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German Pages 527 [532] Year 1829
Table of contents :
Inhalt des dritten Bande
Viertes Buch. Don den wesentlichen Bestandtheilen des Priester-Polytheisms
Siebentes Buch. Von den wesentlichen Bestandtheilen des von der Leitung der Priester unabhängigen Polytheisms
Achtes Buch. Nothwendige Abschweifung über die dem Homer zugeschriebenen Gedichte
Die Religion, nach
ihrer Quelle, ihren Gestalten und
ihren Entwickelungen. Don
Benjamin Constant. Mit Vorwiffen des Verfassers aus dem Französischen übersetzt, und mit einigen Anmerkungen
Deutsch herausgegeben von
Dr. Philipp August Petri, Prediger zu Lüethorsi im Königreiche Hannover.
6 Xtyaiv, r- ol xgiial qtvaiv dv&QüHilvqv f/opev. lIXaTtov.
Dritter
Band.
Berlin, bei
G.
Reimer.
1 8 2 9-
Inhalt de-
dritten
SechsteVon
Bande-.
Buch.
den wesentlichen Bestandtheilen des Priester-Polythei-ms. Erstes
Capitel.
Don der Verbindung des Dienstes der Elemente und der Gestirne mit dem Fetischdienste. Zweites
12
Capitel.
Don der geheimen Lehre der Priesterschaften de< Alterthums. Viertes
7
Capitel.
Bon dem volk-mäßigen Theile de- Priester-PolytheiSms. ----Drittes
Seite
22
Capitel.
Beispiel der obigen Verhältnisse bei den Aegyptern.
72
Fünftes Capitel. Seite Beispiel derselben Verhältnisse in der Religion In diens. -------- 108
Sechstes
Capitel.
Von den Ursachen, bie diese Verhältnisse in Indien beschränkt haben, ohne gleichwohl über die Ein wirkung des Prlesterthums den Sieg davon zu tragen.................................................................. 213
Siebtes
Capitel.
Daß wir Beispkekö derselben Verhältnisse bei allen Völkern finden können, die Priestern unterworfen sind......................................................................... 266
S s e k> k e s
Buch.
Bestandtheilen des von der Leitung der Priester unab hängigen P-olytheisms. Von
den- wesentlichen
Erstes
Capitel.
Daß die im vorigen Buche geschilderten Verhältnisse keine Bestandtheile des PolytheismS sind, der den Priestern nicht unterworfen ist. -
Zweites
309
Capitel.
Von dem Zustande der Griechen in der rohen oder Heldenzelt. -------
313
Drittes Capitel. Von einigen Fragen, die beantwortet rverdcn müssen, bevor ich in meinen Untersuchungen werter gehe.
318
Viertes Capitel. . Sette Won dem Gesichtspuncte, aus welchem ich den Polytheism der Heldenzeit betrachten wlll. - 317 Fünftes Capitel. Verschönerung der Göttergestalten im Homerischen Polytheism.......................................................... 355
Sechstel Capitel. Von dem Character der Homerischen Götter.
-
366
970.
578 der Pelide den Leichnam seines besiegten FeindeS
verhöhnt, ihren Beifall.x)
Apoll nimmt, um den
Patroklos zu hintergehen, seine Zuflucht zu einer Hinterlist, über die ein Sterblicher erröthen würdet)
Die Kinder der Leto opfern ihrer Mutter eine unschuldige Familie.3 1)2
Here überliefert, um ihre
Rache desto ungehinderter zu befriedigen,
ihrem
Gemahle die Völker, die ihrem Dienste am eif rigsten ergeben waren, und ihre Altäre am sorg
fältigsten bedacht hatten. 4)
Alle Götter verfolgen
den Bellerophon mit ihrem ungerechten Haffe.5)
Andere Mahle find sie Anstifter des Verbre chens.
Hermes lehrt den Autolykos, geschickt zu
rauben.6)
Die dem Diomevr» zürnende Aphro
dite verführt feine Gemahlinn.7)
Um sich an
der Mutter Myrrha's zu rachen, reifet sie ihre
Tochter zu einem Verbrechen. 8)
Wenn Helena
von Gewissensbissen erschüttert zu werden scheint, 1) Ilia«, XXIV, 25. 26. 2) Daselbst, XVI, 785.790.
S) Daselbst, XXIV, 602*609.
4) Daselbst, IV, 40 * 63. 5) Daselbst, VI, 200-202. 6) Odyff. XIX, 395-398. 7) Schob Homer, ad Iliad. V, 412. 8) Schob Theocrit. Idyll. I.
579 zwingt sie sie, im Ehebrüche zu beharren, und eS
ist dieß keine sinnbildliche Darstellung.r) Liebe
Die
hat mit der neuen Schwachheit Helena'S
nichts zu schaffen.
Aphrodite zwingt sie dazu durch
rdhe, und fast grobe Drohungen.
Helena, aus
Furcht nachgebend, macht Aphrodite'» beleidigende
Vorwürfe, a) und ihre Rede ist vorzüglich wegen der Vorstellung bemerkenswerth, die sie von dem
Verhältnisse giebt, das nach der Religion der Hel denzeiten zwischen den Gittern und den Menschen
besteht.
Gleichwohl werden eben diese Gitter zu Gun
sten der Sittenlehre angerufen. Priamos beschwört den Achill, sich ourch seine Menschlichkeit gegen
ihn die Gunst der Unsterblichen zu erwerben.3 1)2 Menelaos bittet den Zeus, die gekränkte Freund
schaft und das Gastrecht zu rächen; aber man
muß das, was die Menschen sagen, von dem, was die Götter thun, unterscheiden.
Bittende
und Gekränkte reden in ihren Bitten mehr die Sprache ihres Vortheils, als die ihres Glaubens.
1) S. was ich über die flnnbildlichr Darstellung zu Anfänge dieses Capitels gesagt habe. 2) Ilias, III, 390=420. 3) Ilias, XXIV, 503.
—
38o
—
Bei Prüfung der Religionen hält man zu
weilen Lehren, die mehr das Bedürfniß des Bei
stände- der Götter, als ihren wahren Eharacter bezeichnen, für ein vollständiges System der Sitten
lehre.
Man rühmt ihre Gerechtigkeit, wie man
die Gerechtigkeit der Könige rühmt, um sie zu vermögen, gerecht zu. seyn.
Was die Menschen
in der Leidenschaft von ihnen erflehen,
beweist
nicht, was sie von ihnen hoffen; sie rufen sie an, weil der hülflose Schmerz und die ohnmächtige
Erbitterung sich ohne Unterschied an alle Gegen stände wenden, die sich ihnen darbiethen.
Selbst
ehe die Rettgwn der Sittenlehre pflichtmäßig zu Hülfe kömmt, rufen die Mensch«» die Gitter gegen
die Ungerechtigkeit um Beistand an,
wie bei'm
Sophokles der von aller menschlichen Hülfe ver
lassene Philoktet die Felsen, die Berge, die Wälder von Lemnos, diese stummen und gefühllosen Zeugen seiner Verzweifelung, um Rache an Odysseus an
ruft. *)
Diese Anrufung unsichtbarer Kräfte beweist
das Unglück, nicht aber das Vertrauen. Diese Bemerkung leidet sogar auf die Be strafung
des Meineids Anwendung,
1) Sophocles, Philoct. 981, 986
welche die
581 Götter gleichwohl von Amtswegen verhängen müssen. Es ist Agamemnon, es ist Jdomenrus, es sind
Griechische Heerführer, welche den Trojanern, die
sich dieses Berbrechens schuldig gemacht haben, verkünden, daß der Zorn deS Himmels über sie kommen werde; *) und es muß dabei bemerkt
werden, daß die Folge ihre drohende Borherver kündigung nicht rechtfettigt.
Richt daß daS Schick
sal den Fall Troja'S beschlossen hätte, weil die
Trojaner einen Meineid begehen, sondern die Götter
reitzen die Bewohner Troja's vielmehr, den Krieg durch einen Eidbruch zu erneuern, um die Zer
störung des noch unschuldigen, wenigstens dieses Verbrechens noch nicht schuldigen, Troja herbei zuführen.
Troja, das bestimmt ist, im zehnten
Jahre der Belagerung zu fallen, °) fällt darum, weil die Trojaner einen Vertrag brechen, weder früher, noch später.
Der Olymp bleibt zwischen
den Vertheidigern und den Feinden jener Stadt
getheilt.31) 2 Die Götter, welche sie beschützen, sagen sich nicht von ihr los, weil sie die Heiligkeit deS
Eides verletzt hat.
Sie sind darum nicht weniger
1) Ilia», IV, an mehren Stellen. 2) De« Kalcha« Vorherverkündigung in der Ilia«.
3) Ilia«, IV, 439. 507. 516$ XX, 32.
38» bemüht, die Unglücksstunde der Stadt, welche fie
lieben, durch alle in ihrer Macht stehende Mittel zu verzögern.
Auch wissen die Menschen nur zu gut, wie erfolglos ihre Zuflucht zu der Gerechtigkeit der
Götter ist.
Derselbe Agamemnon, welcher den Zeus
um Hülfe anruft, beschuldigt ihn bald darauf der
Lüge und der Treulosigkeit;*) und Menrlaos hält sich in demselben Augenblicke, in welchem er ihn
anruft, wegen aller Leiden, die ihn treffen, an ihn.1 2)
Diese Wesen, die sich das religiöse Gefühl
geschaffen hatte, um das Bedürfniß der Anbethung bei ihnen
zu befriedigen,
werden eher Gegen
stände des Haffes und der Furcyt, als der Liebe und
der Hoffnung.
Agamemnon bedient sich,
indem er vom Als redet, eines Ausdrucks, welcher bemerkt zu werden verdient.
Als, sagt er, ist
unerbittlich und unbiegsam; er ist von allen Göt tern derjenige, welchen die Sterblichen am meisten
Haffen. 3)
Die Völker sind gegen die mächtigen
aber treulosen Hülfebringer, denen sie sich unter
worfen haben, auf ihrer Huth. Diese fesseln sie in 1) Ilias, IX, 18. 25. 2) Daselbst, XIII, 629 u. ff.
3) Ilias, IX, 158. 159.
385
ihren Tempeln, damit sie sich nicht mit ihren an
Eidschwüren und Versprechungen reichen Feinden verbinden könnens) jene sprechen ihre heiligen Nahmen nur mit leiser Stimme aus, damit Fremde nicht lernen, wie man sie anrufen muß, und so außer Stande sind, sie zu verführen. 1 2) Als AiaS
sich zu'm Kampfe mit Hektor anschickt, ermahnt er die Griechen, ganz leise zu flehen, damit die Trojaner sie nicht hören können. 3)
Alle Völker
1) Die LakedLmonier hatten eine Bildsäule von eipem ge fesselten Ares; die Athener hatten der Nike die Flügel
genommen. Jene, sagt Pausanias, (Lacon. 15.) waren der Meinung, daß fie Ares in Ketten nicht würde ver lassen können, und diese, daß die ivrer Flügel beraubte Nike auf immer lynen bleiben würde. AlS diese rohen Vorstellungen reineren Begriffen Platz gemacht
hatten, ersannen die Griechen andere Gründe, Götter in Fesseln zu legen, oder, bestimmter zu reden, sie
erklärten auf eine andere Weise, warum gewisse Götter
angefeffelt waren.
Die Kunst, sagten sie, hat ihnen
Leben und Bewegung gegeben; man muß sie fesseln,
um sie zu bewahren.
(Jacobs, Ueber den Reichthum
der Griechen an plastischen Kunstwerken, (Gotha, 1810.)
S. 17.) Auf solche Weise verschwinden bte ersten Vor
stellungen, die Gebräuche bleiben; man findet neue Gründe für sie. 2) Helenoö schlägt den Trojanern vor, Pallas zu verführen. (Ilias, VI, 89.) 3) Ilia-, VII, 194*196,
Er setzt dann hinzu: „Oder viel-
584 geben zu, daß fich die Nationen durch reiche und
geschickt angebrachte Spenden ihre Götter wechsel
seitig rauben können.x)
So gehören folglich die
mehr flehet ganz laut, denn wir haben nichts zu fürch ten." Diese letzte Aufwallung ist dcmCharacter deS Aias, dessen Muth unS immer als feurig dargeftellt wird, ange messen; aber die erste Empfehlung stimmt zu den Sitten der Zeit. Wir werden sehen, wie die Römer, in einer noch regelmäßigeren Form, dieselbe Vorsicht gebrauchen. 1) LlS die Aegineten fich gegen die Epidaurier empört hat ten, raubten sie ihnen die Bildsäulen der Damia und Auxesia, der Schutzgöttinnen von Epidauro«, und mit Demeter und Persephone eins. Sie stellten sie mitten auf ihrer Insel auf, und suchten durch Opfer, die sie ihnen darbrachten, sich ihre Tunst -u erwerben. (H erodot.V,83. Pau« an. 11,32; ¥111,53. Festus, voce Darnium sacrihc. M«crob. Lat. VII, 12.) Diese Feilheit der Götter war ein so oagcumner Glaube, daß eS die erste Sorge der Griechen war, wenn sie sich eines Landes bemächtigten, die Götter desselben zu ver führen. Als Solon Salamis erobern wollte, fing er damit an, den Helden PeriphemoS und KychreuS, welche die Häupter des Landes gewesen waren, Opfer zu brin gen. (Plutar ch. in Solon.) OxyloS that bei dem Einfalle in EliS dasselbe. (Paus an.Elid. II.) Zu dieser Meinung gesellte sich eine der Würde der Götter nicht minder nachtheilige Vorstellung, die Vorstellung nähmlich, daß die Götter gezwungen wären, ihren Standbildern zu folgen, selbst wenn man diese mit Gewalt nahm. Allein diese Vorstellung ist keine rein Griechische; eö ist eia Priefterbegriff, der wahrscheinlich nach Griechenland verpflanzt worden war.
585 Götter in diesem Zeitpuncte der Religion, so zu sagen, allzeit dem Meistbiethenden.
Ihre Gunst
ist kein Beweis des Verdienstes, ihr Haß macht
weder Schimpf noch Schande. Der Gehorsam gegen ihre Befehle ist ein Mittel, ihnen zu gefallen, aber keine Tugend; Widerstand oft ein Mittel,
Ruhm zu erlangen, oder gar einen günstigen Erfolg davon zu tragen.
gelangt Herakles
Wider den Willen der Here
in den
Olymp;
wider den
Willen Poseidon'- sieht LdyffeuS Ithaka wieder. Wenn die Götter ihren Günstlingen zu Zeiten gewisse Eigenschaften, zu'm Beispiele, Klugheit,
Mitleiden, *) Muth, einflößen; so geschieht das bei einer besonderen Veranlassung, zu einem be
stimmten Zwecke; 1 2) es ist ein Wunder, eS ist Feerei.
ES handelt sich nicht um sittliche Besse
rung,
um eine feste und unveränderliche Regel
des Verhaltens; denn ein anderes Mahl lehren 1) Der Beweis, haß dieß nicht allgemein gilt, ist der, daß, al» Agamemnon in einer Rede von gränzenloser Roh heit und Grausamkeit auf das Flehen des entwaffneten Adrast antwortet, und den MenelaoS verhindert, ihm dat Seben zu schenken, die Gitter diese Grausamkeit ganz und gar nicht mißbUligrn. 2) Ilias, ix, 255. 256; XX, 110. Dritter Band.
25
zS6 sie daS Gegentheil von solchen Eigenschaften. Di« Götter haben Dir ein grausames und hartes Herz gegeben, sagt Aias zu Achill.') Eifersucht ist ein wesentlicher Theil ihres Cha rakters. Sie sind, sagt Homer,2) nicht bloß eifer süchtig auf den Erfolg, sondern auch auf die Geschicklichkeit und das Talent. Jedes sterbliche Glück macht den göttlichen Stolz rege. 3) Dieser unversöhnliche Stolz erwartet Menschen und Reiche auf dem Gipfel deS Glücks, um sie in den Ab, gründ zu stürzen. 1) Ilia«, IX, 636.
2) Daselbst, VH, 455. 3) Dieser Begriff vo» der Eifersucht der Sitter geht durch
otte Zeiträume M religiösen Glauben-, ohne je ganz za erlöschen.
Indem euere- eben die Vorsehung läugnet,
erkennt er eine eifersüchtige und boshafte Macht an. die'sich darin gefällt, menschliche Größe -u stürzen.
Usque adeo res humanas vis abdita quaedam Obterit, et pulehros fasces saevasqne sectrres Proculcare, ac ludibrio sibi habere videtur. V, 1232. 4)
Maa
findet
bei
den
neueren Griechen
eine ziemlich
merkwürdige Spur von der alten Vorstellung, daß die
Götter auf alle- rn-gezeichnete eifersüchtig sind.
Sie
haben den Glauben, Lobeserhebungen könnten der Per son,
die der Gegenstand derselben, oder der Besitzer
der bewanderten Sache
ist,
großes Unglüek ^ziehen,
und bitten den unvorsichtigen Lobredner inständig, die
387 Die Götter, die solcher Gestalt in Len sitt. lichen Eigenschaften, mit denen das religiöse Gefühl sie so gern geschmückt hatte, wieder erniedrigt wer den, verlieren zu einem großen Theile auch die Beizeichen, die es ihnen in seiner Ehrfurcht ver liehen hatte, als Unendlichkeit, Unermeßlichkeit, Ewigkeit, sogar die Unsterblichkeit. Ihr Blick reicht weithin, weil sie auf dem Gipfel der Welt wohnen; allein sie sehen nicht alle-, was darin vorgeht. *) Wenn sie von den Begebenheiten der Erde unterrichtet seyn wollen, schicken sie Bothen hinab, die sie ihnen berichten. 2*)1 Um die Tro janer und Griechen zugleich sehen zu können, begiebt sich Zeus auf den Ida.3) Während er seine Blicke auf Thrazien richtet, bringt Poseidon, Folgen seiner Lobsprüche durch irgend ein Zeichen von Geringschätzung, daS den himmlischen Zorn entwaffne, abzuwendcn. (Pouqueville, Voyage en Morde.) 1) Die Vorstellung, daß die Götter nicht AllcS wissen, erhielt sich noch lange nach der Zeit deS Homerischen PolytheismS bei den Griechen. Xenophon sagt: ,,Die meisten Menschen sind der Meinung, daß die Götter gewisse Dinge wissen, und andere nicht wissen, allem Sokrates glaubte, daß die Götter AlleS wissen." Memorab. Socrat. I, 1; LI, 19. 2) Ilia- und Odyssee, an mehren Stellen. 3) Daselbst, V1U, 51; XI, 81; XX, 22.
588
gegen seinen Befehl, den Griechen Hülfe, und Poseidon selbst würde die Gefahr dieser Griechen, die er begünstigt, nicht gekannt haben, wenn er
nicht von dem Gipfel eines Berges herab, auf den er sich zufällig gesetzt hatt», ihre Flotte bedroht
und die Trojaner siegen gesehen hätte. *)
ASka-
laph wird ohne Wissen des Ares, seines Vaters, getödtet, e) der seinen Tod erst aus dem Munde der Here erfährt. 3 1)2 Obgleich der Scharfblick die
unterscheidende Eigenschaft der Pallas seyn sollte;
so beklagt sie sich doch bitter, die Zukunft nicht vorhergesehen zu haben. 4)
Die Götter erfreuen
sich deS Tageslichts nicht eher, als bis EoS es ihnen wiederbringt; 5) oft fallen sie in Schlaf,6)
oder unterliegen der Anstrengung. 7)
Here wirft
dem ZeuS vor, ihre Arbeiten und ihren Schweiß,
so wie die Anstrengungen ihrer Rosse, unnütz zu 1) 2«a« und Odyff. XIII, 3. 16. 2) Zlias, XIII, 521.
3) Daselbst, XV, 110. 112. 4) Daselbst, XVIII, 366. 5) Daselbst, II, 48.5S; XI, 1. 2. Odyff. III, 1.2; V, 1.2. 6) All« Götter schliefen, Herme« ausgenommen.
Ilia«,
XXIV, 677. 678.
7) Daselbst, II, 1.2; XIV, 233; XV,4.11; XX1V, 677. 678.
589 machen. *)
Hermes beklagt sich,
über den un,
wirthlichen Ocean, eine unendliche und öde Fla
che, die menschliche Wohnungen nicht verschönern, eilen zu müssen.
Wollen sie ein Heer in die
Flucht schlagen, so mißtrauen sie ihrer natürlichen
Stärke,
und nehmen ihre Zuflucht zu Mitteln,
die zu den Zauberkünsten gehören,
und dadurch
um so mehr die Unzulänglichkeit der Götterkräfte verrathen. 1 2)
Sie schwingen vor den Augen der
Kämpfer die furchtbare Egis, die überall Schrecken verbreitet. 3)
Allerdings sind sie im allgemeinen
stärker, al« bi« Manschen.
Pallas flößt mit einem
Hauche den Speer Hektor's zurück. 4)* Here ereifert sich, auf Hindernisse in einer Unternehmung zu stoßen, die sogar ein Sterblicher würde zu Stande
bringen können. $)
Achill erkennt schaudernd, daß
Apoll seiner Rache Trotz biethen kann. 6)
Aber ihre
Kräfte sind darum nicht weniger beschränkt.
Ihre
Schönheit verdanken die Göttinnen dem ambro1) Sita#, IV, 26-28» 2) Der Helm des Als matte den Sott, welcher ihn trug, unsichtbar. Ilia«, V, 846. 3) Odyff. XXII, 297.298. 4) Ilias, XX, 437. 438. 6) Daselbst, XVIII, 362 -367. 6) Daselbst, XXII, 19. 20.
59o
fischen Lehle, *) diesem unsterblichen Lehle, das ihren Reitzen einen neuen Glanz giebt; ihr reines
Blut dem Umstande, daß dieselbe Ambrosia den unter dem Steine zerriebenen Waitzen und die von dem Winzer getretene Traube vertritt; °) ihr schnelles Kommen und Gehen der Schnelligkeit
der merkwürdigen Rosse,
von denen sie gezogen
werten;3 1)2 4 denn die Gitter können auf die Men schen nicht einwirken, ohne sich ihnen zu nähern,
und ihr bloßer Wille würde sie nicht von einem
Orte zu einem andern versetzen sinnen.
Pallas
und Hermes haben wundervolle Sohlen unter den
Füßen, *) die sie auf dem unermeßlichen Meere und auf der weithin sich ausdehnenden Erde tragen. Sie nehmen nach Gefallen jede Gestalt an,5) aber
sie werden. Trotz ihrer Verkleidung, oft erkannt. 6) Die einzige unbeschränkte Eigenschaft der Götter
ist das Gehör.
Sie hören Alles, obgleich sie nicht
1) Ilia», XV, 320«323. 2) Odyff. V, 211*218. 3) Ilia«, V, 339. 4) Odyff I, 96*98$ V, 44*46. 5) Ilia«, IV, 389. 390. 6) Daselbst, II, 790*795; UI, 121*124 und an mehren
Stellen.
39i Alles sehen.z)
Die Menschen bedürfen eS, daß
die Gitter hören, nicht aber, daß sie sehen können.
Ein stumme- Volk würde seinen Göttern ein viel schärfere- und weitere- Gesicht geben.
Die Borstellung de- Todes scheidet sich sehr schnell von den Meinungen de- Menschen über das göttliche Wesen.
Da der Tod da- ist, roaS
er am meisten fürchtet,
so eilt er, die Götter
von dieser harten Bedingung seine- eigenen Lebens zu befreien.
Indessen sind die Götter Homer'S
in der vollen Bedeutung dieses Wortes noch nicht
unsterblich.
L>kr Schwäche» Vc6 Alter- verschonen
sie nicht immer.
Unvorhergesehene^ Unfälle, ihre
innere Zwietracht, die Kühnheit der Menschen, können ihrer Laufbahn ein Ziel setzen.
Herakles
stiehlt den Delphischen Dreifuß; Apoll will mit
ihm kampftn und ihn tödten, und Zeus eilt, seine beiden Söhne zu trennen.
Hephästos, der
von seiner Mutter vom Himmel hinabgestürzt wird, rettet das Leben nur durch den Beistand der The tis. s)
Vom Schlafe getäuscht, sucht ihn Zeu-
im ganzm Olymp, um ihn in den Wellen um1) Ilia«, in, 396. 397; XVII, 322. 323. 2) Daselbst, XVI, 615. 616.
59» kommen zu lassen.l)
Don den Aloiden in Ket
ten gelegt, stufet Ares dreizehn Monathe lang In
einem finsteren Kerker, und schon war feine Kraft erschöpft, als Herme- ihn befreite.2)
Bon dem
Schicksale seines Sohne- Askalaph unterrichtet,
schwört derselbe Gott, ihn zu rächen, sollte er auch von der Hand des Zeus sterben müssen. 3)4
Endlich hatte, zu Folge einer, und wahrscheinlich der ältesten von den Griechischen Sagens) der
Schwur bei'm Styx seinen Ursprung von dem Glauben erhalten, daß das Wasser diese- Flusses
für die Götter rövriich fty.
I.» uti Folge kamen
andere Sagen, statt dieser, auf; der Schwur bei'm
Styx war ein unverletzbares Gelübde, berichten uns Hesiod 5) und Heliodor,6) weil Styx, die
Tochter des LkcanoS, die auftührerischen Titanen bekämpft hatte.
So folgen die Mythen auf ein
ander, wenn die Vorstellungen wechseln. 1) Ilias, I, 591.592; XVUI, 395. 398. 2) Daselbst, XIV, 257. 258.
3) Daselbst, V, 385. 4) Daselbst, XV, 116. 118. 5) ©. Herrmann, Abriß der Griechischen Gitterlehre nach Homer und Hesiod. 2h. 1. kung zu Herodot, VI, S. 101.
6) Hesiod. 397.
Larcher, Anmer
395 Bis zu'r menschlichen Natur erniedrigt, nehme»
die Gitter nun auch die Sitten und Gewöhn«
heiten der Menschen an.
HephästoS, den Aphro
dite betrogen hat, fordert von ihrem Vater die Geschenke zurück,
die er ihm gemacht, um die
Hand dieser ungetreuen Göttinn zu erhalten.x)
Zeus giebt seiner Tochter Persophene Sicilien. ®) Nachdem Ares den Sohn Poseidon'- getidtet hat,
wird er auf dem Hügel, wo der Areopag feine Sitzungen hielt, von einem Gerichtshöfe von Git tern gerichtet.
Apoll singt und weißagt bei den
himmlischen Nesiea, wie tote Rhapsoden und Wahr sager bei den Gelagen der Könige.
Als Artemis
und Apoll den Drachen Pytho getidtet haben,
kommen sie zu'm Aegialeus, um von diesem Morde
gereinigt zu werden; und nachdem derselbe Gott einen Räuber, der Delphi beraubt, getidtet, läßt er sich auf Kreta reinigen.
So lange der Ge
brauch der Wagen bei den Sterblichen selten ist, gehen die Götter zu Fuße.
Meere, Berge und
Wüsten legen ihren Wanderungen Hindernisse in
den Weg.
Sie vermeiden auf ihren Reisen die
1) Odyff. VII, 313. 2) S. über dieß vom Himmel auf die
Erde gebrachte
Lnakalypterifche oder Hochzeit-geschenk, Diodor, V, i.
594 unwirthlichen Gegenden, die ihnen die Nahrung versagen würden, welche für sie gehört, eine Nah
rung, welche oft der der Menschen gleicht, oder
sich höchstens nur dadurch von derselben unter scheidet, daß sie aus einem reineren und mehr
ätherischen Stoffe besteht.*) Die Feste der Götter sind eine sehr auffal lende Nachahmung der Gewohnheiten
der Erde
in einem Zeitraume, wo die physischen Genüsse
ausschließlich die wenigen Augenblicke ausfüllten,
die der Krieg den Häuptern der Völker übrig lies. Bei diesen Festen nehmen Ole Törrer, vke sich zu
andern Mahlen mit dem Lpferrauche zu begnügen
scheinen, ihren Theil menschlicher Speise zu sich.
Zeus weilt gern bei den Aethiopiern, deren Fröm migkeit glänzende Tische für ihn anrichtet, deren
köstliche Gerichte ganz geeignet sind, seine er schöpften Kräfte zu stärken, und ihm von seinen 1) Zuweilen begnügen sich die Götter Homer'- bloß mit
dem von den Opfern aufsteigendem Rauche; andere Mahle scheinen sie von den Speisen, die man ihnen austrägt, wirklich zu effen.
Verzeihen wir den Griechen^ diese
rohen Vorstellrurgen. Noah, sagt die Genesis, opferte
bei'« Herausgehen au- der Arche, und der Herr roch
den lieblichen Geruch. (1 Mos. VIII, 20. 21.)
295 Anstrengungen Erhohlung zu gewähren.x)
Die
mit Bestellung einer Dothschast auSgeschickte Inkann sich ihres Auftrages nicht ftüh genug entle digen, um nach Aegypten zuröckzukehren, und ihren
Antheil von einem Feste zu erhalten. *) Poseidon vergißt bei Tische seinen Haß gegen LdyffeuS,
bringt in Aethiopien siebzehn Tage zu, und ge
wahrt den König von Ithaka erst am achtzehnten.31)2 1) Ilia», I, 423-425. 2) Daselbst, XXIII, 205. 208.
3) Odyff. I, 26. Diese GLtterfeste, Leren Schauplatz, wie man steht, fast immer bei den Aetbiopiern ist, können auf eine Aegyptische oder Aethiopische Feierlichkeit Bezug gehabt haben. Alle Jahr kamen nähmlich die Aethiopier nach Theben in Aegypten, höhlten die Bildsäule beS Jupiter Ammon, brachten ste auf ihre Gränze, und feierten daselbst ihm zu Ehren ein Fest. (Diodor. II. Eustath. ad Iliad.) Dieß Fest, daü wahrscheinlich zwölf Tage dauerte, weil man annahm, daß die Home rischen Götter zwölf Tage in Aethiopien verweilten, (Poseidon macht stch den Borwurf, sich daselbst noch län ger verweilt zu haben,) hatte offenbar eine astronomische Bedeutung. Die Scholiasten Homer'- deuten es an (S. die von Billoison herausgegebenen Scholien); aber Homer, oder richtiger, die Verfasser der Ilia- bezwei felten es nicht. Der Ursprung und geheimnißvolle Sinn der Mythe war in Griechenland in Vergessenheit gera then, und nur die buchstäbliche Bedeutung hatte stch in der Meinung des Volks erhalten.
—
S96
—
Für solche Wesen kann der Mensch keine tiefe
Ehrfurcht hegen, und indem ihr Wille aufhört, geachtet zu «erden, wird er lästig.
Der Mensch
versucht demnach, sich von ihnen loszumachen, und bei einem rohen Volke, dessen sämmtliche Gewohn
heiten kriegerischer Art sind, gränzt der Gedanke deS Widerstandes an den des Kampfes; auch sehen
wir kühne Krieger die Unsterblichen angreifen, sie verwunden, sie in Fesseln legen.
Ltos und Ephi-
altes werfen den Ares in einen Kerker, und lassen
ihn über ein Jahr darin
schmachten; *) Idas
kämpft mit Wurfspießen gegen Veu «poll;") Di
onysos entkömmt dem Lykurg durch die Flucht;3)
Laomedon droht dem Phöbos und dem Poseidon, sie auf irgend eine entlegene Insel bringen, und
nachdem er ihnen die Ohren abgeschnitten, ver kaufen zu wollen.4) Diese Kämpfe sind bei Homer keine sinnbildliche Darstellungen, sondern Sagen, die dem Geiste einer Religion, die in den Göt tern nur mächtige Menschen sah, völlig entsprechen.
AlS Aphrodite von Diomed verwundet wird, «rlei’l) Ilia«, V, 385. 2) Das. IX, 555. 556. 3) Das. V, I3Y.
4) Das. XXI, 453--455.
597 bet sie furchtbare Schmerzen, und würde den Olymp
nicht erreichen können, wenn ihr Are- nicht seinen Wagen und seine Rosse anb-the.x)
Bald darauf
entkömmt dieser Gott selbst nur mit genauer Noth dem Sohne des Tydeus, und wenig fehlt, so
tödtet oder verstümmelt ihn der Streich, den er empfängt.a)
Herakles trifft, vor seiner Ber-
götterung, die Here mit seinen Pfeilen in die
Brust,3) und den Als in die Schulter;*) der elndringende Pfeil bleibt darin sitzen,5) und der
Herr der Unterwelt schleppt sich mit Mühe zu'm Himmel, tvv PLV» nur geschickter Hand das Blut
stillt und die Wunde heilt.6) Bleiben wir hier stehen, um zu erwägen, wie
weit und auf welche Weise die Götter von ihrer ursprünglichen Bestimmung abgekommen sind. Der Mensch hatte sie für sich geschaffen, und siehe!
sie sind nur noch für sich selbst da.7) 1) Ilia«, V, 290«335 ?
Obwohl
354-358.
2) Das. V, 858. 885.
3) Das. V, 392. 4) Das. V, 395. 5) Das. V, 397.
6) Das. V, 407; VI, 130. 7) H«rr v. Shattaubriand hat diesen Charakter der Home rische» Gitter sehr gut erkannt.
Da- Paradie«, sagt
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ein jeder von ihnen ein besonderes Geschäft hat, und der Regierung irgend eines Theils der Natur vorsteht, so haben sie nichts desto weniger einen persönlichen Character. Sie leben unter sich, von ihren Leidenschaften verzehrt, in ihre Eifersucht, ihre Zänkereien versunken, x) richten sich nach den Gewohnheiten der Sterblichen, aber spotten der Bewohner der Erde. Hier offenbart sich auf eine sehr merkwürdige Weise jene Macht der Logik, von der ich weiter oben gesprochen habe. Da die Götter auf die Bitten des Menschen antworten, seinen Bedürfnissen «bholfon foffon; so wäre es besser für ihn gewesen, wenn er ihnen keine Leiden schaften beigelegt hätte, da diese den Gütern, die er von ihnen zu erhalten hofft, oft im Wege sind; allein die Bildung einer menschlichen Gesellschaft hatte auch die Bildung einer göttlichen zu'r Folge gehabt. Es gehört aber zu'm Wesen einer Gefell
1)
er, beschäftigt sich mit den Menschen weit mehr, alt der Olymp. (Gdnie du christianisme, I, 481.) Sie sind sich, wie die Sterblichen, an Kraft und Stärke einander nicht gleich. Poseidon sagt zu der Here, daß die Gitter, welche die Griechen beschützen, diejenigen Götter, welche es mit den Trojanern halten, nicht anzugreifen brauchten, weil diese viel schwächer wären. (Ilias, XX, 132. 135.)
399 schäft, besondere Beziehungen zu haben.
Die Ge
sellschaft der Götter mußte sich folglich mit den
ihrigen beschäftigen, und die Menschen nur alS
Beiwerk betrachten.x)
Die menschliche Vernunft
ist Gesetzen unterworfen, die ihre Wünsche nichts
angehen.
Kaum hat sich der Mensch zu seinem
Gebrauche Götter gemacht, so bemächtigen sich diese
Gesetze auch schon derselben, und rauben sie ihm. Doch Geduld!
Wir werden bald sehen, wie er,
bei seinen Bemühungen beharrend und in seinen
Hoffnungen unermüdlich, von neuem sich jener Götter,
deren er hedarf, bemächtigt, und daß
Bündniß, dessen er nicht entrathen kann, mit den
Wesen, die ihm entschlüpft sind, erneuert. 1) Homer drückt diese Vorstellung in zwei wegen ihrer Bitterkeit characteriftischen Versen aus.
Die Götter, sagt er, haben den elenden Menschen die Angst und den
Schmerz zvgetheilt; sie selbst leben glücklich und sorglo-. (JliaS, XXIV, 525. 526.)
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