbeitbedingungen erklärt werden.

"In a really large scale outbreak there would not be sufficient numbers of police available to enforce quarantines. If the connection between SARS spread and air ducts is established then in the event of a large scale outbreak many people will likely flee from multi-unit dwellings such as apartment buildings."[48]

Neben Zweifeln an der Sicherheit des Polizeisystems löste Amoy Gardens in der Öffentlichkeit eine Vielzahl von Fragen aus. So befürchteten Journalisten, dass das Krankenhaussystem zusammenbrechen könnte, sollten sich die neuen Infektionen in einem solchen Tempo weiter steigern wie in Amoy Gardens.[49] Auch die Übertragungswege waren nun erneut unsicher geworden.Waren Ratten oder Kakerlaken für die Übertragung innerhalb des Gebäudes zuständig? Wurde das Virus tatsächlich über defekte Abwasserleitungen übertragen, oder begegneten sich die Nachbarn auf den Fluren? Oder war das Virus mutiert und nun noch tödlicher geworden? War es die Rache der Geister?[50] Die Wissenschaftler, die ihre Arbeit in einem provisorischen Labor vor der Tür durchführten, widersprachen sich gegenseitig. Amoy Gardens war zum Symbol der Unberechenbarkeit des neuen Virus und des Kontrollverlustes der Regierung über die Bevölkerung geworden. Das "Geheimnis von Amoy Gardens" bestand darin, dass die ungewöhnlich hohe Ansteckungsrate sich nicht über die bis dato bestehende Theorie einer Übertragung über "Tröpfchen" erklären ließ.[51] Am 1. April fasste David Heyman auf einer Pressekonferenz der WHO im weit entfernten Palais de Nations in Genf die Situation für die Weltöffentlichkeit zusammen: "There are some unusual events that have occurred in Hong Kong – in the Hotel

[50] Ausgehend von Amoy Gardens kursierte ein Gerücht, dass das Virus und die Erkrankungen eine Rache der Geister waren, die durch den Bau des Wohnkomplexes Amoy Gardens vertrieben worden waren. Stets mit einem leicht verschämten Lächeln als "old ladies belief" eingeordnet, war der Hintergrund des Gerüchtes folgender: Die rapide Urbanisierung des Stadtteils Kwun Tong hatte in den 50er Jahren eine dörfliche Landschaft überbaut, die von Bananenplantagen dominiert wurde. Bananenbäume gelten in den animistisch beeinflussten Geistergeschichten der Hong Konger Senioren, von denen viele im ländlichen China aufwuchsen, als das Zuhause von Geistern. Mit der Erbauung des Stadtteiles wären die Geister heimatlos geworden. Als am 30. April in einer buddhistischen Reinigungszeremonie eine Stichflamme aufschoß, wurde das Foto von dieser Explosion in der chinesischen Zeitung Dongfang (Osten) abgedruckt. Alte Frauen meinten darin die Umrisse des Geistes zu erkennen, der Amoy Gardens heimgesucht hatte. Mythen haben wie Witze häufig einen wahren Kern – tatsächlich hat die rapide Urbanisierung Hong Kongs gegen sämtliche "natürlichen Bedürfnisse" einer zuvor bäuerlich lebenden Gesellschaft verstoßen.

Metropole and also in an apartment complex. As you know, it seems that some[51] Loh 2004: 95

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how there have been clusters of cases in these places, and in both the Metropole and the apartment complex these cases can be clustered around a known case of SARS. So what appears is that there is now some environmental factor, not the air, but some other factor – it could be water, it could be sewage, it could be many different things – but some environmental factor which is taking this disease from one human to another. It could even be such a thing as a door handle, where someone with SARS has coughed and left some droplets that are moist and which contain "We have decided to make a recommen-

dation...

the virus, and then the next person that opens the door gets these droplets which have virus in them on their fingers, touches their eyes or their mouth, and becomes infected.We do not know yet, but there is still no evidence that this disease is in air conditioning systems being spewed out and infecting large places of area. As far as we know, it is still that example of the two people sitting by me as being at greatest risk, or someone who might touch the table where I have just put some droplets, or some environmental factor which is carrying these droplets to another person. So that is an update on what we understand about the epidemiology in

...that people who are planning travel to both Hong Kong and Guangdong...

...consider postponing their travel until another time." (WHO, 2.4.2003)

[Abb.] Dokumentarische Filmstills aus Peter Chans "Memories of Spring 2003". David Heyman von der WHO verliest die Reisewarnung, die auf den großen öffentlichen Screen an einer zentralen Kreuzung in Central übertragen wird. Die Reisewarnung wurde von den Hong Konger wegen ihrer immensen Auswirkungen auf die lokale Ökonomie und Atmosphäre als "Fluch" bezeichnet. [52] www.who.org [53] Dies geht auch auf den unterschiedlichen Gebrauch grundlegender wissenschaftlicher Begriffe wie dem der "Luftübertragung" zurück. Ein Vergleich der folgenden Aussagen zeigt dies: "If the virus is airborne, we would expect 10,000 people to have been infected.The data so far shows that the virus is transmitted through droplets." (Professor Yuen, Hong Kong University) "All respiratory diseases are distributed by droplets generated by coughing, sneezing and talking. [Fortsetzung auf S. 31]

Hong Kong. So Hong Kong is a different outbreak than the others.[52]

Während Hong Konger Mediziner und Mikrobiologen eine Luftübertragung für unwahrscheinlich hielten, schlossen ausländische Experten diese nicht aus.[53] Die WHO reagierte auf diese wissenschaftlichen Ungewissheiten übervorsichtig. Die Experten der global agierenden Institution befürchten bereits seit Jahren eine weltweite, durch ein neues Virus ausgelöste Pandemie.[54] Das SARS-Virus, dessen wissenschaftliche Vermessung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossen war und das sich besorgniserregend schnell über den internationalen Flugverkehr ausbreitete, hätte diese Pandemie verursachen können. Am 2. April warnte die WHO deshalb vor allen "nicht essentiellen" (non-essential) Reisen in die Region. Ein WHO-Untersuchungsteam wurde abbestellt, die Untersuchungen der Hong Konger Regierung zu unterstützen, denn die Vorkommnisse in Amoy Gardens waren auch von internationaler Bedeutung. Für die Hong Konger erwies sich der Ausbruch aber auf einer ganz anderen Ebene als fatal: Obwohl die Regierung die ganze Zeit versucht hatte, die Krankheit diskursiv auf das medizinische Umfeld zu beschränken, bewies der massive Ausbruch innerhalb des privaten Wohnkomplexes das genaue Gegenteil. Beinahe die Hälfte aller Hong Konger leben in ähnlichen Gebäuden wie Amoy Gardens, einem typischen Wohnkomplex der unteren Mittelschicht. Der Ausbruch in Amoy Gardens markierte auf der "mentalen Landkarte der Sicherheit" den Einbruch der letzten Sicherheitsarchipele in einem Raum der Unsicherheit. Nach der "Community" war

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nun der private Wohnraum ebenfalls nicht mehr vor dem Virus sicher. Auch das Virus selbst erschien rätselhafter als zuvor. Mit dem Ausbruch musste die Frage nach den Übertragungs- und Schutzmöglichkeiten neu gestellt werden.Würden nun "environmental factors" oder Luftübertragung als neue Infektionsmöglichkeit hinzukommen, so warteten bei aller Vorsicht immer noch neue Risiken auf die Bevölkerung. [B]

[C]

[A]

DER ERSTE APRIL “SARS is by no means a simple crisis of health and hygiene. Actually, it is a crisis of belief.“ -- Wang Ming'an

Am Morgen des ersten April, nachdem die Ereignisse in Amoy Gardens publik geworden waren, gab es 80 neue Infizierte, die bislang höchste Ansteckungsrate seit dem Ausbruch der Krankheit. Zu diesem Zeitpunkt kam ein gelangweilter Teenager auf einen perfiden Aprilscherz: Er veröffentlichte einen gefälschten Internetauftritt der populären Tageszeitung Ming Pao im Netz, auf der Hong Kong als "safe port", also ein von der Welt quarantäniertes Stadtgebiet erklärt wurde. Der Flughafen in Chep Lap Kok würde geschlossen werden, um Hong Kong von der Welt abzuschneiden. Der Hangseng-Index sei kollabiert, die Supermärkte würden geschlossen, es gebe ein Ausgehverbot, der Regierungschef Tung Chee-

[Abb.] Hamsterkäufe führen in einigen Supermärkten dazu, daß die Regale leer geräumt sind. [Fortsetzung von S. 30] The droplets are airborne. Droplets remain airborne for varying amounts of time depending on a number of factors." (Dr.Toole, Mikrobiologe City University Hong Kong) [54] Bspw. www.spiegel.de/dossiers/wissenschaft/0,1518,247011,00.html

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hwa sei zurückgetreten. Das Gerücht breitete sich wie ein Steppenbrand in mittäglichen Smalltalks, per E-Mail, SMS und Telefon aus und verschlimmerte sich: Es wurde spekuliert, dass alle öffentlichen Gebäude und Plätze, Sportplätze, Kindergärten, Schulen und Universitäten, Restaurants, Pubs und Bars geschlossen werden würden.Tausende Hong Konger strömten panikhaft in die Supermärkte und begannen in Hamsterkäufen ganze Regale leer zu räumen. Gleichzeitig erschütterte eine weitere Tragödie an diesem Nachmittag die Stadt:Vielleicht sogar in Reaktion auf die panikartige Stimmung hatte sich der unter Depressionen leidende, überaus populäre Kantopopstar und Filmschauspieler Leslie Cheung vom Mandarin Hotel in den Tod gestürzt. In seiner Tasche fanden sich neben Börse, Handy und Autoschlüsseln eine grüne OP-Maske. In der Stadt machte sich eine Weltuntergangsstimmung breit. Am Nachmittag sah sich die Regierung gezwungen, eine ungewöhnliche Maßnahme durchzuführen. Über den Mobiltelefonanbieter Orange ließ sie 1,5 Millionen SMS verschicken, in denen sie das Gerücht widerrief. Dass jedoch viele Hong Konger bis in die späten Abendstunden ihre Panikkäufe fortsetzten, kann als Indiz für die zunehmende Kluft zwischen Regierung und Bevölkerung betrachtet werden. FEAR OF TOUCH – DIE ANGST VOR DER STADT

[55] Straits Times, 10.4.2003. Der unsichtbare Patient gleicht der Figur des "Schläfers", die in der Terrorismusbekämpfung instrumentalisiert wird, um ein gewisses Angstniveau in der Bevölkerung zum Zwekke der Durchsetzbarkeit von freiheitseinschränkenden Regierungsmaßnahmen zu halten.

Das SARS-Virus führte deutlich vor Augen, welch wichtige Funktion eine als gesichert wahrgenommene Informationslage normalerweise für das Sicherheitsempfinden der Bürger übernimmt. Ohne verlässliche Informationen waren die Hong Konger angesichts der Anwesenheit einer potenziell omnipräsenten, unsichtbaren Bedrohung, die mit dem alltäglichen Sinnesinstrumentarium nicht zu erfassen war, hilflos. Der eigene Körper wurde zur ständigen Gefahrenquelle. Die dauerhafte und nervenzerreißende Wachsamkeit paarte sich mit der Frustration, tatsächlich die eigentliche Gefahr nicht wahrnehmen zu können, sie deshalb zu keinem Zeitpunkt ausschließen zu können. Dabei erwies sich als besonders fatal, dass viele neue Erkenntnisse über die Verbreitung der Krankheit ebenfalls mit dem Phänomen der Unsichtbarkeit gekoppelt waren. Beispielsweise brachten die Expertendebatten über die Virulenzzeit die Metapher des "unsichtbaren Patienten" in Umlauf. Mit diesem populärwissenschaftlichen Begriff für einen virulenten Infizierten ohne sichtbare Symptome bekam das "unsichtbare Monster SARS" das humane Gesicht des Fremden, der damit zu einer Gefahr im städtischen Alltag wurde.[55] Nun konnte jeder ein unsichtbarer Patient sein, der Mann am Zeitungsstand, der Mensch vor einem in der Schlange, die Frau am Wegrand, der Kellner,

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der Busfahrer, der Kinoangestellte. Unter diesen Umständen wurde jeder Kontakt mit anderen Menschen zum Risiko.Wer zu diesem Zeitpunkt nieste oder hustete, sah sich automatisch mit Todesfantasien konfrontiert, und wurde von anderen Menschen gemieden. Die Angst vor dem Virus unterminierte selbst das Vertrauen zu den engsten Familienmitgliedern, deren Berührungen genauso gefürchtet wurden wie die von Fremden. Die 27jährige Designerin Isabella Chow berichtete folgendes: "Normally I hug my mum every night, but now I am afraid that her mouth droplets

[A]

are spreading over my face, we don't talk to each other straight in the face. And we said when someone is coughing, the others will run away from home."[56]

Eine andere "unsichtbare" Gefahr bestand in der wissenschaftlich ungesicherten Überlebensdauer des Virus auf Oberflächen im städtischen Raum. Das Virus konnte sich an Händen festsetzen, und sich von dort aus mit jeder Berührung auf andere Menschen, Gegenstände und Oberflächen verbreiten.Würde man die eigenen Augen und Nasenschleimhäute berühren, so wäre dies der Auslöser für die Infektion. In den Zeitungen häuften sich die Leserbriefe, in denen man über Ängste vor Geldautomaten, Fahrkartenautomaten und Aufladestationen für Octopuskarten sprach.[57] All diese Gegenstände konnten nun ebenfalls zu "stillen Trägern" der Krankheit werden. Die Angst der Hong Konger war dabei durchaus von Phantasie geprägt: In Leserbriefen der South China Morning Post, Hong Kongs größter englischsprachiger Tageszeitung, befürchtete ein Leser etwa die Übertragung des Virus über Zigarettenrauch, eine andere Leserin über das Wasser der Strände Hong Kongs. Kochdämpfe, tropfende Klimaanlagen und das Abwassersystem schienen ebenso ein mögliches Risiko wie die Füße von Kakerlaken, die nachts auf Zahnbürsten herumwandern könnten. Nicht zuletzt der Alptraum des hyperkapitalistischen Hong Kongs – war das Virus über Geldscheine und Münzen übertragbar [s.Abb.58 nächste Seite]?

[B]

[Abb.] Eine Apotheke im Stadtteil Happy Valley am 27. März 2003. Eine lange Schlange hat sich gebildet – die Menschen stehen an, um Masken zu erwerben. Der Platz reicht nicht mehr aus. Deswegen verkaufen die Apotheker direkt aus Kisten, die auf der Straße stehen. Viele Menschen kaufen gleich einen großen Vorrat. Man befürchtet, daß die Preise weiter steigen.Tatsächlich verkaufen einige Händler eine Maske sogar für 50 HK Dollar. Der Preis beträgt normalerweise nur zwei oder drei Hong Kong Dollar für eine gewöhnliche OPMaske. [56] Isabella Chow, Designerin, Interview am 26.4.2003. Isabella Chow verließ während der SARS-Zeit nur selten das Haus. Ihre gesamte Familie blieb in dieser Zeit viel zusammen, was in den engen Wohnungen und bei den in Hong Kong häufig gravierenden Generationsunterschieden selten der Fall ist. In der Folge kündigte sie ihren Job, da sie durch die Krisenzeit selbst in eine grundlegende Sinnkrise kam, durch die sie ihre Prioritäten anders setzte. Dies ist nur ein Beispiel, wie SARS auch auf einer biographischen Ebene viele Menschen beeinflußte. [57] Octopuskarten sind elektronische Zahlungsmittel mit einem einfachen Magnetmechanismus, die vor allen Dingen als U-Bahnkarten und zum Zahlen kleinerer Geldbeträge verwendet werden.

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MÜNZFERNSPRECHER ROLLTREPPENGRIFFE TÜRGRIFFE K L I N G E L N L I F T B U T TO N S STANGEN IN DER U-BAHN HALTEGRIFFE STUHLLEHNEN TAXISITZE SCHUHE KLEIDUNG TASSEN STÄBCHEN SOYASAUCENFLASCHEN BROT OBST UND SÜßIGKEITEN IM SUPERMARKT ZAHNSTOCHERHALTER TISCHDECKEN NUDELSUPPEN MIKROWELLENKNÖPFE IN DER BÜROKÜCHE ARBEITSFLÄCHEN M I K RO F O N E L I F T L O B B I E S COMPUTER KASSENTISCHE AUDIO EQUIPMENT FLURE ZEITUNGSSTÄNDER AUTOMATISCHE BUCHAUSLEIHMASCHINEN WALKIE TALKIES TOILETTEN KASSENTISCHE GARDEROBEN KOPIERGERÄTE W A S S E R H Ä H N E [58]

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TERRITORIEN DES SELBST Die brachiale Urbanität Hong Kongs tat ihr übriges, diese körperlichen Erfahrungen zu klaustrophobischen Momenten zu machen – das Spüren der geschlossenen Räumlichkeiten, das Atmen der durch Klimaanlagen gefilterten Luft, die Nähe zu einer großen Menge an anonymen Menschen waren unter der angenommenen Nähe des omnipräsenten, unsichtbaren Virus schlicht beängstigend. Aus dieser Perspektive waren die Reaktionen der Bevölkerung verständlich: Der eigene Körper, das "Territorium des Selbst" [59] musste von der Stadt – dem Raum, den anderen Menschen –getrennt werden. Die radikalste Art des Selbstschutzes bestand darin, den Kontakt mit der Öffentlichkeit so weit wie möglich zu mini-

[Abb.] Die sonst gut besuchte Shoppingmall Plaza Hollywood ist wie ausgestorben.

mieren. Die meisten Menschen verließen nur noch zum Einkaufen von Grundnahrungsmitteln die Wohnung. Unnötiger Kontakt mit der Außenwelt wurde eingestellt, was sich an dem Rückgang der Besucherzahlen in sonst hoch frequentierten Freizeiteinrichtungen wie Karaokebars, Kinos und Diskotheken zeigte. Das öffentliche Leben der Stadt kam zu einem beinahe vollständigen Stillstand. Die Straßen der sonst stets mit Menschen überfüllten Einkaufsviertel Causeway Bays und Tsim Sha Tsuis waren leergefegt, die Menschen blieben in ihren Wohnungen. Die Schutzpolitik der Firmen, die neue Richtlinien zur Arbeits- und Meetingsicherheit aufstellten, unterstützte dieses Verhalten. So schloss beispielsweise das Asian Wall Street Journal sein Büro in Wan Chai und rüstete seine Journalisten mit Laptops und Hotelzimmern aus, flog Teile

[59] Der Begriff ist von Erving Goffman entlehnt: "Territorien des Selbst" haben einen doppelten Zweck – Vermeidung von unterwünschter und unerwarteter Berührung einerseits, von unberechtigten Vermischungen von Besitzansprüchen andererseits.Territorien des Selbst dienen letzlich der Aufrechterhaltung einer bestimmen Identität durch Markierungen von Grenzen optischer, verhaltenstypischer und sonstiger Art. Begriffe wie intim, privat, öffentlich, Dichte, Enge sind auch immer als Positionierungen von Menschen im Raum und als Distanzwahrungen zu anderen Menschen aufzufassen." (Goffman 1974: 54ff.) [60] Insbesondere ausländische Geschäftspartner von Hong Konger Unternehmen mieden die Stadt. Am 16. April berichteten die Befragten der Umfrage der Business Travel Coalition, dass sie geschäftliche Reisen durch Videokonferenzen (67 %),Telekonferenzen (65 %),Webkonferenzen (43 %) und Webcasting (28 %) ersetzt hätten. Maßnahmen zur Unternehmensicherheit beinhalteten, Reisen in betroffene Länder zu unterbinden, sowie Geschäftsreisen zwischen dort angesiedelten unterschiedlichen Standorten zu verschieben. 24 % der amerikanischen Unternehmen belegten aus betroffenen Ländern zurückgekehrte Angestellte mit einer Quarantänezeit oder verlangten ein Gesundheitszeugnis von ihnen (http://btcweb.biz/sarssurveyresults.htm, http://btcweb.biz/sars2surveyresults.htm)

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[A]

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der Redaktion nach Singapur aus und untersagte jeden kollegialen Kontakt selbst in der Freizeit.Wer das Büro betreten wollte, stand unter Maskenzwang. In anderen Firmen wurden reale Treffen durch Videokonferenzen und E-Mailverkehr ersetzt, unwichtigere Arbeitsabläufe auf unbestimmte Zeit verschoben und näher liegende Projekte abgesagt.[60] Die Schulen schlossen. Etwas später die Universitäten. Eine Kettenreaktion fand statt, denn unter solchen Umständen wurden viele Veranstaltungen aus Rücksicht auf die Ängste des Publikums sowie aus Kalkulationsgründen abgesagt. Die Abwesenheit jeglicher Ablenkungen, die sonst die Mühen und Sorgen des Alltags vergessen machen können, mündete in einer bedrückenden Stimmung. In einem in der chinesischsprachigen Hong Konger Zeitung Dongfang ("Osten") erschienenden Artikel verglich der Autor Wang Ming'An diese Situation mit einem Alptraum oder einem Science-Fiction Film: "The murmurs of the fearful have taken the place of the clatter of machinery.

[B]

Dancing, singing, and banqueting have disappeared from the city; people have lost their holiday demeanour; worry is written on all their faces.This is a time without joy or celebration, a dark night of silence and terror, a canopy of night that threatens, but no one knows when the blow will descend. […] This kind of life is one of unprecedented pressure. […] Ideals, work, ambition, not to mention money – these centers and motivators of the ordinary condition of life completely collapsed. System, orderliness, and organizations dissolved of their own accord, actively forfeiting their effectiveness. […] Humans […] have undergone a great psychological

[C]

shock.This shock is not only a fear of death, it is also the rare plight of feeling completely unmoored. Daily life has suddenly been swung off its tracks; the entire daily human experience has suddenly become rigid, dull, brought to a standstill.This is an

[A] Ein Restaurant in der Nähe des „Ground Zero“ Metropole Hotel in Kowloon steht leer. [B] Auch in der neu eröffneten IFC 2 Mall in Central sind kaum Besucher. [C] Ungewohnte Ansichten auch im Einkaufsviertel Causeway Bay.Wo sich sonst die Massen durch die Straßen schieben, sind nur vereinzelte Passanten zu sehen. [61] Wang 2003: 595 [62] Dabei bezog sich die Angst vor einer Infektion zu 57 % darauf, andere anzustekken, zu 36,6 % vor der Tödlichkeit der Krankheit und zu 17,2 % auf die ökonomischen und beruflichen Folgen einer Krankheit. Chinese University Hong Kong. (www.cuhk.edu.hk/ipro/pressrelease/030518e.htm)

exceptional experience with the terrifying quality of a nightmare. […] Humans, perhaps for the first time, have placed themselves into a kind of surreality, have located themselves in a fiction film, have cast themselves in a drama on a stage."[61]

REALES RISIKO Rein statistisch waren lediglich 0,025 % der Hong Konger Bevölkerung von einer Infektion betroffen. Dennoch schätzten schon im März 34,7%, im April sogar bereits 68% der Bevölkerung, dass auch sie oder ihre Familienmitglieder sich mit SARS infizieren könnten.[62] Bis Mitte Mai verhielt sich die subjektive Unsicherheit der Hong Konger weiterhin hoch, obwohl in der gleichen Zeit sowohl das statistische Risiko faktisch immer weiter sank, während die tatsächlichen institutionellen und individuellen

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Absicherungsmaßnahmen zunah men. So wurden beispielsweise die Trakking- und Isolationsmethoden der Gesundheitssysteme erheblich verbessert. Da man nun bei allen neuen Infizierten sofort die Menschen informierte und überwachte, mit denen jene in den vergangenen Tagen in engeren Kontakt getreten waren, konnten Ende April kaum unentdeckte Neuinfektionen auf die Straße gelangen. Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung sank also für den Einzelnen, während die Risikowahrnehmung jedoch gestiegen war. Ein wesentlicher Teil dieser überhöhten Risikoeinschätzung lässt sich auf die verstärkende Rolle der Medien zurückführen. Die Medien unterstützten zu Beginn der Krise aktiv die Risikowahrnehmung, indem sie die spärlichen Informationen der Regierung zum Anlass nahm, die Situation zu dramatisieren.[63] Die Journalistin Geet Frank berichtete von ihren eigenen Erfahrungen: "I don't feel the danger is that real, I think its grossly exaggerated by the media and I think the Hong Kong government has done nothing to put this in perspective. From the media I know we have looked for the scary things, we have looked for the fear. […] I think the media had a feeding frenzy, just because we got so little information at the start.We had questions, everyone had very solid questions, but the briefs were not able to answer them because they were so slow to react, and they were so slow to get solid facts and information, anything that could elay the fears of the public. And because of that, the media were able to use that, they were able to turn it into that great UNKNOWN; that MYSTERY disease that's gonna wipe out the human race, just because they couldn't say, this is what is happening, this is the virus that's causing it, this is to avoid it from the start. By the time they did that, it was already too late.There was already panic, already panic mongering going on."[64]

Die konstante Medienberichterstattung, die im halbstündlichen Takt die Infektionszahlen und Todesfälle veröffentlichte, hielt die Beunruhigung innerhalb der Bevölkerung hoch. Zusätzlich zirkulierten emotionale Geschichten von betroffenen Patienten und ihren Angehörigen in der Stadt. Die ganze Stadt kannte einen Bewohner aus Amoy Gardens, der in einem Quarantänecamp in den New Territories untergebracht war, weil seine gesamte Familie – Mutter, sechsjähriger Sohn und Ehefrau – an SARS erkrankt war und in unterschiedlichen Krankenhäusern untergebracht war. In einer Radioshow berichtete der Mann von seiner Frustration, dass er seine in Lebensgefahr schwebende Frau nicht besuchen könne: "My wife called me and said, I can't breathe, you must come and rescue me". Ein anderer Mann musste seine Frau allein mit seinem Sohn

[Abb.] Typische Grafik aus der anfänglichen Berichterstattung derTageszeitung South China Morning Post, bei der die neuen Infektionen nach ihren Herkunftorten differenziert wurden. Später wurden die Fälle weiter ausdifferenziert, etwa nach Alter oder bestehenden Vorerkrankungen. [63] Ein anderer Faktor, der die Medien betraf, war das Phänomen der so genannten "akkumulierenden Zahlen" – so wurden beispielsweise zu Beginn nur die neuen Infektionszahlen, aber keine Entlassungen aufgelistet, was suggerierte, dass es immer mehr Infektionen gab. Diese oben stehende Graphik versucht bereits, Entlassungen mit einzubeziehen, zeichnet jedoch gleichzeitig eine steil aufsteigende Kurve. Am 4. April beauftragte die SCMP Statistiker, das Risiko SARS mit anderen Risiken zu vergleichen. Diese schrieben etwa, dass das Risiko eines Autounfalles 10mal höher als die Ansteckungsgefahr durch SARS sei. (SCMP 4.4.2003: C3) [64] Interview mit Geet Frank, Journalistin beim Asian Wallstreet Journal, 17. April 2003

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beerdigen, da sich aus Angst vor Ansteckung niemand zu der Beerdigung getraut hatte. Schicksale wie diese dominierten die Medien und führten zu einer betroffenen Stimmung in der Hong Konger Bevölkerung. Nicht nur die öffentliche Stimmung, auch konkrete Verhaltenweisen wurden durch die Medien beeinflusst, die als zweite Akteursgruppe neben der Regierung realitätsprägend auftrat, wie das Beispiel der Masken zeigt: Die Hong Konger Regierenden, von denen einige selbst Ärzte waren, hatten sich Anfang April der internationalen medizinischen Meinung angeschlossen, dass der Gebrauch von Masken auf das hochgefährdete Gesundheitspersonal und direkt mit erkrankten Personen verbundene Angehörige beschränkt bleiben könne. Exemplarisch für diese Position ist folgende Aussage, die Julie Geberding, eine Sprecherin des amerikanischen Centre for Disease Control (CDC), am 2. April in einer Pressekonferenz machte: "[…] We are not recommending masks for other people. Right now, this is a recommendation for those who are in contact with SARS patients and not for people who are on the streets or who are in other situations where there may be exposure to other people."[65]

[65] www.sarswatch.org zuletzt 10.10.2005 [66] Die Sendung war ein wichtiges Forum, in dem öffentliche Meinung gemacht wurde. Während der Krise zeigte sich der spitzzüngige Cheng als Kritiker der Regierung. Doktoren, Krankenschwestern und Politiker berichteten aus ihrem Alltag, persönlich von der Krankheit betroffene Menschen schilderten ihr Schicksal. Die Medien griffen wiederholt die Themen aus "Teacup in a Storm" auf. Die Sendung war also für den öffentlichen Diskurs der Stadt sehr einflussreich. [67] "All the while, the government has been treating the image of Hong Kong as its priority.The political and financial considerations seem to have overweighed the issue of public health." (SCMP, 1.4.2003: C3)

Diese Position wurde jedoch durch populäre Akteure der Hong Konger Medienlandschaft unterlaufen. Entgegen der wissenschaftlich rationalen Meinung begann der Radiomoderator Albert Cheng, der mit seiner von 7.30 Uhr bis 10 Uhr dauernden Anrufershow "Teacup in the Storm"über 80 % der Hong Konger Radiohörer erreichte, das Tragen von Masken zu befürworten.[66] Am 1. April warf ein Zusammenschluss von Ärzten der Regierung vor, das Image der Stadt über die Vorbildfunktion gegenüber der eigenen Bevölkerung zu stellen, weil sie keine Masken trugen.[67] Daraufhin begannen Regierungsbeamte nun auch selbst – unter anderem während Fernsehinterviews – Masken zu tragen, was wiederum suggerierte, dass Masken jederzeit getragen werden müssten. Masken wurden zur Pflicht in Regierungsmeetings, was wiederum den gesamten öffentlichen Dienst, und im Anschluss auch die Universitäten dazu anregte, das Tragen von Masken innerhalb ihrer Gebäude zur Pflicht zu machen. Spätestens ab Mitte April trugen deshalb etwa ein Drittel der Hong Konger – mehr als zwei Millionen Menschen – bei ihren alltäglichen Erledigungen im öffentlichen Raum Masken, obwohl diese Maßnahme angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse bereits als überflüssig identifiziert worden war.

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Entgegen dieser Erkenntnis lautete der allgemeine, durch hohen sozialen Druck von Familien, Kollegenkreisen oder innerhalb der Institutionen zu Stande gekommene Konsens, dass die Masken die Verbreitung des Virus durch Niesen und Husten per Tröpfcheninfektion verhindern konnten. Wer dieser Annahme keinen Glauben schenkte, gab auf Nachfrage an, die Maske erinnere daran, die so genannte "Kontaktübertragung" von Händen auf Mund, Nase und Augen zu beachten. Dennoch waren sich die meisten Personen sich der wissenschaftlich fragwürdigen Schutzmaßnahme sehr bewusst – sie trugen die Maske dennoch aus psychologischen Gründen. Sowohl in Zeitungsartikeln, der von uns durchgeführten Blitzumfrage in Mong Kok und in Tai Po, als auch in privaten Gesprächen äußerten sich viele Maskenträger ähnlich wie dieser Student: "Even though you knew the masks were not up standard, wearing them makes you feel safer."[68] Andere Befragte nannten als Grund für ihr Verhalten: "a psychological boost" oder "It gives me a sense of confidence."[69] In der Risikoforschung ist bekannt, dass die Wahrnehmung subjektiver Risiken desto mehr sinkt, je mehr die subjektiv empfundene Handlungsfähigkeit steigt.[70] In einer Situation, die beinahe gänzlich der Kontrolle des Einzelnen entzogen war, bot das Tragen von Masken und die Einhaltung einfacher Vorsichtsmaßnahmen eine Möglichkeit, einen Teil der Kontrolle über den Alltag zurück zu gewinnen.[71] Die dünne Trennschicht aus Papier war ein einfaches Instrument, unter den Bedingungen von Mobilität den eigenen Körper, das "Territorium des Selbst" unter Quarantäne zu setzen. Oder, wie die Hong Konger Politikerin Christine Loh es auf den Punkt brachte: "Wearing a mask is something concrete and simple that people could do, so people started wearing a mask."[72] Dabei musste die Motivation der Absicherung auch wesentlich in dem sozialen Druck, der von der eigenen Familie ausging, gesehen werden.[73] Da bekannt wurde, dass sich aufgrund ihres engen Kontaktes besonders Familienmitglieder angesteckt hatten, entwickelte sich die Familie zur ersten Risikogruppe und zum Hauptschauplatz privater Bekämpfungsstrategien. Da ein wichtiger Aspekt bei der Furcht vor einer Ansteckung in der Angst bestand, selbst Familie und Kollegen anzustekken, wurde die Maske auch als Zeichen der Vertrauensbildung getragen.[74] Beobachter der Masken spekulierten auch, dass insgesamt die westlichen Bewohner Hong Kongs weniger Masken tragen würden, was sie als Zeichen eines "rationaleren" Zugangs zu SARS betrachteten.[75] Das Maskentragen könnte jedoch auch den Unterschied zwischen individualistischen Konzepten des Selbstschutzes und kollektiven, d.h. auf den Anderen bezogenen Aspekten des Schutzes aufzeigen. Andere argumentierten, dass mehr Chinesen als Westler Masken trugen. Zu den bezeich-

43

[A]

[B]

[A] Eine Familie bei einem Osterausflug in der Shoppingmall "Ocean Terminal". Die Kinder säubern sich gerade die Hände. [B] Die Familie ist Schutz und Gefahr zugleich. Ein Symbol dieses Paradoxes ist der gemeinsame Maskenvorrat dieser Familie in Tuen Mun, der im gemeinsamen Wohnzimmer direkt neben dem Fernseher steht. [68] SCMP, 29.3.2004, 4 [69] SCMP, Behind the mask, 24. Mai 2003 [70] Chan 2003: 2 [71] Vgl. Schütz/Hübner 2003 [72] Christine Loh, Civic Exchange, Interview am 5. Mai 2003 [73] Chan 2003: 2 [74] ebda. [75] Der Journalist Nury Vittachi bemerkte darüber hinaus, dass dies auch darauf zurückzuführen sei, dass viele Expats bereits die Stadt verlassen hatten: "First I thought the westerners were braver – but no, they were all gone, and only the brave ones stayed." Interview mit Nury Vittachi, Journalist bei der Far Eastern Economic Review, 4. Mai 2003

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[Abb.A und B] Schnappschüsse von Hong Konger Maskenträgern zeigen, dass viele Menschen Masken eher aus symbolischen Gründen tragen. [76] Gespräch mit einem Teilnehmer auf dem Fearbusters Workshop am 29. April 2003

[A]

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nendsten Erlebnissen gehörte hier für mich die Teilnahme am Fearbusters Workshop im Shangri-La Hotel Central. Niemand der Anwesenden, die meisten internationale Expats, trug Masken – bis auf eine Handvoll lokaler Chinesen, die schnell den Raum verließen. Ein einziger chinesischer Maskenträger verblieb bis zum Ende. Er erklärte den Anwesenden: "Because of my job I am considered high-risk by other people. So I wear the mask to make them feel safe."[76] Dies verweist auf ein weiteres Motiv des Maskentragens – die soziale Etikette und Höflichkeit. So fürchteten über 60% der Befragten einer Umfrage eine Ansteckung deshalb, weil sie selbst ihre nächsten Familienangehörigen, Freunde und Kollegen infizieren könnten.Wer Maske trug, signalisierte: Ich achte auf meine persönliche Hygiene und übernehme soziale Verantwortung. Bei genauem Hinsehen sah man jedoch auch, dass es viele "heimliche" Widerstände gegen die Disziplinierung im Alltag gab – und man lange nicht von einer "umfassenden Angst" sprechen konnte. In Restaurants zeigte sich etwa, dass auch unter beengten Verhältnissen die Masken zum Essen selbstverständlich abgelegt und während des Essens in verschließbaren Plastiktüten aufbewahrt wurden. Die Menschen schoben ihre Masken zum Telefonieren und zum Rauchen auf die Stirn oder unter das Kinn.Viele Menschen ließen ihre Nase frei, trugen Masken also lediglich aus rein symbolischen Gründen. Man könnte SARS aus dieser Perspektive auch als ein großes Missverständnis zwischen Millionen von Menschen bezeichnen – denn das Kollektiv erschien nur oberflächlich betrachtet homogen. Die soziologische Grundannahme, dass das Kollektiv durch eine Verdichtung von Einzelhandlungen entsteht, die als solche selbst nicht deckungsgleich mit dem Kollektiv sind, läßt sich hier bilderbuchartig demonstrieren.

[B]

"MASK CITY" Diese Feinheiten wurden jedoch von Fotografen kaum wahrgenommen. Maskenmotive waren bei der Repräsentation der SARS-Krise weltweit sehr beliebt.Wegen ihres flächendeckenden Einsatzes und Auftauchens in den Medien wurde die Maske schnell auch als "zweites Virus" bezeichnet. Diese Bilder spielten eine sprichwörtlich "signifikante" Rolle in den sozialen Prozessen der SARS-Krise. Der Journalist Nury Vittachi, der während der Hochphase der Krise als eine der wenigen Personen in der Öffentlichkeit mit humorvollen E-Mails und Kolumnen für eine Deeskalation der öffentlichen Panikmache plädierte, erinnert sich im Interview: "Around the 3rd and 4th week of March, every newspaper in the world which had

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foreign news, every television in the world showed pictures of Hong Kong people wearing masks.They showed a film of a whole city wearing masks. Now that is what killed Hong Kongs tourist industry.Who wants to go to a city where every single person is wearing a mask? It looks like a dangerous, dangerous place."[77]

Internationale Journalisten inszenierten als "ästhetische Choreographen" ein archetypisches Katastrophenszenario einer ausgestorbenen, stillgelegten Stadt, in der vom Tod bedrohte, isolierte Individuen lebten. Die Repräsentationen waren von dystopischen Fantasien durchdrungen. Hong Kong wurde mit einem Science-Fiction-Film vom Typus "Outbreak" verglichen, mit einer Stadt unter einem Angriff durch Biowaffen; als Opfer eines bioterroristischen Angriffs wie das New York des 11. September 2001.[78] Sensationalistische Schlagzeilen wie "More deadly than Ebola" oder "It's a holocaust" standen neben Bildern, die Hong Kongs Landmarks – große Departmentstores, Banken und Bürohäuser, die urban entertainment areas Lan Kwai Fong und SoHo, den Flughafen oder die MTR – mit maskierten Menschen bevölkert zeigten.[79] Diese Bilder wurde von internationalen Beobachtern als Illustration und Indiz für die urbane Panik Hong Kongs herangezogen, wie aus einem Artikel des Time Magazins vom 8. April hervor geht:

[A]

[B]

"Hong Kong now looks like a city under threat of biological-weapons attack. Almost overnight the streets have filled with people wearing surgical and industrial face masks, as if shopping malls and subway stations had suddenly morphed into vast hospital wards. Convenience-store clerks, shopkeepers, bus drivers and even TV talk-show hosts are wearing masks, the latter while on camera. Doctors say the devices can hamper the spread of the disease by corralling coughs and sneezes

[A] Time Magazine Cover [B] und [C] Dramatische Darstellungen maskierter Menschen in der U-Bahn aus dem Time Magazine. [77] Nury Vittachi, Journalist der Far Eastern Economic Review, Interview am 15. Mai 2003 [78] Andere verglichen die Situation mit dem Buch "The Stand" von Stephen King oder Albert Camus' "Die Pest". Das auch der Absatz von Gabriel Garcia Marquez' "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" in den Buchhandlungen anstieg, zeigt nicht nur, dass die Hong Konger Buchhändler ebenfalls aus der Verwirrung der Bevölkerung Kapital zu schlagen versuchten, sondern drückte auch das Bedürfnis der Hong Konger nach menschlicher Wärme in Zeiten der Kontaktarmut aus. [79] Zit.Von Rachel Aris,The Guardian, 11. April 2003

[C]

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and by preventing people from touching their noses and mouths. Even transit companies and political parties are handing masks out on the street by the thousands, helping calm citizens who are searching for any incremental advantage over this little-known stalker. Naturally, in this most economically minded of cities, street hawkers are price gouging, charging several dollars each for tissue-thin masks sporting pirated cartoon characters such as Pokémon and Hello Kitty. "Forget about Scud missiles and smart bombs, we could all die if someone with the disease merely coughs," Shirley Li, a Hong Kong resident, told Reuters when explaining why she makes her son wear a mask in public."[80] [80] Jim Erickson,Time Magazine, 7. April 2003 [81] Mary Kwang, Straits Times, 8. April 2003 [82] Vukov 2001: 339 [83] Erickson, Jim: ebda. [84] Expat ist die umgangssprachliche Abkürzung für Expatriate. Ein Expat ist eine Person, die temporär oder permanent in einem Land oder einer Kultur lebt, in der sie nicht aufgewachsen ist. Der Terminus wird insbesondere für Angehörige "westlicher" Nationen verwandt, die in "nichtwestlichen" Ländern arbeiten und leben. Ein Expatriat unterscheidet sich von einem Immigranten darin, dass Immigranten eine Integration in das neue Land anstreben, während ein Expat normalerweise nur temporär in einem Land verbleibt und eines Tages in seine Heimat zurückkehren möchte, und deswegen keine Anstrengungen unternimmt, sich in der Kultur des Gastlandes zu assimilieren. Expats stellen also eine wichtige Gruppe der so genannten "globalen Nomaden" dar, wie man sie in Global Cities rund um den Globus antrifft. In Hong Kong stellen Expats etwa 150.000 der insgesamt 344.000 Ausländer, die eine eigene Infrastruktur in der Stadt – angefangen von bestimmten Wohnsiedlungen bis hin zu Freizeiteinrichtungen, Restaurants und Geschäften nutzen. Die Mehrheit der Ausländer in Hong Kong, ca. 142.000 Filipinas und ca. 50.000 Indonesier, sind dagegen als Haushaltskräfte tätig.Während die anglo-amerikanischen Expats die Stadt verließen und somit von ihrem Recht auf Mobilität Gebrauch machten, wurden die in Hong Kong als Hausmädchen arbeitenden Filipinas häufig diskriminiert und von ihren Arbeitgebern mit Reise- und Ausgehverboten belegt. So verboten Arbeitgeber die traditionellen Osterurlaube von Filipinas in ihrer Heimat. Die berühmten sonntäglichen Treffen der Maids auf Bürgersteigen, Brücken,Walkways, Parks und an Unterführungen wurden ebenfalls mit einem Bann belegt.

Mit Schlagzeilen wie "Fear changes the face of Mask City" [81] thematisierten die internationalen Medien die Angst, die hinter den Masken stand. Die Analogien von Panik und Krankheit implizierten, dass SARS auch eine Art mentale Krankheit in der Stadt ausgelöst habe, mit einer verängstigten Bevölkerung und einer von den Ereignissen überwältigten Regierung. International standen die Maskenbilder also im Zentrum dessen, was Tamara Vukow in Anlehnung an Lawrence Grossberg eine "affektive Epidemie der Unsicherheit" nennt.Vukow grenzt dabei "kollektive Affekte" von "individuellen Emotionen" wie folgt ab: "Whereas emotions tend to refer to discrete states that are experienced as subjective moments of interiority, affect refers to a less subjective, asignifying set of resonances, sensations and intensities that circulate socially between bodies and accumulate to form a kind of backdrop or climate. Affect travels between and among bodies and populations; it is a process that cements the feel of everyday life. Affective epidemics emerge when specific resonances become particularly acute, attaining a heightened level or pitch and triggering an accelerated circulation among peoples, as occurs when media spectacles around insecurity irrupt. Indeed, media culture is a key site for the proliferation of affective epidemics because of the ways in which mass media constitute such a backdrop to daily life and because of the intensified circulation of affect that they facilitate."[82]

Die Medienbilder verdichteten sich mit der von der WHO herausgegebenen Reisewarnung und den Befürchtungen der internationalen Experten, die das Risiko SARS unter dem Aspekt einer möglichen Pandemie betrachteten, zu einer Atmosphäre der Gefahr. Beide Ebenen beeinflussten die übersteigerte Risikowahrnehmung der Menschen, die in der Folge Hong Kong möglichst mieden. Die "hot zone atmosphere" [83] war besonders vielen westlichen Expats [84] Hong Kongs ein Anlass, um die Stadt vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen. Eltern reisten aus Sorge um ihre Kinder ab, Männer schickten Frauen und Kindern zurück in

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die USA, England,Australien. Institutionen wie das US-Konsulat, die ihre Mitarbeiter schützen wollten, riefen ihre Angestellten zurück. Dem Exodus der Expats standen auf der anderen Seite Reisebehinderungen für Hong Konger und alle, die mit der Stadt in Kontakt kamen, gegenüber: Malaysia, Singapur und Japan erließen strenge Quarantänerichtlinien für Reisende aus Hong Kong.[85] Die Absagen internationaler Stars führten zu einem Einbruch der Hong Konger Kultur- und Veranstaltungsszene. Selbst Hong Kongs Wirtschaftsvertreter wurden von der übrigen Welt gemieden: Hong Konger Vertreter wurden von der Schweizer Uhrenmesse in Zürich verbannt. Eine Summer University in Berkeley sollte abgesagt werden, weil dort viele Studenten aus asiatischen Ländern teilnehmen sollten. Selbst bei den Special Olympics in Dublin sollten Nationen mit SARS-Infektionen auf Wunsch der irischen Regierung nicht teilnehmen.[86] Die Ressentiments der internationalen Community ließen sich auch an den Reisezahlen bemessen. Mitte April schien Hong Kong faktisch von der internationalen Welt abgetrennt zu sein. Der Durchschnitt von 90100.000 Passagieren am Hong Kong International Airport war um 68%, an einigen Tagen sogar auf 15.000 Passagiere pro Tag gesunken.Von normalerweise 2,9 Millionen Reisenden pro Monat kamen plötzlich nur noch 909.000, im Mai sogar nur noch 565.000. Bei der Hong Konger Fluglinie Cathay Pacific wurden zeitweise 70% aller Flugzeuge stillgelegt. AFFEKTIVE EPIDEMIEN ALS POLITISCHES PROBLEM "Like other global or potentially global epidemics, SARS is a reality with two parallel tales: there is the viral epidemic evident in epidemiological and clinical accounts, and then there is an epidemic of meaning – "infodemic" – evident in the economy

[Abb.] Anstatt internationale Krisenkommunikation zu betreiben, demontierte eine zeitgleich in britischen Magazinen erscheinende Werbekampagne das Ansehen der Hong Konger Regierung zusätzlich. Der Slogan warb für die von einer ansteckenden Lungenkrankheit gebeutelte Stadt mit dem allzu passenden Slogan –"Hong Kong will take your breath away". [85] Alleine in meinem Bekanntenkreis verließen mindestens fünfzehn Personen die Stadt, um nach Deutschland,Amerika und Kanada zurückzukehren. Differenziert werden musste zwischen Besuchern und Expats.Während die Besucher einfach früher abreisten (etwa die meisten Austauschstudenten der HKU), buchten die Expats einen verlängerten Urlaub. Die Signalwirkung, die das Verlassen der Expats auf die zurückgebliebene lokale Bevölkerung hatte, darf nicht unterschätzt werden, besonders da die Abreisenden zumeist führende Positionen bekleideten und deswegen einen hohen sozialen Status besaßen. [86] Dean verweist auf eine interne und externe Seite von Bio-Politik, die auf dem Territorium des Staates basiert.Wenn es Aufgabe des Staates sei, die nationale Bevölkerung zu regieren, so gebe es ebenso eine internationale Form der Bio-Politik, die die Bewegungen, Migrationen und Niederlassungen der Menschen zwischen den Staaten regiere – etwa im Falle von Flüchtlingen, Migranten,Touristen, Gastarbeitern oder Studenten. (Dean 2003: 100)

of signs, symbols, and cultural frameworks provided by the media."[87] -- John Erni

Am 2. April zirkulierten in Hong Kong mehrere urbane Mythen, die Ausdruck der Ressentiments der Bevölkerung gegenüber der Regierung waren. Drei von ihnen stellten Regierungsexperten als Verursacher bzw. Förderer der Krankheit dar: SARS sei eine Krankheit, die bei der Produktion von Biowaffen auf dem chinesischen Festland entstanden sei, was die Geheimhaltung von Informationen durch die chinesische Regierung erklärbar mache; eine andere Version lautete, dass das Virus aus Versehen bei wissenschaftlichen Tests zur Vogelgrippe entstanden sei, also auf mangelnde Sicherheitsvorkehrungen in Regierungslabors zurückgehe. Schließlich lieferte ein Leserbrief der SCMP Anlass, der Regierung das Vertu-

[87] Der Begriff "infodemic" stammt aus einem Artikel der Washington Post. Der Autor David J. Rothkopf schreibt: "An infodemic is not the rapid spread of simple news via the media, nor is it simply the rumor mill on steroids. Rather, as with SARS, it is a complex phenomenon caused by the interaction of mainstream media, specialist media and internet sites; and "informal" media, which is to say wireless phones, text messaging, pagers, faxes and email, all transmitting some combination of fact, rumor, interpretation and propaganda. It can be rendered more difficult to understand by multiple languages, cultures and attitudes toward the free and open flow of information. It involves consumers of information ranging from officials to private citizens who have varying abilities [Forts. S. 44]

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[Forts. von S. 43] to see the whole information picture, varying degrees of sophistication about what to do with the information they have, little opportunity to authenticate data before acting on it, and little if any training in understanding or controlling the rapidly changing information picture. [...] The result is distortion, confusion and a sometimes profound incongruity between the underlying facts and their implications. (David J.Rothkopf, "When the Buzz bites back", in: http://www.udel.edu/global/globalmedia/readings/infodemic.html)

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schen von neuen Erkrankungen zu unterstellen. Eine Leserin mit Beziehungen zu einer Krankenschwester im Tuten Man Hospital berichtete von 20 – der Hospital Authority offiziell nicht bekannten – Fällen.[88] Die Gerüchte drückten das Misstrauen gegenüber der Regierung aus, dass zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit vorherrschte. Gleichzeitig brachen in Umfragen die Popularitätswerte des Chief Executive Tung Chee-Hwa auf das historische Tief von 40 % zusammen.[89] Eine Umfrage des "Public Opinion Program" der University of Hong Kong, die im Zeitraum vom 16. bis 23. April 2003 durchgeführt wurde, zeigte, dass lediglich 9 % aller Hong Konger mit der Regierung zufrieden waren. Mit der Performance des Regierungschefs Tung Chee-hwa waren lediglich 8,7 % zufrieden, 56% befanden ihn dagegen offen für inkompetent. In der Folge vertrauten viele Menschen ihren eigenen Einschätzungen, denen ihrer Familienangehörigen, von Freunden und den Medien mehr als den offiziellen Erklärungen und Maßnahmen der Regierung. Damit verlor also die Regierung eine wichtige Kompetenz zur Steuerung der Bevölkerung – die Deutungshoheit über die städtischen Probleme und Risiken und damit die Fähigkeit, diese zu regieren.

"THE COST OF SARS"

[88] SCMP 2.4.2003: N3

"The economic damage comes not so much from the illness as from the panic it's

[89] "The frustration of knowing so little about the virus, its prevention, treatment and spread, could be turned into fires of anger directed towards the government and authority figures.When microbiology experts informed the community that SARS will become a unique disease that will stay with us, the public directed the anger towards the Chief Executive,Tung CheeHwa. Mr. C.H.Tung's popularity fall below 40 points and reached a historical low." Das Misstrauen der Bevölkerung mündete am 14. Mai in einer "motion debate" im Hong Konger Parlament, die den Rücktritt des Chief Executive diskutierte. Andere Beispiele für ein unfähiges oder eingeschüchtertes Auftreten der Regierung sind folgende: Der Chef der Hospital Authority, William Ho, brach in einer Fernsehansprache in Tränen aus.Tung Chee-Hwas Frau Betty Tung sorgte für weiteren Spott und Kritik, als sie in einer übertrieben ängstlich anmutenden Schutzkleidung in dem betroffenen Public Housing Estate Lower Ngau Tau Kok Estate eine Reinigungsaktion durchführte. (Chan 2003: 7)

causing as Asians don surgical masks, avoid public places and trade rumors via E-

[90] Erni 2004 [91] Kaltenbrunner 1997: 2006

Mail.The odds of getting SARS are slightly higher than getting hit by a meteorite, but not much. But the economic damage is real.“ -- David O'Rear, Ökonom

Diese Wahrnehmung einer krisengebeutelten Stadt, in der nichts mehr seinen normalen Gang nahm, hatte konkrete ökonomische Auswirkungen sowohl im städtischen Raum als auch in Bezug auf die internationale Vernetzung. Laut dem Hong Konger Literaturwissenschaftler John Erni beruhen Selbstverständnis wie internationale Attraktivität Hong Kongs auf der ökonomischen Dynamik von Handel und Austausch, dem internationalen Verkehr von Menschen und Fahrzeugen, der freien Zirkulation von Bildern und Informationen in einer aufregenden, dynamischen Atmosphäre. SARS habe diese "Kernstimmung Hong Kongs" gebrochen.[90] Der menschenleere Central Business District, die ausgestorbenen Shoppingmalls und der fast völlig eingestellte Betrieb auf dem Flughafen wirkten wie ein negatives Zerrbild der Stadt, das Hong Kongs große Angst, die "Angst vor dem Stillstand"[91], manifestierte. Laut einer Umfrage des Hong Konger "Centre of Mood Disorder" im April werteten die Hälfte

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SAFETY FIRST NEW GUIDELINES TO CUT DOWN THE RISK OF INFECTION CITY, C4

LIFE LISTINGS SPORT

C S A T U R D A Y , A P R I L 12 , 2 0 0 3

WEATHER SUNNY PERIODS 23-26°

TALK TO US GOT A STORY? TELEPHONE 2565 2252 OR E-MAIL [email protected]

NEWS UPDATES WWW.SCMP.COM

Counting the cost of Sars One virus ● 1,059 infections ● 32 deaths ● $2.5 million a day in hospital costs ● 164 fewer flights into HK a day ● 26,000 fewer air passengers a day entering HK ● 97,500 fewer train passengers a day crossing Lowu border ● 10,000 firms facing closure ●

March 14

March 17

March 20

March 23

March 26

March 29

April 1

April 4

April 7

YESTERDAY

April 10

Government starts releasing figures

Health workers*: 63 Others**: 20

Health workers: 96 Others: 69

Health workers: 121 Others: 121

Health workers: 143 Amoy residents: 7 Others:  166

Health workers: 156 Amoy residents: 85 Others: 229

Health workers: 168 Amoy residents: 237 Others: 280

Health workers: 182 Amoy residents: 250 Others: 329

Health workers: 208 Amoy residents: 278 Others: 397

Health workers: 253 Amoy residents: 289 Others: 456

Infections: 29 Deaths: 2

Infections: 83 Deaths: 2

Infections: 165 Deaths: 6

Infections: 242 Deaths: 8

Infections: 316 Deaths: 10

Infections: 470 Deaths: 12

Infections: 685 Deaths: 16

Infections: 761 Deaths: 17

Infections: 883 Deaths: 23

Infections: 998 Deaths: 30

Infections***:

1,059

Health workers: 264 Amoy residents: 300 Others: 495 Deaths: 32

February 22 64-year-old Liu Jianlun, a professor of respiratory medicine at Zhongshan University in Guangzhou, is admitted to Kwong Wah Hospital after staying in the Metropole Hotel. Liu will become known as the Index Patient – infecting seven others who will spread the disease across Hong Kong and around the world. February 24 The Department of Health visits Kwong Wah Hospital to investigate Liu’s case.

March 4 Liu dies in isolation. March 6 An American-Chinese businessman, who stayed in the Metropole and fell ill in Hanoi, is flown back to Hong Kong and admitted to Princess Margaret Hospital. He dies on March 13. March 8 Medical staff at Prince of Wales Hospital begin falling ill. March 11 The Department of Health makes its first announcement about the virus.

Heike Phillips The spread of Sars accelerated yesterday as Hong Kong saw its victim toll jump through the 1,000 barrier, with 61 new infections representing the biggest daily rise in 10 days. And the economic cost of the outbreak is also spiralling. In the tourism sector alone, a 10 per cent decrease in the number of visitors to Hong Kong in the last two weeks of March cost the indus-

March 13 The WHO describes the disease as severe acute respiratory syndrome (Sars) in a global health alert. The term is coined by Infectious Disease Director for WHO Western Pacific region, Carlo Urbani, who treated the American Chinese businessman in Hanoi.

March 22 The kidney patient returns to Prince of Wales Hospital after infecting Amoy Gardens Estate in Ngau Tau Kok.

March 19 A kidney patient, later diagnosed with Sars, is discharged from Prince of Wales Hospital. Some schools voluntarily suspend classes.

March 25 Education and Manpower Secretary Arthur Li Kwok-cheung  insists he will not take the “desperate measure” of closing all schools.

try an estimated $300 million. On the basis of last year’s figures and per capita spending of $4,532, tourism losses will soon escalate to billions if arrivals drop by the 30 to 50 per cent predicted by some industry sources. The industry’s woes deepened as the World Health Organisation [WHO] made it clear last night that its travel advisory against visiting Hong Kong and Guangdong – a precaution against severe acute

March 24 Hospital Authority chief executive William Ho Shui-wei is admitted to Queen Mary Hospital with Sars.

respiratory syndrome (Sars) – will not be lifted for at least another 30 days. Tourism, which has been one of the fastest-growing sectors of the economy, was forecast to grow more than 8 per cent this year. The sector accounted for 5.7 per cent of Hong Kong’s gross domestic product [GDP] in 2001 and employed 10.7 per cent of the total workforce. Arrival numbers dropped 10.4

March 26 Outbreak begins at Amoy Gardens. March 27 The University of Hong Kong announces Sars is caused by a coronavirus. Mr Li announces schools will shut from March 29 until April 6. Fung Hong, chief executive of Prince of Wales Hospital, is admitted with Sars. Laws invoked to put 1,080 people in quarantine for 10 days.

April 1 A 14-year-old schoolboy sparks panic with bogus online news item reporting Hong Kong is to be declared an infected port. Panic buyers hit supermarkets. More than 200 residents of Amoy Gardens are put in isolation at two holiday camps.

per cent in the last 16 days of March 2003, compared to the same period last year. These figures are expected to drop further, as the WHO travel advisory was only issued on April 2. Spokesman for the Hong Kong Tourism Board Simon Clennell said that while things were expected to get worse, it was “not a case of no visitors arriving at all”. “We don’t have any hard figures. Some hotels say occupancy is

School in Wong Tai Sin. Amoy Gardens Blocks C to E in Ngau Tau Kok. Lower Ngau Tau Kok Estate in Ngau Tau Kok. Telford Gardens in Ngau Tau Kok. HSBC Kowloon City and Mongkok branches. Metropole Hotel in Ho Man Tin. Tung Ying Building in Nathan Road, Tsim Sha Tsui. Kowloon East Government Offices in Kwun Tong.

Kowloon: Queen Elizabeth Hospital in Yau Ma Tei. Kwong Wah Hospital in Mongkok. Baptist Hospital in Kowloon Tong. United Christian Hospital in Kwun Tong. Hong Kong Baptist University in Kowloon Tong. City University in Kowloon Tong. Wa Ying College in Homantin. Church of Christ in China Heep Woh College in Wong Tai Sin. Kei Tak Primary School in Wong Tai Sin. Tak Oi Secondary

INSIDE

City

C2 THE LO DOWN Alex Lo puts the week in perspective

C3 A robber armed with a stun gun and a knife is captured on the Peak

New Territories: Alice Ho Mui Ling Nethersole Hospital in Tai Po. Tuen Mun Hospital in Tuen Mun. Prince of Wales Hospital in Sha Tin. Princess Margaret Hospital in Kwai Chung. The Chinese University in Sha Tin. Diana Anglo-Chinese Kindergarten in Sha Tin. City One Anglo-Chinese Kindergarten in Sha Tin. Sheng Kung Hui Holy Spirit Primary School in Sha Tin. Tierra Verde on Tsing Yi Island.

April 4 British Airways and Qantas halt non-stop Hong Kong services.

April 2 The WHO tells travellers to avoid Hong Kong.

SITES WHERE SARS INFECTIONS HAVE BEEN CONFIRMED Hong Kong Island: Pamela Youde Nethersole Eastern Hospital in Chai Wan. St Paul’s Hospital in Causeway Bay. Ying Wah Girls’ College, Mid-Levels. University of Hong Kong in Pokfulam. A residential block in Taikoo Shing and Kornhill in Quarry Bay. Hong Kong Parkview in Repulse Bay. Heng Fa Chuen in Chai Wan. HSBC headquarters in Central. Wan Chai MTR station.

April 3 Education department announces schools will stay shut until April 21; universities suspend all classes until April 13.

Amoy Gardens, scene of the biggest outbreak.

down to 3 per cent, others say they are still doing okay. We don’t have figures for April yet but obviously they will be substantially down [on last year’s figures],” he said. The number of flights cancelled each day is now around 164, representing more than 30 per cent of all flights previously arriving at Chek Lap Kok airport, according to a spokesman for the Airport Authority. This means, on the basis of an average 160 people on board each flight, 26,000 fewer plane passengers entering Hong Kong each day. The loss in landing fees is estimated at a minimum of $3.5 million per day. The story is much the same on public transport, with the Kowloon-Canton Railway Corporation [KCRC] reporting a drop of 29 per cent in domestic and cross-border patronage in the first week of April compared to last year. “The average daily number of domestic passengers last year was 559,000. This is now 23 per cent lower,” a spokeswoman said. In the domestic sector alone, 128,570 fewer passengers a day would amount to a loss of about $1.3 million, based on a $10 fare. About 10,000 small businesses

April 8 30 residents of Lower Ngau Tak Kok Estate are infected. Deputy Director of Health Leung Pak-yin says cockroaches may have carried the virus from sewage pipes into flats in Amoy Gardens’ infected Block E.

* includes medical students ** “New patients and contacts of patients with atypical pneumonia” *** includes 169 recovered patients

April 10 10-day home quarantining of 70 households to start on April 14 is announced. Amoy residents return home. The virus is found in basins and toilets in Block E of Amoy Gardens. Yesterday All passengers out of Chek Lap Kok to have their temperature taken to test for Sars. The number of Hong Kong victims breaks through the 1,000 barrier. WHO rules out lifting travel advisory for at least 30 days.

INSIDE C4

Maids told to stay in HK for Easter Dr Margaret Cheng answers your Sars questions

PLUS Young Post survival guide

could face closure because of the postponement of business fairs and delayed orders because of the Sars outbreak, one industry expert warned. Hong Kong Small and Medium Enterprise Association vice-president Jimmy Wan said Hong Kong’s 100,000 small companies, which largely rely on trade fairs to get business orders, were facing tough times. Mr Wan said: “Overseas buyers are unwilling to visit Hong Kong because of health concerns, but small companies have no money to travel to get business. I estimate 10 per cent of them will be forced out of the market if the virus cannot be settled within these two months.” While retailers generally are despondent about the slump in trade, supermarkets stand apart and con-

SCMP Graphic Photo: AFP Sources: Department of Health and Hospital Authority

tinue to make a profit. “We are experiencing a short-term increase in business because more people are staying at home and cooking at home,” said Wellcome’s marketing development manager Diane Chiu. She would not divulge details of the percentage increase in trade, but said the strongest demand was for fresh products, such as meat, vegetables and fruit, as well as household cleaners. Aside from the flow-on effect to industry, the bill for treating patients suffering from Sars is in itself staggering. About 850 cases are currently being treated in hospitals around Hong Kong, which, at an average daily cost of $3,000 per bed, amounts to $2.5 million each day. This does not take into account intensive-care costs and other medical expenses. [email protected]

TALKBACK What can Hong Kong do to fight back from Sars? Send your comments to [email protected] Please include name, address and phone number

Passengers win payout after ordeal of first-class upgrade Life C5 Counsellors say Hong Kong may be on the brink of another epidemic — depression C6 DAVE BARRY reveals the backstage Oscars secrets

Sport

Stella Lee Chief Reporter

C16 SOCCER The annual Soccer Sevens tournament falls victim to Sars PLUS C14 Martin O’Neill takes a swipe at the ref after Celtic’s UEFA Cup draw against Boavista

A wealthy Filipino couple who took Cathay Pacific to court for upgrading them to first class on a flight home from Hong Kong have been awarded 5,000 pesos (HK$730) in damages after a bizarre legal battle lasting more than six years. The dispute, resolved by the Philippine Supreme Court, was sparked when Cathay upgraded Daniel Vazquez and his wife, Maria Luisa Madrigal Vazquez, from business class to first class before their flight to Manila left Kai Tak airport on September 28, 1996.

The couple tried to refuse as they were flying with two guests, who could not be upgraded. Cathay ground attendant Clara Chiu allegedly told the Vazquezes that if they did not accept the upgrade, they would not be allowed aboard. They boarded in first class, but complained that Ms Chiu had threatened them to do so “obstinately, uncompromisingly and in a loud, discourteous, harsh voice”. They said Ms Chiu’s shouting embarrassed and humiliated them. While the Supreme Court agreed the move by Cathay amounted to a breach of contract, the damages it awarded on March

14 were substantially less than the 650,000 pesos the Court of Appeal awarded the couple in 2001. The initial ruling, handed down by a lower court in 1998, was for 16.2 million pesos. In a written judgment, Chief Justice Hilario Davide Jr said the couple should have been consulted first about the upgrade. “By insisting on the upgrade, Cathay breached its contract of carriage with the Vazquezes,” he said. “We are not, however, convinced that the upgrading or the breach of contract was attended by fraud or bad faith.” [email protected]

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GENEALOGIE EINER KRISE

der Befragten die städtische Zukunft als "hoffnungslos".[92] Die Folgen negativer Emotionen wie Angst, Depression, Langeweile und Misstrauen schlugen sich direkt in einem Rückgang des sonst so regen Konsums der Shopping- und Dienstleistungsmetropole Hong Kong nieder. Die ökonomischen Folgen der SARS-Krise trafen besonders die kleinen Einzelhändler, Entertainment- und Restaurantbetriebe. Ende Mai schätzte die SCMP, dass durch SARS über 140.000 Jobs verloren gegangen seien. Diese ökonomische Unsicherheit, die die medizinische Unsicherheit durch SARS weit übertraf, bildete gleichzeitig den Tiefpunkt der seit der Asienkrise bestehenden Rezession, die das wirtschaftlich mit immensem Wachstum verwöhnte Wirtschaftsparadies Hong Kong in seinem innersten Selbstverständnis traf. Einige Analysten schätzen die gesamten ökonomischen Verluste Hong Kongs durch SARS auf über 40 Milliarden Hong Kong Dollar, oder umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar.[93] Mitte April war jeder Mensch in Hong Kong direkt oder indirekt von SARS betroffen. Ob nun im Alltag, bei Reisen in der Stadt, oder in der Umorganisation der Arbeitsbedingungen; durch die Angst, den Ärger oder die Langeweile angesichts des Ausnahmezustandes; durch die starke Repräsentation in Fernsehen und Zeitungen oder in Gesprächen auf der Straße: Es bestand keine Möglichkeit, SARS zu entkommen. Selbst in den halbprivaten Rückzugsräumen der Karaokebars begrüßten einen maskierte Menschen und desinfizierten die Mikrophone direkt vor den Augen ihrer Besucher. Die SAR Hong Kong war tatsächlich zur SAR(S) geworden.

[92] www.cuhk.edu.hk/ipro/pressrelease/030518e.htm [93] Im April 2003 zeigte der "Index for Consumer Confidence" einen Rückgang auf 55.0 Punkte, im Vergleich zu 70 Punkten im Dezember 2002. Der Index für "Consumer Sentiment" fiel von 72,9 Punkte auf 57,4 Punkte. Diese Werte waren die niedrigsten seit dem 11. September 2001. Insgesamt bedeutete der Rückgang des Konsums einen Verlust von 0,8 Prozentpunkten des GDP-Wachstums. Statt des für 2003 vorausgesagten gleichbleibendem Niveaus des privaten Konsums revidierte die Regierung ihre Prognose auf einen Rückgang von 3%. Die Konsumentenwerte erholten sich erst ab Mitte Mai, nachdem das Reiseverbot der WHO aufgehoben wurde. (GAO-04-564)

HONG KONG, SAR(S)

[A]

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[B]

[A] Eingang zum Wohnkomplex Amoy Gardens Anfang Mai 2003. Nur wenige Menschen sind auf der Straße.

[C]

[D]

[B] Obwohl die Gegend bereits kurz nach der Entdeckung des Ausbruchs aufgrund der intensiven Desinfektionsarbeiten zu den sichersten Gegenden Hong Kongs zählte, meiden die Menschen den Bereich rund um den Block E. [C] und [D] Amoy Gardens bleibt auch lange nach der Ausrottung des Virus ein "Angstraum". Zu frisch sind die Erinnerungen an den Ausnahmezustand und die vielen Todesfälle. Die Geschäfte der zum Komplex gehörigen Shoppingmall bleiben aufgrund des Ausbleibens von Kundschaft geschlossen. Psychologisch basiert ein Kaufakt nicht nur auf objektiver Sicherheit, sondern vor allen Dingen auf dem subjektivem Wohlbefinden des Konsumenten..

[E]

[F] [E] und [F] Ungewöhnliche Ansichten von Konsumräumen. [G] Während die Franchiseunternehmen ihre Geschäfte vorrübergehend "renovieren"... [H] ...müssen kleinere Boutiquen um ihr Überleben kämpfen. Ein Verkäufer bereitet einen großen Ausverkauf vor.

[G]

[H]

DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

Die bisherigen Ausführungen schilderten das Sicherheitsproblem SARS auf der Ebene der Beziehung zwischen Regierung und Bevölkerung. Deutlich wurde hier, dass die Herausbildung von "Unsicherheit" und provisorischen Sicherheiten ein komplexer Vorgang ist, an dem sowohl Regierungshandlungen, Medien und eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren aus der Bevölkerung beteiligt waren. Unsicherheit und Sicherheit sind nicht nur von unmittelbarer Relevanz für die Regierung einer Stadt, sondern auch für das Funktionieren des städtischen Alltags, so dass Verschiebungen im Verhältnis von Sicherheiten und Unsicherheiten diesen fundamental beeinträchtigen können. In Hong Kong löste eine einzige Unsicherheit – ein neues Virus – eine Steuerungskrise aus, die psychologische, soziale, ökonomische, ökologische und politische Dimensionen aufweist. Deutlich wurde auch die Interdependenz unterschiedlicher Gesellschaftsbereiche, wo sich Unsicherheiten im städtischen Sicherheitsapparaten – den Krankenhäusern, politischen Institutionen, Kommunikationssystem, Polizeiapparate etc. – auf die Bevölkerung übertrugen. Im Zentrum dieser Unsicherheit stand jedoch die Regierung, die angesichts dieser Unsicherheiten und Probleme gegenüber der Bevölkerung nicht den richtigen Ton traf und damit die Kontrolle über das Bevölkerungsverhalten verlor, das unter dem übermäßigen Einfluss der Medien seine eigene Dynamik entwickelte. Die ehemalige Legco-Politikerin Christine Loh kommentierte die Lage wie folgt:[1] "The government didn't know how to portray the problem. In the beginning, it was uncertain and that uncertainty may have compounded to the uncertainty that other people feel.When the government appears uncertain, the people continue to question the ability of the government.They reject to what the government is saying, which therefore makes things worse. And the government is getting even more uncertain and the public becomes more stressed out and the government becomes even less certain."[2]

Mithilfe der Foucaultschen Vorlesungen zur "Geschichte der Gouvernementalität" [3] kann dieser Zustand als Bruch des "Sicherheitsvertrags" interpretiert werden. Mit diesem Begriff fasst Foucault das Verhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung. Dieser "Sicherheitsvertrag", der das Verhältnis von Freiheiten und Sicherheiten in einer Gesellschaft regelt, bezeichnet an dieser Stelle ein Normalisierungsverhältnis, das auf Grundlage der Sicherheitsdispositive und der bestehenden Machtverhältnisse in einem Raum entstanden ist. Dabei liegt die Verantwortung des Staates darin, dass er immer "dann eingreifen [muss], wenn der normale Gang des alltäglichen Lebens durch ein außergewöhnliches, einzigartiges Ereig-

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[Abb. andere Seite] Dieses Foto zeigt die Termographie eines an der Polytechnic University aufgestellten Wärmescanners, der bei Passanten erhöhte Temperaturen entdecken sollte. Der Monitor wurde von Kontrollpersonal überwacht, das bei Verdacht auf Fieber den Passanten anhalten und auf seine Gesundheit hin überprüfen sollte. Da das akute Stadium einer SARS-Erkrankung mit hohem Fieber einherging, hoffte man so, weitere Infektionen in der Bevölkerung verhindern zu können. [1] Legco ist die Abkürzung für Hong Kongs Legislativrat (Legislative Council). Er bildet quasi das Parlament, hat jedoch nur begrenzte Kompetenzen. Seine 60 Mitglieder werden nach einem teil-demokratischen Verfahren gewählt (30 direkt in Wahlkreisen, 30 durch Berufsverbände). S. zum Regierungssystem der SAR Hong Kong die Länderinformationen des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-amt.de) [2] Interview mit Christine Loh, Leiterin des Public Policy Think Tanks "Civic Exchange" am 5. Mai 2003 [3] Der Text "Die Gouvernementalität" von Michel Foucault stammt aus einer Serie an Vorlesungen, die er am Collège de France im Studienjahr 1977-1978 hielt. Gouvernementalität ist damit ein Begriff aus dem Spätwerk Foucaults und leitet dessen Unternehmen ein, die unterschiedlichen Stränge seines Werkes auf die Grundfrage der Subjektkonstitution zurückzuführen. Foucaults Themen setzten sich bereits zuvor in unterschiedlichen Gewichtungen mit dem Spannungsverhältnis zwischen Macht,Wissen und Subjektivität auseinander. Der Begriff der Gouvernementalität wird von Foucault in mehreren Bedeutungsnuancen angewendet. Er beinhaltet zum einen ein historisches Konzept, den Prozess des "Wandels vom mittelalterlichen Gerechtigkeitsstaat zum modernen Verwaltungsstaat"; zum anderen beschreibt er eine Logik der Macht, die unterschiedliche Machtmechanismen wie die Disziplinarmacht, die BioMacht und das Sicherheitsdispositiv einschließt und unter einer Strategie bündelt.Als Denkinstrument ist die Gouvernementalität im Wesentlichen eine Perspektive, die sich vom dichotomen, zentrierten Denken in den Kategorien politischer Staatstheorie distanziert und den Blick auf die Verflechtungen zwischen Macht,Wissen und Subjekten lenkt. Damit bietet sie einen Ansatz, das alltägliche Leben außerhalb der Institutionen als politisches Feld zu begreifen, ohne in eine dichotome Machtvorstellung zu verfallen. Ausführliche Einleitungen zu dem Begriff der Gouvernementalität finden sich etwa bei Pieper/Gutierrez 2003, Lemke 1997 und Dean 1999.

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[4] Foucault 1977b: 498 [5] Die Normalisierungsform der Sicherheit ist von der disziplinarischen Normalisierung abgegrenzt, die Foucault in der Geschichte der Gouvernementalität nun differenzierend "Normation" nennt. (Foucault 2004: 90) [6] Foucault spricht über den Sicherheitsvertrag im Zusammenhang mit dem Terrorismus der 70er Jahre. Für Foucault ist der Sicherheitsvertrag eine Art "informelle" Sicherheitsbeziehung zwischen Bevölkerung und Regierung, also ein jenseits der staatlichen Sicherheitsapparate von Gesetz und Polizei existierendes Normalitätsverhältnis. (Foucault 1977b: 498ff.) [7] Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Foucault 2004: 26ff. Am Beispiel der Stadt legt Foucault dar, dass die von ihm im Zusammenhang mit der Entwicklung des modernen Staates untersuchten Machttypen der Souveränität, der Disziplin und der Gouvernementalität jeweils bestimmte "Raumfragen" stellten.Vereinfachend zusammengefasst, stellte die Souveränität die Frage nach der "Architektur" des Staates und damit der zentralen Positionierung einer Hauptstadt in einem souveränen Territorium; die Hauptstadt bilde hier ein ästhetisches und symbolisches Zentrum, das als Ort des Luxus und der Eliten eine moralische Vorbildfunktion gegenüber dem gesamten Territorium einzunehmen habe. Die Hauptstadt trage damit also dazu bei, das Volk der Untertanen über ihren "Glauben" an die Macht und Pracht des Souveräns zu regieren. Dagegen funktioniere die disziplinarische Stadt (wie bereits am Beispiel der verpesteten Stadt dargestellt wurde) wie ein "Feldlager", die einen durchhierarchisierten, nach funktionalen Kriterien gestalteten Raum entwerfe, über die eine "Anordnung" der Individuen zum Zwecke ihrer besseren Verwaltbarkeit möglich sei. [8] Auch Gilles Deleuze und Felix Guattari weisen auf die zirkulierende Funktion der Stadt hin: "The town is the correlate of the road.The town exists only as a function of a circulation and of circuits; it is a singular point on the circuits which create it and which it creates. It is defined by entries and exists; something must enter and exist from it. It imposes a frequency. It is a phenomenon of transconsistency, a network, because it is fundamentally in contact with other towns." (Deleuze/Guattari: "City/State" 1986: 195-97, zit. in Grosz 1998: 51)

DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

nis unterbrochen wird."[4] Damit beinhaltet dieses Normalisierungsverhältnis nicht nur, dass die Zuständigkeit von Regierung und Subjekt für die jeweiligen Risiken jenseits gesetzlicher Festschreibungen, d.h. der Graubereich des "akzeptablen" Anteils an Unsicherheiten und der diffuse Bereich der Sicherheitserwartung geregelt ist – es ist auch für die sozialen Realitäten grundlegend, die durch die Ausschöpfung der durch Sicherheit entstehenden Handlungsfreiheiten entstehen. "Normalität" [5] in Foucaultscher Perspektive wäre dann mit dem stabilen Equilibrium der Perioden erreicht, in denen der städtische Sicherheitsvertrag [6] zwischen Bevölkerung und Regierung stabil ist und die Macht sich im Gefüge der Stadt so fein verteilt hat, dass sie innerhalb des freien Verhaltens für eine Mehrheit der Subjekte nicht spürbar ist. Dabei gewichtet jede städtische Regierung das Verhältnis von individuellen Eigenverantwortungen und Regierungsverantwortung – oft im Rahmen nationaler Politiken – unterschiedlich. Foucault bietet mit dieser Perspektive einen neuen Blick auf die Regierung von Sicherheit an. Die Konstruktion von Sicherheit und Unsicherheit erscheint als politisch gesteuerter Prozess, mithilfe dessen freies Verhalten reguliert werden kann. DIE GENEALOGIE DES SICHERHEITSRAUMS Der "Sicherheitsraum" tritt im Rahmen von Foucaults Genealogie des modernen Staates als räumliche Figur der Gouvernementalität neben das souveräne Territorium und die disziplinarische Architektur.[7] Foucault stellt die Merkmale des Sicherheitsraums am Beispiel der sich liberalisierenden französischen Städte des ausklingenden 18. Jahrhunderts dar. Städte wie Nantes, die zuvor befestigt, d.h. mit einer Stadtmauer gesichert und im Inneren durch rigide Bürgergesetze und soziale Ordnungen geprägt waren, zeichneten sich nach ihrer allmählichen Öffnung durch offene Grenzen, internationale Vernetzung und soziale wie kulturelle Heterogenität im Inneren aus. Die Stadt erscheint also nicht mehr wie noch in "Überwachen und Strafen" als der "erstarrte Raum" der verpesteten Stadt, sondern als Knotenpunkt und Zentrum in einem internationalen "Zirkulationsraum", als "Kraft" zur Organisation der Zirkulationen, womit alle "Dinge" wie Menschen, Güter, Bakterien und Schriftstücke, und heute auch elektronische Datenbits, Bilder und Informationen gemeint wären.[8] Die Öffnung der Stadt sowie die Stärkung ihrer Drehkreuz- und Zentrumsfunktion ist Ausdruck des Wandels von der Monarchie zum modernen Staat, in dessen Verlauf die "politische Ökonomie", insbesondere der wirtschaftliche Liberalismus in der Prägung Adam Smiths, den merkantili-

DIE GENEALOGIE DES SICHERHEITSRAUMS

stischen Absolutismus ablöste.[9] Der Liberalismus basierte auf der Grundannahme, dass das laissez faire gegenüber dem ökonomischen Handeln der Individuen dem Markt diene. Da dieser im Liberalismus als Grundlage des modernen Staates erscheint, ist es nun die wesentliche Aufgabe des Staates, die individuelle Freiheit und Bewegung des "homo oeconomicus" im und zwischen den städtischen Räumen als Teil der Marktfreiheit zu fördern und zu gewähren.[10] Für die Stadt bedeutet dies aber auch eine Abkehr von der herkömmlichen staatlichen Organisation. Mobilität und Offenheit machen eine flächendeckende Kontrolle – sowohl der einzelnen Individuen wie des Territoriums an sich – unmöglich und werfen damit das Problem der Souveränität neu auf. Sowohl der "Territorialvertrag"[11] – also der Schutz der Individuen über den Schutz territorialer Grenzen, der zuvor das räumliche Machtverhältnis zwischen Souverän und Untertan definierte – als auch die Disziplinarmechanismen verloren unter diesen Bedingungen ihre umfassende Wirksamkeit und ökonomische Tragfähigkeit. Darüber hinaus entstehen durch die Offenheit und Interdependenz der Städte, durch die damit einhergehende rapide Urbanisierung und das Problem des "dichten Zusammenlebens" neue Gefahren für die auf städtischem Territorium angesiedelte Bevölkerung – unter anderem Endemien und Epidemien, Hungersnöte und soziale Unruhen.[12] Die damaligen städtischen Regierungen standen vor der Frage, wie man die Bewohner der Städte vor diesen neuen Gefahren "aus dem Inneren" des über das städtische Territorium hinausreichenden Zirkulationssystems schützen konnte.Wie konnte das menschliche Verhalten unter diesen Bedingungen gesteuert werden, ohne die Freiheit von Bewegung und Handel einzuschränken, die im Rahmen der politischen Ökonomie als essentiell für das Funktionieren des Marktes, und damit des Staates angesehen wurde? DIE REGIERUNG DER STADT Diesen kritischen Zeitpunkt markiert Foucault in seinen Vorlesungen zu "Sicherheit,Territorium und Bevölkerung" als Geburtsstunde der "Gouvernementalität". Mit der Gouvernementalität beginnt ein neues Steuerungsverständnis den Staat zu dominieren, das sich von rein repressiven und disziplinierenden Machtmethoden und dem direkt ausgeübten Zwang abwendet. Die "Kunst" der Führung – oder auch Regierung – bestehe dagegen darin, die "Freiheiten" der einzelnen Subjekte derart zu gestalten, dass sie für den Staat nutzbar gemacht werden konnten.[13] Auf diesen Doppelsinn von Fremdsteuerung und Selbststeuerung deutet auch der in der "Gouvernementalität" enthaltene französische Begriff

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[9] Der Merkantilismus (lat. mercator – Kaufmann) bezeichnet eine zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert vorherrschende wirtschaftspolitische Strategie des absolutistischen Staates, die in der Anhäufung von Gold und Geld-Reserven bestand. Um dies zu erreichen, zielte der Staat darauf ab, einen Handelsbilanzüberschuss zu erwirtschaften, wobei der Staat in seinen Außenbeziehungen ähnlich handelte wie ein Kaufmann – was die Namensgebung erklärt. Der merkantilistische Staat griff stark über Zölle, staatliche Manufakturen und Ein- und Ausfuhrverbote in die Freiheiten des Handels und der Produktion ein und erfuhr hierfür von Adam Smith in dessen Werk "Wohlstand der Nationen" starke Kritik. [10] Vgl. ausführlich zur politischen Ökonomie Lemke 1997: 173f. [11] Foucault 1977b: 498 [12] Vgl. für einen Überblick zu Foucaults Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Stadt und Krankheit Stuart Eldon, "Plague, Panopticon, Police" in: Surveillance & Society 1/3: 240-253 (www.surveillanceand-society.org) [13] Der Begriff "Freiheiten" bezieht sich bei Foucault zunächst einmal auf das interessengesteuerte Handeln eines "homo oeconomicus". Es lässt sich jedoch grundsätzlich auf jedes von "Begierden" und "Motivationen" gesteuerte individuelle Verhalten übertragen.

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DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

"gouverner" hin, mit dem laut Foucault "zugleich die Tätigkeit des Anführens anderer […] und die Weise des sich-Aufführens in einem mehr oder weniger offenen Feld von Möglichkeiten" bezeichnet wird.[14] Innerhalb der neuen Logik verschiebt sich nun der Schwerpunkt von der Steuerung einzelner Individuen auf "situative Kontexte, wahrscheinliche Handlungen und Gelegenheitsstrukturen".[15] Die neuen Kontrollstrategien, die damit erscheinen, zielen auf die Veränderung und Steuerung der Situationen ab, in denen Menschen handeln, um auf diese Weise das vom Staat gewünschte Verhalten zu fördern, ohne es jedoch direkt zu erzwingen.[16] DIE SICHERHEITSDISPOSITIVE

[14] Foucault 1993: 193 [15] Der zweite Teil des Begriffs Gouvernementalité, mentalité, verweist darüber hinaus auf den Charakter der gouvernementalen Macht als dominante "Rationalität" des Staates, also als sein wichtigstes Steuerungsprinzip. [16] Lemke 2004: 9, s. auch Shearing 1997; Krasmann 1999; De Marinis 2000.

Das wesentliche Instrument zur Regierung der Freiheiten sieht Foucault in den Sicherheitsdispositiven. Ein Sicherheitsdispositiv bezeichnet eine netzwerkartige Verbindung scheinbar unabhängiger Institutionen, Handlungsweisen,Wissensformen sowie Gesetze und Regime von Praktiken, die auf ein bestimmtes strategisches Ziel ausgerichtet sind – etwa die Optimierung der Gesundheit der Bevölkerung oder den Schutz vor Kriminalität. Ihr wichtigstes Mittel sind Risikotechnologien. Risikotechnologien vermessen auf der Basis der Humanwissenschaften (im Sinne derWissenschaften vom Menschen, wie der Medizin, Psychologie, Soziologie oder Biologie) möglichst alle beteiligten Elemente einer Problemlage. Mithilfe statistischer Verfahren differenzieren sie Menschen, Orte und Probleme unter dem Aspekt des jeweiligen Sicherheitsdispositivs in Risikogruppen, Risikoorte und risikohaftes Verhalten und berechnen unter Zuhilfenahme von Wahrscheinlichkeitsberechnungen zukünftige Risiken. Zuvor diffus und omnipräsent erscheinende Gefahren werden so in Bezug auf den Raum lokalisierbar, und in Bezug auf die Individuen und einzelne soziale Gruppen subjektivierbar. Das Problem wird hierdurch in kleinere Portionen aufgeteilt und damit besser verwaltbar. Damit machen Risikotechnologien auch eine "Ökonomisierung" der Regierung möglich, indem sie den Einsatz der Macht auf die stärksten Abweichungen vom Mittel – Risikogruppen und Risikoräume – beschränken. Jede Stadt sieht sich ständig äußeren Einflüssen ausgesetzt und ist wiederum selbst in zahlreiche Zusammenhänge eingebettet. Die Sicherheitsdispositive sind deswegen laut Foucault "zentrifugal", d.h. sie breiten in Reaktion auf neue Probleme ihren Einflussbereich auf alle Elemente aus, die ihren konkreten Gegenstandsbereich – Gesundheit, Sicherheit vor

DIE SICHERHEITSDISPOSITIVE

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Kriminalität etc. – und damit die wesentlichen Säulen der Regierung – Bevölkerung, Markt, Macht – gefährden könnten. Neue Gefahren müssen also von den Sicherheitsdispositiven nicht verhindert, sondern mithilfe von Risikotechnologien ins Innere der Sicherheitsdispositive integriert, also zum Gegenstand der oben beschriebenen Prozesse gemacht werden. In der Logik der Gouvernementalität sind Probleme damit der Ausgangspunkt für vielfältige Adaptionen der Regierung, mithilfe derer die "Scharniere" der Macht verfeinert wiederhergestellt werden können, ein Prozess, der auch "reflexive Regierung" genannt wird.[17] Hierin sieht Foucault ein neues Verhältnis der Regierung zur Realität. Gegenüber der disziplinierenden "Normalisation", die von der Anpassung der Realität an die durch Normen vorgegebenen wünschenswerten Zustände ausgeht, arbeitet das gouvernementale Sicherheitsdispositiv mit der "Normalisierung" der Realität, d.h. es geht von einer unvollkommenen Realität aus und versucht diese so gut und mit so wenig Aufwand wie möglich zu verwalten.[18] Ihr Ziel liegt nicht in der restlosen Ausrottung eines die Bevölkerung bedrohenden Phänomens – vollkommene Sicherheit könnte nur über die (unmögliche) totale Kontrolle jedes einzelnen städtischen Bewohners funktionieren – sondern in dem bestmöglichen Management aller beteiligten Elemente eines Problems. Die "Normalisierung" eines Problems bedeutet also seine akzeptable Eindämmung an den Punkten, an denen das Risiko im Vergleich mit dem Durchschnitt der Gesellschaft besonders hoch ist. Foucault illustriert diesen Zusammenhang am Beispiel der Pocken. Die Pocken – eine der typischen Endemien der Städte des 18. Jahrhunderts – stellten vor Einführung der Pockenimpfung eine "herrschende Krankheit" dar, die mit dem Land, der Stadt, dem Klima, der Gruppe von Leuten wie "verschmolzen" erschien. Eine Pockenepidemie wurde wie andere urbane Krisen und Katastrophen deswegen als kollektives "Schicksal" des Volkes wahrgenommen. Diese Erfahrung der Machtlosigkeit führte häufig zu sozialen Unruhen und Widerstand gegen die Regierung. Epidemien, aber auch Hungerskatastrophen und Kriege bedrohten damit nicht nur die biologische Bevölkerung, sondern auch die durch die Regierung gewünschte soziale Ordnung. Erst durch die Integration der menschlichen Realität in die Sicherheitsdispositive wird das "Volk" zur "Bevölkerung".[19] In dem Moment, in dem neue wissenschaftliche Untersuchungen aus dem kollektiven Krankheitsphänomen die Verteilung von "Fällen" auf unterschiedliche Gruppen innerhalb einer Bevölkerung ermöglichten, fand eine Unterteilung des kollektiven Phänomens statt. Die Kindersterblichkeit,

[17] Etwa Dean 1999: 6, 176-177 [18] Foucault 2004: 89f. [19] Volk meint hier im Gegensatz zur Bevölkerung den undifferenzierten kollektiven Körper aller einem Souverän unterstehenden Untertanen, welche miteinander "schicksalshaft" verbunden sind. In Bezug auf seine Verwaltbarkeit lehne es das Volk ab,Teil der Bevölkerung zu sein und bringe damit das System in Unordnung. (Foucault 2004: 72)

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die sich in wesentlichem Maße von der durchschnittlichen Sterblichkeit abhob, war dabei ein Ansatzpunkt, der besonders bekämpft werden sollte. Durch die Differenzierung der Bevölkerung in unterschiedlich betroffene Gruppen wurde nicht nur ein soziales Ereignis aus der wesentlichen Beziehung zwischen Regierung und Bevölkerung herausgelöst, sondern auch die affektiv geteilte Verbundenheit des Volkes aufgelöst und durch rational-technische Kategorien ersetzt. Diese Individualisierungen hatten dedramatisierende Effekte auf soziale Konflikte, indem sie die Frage nach Verantwortung für die Gründe zuvor "sozialer Übel" auf eine technische Ebene verschoben. So starben nach Einsetzung der Sicherheitsmechanismen immer noch Menschen an Pocken, jedoch ging dem Phänomen, wie Foucault formulierte, seine "Heimsuchungsmassivität" verloren, es wurde zur "Schimäre" gemacht.[20] Damit wird der soziale Effekt scheinbar technischer Kategorien im Rahmen von Regierungspraktiken plastisch:Was scheinbar als Vermessung der Realität beginnt, entfaltet im tatsächlichen Regierungsprozess zahlreiche, die Regierung und den Einsatz von Macht begünstigende Effekte. Risiken dürfen also nicht als objektive Bedrohungen verstanden werden. Sie sind vielmehr "diskursive Praktiken […], mit denen gesellschaftliche Probleme und soziale Konfliktstoffe in statistisch erfassbare, objektiv erscheinende Unsicherheitsfaktoren umformuliert werden." Wie Susanne Schulz prägnant zusammenfasst, hülfen Risiken dabei "Sicherheiten" auch dadurch zu konstruieren, dass sie zuvor "Unsicherheiten" produzierten, welche mithilfe bestimmter Sicherheitstechnologien wiederum als handhabbar und regulierbar scheinen.[21] DIE PRODUKTION STÄDTISCHER SICHERHEIT

[20] ebda: 69 [21] Schultz 2003: 69

Wenden wir uns nun der Stadt als Instrument der Macht zu. Im Rahmen des Sicherheitsraumes Stadt bespricht Foucault zwei Instrumente, mit denen das individuelle, freie Verhalten der Subjekte im städtischen Raum "abgesichert" werden kann, ohne die Freiheiten der Subjekte zu beschneiden: die Bevölkerung und das Milieu. Beide stellen Strategien der Regierung dar, ein "Möglichkeitsfeld" für individuelles Verhalten zu konstituieren, indem die Sicherheitsdispositive in den Alltag der Subjekte implementiert werden und ihr freies Handeln innerhalb bestimmter Machtlinien angesiedelt wird. Die "Bevölkerung" ist das wesentliche Verwaltungsobjekt, mit der die Steuerung des Individuums über seine Positionierung zum Kollektiv reguliert werden soll. Als Kollektiv soll sie der Maßstab sein, anhand dessen die Ausgestaltung von Sicherheiten und Freiheiten durch den Staat

DIE PRODUKTION STÄDTISCHER SICHERHEIT

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vorgenommen wird. Das Milieu stellt dagegen eine auf die Herstellung einer gesunden Bevölkerung abzielende räumliche Ausgestaltung von Sicherheitsdispositiven dar. Bevölkerungs- und Milieupolitik können als historische Beispiele der gouvernementalen Regierung von Städten gelten. DIE BEVÖLKERUNG Mit "Bevölkerung" bezeichnet Foucault eine "künstliche" Ebene, die in den modernen Gesellschaften die Hauptzielscheibe der Verwaltung darstellt. Sie entsteht durch die Anwendung der Humanwissenschaften wie etwa der Demographie, Soziologie, Psychologie, Medizin oder der Kriminologie, die die sozialen, kulturellen, umweltbedingten, ökonomischen und geographischen Lebensbedingungen des Menschen erforschen, in denen er (zunächst körperlich) lebt, sich fortpflanzt, erkrankt, gesundet, gesund bleibt oder stirbt. Auf Grundlage der genauen Kenntnis der Bevölkerung entsteht dann im Rahmen der städtischen Sicherheitsdispositive die Berechnung wahrscheinlicher Risiken für bestimmte Bevölkerungsgruppen.[22] Die Relevanz dieser Ebene ergibt sich aus einem weiteren gouvernementalen Imperativ, der zeitgleich mit dem Liberalismus die politische Ökonomie des Staates zu beeinflussen beginnt – die "Biopolitik", d.h. eine Form von Politik, die direkt auf das biologische Leben der Menschen einwirkt. Die Biopolitik ist Ausdruck des gesteigerten Interesses des Staates am Zustand des Menschen als produktive Arbeitskraft und politisch lenkbaren Bürger. Da die produktive Bevölkerung mit dem Merkantilismus, dem Vorläufer des Liberalismus, zur Grundlage des Reichtums der Staaten wird [23], zielt die Biopolitik auf die Produktivitätssteigerung aller Menschen innerhalb einer zu regierenden Bevölkerung ab.[24] Die "Bevölkerung" ist dabei das wesentliche Instrument, mit dem diese biopolitischen Eigenschaften der Bewohner eines politischen Gebiets (in diesem Falle der Stadt) verwaltet werden können. Die historischen Regierungen bemühten sich im Rahmen der Bevölkerungspolitik, möglichst alle Elemente des menschlichen Lebens innerhalb ihrer Institutionen und Apparate zu erfassen und zu steuern. Heute findet Bevölkerungspolitik beispielsweise ihre Anwendung in Familienpolitik, Wohnungspolitik, der Steuerung von Lebens- und Arbeitsbedingungen, Gesundheitspolitik, dem Migrationsmanagement und der Integrationspolitik, der Förderung des ökonomischen Wachstums durch Bildung oder in der Definition von Mindeststandards und Höchstgrenzen von Schadstoffausstößen oder Lebensmittelsicherheit.

[22] Die Soziologie stellt innerhalb dieser Humanwissenschaften eine der jüngsten Wissenschaften dar. Sie erfasste erstmalig Probleme, die aus den sozialen, kulturellen und anderen kollektiven Prozessen einer lebenden, arbeitenden und sozialen Menge mit ihren eigenen Gebräuchen,Verhaltensweisen, Geschichten und Formen von Arbeit und Freizeit entstanden – Kriminalität, Diskriminierung, Berufskrankheiten, Selbstmordraten, Schulabbruchquoten, Teenagerschwangerschaften etc. – und machte damit die Regierung des "Sozialen" erst möglich. Bei Foucault taucht sie noch nicht auf. Dies ist eine Folge seiner genealogischen Herangehensweise, denn von einer eigenständigen Disziplin kann erst Ende des 19. Jahrhunderts die Rede sein. [23] Die Hauptfrage des Kameralismus, die deutsche Prägung des Merkantilismus, die auf die hohen Verluste der Bevölkerung durch den 30jährigen Krieg reagierte, lautete: "Wie kann der Reichtum der Bevölkerung gesteigert werden, damit der Staatshaushalt gefüllt wird?" Hierfür wurde in Deutschland eine Mischung aus Finanzwirtschaft und Bevölkerungspolitik eingeführt. (www.wikipedia.org) [24] Vgl. Dean 1999: 46

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DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

Das "Individuum" wird – anstatt wie in der Disziplinargesellschaft noch das direkte Objekt der Macht zu sein – mit dem Aufkommen der Bevölkerung unter das Kollektiv subsumiert. Die Bevölkerung ist also das eigentliche Objekt der Regierung, während das Individuum für die Regierung nur noch als Instrument zur Herstellung dieser Totalität existiert. Damit folgt die Regierung des Subjekts nun einer einfachen Logik: Jedes Individuum soll sich so frei verhalten, dass die Totalität der Individuen am Ende eine gesunde und produktive Bevölkerung im Sinne der Regierung ergibt. So obliegt es etwa bestimmten Bevölkerungsgruppen (spezifischen demographisch bestimmten Gruppen wie Senioren oder Kindern, Frauen oder Männern, Gruppen mit bestimmten Angewohnheiten wie Raucher, Extremsportler oder an bestimmten Orten lebenden Gruppen wie Küstenbewohner, Slumbewohner, Mieter etc.), für die ihnen inhärenten Risiken Verantwortung zu übernehmen. Dagegen übernimmt die Regierung bei Foucault noch die Verantwortung für die Ebene des "Raumes", bzw. "Lebensraumes", indem sie ein Milieu konstruiert, das als "Möglichkeitsfeld" die Entstehung von Krankheiten, Unfällenund Kriminalität zu verhindern sucht. DAS MILIEU Das städtische "Milieu" ist ein Raum, der um das von der Regierung konstituierte Machtobjekt der "Bevölkerung" konstituiert wird. Es stellt hier den Prototyp des produktiven Sicherheitsraums dar, oder ein "Interventionsfeld", mit dem das eigentliche Subjekt der Macht – die Bevölkerung – auf der Ebene ihrer biopolitischen Existenz hergestellt werden kann. Historisches Beispiel der Regierung über das Milieu ist die moderne Stadtplanung des 18. Jahrhunderts. Sie lieferte dem Staat ein subtiles und grundlegendes Machtinstrument, mit dem er indirekt auf das Leben und das freie Verhalten der Menschen Einfluss nehmen kann. Zum historischen Zeitpunkt von Foucaults Analyse beschränkte sich das Milieu der Stadt auf die bislang nicht erfolgte Integration der Naturwissenschaften in die Stadtplanung, um die damals anstehenden städtischen Probleme wie mangelnde Hygiene,Wasser- und Lichtversorgung, die Organisation von Krankheit,Tod, Müll und Abwässern bei gleichzeitiger Versorgung aller Bürger mit den lebensnotwendigen Elementen Wasser, Licht und Luft zu garantieren. An dieser Stelle ist es hilfreich, den physisch definierten Milieubegriff zu erweitern und alle Elemente politischer Gestaltung in einer Stadt in diesen Begriff mit einzubeziehen. Allen Ausführungen Foucaults zum Raum

DAS MILIEU

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liegt das Konzept der "Verräumlichung des Wissens" zugrunde. Foucault stellte die materiellen Beziehungen zwischen Geschichte und der Formierung des Bewusstseins an die Stelle einer Ideologiekritik. Die Untersuchungen moderner Institutionen – des Irrenhauses, der Lehrhospitals und später des Gefängnisses – dienen ihm als Illustration, wie das Wissen über den Menschen erst in seiner Materialität wirksam wird, d.h. etwa als durch Architektur gesteuerte räumliche Anordnung der Körper im Raum.[25] Machtform

Souveräne Macht

Disziplinarische Macht

Raum

Territorium Absolutistischer Staat Prächtige Hauptstadt

Architektur Gefängnis, Schule, Fabrik Panopticon Befestigte Stadt

Subjekt

Souverän - Untertan Hirte - Herde

Aufseher - diszipiniertes Individuum

Technologien Todesstrafe Schutz der Grenzen Glaube

Disziplin Überwachung

Foucault betrachtet Machtbeziehungen grundsätzlich als materielle Beziehungen zwischen Menschen, Dingen,Texten. Dahinter steht die Vorstellung, dass Macht entgegen einer transzendentalen Vorstellung (wie etwa der absolutistischen Macht, die von Gott gegeben ist) nur innerhalb der menschlichen Praxis existiert und auf zahlreiche Instrumente angewiesen ist, um ihre Wirksamkeit als Beziehung zwischen den Subjekten zu entfalten.Vor diesem Hintergrund ist der Raum – in seiner physischen Realität, aber auch in seinen Repräsentationen in Bildern, Karten und Statistiken – nicht ein Container für, sondern als Mittel sozialer Ordnung ein konstituierendes Element von Machtbeziehungen.[26] Ein Problem der FoucaultRezeption in Bezug auf den Raum ergibt sich jedoch aus dessen genealogischer Arbeitsmethode.[27] Foucault ist Machthistoriker, der die Ursprünge der von ihm in der Gegenwart erkannten Regierungsmechanismen in ihrer historischen Herausbildung untersucht, und deswegen sind die von ihm thematisierten Räume unterschiedliche historische Städte, anhand derer er bestimmte räumliche Funktionsweisen mit den Schwerpunkten seiner Machttheorie identifizierbar macht. Damit entsteht das Problem, das entgegen seinem weiter gefassten Raumverständnis nur "physische" Räume untersucht werden.

[25] Foucault verbannt also – ebenso wie Jean Baudrillard – "tiefe" Konzeptionen sozialen Lebens, nach denen eine Ebene sozialen Lebens (etwa die Psychologie, die Ökonomie) als fundamentale Ebene und Erklärung einer zweiten Ebene betrachtet wird. Chris Philo bezeichnet dies als einen "Ansatz der Oberfläche" (surface account) "where the things of the world – the phenomena, events, people, ideas, and institutions –are all imagined to lie on the same level (whether they be advanced capitalism or the toy rabbit) in a manner that strives to do away with hierarchical thinking." (Philo 2000: 227) Damit wendet sich Foucault von den zu seiner Zeit populären marxistischen Theorien sowie jeder anderen Form politischer Ideologie ab. [26] "Space is fundamental in any form of communal life; space is fundamental in any exercise of power. […] Architecture […] is only taken as an element of support, to ensure a certain allocation of people in space, a canalization of their circulation, as well as a coding of their reciprocal relations. So it is not only considered as an element in space, but is especially thought of as plunge into a field of social relations in which it brings about some specific effects." (Foucault 1999a: 140) [27] Die genealogische Methode betrachtet die Entstehung, den gesellschaftlichen und historischen Kontext eines gesellschaftlichen Phänomens sowie dessen spezifische Vermittlung durch Sprache und Handlungen. "Im Gegensatz zur Zurückführung einer vielfältigen Nachkommenschaft auf eine einzige gewichtige Ursache", schreibt Foucault, handele es sich bei der Genealogie darum, "die Erscheinungsbedingungen einer Singularität in vielfältigen bestimmenden Elementen ausfindig zu machen und sie nicht als deren Produkt, sondern als deren Effekt erscheinen zu lassen." (Foucault 1992: 37) Viele frühere Rezeptionen betrachten Foucault jedoch wie einen Theoretiker, indem sie etwa seine Aussagen auf ihre "Widersprüchlichkeit" hin untersuchen. Foucault selbst hatte ein emanzipatorisches Verhältnis zur Theorie, da er auch den Wissenschaftsbetrieb als ein Machtfeld ansah. Dies könnte eine Erklärung für die sehr eigene Verwendung von Begriffen sein, die es Rezipienten oftmals erschweren, einfache Gedankengänge nachzuvollziehen.

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DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

SAFE IMAGINED ENVIRONMENTS – SICHERHEIT IN DER GLOBAL CITY

[28] Nikolas Rose weist darauf hin, dass moderne Städte keine Einheiten mehr bilden würden, sondern zufällige Konglomerationen von Kräften, Ebenen und Brüchen seien, die darüber hinaus unterschiedlichen raumzeitlichen Bezügen gehorchten. Die Illusion einer Einheit entstehe lediglich durch den Namen der Stadt (Rose 2000: 95). Dem liegt ein soziologisches Raumverständnis zugrunde, wie es bspw. Lefèbvre (1974), Läpple (1991), Sturm (2000) oder Löw (2003) entwickelt haben. [29] Spiegl/Teckert 2003; Donald 2003 [30] Löw 2003: 225ff. [31] Der Begriff des Imagined Environments wurde von James Donald als Erweiterung von Arjun Appadurais Konzept der "Imagined Community" geprägt. Appadurai hatte das Imaginäre als Realitätsebene eingeführt, die in der Definition heutiger sozialer und politischer Gemeinschaftsbildung eine immer stärkere Rolle spiele (Appadurai 1996: 73-74). Diskurse stehen im Zentrum der Konstitution eines solchen imagined environments, denn auf dieser Ebene wird Gesellschaft als kohärente Einheit der Kultur produziert, die durch geteilte Interpretationen und Repräsentationen ihrer alltäglichen Erfahrungen innerhalb einer gemeinsamen kulturellen, politischen und ökonomischen Umwelt ordnet. Lee weist darauf hin, dass die diskursive Bindung einer Gemeinschaft besonders in Momenten der Krise aufscheine: "[…] certain events of historic proportions inspire a wealth of symbolic resources to solidify cultural values.These events force members of a society to form their self-conceptions through cultural practices and thus renew their shared identity." (Lee et al. 2002: 3) [32] Klein 2003: 128

Die zeitgenössische Raumsoziologie wendet sich jedoch von der Konzeption der Stadt als physischem "Ort" ab. "Stadt" soll hier statt dessen als eine sich überlappende Ebene von Menschen, Objekten, Zeichen- und Bedeutungssystemen, Macht- und Kräftefeldern, Raumzeitbezügen,Wissensformen, Lebensstilen und Regierungspraktiken verstanden werden.[28] Die Informatisierung,Virtualisierung und auf der anderen Seite die gestiegene Mobilität und Nutzung des Stadtraumes durch "nicht-lokale" Gruppen, sowie die Inszenierungs- und Vermarktungsprozesse einer Stadt führen zu einer verstärkten Entkoppelung städtischer Bilder und Repräsentationen von dem tatsächlichen Lebensraum Stadt. Dies verstärkt die bereits in der modernen Großstadt vorherrschende Tatsache, dass die städtische Umgebung für den einzelnen, im Stadtraum positionierten, sich bewegenden Körper "exorbitant" erscheint, d.h. als Gesamtheit nicht wahrnehmbar ist. Subjekte können die Stadt aus der Innensicht nur als subjektiven Bedeutungs-, Handlungs- und Bewegungsraum erschließen. Stadt erscheint dann als kaleidoskopische, bewegliche und permanent gebrochene Imagination.[29] Die Überlappung von direkten körperlichen Wahrnehmungen und medial vermittelten Vorstellungen von Stadt in der Wahrnehmung des Subjektes ist ein Vorgang, den Martina Löw "Synthese" nennt. Auf einer symbolischen Ebene verbinden sich dort die fragmentarischen und brüchigen Sinneseindrücke des Stadtbewohners sinnhaft mit den Repräsentationen und Informationen über einen Raum.[30] Das Symbolische ist somit vermittelndes Moment in der Stadt und damit gesellschafts- oder identitätsbildend. Dieser Begriff des Symbolischen verweist dabei über den Begriff der reinen Repräsentation (die nur etwas vorhandenes abbildet) hinaus und hebt damit die Spannung zwischen Repräsentation und Realität auf. An die Stelle physisch wahrnehmbarer Milieus tritt das imagined environment Stadt.[31] In einem solchen erscheint, wie Klein beschreibt, "[…] das Verhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit transformiert. Bilder repräsentieren Wirklichkeit weniger, als dass sie diese herstellen. […] Bilder machen Wirklichkeit, sie sind performativ."[32]

Dies ist auch für die Konzeption der Stadt als gouvernementalen Ordnungsraum relevant. Die Konstitution eines Milieus müsste heute also zusätzlich zu der Gestaltung des physisch-materiellen Milieus auch die symbolische Ebene des Raumes mit einbeziehen. Im sozialen Handlungs-

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raum Stadt wirken die Körper der städtischen Subjekte aufeinander, und bilden gemeinsam einen sozialen Raum. Medien müssen dabei als wesentliche Vermittlungsebene in eine Analyse der "Distanzwirkung" der Körper [33] aufeinander mit einbezogen werden. Dabei muss auch eine tiefer gehende Berücksichtigung der Komplexität heutiger Raumzeitvorstellungen geschehen.[34] Mit Globalisierung und dem Übergang vom Fordismus zum Postfordismus geht die Heterogenität von Orten, die Relativierung der räumlichen Reichweite und Bezüge und die Vervielfachung der zentralen Maßstäbe des Sozialen einher, und die räumlichen Dimensionen und Ebenen relativieren sich von global bis lokal.[35] Damit ist auch die Konzeption von einer globalstädtischen Öffentlichkeit nicht mehr dekkungsgleich mit dem öffentlichen Raum, also einer physisch-materiellen Umgebung. Gleich bleibt jedoch der Grundgedanke des Milieus, das Foucault auch als eine "bestimmte Anzahl von Wirkungen, Materialisierungen, die auf alle gerichtet sind, die darin ansässig sind", bezeichnet.[36] Die Stadt kann derart als ein Mittel, Objekt und Ergebnis von Regierung betrachtet werden, indem man sie als ein von vielen "Gouvernementalitäten"[37] durchzogenes "Möglichkeits- oder "Interventionsfeld" betrachtet, das in seiner Eigenschaft als städtischer Lebensraum für die Individuen eine "Realität" und quasi "natürliche" Umgebung darstellt.[38] Die moderne Stadt wäre dann deckungsgleich mit der "politischen Künstlichkeit" , mit der eine jede Regierung ihre Bevölkerung einzuhegen sucht.[39] Dies legt auch Elisabeth Grosz nahe, die in der Stadt das "wichtigste gouvernementale Machtwerkzeug der Regierung" sieht: "The city helps to orient sensory and perceptual information, insofar as it helps to produce specific conceptions of spatiality, the vectorization and setting for our earliest and most ongoing perceptions.The city orients and organizes family, sexual, and social relations insofar as the city divides cultural life into public and private domains, geographically dividing and defining the particular social positions and locations occupied by individuals and groups. the city's form and structure provide the context in which social rules and expectations are internalized or habituated in order to ensure social conformity, or position social marginality at a safe or insulated and bounded distance (ghettoization).This means that the city must be seen as the most immediately concrete locus for the production and circulation of power."[40]

An dieser Stelle möchte ich die Schiffsmetapher aufgreifen, die Foucault in seinen Vorlesungen zu Gouvernementalität mehrfach benutzt. Die Regierung eines Sicherheitsraums ließe sich dann mit der Steuerung

[33] Foucault 2004: 40 [34] Barnett 2001: 17, Bareis 2003: 37ff. [35] Jessop 2000 [36] Foucault 2004: 41 [37] Eine Gouvernementalität bezeichnet ein bestimmtes Anwendungsfeld, innerhalb dessen die Gouvernementalität als Rationalität des Staates zur Anwendung kommt. In einem gouvernementalen Staat existieren zu jedem Zeitpunkt eine Menge an Gouvernementalitäten, beispielsweise die private Gesundheitsfürsorge, die Kriminalitätsprävention, die neoliberale Dezentralisierung von Managementprozessen und das zivilgesellschaftliche Engagement für die Nachbarschaft.Wie weiter unten ausführlich argumentiert wird, kann es auf der Ebene des Subjekts auch zu Konflikten zwischen den Anforderungen kommen, die unterschiedliche Gouvernementalität an die Selbstführung des Subjekts stellen. [38] Foucault legt nahe, dass die Regierung der frühen Städte das Vorbild für die "Gouvernementalisierung" des modernen Staates war – dieser Prozeß der "Urbanisierung des Territoriums" schafft also die Stadt als erste räumliche Einheit der Gouvernementalität, lange bevor der Staat selbst zu einem gouvernementalen Machtraum geworden ist. [39] Nach Foucault wird der menschliche Körper, seine "physische und moralische Existenz" im "Inneren einer politischen Künstlichkeit" angesiedelt, die sein Leben "wie eine Natur" direkt beeinflusst. (Foucault 2004: 41ff.) [40] Grosz 1998: 49

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[41] Foucault 1991, S. 46 [42] Foucault 1993: 29 [43] Foucault definiert Macht als die Steuerung des Verhaltens anderer. Die Technologien der Macht werden durch Prozesse wie Überwachung und Normalisierung wirksam, in denen Subjekte zu Objekten der Kontrolle und Disziplinierung werden, welche einem bestimmten gesetzten Ziel dienen – etwa der Erhöhung der Arbeitsproduktivität, dem angepassten Verhalten innerhalb des Gefängnisses etc. Die Technologien des Selbst dagegen beinhalten die Art, wie Subjekte sich selbst wahrnehmen, kontrollieren und herstellen. Die Regierung setzt dabei die Technologien des Selbst mit den Technologien der Macht in Beziehung. Eine gouvernementale Analyse setzt dabei den Schwerpunkt auf der Wechselwirkung zwischen Herrschaft- und Selbsttechniken: "Man muss die Punkte analysieren, an denen die Herrschaftstechniken über Individuen sich der Prozesse bedienen, in denen das Individuum auf sich selbst einwirkt. Und umgekehrt muss man jene Punkte betrachten, in denen die Selbsttechnologien in Zwangs- und Herrschaftsstrukturen integriert werden." (Zit. nach Lemke 1997: 26; s. auch Dean 1999: 6, 176-177)

DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

eines Schiffes vergleichen.Wie ein Kapitän über "ein schaukelndes Stück Raum [...], ein[en] Ort ohne Ort, der aus sich selber lebt, der in sich geschlossen ist und gleichzeitig dem Unendlichen des Meeres ausgeliefert ist"[41] gebiete, so verwaltet die Regierung ein politisches Gebilde, ein künstlich geschaffenes Terrain, das auf die vielschichtigen Einflüsse aus anderen Staaten und Städten reagiere und sich darin platziert; dabei kann der Kapitän das Schiff nur steuern, wenn die gesamte Besatzung des Schiffes – die städtischen Bewohner – ihren Anteil an der Steuerung des Schiffes übernehmen. Ähnlich muss eine moderne städtische Verwaltung ihre Bürger so steuern, dass sie sich selbst so verhalten, wie es dem Wohl der Stadt entspricht. Oder, wie Foucault in einem anderen Zusammenhang bemerkte: "Indem sie lernen, auf sich selbst zu achten, lernen sie auf die Stadt zu achten."[42] Vor diesem Hintergrund zeigt sich das städtische Individuum umgeben und eingehegt von unterschiedlichen gouvernementalen Regimen. Seine Freiheit, nach der es sich seinen Weg durch das Leben in der Stadt bahnt, wird an vielen Seiten direkt oder indirekt von der Regierung gesteuert – es darf sich nur insofern frei verhalten, als dass sein Verhalten weder die Freiheit der anderen Individuen und des Kollektivs bedroht, noch sein eigenes Leben und insofern umso freier, je mehr es sich bemüht, die Freiheiten im Sinne des Staates voll zu nutzen. Die Freiheiten existieren also nicht außerhalb der Macht, sondern sie werden innerhalb der Macht produziert, d.h., sie werden in komplexen anthropologischen Prozessen zum Teil der Lebensführung der Individuen. Das Individuum wird dabei der Bevölkerung untergeordnet – dabei ist es das wesentliche Instrument zur Herstellung der Bevölkerung, das die in diesem Kollektiv eingeschriebenen Ziele nicht nur nicht gefährden darf, sondern auch im positiven Sinne durch seine Lebensführung produzieren soll. Die Verwaltung der Eigeninteressen und der Selbstführungen, sowie die Produktion von Motivation, Begehren und Lust, welche die Subjekte in Bezug auf ihren Lebensraum und ihren Alltag entwickeln, rücken damit als Grundlage des biologischen und "moralischen" Zustandes der Bevölkerung ins Zentrum der städtischen Machtrelationen. An dieser Stelle verbinden sich die Technologien der Macht mit den Technologien des Selbst.[43] Die Frage lautet deswegen heute nicht nur, wie Regierungen auf das biologische Leben ihrer Bürger einzuwirken versuchen, sondern besonders, wie Lebensführungen oder Lebensstile, und die mit ihnen einhergehenden Einstellungen und Affekte in die Regierung der städtischen Subjekte miteinbezogen werden. Rose bemerkt hierzu, dass sich die heutigen Städte von gebauten Maschinen zur Verhinderung bestimmter Probleme immer mehr zu "Netzwerken von Lebensstilen" entwickelt hätten.

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So aktiviere die städtische Gesundheitspolitik beispielsweise viele Aspekte des urbanen Lebens für das Ziel der Maximierung gesunden Lebens, die mehr mit den individuellen Lebensstilen zu tun hätten als zuvor – angefangen von den Werten der Community, über das Design von Gebäuden und Parks, die Einbeziehung von Gesundheitsexperten, CommunityOrganisationen, Medien und NGOs in die Regierung von Gesundheit etc.[44] Der ökonomische Wandel (Tertiäisierung, Globalisierung) begünstigt die Tendenz, dass die Regierungen in den heutigen Städten nicht allein auf die biopolitische Gesundheit ihrer Bewohner abzielen, sondern die Bewohner als "Humankapital" im Rahmen eines internationalen Standortwettbewerbs in die Verwaltung und Vermarktung der Stadt als Forschungszentrum, Infrastrukturknoten, touristisch attraktivem Erlebnisraum oder kreativem Cluster integrieren. ÖFFENTLICHKEIT UND RISIKOWAHRNEHMUNG In den Momenten, in denen Subjekte stärker in die Regierung miteinbezogen werden, rücken auch alle Aspekte von Subjektivität, die das freie Verhalten der Subjekte beeinflussen, stärker ins Zentrum gouvernementaler Machttechniken. Foucault stellt die Risikotechnologien aus der Perspektive der Regierung als eine vorrangig über Expertenwissen definierte Fähigkeit zur Definition von Fakten dar. Mit dieser Argumentation schreibt Foucault das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wesentlich dem Vorhandensein von wissenschaftlichen "Risiken" und ihren Bekämpfungsmechanismen zu. Die übersteigerte Risikowahrnehmung der Hong Konger muss jedoch ebenso auf den von Michel Foucault nur beiläufig erwähnten Begriff der Öffentlichkeit zurückgeführt werden, welchen er als den "subjektiven" Aspekt des Regierungsobjektes Bevölkerung begreift.[45] "Öffentlichkeit ist die Bevölkerung von der Seite ihrer Meinungen her gesehen, von ihrer Art, etwas zu tun, von ihren Verhaltensweisen, ihren Gewohnheiten, ihren Befürchtungen, ihren Vorurteilen, ihren Ansprüchen her, sie ist das, worauf wir durch Erziehung, Kampagnen, Überzeugungen usw. Einfluss haben".[46]

Mit diesem Begriff wird der Charakter der Bevölkerung als lebendige, handelnde, von Affekten, Rationalitäten und Meinungen durchzogene Totalität der Individuen stärker betont. Da Öffentlichkeit als kollektive Realität innerhalb der Bevölkerung ein wesentliches Element des "Möglichkeitsfeldes" menschlichen Handelns darstellt, beeinflusst sie das freie Handeln der Subjekte in ihren kognitiven, affektiven, psychologischen und sinnstiftenden Eigenschaften.

[44] Rose 2000: 100f. [45] "Die Bevölkerung ist […] nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Regierung, einerseits eine menschliche Art, und andererseits die "Öffentlichkeit"." (Foucault 2004: 115) [46] ebda.

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DIE STADT ALS SICHERHEITSRAUM

Vergegenwärtigen wir uns hier noch einmal die Raumwahrnehmung der Hong Konger zum Zeitpunkt der Krise – im Kern der Angst vor der Stadt stand die durch wissenschaftliche und politische Unsicherheiten entstandene Wahrnehmung, dass sich das Virus potenziell überall befinden konnte. Die urbane Panik des 1. April, die massenhafte Ausbreitung der wissenschaftlich unsinnigen Masken, die Gerüchte und die von ihnen als "Irrealität", "Alptraum" oder "Science-Fiction-Film" empfundene Realität zeigten, dass SARS der Hong Konger Bevölkerung nicht als kontrollierbares Risiko, sondern als eine schicksalhaft mit ihrer Stadt und ihrem alltäglichen Leben vermischte Katastrophe erschien. Dies lässt sich mit jener "Heimsuchungsmassivität" vergleichen, die frühe städtische Katastrophen auszeichnete – eine Erfahrung von "Pech" oder "Schicksal", die von allen Bewohnern der Stadt geteilt wurde. Im Kern dieser Erfahrung steht ein Phänomen der Umwertung des Imagined Environments Stadt. Die globale Definition des Problems führte dazu, dass die Gefahr SARS aus einer internationalen Perspektive in der städtischen Einheit Hong Kong verortet wurde, weil sich dort eines der größten Cluster weltweit befand. Dabei schmolzen stadtinterne Differenzen zwischen unterschiedlichen Lokalitäten ein. Die aus internationalen Expertendiskursen entstandene Gleichsetzung des Risikos SARS mit dem Stadtraum Hong Kong zog damit eine "globale" Realität ein, die nur noch über Medien wahrnehmbar und vermittelt werden konnte und damit die Kluft zwischen sinnlich wahrnehmbarer Umgebung und informatorischer Umgebung weiter aufklaffen ließ. Diese Realität widersprach zum Teil den Aussagen der lokalen Hong Konger Regierung, was zu weiteren Verwerfungen der Normalität führte. Die internationalen Repräsentationen Hong Kongs und das von ihnen motivierte Verhalten internationaler Akteure wirkten dann zusätzlich zu den Repräsentationen lokaler Medien ebenfalls auf die Bevölkerung zurück, bildeten also eine von außen stammende Zuschreibung mit Anrufungseffekt. Begleitet durch eine ungünstige Assoziationseffekte – etwa die Ähnlichkeit der WHO-Definition "SARS" mit dem städtischen Kürzel "SAR" – sowie durch das als "Fluch" bezeichnete Reiseverbot der WHO, die Spiegelung aller städtischen Ereignisse in den Medien und die dabei entstandene Bewusstwerdung gegenüber dem eigenen Lebensraum formten ein durch SARS eingefärbtes Bild der Stadt als Epizentrum der Krise. Weiterhin begründete sich diese Wahrnehmung auf der Oszillation zwischen medial hergestellten und körperlich wahrnehmbaren Bildern der Stadt. Da das unsichtbare Virus die körperliche Sinneswahrnehmung unterlief, nahmen die medial vermittelten Wahrnehmungsprozesse an

ÖFFENTLICHKEIT UND SICHERHEITSWAHRNEHMUNG

Bedeutung zu. Damit bildeten auch affektiv aufgeladene und metaphorisch verdichtete Repräsentationen der Stadt einen wichtigen Bezugspunkt des alltäglichen Lebens in der Krise. Der "Unsicherheitsraum Hong Kong" generierte sich also wesentlich aus den (auf Globalisierungs- und Medialisierungsprozesse zurückführbaren) Repräsentationen der Unsicherheit, die als Bezugspunkte des alltäglichen Lebens Wahrheitseffekte zeigten. Aus der Perspektive eines Stadtbewohners war es darum ein wesentliches Bedürfnis, provisorische und informatorische "Sicherheitsräume" zu schaffen und zu repräsentieren, die diesem Phänomen entgegentraten.

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DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

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DIE VERORTUNG VON SARS Ende März war das Cluster von Amoy Gardens – abgesehen von den Krankenhäusern – die einzige öffentlich bekannte Risikozone in der Community. In der Bevölkerung bestand ein großes Bedürfnis danach, genauere Informationen über Ansteckungen in der zivilen Sphäre zu bekommen. Die täglichen Statistiken, die vom Gesundheitsministerium herausgegeben wurden, waren jedoch nicht sonderlich detailliert. Sie differenzierten die neuen Fälle lediglich in "medizinisches Fachpersonal" und "neue Patienten und Kontakte von Patienten mit atypischer Lungenentzündung". Das Gesundheitsdepartment gab zwar Listen über gestorbene Patienten heraus, jedoch ohne ihre Wohnorte und den Grund ihrer Infektionen herauszugeben. Hierfür sei die Zeit der leitenden Angestellten, welche mit dem tracing der Fälle beauftragt waren, zu "beschränkt". Auf eine Nachfrage der Tageszeitung South China Morning Post verweigerte die Regierung weitere Details zu Orten und den verstorbenen Patienten. Während die Hospital Authority befand, es sei "schwierig, von dem Bedarf für solche Informationen auszugehen", vermutete die Reporterin, dass die Informationen aus Angst vor einer sozialen Panik und einer gegenseitigen Stigmatisierung der Bevölkerung zurückgehalten wurden.Tatsächlich nannte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums folgenden Grund: "The general population might take personal hygiene for granted if they lived in other buildings.We have been saying that we will assess the situation day by day to see what more can be done to make the public more aware of the cases. […] The right thing is to maintain personal and environmental hygiene."[1]

Diese paternalistische Haltung der Regierung missachtete das psychologische Bedürfnis in der Bevölkerung, genauere Informationen über die Krankheit zu bekommen, die mit dem weiteren Verlauf der Krise immer lauter gefordert wurden. Ende März hatten in einer Umfrage des Senders RTHK über 70 % der Bürger angegeben, dass sie sich schlecht informiert fühlten.[2] Am 31. März, auf dem Höhepunkt der Krise, begannen vier befreundete Informatikstudenten, in Eigenregie auf die für viele Menschen unerträgliche Situation zu reagieren. Einer der Studenten, Edwin Chan Tak-kay, nannte "Angst, Misstrauen und Selbstschutz" als die wichtigsten Impulse, eine Leadership-Rolle zu übernehmen:

knew the virus was spreading but the government was saying it was just in the

[Abb.] Ein einfacher Arbeiter nimmt seine Mittagsmahlzeit in einer Hintergasse im Stadtteil Mong Kok ein. "Backstreets" wie diese wurden im Zuge der Regierung der SARS-Krise zu Risikoorten hochstilisiert.Typische Tätigkeiten in einer Backstreet sind abwaschen, essen, Abfälle auslagern,Waren anliefern oder sich prostituieren. Damit sind Backstreets typische Orte der Unterprivilegierten – ihre Stigmatisierung zum Gefahrenherd für SARS dagegen ein exemplarisches Beispiel für die Regierung von Sicherheit über die Konstruktion von Unsicherheitsorten.

hospitals and had only affected medical staff. I thought they must be hiding some-

[1] SCMP 23.04.2003 (A6)

"I didn't feel all right with the government's assurances. Everybody in Hong Kong

thing from us, so I thought I needed to do something to protect myself from being infected," he said. […] "We thought the easiest way for an individual to protect

[2] Archiv des Radiosenders RTHK unter www.rthk.org, zuletzt am 13.11.2003

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DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

themselves was to avoid some of the dangerous areas.We tried to figure out where these places are but we couldn't find them, they were not available on the government website."[3]

Dabei waren die Informationen bereits quasi öffentlich zugänglich.Wenn ein Gebäude betroffen war, so hingen zugängliche Aushänge in den Fluren. Die Webseite www.sosick.org, deren Domainnamen sich Chan in Anlehnung an die kantonesische Aussprache des chinesischen Poeten Su Shi reserviert hatte, sammelte Hinweise auf neue Ansteckungen in Zeitungsartikeln. Kurz später erhielten die Betreiber bereits täglich mehrere hundert E-Mails aus der Bevölkerung, die sie eigenständig nachprüften. Die Website bündelte nun diese von der Bevölkerung gesammelten Informationen über infizierte Gebäude in einer einfachen Graphik und Liste mit infizierten Gebäuden. So konnte jeder sehen, ob sich in seiner Nähe eine Risikozone befand und selbstständig entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen. Aus Sicht der Betreiber ein längst notwendiger Schritt: "All the information is on the Web, anyone can copy it if they want.We own no right over the information.This is public information."[4]

[Abb.] Nerds werden zu Helden – die Betreiber der Webseite sosick.org auf einem Foto, das in der SCMP erschien. Helden sind wichtige Elemente der Bewältigung von Krisen – sie motivieren durch ungewöhnliche Energien andere Menschen, in ihrem Alltag nicht aufzugeben. In diesem Fall waren es neben den Krankenschwestern und Ärzten die Informatikstudenten, die mit ihrer Internetseite gegen die durch SARS entstandene Unsicherheit vorgingen. [3] SCMP 23.4.2003: A6 [4] ebda. [5] ebda. [6] GIS ist die Abkürzung für das Computerprogramm "Geographical Information System", mit dem man interaktive Kartierungen herstellen kann.

Die Seite war ein voller Erfolg – zwischen dem 2. und dem 21. April wurde sie über fünf Millionen Mal aufgerufen.[5] Ohne öffentlich auf sosick.org Bezug zu nehmen, griff die Regierung die Idee eines solchen mappings auf. Am 10. April erschien die erste Liste mit "infected buildings" auf der Webseite des Geographiedepartments der University of Hong Kong (HKU). Die Daten für die HKU-Seite stammten aus einem Computersystem, das normalerweise von der Polizei verwendet wurde und alle Gebäude meldete, in denen mehr als zwei Fälle auftraten. Diese Daten wurden in eine mit dem Programm GIS [6] betriebene Internetseite eingespeist.[7] Kurze Zeit später reagierten auch die Zeitungen, indem sie nun ihrerseits täglich eine Karte mit infizierten Gebäuden veröffentlichten. Die Mappingtechniken, die hauptsächlich eine psychologische Wirkung hatten, führten dazu, dass SARS auch auf einer räumlichen Ebene problematisiert wurde. Neben den täglichen Patientenzahlen wurden nun auch so genannte "infected" oder "sick buildings" zu einer allgemein verbreiteten numerischen Einheit der Krankheit: "As the epidemic progressed, buildings became the unit for epidemiological repor-

[7] Einen Überblick über verschiedene geoinformatische Mappings und Informationsdienste wurde im International Journal for Health Geography veröffentlicht. (Kamel 2004)

ting of SARS cases (confirmed or suspected).There was thus the idea of "infected buildings" as a standing unit alongside the number of people infected.The difference was that the former could be named, while Hong Kong's Privacy Codes prevented

DIE VERORTUNG VON SARS

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[A]

[B]

[C]

[Abb.] Diese Karten zeigen die Verteilung der SARS-Fälle vom 1. April 2003 nach Angaben des Gesundheitsdepartments. Dynamische GISKarten machten es möglich, die Verteilung der SARS-Fälle in Hong Kong auf unterschiedlichen Raumebenen zu betrachten. Ausgehend von einer städtischen Übersicht konnte man sich an einzelne "Hotspots" heranzoomen – in diesem Fall an Amoy Gardens. Es war somit eine Frage des ausgewählten Ausschnitts, was nun als Risikozone zu definieren war: der gesamte District Kowloon City und Kwun Tong [A]; der in Kwun Tong gelegene Stadtteil Ngau Tau Kok [B] oder das Gebäude Amoy Gardes [C]. Jede dieser Kartierungen hätte andere Regierungsmechanismen nach sich ziehen können.

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DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

the naming of infected individuals. In this way, the Prince of Wales Hospital and Amoy Gardens Block E could be viewed as "index buildings" of the epidemic outbreak."[8]

[Abb.] Karten wie diese wurden in der Folge täglich von den Tageszeitungen – hier der SCMP – veröffentlicht. Die Graphik über die Infektionszahlen wurde mit der Zeit differenzierter. Je deutlicher wurde, dass hauptsächlich Krankenhauspersonal und Amoy GardensBewohner betroffen waren, desto desto geringer erschien das Risiko für die Community.

[8] Erni 2003 [9] GPS ist die Abkürzung für "Global Positioning System". Über GPS kann ein Benutzer per Satellit seine Position auf der Erde bestimmen.

Aus medizinischer Perspektive waren diese Informationen hauptsächlich sinnvoll für Nachbarn, die im gleichen Gebäude wohnten – und diese waren über öffentliche Aushänge und Gespräche längst informiert. Ein Dienst, wie ihn gar der Mobilfunkanbieter "Sunday" anbot, schien angesichts der internen Mobilität der Hong Konger sinnlos: Dieser Service sollte die Mobiltelefone ihrer Besitzer per GPS orten und die Nutzer per SMS informieren, wenn sie sich einem infizierten Gebäude weniger als einen Kilometer näherten.[9] Die Absurdität dieses "Schutzes" im Bewegungsraum Stadt läßt sich am Beispiel der Shoppingmall Telford Plaza verdeutlichen, die sich in fünf Minuten Laufweg von Amoy Gardens und in unmittelbarer Nachbarschaft des Public Housing Estates (PHE) Lower Ngau Tau Kok Estate entfernt befand. Diese warb zum Zeitpunkt des Ausbruchs auf ihrer Webseite mit einem Einzugsgebiet (catchment area) von 800.000 Hong Kongern. Damit waren nicht nur die etwa 100.000 Bewohner der umliegenden Wohnblocks gemeint, sondern auch 700.000 der über die in die Mall integrierte MTR-Station potenziell erreichbaren Pendler zwischen Kowloon und Hong Kong Island.Tatsächlich ist also der Regierung beizupflichten, wenn sie ihre anfängliche Weigerung,Adressen infizierter Gebäude herauszugeben, damit begründete, dass nur rigorose persönliche Hygiene gegen die Ansteckung schützen könne. Die populäre Verräumlichung des Virus mithilfe von Kartierungen, Fotos

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und Listen hatte jedoch einen Effekt, den man in Anlehnung an Hito Steyerl "dokumental" nennen könnte: Als Dokumentationen der Realität schufen sie – wie Informationen – die Wahrheiten, auf denen die Regierung ihre Praktiken aufbaute.[10] Über die täglichen Kartierungen wurde sichtbar, dass das Virus in einigen Gegenden überproportional verbreitet war, besonders im District Ngau Tau Kok, wo neben Amoy Gardens am 8. April nun auch 30 Infizierte aus dem nebenan gelegenen PHE Lower Ngau Tau Kok Estate gemeldet wurden. Als kurze Zeit später auch das wiederum benachbarte Telford Gardens mit vier Infizierten, sowie das Lee Kee Building mit zehn Menschen betroffen war, wurde das Thema "umweltbedingter Faktoren", welche die Ausbreitung der Infektionskrankheit unterstützen, im öffentlichen Diskurs etabliert. Ngau Tau Kok, der Stadtteil, in dem diese Gebäude sich befanden, ist mit etwa 150.000 Menschen pro km² eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt.Wollte man diese Dichte in Berlin erzeugen, müsste man die gesamte Bevölkerung Deutschland dort ansiedeln. Anfängliche Spekulationen, dass die Clusterbildung mit der Dichte der Wohnungen zu tun habe, wurden jedoch schnell entkräftet. Dies wäre nur bei einer Luftübertragbarkeit des Virus relevant gewesen. Da im Fall von SARS jedoch Kontaktübertragung als Hauptübertragungsweg galt, folgerten Experten: "Residents are far more at risk of catching atypical pneumonia from living in unhygienic, poorly maintained buildings than the fact that they live in one of the world's most crowded cities. "[11]

[10] Steyerl 2003:2 [11] SCMP 17. 4.2003: C4.

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Der Diskurs der Hygiene, der sich aus diesen Ereignissen und den Anweisungen von Gesundheitsbehörden und Medien heraus entwickelt hatte, war überaus erfolgreich. Mitte April stellte die rigorose Beachtung von persönlicher Hygiene den kleinsten gemeinsamen Nenner der städtischen Bevölkerung dar. Hygiene wurde als persönlicher "Beitrag" zur Normalisierung der Krise angesehen, wie es der Familienvater Raymond Lau ausdrückte: "Life is fatal. Sometimes you can't control. All we can do is to do our part.To do the cleaning.We wear the mask if we go outside and when we come home, we clean ourselves. Everyone has to adopt. Just like the war in Iraq.We have to move on."[12]

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* Das Zitat stammt aus dem Missionstatement der Kampagne "Operation Unite": "Hong Kong is normal. Its people are normal, with or without SARS." [Abb.] Zu Besuch bei den Laus. Familienvater Raymond erklärt seinem Sohn die Bedienung eines Wischmops.[A] Jeden Tag räumt die Familie das Wohnzimmer leer und reinigt die Wohnung gründlich. Die Kinder sind den ganzen Tag zuhause, da alle Schulen in der Nähe von Amoy Gardens geschlossen haben.[B] Auf dem untersten Bild duscht Raymond Lau das Badezimmer nass ab und schrubbt dann das Bad mit einer Klobürste.[C] Ein vermuteter Faktor bei der ungewöhnlichen Ausbreitung des Virus in Amoy Gardens waren miteinander verbundene Badezimmerohre. Früher wurde der Luftaustausch zwischen Badezimmern in unterschiedlichen Wohnungen dadurch verhindert, dass die Badezimmer mit viel Wasser gewischt wurden, das sich in den Rohren sammelte und damit eine natürliche Barriere bildete. [Forts. nächste Seite]

Selbst sehr unkomfortable Verhaltensweisen wie das Maskentragen und häufiges Händewaschen sowie die mühselige alltägliche gründliche Reinigung des Haushaltes und aller Gegenstände, die im Kontakt mit der Außenwelt gewesen waren, wurden als notwendig akzeptiert.[13] Am 19. April ergab eine Umfrage folgende Verhaltensänderungen im Alltag – 95% der Befragten lüfteten neuerdings ihre Wohnungen[14], 58% schüttelten keine Hände mehr, 59% vermieden Oberflächen in öffentlichen Räumen, 35% stellten ihre Ernährung um. 14.6% kauften zusätzliche Reinigungsmittel und 17,5 Prozent wuschen ihre Hände mehr als 15-mal am Tag.[15] Zu den ersten öffentlichen Aktivitäten im Bereich Hygiene zählten zwei Community-Kampagnen, die am Osterwochenende des 19. und 20. Aprils 2003 durchgeführt wurden. Sie können als Vorläufer der Gründung von Team Clean gelten, dessen Arbeit im restlichen Teil der Studie besprochen werden soll. Bei dem von der Regierung organisierten "Territory Clean Up Day" zeigten sich prominente Politiker wie Patrick Ho bei symbolischen Putzaktionen an öffentlichen Orten (wie der Shoppingmall Shatin Plaza) und ließen sich beim Wischen und Desinfizieren filmen. Darüber hinaus verteilten Freiwillige Flugblätter, kostenlose Masken und Handschuhe an die Mallbesucher. Parallel wurde die von Betty Tung, der Frau des Regierungschefs, im Ehrenvorsitz geleitete Kampagne "Operation Unite" gestartet. Diese Kampagne war allgemein zur Stärkung der öffentlichen Moral angetreten und band die Bevölkerung in Community-Aktivitäten ein, bei denen einfache Aufgaben wie Putzen und das Verteilen von "Hygienekits" durch mehr als 6.000 freiwillige Helfer aus Jugendorganisationen und anderen sozialen Einrichtungen übernommen wurden. Darüber hinaus wurde eine Fernsehgala mit lokalen Prominenten veranstaltet

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[Fortsetzung von S. 71] Heute haben moderne Wischmops diese Reinigungsart ersetzt. Deswegen konnten die Rohre austrocknen und Luft von einem Badezimmer in das andere leiten – und so vermutlich SARS-Viren von einer Wohnung in die nächsttieferliegende übertragen. [A] Das Logo von Operation Unite. Das Motto der Kampagne lautete "United we CAN (stop SARS)". CAN steht dabei für CARE,ACT und NURTURE. [B] Freiwillige Schüler und Studenten posieren zum Gruppenfoto.

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[C] Kampagnenleiterin Rosanna Wong wirft aufmunternde Worte in die Runde. [D] Die Freiwilligen schwärmen begleitet von Kamerateams und Fotografen in die Wohnsiedlung aus. Jede Kleingruppe hat Putzzeug und Schutzkleidung dabei.

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[E] Im Flur vor der zugewiesenen Wohnung ziehen die Freiwilligen die von Operation Unite gestellten Schutzanzüge an. Einer der Freiwilligen hat ein Problem mit seinem Schutzanzug – der Reißverschluß schließt nicht. Es ist den Freiwilligen nur in dieser Kleidung gestattet, die Wohnungen zu betreten, denn die Wohnungen gelten als "gefährlich". Die Unterteilung ist willkürlich, denn im Flur bestehen ebenso wie an anderen Orten Möglichkeiten zur Ansteckung. Der Freiwillige bleibt während der ganzen Aktion vor der Tür sitzen, bis ein per Telefon herbeigerufenes Team einen neuen Schutzanzug vorbeibringt. [F] Ratlosigkeit bei den anderen Freiwilligen. Doch die Aktion soll beginnen.

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[H]

[G] Sieht so ein Superspreader aus? Operation Unite hat alleinstehende Senioren für die Aktion ausgesucht, da man bei diesen die größten Hygieneprobleme vermutet. Diese Seniorin erwartet die Freiwilligen schon. [H] Ein möglicher Grund für ihre Teilnahme könnten die Putzmittel sein, die die Freiwilligen kostenlos mitbringen. Ansonsten gibt es eigentlich nicht viel zu tun. Denn die Wohnung ist bereits strahlend sauber und frisch geputzt. [I] und [J] Die nächste Stunde sieht die Seniorin freundlich nickend den Studenten zu, wie sie unbeholfen in ihren Anzügen durch ihre Wohnung ziehen. Besonders die männlichen Freiwilligen putzen das erste Mal und haben dabei zahlreiche Schwierigkeiten.

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und der Kampagnen-Song "We shall overcome" in sämtlichen Medien auf heavy rotation gesetzt.[16] Im Mission-Statement der Webseite hieß es: "In Hong Kong, now is the time for us to get back on track with our normal lives. Initial reactions of panic and fear arising from an ignorance of the disease are subsiding as our medical workers successfully bring down the count of new cases and keep deaths to single digit numbers.The people as a whole see common sense and personal hygiene as their salvation.This is the "united front" which the government should encourage within the territory and promote without."[17]

[Abb.] Flyer aus der Bibliothek der Hong Kong University. [12] Raymond Lau, Familienvater, Interview am 26.4.2003 [13] Die Masken schränkten die Lebensqualität ihrer Träger stark ein. Zu den Problemen gehörte etwa eine schlechtere Luftversorgung, Pickel und Ausschlag im Mundbereich, Schweiß, das Riechen des eigenen Mundgeruches sowie die Einschränkung von Kommunikation durch Mimik – und nicht zu vergessen, die Beeinträchtigung guten Aussehens. [14] Aufgrund des subtropischen Klimas haben sich in Hong Kong Klimaanlagen als Hauptbelüftungsmittel in Innenräumen durchgesetzt. Klimaanlagen ermöglichen es, Wohnungen auch mit sehr kleinen Fenstern zu bauen. Da eine Klimaanlage nur dann wirkt, wenn die Fenster geschlossen sind, und darüber hinaus in den feuchten Sommermonaten die feuchte Luft schnell dazu führt, das Kleider schimmeln, blieben die Fenster zumeist geschlossen. SARS problematisierte diese Form der Luftzufuhr. [15] Kevin Voigt, Journalist beim Asian Wall Street Journal, Interview am 28.4.2003 [16] Einer der Hauptsponsoren dieser Kampagne war der Hong Konger Jockey Club. Die illustre Institution förderte die Kampage mit fünf Millionen HK$. Ausserdem traten führende Vertreter der Regierung und populäre Medienfiguren in Sondersendungen für das lokale Fernsehen (ATV,TVB, Cable TV, Commercial Radio, RTHK, Metro Radio) auf, die am Osterwochenende ausgestrahlt wurden. [17] http://www.rotary3450.org/news/unite/Op-UNITE-Background_0.doc, zuletzt am 28.11.2006 [18] Christine Loh, Civic Exchange, Interview am 2.5.2003

Diese Hygiene-Aktionen eigneten sich hervorragend, den Zustand sozialer Dispersion während der Krisenmonate zur Quelle des neuen Zusammenhalts in der städtischen Gemeinschaft zu machen, wie es etwa die NRO-Leiterin Christine Loh ausdrückte: "When you have a community crisis, especially a disease, which tends to disperse people in terms of trust in each other – I mean do you have it, are you clean, where have you gone to etc. – […] it is important to get people to see that they are part of one community. Second, it is very helpful to do a simple activity that could bring people together – in this particular case, public hygiene is a factor, so to get people out cleaning is an activity which serves both means. It is very important for the government to get people together."[18]

Im Fernsehen und in öffentlichen Verkehrsmitteln, Shoppingmalls und an öffentlichen Plätzen angebrachten Screens liefen Werbespots der Gesundheitsbehörde, die auf die Bedeutung persönlicher Hygiene hinwiesen. So forderte der Spot "Cleaning is fine with 1:99" die Bewohner auf, ihre Wohnungen täglich mit einem Desinfektionsmittel-Wassergemisch im Verhältnis 1:99 zu putzen. Im Spot "Don't say hi, wave goodbye" wurde vorgeschlagen, das Händeschütteln zu unterlassen und auf jeden Kontakt mit Oberflächen zu achten. "Wash your hands" lautete die Anweisung. Kleidung sollte direkt nach der Ankunft in die Waschmaschine gebracht, Schuhe vor der Haustür abgestellt werden. Auch die Zeitungen kommunizierten die wichtigsten Hygienetips und druckten Fotos städtischer Putzaktionen ab. Hygiene war zu einem Ausdruck von "Community Spirit" geworden.Was zuerst ein Symptom eines Ausnahmezustands war, wurde im sozialen Prozess der Krisenbewältigung zunehmend zum Kern einer neuen, provisorischen "Normalität", in welcher der Schutz des eigenen Körpers, der Familie und des eigenen Lebensraums eben ein zu berücksichtigender Faktor des Alltagslebens war. Hygiene erschien nun als alltägliche Praktik, die durch das Moment der Fürsorge sich selbst

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und anderen gegenüber stark positiv aufgeladen wurde. In diesem Zuge entwickelten auch die Masken eine Alltäglichkeit. Im markenbesessenen Hong Kong wurden neben mit den beliebten Motiven von Powerpuff, Pokemon und Hello Kitty bedruckten Masken auch Gucci- und LouisVuitton-Masken erhältlich (die sich natürlich als Fakes herausstellten). Frauenzeitschriften veröffentlichten Schminktips, in denen das passende Augenmakeup zu den Maskenfarben türkis, rosa, hellblau und gelb beschrieben wurde. Die ersten SARS-Witze erschienen und Fotos mit Maskenmotiven zirkulierten im Internet und wurde von Künstlern und Satirikern aufgegriffen. Ein Normalisierungsprozess im Ausnahmezustand hatte eingesetzt. ARCHIPELE DER SICHERHEIT Die Konsequenzen waren im Stadtraum deutlich zu erkennen: Ende April war der Gefahrenraum Hong Kongs durch ein Geflecht von einzelnen "Sicherheitsarchipelen" überzogen worden, deren "Grenzen" überall in der Öffentlichkeit zu sehen waren.[19] Diese hygienischen Räume gingen zumeist auf die "Mikroregierungen" von privatwirtschaftlichen oder privaten Akteuren zurück. Beispielsweise legte das Management der Shoppingmall Telford Plaza an Ein- und Ausgängen rote Desinfektionsteppiche aus, installierte Desinfektionsautomaten für die Handreinigung und ließ Rolltreppengeländer,Treppengeländer, Automaten und Lifte regelmäßig und für alle sichtbar durch Reinigungskräfte desinfizieren. Andere Shoppingmalls verteilten Handschuhe, Masken und Hygieneartikel an ihre Kunden. Zusätzliches Reinigungspersonal wischte die Flure, Liftbuttons, Rolltreppengeländer,Automaten ab, Liftboys drückten für die Angestellten großer Unternehmen die Knöpfe, McDonalds stellte zusätzliches Personal ein, das seinen Kunden die Tür offen hielt. Banken, MTR, KCR und andere Firmen klebten Plastikfolien über Automaten, Liftknöpfe und Au-tomaten, die stündlich gewechselt wurden. Im Regierungsgebäude "Murray Building" wurden Taschentuchboxen vor den Liften platziert, mit denen man seine Finger vor dem Pressen der Knöpfe umwickeln konnte. Mitte April war kaum eine Benutzeroberfläche im öffentlichen Raum unversorgt geblieben.[20] Diese mitunter exzessiv erscheinende Anhebung des Hygienestandards [21] war ein von den unterschiedlichsten Akteursgruppen – Familien, Firmen und Immobilienbesitzern, NGOs, Studentenvereinen und Schulen, Bibliotheken,Transportunternehmen oder lokalen Community Zentren – getragener Prozess. Hunderttausende kleine, mikroregierte Räume bildeten eine zusammenhängende Kette von Überwachungsmilieus, in denen

[Abb.] Einer von vielen Flyern des Gesundheitsministeriums. [19] Wehrheim 2002: 119 [20] Spätere Sicherheitsmaßnahmen waren elaborierter: So stellte die Polytechnic University in Hung Hom zwischen dem großen Bus- und KCR Terminal und Eingang zum Campus einen Infrarotscanner auf, mit dem die Temperatur jedes Passanten gemessen wurde. Am Eingang der Bibliothek konnten Studenten darüber hinaus direkt über ein an die elektronischen Studentenkarten angeschlossenes Verteilungssystem kostenlos Masken erwerben, deren Gebrauch die Vorraussetzung für das Betreten des Gebäudes war. Der Besuch von Veranstaltungen – in allen Schulen und Universitäten – war ebenfalls nur mit einer Maske gestattet. [21] Zu den wohl übertriebensten Reinigungsarbeiten im Zuge der SARS-Krise gehörte das Schrubben eines Bushaltestellendachs gegenüber der Shoppingmall "Pacific Place" sowie die Arbeit einer städtischen Angestellten, die während der Rushhour ein Straßenschild in der Mitte der vielbefahrenen Nathan Road in Kowloon putzte. Beide Maßnahmen waren in ihrem Eifer bereits stark über das ursprünglich zu bekämpfende Phänomen der Oberflächenübertragung hinausgegangen.

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Kollegen, Freunde, Familien, Kunden und Verkäufer, Busfahrer und Bibliotheksangestellte, Sicherheitskräfte und Mallmanager sich selbst und andere Menschen in den von ihnen genutzten Räumen überwachten. Diese sichtbaren Hygienemaßnahmen fungierten als soziale Signifikanten der Vertrauensbildung unter anonymen Nutzern öffentlich zugänglicher Räume. So konnten die Hong Konger bei den alltäglichen Besorgungen und Bewegungen im städtischen Raum ein Minimum an Sicherheit wiedergewinnen. HYGIENE ALS TEIL STÄDTISCHER SICHERHEIT

[22] Die subjektive Unsicherheit, die die Bilder unhygienischer Orte und der allgemeine Diskurs um Hygiene im Bereich der Lebensmittelsicherheit erzeugten, muss auf einer weitgehend symbolischen Ebene angesiedelt werden. Denn faktisch bestehen zwischen den tatsächlichen Lebenswelten bestimmter Schichten in Hong Kong nur wenig Berührungspunkte. Die internationale Community, die zumeist der oberen Mittelschicht und Oberschicht angehört, bewohnt und nutzt hauptsächlich Gegenden von Hong Kong, die kaum von den genannten Problemen betroffen waren. (Vgl. zur Trennung der Lebenswelten von Arm und Reich in Hong Kong Muramatsu 1997) [23] "Big White Guy" ist der Blogname des Kanadiers Randall J. van der Woning, einem seit 1998 in Hong Kong lebendem Expat. Expat-Weblogs dieser Art erinnern in ihrem zwischen Amüsement, Kritik und Kulturschocks schwankendem Tonfall häufig an die während der Kolonialzeit entstandenen Berichte westlicher Reisender. (www.bigwhiteguy.com)

Für die Regierung Hong Kongs ergab sich jedoch ein wesentlicher Konflikt zwischen der lokalen "Öffentlichkeit" und einem Teil der internationalen Community. Aus lokaler Perspektive ermöglichte die massive Präsenz von Masken, Hygienemaßnahmen und Sicherheitsschranken soziale Vertrauensbildung und einen provisorischen Alltag und trug damit dazu bei, dass sich die subjektive Sicherheit im städtischen Raum für die Bewohner wieder erhöhte. Die "Images" und die allgemeine Atmosphäre, die dieses Verhalten produzierte, gingen jedoch zu Lasten der "subjektiven Sicherheit" bestimmter Teile der internationalen Bevölkerung.[22] Unter den Expats Hong Kongs waren zwei Positionen vorherrschend. Die eine Seite fürchtete die medizinische "Gefahr" SARS. Hier kamen auch bestimmte Ressentiments gegenüber als "kulturell" bezeichneten Praktiken zum Tragen, über die eine gewisse diskursive Gleichsetzung von "Chinesisch-Sein" und unhygienischen Praktiken stattfand. Dies führte im Ausland, insbesondere in Toronto und den USA, zu einer Meidung von chinesischen Restaurants und Chinatowns durch Nicht-Chinesen.Viele Expats griffen auch in Hong Kong diese Wertungen auf, um ihren Ressentiments gegenüber den ihnen am fremdesten gebliebenen Orten ihrer Wahlheimat Ausdruck zu verleihen. Internetseiten wie das Weblog von "Big White Guy" ließen sich angesichts der SARS-Krise über "den Horror öffentlicher Toiletten (public washrooms)" aus und kritisierten "Hong Kongs Dorfmentalität im Bereich der öffentlichen Hygiene".[23] Insbesondere das "Spucken" – also die Reinigung der Atemorgane durch das Ausspucken von Sekreten, das auf dem chinesischen Festland vor SARS eine alltägliche Praktik war und in Hong Kong besonders von den älteren Einwanderern weitergeführt wurde – rief bei den Expats wie bei den Hong Kongern starke Abwehrreaktionen hervor. Ein anderes, bei westlichen Beobachtern für Befremden sorgendes Phänomen war der Verzehr von Wildtieren wie den Zibetkatzen, die als Ursprung des Zoonoseprozesses in die Medien gerieten. Damit verbunden tauchten Repräsentatio-

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nen der Wildtiermärkte in Guangdong auf, deren hygienische Bedingungen bei Touristen oft zu seitenlangen entsetzten Beschreibungen führten. Das amerikanische Magazin „Newsweek“ montierte dagegen chinesische Schweineställe und internationale Flughäfen mit einer Karte, die die Ausbreitung von SARS zeigte – und suggerierte damit, dass die "kulturellen Gepflogenheiten" Chinas eine Gefahr für die zivilisierte Welt seien.Vor diesem Hintergrund muss auch der Vorschlag, alle wetmarkets zu schließen, betrachtet werden.[24] Die zweite Gruppe interpretierte die Masken als Symbol für die mangelnde Regierungsfähigkeit der Hong Konger Regierung und damit für die Unsicherheit des "Standortes" Hong Kong. Für die vor Ort lebenden Expats, die zum größten Teil aus westlich geprägten Demokratien stammen, waren sie gleichbedeutend mit dem Demokratiedefizit der Stadt und dem geringen Vertrauen, das man in eine von Peking eingesetzte Regierung haben konnte. Auf dem Workshop "Fearbusters", an dem über 100 Menschen der "internationalen Community" teilnahmen, äußerte sich die Designprofessorin Judith Hollows besonders kritisch gegenüber der allgemeinen Verbreitung von Masken. Ihrer Meinung nach waren diese ein Signal dafür, dass die Hong Konger regelrecht einer "Gehirnwäsche" unterzogen worden waren: "The mask symbolizes peoples feeling of uncertainty and lack of understanding. It is totally irrational and of great damage to the community. […] it is symbolic of peoples fear and the overt concern on hygiene. I don't think hygiene is an issue at all. It seems to me that people feel that they should be doing something because they feel a lack of control and lack of understanding. And the government encouraged this irrational behaviours because they didn't know what to do. In this situation we get panicky and loose control. […] With strong leadership, someone would have come out and said:Yes, this is a problem, the medics are handling it, we do need to take this minor precautions, but the rest of life can carry on normal.This is what is needed and what is missing.“[25]

Die Bilder einer maskierten Stadt schreckten damit auch die Firmen ab, die ihre Arbeits- oder Betriebssicherheit (working security) auch an der Fähigkeit einer Regierung, ihre Probleme effizient zu lösen, festmachten.[26] Sie verscheuchte auch die Touristen, deren Reisewunsch über die Attraktivität städtischer Bilder geweckt wird, und die auf ihren Reisen größtmöglichen Komfort und Sicherheit bevorzugen. So sah sich die Hong Konger Regierung mit einem Dilemma konfrontiert, welches Foucault einmal folgendermaßen zusammenfaßte:

[24] Ein wetmarket ist ungefähr mit "Frischmarkt" zu übersetzen. Er bezeichnet eine in Asien übliche Form des Straßenmarkts, der im Zuge städtischer Modernisierungen in ein festes Gebäude verlegt worden ist. In Hong Kong sind diese wetmarkets zumeist in einem fensterlosen Gebäude mit vier oder fünf Etagen untergebracht,, die nach den Produkten geordnet werden – Gemüse, Fleisch, Fisch und Trockenprodukte. Darüber hinaus befindet sich im obersten Stockwerk ein sogenannter "Cooked Food Market", also eine Ansammlung kleiner Imbissstände und Restaurants. Solche Märkte werden zumeist nur von der "lokalen" (chinesischen) Bevölkerung genutzt, während internationale Bewohner der Stadt zumeist auf das internationalere Angebot in den Supermärkten zurückgreifen. [25] Judith Hollows, Professorin für Design, Polytechnic University HK, Interview am 29. April [26] Business Week, 9. Juni 2003: 21

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[A] Drogerieauslage an der KCR. Besonders in Räumen der Mobilität wurde auf Hygiene geachtet. Die Kioske an den Haltestellen rüsteten schnell auf und boten neben Zeitschriften und Süßigkeiten nun auch Hygieneartikel für den Gebrauch in der MTR und KCR an. [B] Die Drogeriekette Watsons verkaufte Desinfektionssprays zum Umhängen, die in der SARS-Zeit die oft wie Schmuck um den Hals getragenen Mobiltelefone ersetzten. [C] Viele Firmen forderten von ihren Angestellten, Masken zu tragen. Häufig riefen sich aber auch die Angestellten untereinander dazu auf, sich und die anderen zu schützen. Hier ein Beispiel für einen Aushang in der Teeküche der Polytechnic University. [D] Desinfektionsteppich zwischen dem Eingang der Shoppingmall Telford Plaza und der MTR Station "Kowloon Bay". Eine Frau besprüht den Teppich mit Desinfektionsflüssigkeit, bis er triefend nass ist. [E] KCR-Fahrkartenautomaten wurden mit Plastikfolie beklebt, die stündlich gewechselt wurde. Folie ist jedoch auch eine Oberfläche, auf der sich ein Virus ebenso festsetzen kann wie auf einem Druckknopf. [F] Eine Angestellte der Kleidungskette "Giordano" mit der geforderten Arbeitsmaske. Besonders Unternehmen achteten auf die freundliche Ausstrahlung ihrer maskierten Angestellten.

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[G] Desinfektionsspender wurden von Shoppingmalls und Firmen angeboten. Es wurde den Menschen zur Gewohnheit, an jedem Automaten auf dem Weg immer wieder die Hände zu desinfizieren, möglichst nach jeder Berührung eines fremden Gegenstandes. Dieser automatische Spender mit Bewegungssensor erleichterte diesen Vorgang – Zeit ist schließlich Geld. [H] "Grenze" auf der Fußgängerbrücke, die Richtung Amoy Gardens führt. Besonders die Bewohner der benachbarten Gebäude waren sehr nervös, als sie von dem Ausbruch hörten. In der Hoffnung, sich schützen zu können, wurden selbst die Füße desinfiziert. Die Teppiche machten durch ihre auffallende Farbe die sozialräumlichen Territorien und ihre Grenzziehungen in diesem Teil der Stadt sichtbar. [I] "Spitting spreads Germs"- Aufkleber auf einem Mülleimer. [J] Eine Reinigungskraft desinfiziert permanent das Geländer der Rolltreppe. Der kleine Junge faltet jedoch trotzdem brav die Hände, um das Geländer zu meiden. [M] und [N] Von Gebäudemanagern angestellte private Reinigungskräfte bei der Arbeit. DiePräsenz einer Reinigungskraft hatte in der SARS-Zeit einen großen Einfluß auf die subjektive Sicherheit der Gebäudenutzer. [O] "Bleach" – Desinfektionsmittel, das zur täglichen Reinigung der Wohnung verwendet werden sollte.

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[27] Foucault nach Dreyfus/Rabinow 1994: 219 [28] Tung Chee-hwa: "Policy Speech 2000" [29] SCMP 29.5.2003: C

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"Die Leute wissen, was sie tun; häufig wissen sie, warum sie das tun, was sie tun; was sie aber nicht wissen, ist, was ihr Tun tut."[27] Einerseits musste das omnipräsente, unsichtbare Risiko SARS in der Community eingedämmt werden, um das für den Binnenkonsum und andere Aspekte des städtischen Alltags so wichtige subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken. Andererseits sollten die den Ausnahmezustand manifestierenden Hygienemaßnahmen der Bürger möglichst schnell wieder aus dem Straßenbild verschwinden, um auch international wieder Sicherheit demonstrieren zu können.Vor diesem Hintergrund erschien es als eine plausible und notwendige Strategie, die dezentralen Hygieneanstrengungen in die Verantwortung der Regierung zu stellen und aus den Sicherheitsarchipelen wieder einen gesamten Sicherheitsraum zu machen. Erst dann würden die "anormalen Räume" der Hygiene verschwinden und die städtische Normalität auch auf der Erscheinungsebene der Stadt wieder hergestellt. Dabei entwickelte sich die Krisenbewältigung zu einer Aktivierung bereits zuvor bestehender Hygiene-Pläne. Bereits vor SARS hatte die Regierung die Eindämmung unhygienischer Praktiken und die Anhebung des allgemeinen Hygienestandards der Stadt auf "Weltklasse"-Niveau verkündet. So hieß es in der Regierungsansprache des Jahres 2000 von Regierungschef Tung Chee-hwa: "Hygiene and Cleanliness are a prerequisite for a World-Class City". Auch im Jahr 2003, wenige Wochen, bevor sich Hong Kong im öffentlichen Diskurs zur Mask City verwandelte, war diese Linie von oberster Stelle bekräftigt worden. In "Asias World City" seien Sicherheit, Sauberkeit und eine schöne Umgebung die Vorraussetzung für einen "World-Class" Status der Stadt. Hong Kong müsse eine ansprechende und einzigartige Umgebung schaffen, die sowohl lokale wie internationale Menschen dazu bewege, in Hong Kong leben, arbeiten und Urlaub machen zu wollen. Dabei zielte Hong Kong vorrangig auf die internationale Elite, wie der damalige Regierungschef formulierte: "I hope that our friends from overseas who stay or stop over in Hong Kong will find that this city makes them feel at home."[28] Die Säuberung bislang unhygienisch gebliebener Bereiche und die generelle Anhebung des städtischen Hygieneniveaus wurde folglich zu einer Frage des ökonomischen Überlebens der Stadt deklariert, oder wie es der Sekretär und Leiter des Team Cleans, Donald Tsang Yam-kuen formulierte: "Hong Kong urgently needs to clean up its act or it risks being economically cleaned out".[29] Damit erschien das Thema der Hygiene auch für die Standort- und Imagepolitik Hong Kongs relevant.

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TEAM CLEAN Am 5. Mai wurde unter großer Aufmerksamkeit lokaler und internationaler Medien die Gründung von Team Clean durch den Regierungschef Tung Chee-hwa persönlich bekannt gegeben. Die Organisation begann am 19. Mai 2003 die Arbeit. Die Mission der aus Vertretern von siebzehn Regierungsdepartments zusammengefügten Institution lautete "einen nachhaltigen, kross-sektoralen Ansatz zu etablieren und zu fördern, mit dem die städtische Hygiene verbessert werden kann". Hong Kong solle wieder zu einer "sauberen und sicheren Stadt" für Touristen gemacht werden [30] und sein "Glanz als attraktive und gesunde internationale Stadt" wieder hergestellt werden.[31] Hohe Hygienestandards seien dabei eine absolute Voraussetzung, um sich "world-class city" nennen zu dürfen. Der Leiter Team Cleans und heutige Regierungschef Donald Tsang Yam-kuen fand in der Pressekonferenz deutliche Worte für die Relevanz Team Cleans in Bezug auf die zwei drängendsten Probleme des SARS-Ausbruchs: der Verhinderung neuer Infektionskrankheiten einerseits, die Verbesserung des Hong Konger Images zu einem "clean room" Asiens andererseits: „We are now focusing all the essential measures directed at preventing the recurrence of epidemics of the kind we talk about, like SARS, and this is the main thrust of our effort. […] what is important now is that we can see there are problems emanating from personal hygienic habits, household hygiene unsatisfactory conditions and some environmental unhygienic problems relating to building maintenance and so on.These are the areas on which we are concentrating, particularly in relation to the SARS epidemic, where we can see the origin of it is poor building maintenance and unsatisfactory personal habits, and these are the things we are concentrated on. […] It is a monumental task but it is an important step that Hong Kong must go through if we aspire to be a city of the first rank and not only as a very successful international financial centre, but in fact a "clean room" in Asia – that's what we aspire to.“[32]

Dass in dem Programm von Team Clean von Beginn an das Thema der Hygiene mit dem Thema der städtischen Imagepolitik korrelierte, wird deutlich, wenn man die beinahe zeitgleich zu den Aktivitäten Team Cleans gestartete Bekanntgabe der "Relaunch HK"-Kampagne am 23. Mai 2003 betrachtet.[33] Die Punkte, die der Vorsitzende Anthony Leung betonte, ähneln den Aussagen Team Cleans: "At this stage, we have to focus on at least two things: to communicate to Hong Kong people and to the world that we are a safe city and through our collective efforts we will make Hong Kong a safer and cleaner place. Secondly, we will encourage the citizens of Hong Kong to come out and resume their normal economic activities."[34]

[30] TCIR: 28 [31] TCIR: 32 [32] Transkript der Pressekonferenz mit dem Chief Secretary for Administration, Mr Donald Tsang, in der Konferenzhalle des Central Government Offices am 28. Mai 2003 (www.info.gov.hk/gia/general/200305/28/0528326.htm) [33] Die "Relaunch Hong Kong Campaign" war eine gross angelegte Imagekampagne der Hong Konger Regierung, mit der man das angeschlagene Image der Stadt gegenüber internationalen Touristen, Investoren und Unternehmen verbessern wollte. Gefördert mit einer Milliarde HK$, wurde nicht nur Werbematerial produziert, sondern auch verbilligte Paketpreise in der Tourismusindustrie unterstützt sowie ein grosses Musikfestival durchgeführt. [34] Anthony Leung, Leiter der "Relaunch Hong Kong Campaign" in einer Meldung des Hong Konger Radiosender RTHK am 23. Mai 2003 (www.rthk.org.hk/rthk/archive/, zuletzt am 10.10.2003)

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"USE OF MOMENTUM" Die neu geschaffene Institution Team Clean postulierte, dass durch die allgemeine positive Bewertung hygienischer Maßnahmen für die nachhaltige Anhebung der städtischen Hygiene ein "brief window of opportunity" [35] bestehe. In dieser Phase schnelle und deutliche Handlungsfähigkeit zu zeigen, bedeutete zudem, über Leadership-Qualitäten in einem für die Öffentlichkeit sehr sichtbaren und prominenten Sektor den eigenen, angekratzten Regierungsanspruch zu legitimieren und gleichzeitig zu manifestieren. Man wollte durch entschiedenes Handeln die "Erwartungen der Community erfüllen" sowie das "öffentliche Vertrauen" in die Zielstrebigkeit der Regierung und ihre Fähigkeiten stärken.[36] So sollte der "positive Hygienespirit" der jüngsten Zeit am Leben gehalten werden, und gleichzeitig ein Handlungsraum zum Aufbau langfristiger Strukturen geschaffen werden. Deswegen wurde in Phase 1 (3-6 Monate) der Schwerpunkt auf "schnelle und sichtbare Ergebnisse" gelegt.[37] In dem bereits Ende Mai veröffentlichten "Interim Report" (TCIR) stellte die Institution die kurzfristigen Maßnahmen vor, die innerhalb der nächsten Monate bis zum Erscheinen der ausgearbeiteten langfristigen Strategie im August stattfinden sollten. In der Zwischenzeit wollte die Institution durch Modellprojekte Strategien entwickeln, die Hong Konger Bevölkerung langfristig in die Regierung von Hygiene einzubeziehen. Um Fakten zu schaffen, verfolgte Team Clean in Phase 1 unter dem Motto "Act now, recover costs later" eine "Vorschuss-Strategie", legte also den Schwerpunkt zuerst auf Maßnahmen, die von der Regierung und ihren Angestellten ausgeführt werden konnten. BLACKSPOTS UND GREY AREAS

[35] Donald Tsang im Vorwort des Team Clean Reports (TCR) [36] TCIR: 6 [37] ebda. [38] "Blackspots" sind dabei nicht nur tatsächliche, von Hygieneproblemen betroffene Orte. Der Begriff oszilliert auf der sprachlichen Ebene auch mit einem moralisch eingefärbten Diskurs von "Schuld", "Übel" und "Gefahr". Der Begriff wurde weiterhin im Kontext von Stadtentwicklungsdiskursen als Synonym für rückständige Regionen mit Entwicklungsbedarf genutzt. (S. City of Vision 1995: 16)

Eine der ersten Maßnahmen Team Cleans bestand in der Definition von 258 "hygiene blackspots" in 99 Public Housing Estates, an denen dauerhafte Hygieneprobleme bestanden.[38] Damit griff Team Clean den Diskurs der "Sick Buildings" auf und machte ihn zum Gegenstand seiner Problematisierung. Die Liste dieser blackspots beinhaltete eine Reihe Hintergassen (backstreets), Fußgängerüberführungen (flyovers) und Märkte, sowie Orte, an denen gehäuft oder dauerhaft direkte Problem wie Müll und Verschmutzungen und indirekte Hygieneprobleme (Blockaden von Reinigungsarbeiten durch Sperrmüll) auftraten. Ein weiterer Schwerpunkt des blackspottings lag auf einigen älteren Public Housing Estates. Darüber hinaus definierte die Regierung 800 alte private Gebäude, deren öffentliche

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Bereiche wie Flure, Lifte, Lichtschächte [S. 82 D] und Eingangsbereiche unhygienische Bedingungen aufwiesen. Mit Hintergassen (rear lanes, private lanes) bezeichnete Team Clean die schmalen, nicht mit Autos befahrbaren Hintergassen, die als Baulücken zwischen vielen Hochhäusern existieren. Da sich diese auf privaten Grundstücken befinden, wurden sie von der städtischen Reinigung nicht erfasst.Typische Probleme in diesen Gassen waren Ansammlungen von Sperrmüll [A, C], sowie die Ausweitung privater Nutzungen auf den Raum der Straße. So war es ein übliches Phänomen, dass vor den Hintereigängen kleiner Imbisse Angestellte mithilfe von großen Plastikschüsseln den Boden als Spülküche oder zur Zubereitung von Mahlzeiten nutzten.[B] Der oftmals daraus resultierende schmierige Film aus Waschwasser und Nahrungsmittelresten begünstigte die Ausbreitung von Ratten, Kakerlaken und Moskitos. In diesen Straßen fanden sich auch so genannte "unlizensierte Konstruktionen" (unlicenced building works, kurz UBWs) wie in Kopfhöhe angebrachte, tropfende Wasserkühler, illegal verlegte Rohre, Klimaanlagen und Ventilatoren, die nur wenig Licht auf den Boden der Hintergassen ließen. In einigen rear lanes mündete Wasser aus illegal installierten Abflussrohren direkt auf die Hintergassen, und Wasser aus unsachgemäß eingebauten Klimaanlagen tropfte herunter.[D] Einen weiteren Schwerpunkt der blackspots stellten die besonders in älteren Stadtteilen und rund um alte Public Housing Estates vorkommenden illegalen Imbissbetreiber und fliegenden Straßenhändler dar. Diese entzogen sich nicht nur der Kontrolle durch die städtische Gesundheitsbehörde, sondern hinterließen auch Verpackungsmüll und Nahrungsmittelreste in öffentlichen Aufenthaltsbereichen, auf überdachten Fußgängerbrücken und in Eingangsbereichen der MTR. Auch einige der insgesamt 128 öffentlich betriebenen wetmarkets stellten ein Problem dar [39]:

[A]

[B]

[C]

[D]

"Markets always seem to have wet, slippery and dirty floors.There is bad hygiene around cooked food areas, rampant littering, dirty walls as well as feathers and faeces from live poultry.“[40]

Die offenen Straßenmärkte mit ihren Obst und Gemüseständen, die darüber hinaus in älteren Distrikten existierten, wiesen ebenfalls nicht befriedigende Hygienebedingungen auf.[E] Durch "illegale Erweiterungen" der Geschäftsbereiche entstünden Hygieneprobleme und ergebe sich ein chaotisches, unrepräsentatives Straßenbild:

[E]

[39] TCIR: 25

"The pavements around the stalls are often damp and slippery, or littered with gar-

[40] TCR: X

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bage. It is not uncommon to find construction/renovation/demolition waste left on pavements/streets for a long time, resulting in unsightly and unhygienic conditions, and attracting more littering and dumping. Owners […] stack and display their goods and groceries on the pavement, causing major obstruction and forcing pedestrians off the roads.The shop fronts and pavements are often littered with empty boxes or discarded items, and are usually wet and slippery."[41]

[A]

[B]

[C]

[D]

[E]

[41] TCR: 29

Auch in Privatwohnungen existierten viele hygienische Probleme, zumeist aufgrund der schlecht organisierten Müllabfuhr. So dienten die gemeinsam geteilten Flure vieler Hochhäuser in Hong Kong als Zwischenlagerstätte für Müllsäcke – häufig einfache Plastiktüten der Supermärkte "Wellcome" und "Park'n Shop" – die von einem durch das Gebäudemanagement oder die "Ownership Association" privat engagierten Müllsammler abgeholt und zu einem öffentlichen Müllsammelpunkt gebracht wurden.Viele ältere private Häuser besaßen jedoch kein professionelles Management oder eine Eigentümervereinigung, so dass in diesen Häusern die Bewohner selbst für die Entsorgung ihre Mülls zuständig waren. Sie mussten die Tüten direkt an die Sammelpunkte bringen, was häufig zu unhygienischen Treppenhäusern, Fluren etc. führte.[B, C] In vielen Hochhäusern dienten deshalb die so genannten "Lightwells" – Lichtschächte im Inneren eines Hochhauskomplexes – als informelle Müllkippen, auf denen sich aus den Fenstern geworfene Flaschen, Zigarettenkippen, Taschentücher und andere Gegenstände ansammelten.[D] Noch deutlicher war diese Praxis, den Müll aus dem Fenster zu werfen, in älteren Public Housing Estates vertreten. Die dort im Erdgeschoss angesiedelten kleinen Imbisse und Geschäfte sind darum mit Markisen ausgerüstet, die einen Schutz vor fallenden Gegenständen bieten. Auf diesen Markisen bildete sich häufig ein schmieriger Film oder es sammelte sich stehendes Wasser an, das wiederum zum Brutgrund für Moskitos wurde – die Hauptüberträger von Dengue-Fieber.[E] Einige entsorgten ihren Müll hingegen gar nicht mehr – so wurden von Team Clean in über 180 Privatwohnungen riesige Müllberge entdeckt.[42] Der erste Schritt nach der Definition dieser Probleme war eine groß angelegte Aufräumaktion. Für die Reinigung der blackspots wurden 4.000 zusätzliche Reinigungskräfte angestellt, womit die Kapazitäten der Stadtreinigung beinahe verdoppelt wurde. Getreu der Maxime "Act now, recover costs later" konnten ohne langwierige bürokratische und juristische Prozesse Reinigungskräfte der Regierung blackspots beseitigt werden, die eigentlich in der Verantwortung privater Wohnungs- und Hausbesitzer lagen – Lichtschächte wurden von Müll und menschlichen Exkreten be-

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freit, Markisen gereinigt, Schädlingsbekämpfungen gegen Ratten und Kakerlaken durchgeführt und Straßen gesäubert. Diese Arbeiten sollten die Gewöhnung an einen höheren Standard erleichtern, und die Attraktivität des städtischen Raums steigern, was die Anwohner zu hygienischerem Verhalten motivieren und die Identifikation mit der Stadt insgesamt begünstigen sollte. DIE BISHERIGE REGIERUNG VON HYGIENE Mit der "Vorschuss-Strategie" führte Team Clean vorübergehend eine Strategie weiter, die bereits vor der SARS-Krise bestand. In Hong Kong lag die Verantwortlichkeit für die öffentliche Hygiene traditionell bei der Regierung. Erst im Jahr 2001 waren dem Food and Environmental Health Department (FEHD) zusätzliche Mittel für eine Serie an Maßnahmen zugewiesen, mit denen durch das Outsourcing bestimmter Aktivitäten insgesamt 3.000 zusätzliche Jobs im öffentlichen Hygienesektor geschaffen wurden.Vor dem SARS-Ausbruch im März 2003 beschäftigte die Regierung also bereits 5.300 Personen, die die Straßen fegten und wuschen, Müll sammelten und die öffentlichen Toiletten, Badehäuser und Müllsammelstellen pflegten. Straßen wurden bis zu achtmal am Tag gereinigt und bis zu fünfmal täglich gewaschen. Bürgersteige, Gassen, Hawker Areas und Müllsammelpunkte auf der Straße wurden von insgesamt 65 Reinigungswagen (street washing vehicles) rund um die Uhr sauber gehalten. Darüber hinaus wurden statistische Reinigungskräfte an bestimmten Brennpunkten wie viel belebten Orten und öffentlichen Toiletten eingesetzt. Bereits 2001 hatte das FEHD begonnen, das Hygieneproblem verstärkt zu lokalisieren, d.h. auf die Ebene der Stadtteile (districts) umzulegen und das legislative Ziel verbesserter Hygiene im Rahmen der so genannten Stadtteil-Aktions-Pläne (District Action Plans) departmentübergreifend umzusetzen. Dies reagierte auf das Problem, das die Bevölkerung bislang bei der Umsetzung dieser Ziele kaum beteiligt war. Seit den 40er Jahren waren unter dem Oberbegriff der "Clean Hong Kong Campaign" mit wechselnden Logos, Slogans und Promotionmechanismen in regelmäßigen Abständen verschiedene Hygienekampagnen durchgeführt worden.[43] Unterschiedliche Mechanismen wurden erprobt, mit denen die Bevölkerung ihr Hygieneverhalten verbessern sollte – die Maßnahmen reichten von weichen Maßnahmen wie Erziehungsund Plakatkampagnen, der Einbeziehung von "Community" und "Ownership" bis hin zu der Durchführung von Razzien, der Installation von Videoüberwachungssystemen und der Anhebung der Strafen. Generell

[A]

[B]

[C] [42] Es handelt sich bei dem Messie-Phänomen wohl um ein häufig auftretendes Phänomen in Hong Kong. Bis zur Veröffentlichung des zweiten Reports wurden insgesamt 182.7 Tonnen Müll aus 139 Wohnungen entfernt, das sind also fast eine Tonne Müll pro PHE Wohnung und sogar 1,9 Tonnen Müll in größeren, privaten Wohnungen. Diese "schockierenden Zahlen" führten dazu, dass Team Clean neben hohen Strafen auch psychologische Beratungen für diejenigen bereitstellen wollte, "die eine abnormale Fixierung, Müll anzuhäufen" aufzeigten. Die Einstellung, Dinge aufzuheben, obwohl die Wohnungen kaum Speicherplatz haben und sehr viel Wohnraum dadurch verloren geht, ist jedoch gerade in der älteren Generation ein verbreitetes Phänomen in Hong Kong: "Older residents were of an age where they were more likely to be emigrants from China; their perceived need to keep so many things seems related to their past experience, when things were not so easy to come by.Younger people, born into a more affluent economy, appeared to be far more ready to throw things out, and less tolerant of the clutter created by the thrifty habits of their elders." (Rooney 2001: 68)

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[Abb.] Flyer des Justizministeriums [43] Zu den Details vgl. www.fehd.gov.hk [44] Geschichte von "Clean Kampagnen" unter www.fehd.gov.hk/pleasant_ environment/chk/index.html [45] Jahresbericht 2001, Food and Environmental Department (Vgl. www.fehd.gov.hk/ publications/text/annualrpt/2001/annual2001.html) [46] TCIR: 5

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kann man jedoch sagen, dass die Kampagnen der Vergangenheit sich zumeist auf reine Säuberungsaktionen und "weiche Promotion" (soft promotion) beschränkt hatten.[44] Erst im Jahr 2001 wurde Hygiene mit stärkeren Enforcement-Mechanismen wie Geldstrafen versehen, die zu einem gewissen Anstieg an Verweisen und Strafen führten.[45] Die Effekte der einzelnen Kampagnen verpufften jedoch zumeist schnell, da keine langfristige Struktur existierte, mit der die durch Kampagnen erreichten Anstrengungen nach Beendigung der Kampagnen in dauerhafte Verhaltensänderungen einer breiten Bevölkerung umgesetzt und aufrechterhalten werden konnten. Angesichts dieses unbefriedigenden Ergebnisses einer 60 Jahre bestehenden Hygienekampagne folgerte Team Clean: "Die Hygiene und Sauberkeit einer Stadt kann nur mit der Unterstützung ihrer Bewohner aufrechterhalten werden. Jede Anstrengung, die allein von der Regierung durchgeführt wird, ist zum Scheitern verdammt."[46]

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DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY Mit seinen blackspots identifizierte Team Clean Orte, an denen Hygieneprobleme auftraten. Dabei ging es besonders um die Beseitigung der so genannten "grey areas". An diesen "blinden Flecken" der Verwaltung überlappten sich Zuständigkeiten unterschiedlicher Departments, was zu unnötig langen bürokratischen Abläufen und fehlenden Standards bei der Bekämpfung der Hygieneprobleme führte. Hier sollten neue Modalitäten für zukünftige Bearbeitungsvorgänge entwickelt werden. Ein wesentlicher Teil der Arbeit von Team Clean bestand dementsprechend in der präziseren Formulierung von Gesetzestexten, Regulationen und Verordnungen, der Beschleunigung bürokratischer Abläufe sowie in der Erleichterung der interdepartmentalen Kommunikation. Daneben sollte die Einhaltung der Gesetze stärker kontrolliert werden, wofür zu Beginn vor allen Dingen repressive Maßnahmen angewendet wurden.[47] Im öffentlichen Raum wurde das "Einheitliche Strafsystem" (Fixed Penalty System) von 600 HK$ auf 1500 HK$ angehoben.[48] Die "asozialen Verhaltensweisen" des Spuckens, der Verursachung von Müll, Hundekot und Wildplakatiererei wurden damit unter einem gemeinsamen Strafsystem zusammengefasst, das schneller bearbeitet werden konnte.[49] Erst Zweifachtäter sollten eine Vorladung zum Gericht bekommen.[50] In den ersten zwei Monaten wurden so bereits 5.500 "litterbugs" unter Anwendung des "Fixed Penalty Systems" mit Geldstrafen belegt.[51] Neben der Anhebung von Geldstrafen wurde auch über Lizenz- und Pachtverbote sowie über die öffentliche Bekanntgabe wiederholter Hygienesünder in den Medien nachgedacht.[52] In den wetmarkets sah Team Clean die Aufnahme von Hygienestandards in die Mieterverordnungen vor, mittels derer "ein Sinn für Verantwortung und die Gewohnheit, die Stände sauber zu halten" gefördert werden sollte. Kommerzielle Betreiber von Geschäften sollten durch "Sauberkeitsauszeichnungen" (cleanliness records) mit dem "Team-Clean"-Logo an gut sichtbaren Stellen gekennzeichnet werden. Dies solle ihnen einen Sinn für Verantwortung "einflößen".[53] Weitere herausgehobene Gruppen waren die "illegalen", d.h. unlizensierten Lebensmittelverkäufer (food hawker) [54], Hausbesitzer, die ihre Häuser nicht "ordentlich verwalteten" sowie die Besitzer von alten Häusern und ihren Hintergassen, die nicht "vernünftig organisiert" seien.[55] Diesen Risikogruppen sollte Verantwortung und ownership durch repressive und juridische Maßnahmen "eingeschärft" (inculcate) werden. Hierfür wurde die Zusammenarbeit mit der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten ausgebaut, die direkt nach ihrer Kompetenzerweiterung in Märkten und in öffentlichen Räumen so genannte "Blitz Operations/Razzias" durchführte, bei denen etwa Ansammlungen von Straßenhändlern und andere blackspots wie Straßenrestaurants ge-

[47] TCR: 1 [48] 1500 HK$ waren zum Zeitpunkt der Einführung umgerechnet etwas mehr als 180 Euro. [49] "SARS Virus Linked to Antisocial Behaviour" auf der Webseite www.cleansafeworldwide.org/doc.asp?doc=796&cat=163, inzwischen stillgelegt. [50] Innerhalb der ersten Monate wurden 15.000 "Hygienesünder" bestraft, von denen 125 zweifach, und 18 drei- oder mehrfach erwischt wurden. In Umfragen erreichte die Maßnahme laut Team Clean eine Zustimmung von 75 %. [51] TCR: 2 [52] TCR: 93, 189 [53] TCR: 30 [54] TCR: 16 [55] TCR: 15, 22

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räumt und 42 Personen festgenommen wurden. Diese Maßnahmen seien nicht nur "sehr wichtig für den Schutz persönlicher und öffentlicher Hygiene", sondern hätten auch "großen Einfluß auf Hong Kongs zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und seine Attraktivität als Drehscheibe für Wirtschaft, Handel und Tourismus." Diese Maßnahmen wurden außerhalb Hong Kongs als Maßnahme gelobt, mit der Team Clean "the city's more unpleasant cultural habits" ausradieren wolle.[56] All diese Maßnahmen betrachtete Team Clean jedoch als relativ einfach durchzusetzen. Das eigentliche Problem waren die Orte diffuser öffentlicher Nutzung wie Gemeinschaftsräume, Flure,Aufenthaltsbereiche, Sportplätze und öffentliche Toiletten, der öffentliche Raum der Straße, Hintergassen, sowie Randbereiche von Straßenmärkten und wetmarkets oder Ausflugsgegenden – also genau die Orte, denen kein einzelnes Subjekt zuordbar, und an denen die Regierung auf die Selbstkontrolle der Individuen angewiesen war. Da diese Orte selbst über verfeinerte juridische Mechanismen und eine Ausweitung des Kontrollsystems nicht dauerhaft kontrolliert werden konnten, bestand die eigentliche Herausforderung darin, die öffentliche Hygiene über eine breite Anhebung des alltäglichen Hygienebewusstseins- und verhaltens in der Bevölkerung zu verbessern – also auf die Freiheiten des Subjekts zu setzen. In seinem Bemühen um "Nachhaltigkeit" gab Team Clean folgende Leitlinie heraus: "A clean Hong Kong starts with the individual. A simple act of ours can have a huge impact. It can affect our personal health, the cleanliness of our home and neighbourhood, and the overall hygiene of our city. A clean and healthy city relies on a community of individuals who uphold high standards of hygiene, show a strong sense of ownership and take pride in their city. […] Team Clean's biggest challenge has not been to develop new policies or measures to improve environmental hygiene. Rather, it has been the formulation of effective ways to promote civic responsibility and to inculcate in our people a genuine commitment to society at large."[57]

"WORLD CLASS CITIZEN"

[56] So etwa auf der Webseite www.cleansafeworldwide.org, die inzwischen stillgelegt wurde. [57] TCR: XVI [58] TCR: 44

Dieser neue Subjektbezug der Hygiene ging mit einem neuen Diskurs der "zivilen Verantwortung" einher, welcher nun im Zentrum der Regierungsmaßnahmen stand.Team Clean postulierte, dass viele Hygieneprobleme das "Resultat von Unverantwortlichkeit, Achtlosigkeit und einem Mangel an zivilem Bewusstsein" seien.[58] Auch Christine Loh, die im Jahr 2002 eine unabhängige Studie über das Hygieneverhalten der Hong Kon-

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ger durchführte, führte aus einer Public-Policy-Perspektive die existierenden Hygieneprobleme auf die Mentalität der städtischen Bewohner zurück: "A lot of people just litter.There has been a lack of political will to go and clean up, and to fine people to enforce the law to stop it. Also, we found from a survey we conducted one and a half years ago, that people expect someone else to clean up for them. I mean nowhere else in the world the government cleans up as much as here, the government cleans the streets two times a day.The streets are clean not because we are clean but because we have someone who cleans it up for us.This is fundamentally wrong, and it says something about the culture we have. Hong Kong has a culture of "somebody picks up after me". If I throw something, someone will come to clean it up."[59]

Team Clean definierte das wesentliche Regierungsproblem darin, eine neue städtische Kultur der zivilen Verantwortung zu schaffen. Um ein rein "egoistisches", von der Gesellschaft unabhängig agierendes Verhalten zu verhindern, sei es notwendig, dass das Individuum sich seiner Einbettung in ein städtisches Kollektiv bewusst werde, das darüber hinaus auch unter internationaler Beobachtung stehe; innerhalb dieses Kollektivs müsse es eine aktive Rolle als "Bürger" annehmen und eine zivile Kultur der Verantwortung und Aufmerksamkeit gegenüber dem eigenen Verhalten und dem anderer entwickeln. "Bürger" einer "gesunden und sauberen Stadt" seien demnach jene, welche "hohe hygienische Standards" innehielten und bestrebt seien, diese aufrechtzuerhalten.[60] In diesen Aussagen wird ein neues, "programmatisches" Subjekt entworfen, das darauf achtet, seinen Müll ordnungsgerecht zu entsorgen, und sich sowohl in seinem Privathaushalt wie auf der Straße hygienisch verhält. Sein Verhältnis zu seiner Umgebung ist von "zivilem Stolz" (civic pride) und "Eigentümerschaft" (ownership) geprägt. Dies führe auch dazu, dass ein guter Bürger gegenüber anderen "unverantwortlichen", "nachlässigen" oder "egoistischen" Individuen [61] sowie Orten voller Dreck mit einer durch zero tolerance [62] geprägten Zivilcourage – also etwa mit einer Meldung an die zuständige Stelle oder direktem Eingreifen – reagiere. Ein "Bürger" beteilige sich darüber aktiv an öffentlichen Foren und Aktionen und nutze die neuen Partizipationsmöglichkeiten, die Team Clean innerhalb seines Regierungsprozesses institutionell einräumte. Das zentrale Konzept zur Herstellung dieses verantwortlichen Subjekts lautete "Community Involvement" oder "Community Participation". Unter dem Stichwort "Community" führte Team Clean eine normative

[59] Christine Loh, Civic Exchange, Interview am 2.5.2003 [60] TCIR: 10 [61] TCR: 44 [62] TCR:V

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Setzung durch: "Die Community" erscheint hier zunächst einmal als eine zusammenhängende, auf der Basis gemeinsamer Werte imaginierte städtische Gemeinschaft, deren Wunsch eine "gute Lebensumgebung von Weltklasse" (world-class living environment) sei. "Community" kann hier als ein anderes Wort für "städtische Bevölkerung" dienen, wie sie die Regierung in Bezug auf von ihr definierte strategische Ziele – Hygiene, gesunder Lebensstil – konstruierte. Damit entwarf Team Clean eine homogene städtische Gemeinschaft, welche als wesentliches Merkmal ein "verantwortliches" Verhalten gegenüber dem städtischen Lebensraum – nicht nur im hygienischen Bereich – ausweise. Der Humangeograph Clive Barnett arbeitete heraus, dass "Community", "Bürgerschaft" (citizenship), "zivile Kultur" und "Partizipation" Unterformen einer "Regierung durch Kultur" seien. Sie alle setzen sich zum Ziel, eine spezifisch städtische Kulturpraxis in den alltäglichen Lebensführungen sehr unterschiedlich lebender Menschen zu verankern: "Culture, in fact, can be considered the paradigm for the deployment of these other terms as part of new civic technologies of social regulation, insofar as it has been historically conceptualized as a realm both beyond state control (as whole ways of life), but simultaneously as a medium or means for acting upon and transforming that outside (as a set of artifacts, pedagogies and dispositions). Governmentalization inscribes culture upon a surface of potential social administration, as both an object of regulation, and, through a process of hierarchical splitting, as the means of governing social activity at a distance."[63]

[63] Barnett 2001: 20 [64] TCIR: 8

Eine solche Strategie macht menschliche Bedürfnisse nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit, den Hang zu kultureller Differenzierung und das Bedürfnis nach "Lebensstil" für die Regierung von Subjektivität nutzbar. Team Clean bezweckte, dass die Zugehörigkeit zu einer städtischen "Community" zu einem starken Gemeinschaftsgeist (community spirit), Eigentümerschaft (ownership), sowie Stolz auf den eigenen Lebensraum (pride of place) führen würde. Impliziert wurde dabei auch der soziale Druck einer "Community", unter dem das Individuum gleichzeitig einen Sinn für "individuelle Verantwortung" entwickeln, wie auch einen "Community Spirit of Zero Tolerance" gegenüber unhygienischen Praktiken aller Art kultivieren könne.[64] Über die Technik der Community verfolgte Team Clean also die "Kulturalisierung" eines spezifischen Sicherheitsdispositivs, das sich in die unterschiedlichen Lebensstile der Hong Konger einfügen sollte. Das Risiko SARS sollte in die individuellen Verantwortlichkeiten der städtischen Subjekte integriert werden, indem Hygiene, das Bekämpfungsmittel gegen SARS, zum Teil ihrer alltäglichen Kultur

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werden würde. Da es sich bei der Hygiene um eine affektive Beziehung zum "Lebensraum Hong Kong" handeln sollte, beinhaltete diese Setzung der "Community" auch neue Vorstellungen, Bilder und Repräsentationen des Städtischen. Über diese Bilder entwarf die Institution nicht nur eine ideale Beziehung zwischen Subjekt und Stadt, sondern auch eine neue Form städtischer Subjektivität. STÄDTISCHE IDENTITÄT ALS GOUVERNEMENTALES MACHTINSTRUMENT A clean and healthy city is built on a community that has a strong sense of ownership of their home – a home that extends beyond the boundary of their own four walls to encompass the entire city. -- Team Clean Report

Zu der Bereitstellung von Strukturen, die hier begünstigend wirkten, zählten alle Maßnahmen, die die Identifikationseffekte der Bewohner mit dem Stadtraum und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft stärken sollten. Hierfür entwarf Team Clean eine breit angelegte Informations- und Werbekampagne, die auf die Herausbildung neuer Identifikationseffekte – pride of place, sense of community, membership und ownership – gegenüber der Stadt Hong Kong abzielten.Techniken, die auf die Verbesserung dieser Beziehungen abzielen, wollen nicht mithilfe von Raum kontrollieren, sondern freiwillige Beziehungen zum Lebensraum Stadt erzeugen, die im zweiten Schritt an die Aufrechterhaltung städtischer Normen geknüpft werden sollen. Hierfür beauftragte Team Clean das "Committee on the Promotion of Civic Education" (CPCE). Als Schnittstelle zu Regierungsdepartments und Community-Organisationen sollte es außerhalb der herkömmlichen Bildungsinstitutionen und in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Institutionen "ziviles Bewusstsein" (civic awareness) und "zivile Verantwortung" (civic responsibility) fördern.[65] In diesem Fall lag die Aufgabe auf der Produktion neuer mattering maps oder "affektiver Investitionen" [66] So lautete der Titel einer Broschüre für neue Einwanderer aus China "Hong Kong is your home – keep it clean". Andere Flugblätter versuchten eher über die Förderung attraktiver, gesunder Lebensstile das Thema Hygiene als Teil einer 'modernen' städtischen Identität zu etablieren. Der Werbespot "Hygienic Couple" [A] zeigte beispielsweise die aus Hong Kong Filmen und Kantopop bekannten Stars Andy Lau und Sammi

[A] Flyer für neue Immigranten

[B] Promotion für hygienischen Lifestyle

[65] Beispielsweise mit dem Home Affairs Bureau, dem Home Affairs Department, dem Social Welfare Department, der Polizei, dem Information Services Department, dem Department of Justice, der Kommission gegen Korruption,Team Clean, dem Education and Manpower Bureau und der Kommission für Chancengleichheit, um nur einige zu nennen. [66] Mit "affektiven Investitionen" bezeichnet Vukov in Anlehnung an Lawrence Grossberg Stimmungen, Begehren, Leidenschaft oder Willen, die menschliche Erfahrungen in sozialen und politischen Formationen verankern. (Vukov 2002: 6)

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[A]

[B]

[C]

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Cheng als luxuriöses Paar, zu dessen großzügigem Lebensstil – riesige Wohnung, moderne Einrichtung, Nutzung neuester Technologien – wie selbstverständlich auch ein hygienischer, gesunder Lebensstil gehörte.[67] Eine weitere Serie von Spots sollte die öffentliche Moral stärken. Hierfür wurden bekannte Hong Konger Regisseure und Schauspieler für die Produktion der Kurzfilmserie "1:99"engagiert.[68] Im Vordergrund der Arbeit stand die Aufgabe, die während der Krise entstandenen oder zum Leben erweckten Hong Konger Werte "Zähigkeit", "Ausdauer" und "harte Arbeit", "Professionalismus", "Fürsorge und Harmonie", "Gemeinschaft und Solidarität", sowie "aufopfernde Selbstlosigkeit" und einen "hohen Grad an zivilem Verantwortungsbewusstsein" anzuerkennen und mit dem Diskurs städtischer Identität im Sinne Team Cleans zu verknüpfen.[69] In diese Konstruktion von Zivilbewusstsein (civil engineering) wurden bestehende Narrative und Motive des städtischen Selbstverständnisses aus dem kulturellen Archiv der Stadt gezielt einbezogen. Der Film "Flying Men" betrachtete SARS vor dem Hintergrund der städtischen Einwanderungsgeschichte. Er zeigte die Flucht von Einwanderern aus Südchina nach Hong Kong in den 50er Jahren, das harte Leben der boatpeople auf ihren schwimmenden Behausungen sowie einen Mann bei der typischen Arbeit eines Einwanderers – dem Ausfahren von Waren auf einem Fahrrad.[B] Die Botschaft des Filmes lautete, dass die Hong Konger schon andere, härtere Zeiten überstanden hätten. Er appellierte an den Hong Konger Ethos, angesichts von Krisen Durchhaltevermögen, Hartnäckigkeit und Eigenverantwortung zu zeigen. Im Film "Memories of Spring 2003" wird die Landmarkarchitektur Centrals zur Kulisse für eine traumartige, schwarzweiß gedrehte Sequenz, die die traumatischen Tage der Isolation und der Hilflosigkeit thematisierte, wie sie die ersten Aprilwochen kennzeichneten. Hinter den Fenstern des Jardine House stehen einzelne traurige, Menschen. Ein dystopisches Szenario spielt sich ab: Eine Kolonne Leichenwagen fährt durch leere Straßen, Schnee fällt vom Himmel, eine Gruppe maskierter Krankenhausangestellter eilt schutzlos vorbei, die Gruppe fällt zu Boden. Mit dem wütenden Faustschlag einer Krankenschwester auf den Boden bricht Farbe in das Szenario. Nun werden einzelne Gruppen gezeigt, die ebenfalls im Takt aufstampfen, Musik setzt ein. Nach vereinter Anstrengung, symbolisiert durch das gemeinsame, rhytmische Stampfen, zeigt der Film am Ende das vom Peak – dem höchsten Punkt Centrals – aus zu sehende, archetypische Stadtpanorama in frischen Farben – und den Slogan: "Summer 2003:We are stronger."[70] Eine weitere Reihe an Spots knüpfte an die kollektiven Erfahrungen von Trauer, Angst und Hilflosigkeit an, und zeigte Wege, wie über den Famili-

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[Abb.] Cover der Kurzfilm-Sammlung 1:99 [67] ww.isd.gov.hk/eng/api_more.htm#chk [68] 1:99 war das Verhältnis von Desinfektionsmittel und Wasser, mit dem die Hong Konger täglich ihre Wohnungen putzen sollten. Da Hygiene das wesentliche Betätigungsfeld der Bevölkerung war, um gegen die Krankheit vorzugehen, entwickelte sich "One to ninetynine" zu einer Chiffre für den an allen Fronten geführten Kampf gegen SARS. [69] www.cpce.gov.hk/eng/news/spirit.htm Das CPCE engagierte sich auch aktiv im sogenannten "Memory Building". Unter anderem organisierte die Organisation im Juli 2004 eine Wanderausstellung in wichtigen Shoppingmalls des Stadtgebietes, in der die bis dahin erschienen Bücher, Filme und Fotos zum Thema ausgestellt wurden. Ein Jahr nach dem Abklingen des SARS-Ausbruches diente die Maßnahme dazu, das "kollektive Gedächtnis der Community" aufzubauen und den damals präsenten "Fighting Spirit" oder "Community Spirit" am Leben zu erhalten. Dass dabei der Zusammenhang mit hygienischem Verhalten aufrechterhalten werden soll, zeigt ein Essay-Wettbewerb, in dem die zwischen April und Juli 2003 entstandenen Filme (s. o.) besprochen werden sollten. Seit SARS ist das Thema der Hygiene unmittelbar mit den während der Krisenmonate gemachten Erfahrungen verbunden. [70] www.isd.gov.hk/eng/tvapi/movie10_e. html.

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enzusammenhalt, durch Selbstverantwortung oder Humor lähmende Gefühle überwunden werden können. Alle Filme betonten die starke Rolle der Zivilgesellschaft Hong Kongs. Sie wurden im öffentlichen Fernsehen und vor Kinofilmen gezeigt. Das "Advisory Committee on the Promotion of the Fighting Spirit against SARS" der Housing Authority diskutierte weitere Wege, die kollektiven Erfahrungen der Hong Konger mit den wichtigen Themen Hygiene zu verknüpfen. Es schlug beispielsweise [A]

[B]

[C]

die Umbennung von öffentlichen Plätzen nach den als "Helden" gefeierten Krankenhausangestellten und die Errichtung eines Denkmals vor, das an die Opfer der SARS-Krise erinnern sollte.[71] URBAN IMAGINEERING [Abb.] Verschönerungen des Straßenbildes im Zuge der Team-Clean-Maßnahmen: frisch gestrichene Flyovers, neue Zebrastreifen und dekorative Blumenbeete für die SARS-geplagte Stadt. [71] TCR:152 [72] Unter dem Oberbegriff urban imagineering möchte ich Techniken zusammenfassen, die auf eine Neukonstitution des "Städtischen" – also des soziokulturellen Raums Stadt – abzielen. Hierzu gehören zum einen diskursive Einbettungen städtischer Ereignisse, die Herausgabe städtischer Leitbilder und Entwicklungsstrategien; zum anderen die Beeinflussung von sozialem und kulturellem Verhalten über die physische Umgestaltung des Raumes in den Bereichen Stadtplanung, Urban Design und Innenarchitektur. [73] TCR: 31 [74] Langfristig sollten darüber hinaus über Stadtplanung und Urban Design Verbesserungen des Stadtbildes erzielt werden. Neue Regulationen für Gebäude sehen nun die Planung besserer Luft- und Lichtversorgung, von mehr Grünflächen, "Sichtkorridoren" und markanten Punkten vor.

Auch im realen Stadtraum wendete Team Clean Techniken des urban imagineering an.[72] Eine Strategie lautete beispielsweise "Add Shine". Prominenten Teilen der Stadt (vorrangig in Central und in den von Touristen am häufigsten frequentierten Stadtteilen) sollte ein "sauberer, neuer Look" gegeben werden. Damit Hong Kongs "Glanz als attraktive und gesunde internationale Stadt" wieder erstrahlen könne, wurde in diesen Bereichen das gesamte Straßenbild im öffentlichen Raum verschönert:Verkehrs- und Straßenschilder wurden gereinigt oder ersetzt, Straßenüberführungen, Zebrastreifen, Brückendächer wurden neu gestrichen,Verkehrsinseln neu bepflanzt und öffentliche Aufenthaltsbereiche (sitting areas) umgestaltet.[73] Insofern sie auf die Veränderung von individuellem Verhalten abzielt, hat die ästhetische Gestaltung eines Raums innerhalb des städtischen Milieus eine produktive Funktion im Rahmen der Herstellung neuer Subjektivitäten. Sie soll das Begehren gegenüber der Stadt steigern, um damit die Grundlage für ownership zu legen.[74] Da sich diese Maßnahmen auf die freiwilligen Identifikationseffekte und die affektiven Bindungen der Menschen an Räume und ihre Besitzer richten, kann man diese Technik als Schaffung einer Art affektiven "Milieus" verstehen. Im Verbund mit der

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97

Definition von blackspots verbirgt sich in dieser Technik jedoch ebenfalls der Einsatz von Ästhetik als Instrument sozialer Ordnung. Detlev Ipsen weist darauf hin, dass neue Normen neue ästhetische Standards hervorbringen.[75] Andersherum können auch, wie Clive Barnett anmerkt, "ästhetische und kulturelle Praktiken auf produktive Weise als normalisierende Apparate reformuliert werden […]".[76] Barnett hebt hier auf eine über Ästhetik verlaufende Normierung des Raumes ab, die beispielsweise abweichendes Verhalten deutlicher sichtbar mache und damit die Grundlage für horizontale soziale Kontrolle lege.[77] Durch die Gegenüberstellung einer neuen städtischen Ästhetik mit "Risikoräumen" und ihrer Markierung als "Blackspots", "Hot Spots", "Cluster", "infected" oder "sick buildings" entstand, was Chris Philo eine "Geometrie der Negative" nennt.[78] Indem sie auf der einen Seite ideale Repräsentationen des Städtischen produzierten, auf der anderen Seite risikohafte Orte und Verhaltensweisen identifizierten, schuf die Regierung neue Unterteilungen zwischen Bedrohung und Sicherheit. Dies hat vor dem Hintergrund, dass vor kurzem der gesamte Stadtraum noch ein einziger "Unsicherheitsraum" war, durchaus sicherheitsbildende Wirkung:Wenn einige Orte ein besonders hohes Risiko aufweisen, dann weist der Rest relativ ein geringeres Risiko auf, was wiederum die subjektive Sicherheit an den anderen Orten hinaufsetzt. DIE IMPLEMENTATION DURCH PRAKTIKEN "We believe that all efforts must begin with the self, extend to the family and the immediate neighbourhood, and then radiate throughout the entire community of Hong Kong before we can claim a place as a world-class city." --Team Clean Report

Neben diesen Maßnahmen, die vorrangig auf die Förderung positiver Gefühle gegenüber der Stadt abzielen, sollten aber auf der Ebene der Praktiken alle Bevölkerungsgruppen in die konkreten Regierungsmaßnahmen "einbezogen" werden: "Community participation is a must in all stages of this exercise, and everyone will have an important role to play. And by taking ownership, all people in Hong Kong will be part of the system in the future. Only when that happens will Hong Kong become a truly clean city.“[79]

Um sich die Herstellung von Zugehörigkeiten zum Raum zu erleichtern, teilte Team Clean die Stadt in drei Implementationsebenen ein, auf der

[75] Ipsen 1994 [76] Vgl. Miller 1993, in Barnett 2002: 11 [77] Diese Technik wird auch in der Kriminologie unter dem Stichwort "Crime Prevention through environmental design" (CPTED) angewendet. CPETD bezeichnet eine Technik, über Stadtplanung und Architektur Räume zu schaffen, die Kriminalität verhindern – etwa indem sie Räume durch Zugangsbeschränkungen wie Zäune,Wächter, Schlösser, Computersysteme blockieren bzw. kontrollierbar machen. Hierunter fallen auch Strategien, die soziale Nutzungen – etwa durch Obdachlose, Einbrecher etc. verhindern bzw. kontrollierbar machen: die Anlage flacher, einsehbarer Parkanlagen oder erhöhter Eingänge.Weiterhin fallen darunter alle Methoden, die über Design von Grenzen ein klares Territorium markieren, und damit darauf abzielen, dass nicht erwünschte "Eindringlinge" sich "unsicher" und "unwillkommen" fühlen. (Atlas Safety & Security Design Inc. www.cpted-security. com/) [78] Philo 2001: 224. In "Das Auge der Macht" stellt Foucault der "Angst vor verdunkelten Räumen" als "Zonen der Unordnung" die Macht des Lichtes und der Sichtbarkeit gegenüber. Letztendlich funktioniere die Regierungsmacht nicht mittels der Kraft der Überwachung, sondern durch die Kanalisierung von Emotionen über die Unterteilung von Bedrohung und Sicherheit. (Foucault 1980: 153, zit. in Koskelka 2003: 298). [79] TCIR: 5

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DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

[A]

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[B]

[Abb.] Sicherheitskräfte des FEHD im Einsatz [80] Haus 2005: 30

das Individuum in den unterschiedlichen räumlichen Bezügen seiner Lebenswelt zum Gegenstand von Regierung gemacht wurde: die persönliche Ebene (personal hygiene), die Ebene des Wohnraums (home hygiene) und die Ebene des öffentlichen Raums (environmental hygiene). Besonders der öffentliche Raum ist dabei als Ebene der "Community" zu verstehen. Mit der Identifikation der auf diesen Ebenen wichtigsten Akteure, die entweder empowered oder verstärkt kontrolliert werden sollten, zog Team Clean neue hierarchische Ebenen ein, die in den derart hergestellten "Mikromilieus" der Stadtteile und Wohnblocks jeweils als Agenten der Regierung fungieren konnten. Entgegen der inkludierenden Rhetorik von Team Clean ist dabei anhand der klaren Definition der Gruppen, die in die Regierung von Hygiene "einbezogen" werden sollten, zu erkennen, dass Team Clean bezüglich seiner "Partner" klare Präferenzen hatte.Wie der Politikwissenschaftler Michael Haus herausarbeitete, kann der Oberbegriff der "Community" zwischen "ressourcenreichen Akteuren" (resourceful societal actors) und einer der "zivilen" Sphäre zugeordneten "Öffentlichkeit" (public) unterschieden werden.Während erstere bereits innerhalb der Stadt bestimmte Machtpositionen innehätten, indem sie in Institutionen oder Gruppen organisiert seien, bezeichneten letztere die nicht organisierte Masse der städtischen Bevölkerung.[80] Wendet man dieses verfeinerte Vokabular auf Team Cleans Gebrauch von "Community" an, so lässt sich klar unterscheiden, wie unter dem Dachbegriff "Community" eine hierarchisierende Differenzierung der städtischen Bevölkerung durchgeführt wird, die einzelnen "ressourcenreichen Akteuren" innerhalb eines top-down Regierungsprozesses Positionen als

DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY

"local leaders" oder "Scharniere der Macht" zuwies: Zu den local leaders gehörten neben der Housing Authority vor allen Dingen die an der Basis der politischen Pyramide arbeitenden Bürokraten (street-level bureaucrats) – Lehrer, Polizeikräfte, Sozialarbeiter, Gesundheits- und Sicherheitsinspektoren, und andere öffentliche Angestellte in den Stadtteil-Kommittees.[81] Diese Personen besitzen Zugang zu öffentlichen Programmen und können die Durchsetzung öffentlicher Gesetze und Regulationen überwachen und umsetzen. Sie interagieren häufig direkt mit der Bevölkerung und dienen damit als die wesentlichen Vermittler bei der Implementation neuer Policyrichtlinien: In den Public Housing Estates sollten beispielsweise Gebäudemanager der einzelnen Siedlungen die Bewohner mobilisieren. Community-Organisationen, die bereits über ein soziales Netzwerk innerhalb der Zielgruppe verfügten, oder Zugang zu bestimmten Zielgruppen hatten; sowie Institutionen, die sich traditionell mit der Erziehung von bestimmten Gruppen auseinandersetzen wirkten ebenfalls mit. So übernahmen das "Asian Migration Centre" und das "Employee Retraining Board" sowie mit letzterem verbundene Nicht-RegierungOrganisationen (NRO) die Aufgabe, spezielle Zielgruppen wie die philippinischen und indonesischen Haushaltshilfen und neue Immigranten mit muttersprachlichem Informationsmaterial zur Hygieneerziehung zu versorgen und Informationsveranstaltungen zu organisieren.[82] Dabei wertete Team Clean Teile der lokalen Verwaltungen zu Instrumenten sozialer Kontrolle um. Dem Housing Department wurden beispielsweise Kompetenzen übertragen, die zuvor in der Verantwortung der Polizei lagen. So vergrößerte das Housing Department mit den Mitteln Team Cleans seine Inspektionsteams von sechs auf 24 Einheiten und stellte zusätzliches Sicherheitspersonal für eventuelle Konfrontationen mit den Bewohnern ein. Die Polizei assistierte die neuen Teams auch mit Schulungen, um Situationen gewalttätigen Widerstandes bewältigen zu können. Das Personal wurde darüber hinaus mit mehr Equipment wie Mobiltelefonen und Walkie-Talkies ausgestattet, die im Konfliktfall die Kommunikation mit anderen Sicherheitskräften und der Polizei erleichtern sollten. In 363 Fällen wurden auch tatsächlich Polizisten von Sicherheitskräften hinzu gerufen.[83] Hier wird deutlich, dass eine Dezentralisierung und Ausweitung der Kontrollapparate in zuvor zivile Sphären stattfand. Die "zivile Öffentlichkeit" wurde dagegen hauptsächlich auf der Ebene des Monitorings einbezogen.[84] Team Clean ging davon aus, dass die Bevölkerung Hong Kongs die "Experten" ihrer Lebensumwelt seien.[85] Deswegen fragte Team Clean in regelmäßigen Abständen die Zufriedenheit mit den Regierungsmaßnahmen ab.[86] Die Institution schuf hierfür Feedbackme-

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"A total of 1.850 complaints were received through hotlines of HD during the period from June to July – 1.540 compaints resolved within 3 days – 230 complaints resolved within 7 days – 80 complaints are being processed" (TCR: 36)

[81] Das "Streetlevel Bureaucrats"-Modell weist bei der Implementation neuer Politiken den Bürokraten an der Bevölkerungsbasis eine wichtige Rolle zu. Entgegen den Führungsspitzen, die keinen Kontakt zur politischen Basis haben, sind Schulen, Gerichte und Sozialeinrichtungen die geeigneten Orte, an denen Gesetze in Praktiken umgesetzt werden können. (http://www.odi. org.uk/RAPID/Tools/Theory/Theories_stre etbureaucrats.html) [82] TCR: 10 [83] TCR: 4 [84] Monitoring ist ein Überbegriff für alle Arten der Erfassung von Zuständen, Beobachtung, Überwachung oder Kontrolle eines Vorgangs oder Prozesses mittels technischer Hilfsmittel oder anderer Beobachtungssysteme. Ein Monitoringsystem ermöglicht Interventionen in die betreffenden Prozesse, sofern sich abzeichnet, dass der Prozess nicht den gewünschten Verlauf nimmt. (http://de.wikipedia.org/wiki/Monitoring) [85] "Ultimately, the true test is the general cleanliness of our city, and the citizens of Hong Kong are the best judges of our efforts." (TC1R: 3) [86] TCR: 37ff. Eine Erweiterung dieses Monitoring-Prinzips stellte das so genannte "Hygiene Cleanliness Index" System dar. Mithilfe von standardisierten Fragebögen sollte es freiwilligen Helfern in den Stadtteilen ermöglicht werden, dauerhaft bei der Überwachung des Hygienestandards vor Ort mitzuwirken. Dieses Monitoringsystem diente damit auch als Instrument, mit dem Benchmarkingprozesse durchgeführt werden konnten.

100

DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

chanismen, mit denen die Community selbst an der Definition von Hygieneproblemen mitwirken konnte. Das von der Regierung eingerichtete "Rapid Response System" mit einem 24 Stunden besetzten "Feedback Telefon" sollte den Bewohnern der Stadtteile die Möglichkeiten liefern, zu jeder Stunde selbst bei der Identifikation und Meldung von blackspots mitzuwirken. Die schnelle Reaktion auf die Beschwerden (80 % der zwischen Juni und Juli eingegangenen 1850 Beschwerden wurden innerhalb von drei Tagen durch die Regierung behoben) war dabei ein wichtiger Bestandteil, der die Nähe der Regierung zur Bevölkerung demonstrierte und damit einen wichtigen Kritikpunkt während der Krisenzeit zumindest im Sektor der Hygiene ungültig machen sollte.[87] DIE HERSTELLUNG EINER STÄDTISCHEN COMMUNITY “Every member of the community is a member of Team Clean.We can only achieve our goals for a cleaner, more hygienic Hong Kong if everyone plays their part.“ -- Team Clean Interim Report

[87] TCR: 36 [88] Diese Vorgehensweise der Zuschreibung krimineller Identitäten ähnelt dem so genannten "Labeling Approach" oder "Ettiketierungsansatz". Dieser stellt einen Ansatz der Soziologie abweichenden Verhaltens dar, der das Phänomen Kriminalität vor allem von den Reaktionen und Sanktionen der Gesellschaft her beschreibt. Devianz ist demnach keine im Handeln des betrachteten Täters auffindbare Qualität. Sie ist vielmehr eine Konsequenz der Anwendung von Regeln und Sanktionen auf den Täter. Dieser Täter wird damit etikettiert, also gelabelt. (Vgl. Sack 1972) [89] TCR: 34

Kommen wir zu der von Team Clean begünstigten Einziehung hierarchischer Ebenen und den damit verbundenen In- und Exklusionskategorien zurück.Team Cleans interne Differenzierung der Community hatte zwei Funktionen: Erstens schaffte die von Regierungsseite durchgeführte Zuschreibung von Verantwortlichkeiten die Grundlage von "Empowerment"-Prozessen auf der einen, den Einsatz von Kriminalisierung und Repression auf der anderen Seite. Dies war der Fall, wenn Team Clean tatsächlich oder potenziell "verantwortliche" Subjekte für unterschiedliche Aufgaben und Probleme, also etwa die local leaders identifizierte, die die Partner bei der Dezentralisierung von Regierung bilden und helfen sollten, die Öffentlichkeit mitzuregieren; dem stellte Team Clean die "schwarzen Schafe" in den Public Housing Estates gegenüber: die illegalen Straßenhändler, unverantwortliche und rücksichtslose Bewohner und Hauseigentümer etc., die mit hohen Geldstrafen und der angekündigten Auflösung von Miet- und Pachtverhältnissen bestraft wurden.[88] Zweitens sollten diese Differenzierungen die Grundlage "freiwilliger" Identifikationen oder die eigenständige Zuordnung des Individuums zu Gruppen bilden, was die Übernahme bestimmter Normen erleichtern würde, die an die Zugehörigkeit zur Gruppe geknüpft sind. Die Regierung stellte dabei Strukturen bereit, die als Handlungsanreize dienen sollten. So rief sie etwa einen "Best Hygiene Award for Food Premises" und einen "Excellence Award for Toilet Cleaners" aus, welche durch 50.000 Kunden gekürt wurden.[89] Andere Incentives waren Ehrenurkunden für Freiwilli-

DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY

ge, die die "Selbsttechnologien" der Individuen anregen sollten. Die Unterteilungen der Regierung in "verantwortliche" und "unverantwortliche" Subjekte wurde dabei durch die Bereitstellung von Strukturen erleichtert, die den Subjekten eine Zuordnung leicht machten. Denn es waren letztendlich Praktiken, die diese In- und Exklusionen faktisch herstellten, also "wirklich" machten. Im Folgenden soll anhand des Beispieles der "District Hygiene Squads" beschrieben werden, wie über die von Team Clean bereitgestellten Strukturen eine Gemeinschaftsbildung durch die Abgrenzung zu ungewollten Verhaltensweisen stattfand, und damit zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen von Regierungstechniken umgebogen wurde.

101

[A]

DIE COMMUNITY EINBEZIEHEN: DISTRICT HYGIENE SQUADS Die im Verlauf des Jahres 2003 gegründeten District Hygiene Squads (DHS) wurden auf Initiative der Regierung ins Leben gerufen.[90] Rund 4.000 freiwillige Mitglieder wurden aus der lokalen Verwaltung und Communityorganisationen rekrutiert.[91] Ihre Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, die von der Regierung definierten blackspots zu fotografieren und den Fortschritt bei der Reinigung zu dokumentieren. Diese Fotos wurden auf der gleichzeitig herausgegebenen Team-Clean-Internetseite des Food und Environmental Health Departments (FEHD) neben einer Liste mit den genauen Adressen vieler blackspots veröffentlicht. Sie dienten im Verlauf der Reinigungsaktionen als Beweis für eine erfolgreich durchgeführte Aktion. Mit einem einfachen Vorher-Nachher-Schema wurden die blackspot-Bilder nach Ort und Hygieneproblem aufgelistet. Die meisten Fotos auf der Webseite zeigten die von der Regierung im Team Clean Report genannten Hygieneprobleme – schmutzige Hintergassen, Sperrmüll, illegal angebrachte Rohre und Leitungen, die Ausweitung von Geschäftsflächen und Spülküchen auf Hintergassen und illegale Straßenrestaurants. Betrachtet man die genaue Einbettung der Bilder auf der Webseite im Rahmen der nüchternen Aufzählung, etwa in Kombination mit dem Begriff "ausgelöscht" (eradicated), so wird deutlich, dass diese Orte Elemente des Städtischen kennzeichnen, deren ausdrückliche "Auslöschung" von der Regierung gewünscht wird. Diese Fotos thematisierten jedoch nicht, dass viele blackspots mit der Kamera festgehaltene Ausschnitte aus dem alltäglichen Leben der Verursacher waren. So erschienen die Besucher und Betreiber illegaler Straßenrestaurants, die einen wichtigen Teil der informellen Ökonomie vieler Stadtteile ausmachten und Personen, die auf der Straße ihr Geschirr spül-

[B]

[C]

[Abb.] District Hygiene Squads bei der Arbeit

[90] "Squad" wird mit "Kader", "Gruppe", "Truppe" oder "Riege" übersetzt. [91] District Councils, District Clean Hong Kong Kommitees,Area Committees, NGOs (TC1R: 35)

102

[92] Die Ablehnung informeller Ökonomie findet auch vor dem Hintergrund der kulturellen Distinktionspraktiken der Hong Konger Gesellschaft statt.Turner machte deutlich, daß die Partizipation am städtischen Konsum ein wichtiger Teil der Hong Konger Identität ist, die diese gegenüber den bislang weniger vom Konsum geprägten chinesischen Festlandbewohnern abgrenzt (Turner 1995).Technologischer Fortschritt und materieller Wohlstand sind für viele der als arme Einwanderer nach Hong Kong gekommenen Familien nicht nur ein Selbstzweck, sondern repräsentieren auch die "Erfolge" einer durch Brüche gekennzeichneten Migrationsgeschichte vom Land in die Stadt (Vgl. auch Ma 2001, Matthews 2001). Dagegen stellt die informelle Ökonomie die verdrängte Geschichte vieler Familien dar, indem sie eine Ära repräsentiert, die von zahlreichen Schwierigkeiten geprägt war. Ma machte deutlich, dass die Hong Kong Chinesen gegenüber dem chinesischen Festland ein Überlegenheitsgefühl verspürten, dass sich wesentlich über einen urbanen und konsumistischen Lebensstil von den "Bauern" Kantons abgrenze. Anekdotische Erlebnisse weisen darauf hin, dass viele Hong Konger während der SARS-Krise eine starke Ablehnung gegenüber der chinesischen Regierung und den "Chinesen" in Hong Kong verspürten. Ein (ethnisch chinesischer) Teenager formulierte es mir gegenüber so: "I hate the Chinese! They brought us SARS and they are dirty." SARS machte diese Bruchlinie zwischen Hong Kong und dem chinesischen Festland am Thema der Hygiene sichtbar. Für viele international kulturalisierten Hong Konger stellten die blackspots tatsächlich kein Politikum dar, sondern eine Möglichkeit, durch Abgrenzung die eigene Identität zu stärken. [93] "Über das Konzept der mimetischen Identifikation wird Verleiblichung bzw. körperliche Einschreibung als ein performativer Akt erkennbar. Das heißt, in der mimetischen Identifikation wird nicht auf der Ebene des Körpers eine vorgegebene Wirklichkeit nachgeahmt, es wird eine neue Wirklichkeit hergestellt. Die "[...] Images können nur deshalb lebensweltlich ihre Wirksamkeit erfahren, weil sie [...] mimetisch nachvollzogen und in einem performativen Akt der Neukonstruktion lebensweltlich umgedeutet werden (Klein 2003: 197).

DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

ten, in einer Aufreihung mit Sperrmüll, Abwässern und Dreck. Durch die Gleichsetzung dieser Bilder mit Fotografien anderer Verschmutzungen wurden gemäß des Kriminalisierungsdiskurses Team Cleans die Personen entindividualisiert, die Verursacher dieser Orte waren. Die Botschaft war deutlich: Solche Lebensformen sind – wie die Orte, die sie produzieren – rückständig und dreckig. Damit wurden "hygienische Übel" wie Straßenmärkte, illegale Geschäftserweiterungen – auch angesichts des Hygienediskurses, der sich auf das chinesische Festland bezog – mit den Assoziationen von Rückständigkeit in Entwicklungsländern aufgeladen; einem Motiv, das auch in der von sozialen Spaltungen durchzogenen Gesellschaft Hong Kongs eine gewisse Rolle spielt.[92] Neben den durch diese Bilder gestützten Negativ-Repräsentationen spiegelt sich der oben angesprochene Diskurs der Verantwortungslosigkeit und die Konnotation von "Schuld" auch in den verwendeten Begriffen blackspots, zero tolerance, eradicated oder Demerit Point System wieder. Derartige Begrifflichkeiten zielen nicht nur auf eine Klassifikation ab, sondern beinhalten eine Wertung, die den Diskurs von positiv belegter Verantwortung und negativ konnotierter "Achtlosigkeit, Egoismus und Verantwortungslosigkeit" unterstützen. NEUE REPRESSIONSORGANE Das Beispiel der District Hygiene Squads zeigt dabei auf, wie ehemals in den Stadtteil eingebettete Verwaltungskräfte nun innerhalb eines von der Regierung bereitgestellten Rahmens agierten. Indem die Regierung die an den DHS teilnehmenden Bewohner des Stadtteils selbst als Fotografen einspannte, nahmen diese den Blick der Regierung an und machten ihn zu ihrem eigenen. So arbeiteten die District Hygiene Squads also als verlängerter Arm der Regierung direkt an der Stigmatisierung und Exklusion bestimmter Verhaltensweisen mit, die zum Alltag vieler Hong Konger gehörten. Die Freiwilligen der DHS verwirklichten diese neuen Wertmaßstäbe im Alltag der Menschen: Wie die omnipräsenten Reinigungskräfte stellten sie eine weitere Gruppe dar, die über ihre körperliche Präsenz in den Stadtteilen Prozesse in Gang setzen half, die Gabriele Klein als "mimetische Identifikation" bezeichnet.[93] Damit gemeint sind Handlungsakte, die nicht nur das in Bildern und sozialer Interaktion gelernte Verhalten Anderer nachahmen und in dieser Nachahmung das Handlungsrepertoire des subjektiven Körpers erweitern – sondern zugleich auch in einem Akt der Neukonstruktion aktualisieren und manifestieren, was in diesem Verhalten an sozial und kulturell vorstrukturierten Interaktionsmustern beinhaltet ist. Als materiell wirksame, sinnlich wahrnehmbare "Bewegungen" des

DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY

103

[A]

[B]

[C]

[Abb.] Die Abbildungen zeigen von Team Clean definierte blackspots vor und nach den sogenannten "Blitzoperationen" Team Cleans. Diese Aufräumaktionen beinhalteten spontante und verdeckte Besuche von Angestellten des FEHD in Zusammenarbeit mit der Polizei und privaten Sicherheitskräften. [D]

[A] Hawkerstände auf einer Fußgängerbrükke [B] Ausweitungen eines wetmarkets auf eine öffentliche Durchgangsstraße [C] Illegales Restaurant in einem PHE [D] Nutzung einer Hintergasse durch ein privates Restaurant

[E]

[E] Verschmutzte Hintergasse mit illegal installierten Wasserboilern,Ablüftungsanlagen und Markise

104

DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

List of Phase II Hygiene Blackspots As at 30 April 2004, 46 Phase II Hygiene Blackspots have been eradicated. District

Central and Western

[Abb.] Ausschnitt aus der Webseite des FEHD.

[94] "Über das Konzept der mimetischen Identifikation wird Verleiblichung bzw. körperliche Einschreibung als ein performativer Akt erkennbar. Das heißt, in der mimetischen Identifikation wird nicht auf der Ebene des Körpers eine vorgegebene Wirklichkeit nachgeahmt, es wird eine neue Wirklichkeit hergestellt." Die "[… ] Images können nur deshalb lebensweltlich ihre Wirksamkeit erfahren, weil sie von den [Hong Kongerinnen] mimetisch nachvollzogen und in einem performativen Akt der Neukonstruktion lebensweltlich umgedeutet werden." (Klein 2004: 146) [95] Diese Tendenz verdeutlichte sich zusätzlich in den Überlegungen der Hong Konger Regierung, das Prinzip "Name and Shame" - also die öffentliche Denunziation von Hygienesündern in Zeitungen oder durch Aushänge - als begleitende Maßnahme einzuführen. Solche Maßnahmen hätten ihre Effizienz aus der Tatsache bezogen, dass die Aufrechterhaltung des "Gesichts" - eine Umschreibung für das soziale Ansehen - in der chinesischen Kultur eine wichtige Rolle spielt. Überlegungen wie diese machten deutlich, dass die Regierung gezielt die in der urbanen Gesellschaft Hong Kongs tief verwurzelten Systeme sozialer Anerkennung und Normierungen einbeziehen wollte. [96] S. zu diesem Thema auch Ilcan/Basok 2004 [97] S. zum Konzept der "Mikrophysik der Macht" den gleichnamigen Titel von Michel Foucault (1976)

Location 1. 2. 3.

Rear lane of 4-12 South Lane Upper Lascar Row Rear lane of 1-25 South Lane

4.

Rear lane of Hing Yip Mansion on First Street

5.

David Lane

Körpers sind Handlungen immer auch "Äußerungsformen sozialer Strukturen". Indem die DHS auf den Straßen Hong Kongs nach blackspots suchten, aktualisierten sie das soziale Ordnungssystem der Regierung. Als handelnde, sozial interagierende Menschen stellten sie die Materie dar, mit der sich die Wirksamkeit politischer Regeln und sozialer Normen im alltäglichen Handlungsrahmen der Menschen manifestierte. Mit jedem Foto, das die DHS machten, wurde die Aufstellung neuer Normen wirksam.Vorstellbar ist darüber hinaus, dass es während dieser Tätigkeit auch zu Interaktionen mit der Bevölkerung kam. Die Aufstellung der District Hygiene Squads war damit nicht nur eine Mittel zur Kontrolle des individuellen Subjektes, sondern auch von sozialer Relevanz. Ihre Mitglieder dienten einerseits als "Vorbilder" für mimetische Identifikationen, und trugen andererseits als Handelnde die "Mikrophysik der Macht" in den Alltag hinein, wo sie wesentlicher Bestandteil intersubjektiver Machtprozesse wurden.[94] Über die mediale Dokumentation der Handlungen wurden diese Handlungen über den unmittelbaren Ort hinaus kommuniziert und damit Abstrahlungseffekte auf die ganze Stadt ausgeübt. Die Kriminalisierung einer Minderheit wurde für Abschreckungs- und Abgrenzungsprozesse genutzt, die das "freiwillige" Verhalten einer Mehrheit beeinflussen sollten.[95] Community- Partizipation wurde so faktisch zu einem Instrument politischer Normierung und Kontrolle.[96] Bestehende soziale Differenzen wurden so weiter verstärkt – denn erst Differenzierungen ermöglichen es, unterschiedliche Gruppen in Machtbeziehungen zueinander zu setzen und sie gemäß der jeweiligen Sicherheitslogik als "Scharniere" der Macht auszunutzen. Die "Mikrophysik der Macht", die sich von einem Akteur auf den anderen fortsetzt, wird also auch durch die mittels Risikotechnologien eingeleiteten Subjektivierungsvorgänge ermöglicht.[97] Das "Empowerment" der local leaders – der lokalen Verwaltungsbeamten, NRO-Leiter und der Angestellten von Community-Zentren – weitete

DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY

nicht nur deren Kompetenzen aus und stellte zusätzliche Ressourcen für die Durchführung und Stimulation von Hygienemaßnahmen bereit. Sie vereinnahmte auch die sozialen Netzwerke und das im Alltag der lokalen Stadtteilarbeit erworbene Vertrauen und soziale Kapital.[98] Die Dezentralisierungsstrategie und der Diskurs von "Empowerment" täuschen dabei darüber hinweg, dass die lokale Verwaltung letztendlich einen hierarchischen Regierungsprozess durchführen und überwachen sollte, an dessen Spitze nach wie vor die Regierung und die von ihr angestellten Experten standen. "Community" erscheint nach diesen Differenzierungen als ein instrumentelles Konzept, das die Regierungsarbeit effizienter und ökonomischer machen sollte und gleichzeitig die Verantwortlichkeiten der zentralen Regierungsspitze schmälerte. Die District Officers, die zuvor eventuell als Sprachrohr vernachlässigter, marginaler und exkludierter Gruppen dienten (also als Bottom-Up-Scharniere), wurden nun die Scharniere einer Top-Down-Politik.

105

[A]

[B]

DISZIPLINIERUNG ÜBER RAUM: DAS MARKING SCHEME Zu Beginn von Phase 2 im August 2003 erschien die zweite Studie Team Cleans, die mit einem Rückblick auf die bisher erreichten Veränderungen und Maßnahmen begann. Anhand von Modellprojekten hatten die Behörden ein verbessertes System für die drängendsten Hygieneprobleme erarbeitet: Neben einer genaueren Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Departments, einer Verbesserung institutioneller Mechanismen wie legislativer Bestimmungen und der Neueinführung von Regulationen und Vereinbarungen bauten die Team Clean Mitglieder auf dem bereits in Phase 1 durchgeführten blackspotting auf. Auf der Ebene von "Home Hygiene" standen hier die Public Housing Estates im Zentrum; im Communitybereich besonders Orte illegaler Handelsaktivitäten wie Straßenstände sowie die oftmals unsauberen wetmarkets. Besonders in den älteren Housing Estates sei die hygienische Situation häufig katastrophal und genüge nicht mehr den "Standards der ersten Welt" (first-world standards). Ansammlungen von Müll auf Klimaanlagen und Markisen, Sperrmüll in Gemeinschaftsräumen sowie illegale Straßenrestaurants und Händler seien dabei die Hauptprobleme. Ausgehend von dieser Problematisierung lautete das Ziel: "[...] clean up hygiene blackspots, establish a New Cleansing Culture among residents, enhance refuse collection, provide drainage checks and stamp out illegal cooked food hawking in PHEs."[99]

[Abb.] Gemeinsame Putzaktionen mit Freiwilligen stellten eine wichtige Massnahme bei der Widerherstellung von kollektiver Sicherheit dar. Die oben abgebildeten Aktionen fanden in Public Housing Estates statt. [98] Dies wirft auch die Frage auf, ob diese Verwaltungsebene der Öffentlichkeit gegenüber eher als "Herrscher" oder "Diener" gegenübertritt. [99] TCR: 71

106

DIE REGIERUNG DER SARS-KRISE AM BEISPIEL HYGIENE

Verstöße mit vorhergehender Verwarnung

Punkte

1.

Trocknen von Kleidung in öffentlichen Bereichen (ausgenommen autorisierte Bereiche)

3

2.

Benutzung von Wäschestangen für die Trocknung von Boden-Wischtüchern

3

3.

Verursachung tropfender Blumentöpfe oder Wäsche auf Balkonen

3

4.

Tropfendes Öl von Abluftventilatoren

3

5.

Das Ansammeln einer großen Menge Müll oder Unrat in gemieteten Gebäuden, die

5

Gestank verursachen und eine hygienische Belästigung darstellen 6.

Blockieren von Korridoren und Treppenhäusern mit Gegenständen, die

5

Reinigungsarbeiten behindern 7.

Begünstigung von Moskitoplagen durch die Ansammlung von stehendem Wasser

5

8.

Behinderung und Verweigerung von Reparaturarbeiten durch HD Angestellte oder die von

7

HD beauftragten Handwerkern 9.

Verweigerung einer Reparatur von undichten Rohren oder sanitären Anlagen, die in der

7

Verantwortung des Mieters liegen 10. Beschädigung von Rohren, die in weiter unten liegende Wohnungen führen

7

[A] Verstöße mit sofortiger Punktevergabe 1. 2. 3.

Verursachen von Müll (littering) Achtlose Entsorgung von Haushaltsmüll, etwa in Liftlobbies oder in Mülleimern ohne Deckel Halten von Tieren, Vögeln oder Vieh innerhalb gemieteter Gebäudeflächen ohne Erlaubnis

Punkte 5 5 5

des Eigentümers 4.

Zulassung von Tierkot

5

5.

Verbrennen von Wachs in öffentlichen Bereichen

5

6.

Das Herunterwerfen von Gegenständen

7

7.

Spucken in öffentlichen Bereichen

7

8.

Urinieren und Defäzieren in öffentlichen Bereichen

7

9.

Unsachgemäße Entsorgung von Dekorationsresten an Müllsammelstellen, Gebäuden oder

7

in anderen öffentlichen Bereichen 10. Nutzung von gemieteten Flächen als Lebensmittelfabrik oder Warenlager

7

[B]

[A] und [B] Tabellen der Housing Authority über Verstöße innerhalb des Marking Scheme. (http://www.housingauthority.gov.hk/en/ residential/prh/tenancymatters/markingscheme/0,,,00.html#6947) [100] "Demerit" ist kein sachlicher Begriff, sondern beinhaltet eine moralische Wertung: "Schuldhaftigkeit", "Unwürdigkeit", "Mangel", "Fehler", "schlechte Seite". [101] http://www.housingauthority.gov.hk/ en/residential/prh/tenancymatters/markingscheme/0,,,00.html#6947

Das "Marking Scheme" – auch Demerit Point System – trat am ersten August in Kraft.[100] Es sah vor, dass für unterschiedliche Hygienesünden Punkte vergeben sollten. Zwanzig Verstöße wurden definiert, von denen zehn minderschwere Verstöße waren, also zuerst einmal verbal und einmal schriftlich verwarnt werden würden, bevor es zu Strafpunkten kommen würde. Diese Praktiken bezogen sich besonders auf indirekte Gefährdungen des Hygienestandards, die etwa die Ansiedelung von Ungeziefer und Insekten begünstigten, direkt oder indirekt Säuberungsarbeiten behinderten.[101] Darüber hinaus definierte Team Clean eine weitere Liste, bei der die Punkte direkt, also ohne Vorwarnung zugeteilt werden sollten. Jeder Punkt führt seitdem sofort dazu, dass innerhalb der Gültigkeitsperiode von 2 Jahren ein interner Transfer innerhalb des Public Housing Systems in eine

DIE REGIERUNG ÜBER DIE STÄDTISCHE COMMUNITY

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größere, bessere Wohnung gesperrt wird. Ein Haushalt darf innerhalb von 2 Jahren insgesamt 16 Punkte sammeln. Danach verliert er seine Aufenthaltsberechtigung im Public Housing Estate. Da es außer den berüchtigten "Käfighäusern" (cagehouses) und "Kartonzimmern" kaum günstigeren Wohnraum gibt, bedeutet diese Strafe, dass die Regierung in Kauf nimmt, dass durch den Verweis Menschen obdachlos werden können.[102] Für diesen Fall wurden spezielle Notunterkünfte in den New Territories eingerichtet. Da über die Hälfte der Hong Konger in den Public Housing Estates leben, konnte über Verordnungen, die diese von der Regierung betriebenen Wohnräume betrafen, ein Großteil der Bevölkerung, den die Regierung als risikoreich definiert hatte, erreicht werden. Damit wurden die Lebensräume der Bewohner faktisch zu Disziplinierungsmilieus gemacht – denn da es keine Alternative zu den PHEs gibt, sind die PHE-Bewohner an den Raum gebunden, den sie bewohnen. Gleichzeitig definierte diese Maßnahme auch die Familie als wesentliches Scharnier der Regierung: So sollte die ganze Familie belastet werden, wenn nur ein Familienmitglied mehrfach gegen die Regeln verstieß. Dieser Effekt, der von vielen als unfair empfunden wurde, war jedoch ausdrücklich gewollt, transformierte dieses Gesetz die Familie und den Wohnraum doch in einen unmittelbar im Alltag wirksamen Kontrollraum, indem sich die Familienmitglieder untereinander kontrollierten, wie sie es auch bereits bei der Nutzung von Masken getan hatten: "A tenancy requirement between the Housing Authority and the tenants requires every resident to abide by the rules. And any family member has the responsibility to remind others not to breach any rules.[…] Family pressure on offenders would improve hygiene."[103]

Die Maßnahmen von Team Clean, so ein Sprecher des FEHD, seien zwar drastisch, aber notwendig, um das angeschlagene internationale Image Hong Kongs wieder aufzubauen.[104] Tatsächlich war die Maßnahme effektiv: Innerhalb der Implementationsperiode wurden bis November 2005 mehr 2.500 Bewohner mit Punkten verwarnt. Nur zwei Bewohner mußten bislang ausziehen.[105] [102] S. zu den Cagehouses Muramatsu (1997: 28) [103] Professor Yeung Yue-man in Chan Siusin, SCMP 18.6.2003: N4 [104] Patsy Moy, Klaudia Lee, Sunday Morning Post, 10.8.2003 [105] Presseerklärung der Housing Authority, zuletzt 12.11.2006 http://www.housingauthority.gov.hk/en/aboutus/news/pressreleases/0,,2-0-13592,00.html

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Das letzte Kapitel widmet sich der Diskussion der Team-Clean-Politik und schlägt den Bogen zum Anfangskapitel. Dabei geht es nicht um eine Kritik an der Anhebung des allgemeinen Hygienestandards in Hong Kong. Es ist unzweifelhaft, dass von gestiegener Hygiene letztendlich alle Beteiligten profitieren können.Vielmehr möchte ich die Frage stellen, inwiefern die Politik Team Cleans tatsächlich auf die Anhebung städtischer Sicherheit abzielt, und welche Teile des Regierungsprogramms eigentlich andere Regierungsziele verfolgen. Im Zentrum der Analyse steht dabei die Frage, in welcher Gewichtung der ursprüngliche Sicherheitsanspruch der SARS-Krise, dem "Schutz vor ansteckenden Krankheiten", gegenüber den anderen Gouvernementalitäten der SARS-Regierung, insbesondere der internationalen Standortpolitik steht. Damit sind weitere Fragen verbunden. Erstens möchte ich die Verhältnismäßigkeit der angewandten Machttechnologien mit den Zielen der Institution Team Clean diskutieren. Hierunter fallen Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit der angewendeten Maßnahmen. Hierfür soll die verwendete Rhetorik von "Community", "Civic Pride" und "Verantwortung" mit den tatsächlichen Regierungsmaßnahmen von Disziplinierung und Exklusion konfrontiert werden. Die Argumentation bezieht sich vor allem auf die eingesetzten Machttechnologie des blackspotting und der darauf aufbauenden Instrumente "Marking Scheme" und "Demerit Point System". Hieraus ergibt sich zweitens eine Dekonstruktion der dominanten Rhetorik der "Community" Team Cleans, und damit drittens die Möglichkeit, das Regierungsverhalten unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Team Clean legitimierte die weit reichenden Eingriffe in den Alltag der Hong Konger mit dem drohenden Risiko einer Wiederkehr von SARS und damit einer möglichen Pandemie. Der spezifische SARS-Ausbruch in Hong Kong ist jedoch nicht mit der befürchteten, global um sich greifenden Pandemie deckungsgleich, auf die Epidemiologen seit Jahrzehnten warten.Vielmehr zeigte die Ausbreitung von SARS innerhalb der Hong Konger Community, wie im ersten Teil geschildert wurde, spezifische und damit wahrscheinlich nicht wiederholbare Merkmale auf. Konträr zu den Repräsentationen von Risikozonen in der Öffentlichkeit ließen sich die meisten Ansteckungen nicht auf mangelnde hygienische Bedingungen im privaten Wohnraum zurückführen. Das wesentliche Cluster, das direkt auf ein Wohngebäude zurückging, befand sich in Amoy Gardens. Der Untersuchungsreport des "Environmental Teams" der WHO [1] wurde am 19. Mai 2003 veröffentlicht. Ein Ergebnis war, dass die räumlichen Faktoren nicht vorrangig durch unhygienische Bedingungen geprägt waren, sondern durch eine Mixtur aus einzigartigen Faktoren, die in einem Häu-

* "Behind the mask" war der Titel einer Kolumne der SCMP, in der Hong Konger Bürger ihre Sicht der SARS-Krise beschrieben. Die Hygienepolitik Team Cleans soll hier durch die Einbettung in den historischen Kontext der Stadt "demaskiert" werden. [1] WHO Presseerklärung vom 19. Mai 2005, vgl. auch www.who.org/sars

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[2] Eine andere These bestand darin, die Ursache der übereinander liegenden infizierten Wohnungen mit unsachgemäßen Lüftersystemen zu erklären. Da Lüftungsanlagen in den Minimalstandards für Badezimmer nicht vorgesehen waren, ließen sich viele der infizierten Haushalte in Eigenregie Badezimmerventilatoren einbauen. Da diese Lüfter oftmals für größere Räume als die winzigen Badezimmer konzipiert waren, saugten diese dann u.U. feine Tröpfchen des Toiletteninhaltes nach draußen in den Lüftungsschaft. Durch den dort herrschenden Aufwind konnte das Virus sich über Tröpfcheninfektion in andere Badezimmer verbreiten (WHO Pressekonferenz).

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serblock zu so vielen Ansteckungen führten. Zu den so genannten "environmental factors" gehörten ein defektes Sanitätsrohr, unsachgemäße Ventilatoren und ausgetrocknete Abflussrohre in den Badezimmern, die übereinander liegende Wohnungen im Wohnblock E miteinander verbanden. Die WHO stellte fest, dass die "unglückliche Verkettung von umweltbedingten Faktoren und Erkrankungssymptomen" mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Einzelfall bleiben würde.Auch genüge das Gebäude "internationalen Standards".[2] Damit lagen die Erkrankungen in diesem Block jenseits der Sphären persönlicher Verantwortung. Ngau Tau Kok Lower Estate, der gegenüber von Amoy Gardens gelegene Public Housing Estate, wies ebenfalls eine erhöhte Anzahl von Fällen auf. Trotz des dort herrschenden schlechten Hygienestandards können diese Fälle nicht eindeutig auf die Hygienebedingungen im Wohnblock zurückgeführt werden.Vielmehr flüchteten viele Bewohner Amoy Gardens bereits zu Beginn des Ausbruchs zu ihren dort lebenden Eltern, um der Krankheit zu entkommen, und verbreiteten sie dadurch weiter. In den beengten Wohnungen von etwa 16qm Größe bestanden aufgrund der Nähe die idealen Bedingungen für gegenseitige Ansteckungen. Sowohl die Ansteckungen in Amoy Gardens wie in Lower Ngau Tau Kok Estate können somit als direkte Folge der Regierungspolitik verstanden werden, die in den entscheidenden Tagen aufgrund des Erhalts "öffentlicher Ruhe" nicht schnell genug Quarantänemaßnahmen einführte und überwachte, die Bevölkerung nicht rechtzeitig über die Gefahren ihres Verhaltens informierte bzw. den Betroffenen vermittelte, dass sie in der Quarantäne keiner Gefahr ausgesetzt sein würden. Sie können auch auf Fehler im Gesundheitssystem zurückgeführt werden, denn die meisten Übertragungen innerhalb der zivilen Bevölkerung betrafen zu Beginn die Familienmitglieder des Krankenhauspersonals, die sich in der Enge ihrer kleinen Wohnungen gegenseitig ansteckten. Die Stilisierung der Gebäude Amoy Gardens und Ngau Tau Kok als Ursache für die Lokalisierungsbemühungen der Regierung griff den Diskurs von sosick.org und den Medien auf und bediente daher die Ängste, die diese Orte in der Bevölkerung auslösten. Dagegen argumentierte eine Leserin der SCMP, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Ansteckungsgefahr von SARS und unhygienischen Räumen gebe: "Most SARS cases were contracted in hospitals, in a hotel, through direct contact between family members and in private homes (because of poorly designed sewerage systems).Those are not dirty places. […] SARS, however, has given the government a chance to ralley people in a way it has not done in the past six years. […] The decisions to impose stiff penalties on those who litter, spit and keep

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dogs in public housing have amounted to parental scolding, telling sections of the community: you are bad people, look at how dirty this place is. It is all your fault that we have SARS. "[…] dirty backalleys in Mongkok and other places cannot in any way be blamed for contributing to SARS. And to point the finger at people who live in crowded government housing is reprehensible and divisive. […] The government, through an unrealistic and heavy-handed approach, is unnecessarily dividing the community." [3]

Als Donald Tsang Yam-kuen, der leitende Vorsitzende von Team Clean verkündete, dass "dürftige Gebäudeinstandhaltung und unbefriedigende persönliche Gewohnheiten" den "Ursprung" der Krankheit SARS darstellten, stellte diese Behauptung eine Verzerrung der tatsächlichen Vorkommnisse und ein Verschweigen der Regierungsfehler dar. Sie widersprach auch der eigenen Politik, die mit der Ablehnung einer Verortung des Virus in der Community noch zwei Monate zuvor bestanden hatte. Für die Herausbildung einer "gouvernementalen" städtischen Identität, die mit neuen Normen des Fortschrittes und der Sicherheit verknüpft ist, sind verortende Prozesse jedoch hilfreich, entsprechen sie doch dem anthropologischen Bedürfnis des Menschen nach Verräumlichung. Indem die Regierung in die Vorstellungen von Stadt eingriff, mit denen sich Menschen innerhalb dieser verorten, konnte sie den gebrochenen Sicherheitsvertrag mit der Bevölkerung auf eine einfache und im alltäglichen Lebensraum direkt beobachtbare Weise erneuern. Sie setzte so einen Rahmen, innerhalb dessen Menschen nicht nur neu bestimmten, wer oder was sie zu sein glaubten - sondern lenkte damit auch das freie Verhalten der Stadtbewohner subtil um.[4] DAS ENDE DER INFORMELLEN STADT Nun stellt das Ziel, die Hygiene flächendeckend zu verbessern, an sich kein kritikwürdiges Ziel dar. Im Gegenteil ist es für alle Beteiligten unter gesundheitlichen wie ästhetischen Gründen von Vorteil, in einer hygienischeren Umwelt zu leben. Doch selbst wenn man die Herkunft diese Politikziels unabhängig von SARS betrachtet, bieten sich einige Kritikpunkte an der Implementation der Team Clean Politik. Insbesondere lässt sich der Diskurs "individueller" Verantwortung kritisieren. Hier zeigt eine genaue Betrachtung, dass es zwischen den von Team Clean als "unverantwortlich" definierten Gruppen Gemeinsamkeiten gibt. Entgegen der Differenzierungspraxis Team Cleans, die suggerierte, dass es sich bei den Hygieneverstößen in wetmarkets, PHEs, Hintergassen und dem Raum der Straße um einzelne, unabhängig voneinander auftretende Phänomene

[3] J. Joustra, "Why the hygiene crackdown is divisive". Leserbrief, SCMP vom 3.6. 2003 [4] Vgl. Rajchman 2000: 50

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handelt, stellen die meisten blackspots informelle Aneignungen des öffentlichen bzw. privaten Raumes dar; diese alltagskulturellen Praktiken ergeben sich aus der Anpassung an einen spezifischen Lebensraum, der in vielerlei Hinsicht als typisch für eine bestimmte Stadtentwicklungsphase Hong Kongs gelten kann. HONG KONGS SPEZIFISCHE URBANITÄT [A] Dachausbauten und Squattersiedlungen beherbergen in den 50er Jahren Flüchtlinge aus China.

[B ] Grundriß einer Wohnung der Housing Authority aus den 50er Jahren.

Die Urbanität Hong Kongs hat sich unter spezifischen politischen und ökonomischen Bedingungen entwickelt. Noch vor fünfzig Jahren war Hong Kong eine Einwandererstadt. Die Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 sowie die darauf folgenden politischen Wirrungen in dem neuen kommunistischen Regime führten zu großen Flüchtlingswellen aus allen Regionen Chinas. So wuchs beispielsweise die Bevölkerung zwischen 1940 und 1949, dem Jahr der Gründung der Roten Armee, von 1,9 Mio. auf 3 Mio. Menschen an.[5] Um all diese Menschen zu beherbergen, wurden in weiten Teilen der Stadt Squatter-Siedlungen errichtet, in denen sich Menschen ohne Baugenehmigungen mit provisorischen Mitteln eine Unterkunft bauten. Die Regierung griff im Rahmen einer "Politik der Toleranz" nicht ein. Bis in die 60er Jahre waren eine Million Menschen offiziell obdachlos. Sie wohnten in temporären Strukturen, auf Veranden, illegale Anbauten auf Dächern (tintoi-uk) und an Fassaden, in Garagen und Treppenhäusern, auf Booten, auf der Straße, in Kellern und in Höhlen.[6] Bestehende Wohnungen wurden häufig mit Wänden unterteilt, um zusätzliche Einheiten zu schaffen. Die durchschnittliche Belegung einer Wohneinheit betrug damals 21,4 Personen [7]: "It was a slum situation of extreme poverty. Slums […] existed inside the buidings. Building spaces were compartmentalized and rented out. Boarded spaces functio-

[5] Biswas 1997: 1981

ning as houses densely occupied the spaces.These were "cage houses" comprised

[6]Tintoi-uk werden die informellen Siedlungen auf den Dächern der Hochhäuser genannt, wobei tintoi im Kantonesischen "Dach" bedeutet.

of many stacks of beds. Poverty and slum situations were tenaciously striving in the

[7] Biswas 1997: 1981 [8] Muratsu 1996: 169 [9] "Squatters are not resettled simply because they need or deserve hygienic and fireproof homes; they are resettled because the community can no longer afford to carry the risk of fire risk, health risk, and threat to public order and prestige which the squatters represent." (Zit. in DrakakisSmith 1979: 44)

narrow gaps within the city."[8]

Erst als sich die Squatter-Siedlungen für die koloniale Regierung zu einem Problem entwickelten – Feuer, Krankheiten und Kriminalität in diesen schwer zu beaufsichtigenden Vierteln verursachten Kosten, die auf Dauer zu teuer für die Regierung waren – griff die Regierung erstmalig mit einem groß angelegten öffentlichen Wohnungsprogramm ein.[9] Anlass war ein großes Feuer in der Squatter-Siedlung Shek Kip Mei im Jahr 1953, bei dem über 50.000 Menschen obdachlos wurden. Angesichts der damaligen Dringlichkeit, neuen Wohnraum für eine große Menge an Men-

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schen zu schaffen, erscheint die bewusste Entscheidung der Regierung verständlich, die Wohnungen unter dem damaligen Minimalstandard der UN zu bauen.[10] Häuser wurden nach streng ökonomischen Kriterien gebaut, ohne sich an den tatsächlichen Lebensbedürfnissen ihrer zukünftigen Bewohner zu orientieren.[11] Die "Resettlement Housing Estates" sahen pro Bewohner eine Wohnfläche von 2,2 qm vor – eine 11,1 qm große Wohnung war also für eine Familie mit 5 Personen gedacht. Die einzige Funktion einer Wohnung war es, einen Schlafplatz und einen Abstellplatz für persönliche Besitztümer zu bieten. Alle anderen Funktionen des Wohnens waren aus der Wohnung ausgelagert.[12] Die Bewohner mussten ihre Mahlzeiten in den Fluren kochen und öffentliche Waschräume und Toiletten mit anderen Parteien teilen. Die Infrastruktur für Grundbedürfnisse war mangelhaft. In frühen Estates war die Wasserversorgung auf drei Stunden am Tag beschränkt, so dass die Anwohner mit Eimern an den Leitungen anstanden. Elektrizität war nicht vorhanden. Die Belüftung stammte aus Löchern, die in die Wände zu den Nebenwohnungen gebohrt wurden. Eine Infrastruktur für die Müllentsorgung existierte nicht, so dass sich viele Bewohner einfach damit behalfen, [Abb.] Eine Karikatur spitzt das Müllentsorgungsproblem in den frühen Public Housing Estates zu. [10] Commissioner for Resettlement 195455: 16, zit. in Smart 1992: 49 [11] Castells 1986, zit. in Siu 1998: 126 [12] Poon Kai-tik,Vorsitzender der Abteilung "Corporate and community relations" des Housing Department, zit. in Polly Hui, SCMP 2.6.2004: N4 [13] Dies wurde häufig auf einen Hong Konger Ethos zurückgeführt: eine Mischung aus Zähigkeit und Fatalismus verhindere, dass selbst angesichts kritischer Lebensbedingungen politisches Engagement stattfinde.Tatsächlich herrschte in Hong Kong lange Jahre eine in gegenseitigem Einverständnis gepflegte politische Kultur des "Unpolitischen" vor, in der die koloniale Verwaltung in Zusammenarbeit mit ökonomischen Beratern Infrastrukturen bereitstellte und die Hong Konger das Ziel des materiellen Wohlstandes verfolgten. Eine Kritik am Public Housing fand aber sehr wohl statt – und zwar in den jüngeren Generationen, die bereits in Perioden größeren Wohlstandes aufgewachsen sind und ein höheres Bildungsniveau besitzen. (Rooney 2001: 60f.) Dies verweist auf den Zusammenhang zwischen politischem Partizipationswillen und einem gewissen Lebensstandard.

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den Müll aus dem Fenster zu werfen. Nur angesichts dieses historischen Kontextes erscheint es verständlich, dass die prekäre alltägliche Lebenssituation in den damaligen Public Housing Estates akzeptiert wurde.[13] Die Bewohner dieser Estates führten jedoch selbst Verbesserungen und Reparaturen durch, die von der Installation von Klimaanlagen und Lüftern bis hin zu der Verlegung neuer Rohre und Elektrizitätsleitungen ging. Die bereits in der Wohnstruktur angelegte Überschneidung privater und

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[B] [Abb.] Fluransichten aus dem Tai Hang Tung Estate, einem typischen "Elderly Estate" [14] Mah-jong ist ein chinesisches Spiel für vier Personen. [15] Eine Studie der Chinese University in Hong Kong aus dem Jahr 1971 stellte fest, dass im Stadtteil North Point im Jahr 1971 auf 161 Leute nur ein Geschäft kam, während etwa in Central oder Sheung Wan die Ratio 1:63 lautete. (Zit. in Siu 1996: 129) [16] Dies ging einher mit der Tatsache, dass der informelle Straßenhandel für viele zugewanderte Hong Konger den Einstieg in das wirtschaftliche System Hong Kongs bot. Auch ohne große Bildung und ohne die hohen Anfangskosten eines gemieteten Standes konnten im Straßenhandel erste Existenzen aufgebaut werden. Dies hatte auch Vorteile für die Bewohner der sozial schwachen Stadtteile. Für sie waren – und sind bis heute – diese Händler eine günstige Alternative zu den teureren Einkaufsmöglichkeiten der Einkaufszentren und Supermärkten.Vgl. zu informeller Ökonomie Greiner 2003, Smart 1989

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öffentlicher Bereiche wurden durch weitere Aneignungen des Lebensraumes ergänzt. Flure,Treppenhäuser und Vorplätze wurden mit Stühlen und Tischen versehen, an denen neben Gesprächen auch die beliebten Mahjongspiele [14] stattfinden.Topfpflanzen,Wäsche und die mit Opfern von Orangen und Pomelos, Räucherstäbchen und brennenden Kerzen versehenen kleinen Schreine für die Ahnen befanden sich ebenfalls traditionell vor der Wohnungstür.Weiterhin wurden bestehende Freiräume wie Fassaden, Dächer und Teile der Flure als zusätzlicher Wohnraum genutzt. Gleiches galt für die Befriedigung kommerzieller Bedürfnisse. So waren die deklarierten Bereiche für den Verkauf von Lebensmittel- und Haushaltsbedarf angesichts der hohen Dichte in den PHEs zu knapp bemessen.[15] Die kommerziellen Bedürfnisse in den Estates wurden deshalb durch die im Stadtteil lebenden Hawker bedient. Ohne eine zentrale Koordination siedelten sich illegale Geschäfte und Straßenhändler in den offenen Bereichen zwischen den Blocks an, weiteten die ihnen zugewiesenen kommerziellen Flächen in den öffentlichen Raum aus, füllten die Abstände zwischen den Ständen und bezogen Bürgersteige,Treppenhäuser und Hauseingänge in die Verkaufsflächen ein.[16] Auch hier verschwammen die Grenzen zwischen "privat" und "öffentlich". Besonders die sich in der Nähe der eigenen Wohnung befindlichen Stände wurden mit Ventilatoren,Telefonen, Fernsehern, Stühlen und Teekochern versehen und so als Wohnraum nutzbar gemacht. Einige Stände waren mit Teppichen ausgelegt, und die Besitzer bereiteten sich kleine Mahlzeiten direkt vor Ort zu:

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"Street users like to follow their own rules and lifestyles to define and use their space, such as they like to privatise public areas; and the reverse is also true, as people turn some of the private (or quasi-private) areas, such as the older shop entrances, into public social gathering places – a public area.They make use of their space in their own methods of operation."[17]

Der beschränkte und unter Krisenbedingungen zustande gekommene Lebensraum Public Housing kann als exemplarisch für das wichtigste Charakteristikums der Urbanität Hong Kongs angesehen werden: den quasi "anarchischen" (d.h. ohne Rückbezüge auf ein Kollektiv, individuell unter Akteuren ausgehandelten) Aneignungen des Lebensraums Stadt:

[A] Hawker breiten sich in den Lücken aus.

"There is only a loose control in this city. But within this loose control, people find ways of passing through and developing. […] You might see a number of illegal façade or side-street stores.That is the essence of Hong Kong. Although there is no control over the city of Hong Kong, it adapts to different needs of people."[18]

Die oben genannten Beispiele machen deutlich, dass die Nutzung von "öffentlichem Raum" eine "normale" Praxis in Hong Kong war. Die informelle Nutzung von Straßen,Aufenthaltsbereichen sowie den an den unmittelbaren Wohnraum angrenzenden Raum wie den Luftraum vor dem Fenster oder die Flure; die Installation von UBWs, die Nutzung von Freiflächen für Wohnbedürfnisse wie Wäschetrocknen, Haustierhaltung, und als Produktionsraum für informelle ökonomische Aktivitäten sowie der Straßenverkauf von Nahrungsmitteln stellten aus Sicht der Bewohner Verbesserungen einer standardisierten und auf ökonomische Effizienz ausgerichteten Stadt- und Wohnraumplanung dar, füllten also in Eigenorganisation Lücken und Fehlplanungen und reagierten damit auf Bedürfnisse der Bewohner, die von der Regierung und dem privaten Wohnungsmarkt bislang nicht gedeckt wurden.[19] Rooney weist darauf hin, dass das durch Adaptionen und Aneignungen geprägte Verhältnis zu Lebensraum bis heute eine wichtige Grundlage städtischer Kultur bildet:

[B] Chung Yeung Street in den 1970er-Jahren.

"The density of public housing […] is much more than just a measure of space. Rather, it is a culture in itself: a culture with multiple, complex and ambiguous meanings.The one-room flats […] are important in understanding life, for they reveal

[17] Siu 1996: 138

how, even in the most basic and densely-populated housing, people in Hong Kong

[18] Interview mit Michael Chan,Architekt. (Muramatsu 1997: 70)

are able to transform a house – or rather, a one-room flat – into a home, in all the complex meanings that home entails."[20]

[19] Kwok 1996, Castells 1986 [20] Rooney 2001: 78

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[21] Einen ausführlichen Überblick über die Herausbildung einer Hong Konger "Identität" gibt Turner 1996, S. 15ff. [22] Soziologische Studien stellten noch in den 1980er-Jahren fest, dass die Loyalitäten der Hong Konger hauptsächlich der Familie, den Kollegen oder den aus dem gleichen Ort in China eingewanderten Landsmännern gehörten (Report of the Working Party on Local Adminstration, 1966: 84, zit. in Turner 1996: 23).

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Turner sieht in den kollektiven Erfahrungen der Umsiedlungen in die Public Housing Estates sogar einen wichtigen Faktor bei der Herausbildung einer "rohen" städtischen Identität.[21] Sie beinhalte auch die sozialen Auswirkungen eines harten Alltags in den knapp bemessenen Lebensräumen.[22] Dies ist auch ein Grund, warum nachbarschaftliche Communities in Hong Kong in weiten Teilen der Stadt nicht existieren.[23]

[27] Chan 2001: 60

Unabhängig von dem Urteil über die Public Housing Estates sollte jedoch festgehalten werden, dass sich informelle Praktiken nur im Rahmen einer "Politik der Toleranz" ausbreiten konnten. Sie stellt ein wesentliches Moment der Herausbildung des urbanen Systems Hong Kongs dar. Erst ab 1982 wurden Dachausbauten, an die Fassade gesetzte Käfige als Erweiterung des Wohnraums, sowie selbst errichtete Verkaufsstände illegalisiert. Gleiches galt für den Straßenhandel, der seit den 1980er Jahren mit den Argumenten von Verkehrsbehinderung, Gesundheitsschäden und visueller Störung bekämpft wird.[24] In dieser Zeit begann auch die "Politik der Stabilisierung", mit der mehr Kontrolle über diese informellen ökonomischen Aktivitäten durch die Regierung angestrebt wurde. Feststehende hawkerstreets wurden gegründet, in denen nur noch lizensierte Händler in fest zugewiesenen Zonen handeln durften. Die meisten mit Nahrungsmitteln handelnden Händler wurden in neu gebauten wetmarkets untergebracht.[25] Diese Entwicklungen standen in Zusammenhang mit der Stadtentwicklungspolitik, die ab 1988 einen "total neuen Look" (a totally new look) für die Stadt zu kreieren suchte. Dies beinhaltete auch einen Wechsel vom dem den PHEs zu Grunde liegendem Leitbild des "Lebensstandards" (standard of living) hin zu einer "Qualität des Lebens" (quality of live).[26] Parallel wurden mit steigendem Wohlstand auch die Wohnbedingungen durch die Errichtung neuer PHEs verbessert. Ein Großteil dieser neuen Siedlungen befindet sich in den so genannten "New Towns" in den New Territories, die seit den 70er Jahren das Stadtgebiet erweiterten.Während früher normalerweise sechs- bis siebenköpfige Familien in den etwa 16 m² großen Einzimmer-Appartements lebten [27], hat heute jeder PHE-Bewohner etwa sieben bis neun Quadratmeter zur Verfügung. Heute leben über 3,7 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Einwohner Hong Kongs, in geförderten Wohnungen für etwa 2,70 Euro pro Quadratmeter.[28]

[28] Privater Wohnraum wurde erst mit dem Boom des Real Estate Markts ab 1970er Jahren eine finanzierbare Realität für den oberen Mittelstand – eine Folge der "golden era" in den 70er Jahren. Seit dieser Zeit fördert die Regierung zunehmend den privaten Wohnungsbesitz. (Cheng 2001: 207ff.)

Mit der zunehmenden Privatisierung und Ausdifferenzierung des Wohnungsmarktes durch neue Entwicklungen sammeln sich seither in den älteren Stadtteilen vor allem sozial schwache Schichten. Dies wird durch das System der ehemals kolonialen Regierung bedingt, die mit der Über-

[23] "The term community often connotes stability, regularity and security; it also signifies the desire to have a sense of shared space, orderly and respectful of personal space. […] The sense of "community" has to a great extent broken down in public housing estates. Neighborhoods are paradoxical spaces where proximity does not reciprocate intimacy but at the same time the biggest irony is that when familial relationships are shattered, hence new alliances and solidarities, for example amongst gangsters, are established." (Cheung 2002: 3) [24] Smart 1992:51 [25] Siu 1996: 131 [26] Lands and Works Branch 1988: 16-17, Pun 1995: 3. Muratsu interpretiert die Stadtentwicklungspläne der späten 80er und 90er Jahre als den Eingriff der VR China in die Stadt Hong Kong. Hong Kong sei das "Gesicht Chinas": "With this "Face" secured, the government can further enhance the significance of Hong Kong as a city of international trade and financing.They are not so irrational as to leave a goose that lay golden eggs to starve.Thus, Hong Kong will proceed in a rapid urban reformation in order to survive through the high international competition as well as to become the center of Asia. […] A bright future is in the process of construction." (Muratsu 1997: 174-176) Die Vertreibung von Straßenhandel und Obdachlosen aus dem öffentlichen Raum stellt dabei, wie Wolf (2000) schreibt, ein typisches Phänomen in sich entwickelnden Gesellschaften dar. Informelle Ökonomie werde dann unterbunden, wenn dies im Interesse einer formalen Ökonomie liege.

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nahme der Gebiete einen Kapitalismus ohne privaten Bodenbesitz eingeführt hatte. Hong Kongs Land gehörte der britischen Krone, die ihre niedrigen Steuern mit einem Spitzensteuersatz von 15 % über eine kluge Bodenpolitik wieder zurückholte. Die Baulandpreise wurden stets künstlich verknappt und zu begrenzter Pacht meistbietend versteigert, weswegen sie in astronomische Höhen stiegen. Indem die Regierung die Vergaben von Pachtlizenzen in einem geheimen Verfahren versteigert und damit die Preise weiter hinauftreibt, macht sie Bauland zu einem Spekulationsobjekt. Die Einnahmen aus dieser Vorgehensweise dienen zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben. Diese Politik der hohen Landpreise (policy of high land price) wurde auch nach der Rückgabe Hong Kongs an die VR China weitergeführt. Hong Kongs Regierung besitzt also nach wie vor das Monopol auf Bauland. Bis heute stammen etwa 40% der Hong Konger Regierungseinnahmen aus Grundstückspachteinnahmen und Landtransaktionen. Inklusive aller Einnahmen aus Landverkäufen, sowie den damit verbundenen Eigentumssteuern für Immobilienbesitzer und Developer, finanzieren diese Gelder 79% aller öffentlichen Ausgaben.[29] Auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit Hong Kongs – etwa die niedrigen Steuern für ausländische Investoren, die moderne Infrastruktur samt Flughafen, Brücken, Fährsystemen und dem öffentlichen Nahverkehrssystem – und anderseits das Erziehungs-, Gesundheits- und Sozialwesen werden durch diese Politik wesentlich finanziert. Chin betont, daß diese indirekte Besteuerung nicht nur die Developer, sondern vor allen Dingen die breite Bevölkerung treffe. Diese spüre die Politik vor allen Dingen an dem durch hohe Mieten bedingten Platzmangel: "[...] Hong Kong people contributed their part by sacrificing their living condition, even though the private house owners might be benefited."[30] Damit begünstigt die Politik der hohen Landpreise auch die finanzielle Segregation von sozial schwachen Bevölkerungsgruppen. Eine Folge der hohen Bodenpreise sind weiterhin kurze Amortisationszyklen von Immobilien. Hochhäuser werden im allgemeinen für eine Lebensdauer von etwa 15 Jahren kalkuliert. Sanierungen sind für private Immobilienbesitzer dagegen nicht rentabel [31]: "Land cost constitutes much a high proportion of the total development cost that the value of the existing building is comparatively negligible […] Old properties in Hong Kong are seldom worthy of renovation, as against total replacement. [High land costs] render renovation or rehabilitation unprofitable and unacceptable in Hong Kong."[32]

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[29] Biswas 1997: 1978 [30] Vgl. Chin: Housing Problems Accompanying Urbanization (Hong Kong's Lesson). Essay der Centaline Property Agency Limited HKSAR. www.housingauthority.gov.hk/ hdw/ihc/pdf/cswcs.pdf [31] Die sogenannten "Developer" zählen zu den mächtigsten ökonomischen Akteuren Hong Kongs. Der prominente Tycoon und Immobiliendeveloper Li Ka-shing ist nicht nur einer der reichsten Hong Konger, sondern wurde gar zum Role Model für die "Hong Konger Legende von Erfolg". Diese Legende besagt, dass man Ruhm und Reichtum gewinnen könne, wenn man erfolgreich mit Immobilien spekuliere. (Cheng 2001: 208) Die zurückhaltende Politik gegenüber Auflagen beim Bau neuer Entwicklungen geht wesentlich auf den Lobbyismus dieser einflußreichen Akteure zurück: "Building codes and space recommendations were minimally enforced since, it was argued by the landlords, this would push the cost of the building and could be redeemed only through higher rental costs, which in turn would create further crowding in the tenenements." (Rooney 2001: 54) [32] K.S. Pun, Direktor des Urban Planning Department. "Urban redevelopment in Hong Kong". Arbeitspapier aus dem Seminar "Urban Regeneration" der University of Liverpool, 1984, zit. in Siu 1997: 124 [33] Die Hong Konger Wohnraumpolitik wird seit Mitte der 1980er Jahre von dem Bestreben der Hong Konger Regierung motiviert, mehr Menschen den Besitz von Wohnraum zu ermöglichen. Bislang zeigten diese Bemühungen jedoch eher negative Effekte, da damit auch die den Immobilienmarkt kennzeichnende wirtschaftliche Ordnung gefährdet wurde, was in den vergangenen Jahren zu dem Phänomen der so genannten "negativen Equity" führte. (The Political Economy of Hong Kong SAR's Fiscal Policy Professor Lok Sang Ho Director Centre for Public Policy Studies, Lingnan University) www.hiebs.hku.hk/working_ paper_updates/pdf/wp1013.pdf

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[Abb.] Straßenhändler unter einer Autobahnauffahrt in Ngau Tau Kok.

[34] Der Distrikt Kwun Tong (in dem sich Amoy Gardens und Lower Ngau Tau Kok Estate befinden) wird durch eine überdurchschnittliche Anzahl von Arbeitslosen, alleinerziehenden Eltern, Geringverdienern und bildungsfernen Bewohnern geprägt. Gleiches gilt für die Distrikte Wong Tai Sin, Sai Kung, Sham Shui Po,Yau Tsim Mong,Tsuen Wan und Kwai Tsing (Population and Household Statistics, District Council 2000). [35] Hong Kong ist aufgrund der kurzen Amortisationszyklen eine sich schnell wandelnde Stadt. Innerhalb von zehn Jahren können ganze Stadtteile ihren gesamten Charakter ändern. Gerade ältere Menschen sind von diesem rapiden Wandel betroffen. Die Autoren zitieren einen TV Report auf HKTVB aus dem Jahr 1997, in dem Menschen berichteten, dass sie höchstens bis zum Wetmarket am Ende des Estates gingen, da sie sonst Angst hätten, sich zu verlaufen.Tatsächlich bringt es die spezifische Urbanität Hong Kongs mit sich, das jenseits der Landmarkarchitektur Centrals weite Teile der Stadt äußerst signifikationsarm sind – nur vier Grundtypen von Hochhäusern dominieren weite Teile der Stadt (Vgl. Abbas 1997: 79-90). [36] Zum Begriff des Habitus vgl. Bourdieu 1984 [37] Beispielsweise wurde im Tai Hang Tung Estate, einem alten Mark I Gebäude in Shek Kip Mei, über 30 Jahre lang nicht saniert – d.h. die dortigen Bewohner lebten mit den damaligen Standards von 11,5 m2 großen Wohnungen, einem offenen Flur, auf dem gekocht wurde und einer öffentlichen Toilette. Erst im Jahr 1984 wurde das Gebäude saniert, und die Wohnungen mit eigenen Küchen und Badezimmern ausgestattet. (Kwok 1996: 111)

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"Verbesserungen" der Wohnsituation werden in Hong Kong aus diesem Grund hauptsächlich über die Errichtung neuer Gebäude, nicht jedoch über Sanierungen bestehender Gebiete erreicht. Dies hat zur Folge, dass in älteren Stadtteilen – insbesondere zukünftigen Entwicklungsgebieten – viele Gebäude dem Verfall überlassen werden. Alte private Gebäude sowie die älteren Public Housing Estates bilden deswegen im rapide modernisierten Hong Kong alltagskulturelle "Inseln", in denen sich die Lebensstile der Gründungsjahre gehalten haben. Wenn heute unter dem Marking Scheme private Ausweitungen in den öffentlichen Bereich der PHEs, die "illegalen Ausweitungen" von Straßenständen auf die Straße, sowie die Nutzung von vernachlässigten Nischen wie den Hintergassen kriminalisiert werden, dann betreffen diese Maßnahmen also besonders eine sozial schwache Schicht, die aufgrund der hohen Mieten auf die Public Housing Estates angewiesen, also an ein Milieu gebunden sind, zu dem es keine finanzierbare Alternative gibt.[33] Kriminalisiert wird die Eigeninitiative anspruchsloser Bewohner: Da es für viele dieser Wohnblöcke keine Verwaltung gab, reagierten die Bewohner selbst auf reparaturbedürftige Sanitäranlagen, mangelhafte Wohnungsausstattungen und heruntergekommene Aufenthaltsbereiche. Sie behalfen sich mit "illegalen" Reparaturen und Einbauten wie Klimaanlagen, Entlüftern oder Abwasserrohren, die auch zu den Verursachern der Amoy Gardens Krise gehören könnten. Alte Stadtteile sind also die Wohnorte der schwächsten Schichten in Hong Kong – allein stehende Senioren, neue Einwanderer von FestlandChina, allein erziehende Mütter und Arbeitslose.[34] Ihre Mobilität ist aufgrund ihrer finanziellen Situation stark eingeschränkt. Insbesondere die älteren Menschen verlassen ihre unmittelbare Lebensumgebung selten.[35] Ihre Umgebung besteht aus den billigen Dim-Sum-Restaurants im Erdgeschoß der PHEs, den öffentlichen sitting areas, an denen sie ihre Gymnastik durchführen und dem Wetmarket, in dem sie ihre Einkäufe tätigen. Angesichts der "Politik der Toleranz", die man auch als eine Politik der "Ignoranz" bezeichnen könnte, konnten sich in diesen Milieus über einen langen Zeitraum Praktiken der informellen Raumnutzung verfestigen, bis sie Teil des alltäglichen Habitus [36] der Bewohner geworden waren.[37] Gleiches gilt für die Ausweitung von Gewerbeflächen.Viele Menschen sind aufgrund ihrer Unfähigkeit, die hohen Gewerbemieten zu bezahlen, finanziell vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen oder arbeiten am

DIE AHISTORISIERUNG SOZIALER PROBLEME

Rand des Existenzminimums. Gerade Kleinstgewerbe wie Imbisse und Straßenstände und die Händler in den wetmarkets müssen mit einem Minimum an raumbedingten Fixkosten auskommen. Die Folgen dieser Raumknappheit lassen sich in jedem kleinen Laden beobachten.Verkaufsund Lagerflächen werden bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Waren gefüllt, und so weit es geht auf Außenflächen ausgeweitet, indem etwa Bürgersteige als Abstellflächen genutzt werden oder verpackte Warenbündel an die außen angebrachten Markisen gehängt werden.[38] Siu weist darauf hin, dass die Ausweitung der Stände über die zugeschriebene Fläche hinaus eine Frage des ökonomischen Überlebens ist.[39] In Raum, der nicht unmittelbar den ökonomischen Zwecken dienlich ist, wird nicht investiert. Aus der Rationalität eines knapp am Existenzminimums kalkulierenden Händlers ist es sinnvoller, den Raum mit Waren zu füllen, als dort eine Abfalltonne aufzustellen. Die hohen Mieten sind auch der Grund, dass sich in den wenige Quadratmeter großen Imbissen oft kein Raum mehr für eine Spülküche fand – wenn also Außenraum wie eine Hintergasse oder ein Bürgersteig vorhanden war, wurde die Spüle dementsprechend vor die Tür verlagert. Die Bestrafung von "illegalen Ausweitungen" der Geschäftsflächen besorgte deswegen sehr viele Händler: "The government measures are going to ruin our business", sagte Mr.Wong, der Besitzer eines Nudel- und Congeeshops in einem Interview mit der SCMP. "We don't have the room to put our tables inside. Our business is already on the edge of closing.We don't have extra money to rent another place to accommodate these tables and trash." Ein anderer Restaurantbesitzer ergänzte: "We put out tables outside the shop and stack our stuff in the alleys because we don't have the space inside."[40] Informelle Nutzungen sind also eine direkte Folge der hohen Mieten, die wiederum ein wesentliches Standbein der Hong Konger Politik darstellen.

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[A] Eine alte Frau verkauft Trockenfrüchte in der Nähe eines Marktes.

[B] Straßenimbiss in Lower Ngau Tau Kok Estate

[38] Die informelle Ökonomie auf den Bürgersteigen kommt sogar gänzlich ohne Ladenflächen aus. Häufig sitzen die Händler mit Fotos von den Waren auf einem Stuhl an der Straße, und holen die Ware erst bei Interesse aus Autos oder Lagern. Läden hängen häufig über Nacht ihre Waren an den Markisen auf, wo sie wie an großen Adventskalendern baumelnd auf ihre Kunden warten. [39] Siu 1996: 127

DIE AHISTORISIERUNG SOZIALER PROBLEME Der Diskurs der Verantwortung, wie ihn Team Clean führte, pathologisierte also ein alltägliches, kulturelles Milieu, das von sozialer Härte und einem alltäglichen Überlebenskampf geprägt war und wies die Verantwortung für die Abwesenheit funktionierender Gemeinschaften den Bewohnern zu.[41] Ein strukturelles Problem wurde so subjektiviert, in dem es bestimmten Gruppen an Menschen legislativ zugeschrieben wurde. Diese Praxis enthistorisierte nicht nur das Vorhandensein bestimmter Räume, deren Nutzer seit Jahrzehnten soziale Benachteiligung in ihrem unmittelbaren Lebensraum, den durch die Regierung genehmigten Platz-

[40] Chan Siu-sin, SCMP 5.6.2003: N4. Eine richtige Regierungsmaßnahme stellt aus dieser Perspektive die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite durch die Regierung dar, mit denen Besitzer ihre Läden modernisieren und sanieren sollten. Diese können jedoch nicht verhindern, daß gerade die ärmsten Besitzer stärker von den neuen Auflagen betroffen sind. [41] "Discursive and practical responsibility for the problems faced by communities has been moved away from government policies of the past and placed firmly with 'degenerate', targeted communities themselves, that are portrayed as somehow outside of (or excluded from) the normal values of civil society." (Raco/Imrie 2003: 15)

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[A] Ngau Tau Kok ist ein alter Stadtteil

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mangel und die privatwirtschaftliche Vernachlässigung "unrentabler" Immobilien zu spüren bekamen, sondern wies die Verantwortung für die problematischen Zustände dieser Nutzungsräume von sich. Sie wertete darüber hinaus auch noch die Fähigkeit der Bewohner ab, unter äußerst widrigen Umständen ohne Forderungen an den Staat überlebt zu haben und forderte nun von diesen Bewohnern ein höheres Maß an "Verantwortung". Christine Loh wendete dagegen richtig ein, dass die Hygieneprobleme zu einem Großteil auf die Struktur der Gebäude zurückgeführt werden könnten. Darüber hinaus sei die mit den hygienischen Bedingungen verbundene "Unwissenheit" ein viel größeres Problem: "The government needs to improve the living conditions of the worst residential areas, such as Lower Ngau Tau Kok Estate, because the problems have to do with the structure of the buildings and not just the behaviour of the tenants.The various civic cleaning campaigns have already shown that it is often not the interiors of homes that are dirty. It is the common areas, such as stairs and corridors, that feel nasty because of the dilapidated structural conditions. It is our collective shame that Hong Kong still has such buildings.When people have to live in a tip, how can

[B] Lower Ngau Tau Kok Estate

we expect them to develop pride of place? Amoy Gardens showed us that even better buildings could have problems stemming from ignorance.The post-Sars outbreak inquiry showed that the drains in bathrooms in that generation of buildings needed to be maintained by having water flushed down them, but cleaning habits have changed over the years and people no longer do so. How much do owners and management companies know about the functioning structures of their buildings and how to maintain them properly? It seems obvious, now, that cleaning needs to be driven by knowledge. Hong Kong's cleanup and public education campaigns must therefore be rooted in provi-

[C] Die Flure sind dunkel und unansehnlich

ding the right information for residents to know that their efforts are appropriately directed." [42]

[C] Geschäfte sind rudimentär ausgestattet [42] Christine Loh: "Team Clean must act where others have failed." In: SCMP 24.5.2003: N11 [43] Amin 2004: 9

Ash Amin weist außerdem darauf hin, dass altruistische Handlungsmotive mit steigendem Lebensstandard zunehmen.[43] Eine sichere – städtische oder nationale – Gesellschaft, in der die Bürger Verantwortung für neue Risiken übernehmen, die langfristig auch dem Erhalt dieser Gesellschaft dienen sollen, benötigt also einen gewissen Lebensstandard. Es kann von Menschen, die in ihrem Alltag um ihre Existenz kämpfen müssen, nicht erwartet werden, altruistisch und im Rahmen einer zivilen Kultur zu handeln, von der sie faktisch ausgeschlossen bleiben. Damit zivilgesellschaftliche Initiativen mehr als nur ein Luxus der gehobenen Mittelklasse sein können, bedarf es eines breit angelegten Empowerments der Bevölkerung.

DIE UMWERTUNG ZIVILGESELLSCHAFTLICHER ENERGIEN

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DIE UMWERTUNG ZIVILGESELLSCHAFTLICHER ENERGIEN Vor diesem Hintergrund ist auch das "Community"-Building, das Team Clean im Rahmen der Team Clean Kampagne durchführte, von politischer Brisanz. Die Anerkennung des "Community Spirits" beschränkte sich nämlich auf bestimmte, innerhalb gouvernementaler Regierungsstrategien nutzbarer Eigenschaften der "zivilen" Öffentlichkeit und blendete dabei eher unerwünschte neue Formen stadtteil- und sogar stadtübergreifender Solidarität innerhalb der Hong Konger Bevölkerung aus. Angesichts der Regierungs-Krise hatten sich gerade dort, wo die Regierung am meisten versagte – in den von SARS am meisten betroffenen Stadtteilen oder Mikromilieus – solidarische Netze zwischen den Bewohnern gebildet. So funktionierten beispielsweise gerade die "Risikozonen" der wetmarkets während der Krise als soziale Zentren der Nachbarschaft, wie Leong Hoi-chuen, der Besitzer eines foodstalls im Wan Chai's Bowrington Food Market heraushebt: "Wherever a crisis happens in China, the community at the market is always the first to act.The money we collected this time went to the education of SARS orphans. […] when the going gets tough we have to be tougher. Show your Chinese virtue of never admitting defeat.The future is bright." [44]

An diesen Orten manifestierte sich der für eine bestimmte Bevölkerungsschicht typische Ethos, der auf Eigeninitiative und soziale Netzwerke setzt, die unabhängig von jeder offiziellen politischen Linie funktionieren.Viele Verhaltensweisen, die die Regierung als "dreckig" identifizierte – wie etwa der informelle Straßenhandel, die Ausweitung von privaten Räumen auf öffentliche Wohnbereiche – bildeten in diesem Sinne einen Teil des gemeinschaftlichen Lebens in den lokalen Communities. Sie sind der Nährboden gewesen, auf dem sich auch andere Initiativen entwickeln konnten, etwa Formen der Nachbarschaftshilfe wie die Begrüßungszeremonie für die aus den Quarantänelagern zurückkehrenden Amoy-Gardens-Bewohner. Auch kleine, aber signifikante Aktionen wie die Umfrage, die jugendliche Besucher des Caritas Community Centres Ngau Tau Kok in eigener Organisation durchführten, wurden vom CPCE nicht hervorgehoben. Diese Jugendlichen entwickelten einen Fragebogen, mit dem andere Jugendliche im Stadtteil ihre Wahrnehmung der SARS-Krise reflektieren konnten. In dieser Umfrage wurde deutlich, dass sich ein verbessertes Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern des Stadtteiles herausgebildet hatte. Dabei war auch ein gestiegenes Interesse an politischen Fragen zu ver-

[44] In: Behind the mask, SCMP 31.5.2003: N4

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[Abb.] Cover der Umfrage 1:99 von Jugendlichen des Caritas Community Centres Ngau Tau Kok [45] So kritisierte ein Drittel der 766 Befragten, dass Tung zu wenig auf die Stimmen aus der Bevölkerung geachtet habe. Die Jugendlichen gaben außerdem an, dass sie mehr als zuvor die lokale Tagespresse lasen und sich mehr für Politik interessierten als vor der Krise. [46] S. zum Begriff der Dokumentalität Steyerl 2003

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zeichnen und insbesondere die Kritik der Jugendlichen an dem Regierungschef Tung Chee-hwa zu vermerken.[45] Nicht nur bargen derlei Community-Aktivitäten das Potenzial der Forderung nach politischer Partizipation und damit eine von der Regierung unerwünschte Form der Beteiligung in sich, sondern sie demonstrierten auch, dass gerade durch die hohe Medialisierung des Phänomens SARS auch völlig unabhängig von ihren Wohnorten virtuelle Communities entstanden waren, die Verbindungen zwischen Menschen unterschiedlicher Schichten herstellten. Mobiltelefone, Internet und Telefon, sowie Tageszeitungen, Radiosendungen und Fernsehsendungen wurden Foren eines städtischen Gemeinschaftsgefühles, das sich in den kollektiven Phänomenen des Maskentragens oder der Teilnahme an von Medien ins Leben gerufenen Kampagnen deutlich manifestierte. Die Nichtanerkennung solcher Initiativen durch die Regierung blendete also auch aus, dass ein verbindendes Element des zu nutzenden "Community Spirits" die Unzufriedenheit mit der Regierung und die Angst um das eigene Leben und das von Familienangehörigen darstellte. Die Differenzierung erwünschter Community-Aktionen von nicht erwünschten beinhaltete also auch die diskursive Einhegung der widerständischen Energien in der Bevölkerung. Der "Community Spirit", der sich ganz bewusst auch durch eine Leadership-Rolle der Zivilgesellschaft angesichts einer schwachen Regierung auszeichnete, wurde so im Rahmen der Team Clean Politik für neue Spaltungen innerhalb der Community genutzt und damit entpolitisiert, für ihre Zwecke umgebogen und in ihre eigenen Regierungsmaßnahmen integriert.Tatsächlich erscheint gerade das Feld der Hygiene als Schauplatz dieser Umwertung geeignet, weil es in seiner konkreten Sichtbarkeit im städtischen Raum die Macht einer Regierung demonstrierte und "dokumentalisierte", die faktisch durch nationale und internationale Strategien eingehegt wurde.[46] Am Beispiel der Informationspolitik wurde jedoch deutlich, dass Hong Kongs Regierung in weiten Teilen nicht die volle Souveränität gegenüber der chinesischen Regierung in Peking besaß. Obwohl Hong Kong faktisch autonom verwaltet ist, bestehen zwischen den von Peking eingesetzten Beamten und der Zentralregierung Loyalitäten, die Maßnahmen verhinderten, welche von Seiten Chinas als Widerstand oder Kritik ausgelegt werden konnten. Hong Kong wurde in der Vergangenheit häufig eine Politik von "unpolitischer" oder "ökonomistischer" Kultur zugeschrieben. Diese Kultur ist aber auch ein Ausdruck mangelnder Partizipationsmöglichkeiten. Die koloniale Regierung hatte lange Zeit kein Interesse an einer städtischen Bürgerschaft. Es wurde damals betont, dass die aus China eingewanderte

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Bevölkerung keine stärkere Verbindung zum städtischen Territorium und und keine einheitliche städtische Identität besäße, sondern in kleine Gruppen zerfalle, die sich über Dialekt, Herkunftsort in China, Beruf, Union, Firma, soziale Organisation und vor allem Familie definierten. Dieses Argument fiel stets in Bezug auf eventuelle politische Reformen, die in einer Demokratisierung münden könnten: "If there were no sense of "identity of community interest", it was argued, there could be no identity comparable to Western national identity. Accordingly, the local population was not considered ready for the exercise of democratic selfdetermination that citizenship would confer."[47]

Diese Situation hat sich seit dem Handover nicht geändert. Die Übergabeverträge zwischen China und Großbritannien erkannten keine eigenständige Hong Konger Identität und Kultur an, die über eine Form von "Lifestyle" herausging.[48] Die politische Kultur der Stadt wird heute durch die nationale Führungsspitze in Peking gelenkt. Die undemokratische Konstitution des Parlaments und die von technokratischer Expertise geprägte politische Kultur der Beamten sowie die Priorität, die internationalen gegenüber lokalen Themen gewährt wird, erschweren die Herausbildung einer lokalen politischen Identität. Insbesondere vor dem Hintergrund der politischen Spannungen zwischen Taiwan und China steht die Herausbildung einer solchen nicht im Interesse der VR China. Die Ereignisse der SARS-Krise zeigten jedoch, dass es ein großes politisches Potenzial in der Bevölkerung gab.Wenn die Regierung von Bevölkerung weitgehend auf politisch neutrale Felder wie das der Hygiene konzentriert wurde, kann der Diskurs von "Community Partizipation" als vergleichsweise irrelevante Geste der Partizipation und Öffnung betrachtet werden, der darüber hinaus auch faktisch eine Dezentralisierung von Regierung darstellte. Im Gegensatz zu deliberativen Konzepten der politischen Partizipation spielte sich die Hong Konger Politik innerhalb eines klar hierarchisierten und disziplinarischen Regierungsrahmens ab.[49] HYGIENE IM SCHNITTFELD UNTERSCHIEDLICHER GOUVERNEMENTALITÄTEN Um diese Kritikpunkte zusammenzufassen, sollte ein Einwand Alan Hunts berücksichtigt werden: Die Bedeutung eines jeden Regierungsprojektes liege nicht so sehr in sich selbst, sondern an den Schnittstellen zu und in seinen Kombinationen mit anderen Regierungsprojekten.[50] Gleiches muss für das Projekt der Hygiene gelten, das im Zuge der SARS Bekämp-

[47] Report der Working Party on Local Administration, 1966: 84, zit. In Turner 1996: 33 [48] Der genaue Wortlaut der Übergabeurkunde lautete: "Hong Kongs previous capitalist system and life-style shall remain unchanged for 50 years". [49] Vgl. zum Begriff der deliberativen Partizipation Haus 2005: 31 [50] Hunt 1996: 185

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fung ein Schnittfeld mehrerer Gouvernementalitäten bildet: Erstens ging es um die ganz konkrete medizinisch begründbare Anhebung des Hygienestandards als einem direkten Schutz vor ansteckenden Krankheiten wie SARS, Dengue Fieber und Vogelgrippe. Dieser Anspruch überschnitt sich zweitens mit den Zielen der Stadtentwickler und -Repräsentanten, die über Hygiene eher die symbolischen Aspekte der SARS-Krise bekämpfen wollten. Die Einbeziehung des "Community Spirit" und die Schaffung von Feedbackmechanismen stellte drittens eine Eindämmung der politischen Gefahr sozialer Unruhe und kritischer Öffentlichkeit dar. Diese unterschiedlichen Gouvernementalitäten können auf unterschiedliche "Regierungen" zurückgeführt werden: auf den aus einer supranationalen Perspektive entstandenen präventiven Eingriff der WHO, welche die Ausbreitung von SARS zu einer Pandemie verhindern wollte; auf die auf der chinesischen Zonierungspolitik basierenden Verteidigung des Images einer "Asias World City"; und auf die Regierung der lokalen Bevölkerung vor dem Hintergrund einer lokalen Regierungs- und Gesundheitskrise. Die Beschreibung der Hygienepolitik Team Cleans legt nahe, dass sich diese Gouvernementalitäten in den Anforderungen an das städtische Subjekt überschneiden. Damit ermöglichte die Regierung über Hygiene eine Verfälschung des eigentlichen Sicherheitsanspruchs der SARS-Krise, der in der Verantwortung der lokalen Regierung lag: die Verbesserung der städtischen Gesundheits- und Informationssysteme sowie eine stärkere Reflexivität gegenüber der eigenen Bevölkerung. Die blackspot-Technologien griffen die Ängste der Bevölkerung bezüglich der "sick buildings" auf. Sie machten Gebrauch davon, dass diese unhygienischen Orte und Nischen vor dem Hintergrund der Kontaktübertragung gefährlicher schienen. Die aus wissenschaftlicher Unsicherheit geborenen Techniken der "Verräumlichung" des Risikos SARS, die von der Regierung aus der Bevölkerung adaptiert wurden, stellten eine Instrumentalisierung der diesem Verhalten zugrunde liegenden Ängste dar – um eine Politik zu fördern, die nur scheinbar mehr Sicherheit vor SARS bot. Dies ermöglichte es, die eigentlich problematischen Felder der Informationsfreiheit, die Fehler einer nicht durch demokratische Prozesse legitimierten Regierung, die mangelhafte Leadership sowie die Ignoranz gegenüber den in der Öffentlichkeit zirkulierenden Meinungen und Stimmungen diskursiv zu überdecken. Der Sektor Hygiene bot so auch die Möglichkeit, nicht nur das Sicherheitsthema SARS als solches zu "privatisieren", d.h. gegenüber der Bevölkerung so darzustellen, als liege es in der Verantwortung dieser; sondern damit gleichzeitig auch die innerhalb einer undemokratischen Kultur entstandenen zivilgesellschaftlichen Energien durch den Aufbau einer Partnerschaft zwischen Regierung und einzelnen zivilgesellschaftlichen Akteuren in einem unpolitischen Bereich einzubinden, zu bündeln und zu institutionalisieren.

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"Nicht ist politisch, alles ist politisierbar, alles kann politisch werden. Die Politik ist nicht mehr und nicht weniger als das, was im Widerstand gegen die Gouvernementalität entsteht, die erste Erhebung, die erste Konfrontation." -- Michel Foucault

Am 1. Juli 2003, einem öffentlichen Feiertag, der die Einrichtung der SAR und damit die Rückgabe an die VR China feiern sollte, sammelten sich bereits morgens im Victoria Park über 500.000 schwarz gekleidete Hong Konger, um ihrer Unzufriedenheit mit ihrer Regierung Ausdruck zu verleihen. So viele Menschen waren auf chinesischem Territorium seit den Vorfällen in Tiananmen im Jahr 1989 nicht mehr zu Protesten zusammengekommen. Die hohe Zahl der Demonstranten verblüffte die Regierung Hong Kongs, die Peking mitgeteilt hatte, dass man von 30.000 - 80.000, jedoch höchstens 100.000 Personen auszugehen hätte.[1] Im Zentrum der Demonstration stand der Protest gegen die geplante Reform des Artikel 23 des Basic Law. Dieses Anti-Subversionsgesetz sollte die Hong Konger Regierung befähigen, gegen Verrat, Abspaltungsbestrebungen, Volksverhetzung, Subversion und den Bruch von Staatsgeheimnissen vorzugehen. Der Artikel sollte auch die Beziehungen von Hong Konger Organisationen und ausländischen politischen Körpern unterbinden. Besonders die lokale Presse hatte stark gegen die Regierung mobilisiert, betraf der Artikel doch faktisch die Pressefreiheit.[2] Damit war eine Verbindung zur SARS-Krise geschaffen. Denn angesichts der Unregelmäßigkeiten und Intransparenz der chinesischen Regierung bei der Behandlung des SARS-Ausbruchs auf dem Festland konnte in diesen Staatsgeheimnissen ein direkter Grund für den Ausbruch von SARS und der anschließenden Krise in Hong Kong gesehen werden.[3] Darüber hinaus galt die Kritik auch der anfänglichen Verschleierungstaktik der eigenen Regierung, die im Umgang mit der Presse einige Informationen als "nicht relevant" zurückbehalten hatte. Daran erinnernd, trug beispielsweise eine Gruppe Demonstranten Masken, während sie einen Trauermarsch für den Artikel 23 spielte.[Abb. S. 124] Die 299 SARS-Opfer in Hong Kong hatten deutlich gezeigt, dass die Geheimhaltung "staatlicher" Informationen unmittelbare Folgen für das Funktionieren des Gesundheitssystems hatte und damit die Sicherheit der Hong Konger selbst aufs Spiel setzte. Die Erfahrungen der SARS-Krise, die Unzufriedenheit mit der Regierung und die daraus resultierende Angst vor einer Einschränkung der Pressefreiheit bildeten jedoch nur den Höhepunkt einer Serie an Problemen, mit denen die Regierung seit dem Handover zu kämpfen hatte. So unterliefen der Regierung Fehler bei der Bewältigung der Asienkrise im Jahr

[Abb.] Diese Demonstranten beziehen sich mit Masken und Plakaten auf das Regierungsversagen während der SARS-Krise und stellen Bezüge zwischen Pressefreiheit und der Transparenz von Regierungsentscheidungen her. [1] Zit. in DeGolyer: 123 [2] Genauere Details zu Artikel 23 www.focus-hongkong.ch/ Art%2023.htm [3] Vgl. SCMP 16.4.2003, zit. in DeGolyer 121

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[A]

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[B]

[D]

[A] Anti-Tung-chee Hwa Plakate in Central [B] Ein mit einer Bin-Laden-Maske verkleideter Mann mit einem Plakat, auf dem Tung Cheehwa eine Torte ins Gesicht geklatscht wird. [C] Demonstrationszug in Central [D] und [E] Demonstranten mit SARS-Masken [E]

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1997 und dem Ausbruch der Vogelgrippe im gleichen Jahr. Es gab Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Bau des Flughafens und der Umgehung städtischer Regulationen im Fall des "Cyberport"-Projektes, die zu Misstrauensvoten gegenüber Vertretern der Exekutive führten. Die ökonomische Regression und der weite Teile der Bevölkerung betreffende Wertverfall von privatem Wohnungsbesitz stellten andere Probleme dar. Kritiker sahen die Ursache dieser Schwierigkeiten im Transformationsprozess von einer kolonialen zu einer chinesischen Stadt.[4] Die SARS-Vorkommnisse zeigten auch, dass durch die Überschneidung der Souveränitäten einer streng hierarchisch geführten Nation wie China und einem durch internationale Verflechtungen porös und heterogen gewordenem Raum wie der Global City Hong Kong Probleme entstehen können. Denn die durch die Politik der VR China bedingte Ab-schottung und Schließung gesellschaftlicher Sektoren auf dem Festland und ihr Einfluss auf die Hong Konger Regierung widersprach den ökonomisch bedingten Tendenzen weitergehender Öffnung und Verflechtung und damit auch der Zugehörigkeit zu supranationalen Verwaltungsgebieten wie dem der WHO auf dem Gebiet der Sonderverwaltungszone Hong Kong. Das zahlreiche Erscheinen der Hong Konger bei der Demonstration am 1. Juli 2003 kann auf die aufgezwungene "Leadership"-Rolle zurückgeführt werden, die die Hong Konger Bevölkerung während der SARS-Krise übernehmen musste.[5] Die Regierungsstrategie, die eigene Regierungsverantwortung für die Krise über die Zuweisung neuer Verantwortlichkeiten an die Bevölkerung zu überdecken, und über neue In–und Exklusionskriterien die wesentlichen gesellschaftlichen Konfliktlinien an die Bevölkerung weiterzuleiten, zeigte also nur beschränkten Erfolg. Der in der Krise "natürlich" gewachsene zivilgesellschaftliche Zusammenhalt in der Bevölkerung ließ sich nicht so einfach für Regierungsstrategien kolonisieren. In dem Maße, wie Strategien der Regierungsdezentralisierung neue Spielräume für Selbsttechnologien schufen, eröffneten sie auch neue Räume, die für eine andersgeartete politische Selbstbestimmung genutzt werden konnten. Das von der Regierung inszenierte Community-Building und das durch zahlreiche Maßnahmen geförderte Gemeinschaftsgefühl, das einem fest definierten Regierungsziel dienen sollte, wurde wiederum in eine ohnehin bestehende Unzufriedenheit mit der Regierung eingebettet und entfaltete so eine Eigendynamik, die letztendlich die Kritik an der Regierung begünstigte, statt sie zu unterbinden. Damit trifft zu, was Ash Amin und Nigel Thrift feststellten:

[4] Vgl. "Accountability without Democracy": 9ff. [5] DeGolyer faßt noch einmal zusammen: das Schließen der Schulen durch Eltern und Schuldirektoren, die Spenden-Kampagne der South China Morning Post für medizinische Schutzkleidung in Krankenhäusern, Informations- und PR-Kampagnen, die von privatwirtschaftlichen Akteuren Wochen vor der offiziellen Regierungskampagne initiiert wurden; und nicht zuletzt hunderte von Community-Initiativen, in denen die Hong Konger sich selbst das gaben, was die Regierung ihnen nicht geben konnte: Aufmerksamkeit für Ängste und Sorgen, Hilfestellungen und Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags, Aufmunterung in Zeiten der Krise, und Möglichkeiten, sich zu engagieren. (DeGolyer 2004: 124) [6] Amin/Thrift 2002: 108. Foucault selbst drückte es folgendermaßen aus: "Jede Gouvernementalität kann nur strategisch und programmatisch sein. […] Doch mit Bezug auf ein Programm kann man sagen, dass das niemals klappt." (Foucault 2005: 563)

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"Forms of governmentality may be totalizing projects, but they are not totalizations. Thus city populations can escape some of their inclinations and find new angles of declination."[6]

Die Jahre 2003 und 2004 können als politisierte Jahre in Hong Kongs Geschichte eingehen. Nach der Demonstration gegen den Artikel 23 zog die Pekinger Regierung den Gesetzesentwurf bis auf weiteres zurück. Die Demokratiebewegung Hong Kongs hat durch diese Schlüsseldemonstration neuen Schwung bekommen. Seitdem wurde auch in den folgenden Jahren wiederholt die Forderung nach einer Direktwahl des Regierungsvorsitzenden und einer Reform des Wahlrechts gestellt.[7] Wie die Neujahrsansprachen der SAR-Regierung in den Jahren 2004 und 2005 als Reaktion auf diese Forderungen ankündigten, soll die "Öffentlichkeit" (the public, the people) nun in größerem Maße als zuvor in die Regierung mit einbezogen werden. Im März 2005 wurde der Regierungschefs Tung Chee-hwa durch die VR China abgesetzt und durch den ehemaligen Team-Clean- Vorsitzenden Donald Tsam Yam-kuen ersetzt. Dies kann als ein Zeichen gewertet werden, dass die VR China in Hong Kong, wenn sie auch nicht mehr tatsächliche Freiräume für die Bevölkerung eingeräumt hat, zumindest auf den Druck der Bevölkerung hin reagieren musste. Diese Reaktion zeigt das Potenzial zu einer weiteren Öffnung im Sinne einer weitergehenden Demokratisierung auf.

[7] Jakes, Susan: Push and Shove. It's not just Taiwan. China also has to deal with growing pressure for democracy in Hong Kong.Time Magazine, 8. 3.2004 [8] Reporters without Borders (RSF): www.rsf.org/print.php3?id_article=9712 und Human Rights Watch (HRW) www. hrw.org/backgrounder/asia/china/hk0904/5. htm. Albert Cheng trat später zu den Parlamentswahlen als freier Kandidat an.

Gleichzeitig machen diese Handlungen jedoch auch den taktischen Charakter der Regierung deutlich. Die Regierungsmaßnahmen durch China sollten nicht mit einem "Demokratisierungsprozess von oben" verwechselt werden, sondern als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Stabilität des SAR-Systems verstanden werden. Denn entgegen der Absprachen mit dem letzten englischen Gouverneur Chris Patten verschob die Regierung in Peking zeitgleich die Möglichkeit freier Parlamentswahlen auf unbestimmte Zeit. Eine weitere Episode bildeten die Morddrohungen gegen den Radiomoderator Albert Cheng. Die Drohungen stammten aus dem Umfeld der lokalen Triaden und führten dazu, dass Albert Cheng "freiwillig" von seinem Posten als Radiomoderator zurücktrat. Der Fall wurde in der Presse heiß diskutiert, denn man vermutete, dass die Pekinger Regierung mithilfe von kriminellen Strukturen Einfluss auf die freie Presse in Hong Kong nehmen wollte.[8] Diese Ereignisse führten entgegen ihrer politischen Brisanz jedoch nicht zu breiten Protesten, die mit der Demonstration am 1. Juli 2003 vergleichbar gewesen wären. Dies kann unter anderem auf die Bemühungen

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der Regierung in Peking zurückgeführt werden, die ökonomische Freizügigkeit zwischen Hong Kong und dem Festland zu fördern: So wurde kurz nach der Krise das Wirtschaftsabkommen CEPA (Closer Economic Partnership Agreement) verabschiedet, welches Hong Konger Firmen erleichterte, in China zu investieren; weiterhin wurde der individuelle Tourismus von Festlandchinesen nach Hong Kong freigegeben.[9] Angesichts des dadurch gestiegenen Wirtschaftswachstums sind der politische Diskurs und die damit verbundenen Forderungen um mehr Mitspracherecht signifikant zurückgegangen. Die Politisierung einer breiten Öffentlichkeit ist also fragil, wenn sie aus einem Moment der Krise heraus entsteht.Wenn keine festen Strukturen für eine dauerhafte Mitsprache der Bevölkerung existieren, dann verlieren sich aus dem Affekt heraus geborene Bewegungen häufig, bevor sie zu dauerhaften Veränderungen geführt haben.[10] Dennoch zeigt die SARS-Krise und das damit einhergehende Regierungsversagen das Potenzial von Krisen auf, "natürliche" Empowermentprozesse der Bevölkerung hervorzurufen. Insofern hat sich die gouvernmentale Perspektive auf die Vorkommnisse während der SARS-Krise und ihrer Bewältigung als fruchtbar erwiesen. Die Regierung der SARS-Krise konnte so als taktischer Prozess begriffen werden, der sich erst als Reaktion auf die Öffentlichkeit und die zivilgesellschaftlichen Initiativen herausbildete. Andersherum entwickelten sich die Regierungsmaßnahmen des Community-Building im Rahmen einer Politisierung der Hong Konger Bevölkerung in einer für die Regierung unerwünschten Weise. Die Beobachtung dieser Relationen von Regierung und Bevölkerung profitierte dabei wesentlich von der ethnographischen Vorgehensweise, da durch diese eine konzeptionelle Stärkung des Stellenwerts von Bevölkerung und Öffentlichkeit innerhalb der Beschreibung von Regierungsprozessen ermöglicht wurde. Eine solche Sichtweise ist interessant für die Untersuchung von Sicherheitsproblematiken aller Art: "Sicherheit" ist dann nicht nur ein instrumentelles, mittels Expertenwissen und Sicherheitsapparaten von "oben" herstellbares Gut, sondern eine Beziehung zwischen Regierung und Bevölkerung, in der die Regierung nicht von vornherein als machthabend angesehen werden kann. Politiker, die Regierungsprogramme herausgeben, nutzen vielmehr bestehende Stimmungen in der Öffentlichkeit taktisch aus, indem sie sinnhafte Anschlüsse zwischen Regierungsprogrammen und bestehenden Lebensrealitäten in der Bevölkerung herstellen. Die Untersuchung eines Regierungsprogrammes sollte also nicht allein

[9] Die Auswirkungen von CEPA auf Hong Kong waren umfassend. Der Immobilienmarkt boomte, die Arbeitslosigkeit sank und die Deflation ging zurück. Hong Kong kann inzwischen Geschäfte mit der festländischen Währung RMB betätigen. Auf Produkte aus Hong Kong werden keine Zölle mehr erhoben. Durch die Erleichterung des Individualtourismus kamen im ersten Halbjahr 12,26 Millionen Touristen nach Hong Kong, 70% mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Davon war die Hälfte der Touristen vom chinesischen Festland. [10] Am 4.12.2005 gingen in Hong Kong 250.000 Menschen auf die Straße, um einen konkreten Zeitrahmen für die Einführung offener Wahlen zu fordern.

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auf der Ebene seines Wortlautes betrachtet werden, womit ihm auch von Seiten des Akademikers die Macht erst definitorisch zugeschoben wird; sondern als Kommunikationsverhältnis mit einer Bevölkerung verstanden werden, das in die Diskurse und Affekte der Öffentlichkeit eingebettet ist. Insbesondere sollten diese Regierungsprozesse auch daraufhin untersucht werden, inwiefern sie affektive Prozesse der Öffentlichkeit instrumentalisieren und gezielt für eine Ausweitung der Sicherheitsapparate nutzen. Relevant ist diese Betrachtungsweise insbesondere, weil Sicherheitspolitik seit dem 11. September einen wachsenden Schwerpunkt innerhalb der Regierungspolitik vieler Staaten und internationaler Organisationen einnimmt. Dieser bedenklichen Tendenz kann die kritische Sozialwissenschaft entgegentreten, indem sie die Konstruktion der Bedrohungen und die Instrumentalisierung der Ängste im Rahmen von Regierung untersucht und bestehende Spielräume gegenüber Regierungspolitiken deutlicher aufzeigt.

[11] Kamleithner 2001 [12] Lazzarato 1998

Die Regierung von Sicherheit als Einflussnahme auf Affekte und Öffentlichkeit wird sich angesichts der veränderten ökonomischen Struktur heutiger hochtechnologisierter Städte weiter ausbreiten, da diese für affektive Epidemien oder "Infodemien" besonders anfällig sind. Statt Zentren der Produktion sind sie inzwischen vor allen Dingen Zentren der Konsumption.Während die Stadtbewohner in Zeiten der Produktion stärker als physische Produktivkräfte (Arbeiter) beansprucht wurden, sind sie nun eher als Konsumenten relevant – deren positive Emotionen und Begehren sich im Rahmen städtischer Inszenierungen und Eventisierungen kommerziell nutzbar gemacht werden.[11] Die Wertschöpfung verlagert sich weiterhin in die symbol- und bildschaffenden Sektoren der Wirtschaft: Film, Musik,Werbung, Konzeptualisierung, Grafikdesign, Kunst und Urban Design lösen als Formen immaterieller Arbeit die alten industriellen Produktionszweige ab.[12] Diese Wirtschaftszweige arbeiten direkt an der Erschaffung emotional ansprechender Werbewelten, denen im realen Stadtraum die zum Konsum anregenden, affektiv ansprechenden Milieus und Environments entsprechen. Diese Entwicklungen stellen neue Ebenen des Körpers in das Zentrum der städtischen Biopolitik: zum einen die Oberfläche, den sichtbaren Körper; zum anderen die nur indirekt über Handlungen sichtbare Ebene des affektiven, emotionalen Körpers. So werden bestimmte Dimensionen des Körpers konflikthaft, die zuvor keine Rolle spielten. Die Unberechenbarkeit der "inneren" Welten von Menschen – Affekte,Wünsche, emotionale Bindungen – werden im Zusammenspiel mit der Ökonomie der Bilder und den Atmosphären in kommerzialisierten Räumen relevant.

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Denn Körper sind auf der Ebene der Sichtbarkeit städtischer Räume in die Reproduktionsstrategien der städtischen Ökonomie eingebunden. Individuelle Affekte wirken sich beispielsweise auf öffentliche Stimmungen und Atmosphären aus, die sich wiederum zu Bildern verdichten lassen und als solche international kommuniziert werden können. Die Erfahrungen mit SARS machten außerdem deutlich, dass Ängste und Unsicherheiten,Trauer, Ärger und Wut zu einem Produktivitätsverlust der Bevölkerung führen. Die sekundären Effekte, die negative Emotionen hervorbringen – beispielsweise die Auswirkungen von Angst und Sorge auf das Immunsystem und damit ein Ansteigen der Infektionswahrscheinlichkeit, sowie die durch affektive Epidemien verursachten Phänomene ökonomischer Regression, und damit von Arbeitslosigkeit, sozialer Unsicherheit etc. können sich ebenfalls auf die individuelle Lebensdauer und damit auf den Zustand der biologischen Bevölkerung auswirken.Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wird die Steuerung von Affekten und die Konstitution affektiver Milieus in Zukunft noch eine größere Rolle spielen. Aus dieser Perspektive zeigt sich die Hygienepolitik der Hong Konger Verwaltung als Regierung affektiver Körper, die indirekt auf die Herstellung neuer städtischer Bilder abzielte. Hierfür nahmen sie jedoch materiell und sozial wirksame Eingriffe in die alltäglichen Lebensräume bestimmter Bewohnergruppen vor. Bei dem Ziel, einen repräsentativen, gesäuberten Stadtraum zu schaffen, hierarchisierte Team Clean Räume nach ihrer internationalen Bedeutung und entsprach so dem Primat der städtischen Schaufensterfunktion. Die Sicherheit, die die Regierung mit diesen Maßnahmen herstellte, war also letztendlich eine symbolische Sicherheit, die auf einer Bildebene Risikozonen und Sicherheitsräume schuf, die international kommunizierbar waren. Diese Logik internationaler Bildpolitik begünstigte wiederum die Repression einer lokalen Bewohnerschaft. Damit trifft zu, was Sharon Zukin treffend bemerkte – dass das alltägliche Leben der Bevölkerung ein immer größerer Teil städtischer Repräsentationen werde.[13] Internationale Benchmarkingprozesse, die die Stadt als Gesamtprodukt betreffen, greifen immer häufiger auf die alltäglichen Lebensstile über, die auf der einen Seite als rückständig und den "internationalen" Standards nicht würdig repräsentiert und kriminalisiert werden, auf der anderen Seite als "modernen", internationalen Lebensstandards genügende Lebensführungen gefördert werden. Auffällig ist dabei, dass anreizende Technologien wie das urban imagineering und das civil engineering auf eine internationalisierte, hochmobile und deswegen nur durch Freiwilligkeit an

[13] Zukin 2001: 4

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den Stadtraum zu bindende Bevölkerungsgruppe abzielten, während gleichzeitig disziplinarische Technologien gegenüber einer durch die Bindung an den sozialen Wohnungsbau klar lokalisierbaren Bevölkerungsgruppe stark ausgeweitet wurden. Diese Begünstigung einer privilegierten Bevölkerungsschicht steht in diametralem Gegensatz zu der Tatsache, dass SARS gerade durch eine hochmobile, privilegierte Bevölkerungsgruppe über den internationalen Flugverkehr in die ganze Welt verbreitet wurde. So verbreitete sich SARS nicht primär über die von Team Clean definierten hygienischen blackspots, sondern über Orte der Mobilität wie die MTR, den Flughafen, den Airportexpress, das städtische Bussystem und die Grenzen zwischen Hong Kong, Shenzhen, Macao und dem Pearl River Delta. Da es einen direkten Zusammenhang zwischen Mobilität und sozialem Status gibt, stellten die Nutzer dieser Räume – die in den Team Clean Reports implizierten, "schützenswerten" Personen wie Touristen, Business Manager und andere Angehörige einer internationalen Elite – selbst das größte Risiko dar, dass sich SARS aus einem lokalen Problem zu einer globalen Pandemie entwickeln würde. Diese politisch erwünschte Verdrehung der Fakten korreliert mit einem Problem, dem sich Medien – ebenso wie die Politik – angesichts der durch Globalisierungsprozesse steigenden Komplexität von Zusammenhängen gegenüber sehen. Globale, strukturelle und mit Expertenwissen verbundene Themen sind gegenüber einer Laienöffentlichkeit schwer vermittelbar. In dem Versuch, einer Bevölkerungsgruppe solche Themen näher zu bringen, greifen Redakteure wie Politiker zu Bildern und sprachlichen Metaphern. Gerade dokumental wirkende Abbildungen – Fotografien, Filme, Statistiken, statische Vermessungen – begünstigen aber die verzerrte Wahrnehmung eines strukturellen Problems. Die Wahrheitseffekte, die von einer Abbildung ausgehen, wirken anders als Texte viel unmittelbarer auf die Emotionen der Rezipienten. Strukturelle Probleme werden durch ihre Bebilderung als lokalisiert und subjektiviert wahrgenommen, womit komplexe Zusammenhänge verkürzt und zusätzlich kulturellen Wertigkeiten, standortbezogenen Interessen und lokalen Diskursen unterworfen werden. Gerade prägnante Images und Schlagwörter wie blackspots eignen sich aber zu der dekontextualisierten Zirkulation in der Sphäre von Gerüchten und können, aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst, eine eigene Dynamik bis hin zur Infomie entfalten. Ein weiterer begünstigender Faktor für Infodemien ist die Inkongruenz zwischen der begrenzten politisch kontrollierbaren Informationssphäre

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einer Stadt und einer über diese hinausreichende Öffentlichkeit, die sich den oftmals widersprüchlichen Informationen einer international diversifizierte Mediensphäre und damit den widerstreitenden nationalen Interessen, kulturellen Befindlichkeiten und nationalen Mediendiskursen ausgesetzt sieht. Die einzelnen Subjekte sind nicht nur der Informationspolitik einer Akteursgruppe – dem eigenen Staat – ausgeliefert, sondern sind in eine durch heterogene Akteure und Informationen geprägte Öffentlichkeit eingebettet. Hierzu gehörten im Fall der SARS-Berichterstattung auch die mitunter den lokalen Standpunkten widersprechenden Informationen aus anderen Staaten, sowie die Kommunikationsangebote supranational und international arbeitender Organisationen und Institutionen wie der WHO, dem CDC oder den Gesundheitsministerien und auswärtigen Ämtern anderer Staaten, sowie einer zunehmenden Menge nicht-staatlicher privater Akteure wie Unternehmen und Privatpersonen. Angesichts dieser Komplexität wird Public Intelligence – die Kenntnis von und Einflussnahme auf affektive Prozesse und zirkulierende Gerüchte und Informationen in der Öffentlichkeit – als ein unverzichtbares Instrument jeder mit den heutigen Globalisierungsproblemen umgehenden Regierungspolitik etabliert. Insbesondere bei der Übertragung von Expertenund Regierungswissen in die Öffentlichkeit müssen alle Informationen auch auf ihre affektive Wirksamkeit untersucht werden, um Paniken und unnötige Ängste zu verhindern. Public Intelligence muss sich hierfür moderner Monitoring-Verfahren, etwa der Überwachung von Blogs und Foren im Internet, bedienen: "Understanding the public's perception, emotional state, knowledge, attitudes and behavior is essential so that public […] messages, policies and actions meet the needs and expectations of the public, generate the greatest support from the community and will be effective public […] instruments."[14]

Public Intelligence bildet ein zentrales Arbeitsfeld jeder gouvernementalen Sicherheits- und Regierungspolitik. Erst wenn affektive Prozesse, Stimmungen und Meinungen der Bevölkerung in ihrer Entstehung und ihrem Funktionieren von der Regierung verstanden werden, ist es möglich, Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die sowohl den sachlichen Themen wie den affektiven Realitäten gerecht werden. Einige Lehren können hier aus der SARS-Krise in Hong Kong gezogen werden: Gegenüber der Bevölkerung ist es angesichts von neuen Infektionskrankheiten wichtig, absolute Transparenz bezüglich der tatsächlich ablaufenden Regierungsprozesse zu bewahren, gleichzeitig aber Horizonte, Kontexte und Per-

[14] Leung et al. 2004: 76

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spektiven aufzuzeigen, sowie Verständlichkeit und Orientierung in einer Flut von Informationen zu bieten. Hierunter fällt eine gegenüber den Bürgern verantwortliche und transparente Regierungsweise, eine angemessene und klare Kommunikation der Regierungsmaßnahmen, die Übernahme von Verantwortung für begangene Regierungsfehler, die stärkere Einbeziehung der Bürger in Entscheidungsprozesse wie in Regierungsmaßnahmen selbst. Dazu gehört aber auch die Bereitstellung von Infrastrukturen, die Individuen befähigen, die steigende Verantwortung angesichts neuer Risiken auch einschätzen und tragen zu können. Angesichts der Tatsache, dass medial transportierte Ängste als Rahmen für Politik immer wichtiger werden, kann der Stellenwert der Bildung von Medienkompetenz für eine breite Bevölkerung und der Einrichtung unabhängiger Medien nicht hoch genug bewertet werden. Nur nach Schaffung dieser Voraussetzungen wäre es möglich, zu einer vernünftigen Diskussion über die Verhältnismäßigkeit von Sicherheitsmaßnahmen und tatsächlichen Bedrohungen und einem progressiven Umgang mit dem Thema neuer Sicherheitsbedrohungen zu kommen. Die raumsoziologische Perspektive sensibiliert dabei für ein problematisch gewordenes räumliches Paradigma, das die Wahrnehmung globalisierter Probleme deutlich erschwert. Simulationen und neue Abbildungstechniken wie dynamische GIS-Kartenmodelle sind zwar geeignet, unterschiedliche räumliche Ebenen in ein Modell zu integrieren, und Phänomene, die mit Mobilität und grenzüberschreitenden Bewegungen zusammenhängen, sichtbar zu machen.Techniken wie die von der WHO verwendeten Monitoringsysteme GOARN und GSIS sind also wichtige Neuerungen, mit denen globale Sachverhalte problematisiert werden können.Wie sie jedoch genutzt werden, hängt von den Regierungen ab. Dabei erweist sich besonders das territoriale Denken von Nationalstaaten und Städten als hartnäckiges Problem. Absurderweise wurde im Fall SARS wie auch bei anderen durch Globalisierung brisant gewordenen Gefährdungen wie dem internationalen Terrorismus und der internationalen Migration von armen in reiche Länder eine Reaktivierung territorialer Vorstellungen betrieben, indem diese Gefahren als von "außen" kommend imaginiert wurden. Es ist paradox, dass gerade die für ihre internationale Vernetzung bekannten Städte New York, Madrid, Hong Kong und London angesichts der aus dieser Offenheit entstehenden Bedrohungen Phantasmen von Bedrohung und Sicherheit entwickeln, die auf einem überholt scheinenenden Begriff des Territoriums und den damit einhergehenden Strategien von Abschottung, Repression und Kontrolle basieren.

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Wir befinden uns in einer paradoxen Situation. Einerseits ermöglichen es heutige Medien und Computertechnologien, neue Risiken jenseits nationaler Grenzen als komplexe internationale Zusammenhänge wahrzunehmen; anderseits herrschen jedoch bei der Kommunikation dieser Risiken nach wie vor fixe Raumvorstellungen wie nationale Territorien und lokalisierbare Kulturräume vor. Die medial am stärksten diskutierten Risiken der letzten Jahre – Terrorismus, ansteckende Krankheiten und Migration – gruppieren sich um ein Phantasma einer von "außen" kommenden, in den Volkskörper eindringenden Gefahr. Ob es nun wie im Fall der Anfang 2006 grassierenden "Vogelgrippenpanik" kotende Zugvögel, oder aber Immigranten und Terroristen sind – die Repräsentation dieser Risiken verleiht oftmals einer Angst Form, die durch die Tatsache ausgelöst wird, dass es in einer vernetzten Welt kein "Außen" mehr gibt. Sie sind damit Ausdruck eines Zusammenbruchs räumlicher und zeitlicher Kategorien, mit denen wir unsere Welt seit jeher geordnet haben, und auf denen unsere nationale Gesellschaftsordnung basiert. Am Beispiel SARS zeigt sich, dass die globalen Gefahren – Krankheiten, Armut und Umweltverschmutzung – angesichts der heutigen Migrationen, der medialen Vernetzung und der Interdependenz von politischen und ökonomischen Systemen weltweit nicht mehr als "äußerlich" betrachtet werden dürfen. Es ist von erheblicher Bedeutung, dass Nationen wie Städte ihre Sicherheit nicht mehr von einem Territorium aus und damit als einen von Ein- und Ausschließung gestalteten Raum denken, sondern als Qualität in den Relationen zu anderen Räumen begreifen; dass sie weiterhin ihre Bürger nicht als "Gefahr" für den Staat oder lediglich als ausführende Arme ihrer eigenen Apparate betrachten, sondern als Agenten von und Experten für Lebenswelten, auf die die Regierung keinen Zugriff besitzt. Die eigentliche Gefahr liegt dabei nicht in der Verfälschung des Sicherheitsanspruchs und der Vorspiegelung eines Sicherheitsvertrags im Rahmen politischer Agenden, die etwa mit "innerer Sicherheit" die momentan grassierenden Ängste instrumentalisieren. Sie liegt in der mangelnden Bereitschaft, die tatsächlichen Probleme anzuerkennen und Lösungswege zu generieren und zu implementieren. Nationale Regierungen stellen damit selbst eines der größten Risiken dar, die heutige Gesellschaften bedrohen. Hierzu gehört das Insistieren auf nationalen Interessen angesichts internationaler struktureller Probleme wie dem Klimaschutz, der Organisation der Migrationen oder dem internationalen Terrorismus, welche nur in Zusammenarbeit miteinander gelöst werden

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können. Ein solches Verhalten der Regierung ist auch gegenüber den eigenen Interessen kurzsichtig. Regierungen müssen nicht nur anerkennen, dass sie angesichts neuer Bedrohungslagen im Zusammenhang mit der steigenden internationalen Verflechtung der Städte, der Privatisierung bestimmter Gesellschaftsbereiche und der steigenden Mobilität nur noch bedingt in der Lage sind, angemessene und wirksame Strategien zur Risikodefinition und Problemlösung erfolgreich im Alleingang umzusetzen. Auch wurde am Beispiel international organisierter Terroranschläge wie dem des 11. Septembers deutlich, dass die Fähigkeit zur Vorhersage von wahrscheinlichen Risiken unter den Bedingungen der Globalisierung sinkt. Die Abstimmung und Zusammenarbeit nationaler und internationaler Ebenen im Bereich der Problemdefinition und -kommunikation stellt m.E. eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre dar, damit sich nationale und internationale Verantwortungen nicht weiter wie bisher gegenseitig demontieren. Dabei spielt auch der Faktor Zeit eine Rolle: Die beschleunigte Entstehung neuer Probleme unterläuft häufig die Problemlösungskompetenz der staatlichen Institutionen.[15] Unter den Bedingungen neuer Sicherheitsprobleme ist es für die Sicherheit eines Systems auch relevant ob, zu welchem Grad und wie schnell neue Risiken in die bestehenden Sicherheitsdispositive integriert werden. Der Rückzug auf symbolische Politik und damit die Bekämpfung des Problems auf der Wahrnehmungsebene, wie sie momentan in vielen Gesellschaften durchgeführt wird, ist nicht nur an sich gefährlich, sondern wird angesichts vieler drängender Probleme wie dem Klimawandel oder dem Zuschreiten auf eine krisenhafte Ressourcenknappheit auch von Jahr zu Jahr prekärer. Die Reflexivität einer Regierung wird damit ebenfalls zu einem der wesentlichen Faktoren, die über die Aufrechterhaltung des Sicherheitsvertrags entscheiden.

[15] Glaeßner 2003: 2

Die Steuerung gesellschaftlicher Körper ist eine Aufgabe, für die städtische und nationale Regierungen immer noch mit den meisten Ressourcen ausgerüstet sind. Die Einbindung der Bevölkerung in die Regierung durch Formen von Governance scheint eine Möglichkeit darzustellen, wie die beschriebenen Probleme zu bewältigen sind. Gleichzeitig entsteht angesichts von Globalisierung ein Trend zur Stärkung der Städte und Metropolregionen. Städte bilden nicht nur ein Schnittfeld lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Regierungsprozesse, was eine Verhandlung zwischen diesen Ebenen auf der Ebene des Städtischen ermöglicht. Gleichzeitig stellen sie auch die Ebene des Politischen dar, die dem alltäg-

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lichen Leben der Menschen als verortetem am nächsten steht. Die Stadt ist deswegen der geeignete Ort, supralokale Prozesse auf der Ebene des Alltags zu politisieren. Das vergleichsweise neue und noch sehr heterogene Untersuchungsfeld, das sich um den Begriff Urban Governance bündelt, verbindet diese beiden Möglichkeiten.[16] Dabei erscheint eine qualitativ ausgerichtete Stadtsoziologie besonders an ihren Schnittfeldern zu anderen mit dem Phänomen des "Urbanen" beschäftigten Disziplinen (wie der Anthropologie, der Humangeographie, der Politikwissenschaft und den Cultural Studies) als geeignete Wissenschaft, dieses Forschungsfeld um die Perspektive der städtischen Bevölkerung im Rahmen von Regierungsprozessen anzureichern.

[16] S. für eine Einführung in das Thema Haus et al. (2005)

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159

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Cover:

Filmstill aus eigenen Videoaufnahmen

4:

Eigenes Foto

16:

SARS- Virus, www.kuleuven.ac.be

18:

Breitung 2002: 79

19 A:

Offizieller Internetauftritt der Region Pearl River Delta unter www.thegprd.com/index.asp

19 B:

Eigenes Foto

21:

www.brandhk.hk

22:

SCMP Archiv

24:

SCMP 4.4.2003: C3

25:

www.answers.com

28 A-C:

Moore, Andrew:Time Asia Fotoessay www.time.com/time/asia/photoessays/sars/hongkong/ index.html

28 D:

SCMP Archiv

29:

Dongfang, 5.5.2003, 1

30:

Filmstills Peter Chan: Memories of Spring 2003

31 A-C:

SCMP Archiv

33 A-B:

Eigene Fotos

35:

SCMP Archiv

36 A-C:

Moore, Andrew:Time Asia Fotoessay www.time.com/time/asia/photoessays/sars/hongkong/ index.html

37:

SCMP 10.April 2003

39 A-B:

Filmstills aus eigenen Videoaufnahmen

40 A-B:

Filmstills aus eigenen Videoaufnahmen

41 A:

Cover Time Asia Magazine. www.time.com

41 B-C:

Fotoessay Time Asia Magazine. www.time.com/time/asia/photo essays/sars/hongkong/index.html

43:

Werbekampagne Hong Kong Tourist Association

45:

SCMP 23.4.2003: C4

47 A-H:

Filmstills aus eigenen Videoaufnahmen

48:

Eigenes Foto

57:

Eigene Tabelle

64:

Filmstill aus eigenen Videoaufnahmen

66:

SCMP 23.4.2003: A6

67:

Mapping Atypical Pneumonia (SARS) http://facarts.hku.hk/geog/sars/ Nachträgliche Anfertigung des Department of Geography, University of Hong Kong

68:

SCMP 16.4.2003: C3

70 A-C:

Filmstills aus eigenen Videoaufnahmen

160

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

71 A-J:

Filmstills aus eigenen Videoaufnahmen

72:

Flyer aus der Bibliothek der Hong Kong University

73:

Hong Kong Information Services Department

76 A-O:

Filmstills aus eigenen Videoaufnahmen

79:

TCR: 5

81 A:

TCR: 26

81 B:

Eigenes Foto

81 C:

TCR: 26

81 D.

TCR: 20

81 E:

Eigenes Foto

82 A:

Eigenes Foto

82 B:

Clean Ngau Tau Kok Project Report, Civic Exchange.

82 C:

Clean Ngau Tau Kok Project Report, Civic Exchange.

82 D:

TCR: 18

82 E:

Clean Ngau Tau Kok Project Report, Civic Exchange.

83 A:

TCR: 17

83 B:

www.fehd.govhk

83 C:

Filmstill aus eigenen Videoaufnahmen

84:

Hong Kong Information Services Department

85:

TCR: 5

89 A:

TCR: 9

89 B:

TCR: 8

90 A:

Filmstills.The Hygienic Couple, API Information Services Department, www.isd.gov.hk./eng/api_more.htm#chk

90 B:

Filmstills. Mabel Cheung, Alex Law: Hong Kong Pilots. Filmstills www.isd.gov.hk/eng/tvapi.htm

90 C:

Filmstills. Peter Chan: Memories of Spring 2003, Panorama Entertainment

91:

1:99 VCD, Hong Kong 2003, Panorama Entertainment

92 A:

TCR: 32

92 B:

TCR: 32

92 C:

TCR: 33

94 A:

TCR: 15

94 B:

TCR: 26

94 C:

Eigenes Foto

95:

TCR: 36

97 A-C:

TCR: 35

99 A:

TCR: 20

99 B:

TCR: 18

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

99 C:

TCR: 26

99 D:

TCR: 26

99 E:

www.fehd.gov.hk

100:

List of Phase 2 Hygiene Blackspots. www.had.gov.hk/en/public_services/team_clean_corner /list_index.htm

101 A-B:

TCR: 34

102 A-B:

Marking Scheme. Hong Kong Housing Authority: Marking Scheme for Tenancy Enforcement, 4.1.2005 www.housingauthority.gov.hk/en/residential/prh/tenancymat ters/markingscheme/0,,,00.html#6947

104:

www.google.de

106:

Amoy Gardens Graphik, Next Magazine 3.4.2003: 36

108 A:

Drakakis-Smith 1979: 58

108 B:

Drakakis-Smith 1979: 49

109:

Drakakis-Smith 1979: 48

110 A-B:

Kwok et al. 1996: 114

110 C:

Kwok 1996: 113

110 D:

Kwok 1996: 113

111 A:

Drakakis Smith: 60

111 B:

Kwok 1996: 114

114:

Eigenes Foto

115 A:

Eigenes Foto

115 B:

Clean Ngau Tau Kok Project Report

116 A:

Filmstill aus eigenen Videoaufnahmen

116 B:

Eigenes Foto

116 C:

Clean Ngau Tau Kok Project Report

116 D:

Filmstill aus eigenen Videoaufnahmen

118:

Community Caritas Centre Ngau Tau Kok. Cover der Umfrage 1:99

122:

Eigenes Foto

124 A-C:

Next Magazine, 2.7.2003

124 D-E :

Eigene Fotos

161

162

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS CDC CEPA CPCE DHS FEHD GAO GIS GOARN GPS HRW KCR LegCo NIC NRO MTR PHE PRD RMB RSF SAR SARS SCMP TCIR TCR VR WHO

Centre for Disease Control Closer Economic Partnership Agreement Committee on the Promotion of Civic Education District Hygiene Squad Food and Environmental Health Department General Accounting Office Geographic Information System Global Outbreak Alert and Response Network Global Positioning System Human Rights Watch Railway Corporation Legislative Council Newly Industrialized Country Nicht-Regierungs-Organisation Mass Transit Railway Public Housing Estate Pearl River Delta Renminbi Reporters Sans Frontières Special Administrative Region Severe Acute Respiratory Syndrome South China Morning Post Team Clean Interim Report Team Clean Report Volksrepublik World Health Organization

163

DANKSAGUNGEN Herzlichen Dank für ihre Unterstützung, Mitarbeit,Teilnahme, Kritik und Hilfe an Prof. Dr. Gabriele Klein, Katie Luk, Greg Evans, Undine Bischoff, Alice Ho, Antje Looks und Jürgen Klein vom Goethe-Institut Hong Kong, Gloria Liu, Christine Loh und Yip-yip Yan von Civic Exchange, Prof. Esther Cheung vom Department for Comparative Literature an der University of Hong Kong, Judith Hollows, Fearbusters, Nury Vittachi, Geet Frank, Kevin Voigt, Isabella Chow, Familie Lau, Caritas Community Centre Ngau Tau Kok, Design Department Polytechnic University Hong Kong, John Erni, DAAD, Hergen Hillen, Britta Dombrowe und Nicole Albus, sowie dem Bund deutscher Akademikerinnen e.V. für einen Druckkostenzuschuss. Besonderen Dank für ihre tatkräftige und geduldige Unterstützung in allen Phasen des Arbeitsprozesses möchte ich an meine Eltern Li Zhen und Martin Roloff, Nicole Schadewitz, Melanie Haller, Lena Oswald, Katja Koggelmann, Martin Luce und Till Schneidereit aussprechen.

Materialitäten

Bastian Lange Die Räume der Kreativszenen Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin April 2007, 330 Seiten, kart., ca. 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-679-3

Evelyn Lu Yen Roloff Die SARS-Krise in Hongkong Zur Regierung von Sicherheit in der Global City Februar 2007, 166 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN: 978-3-89942-612-0

Robert Gugutzer (Hg.) body turn Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports 2006, 370 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN: 978-3-89942-470-6

Helmuth Berking, Sybille Frank, Lars Frers, Martina Löw, Lars Meier, Silke Steets, Sergej Stoetzer (eds.) Negotiating Urban Conflicts Interaction, Space and Control 2006, 308 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-463-8

Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de