Die Psalmen I. Psalm 1-50 9783429021337

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Die Psalmen I. Psalm 1-50
 9783429021337

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r DIE NEUE ECHTER BIBEL Altes Testament hrsg. von Josef G. Plöger und Josef Schreiner

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Buch

Autor

Lieferung

Genesis

Josef Scharbert, München

5: Kap. 1-11 16: Kap. 12-50

Exodus Levitikus Numeri Deuteronomium

Josef Scharben, München Walter Kornfeld, Wien Josef Scharbert, München Georg Braulik, Wien

24

Josua Richter Rut Samuel 1 Samuel 2 Könige 1 Könige 2 Chronik 1 • .• Chronik 2 Esra Nehemia Tobit Judit Ester Makkabäer 1 u. 2 Ijob Psalmen

Manfred Görg, München Manfred Görg, München Josef Scharbert, München Georg Hentschel, Erfurt Georg Hentschel, Erfurt Georg Hentschel, Erfurt 10 Georg Hentschel, Erfurt 11 Joachim Becker, Simpelveld 18 Joachim Becker, Simpelveld 20 Joachim Becker, Simpelveld 25 Joachim Becker, Simpelveld 25 Heinrich Groß, Regensburg 19 Heinrich Groß, Regensburg 19 Werner Dommershausen, Trier 2 Werner Dommershausen, Trier 12 Heinrich Groß, Regensburg 13 Erich Zenger, Münster Frank Lothar Hossfeld, Bonn 29: Ps 1-50 Hans F. Fuhs, Paderborn Norbert Lohfink, Frankfurt 1 Günter Krinetzki, Passau 2 23 Armin Schmitt, Regensburg Friedrich Vinzenz Reiterer, Salzburg Rudolf Kilian, Augsburg 17: Kap. 1-12 Josef Schreiner, Würzburg 3: Kap. 1-25, 14 9: Kap. 25, 15-52, 34 Heinrich Groß, Regensburg 14 Josef Schreiner, Würzburg 14 Hans F. Fuhs, Paderborn 7: Kap. 1-24 22: Kap. 25-48 Ernst Haag, Trier 30 Alfons Deissler, Freiburg 4: Hosea - Joel - Amos 8: Obadja - Jona - Micha Nahum - Habakuk 21: Zefanja - Haggai Sacharja - Maleachi

Sprichwörter Kohelet Hoheslied Weisheit Jesus Sirach Jesaja Jeremia Klagelieder Baruch Ezechiel Daniel Zwölfpropheten

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15: Kap. 1-16,17 28: Kap. 16,18-34,12 26

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Frank-Lothar Hossfeld / Erich Zenger Die Psalmen I

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Frank-Lothar Hossfeld / Erich Zenger

Die Psalmen I Psalm 1-50

Echter Verlag

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Hinweis

Wir legen hiermit in erster Lieferung einen umfangreichen Psalmenkommentar vor (zu Psalm 1-50). Dazu haben uns zwei Gründe bewogen: 1. Jeder Psalm ist ein eigenständiger Text, der wie ein biblisches Buch, das sich unter inen bestimmten Verfassernamen stellt oder eine fortlaufende Darstellung bietet, einer eigenen Einleitung bzw. Hinführung bedarf. 2. Die redaktionskri­ tische und redaktionsgeschichtliche Interpretation, die in der hier gebotenen Weise zum ersten Mal in einem Psalmenkommentar gegeben wird, muß hin­ reichend begründet werden, indem die Bezüge und Verbindungen in Wort und Inhalt der Psalmen herausgearbeitet werden. Herausgeber und Verlag

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Neue Echter Bibel - Würzburg : Echter. Teilw. unter Mitarbeit von Georg Braulik ... Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung / hrsg. von Josef G. Plöger und Josef Schreiner. NE: Plöger, Josef G. [Hrsg.]; Braulik, Georg; Abt. Lfg. 29. Hossfeld, Frank-Lothar / Zenger, Erich: Die Psalmen I. - 1993 Hossfeld Frank-Lothar / Zenger, Erich: Die Psalmen I, Psalm 1-50. - Würzburg : Echter Verlag, 1993 (Die Neue Echter Bibel: Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung ; Lfg. 29) ISBN 3-429-01503-0

Fotomechanische Wiedergabe verboten! © 1993 Echter Verlag Würzburg Gesamtherstellung: Echter Würzburg, Fränkische Gesellschaftsdruckerei und Verlag GmbH ISBN 3-429-01503-0 © Einheitsübersetzung Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1980

5 EINLEITUNG i

Ps 1-50 im Kontext des Psalmenbuchs

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Das biblische Buch der Psalmen ist eine Zusammenstellung von 150 poetischen Texten unterschiedlicher Herkunft und Zeit, die einerseits als Einzeltexte und andererseits als Teiltexte größerer »Psalmengrup­ pen« bzw. des ganzen Psalmenbuchs gelesen und verstanden sein wol­ len. Die in der christlichen Tradition üblich gewordene Bezeichnung »(Buch der) Psalmen« geht auf die schon in der Septuaginta belegte Überset­ zung der am häufigsten (57mal) als Psalmüberschrift begegnenden Be­ zeichnung mizmör = kantilierender Sprechgesang mit Saitenspielbe­ gleitung (xj/aXfiog von ij/aAAeiv = die Saiten spielen) zurück; diese auch im NT verwendete Bezeichnung (vgl. Lk 2042 2444 Apg l20) steht in der aus dem 4. Jh. n. Chr. stammenden Handschrift B (Codex Vaticanus) ausdrücklich als Buchtitel über den 150 Psalmen. Allerdings ist zweifelhaft, ob dies als Aussage über die in biblischer Zeit praktizierte Vortragsweise dieser Texte ausgewertet werden darf; sie ist vermutlich im Zusammenhang mit der »Davidisierung« der Psalmen (s. u.) ent­ standen {mizmör steht 35mal in Verbindung mit »von/für David«) und knüpft an die biblische Tradition von David als »Leierspieler« (s. u.) an. Die Bezeichnung »Psalter« geht auf das in der Septuaginta für das Saiteninstrument nebcel — Standleier (meist, auch in der EÜ, wohl zu­ treffend mit »Harfe« wiedergegeben) gewählte \|/aX/rr|ptov zurück; das Wort findet sich als Buchüberschrift in der aus dem 5. Jh. n.Chr. stammenden Handschrift A (Codex Alexandrinus). Die im Judentum übliche Bezeichnung (sefcer) tehiHirn = (Buch der) Lobpreisungen (M. Buber: »Preisungen«) ist bereits auf einem Qumranfragment der Höhle 4 (1. Jh. v. Chr.) bezeugt. Auch in dem Prosa­ text auf der aus dem 1. Jh. n. Chr. stammenden Psalmenrolle 11 QPsa, der zwischen die auf ihr versammelten biblischen und nichtbiblischen Psalmen eingeschoben ist, wird David als Verfasser von 3600 Thilllm sowie 450 »Liedern« {sir = chorisches Lied) genannt. Dies ist ein wei­ teres Indiz für das hohe Alter der Tradition des Buchtitels t'hillim. Wie die redaktionelle Notiz in Ps 7219 »Ende der Gebete (= teßllöt) Da­ vids, des Sohnes Isais«, die um 300 v. Chr. anzusetzen sein dürfte, na­ helegt, ist »Lobpreisungen« eine Gesamtbezeichnung, die gegenüber der (älteren) Bezeichnung (Bitt-)Gebete (tefillöt) einen neuen theologi­ schen Akzent setzen will, der das Ziel der Bewegung unterstreicht, auf das das Psalmenbuch in seinem letzten Drittel und insbesondere in sei­ nen letzten fünf Psalmen (146-150) und darin noch einmal in seinem letzten Satz (1506) hindrängt: Das Psalmenbuch als Ganzes ist der viel­ stimmige Lobpreis JHWHs, der mitten aus den zahlenmäßig überwie­ genden Klage- und Bittgebeten erwachsen soll und kann. Die Bezeich-

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DIE PSALMEN

nun g t'hillim dürfte auch in der bei Philo und Flavius Josephus begeg­ nenden Bezeichnung i)p,vot vorausgesetzt sein. Auch Hieronymus sagt ausdrücklich, daß der hebräische Titel des Psalmenbuchs »sephar tallim« ist. Aus der Bezeichnung »Buch der Preisungen« bzw. »Buch der Hymnen« darf freilich nicht geschlossen werden, das Psalmenbuch sei als »Gesangbuch des Zweiten Tempels« entstanden oder im Judentum der Zeit Jesu verwendet worden. Zwar sind einzelne Psalmen, die ausdrücklich für die Tempelliturgie geschaffen worden waren, im kanoni­ schen Psalmenbuch enthalten. Und daß bzw. wie im frühjüdischen Tempelkult Psalmen Verwendung fanden, läßt sich plastisch in 1 Chr 16 und Sir 50,5~21 nachlesen. Die eigentlichen Psalmtexte wurden dem­ nach während des täglichen Tamidopfers und an besonderen Festta­ gen von einem musizierenden und singenden Levitenchor vorgetragen, dem (zwei) Priester von einem Podium am Rande des Priesterhofs aus (wo der Opferaltar stand) mit Trompetensignalen den Einsatz, die Pausen und das Ende ihres Psalmenvortrags anzeigten. Dieser Levi­ tenchor stand auf den Stufen vom Vorhof der Frauen zum Vorhof der Männer. Die teilnehmende Gemeinde konnte den Chor hier gut sehen und hören; die »Gemeinde« sang in der Regel nur den Refrain oder ei­ nen Kurzvers (z.B. »denn seine Huld/Güte währet ewig«, vgl. Ps 135). Die Anzahl der dabei verwendeten Psalmen war freilich klein, und sie orientierte sich nicht an der Abfolge des kanonischen Psalmen­ buchs (die »Wochenpsalmen« waren, beginnend mit dem Sonntag als erstem Tag der Woche, die Psalmen 24 48 82 94 81 93 92). Daß be­ stimmte Psalmen bei Liturgien, an denen die Gemeinde stärker und unmittelbarer als beim Opferritual beteiligt war, von allen gesungen wurden (z. B. die »Festpsalmen« 50 81 95 bei einem »Bundesfest« oder die »Hallelpsalmen« Ps 113-118 am Pesachabend), ist ebenfalls sicher. Kein Zweifel dürfte auch über den chorischen Vortrag von »Volkskla­ gepsalmen« bei den großen Klage- und Bußliturgien am Tempel (vgl. das Buch der Klagelieder) bestehen. Aber all dies sind keine hinrei­ chenden Belege dafür, daß das Psalmenbuch für die Teilnahme am Tempelkult entstanden ist. Für diesen gab es möglicherweise eigene kleine »Psalmenrollen«, die nach liturgischen Gesichtspunkten ausge­ wählt und angeordnet waren. Einige der in Qumran (in Fragmenten) gefundenen Psalmenrollen mit unterschiedlicher Psalmenabfolge könnten diese Hypothese bestätigen; zumindest wird von mehreren Qumranspezialisten die liturgische Abzweckung mehrerer qumranischer Psalmen-Kollektionen vertreten. Das Psalmenbuch ist auch nicht als »Gesang- und Gebetbuch der synagogalen Liturgie* entstanden. Leider wissen wir bislang kaum Genaueres über Entstehung und Organisation der Synagogen-Gemeinden und über deren Verhältnis zu den »Ortsgemeinden«. Daß hier die Verhält­ nisse in Israel und in der Diaspora unterschiedlich waren, ist anzuneh­ men. Aber selbst in Israel dürfte es unterschiedliche »Synagogenkon-

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zepte« gegeben haben, in denen die verschiedenen Gruppierungen und Bewegungen ihre spezifisch akzentuierte jüdische Identität lebten. Deshalb verwundert es nicht, daß es archäologische Hinweise darauf gibt, daß sogar in kleineren Städten mehrere Synagogenbauten waren. Auch wenn die Grundstruktur der Liturgie in den einzelnen Synago­ gen festgeschrieben gewesen sein dürfte (Schriftlesung, rahmende Benediktionen/Doxologien, »Höre Israel«), so gibt es doch keinen Hin­ weis darauf, daß das Psalmenbuch zu den gemeinsamen strukturellen Elementen gehörte. Vor allem ist die früher wiederholt vorgetragene Hypothese, die 150 biblischen Psalmen seien für die synagogale Sab­ batmorgenliturgie als »Antwortpsalmen« auf die (rund) 150 Lesungen aus der Tora (nach der dreijährigen palästinischen Leseordnung) aus­ gewählt und angeordnet worden, weder in literarischer noch in histori­ scher Hinsicht begründet. Daß die synagogale Liturgie völlig »psalmenlos« war, ist allerdings we­ nig wahrscheinlich. Vor allem aber dürften Psalmengesang, Psalmen­ rezitation und Psalmenauslegung in »privaten« gottesdienstlichen Ver­ sammlungen eine wichtige Rolle gespielt haben. Hinweise darauf sind nicht nur einige Qumran-Psalmenrollen und die Nachrichten Philos über die Nachtfeier der in Ägypten lebenden Gruppierungen der The­ rapeuten, auch im NT finden sich Indizien dafür, daß in den ältesten christlichen (Haus-)Gottesdiensten biblische Psalmen verwendet wur­ den (vgl. z.B. Apg 424-30). Freilich haben die »häretischen« Gruppen sowohl im Judentum wie dann auch im Christentum für ihre gottes­ dienstlichen Versammlungen »neue«, weitere »Psalmen« und »Hym­ nen« geschaffen, die sowohl von der pharisäisch-rabbinischen »Ortho­ doxie« wie von den christlichen Kirchenordnungen her bekämpft und verdrängt wurden. Im Christentum führte dies dazu, daß schließlich nur noch die kanonischen Psalmen in der offiziellen Liturgie gesungen werden durften (vgl. Kanon 59 der Synode von Laodikea 364 n. Chr.). Schon zu Beginn des 3. Jh.s empfiehlt die syrische Didaskalie: »Und wenn du Hymnen begehrst, so hast du die Psalmen.« Im nachbibli­ schen Judentum fanden die biblischen Psalmen erst (wieder) ab dem 6./7. Jh. n. Chr. Aufnahme in die offizielle Liturgie, aber auch nun we­ der in der Reihenfolge des Psalmenbuchs noch gar das Psalmenbuch als Ganzes. Daß das Psalmenbuch dennoch nicht ein amorpher Haufe von zusam­ mengesetzten Einzelelementen (diese Sichtweise wirft W. Zimmerli der neueren Exegese vor!) oder eine mehr oder weniger zufällige An­ einanderreihung von beziehungslos nebeneinander gestellten Einzel­ liedern und -gebeten (eine Art »Psalmen-Archiv«) ist, wird in der jüng­ sten Psalmenforschung mehr und mehr gesehen und herausgearbeitet. Diese Sicht hat Folgen für die Frage nach Entstehung und Verwen­ dung des Psalmenbuchs: Es ist in mehreren »Schüben« entstanden als Gebets- und Meditationsbuch, das als fortlaufender Zusammenhang ge­ lesen einerseits mitten in Leid und Angst eine umfassende, Hoffnung

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stiftende Deutung menschlicher Existenz »im Angesicht Gottes« geben will und das andererseits als rezitiertes »Gotteslob« die stellvertretend für Israel und die ganze Schöpfung (vgl. Ps 146-150) gegebene Ant­ wort auf JHWHs Wirken und Gegenwärtigsein in Israel und in der ganzen Schöpfung ist. Gerade von dieser zweifachen Funktion her ist verständlich, daß das Psalmenbuch die Psalmen nicht nach Gattungs­ gesichtspunkten hintereinanderstellt, sondern die Gattungen gezielt »mischt«: Es ist ein Spiegel der unsystematischen, ja widersprüchlichen Vielfalt des Lebens selbst, das in den sich immer neu und anders ein­ stellenden Konstellationen mit Lob, Klage, Dank, Bitte, Reflexion, Zeugnis u.a. ausgehalten werden soll — in der betenden Zusammen­ schau des Psalmenbuchs. Im Judentum zurZeit Jesuwar das biblische Psalmenbuch offensichtlich der Grundtext der persönlichen, meditativen Frömmigkeit und messianischen Hoffnungen (vgl. Ps 1 und 2 als zweiteiliges Proömium des Psalters!). Es war das »Lebensbuch« vor allem jener Gruppen, die in den Psalmen »die Armen«, »die Frommen« und »die Gerechten« ge­ nannt werden. In den Psalmen suchten und fanden sie Erbauung, Trost, Hoffnung und Lebensweisung. Wieweit diese sog. kleinen Leute die Psalmen selbst lesen konnten und gelesen haben, ob sie ihnen von schriftgelehrten Weisen vermittelt und ausgelegt wurden, ob die Psalmen zum elementaren »Lernstoff« der »Lehrhäuser« (vgl. Sir 5123) und der Synagogen gehört haben, ob sie in den »Genossenschaften« (babüröt) der pharisäischen Bewegung zentrale Meditationstexte wa­ ren - all dies kann man sich vorstellen, ohne es mit Sicherheit beweisen zu können. Diese breite Vertrautheit mit dem Psalmenbuch erklärt, wieso gerade der Psalter nach Ausweis der Zitate im NT das Lieblings­ buch des entstehenden Christentums war. Gut ein Drittel aller alttestamentlichen Zitate im NT stammt aus dem Psalter. Mit keinem anderen Teil ihres Ersten Testaments waren die Christen in gleicher Weise ver­ traut - die Adressaten der ntl Schriften ebenso wie ihre Verfasser. Die Schlußredaktion des (kanonischen) Psalmenbuchs dürfte um 200 v.Chr. abgeschlossen gewesen sein. Dies ist freilich nicht unbestritten. Vor allem wird die in mehreren Qumran-Psalmenrollen erkennbare abweichende Reihenfolge von Psalmen aus dem letzten Drittel des Psalters als Argument dafür genannt, daß dieser Teil damals noch »of­ fen« war. Doch dürften diese Abweichungen mit der liturgischen Abzweckung (s.o.) dieser Psalmen-Kollektionen Zusammenhängen; denkbar (wenn auch u.E. unwahrscheinlich) wäre auch, daß es in der Tat mehrere voneinander abweichende »Psalmenbuchausgaben« (vgl. die unterschiedlichen Fassungen des hebräischen und griechischen Jeremiabuchs!) gab, von denen dann die jetzt überlieferte spätestens im ausgehenden 1. Jh. n.Chr. »kanonisch« wurde. Für den Abschluß der Redaktion des jetzigen Psalmenbuchs schon um 200/190 v. Chr. spre­ chen vor allem zwei Beobachtungen, die mit der »Rahmung« des (ka­ nonischen) Psalmenbuchs Zusammenhängen: Zum einen wird in Sir

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1420-1510 (also um 180 v. Chr.) Ps 1 als programmatischer Prolog des Psalters aufgenommen; ebenso ist die enge Zusammenbindung von Ps 1 und Ps 2 als zweiteiliges Proömium in 4 Q Flor vorausgesetzt (aus paläographischen Gründen freilich erst 1. Jh. n.Chr.). Zum anderen wird Ps 148M im hebräischen Text von Sir 5120a zitiert; mindestens ein Kolon von 14814 ist aber redaktionell eingefügte Überleitung zu Ps 149, dem strukturellen Schlußpendant zu Ps 2. Hinzu kommt, daß aus sprachlichen Gründen die Septuagintafassung des Psalmenbuchs in der ersten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. anzusetzen ist, die in Umfang (ihr zusätzlicher Ps 151 wird von ihr ausdrücklich als »außerhalb der Zäh­ lung« stehender Psalm qualifiziert) und in der Reihenfolge (auch wenn sie, abweichend von der hebräischen Tradition, Ps 9 10 und Ps 114 115 jeweils als Einheit auffaßt und Ps 116 147 jeweils in zwei Psalmen auf­ teilt: So bleibt der Umfang von 150 Psalmen!) unserem hebräischen Psalmenbuch entspricht. Daß es neben »Tora« und »Nebiim« bereits im 2. Jh. die Akzeptanz eines (allerdings noch unabgegrenzt-offenen) dritten Teils des hebräi­ schen Kanons gab, dessen Kristallisationskern gerade das Psalmenbuch war, ergibt sich aus dem (griechischen) Prolog des Sirach-Enkels im Ausgang des 2. Jh.s v. Chr., ja schon aus dem hebräischen Sirachbuch selbst. Auch wenn die damals zum dritten Kanonteil gerechneten Schriften in Sir nicht namentlich genannt sind, ist aus dem Väterhym­ nus und auch aus anderen Stellen in Sir unzweifelhaft, daß die Psal­ men dazugehörten. Die »Psalmen« als autoritativen dritten Teil der »Heiligen Schrift« des Judentums bestätigt um die Zeitenwende aus­ drücklich der bislang unveröffentlichte »Lehrbrief« aus 4 Q ebenso wie Philo in »De vita contemplativa«. Die »kanonische« Dignität geht auch daraus hervor, daß es in Qumran dazu Pescharim gibt. Sie folgt schließlich auch aus den Zitat- und Anspielungsverweisen, mit denen im NT wörtlich oder sinngemäß aus Psalmen zitiert wird (»es steht ge­ schrieben«; »wie geschrieben steht«; »damit die Schrift erfüllt werde«). Als derartigen »Schriftbeweis« zitiert übrigens schon das 1. Makkabä­ erbuch um 100 v.Chr. Ps 792f (vgl. 1 Makk 716f). Überhaupt sind die sog. deuterokanonischen Bücher des AT mit außergewöhnlich vielen impliziten Psalmzitaten und -verweisen gestaltet, was noch einmal die Beliebtheit und die Dignität der Psalmen unterstreicht. Im Endtext des hebräischen Psalmenbuchs überlagern sich mehrere Strukturen, die mit dem komplexen Wachstum des Psalmenbuchs zusammenhängen. Am auffallendsten ist die Fünfteilung des Psalmenbuchs, die durch die vier doxologischen Schlußformeln Ps 4114 7218'19 8 953 1 0648, die alle­ samt nicht Bestandteil des jeweils vorausgehenden Psalms sind, be­ wirktwird; die meisten neueren Bibelausgaben (auch EÜ) zeigen diese Aufteilung durch entsprechende Zwischenüberschriften sogar aus­ drücklich an. Einerseits ist festzuhalten, daß diese Fünfteilung im masoretischen Text nicht ausdrücklich vermerkt ist. Die Formeln stam-

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men auch kaum von einer einzigen Hand, sondern markieren unter­ schiedliche Phasen der sukzessiven Zusammenstellung von Teilsamm­ lungen. Andererseits dürfte zumindest bereits die Schlußredaktion diese (sich ergebende) Fünfteilung erkannt und ihrerseits unterstrichen haben. Dafür sprechen u.a. folgende Beobachtungen: 1. Die vier Formeln stehen alle an anderweitig erkennbaren Zäsuren (4114 am Ende des ersten Davidpsalters 3-41; 7218“'9 am Ende des zweiten Davidpsalters 51-71 72; 8953 am Ende der angehängten und den mittlerweile angewachsenen zweiten Davidpsalter rahmenden Korachpsalmen 84-85 87-89; 10 6 48 am Ende der thematisch bestimmten und literarisch gerahmten Psalmenkomposition 90-106). 2. Die nach der Doxologie Ps 10648 noch folgende Halleluja-Aufforde­ rung, die strukturell nachklappt und von der Septuaginta (vereinfa­ chend) an den Anfang von Ps 107 gestellt wird, läßt sich als sekundäres kompositionelles Element lesen, mit dem die Schlußredaktion auf das »Halleluja-Finale« des Psalmenbuchs (Ps 146-150: alle fünf Psalmen sind jeweils mit Halleluja gerahmt = lOmal Halleluja; Ps 150 bringt darüber hinaus im Corpus des Psalms lOmal den Imperativ hall'lü »lobpreiset«) hinweist. 3. Entgegen der verbreiteten Meinung, der erste Hinweis auf diese Fünfteilung finde sich erst seit dem 4. Jh. n. Chr., nämlich bei Eusebius von Cäsarea und Epiphanius von Salamis, lassen sich gute Gründe beibringen, daß schon Origenes in der Mitte des 3. Jh.s die Fünfteilung bezeugt: »In fünf Bücher teilen die Juden das Buch der Psalmen« (ei£ nevie ßißXia öiaipouaiv Eßpaioi ttiv tcdv TaA.p.cov ßißXov). Er setzt sie als verbreitete Selbstverständlichkeit voraus, was auf Tradition schließen läßt! 4. Unsicher, wenn auch nicht auszuschließen ist, daß die Fünfteilung des Psalmenbuchs bereits in Qumran bezeugt ist (1 Q 30: sfrjm bwmsjm »gefünftelte Bücher« könnte ebda, entweder die fünfteilige Tora oder das fünfteilige Psalmenbuch meinen). Die Strukturierung eines Werkes in fünf Teile bzw. fünf Bücher ist in der jüdischen Überlieferung, wie die Tora, das Buch der Klagelieder und das äthiopische Henochbuch bezeugen, beliebt und programma­ tisch zugleich. Was die entsprechende rabbinische Kommentierung im schwer datierbaren Midrasch Tehillim (3.-9. Jh. n.Chr.?) darüber sagt, könnte durchaus die Intention der Schlußredaktion des Psalmen­ buchs wiedergeben: »Mose gab den Israeliten die fünf Bücher der Tora, und David gab den Israeliten die fünf Bücher der Psalmen.« Die Psalmen sind die Antwort Israels auf die Israel gegebene Tora. Das hat die Schlußredaktion hervorgehoben, indem sie dem Psalmenbuch Ps 1 als »hermeneutischen Schlüssel« vorangestellt hat. Durch die vier doxologiscben Formeln und deren Hinordnung auf das »Schluß-Hallel« Ps 150 (bzw. Ps 146—150) erhält das Psalmenbuch drei bedeutsame Hinweise für den lesenden und betenden »Nachvoll­ zug« der Psalmen:

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1. Alle vier Doxologien beginnen mit dem Nominalsatz »Gepriesen ist/sei JFIWH ...«. In formaler Hinsicht haben sie also nicht die Struk­ tur des JHWH anredenden Gebets (vgl. demgegenüber die Formel in Ps 11912: »Gepriesen bist/seist du...«), sondern des Bekenntnisses. Mit ihm gibt/geben der/die Sprecher seine/ihre Antwort auf ein Handeln JHWHs. Als Abschlußformel der vorangehenden Teilsammlung (des »Psalmenbuchs«) qualifiziert und rezipiert sie diese Psalmen als Zeug­ nisse vom Handeln Gottes (fachtheologisch gesprochen: als Offenba­ rungszeugnisse). 2. Alle vier Doxologien schließen mit der Amen-Formel, die in Ps 10648 ausdrücklich als Reaktion »des ganzen Volkes« eingefordert wird. Wie die übrigen Vorkommen der Amen-Formel im AT zeigen, wird durch sie ein vorangehendes Wort in zweifacher Weise qualifiziert: als wahres und als verpflichtendes Wort. Mit der Amen-Formel rezipieren demnach ihre Sprecher die Psalmen als für sie gültige, segensreiche Le­ bensweisung. 3. Alle vier Doxologien heben hervor, daß die lobpreisende Zustim­ mung zu dem in den Psalmen offenbar werdenden Gott nicht ein ein­ maliger oder zeitlich bedingter Akt sein soll, sondern »auf Ewigkeit hin« angelegt ist, d. h. die Psalmen sind die bis zum Ende der Weltzeit vollgültige Antwort Israels (und der Völker) auf das Handeln JHWHs. Die Psalmen wollen und sollen »ewig« weiterklingen. Genau diese Perspektive der »Verewigung« (E. Jenni) wird auch im großen »Hallel-Finale« Ps 146-150 entfaltet, mit dem die Schlußredak­ tion das Psalmenbuch beendet. Daß diese fünf Psalmen, die allesamt eine Aufforderung zum Lobpreis JHWHs sind, als Komposition ver­ standen werden wollen, ist durch zwei Eigenheiten angezeigt: Alle ha­ ben als »Überschrift« und »Unterschrift« die Halleluja-Aufforderung, und sie sind durch ein enges Stichwortgeflecht miteinander verwoben (vgl. u. a. 14610 mit 147*2; 1474 mit 1483; 147“ mit 1494; 14720 mit 14814; 14814 mit 14919; 148 mit 150). Zugleich sind 146-150 die Durchfüh­ rung des in der letzten Zeile von 145 angekündigten »auf ewig« zu sin­ genden Lobpreises: »Den Lobpreis (fhilläh) JHWHs soll mein Mund rezitieren, alles was lebt (vgl. dazu 1506) soll den Segensspruch seines heiligen Namens (vgl. die vier Doxologien!) sagen - auf ewig und im­ merzu!« In einer zweifachen Bewegung vollzieht sich in 146-150 dieser »ewige« Lobpreis. Ps 146 beginnt damit, daß ein einzelnes Ich sich selbst zum Gotteslob auffordert. Ps 147 weitet die Aufforderung auf Jerusalem/Zion aus. Ps 148 wendet sich an alles, was im Himmel und auf Erden ist - und schließt außerordentlich wirkungsvoll mit dem Blick auf die JHWH-Gemeinde »der Frommen«. Und mit der Auffor­ derung an diese »Gemeinde der Frommen« zum Gotteslob setzt in Ps 149 die zweite Bewegung ein, die sich im abschließenden Ps 150 aber­ mals ausweitet an »alles, was atmet« (1506). Ps 149, der so hymnische Aufforderung zu jenem Gotteslob ist, das in Ps 150 nochmals begründet und entfaltet wird, steht auf der Ebene des

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Endtextes in einem Rückbezug zum zweiteiligen Proömium Ps 1 u. 2. Den Psalmen, die gemäß 1491-4 das von JHWH gerettete Gottesvolk singen soll, wird - unter Anspielung auf Ps 1 u. 2 - auch eine Funktion gegenüber »den Völkern und Nationen« (1497 wie 21) sowie gegenüber den »Königen« und »Fürsten« (1498; Anklang an 210) zugesprochen: Die »Lobeserhebungen auf Gott in ihrer Kehle« sollen »das zwei­ schneidige Schwert« (1496: Anspielung auf 29) sein, mit dem sie das »Gericht« an den Königen und an ihren Völkern vollziehen (1499: An­ spielung auf l5); die Psalmen sollen die »Fesseln« sein, mit denen sie die Völkerwelt in die universale Gottesherrschaft einbinden sollen (149®: Anspielung auf 23). In Ps 149 werden die Psalmen Israels auf den Weltkönig JHWH als die »Waffen« dargestellt, mit denen JHWH seine Gottesherrschaft auch über die Völker durchsetzen will. Mit Blick auf Ps 210"12 bedeutet dies: Den dort gewiesenen Weg zum Leben, der sie vor dem Abgrund bewahrt (l6 212), können die (Könige der) Völker lernen, indem sie auf Israels Psalmen hören - und sie zusam­ men mit Israel singen (14811). Teilweise in Spannung zur Einteilung des Psalters in die fünf »Bücher« (3-41 42-72 73-89 90-106 107-145; das erste und das fünfte dieser »Bücher« umfassen jeweils 39 Psalmen!) mit den »Rahmenteilen« Ps 1-2 und Ps 146-150 verlaufen andere Gliederungssysteme, die durch Psalmüberschriften und durch thematische Verwandtschaft, aber auch durch andere Struktursignale angezeigt werden. Hier soll nur ein kur­ zer Blick auf derartige Strukturen im Bereich der in diesem 1. Band un­ seres Psalmenkommentars ausgelegten Psalmen 1-50 geworfen wer­ den. Analoge Darstellungen zu Ps 51-100 bzw. zu Ps 101-150 werden in den Bänden 2 und 3 folgen; ebenso wird die entsprechende Zusam­ menschau aller 150 Psalmen erst im 3. Band möglich sein. Durch die Überschrift »von/für David« (s.u.) hebt sich die Sammlung 3-41 heraus, die meist (der erste) »Davidpsalter« genannt wird. Es sind überwiegend Bitt- und Dankgebete inmitten von Verfolgung, Not und Anfechtung, aber auch von erfahrener Rettung und Tröstung. Die stark anthropologisch orientierte Sammlung, die als Komposition eine umfassende Deutung der condition humaine bieten will, ist in die vier Teilgruppen 3-14 15-24 25-34 35-41 gegliedert. Diese Gliederung ist zum einen durch die jeweiligen Eckpsalmen angezeigt, die vielfältig aufeinander hingeordnet sind. Zum anderen sind die Teilgruppen durch Psalmen im Zentrum markiert, die ihrerseits inhaltlich und for­ mal aus ihrer Umgebung herausragen (Ps 8 - ein Hymnus inmitten von Klagen; Ps 19 — ein Gotteslob unter Königsgebeten; Ps 29 — ein JHWH-Hymnus im Kreis von Bitt- und Dankgebeten; Ps 38 - ein Bittgebet mit Konzentration der Hauptthemen der Nachbarpsalmen wie Krankheit, Feinde, Sünde, Sündenbekenntnis). Darüber hinaus sind sie motivlich-theologisch aufeinander bezogen. Am offensichtlichsten ist die Rahmungsfunktion der jeweiligen »Eckpsalmen« bei den beiden inneren Teilsammlungen 15-24 25-34.

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Die Psalmen 15 und 24 sind durch die jeweilige Aufnahme der »Ein­ laßliturgie« aufeinander bezogen; zugleich aber bedeutet 24 gegen­ über 15 eine Steigerung, indem dieser Psalm das »Kommen« des Welt­ königs zu der die »Bedingungen« von 15 und 24 erfüllenden »Ge­ meinde der Gerechten« (vgl. 246 mit Rückbezug nach 142) verheißt. Der im Zentrum stehende Ps 19, der in seinem Schlußteil mit dem Bild vom »Knecht JHWHs« motivlich sowohl nach 15 (vgl. die Bezüge 152 19,3f) wie nach 24 (vgl. die Bezüge 244 1913f) ausgreift, bekennt, daß und wie JHWH ein Leben in Gerechtigkeit ermöglicht - nämlich durch Annahme seiner umfassenden Welt- und Lebensordnung, die er in Schöpfung und Tora offenbart. Um das Zentrum Ps 19 lagern sich in spiegelbildlicher Entsprechung Ps 18 und Ps 20 u. 21 (Königspsal­ men: Dank, Bitte, Dank), Ps 17 und Ps 22 (Bitt- und Klagegebete), Ps 16 und Ps 23 (Vertrauensgebete), die vielfältig aufeinander hingeord­ net sind. Die Teilgruppe Ps 15-24 entwirft das Idealbild »des Gerech­ ten« und hält fest, daß er von JHWH Hilfe, ja Rettung erfährt. Ebenso auffallend ist die Verwandtschaft der beiden Eckpsalmen 25 und 34. Sie sind inhaltlich stark verwandt, insbesondere durch ihre ge­ meinsame »Armenfrömmigkeit« (vgl. 25916 343-7). In formaler Hinsicht sind sie parallelisiert: beide bieten ein einzeiliges Akrostichon, bei dem jeweils die Zeile des Konsonanten waw fehlt; bei beiden schießt ein Bikolon, das eine parallele Bitte um die Erlösung Israels bzw. der JHWH-Knechte ausspricht, über das Akrostichon hinaus. Beide Psal­ men sind kompositionell als Bitte (Ps 25) und als Dank (Ps 34) aufein­ ander bezogen. Im Zentrum der Komposition steht Ps 29, der, wie Ps 19, die (rettende) Herrlichkeitsoffenbarung JHWHs feiert. Während Ps 19 sich dabei an der Sonnentheologie inspiriert, zeichnet Ps 29 un­ ter Aufnahme von El- und Baalüberlieferungen JHWH als König über das Chaos; gerade als solcher aber kann er die in den Eckpsalmen 25 und 34 zum Schluß ausgesprochenen Bitten erfüllen. Auch in dieser Teilgruppe legen sich um das Zentrum Ps 29 die übrigen Psalmen in spiegelbildlicher Entsprechung: Ps 28 und Ps 30 (Bitt- und Dankge­ bete mit Tempelbezug), Ps 27 und Ps 31 (Dank und Bitte, Bitte und Dank eines Gerechten), Ps 26 und Ps 32 u. 33 (Bittgebet eines Un­ schuldigen; Dankgebet für Vergebung von Schuld). Während in den beiden (inneren) Teilsammlungen 15-24 25-34 die rettende Begegnung der Gerechten und der Armen mit dem in bzw. von seinem Heiligtum aus rettenden »König der Herrlichkeit« (Ps 19 24 29) das Hauptthema ist (beide Sammlungen sind stark von weisheitlich »gebrochener« Tempeltheologie bestimmt!), kommt in den beiden (äußeren) Teilsammlungen 3-14 und 35-41 die leidvolle Existenz der Armen und Gerechten inmitten einer bösen Welt (3-14: Bedrohung »von außen«: Verfolgung durch Feinde; Leben inmitten einer chaoti­ schen Welt; 35-41: Bedrohung »von innen«: Krankheit und eigene Schuld) zur Sprache - gleichwohl in Hoffnungsperspektive. Diese arti­ kuliert sich vor allem in den jeweiligen Eckpsalmen 3 und 14 (vgl. die

r DIE PSALMEN 14 Klammer 39 147) bzw. 35 und 41 (vgl. die Klammer 3527f 41,2f) und in den beiden Psalmen in der Mitte (Ps 8: trotz aller Verfolgung und An­ fechtung bleibt die »Ehre« = Menschenwürde der Bedrängten und Armen unzerstörbar, weil sie Teilhabe an der »Ehre« = Königsmäch­ tigkeit JHWHs selbst ist; Ps 38: der von Krankheit und Schuld Ge­ plagte setzt all* seine Hoffnung auf JHWH, seinen Retter, 3816-22, vgl. auch die Stichwortbezüge von Ps 38 als Mitte zu den Eckpsalmen 35 und 40-41). Die angedeutete Kompositionsstruktur des Davidpsalters 3-41 ist das Ergebnis eines mehrstufigen Wachstumsprozesses, dessen einzelne Phasen freilich nur annähernd und mit Vorbehalt so angegeben werden können: 1. Einzelne in (spät)vorexilischer Zeit unabhängig voneinander ent­ standene Bitt-, Klage- und Dankgebete (Ps 3-7 11-14 17 18 20 21 22 26-28 30-31 35 38 41, jeweils in ihrer »Grundfassung«) sind in spätexilischer/frühnachexilischer Zeit von einer Redaktion erweitert und unter Einbeziehung weiterer vorexilischer oder exilischer bzw. teilweise von der Redaktion geschaffener Psalmen (Ps 8 15 24 29 32 36) zu den vier Teilsammlungen 3-14 (noch ohne 9/10) 15-24 (noch ohne 16 19 und 23) 26-32 und 35-41 (noch ohne 37 39 40) zusammengestellt worden. In diesem spätexilischen/frühnachexilischen Kompendium von »Lai­ engebeten« artikuliert sich das Gruppenbewußtsein von Armen und Verfolgten, die gleichwohl als »Gerechte« leben wollen. Ihre unter­ schiedlichen Notsituationen werden nüchtern wahrgenommen und in ihren Ursachen benannt (Verfolgung, Armut als Folge gesellschaftli­ cher Zerklüftung und Unterdrückung, Rechtsnot durch Verleum­ dung, Falschanklage und Rechtsbeugung, Machtbesessenheit und Brutalität von Mächtigen und Reichen, Krankheit, eigene Sünden). Die Psalmen sind von starker Erhörungs- und Rettungsgewißheit ge­ prägt. Neben Klage und Bitte kommen in dem Kompendium auch Lobpreis und Dank zu Wort, beides wohl in der Absicht, eine umfas­ sende Deutung menschlicher Existenz »im Angesicht« JHWHs (Auf­ nahme von Tempeltheologie!) zu geben. Die in den Psalmen sich ausdrückende »Gottesgewißheit« variiert vor allem zwei Aussagen: a) JHWH erweist sein Gott-Sein an und in den Armen und Leidenden; b) JHWH rettet sie als »die Gerechten«. 2. Eine nachexilische Redaktion im Geist der »Armenfrömmigkeit« (»die Armen« sind nun nicht mehr eine primär soziale, sondern eine re­ ligiöse Kategorie), die im 5.-4. Jh. anzusiedeln ist, zieht die Linien der formativen exilisch-frühnachexilischen Komposition weiter aus, einer­ seits durch Integration weiterer Psalmen (16 19 23 25 33 34 37 39 40) und andererseits durch »Fortschreibung« der übrigen Psalmen. Ihr An­ liegen ist es, in den Psalmenbetern die typischen Armen als Vertreter des angefeindeten und angefochtenen »wahren Israel« zu sehen, die aufgrund der beiderseitigen engen Beziehungen zwischen JHWH und »den gerechten Knechten JHWHs« den Feinden im Gottesvolk Wi-

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derstand leisten können, weil sie wissen, daß JHWH und seine Welt­ ordnung (vgl. besonders den »reflektierten« JHWH-Psalm 19, die Er­ weiterung Ps 182fr“32 sowie die Weisheitspsalmen 25 34 37 39) sich durchsetzen werden. In dieser »Redaktion« spricht sich eine tiefe »Gottesmystik« aus (vgl. besonders Ps 16 23 40 sowie die Erweiterung in Ps 22). 3. In hellenistischer Zeit wird der Begriff der Armen (einschließlich Synonyma) so ausgeweitet, daß damit Israel als Ganzes in seiner Be­ drohung von innen und vor allem von außen bezeichnet wird; gerade als »das arme Israel« kann es aber darauf setzen, daß sich JHWH ihm als »Retter der Armen und der Schwachen« erweisen wird. Diese neue theologische Sicht wird einerseits in der Einfügung von Ps 9-10 greif­ bar; andererseits dürfte sie auch im Hintergrund jener Redaktion ste­ hen, die die Sammlung Ps 2-89 dadurch geschaffen hat, daß sie die Sammlung 3-41 mit der unabhängig davon entstandenen Sammlung 42-88 verbunden hat. Dabei hat sie Ps 21"9 und Ps 89 als programmati­ sche Rahmenpsalmen plaziert und (wahrscheinlich) zugleich den »Ar­ menpsalm« Ps 86 eingefügt. In der Sammlung 42-48 sind Psalmen unterschiedlicher Provenienz sukzessiv zusammengestellt worden: 1. Die »Davidpsalmen« 51-71, die in Gestaltung und Thematik mit den »Davidpsalmen« 3—41 verwandt sind, sind unabhängig vom ersten »Davidpsalter« (dafür sprechen besonders die Doppelüberlieferungen Ps 14 = Ps 53 Ps 4014~18 = Ps 70) und mit anderen theologischen Per­ spektiven (vgl. den 2. Band unseres Psalmenkommentars!) als weiterer (zweiter) »Davidpsalter« zusammengestellt worden. 2. Um die Sammlung 51-71 sind sukzessiv die zwölf (!) Asafpsalmen 50 73-83 und (danach) die Korachiterpsalmen 42-49 84-85 87—88 ge­ legt worden, die ihrerseits ihre eigene Entstehungsgeschichte haben. Innerhalb der so entstandenen Sammlung 42-88 fallen die Psalmen 42-83 dadurch auf, daß in ihnen überwiegend der Gattungsbegriff »Gott« (>alohim) statt des Gottesnamens JHWH begegnet. Da abwei­ chend von den »Doppelüberlieferungen« Ps 14 4014-18 in Ps 53 70 statt JHWH ebenfalls »Gott« steht, dürfte hier eine gezielt arbeitende Re­ daktion am Werk gewesen sein; sie wird von der Exegese »elohistische Redaktion« genannt (und dementsprechend heißen Ps 42-83 auch »elohistischer Psalter«). 3. Als die beiden Sammlungen 3-41 und 42-88 verbunden wurden, wurden der neu formierten Sammlung die »Königspsalmen« 2l~9 72 89 als hermeneutischer Horizont hinzugefügt, so daß sie nun in kollektivmessianischer Perspektive zu lesen war: Das »arme« Israel wird als kö­ niglicher »Sohn« JHWHs gerettet, damit dadurch JHWHs Weltkö­ nigtum offenbar wird. 4. Die in diesem 1. Kommentarband ausgelegte Gruppe von Korachpsalmen 42-49 bildet eine in sich geschlossene Teilgruppe mit den kollektiven Gemeindegebeten 44-48 im Zentrum und den Individual-

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, iil.

DIE PSALMEN 16 gebeten Ps 42 f und 49 als Rahmen. Ihr Verhältnis zum zweiten Da­ vidpsalter und ihre Position im zweiten Psalmenbuch (Ps 42-72) wird im 2. Band erörtert. Ebenso wird der Asafpsalm 50, der als Ouvertüre zum zweiten Davidpsalter 51—72 dient, in seiner kompositioneilen Funktion dort behandelt. Wann die Sammlung 3-41 »davidisierU (d. h. mit den Psalmüberschriften »von/für David« versehen) wurde, ist schwer zu entscheiden. Ei­ nerseits gibt es über David als »Leierspieler« und als »Dichter« eine vom Psalmenbuch unabhängige und ihm gegenüber wahrscheinlich vorgegebene Tradition (vgl. 1 Sam 1614-23 1810 2 Sam 119-27 333f 231-7 Am 65). Andererseits ist die Davidisierung des ersten wie des zweiten Da­ vidpsalters zusammenzusehen mit der Anbindung einzelner Psalmen an bestimmte Lebenssituationen Davids (von 13 Fällen insgesamt ver­ teilen sich 4 auf den ersten und 8 auf den zweiten Davidpsalter). Die­ sem Vorgehen entspricht in etwa die Gegenbewegung, daß außerhalb des Psalters Lieder/Psalmen in Erzählzusammenhänge eingefügt und bedeutenden Betern in den Mund gelegt werden (Mose Ex 15 Dtn 32, Hanna 1 Sam 1, David 2 Sam 22, Hiskija Jes 38, Jona Jon 2). Der Son­ dercharakter der Überschriften von Ps 7 18 sowie die führende Kon­ textposition der mit solchen Überschriften ausgestatteten Psalmen 3 7 18 legen nahe, daß die ausdrückliche Zuweisung eines Psalms an Da­ vid bereits durch die exilische (formative) Bearbeitung des ersten Da­ vidpsalters erfolgt sein kann und von dort her ihren weiteren Ausgang in den Gesamtpsalter nahm. Mit der sprachlich mehrdeutigen Zuweisung l'dawiddürften dabei zu­ mindest zwei Aussageintentionen verbunden sein: 1. Mit der Verfasserangabe »von David« wurden diese Psalmen als pa­ radigmatische Gebete Davids zum »Nachvollzug« angeboten. »David« gab diesen Psalmen eine hohe geistliche Dignität. 2. In der Bedeutung »für David« wurde den Psalmen durch diese Überschrift zugleich die Kraft zugesprochen, daß Israel in und mit die­ sen Psalmen seine »davidisch-messianische« Würde bzw. Sendung einüben und realisieren könne - mitten in Verfolgung und im Leiden an der eigenen Schuld, wie David! 3. Die von manchen Exegeten bevorzugte Deutung »zur Davidsammlung gehörig«, die nicht auszuschließen ist, setzt die beiden erstge­ nannten (oder wenigstens eine von ihnen) voraus. Die Zuweisung einzelner Psalmen bzw. Psalmensammlungen an »Da­ vid« wurde dann soweit ausgeweitet, daß David zum »Verfasser« bzw. »Leitbild« aller Psalmen des Psalmenbuchs wurde. Die Psalmen in Ge­ meinschaft mit »David« und in seiner Nachfolge zu beten, ist ein ge­ eigneter Ansatz, die ursprünglich jüdischen Psalmen auch als christli­ che Psalmen zu beten — nämlich in der Nachfolge und in Gemeinschaft mit dem Davidsohn Jesus von Nazaret.

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Schwerpunkte der Auslegung im Kontext derzeitiger Psalmenforschung Wer zu Beginn der 90er Jahre einen Durchblick durch die derzeitige Psalmenforschung versucht, stellt für den Bereich der Psalmen wie in den anderen Literaturbereichen des AT eine Zunahme oder einen Zu­ gewinn an Vielstimmigkeit der Interpretationen fest. Es herrscht kein bestimmter Aspekt der Interpretation vor, sondern traditionelle Aspekte werden vertieft und teilweise spezialisiert; andere, neue Aspekte treten hinzu, teilweise in Ergänzung, teilweise in Bestreitung bisheriger Forschung. Von daher erscheint eine zusammenfassende und die verschiedenen Aspekte integrierende Psalmenauslegung nur begrenzt realisierbar. 1. Nach wie vor spielt die von H. Gunkel und S. Mowinckel angesto­ ßene Formen- und Gattungskritik in der Psalmenexegese eine dominie­ rende Rolle. Dies läßt sich unschwer an den gängigen Handbüchern der »Einleitung in das Alte Testament« und an den »Einführungen in die Psalmen« (H. Gunkel, K. Seybold) erkennen, die die Psalmen nach gattungskritischen Gesichtspunkten ordnen und aufschlüsseln. J. Bekker stellt in seinem 1975 erschienenen Überblick »Wege der Psalmen­ exegese« lapidar fest: »Wir beginnen mit der formgeschichtlichen Me­ thode, weil sie als Basismethode der Psalmenexegese zu gelten hat« (S. 12). Die Formen- und Gattungskritik ist auch in den letzten 20 Jahren weiter vorangetrieben worden, und zwar besonders in dem Bemühen um eine präzisere Erfassung der Hauptgattungen Lob (Hymnus) und Dank, Klage und Bitte. Hier hat auf der einen Seite C. Westermann versucht, die Unterscheidung von Hymnus und Danklied mit dem Hinweis aufzuheben, daß es im Hebräischen keine unterschiedlichen Verben für »loben« und »danken« gebe und daß es sowohl beim »Hymnus« wie beim »Danklied« um ein Loben Gottes gehe. »Lobpsalm« und »Klagepsalm« seien die beiden Grundgattungen. Der »Lobpsalm« falte sich dann in zwei Untergattungen aus, in den berich­ tenden Lobpsalm, der Gottes einzelne Taten lobpreise, und in den be­ schreibenden Lobpsalm, der das den einzelnen Taten Gottes zugrun­ deliegende »Wesen« Gottes lobpreise (insbesondere seine Majestät und sein Erbarmen). Da sich die Struktur dieser beiden »Untergattun­ gen« freilich stark unterscheidet, wird man die traditionellen Kenn­ zeichnungen als Hymnus (Aufbau: Einführung/Aufgesang - Haupt­ stück/Corpus hymni, eingeleitet mit &f»denn, fürwahr« - Ausleitung/ Abgesang) und als Danklied (fundamentale Zweiteilung des Aufbaus: Zurückblickende Danksagungserzählung mit JHWH-Anrede in 2. Person — Einladung an die »Gemeinde«, sich dem Dank an JHWH [3. Person] anzuschließen) besser beibehalten. Weitere Differenzie­ rungen der Grundgattung Hymnus hat F. Crüsemann vorgeschlagen (imperativischer Hymnus als die eigentlich israelitische Hymnenform; partizipialer Hymnus: Aneinanderreihung partizipialer Gottesprädi­ kationen nach Analogie der Gotteshymnen der Umwelt; JHWH-anre-



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dender Hymnus des einzelnen), doch hat er dabei nur sehr begrenzte Zustimmung erfahren. E. S. Gerstenberger hat durch Beiziehung altorientalischer Parallelen den »Sitz im Leben« der Klagelieder vor al­ lem im Bereich der familiären Frömmigkeit zu erhellen versucht. Mehrere neue Arbeiten haben die Vernachlässigung des Elementes »Bitte« in den Klagepsalmen und der Gattung »Bittgebet« überhaupt moniert - nicht zuletzt mit Hinweis auf H. Gunkel, der konstatiert hatte: »Das bedeutendste Stück der Klagelieder ist die Bitte. Sie ist das Herzstück der Gattung, begreiflich, da es das Bestreben des Beters ist, etwas von seinem Gott zu erlangen« (Einleitung in die Psalmen, S. 218). Unser Kommentar widmet dem »Bittgebet« als eigener »Grundgattung« mehr Aufmerksamkeit als dies meist der Fall ist. Dagegen halten wir die verschiedentlich vorgeschlagene Aufteilung des Klagepsalms in weitere Untergattungen für wenig hilfreich, zumal sie sich nicht durch unterschiedliche Strukturschemata begründen läßt. Während der gattungsgeschichtliche Ansatz H. Gunkels noch die jüngst erschienenen Kommentare zu Ps 1-50 von P. C. Craigie (1983) und E. S. Gerstenberger (1988), freilich in je spezifischer Ausprägung, bestimmt, hat H.-J. Kraus in der 5. Auflage seines voluminösen Psal­ menkommentars (1978) insofern eine Teilrevision vollzogen, als er die Gunkelschen Gattungsbezeichnungen einerseits durch neue, im AT selbst begegnende Begriffe ersetzte, ohne daß dies freilich andererseits den Kommentar selbst veränderte (was vielleicht »praktische« Gründe hatte!). Daß der gattungsgeschichtliche Ansatz in der Psalmenexegese sehr fruchtbar war und sein kann, soll nicht bestritten werden. Aber seine Grenzen sind ebenso deutlich. Wir sehen vor allem folgende Probleme: a) Die überwiegende Mehrheit der.biblischen Psalmen läßt sich streng genommen keiner üblichen Gattung zuordnen, außer man definiert sie so allgemein, daß sie nur noch die Geschehens- und Sprachmuster der Grundsituationen Klage und Bitte, Lob und Dank wiedergeben. Nicht zu Unrecht stellt R. Smend in seiner Einleitung in das AT fest: Es gibt hier einen form- und gattungsgeschichtlichen »Perfektionismus, der zur Sisyphusarbeit immer weiterer Differenzierung innerhalb und au­ ßerhalb der unzweifelhaften großen Gattungen führt. Schon innerhalb dieser Gattungen fügen sich ja die Texte den nachträglich aufgestell­ ten Schemata selten ganz. Die Überschneidungen von Klage- und Danklied wurden schon erwähnt, ebenso die Nähe zwischen Danklied und Hymnus. Oft fällt es schwer und ist es wohl geradezu unsachge­ mäß, einen Psalm auf eine dieser Gattungen festzulegen. Viele, ja die meisten Psalmen sind unter diesem Gesichtspunkt als Mischungen zu betrachten« (S. 200). Schon H. Gunkel hatte darauf aufmerksam ge­ macht, daß zwar die »Gattungen« der Psalmen ihren Ursprung in ei­ nem kultischen bzw. institutionellen »Sitz im Leben« haben, daß aber die meisten der uns überkommenen Psalmen sich nur noch von den ur­ sprünglichen »Gattungen« anregen ließen, ohne selbst entsprechende

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kultische/institutionelle Anbindung zu haben, wie die folgenden zwei Zitate aus Gunkels »Einleitung in die Psalmen« bestätigen: »Geht doch schon aus den angeführten Beispielen zur Genüge hervor, daß wir auch in den Psalmen eine Fülle von Hinweisen auf ihren Sitz im Gottesdienst finden. Nun gibt es freilich andere Lieder, die im Psalter sogar die Mehrzahl bilden, in denen nichts oder nur sehr wenig von solchen Anspielungen hervor­ tritt, die viel mehr bei weitem mehr persönlicher Art und aus dem religiösen Leben des einzelnen hervorgegangen sind« (S. 18). »Ursprünglich aus dem Kultus hervorgegangen und mit ihm aufs engste ver­ bunden, hat sie [die Psalmendichtung] jetzt diesem den Rücken gekehrt. Die frommen Seelen haben es gelernt, Lieder zu singen, ...die nicht mehr für den öffentlichen Gottesdienst bestimmt waren... So ist die »geistliche Dich­ tung weiterzuspielenaufgebaut< wird. Dabei ist es wichtig, gerade die Diffe­ renzen zwischen den beiden Zeilen, die sich gegenseitig beleuchten,

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wahrzunehmen und als Variationen des gleichen Motivs bzw. >Themas< zu hören (wie bei einem Musikstück!). Bei der Integration der poetologischen Analyse sind freilich Einseitig­ keiten und Fehlentwicklungen zu vermeiden, wie sie in verschiedenen neueren Studien erkennbar sind: a) Die erarbeiteten Baupläne und Strukturen eines Psalms rufen nicht selten den Eindruck der Beliebigkeit hervor, insbesondere wenn sie un­ ter Verzicht auf die syntaktische und kolometrische Analyse bestimmt werden. Entweder sind die Bezüge, die als strukturrelevant herausge­ stellt werden, zu punktuell und willkürlich ausgewählt, oder die be­ haupteten Einteilungen und Figuren ergeben sich erst aus einer letzten Endes doch thematischen Interpretation. b)Von der starken Betonung der Stilistik wie der Endtextexegese her haben diese Ansätze eine starke Tendenz zur Enthistorisierung der Texte, insbesondere wenn sie mit dem Verzicht auf diachrone Frage­ stellungen verbunden sind. Das Gewicht der den jeweiligen Psalmen­ dichter mitbestimmenden Überlieferung wird verkannt; ebenso bleiben die Metamorphosen, die ein Psalm im Laufe seiner Überlieferungs­ und Redaktionsgeschichte durchlaufen haben kann, von vornherein ausgeblendet. 3. Auf H. Gunkels Kennzeichnung eines großen Teils der Psalmen als »geistliche Lieder« baut die sog. anthologische Psalmenexegese auf, die im Raum der französischen Bibelwissenschaft entstand oder sich von ihr inspirieren ließ (A. Robert, R. J. Tournay, A. Deissler). Diese For­ schungsrichtung hebt vor allem auf den Formularcharakter der Psal­ mensprache und auf deren Anspielungsreichtum ab. Sie hält mit H. Gunkel daran fest, daß der vorexilische Kult der Mutterboden der bi­ blischen Psalmodie war, aber die Einordnung der meisten Psalmen in die nachexilische Zeit erlaubt es, den starken Einfluß der Propheten und der Weisheitslehrer auf die Psalmodie wahr- und ernstzunehmen. A. Deissler faßt diese Sicht programmatisch so zusammen: »Da die Psalmen als >Antwort Israels< (G. von Rad) auf das weisende und wal­ tende Wort Jahwes zu gelten haben, ist die ... Annahme völlig unwahrschein­ lich, daß die anonymen Kultsänger der Königszeit die eigentlich schöpferi­ schen Kräfte im Gottesvolk waren, von denen sogar die Propheten abhingen. Wer sich nicht an Konstruktionen, sondern an das Zeugnis Israels selbst hält, für den ist es klar, daß vielmehr die Propheten die Psalmodie des Gottesvolkes mit ihrer Verkündigung indirekt mitgeprägt und mitentfaltet haben... Die ge­ naue - sehr mühselige - Analyse der uns erhaltenen Psalmen läßt erkennen, daß die exilische und vor allem die nachexilische Zeit noch eine große Zahl Psalmen selbst hervorgebracht und andere in einer Art >Wiederlesung< (fran­ zösisch: relecture) von einem neuen Verstehenshorizont her überarbeitet hat. Vorab jene Richtung der nachexilischen Weisheitsschule, die Jahwes Offenba­ rung als Hauptquelle der Weisheit ansah, hat sich der Psalmendichtung zuge­ wandt bzw. unter den Tempelsängern ihre Anhänger gefunden« (Die Psalmen

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DIE PSALMEN 22 Diese Einschätzung der biblischen Psälmodie 3.1s stark weisheitlich in­ spiriertes Gespräch mit der Prophetie und mit der Tora ist nicht nur durch den Aufweis zahlreicher wörtlicher und motivlicher Verbindun­ gen mit Tora und Prophetie erhärtet und als heuristischer Ansatz jeder Psalmenauslegung unverzichtbar, er kommt auch im zweiteiligen Proömium des Psalmenbuchs selbst zum Ausdruck, wenn die Psalmen in Ps l2 als Aktualisierung von Tora und Prophetie empfohlen werden (vgl. die Auslegung). Die theologische Nähe der Psälmodie zu Tora und Prophetie, aber auch zur Weisheit wird dadurch unterstrichen, daß in ihnen, oft sogar an strukturrelevanter Stelle, Psalmen eingesetzt wurden (z. B. Ex 15 Dtn 32 Jes 12 26 Jon 2 Hab 3 usw.). Der für die anthologische Psalmenforschung bestimmende Gedanke der relecture macht darüber hinaus auf das in der Gunkel-Schule vernachlässigte Phänomen des sukzessiven Wachstums der Psalmen aufmerksam, auch wenn ihre Anhänger dieser diachronen Fragestellung nur ansatz­ haft oder überhaupt nicht nachgehen. Auch bei Anwendung der anthologischen Methode sind freilich Einsei­ tigkeiten zu vermeiden: a) Der unbestreitbar starke anthologische Charakter zahlreicher Psal­ men darf nicht zu einer pauschalen Spätdatierung der Psalmen in die nachexilische Zeit führen. Hier muß eine diachrone Analyse offen blei­ ben für differenzierte Zeitansätze. b) Daß die Psalmen weithin »religiöses Gespräch mit der Tora und der Prophetie« sind, dispensiert nicht von der Frage nach dem genaueren sozialgeschichtlichen Kontext der Einzelpsalmen bzw. Psalmengrup­ pen. 4. Angesichts der großen in der Psalmenforschung der letzten hundert Jahre aufgetretenen Gegensätze in der Datierung der Psalmen, in der beinahe alle überhaupt nur denkbaren Positionen vorgetragen wurden (der Psalter als Sammlung vorexilischer Kultlieder, als Schöpfung nachexilischer Dichter, als Programmtexte der makkabäischen Bewe­ gung), ist in den letzten Jahren, zumindest in der europäischen Bibel­ wissenschaft, die Forderung nach Einzeluntersuchungen erhoben wor­ den, die den gesamten Psalter mit dem an den übrigen Literaturberei­ chen des AT erprobten, differenzierten Instrumentarium der histo­ risch-kritischen Methode, insbesondere unter Einbeziehung der literarkritischeny der traditions- und der religionsgeschichtlichen Analyse, unter­ suchen sollen. Dieses Bemühen schlägt sich in einer zunehmenden Fülle von monographischen Studien zu Einzelpsalmen (z. B. W. Beyerlin, G. Braulik, P. Casetti, H. Irsigler) und Psalmengruppen (z.B. O. Loretz, B. Janowski, J. Jeremias, K. Seybold, H. Spieckermann, S. Ö. Steingrimsson) nieder. Insgesamt geht es diesen neueren Spezialstu­ dien, die im einzelnen methodisch differieren, darum, die unterschied­ lichen Psalmen als Elemente der Theologie- und Frömmigkeitsge­ schichte Israels zu begreifen. Dadurch werden die einzelnen Psalmen in ihrem Anspielungsreichtum plastischer; vieles, was der gattungsge-

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schichtliche Ansatz mit seiner These vom gattungstypischen Sprachund Bildstil zu nivellieren versucht war, wird nun als zeit- und fröm­ migkeitsgeschichtlich genauer beschreibbare Einzelaussage greifbar. Insbesondere läßt sich vielfach die Wachstumsgeschichte eines einzel­ nen Psalms oder die Überlieferungsgeschichte einer Psalmengruppe mit der auch in den anderen Literaturbereichen des AT erkennbaren spannungsreichen Glaubensgeschichte Israels in Verbindung bringen. Ein Forschungskonsens ist hier freilich (noch) nicht erkennbar. Doch mehren sich die Positionen, die bei zahlreichen Psalmen mit einem »Fortschreibungsprozeß« rechnen. Auch unser Psalmenkommentar nimmt für zahlreiche Psalmen einen solchen an; wegen des begrenzten Umfangs der NEB kann die Argumentation meist nur angedeutet wer­ den, sie kommt differenzierter in HThK zur Sprache. 5. Auch wenn richtig ist, daß jeder Psalm zunächst einmal als in sich geschlossener Text entstanden und als solcher zu interpretieren ist, so ist doch das nun vorliegende Psalmenbuch nicht ein gestaltloses Archiv von Einzelpsalmen. Daß die Sammlung und Zusammenstellung nicht ohne jegliches Konzept vor sich gingen, ist von vielen Psalmenausle­ gern immer wieder mit folgenden Beobachtungen vermutet worden: a) Die meisten Psalmen haben Überschriften bzw. Titel, die diesen nachträglich vorangestellt wurden. Diese Überschriften sind im Psal­ menbuch nicht planlos verstreut, sondern ordnen die durch sie gekenn­ zeichneten Psalmen zu (wie immer entstandenen) Psalmengruppen zu­ sammen (»von/für David«: 3-41 51-71 108-110 138-145; »von den/ Asaf«: 50 für die Söhne Korachs«: 42—49 84-85 87—88; 73-83; »ein Wallfahrtspsalm«: 120-134). lge von b) Auch die meisten titellosen Psalmen bilden jewe ?9 100: Gruppen, die thematisch oder formal zusammeng en, geJHWH-König-Psalmen; 111-112 113-118 119 ! rahmt von Torapsalmen; 146-150 »Schluß-Halle! c) Insgesamt läßt sich in der Abfolge der Psalmer der Klage zum Lobpreis erkennen, die mit dazu 1 das Buch in der jüdischen Tradition »Buch der Lo genannt wurde; auch die oben diskutierte »Fünfte buchs ist ein Hinweis für gestalterische Absicht. Schon allein diese Beobachtungen legen die begründete Vermutung nahe, daß die Entstehung des Psalmenbuchs analog der Entstehung der anderen biblischen Bücher vor sich gegangen ist, d. h. in einem suk­ zessiven Wachstumsprozeß, der mit übergreifenden Intentionen und Konzeptionen verbunden war. Methodologisch bedeutet dies: Auch das Psalmenbuch ist redaktionsgeschichtlich zu untersuchen. Konkret bedeutet dies vor allem, daß die an Einzelpsalmen erkennbaren literar­ historischen Differenzierungen daraufhin befragt und ausgewertet werden, ob sich in den früher nur als punktuellen Erweiterungen oder Glossierungen bewerteten Textelementen nicht vielmehr der Entste­ hungsprozeß einzelner Psalmensammlungen bis hin zum Psalmenbuch

I DIE PSALMEN 24 als ganzem so rekonstruieren läßt, daß dabei sogar die theologischen Programme dieser Wachstumsstufen und ihre Trägergruppen sichtbar werden. Insofern dieses Bemühen auf das Verstehen eines Einzel­ psalms als Teil des nun vorliegenden Psalmenbuchs zielt, verbindet sich die redaktionsgeschichtliche Fragestellung mit dem Interesse der sog. kanonischen Lektüre (canonical approach), die neuerdings von mehreren Autoren, insbesondere im Raum der amerikanischen Bibel­ wissenschaft, propagiert wird (J. P. Brennan, W. Brueggemann, J. L. Mays, P. D. Miller, G. H. Wilson, aber auch R. G. Kratz, N. Lohfink, O. H. Steck u.a.). In der konsequenten Beachtung dieser Fragestellung sehen wir ein Proprium unserer Psalmenauslegung, auch wenn sie in diesem Kom­ mentar oft nur angedeutet werden kann (vgl. demgegenüber unsere Auslegung in HThK). Im einzelnen muß diese »kanonische« Psalmen­ auslegung folgende Schritte durchführen: a) Sie achtet auf die Stichwortbeziehungen zwischen nebeneinander stehenden Psalmen und prüft, ob derartige sprachliche und motivliche Gemeinsamkeiten einfach Zufall sind, ob sie der Anlaß waren, die be­ treffenden Psalmen hintereinander zu stellen, ob bei der Nebeneinan­ derstellung nachträglich semantische Angleichungen vorgenommen wurden, ob einzelne Psalmen für ihren jetzigen literarischen (!) Zu­ sammenhang geschaffen wurden und ob die so gezielt miteinander verketteten Einzelpsalmen sich gegenseitig auslegen wollen. b) Sodann stellt sich die Frage, ob es im Psalter erkennbare »Psalmen­ gruppen« bzw. »Teilgruppen« gibt, innerhalb derer einzelne Psalmen einen hermeneutisch besonders relevanten Ort einnehmen. Die Be­ zeichnung »Psalmengruppe« bezieht sich in diesem Falle nicht auf un­ ter inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten selektierte Einzelpsal­ men (also wenn die Exegese z.B. »Königspsalmen«, »Geschichtspsal­ men«, »Weisheitspsalmen« oder »Klagepsalmen«, »Hymnen« nach­ träglich zu Gruppen bündelt und untersucht), sondern auf Reihungen von Nachbarpsalmen im vorliegenden Endtext des Psalters, c) Da diese »Teilgruppen« ihrerseits wieder im Zusammenhang eines der fünf Psalmenbücher stehen, ist auch diesbezüglich zu fragen, ob sich daraus auslegungsrelevante Gesichtspunkte ergeben, sei es hin­ sichtlich des Verhältnisses dieser »Teilgruppen« zueinander, sei es hin­ sichtlich von strukturell herausgehobenen Einzelpsalmen innerhalb der Gesamtkomposition. 6. In der Konsequenz der historisch-kritischen Kommentierung der Psalmen wie auch ihrer Auslegung im Horizont des biblischen Ge­ samtkanons ist in einem theologisch engagierten und hermeneutisch reflektierten Psalmenkommentar prinzipiell auch die Berücksichti­ gung der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Psal men unerläßlich. Dabei ist zum einen die inneralttestamentliche Wirkungsgeschichte zu beschreiben (z.B. die polemische Aufnahme von Ps 8 in Ijob 7). Und zum anderen ist die doppelte Rezeptionsgeschichte im Judentum (ins­

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besondere in der talmudischen und rabbinischen Tradition) und im Christentum (insbesondere im NT, in der altkirchlichen Tradition und in der Liturgie) wenigstens in ihren Hauptlinien so herauszuarbeiten, daß dabei das jeweilige theologische Proprium in seiner Eigengewich­ tigkeit zum Tragen kommt; dabei sind die in der christlichen Rezep­ tion auftretenden Antijudaismen in ihrer historischen Bedingtheit auf­ zudecken und durch eine angemessenere Interpretation zu korrigie­ ren, die der neuen kirchlich-theologischen Sicht des Judentums ent­ spricht, die vom Zweiten Vatikanum eröffnet wurde. Da dieser Schritt teilweise recht materialreich sein muß, muß dafür voll auf unseren Kommentar in HThK verwiesen werden. 7. Gerade mit der verstärkten Herausarbeitung der Zusammenhänge aufeinanderfolgender Psalmen will unser Kommentar zur Rückgewin­ nung einer weithin verlorenen Praxis der Psalmen-Meditation beitra­ gen, in der die Psalmen - wie auch andere biblische Bücher - in der »lectio continua« rezitiert und meditiert wurden. Wenn sie im übergrei­ fenden Textzusammenhang als Deutung menschlicher Existenz in all ihren Grenzen und Möglichkeiten gelesen werden, wird nicht nur ihre von den Gattungsforschern beklagte »Unsystematik« der literarischen Formen als Reichtum erfahren, sondern es ergeben sich subtile anthro­ pologische und theologische Zusammenklänge, deren Wahrnehmung immer schon als Proprium einer meditativen Bibellektüre galt. Die fortlaufende Psalmenrezitation gehört ohnedies zum frühesten Umgang mit dem Psalmenbuch im Judentum. Die jüdischen Psalmen­ genossenschaften, deren Spur möglicherweise bis in die Zeit Jesu zu­ rückreicht, hatten sich verpflichtet, am 1. Wochentag mit der Rezita­ tion von Ps 1 zu beginnen und spätestens am Sabbat Ps 150 zu errei­ chen. Vermutlich im Horizont dieser jüdischen Tradition stehend, schärfte die christliche Benediktusregel für das monastische Psalmen­ gebet ein, man solle allwöchentlich die 150 Psalmen der Reihe nach ungekürzt singen und darauf achten, daß man »am Herrentag zu den Nachtwachen immer wieder von vorn beginnt«. Und das sei eigentlich sehr wenig, denn: »Lesen wir doch, daß unsere heiligen Väter an ey* nem Tag tapfer das vollbracht haben, was wir Laue doch wenigstens wenigstens^kf ^ (Regula Benedicti 18,23.25^3^ einer ganzen Woche leisten sollten« i‘~ Die Psalmen als christliches Gebet Gerade weil die Psalmen den Anspruch erheben, betend nachvolta^: gen und lesend meditiert zu werden, stoßen sie heute vielfach auf Hin­ dernisse ihrer Rezeption. Wir greifen hier nur einige auf, damit sie an­ gemessen beurteilt und überwunden werden können. 1. Häufig wird ein Gegensatz gesehen zwischen Gebetsformularen bzw. »Gebetskonserven« und dem persönlichen, spontanen, einer Si-

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tuation entspringenden Gebet. Dabei wird nur die zweite Art zu beten als authentisch gewertet. Die Schrift selbst berichtet uns häufig von situationsgebundenen Gebe­ ten in den Geschichtserzählungen und bei den Propheten. Aber sie übersieht mit ihren kanonisierten Liedern und Gebeten auch nicht, daß der Mensch für das Beten Vorlagen braucht. Es gibt Situationen der Not (der fremden wie der eigenen), sogar Situationen der Freude, die einen Menschen sprachlos machen, wo er dankbar ist, daß die Psalmen ihm das Wort leihen, um das, was ihn bewegt, vor Gott zur Sprache zu bringen. Insofern helfen die Psalmen den Zerstreuten, den Ungeord­ neten, den Angefochtenen und Stummen, sich auf Gott auszurichten. Die Bevorzugung des spontanen Gebets übersieht, daß Beten nicht nur individuelles Sprechen des Einzelsubjekts mit Gott bedeutet, sondern in kleiner wie großer Gemeinschaft vollzogen werden kann. Dank, Lob und Freude drängen von Natur aus zur Mitteilung. Klage und Not bleiben eher eingeschlossen. Psalmen können häufig der erste Schritt zur Mitteilung an andere sein und diese dadurch zur solidari­ schen Teilhabe bitten. Die Schrift weiß, daß gute Gebete gelehrt bzw. gelernt werden (vgl. den Lebenslehrer Agur in Spr 307'9 und Jesus beim Vaterunser Mt 69-13). Jesus hat zwar kein Gebetbuch benützt, und wie Kohelet hat er beherzigt, daß man beim Beten nicht viele Worte machen soll (Koh 51 Mt 67), aber in seinem Leiden hat er sich an die Psalmen gehalten (vgl. die Passionserzählungen). 2. Die Psalmen sind oft Zielscheibe einer »christlichen Nörgelei«. Kri­ tisiert wird die »Allgegenwart« von Feinden gerade in den Klagegebe­ ten, die schwerlich die Situation des modernen Beters treffe. In den Verwünschungen der Feinde, in den dringenden Appellen an die »Ra­ che Gottes«, daß er die persönlichen Feinde des Beters richte, komme ein unchristlicher Zug zum Tragen, der das Niveau der christlichen Feindesliebe nicht erreicht. Solche pauschalen Urteile haben sich daraufhin zu prüfen, ob sie nicht dem seit Markion schwer ausrottbaren Vorurteil Vorschub leisten, der alttestamentliche Gott der Rache stehe dem neutestamentlichen Gott der Liebe gegenüber - ein Vorurteil, das die Beziehungen des Juden­ tums zum Christentum vergiftet hat und das die Einheit der christli­ chen Bibel von Altem/Erstem Testament und Neuem Testament schwer belastet. Zuerst einmal ist hier der Respekt vor der Betroffenheit des Beters in den Psalmen einzufordern, der auf der Seite der Opfer steht. Er befin­ det sich in realer Not und bringt sie ungefiltert vor Gott. Seine Gebete fordern dazu auf, über Feinde und Feindschaft zu reden und diese immer gegebenen Wirklichkeiten nicht zu verdrängen. Der Beter ringt um die Aufhebung seiner verschiedenen Nöte und fordert die Durch­ setzung der göttlichen Maßstäbe jetzt in seinem Leben vor dem Tode.

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Insofern können Psalmen dem Christen dazu verhelfen, konkrete Lei­ den wahrzunehmen, deren Bekämpfung nicht aufzuschieben und den Glauben an den barmherzigen und gerechten Gott wachzuhalten, der seine Gerechtigkeit aufrichten wird. 3. Häufig werden die Psalmen als nur »vorchristliche« Gebete angese­ hen, denen entscheidende christliche Glaubensgehalte fehlen. Sie be­ sitzen, so wird gesagt, noch nicht den Glauben an den dreieinigen Gott. Wenn sie die Geschichte Gottes mit den Menschen erwähnen, beschränkten sie sich oft nur auf die Geschichte Israels. Die anthropo­ logisch zentrale Vorstellung von der Auferstehung spiele in ihnen eine zu geringe Rolle. Gemessen am Credo und an der Ganzheit der Schrift bieten die Psal­ men nur einen Teil - wie jedes andere Buch der Bibel auch! Aber wie jedes Gebet wollen auch sie nicht mit dem Vollmaß der Orthodoxie verglichen werden, sondern authentisch die Vielfalt und Fülle mensch­ lichen Lebens vor Gott darstellen. In bezug auf die Auferstehung sind die Psalmen ein wichtiger Zeuge dafür, weil dieser Glaubensinhalt sich auch in ihnen entfaltet (Ps 16 2230f 49 73) und weil sie miterleben las­ sen, wie um ihn gerungen wird (vgl. Ps 2230 4915 88). Im übrigen ist die ganze christliche Bibel vom kanonischen Wert und von der zureichen­ den Qualität der Psalmen überzeugt. Mit der Bibel und der darauf auf­ bauenden Tradition haben die Christen darauf verzichtet, nach dem biblischen Psalter einen neuen Psalter zu kanonisieren oder in umfang­ reicher Weise Psalmen weiterzudichten bzw. fortzuschreiben. 4. Wenn Christen Psalmen beten, sollen sie sich bewußt machen, daß sie diese gemeinsam mit den Juden beten, ja, daß die Juden bis heute und bis zur Vollendung der Geschichte zuallererst und legitim die Psalmen als das ihnen gegebene Gebet- und Lesebuch betrachten und daß sie im Rezitieren der Psalmen ihre unzerstörbare Würde als Got­ tesvolk realisieren. Indem die Kirche die Psalmen Israels rezitiert, sagt sie ausdrücklich Ja zu ihrer jüdischen Ursprungsgeschichte und zu dem »geistlichen« Erbe, das sie seit ihren Anfängen mit dem Judentum teilt. Wenn die Kirche in ihrer Liturgie die »jüdischen« Psalmen betet, ist dies im Horizont des seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneu­ erten christlich-jüdischen Verhältnisses zugleich ein Bekenntnis der Kirche zu ihrer unaufgebbaren Verbundenheit mit dem jüdischen

Volk.

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DIE PSALMEN 32 Ps 3:G. J. Botterweck, Klage und Zuversicht der Bedrängten. Auslegung der Psalmen 3 und 6: BiLe 3 (1962) 184-189; O. Keel, Feinde 1969 (vgl. c), 129 ff. 167ff; W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 75-84; N. H. Ridderbos, Die Psal­ men 1972 (vgl. c), 124 f; P. Auffret, Note sur la structure litteraire du Psaume 3: ZAW 91 (1979) 93-106; G. Gerlemann, Der »Einzelne« der Klage- und Dankpsalmen: VT 32 (1982) 33-49; A. R. Müller, Stimmungsumschwung im Klagepsalm: ALW 28 (1986) 416-426; H. Graf Reventlow, Gebet 1986 (vgl. b), 168-182; P. Auffret, Notes complementaires sur la structure litteraire des Psaumes 3 et 29: ZAW 99 (1987) 90-93; J. S. Kselman, Psalm 3: A Structural and Literary Study: CBQ 49 (1987) 572-580; B. Janowski, Rettungsgewißheit 1989 (vgl. c), 6-18.180-191. Ps 4: L. Dürr, Zur Datierung von Ps 4: Bib 16 (1935) 330-338; W. Beyerlin, Die Rettung 1970 (vgl. c), 84-90; M. Mannati, Sur le sens de min en Ps 4,8: VT 20 (1970) 361-366; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 125-126; F. Asensio, Salmo 4: Mentira o ld6latr[i]a?, Greg 61 (1980) 653-676; L. Alonso Schökel, Treinta Salmos: Poesia y Oracion, Madrid 1986, 35-49; J. S. Kselman, A note on Psalm 4,5: Bib 68 (1987) 103-105; O. Wahl, Du allein, Herr, läßt mich sorglos ruhen. Die frohe Botschaft von Ps 4, in: FS-H. Groß (s.o. zu Ps 1), 1986 (21987), 450-470; E. Zenger, »Gib mir Antwort, Gottmeiner Gerechtigkeit« (Ps 4,2). Zur Theologie des 4. Psalms, in: FS-H. Reinelt, Stuttgart 1990, 377-403. Ps 5:L. D. Delekat, Asylie und Schutzorakel am Zionheiligtum, Leiden 1967, 57ff; N. A. van Uchelen, *is dämmlm in the Psalms: OTS 15 (1969) 205—212; W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 90-95; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 126-129; J. Coppens, La royautd 1977 (vgl. c), 297-306; J. W. McKay, Psalms of Vigil: ZAW 91 (1979) 229-247; K. Koch, Was ist Formge­ schichte?, Neukirchen-Vluyn 41981, 209-222; B. Janowski, Rettungsgewiß­ heit 1989 (vgl. c), 181-191. Ps 6: H. C. Knuth, Zur Auslegungsgeschichte von Psalm 6 (BGBE 11), Tübin­ gen 1971; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 129-131; K. Seybold, Das Gebet des Kranken 1973 (vgl. c), 153-158; J. A. Soggin, Philological and Exegetical Notes on Ps 6: Bib Or 29 (1975) 133-142; H. W. M. van Grol, Lite­ rair-stilistische analyse van Psalm 6: Bijdr 40 (1979) 245-264; C. Westermann, Ausgewählte Psalmen, Göttingen 1984, 59-62; N. Lohfink, Psalm 6 - Beob­ achtungen beim Versuch, ihn »kanonisch« auszulegen: ThQ 167 (1987) 277-288; ders., Was wird anders bei kanonischer Schriftauslegung? Beobach­ tungen am Beispiel von Ps 6: JBTh 3 (1988) 29-53; P. Auffret, Note complementaire sur la structure litteraire du Psaume 6: Bi No 42 (1988) 7-13; J. Smit Sibinga, Gedicht en getal. Over de compositie van Psalm 6: Ned TTs 42 (1988) 185-207; C. C. Broyles, The Conflict 1989 (vgl. c), 179-183; O. Loretz, Adaption ugaritisch-kanaanäischer Literatur in Psalm 6: UF 22 (1990) 195-220. Ps 7: W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 95-101; N. H. Ridderbos, Die Psal­ men 1972 (vgl. c), 131-135; C. Macholz, Bemerkungen zu Psalm 7,4—6: ZAW 91 (1979) 127-129; E. S. Gerstenberger, Der bittende Mensch 1980 (vgl. c), 128-134.153-156; R. L. Hubbard, Dynamistic and Legal Processes in Ps 7:

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ZAW 94 (1982) 267-279; W. H. Bellinger, Psalms of the Falsely Accused: A Reassessment: SBL Seminar Papers 25 (1986) 463—469; K. van derToom, Ordeal Procedures In the Psalms and the Passover Meal: VT 38 (1988) 427-445; M. Krieg, Todesbilder 1988 (vgl. c), 268-272; N. Lohfink, Ps 7,2-6-vom Lö­ wen gejagt, in: FS-O. B. Knoch, Stuttgart 1991, 60-67. Ps 8: W. H. Schmidt, Gott und Mensch in Psalm 8: ThZ 25 (1969) 1-15; A. Soggin, Textkritische Untersuchung von Ps. VIII w. 2-3 und 6: VT 21 (1971) 565-571; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 136-140; R. Tournay, Le Psaume VIII et la doctrine biblique du nom: RB 78 (1971) 18-30; A. Albertz, Weltschöpfung 1974 (vgl. c), 122-126; L. Perlitt, Der Mensch nach der Offenbarung des Alten Testaments. Eine Auslegung des 8. Psalms, in: Das Bild vom Menschen in Orthodoxie und Protestantismus (ÖR.B 26), Komta! 1974, 7-20; W. Beyerlin, Psalm 8. Chancen der Überlieferungskritik: ZThK 73 (1976) 1-22; W. Rudolph, »Aus dem Munde der jungen Kinder und Säug­ linge...« (Ps 8,3), in: FS-W. Zimmerli, Göttingen 1977, 388-396; M. Görg, Der Mensch als königliches Kind nach Ps 8,3: Bi No 3 (1977) 7-13; G. Wallis, Psalm 8 und die ethische Fragestellung der modernen Naturwissenschaft: ThZ 34 (1978) 193-201; N. Füglister, Psalm 8, in: Aus den Psalmen leben, Freiburg 1979, 27-37; O. H. Steck, Beobachtungen zu Psalm 8: Bi No 14 (1981) 54-64; C. Petersen, Mythos 1982 (vgl. c), 62-84; C. Westermann, Ausgewählte Psal­ men, Göttingen 1984, 183-186; L. Alonso Schökel, Salmos 1986 (vgl. zu Ps4), 63-78; H. G. Reventlow, Gebet 1986 (vgl. b), 139-148; M. Görg, Alles hast du gelegt unter seine Füße, in: FS-H. Groß 1986 (vgl. c), 125-148; ders., Kö­ nigliche Eulogie. Erwägungen zur Bildsprache in Ps 8,2: Bi No 37 (1987) 38-47; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 227-239. Ps 9/10: W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 20 f; P. R. Berger, Zu den Stro­ phen des 10. Psalms: UF 2 (1970) 7-17; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 140-146; St. N. Rosenbaum, New Evidence for Reading »ge’im« in Place of »goyim« in Ps 9 and 10: HUCA 45 (1974) 65-70; J. Becker, Psalmen­ exegese 1975 (vgl. b), 73-98; J. Coppens, La royaute 1977 (vgl. c), 307-313; J. Jeremias, Das Königtum Gottes 1987 (vgl. c), 143-147; E. S. Gerstenberger, Art. 'änäh II, ThWAT VI, 1987, 264; M. Krieg, Todesbilder 1988 (vgl. c), 292 f; G. Schmuttermayr, Psalm 9-10. Studien zur Textkritik und Überset­ zung, St. Ottilien 1985; G. A. Rendsburg, Linguistic Evidence for the Nor­ thern Origin of Selected Psalms (SBL.MS 43), Atlanta 1990. Ps 11: R. Tournay, Poesie biblique et traduction fran$aise. Un essai sur le Psaume XI: RB 53 (1946) 349-364; I. Sonne, Psalm Eleven: JBL 68 (1949) 241-245; W. Beyerlin, Die Rettung 1970 (vgl. c), 101-105; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 146-148; G. Rinaldi, Salmo 11: BeO 15 (1973) 123-127; M. Mannati, Le Psaume XI: VT 29 (1979) 222-228; T. Veerkamp, Der Bewährte - was kann er wirken? Eine Auslegung des 11. Psalms: Texte und Kontexte 3 (1979) 5-10; P. Auffret, Essai sur la structure litteraire du psaume 11: ZAW 93 (1981) 401-418; W. H. Bellinger, The Interpretation of Psalm 11: EvQ 56 (1984) 95-101; L. Alonso Schökel, Salmos 1986 (vgl. zu Ps 4), 79-88; M. S. Smith, »Seeing God« in the Psalms: The Background to the Beatific Vision in the Hebrew Bible: CBQ 50 (1988) 171-183.

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DIE PSALMEN 3ÄÄ 1970, 111-114; W. E. March, A Note on the Text of p. 12 Q- VT 21 (1971) 610-612; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 149-151 • P. D. Miller Jr., Yäpiabin Psalm XII6: VT 29 (1979) 495-501; E. S. Gerstenberger, Psalm 12: Gott hilft den Unterdrückten, in: FS-F. Hahn, Gie­ ßen 1983, 83-104. Ps 13:N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 151-152; A. Lauha, »Do­ minus benefecit«. Die Wurzel gml und die Psalmenfrömmigkeit: ASTI 11 (1977) 57-62; J. L. Mays, Psalm 13: Int 34 (1980) 279-283; O. H. Steck, Be­ obachtungen zur Beziehung von Klage und Bitte in Psalm 13: Bi No 13 (1980) 57-62; C. Westermann, Ausgewählte Psalmen, Göttingen 1984, 55-59; C. C. Broyles, The Conflict 1989 (vgl. c), 183-187. Ps 14: Ch. C. Torrey, The Archetype of Psalm 14 and 53: JBL 46 (1927) 186-192; K. Budde, Psalm 14 und 53: JBL 47 (1928) 160-183; M. Buber, Recht und Unrecht 1962 (vgl. zu Ps 1), 14-26; B. D. Eerdmans, Psalm XIV, LIII and the Elohim-Psalms: OTS 1 (1942) 258-267; E. San Pedro, Problemata philologica psalmi XIV: VD 45 (1967) 65-78; J. Jeremias, Kultprophetie 1970 (vgl. zu Ps 12), 114-117; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 152-154; R. A. Bennett, Wisdom Motifs in Psalm 14-53; näbäland 'e#i£:BASOR 220 (1975) 15-21; Sh. Weissblueth, Psalm 14 and Its Parallel Psalm 53: Beth Mikra 29 (1983/84) 133-138; P. D. Miller Jr., Interpreting 1986 (vgl. b), 94-99; P. Auffret, »Qui donnera depuis Sion le salut d’Israel?« Etüde structurelle des Psaumes 14 et 53: BZ 35 (1991) 217-230. Ps 15:0. Garcia de la Fuente, Liturgias de entrada, normas de asilo o exhortaciones prof6ticas?: Augustinianum 9 (1969) 266-298; T. Lescow, Die dreistu­ fige Tora: ZAW 82 (1970) 362-379; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 154-156; J. T. Willis, »Ethics in a Cultic Setting«. Essays in Old Testament Ethics, in: FS-J. Ph. Hyatt, New York 1974, 145-170; P. D. Miller Jr., Poetic Ambiguity and Balance in Psalm XV: VT 29 (1979) 416-424; P. Auffret, Essai sur la structure litteraire du Psaume XV: VT 31 (1981) 385-399; M. L. Barre, Recovering the Literary Structure of Psalm XV: VT 34 (1984) 207-211; S. Ö. Steingrimsson, Tor der Gerechtigkeit. Eine literarturwissenschaftliche Unter­ suchung der sogenannten Einzugsliturgien im AT (ATSAT 22), St. Ottilien 1984; W. Beyerlin, Weisheitlich-kultische Heilsordnung. Studien zum 15. Psalm (BThSt 9), Neukirchen-Vluyn 1985; E. Otto, Kultus und Ethos in Jeru­ salemer Theologie. Ein Beitrag zur theologischen Begründung der Ethik im AT: ZAW 98 (1986) 161-179; F. L. Hossfeld, Nachlese zu neueren Studien der Einzugsliturgie von Ps 15, in: FS-H. Reinelt, Stuttgart 1990, 135-155; H. J, Kraus, Tore der Gerechtigkeit, in: FS-K. Koch, Neukirchen-Vluyn 1991, 265-272. Ps 16: E. Zolli, Die Heiligen im Psalm 16: ThZ 6 (1950) 149-150; S. Mowinckel, Zu Psalm 16,2ss: ThLZ 82 (1957) 649-654; L. Jacquet, Yahweh, mon bonheur c’est toi!: BVC 43 (1962) 27—41; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 157-160; A. Schmitt, Ps 16,8-11 als Zeugnis der Auferstehung in der Apg: BZ 17 (1973) 229-248; J. Lindblom, Erwägungen zu Psalm XVI: VT

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24 (1974) 187-195; W. Quintens, Le chemin de vie dans psaume XVI: EThL 55 (1979) 233-242; Th. Bell, »...quia insignis estpsalmus iste de insigni materia...« Martin Luther über Psalm 16 in den »Operationes in Psalmos«: Bijdr 41 (1980) 419-435; W. A. M. Beuken, Psalm 16: The Path to Life: Bijdr 41 (1980) 368-385; H. auf der Maur, Zur Deutung von Ps 15 (16) in der Alten Kirche. Eine Übersicht über die Interpretationsgeschichte bis zum Anfang des 4. Jh.s: Bijdr 41 (1980) 401-418; D. J. van Uden, >Als je leven zoekt«. De interpretatie van het woord >leven< in Ps 16,11 in de rabbijnse literatur: Bijdr 41 (1980) 386-400; F. D. Hubmann, Textgraphik und Psalm XVI 2-3: VT 33 (1983) 101-106; N. Füglister, Gott allein genügt. Leben in der Gegenwart Gottes anhand von Psalm 16: Christliche Innerlichkeit 19 (1984) 126-136; K. Seybold, Der Weg des Lebens. Eine Studie zu Psalm 16: ThZ 40 (1984) 121-129; R. J. Tournay, Le Psaume 16, 1-3: RB 95 (1988) 332-336. Ps 17: W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 105-111; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 160-162; J. W. McKay, Psalms of Vigil: ZAW 91 (1979) 229—247; P. Auffret, La sagesse a bäti 1982 (vgl. c), 411-425; L. Neveu, Au pas des Psaumes 1988 (vgl. b), 112-116. Ps 18: G. Schmuttermayr, Ps 18 und 2 Sam 22. Studien zu einem Doppeltext (StANT 25), München 1971; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 162-173; T. Veijola, Die ewige Dynastie. David und die Entstehung seiner Dynastie nach der deuteronomistischen Darstellung (AASF B 193), Helsinki 1975; D. N. Freedman, Divine Names and Titles in Early Hebrew Poetry, in: FS-G. E. Wright, New York 1976; 55-107; J. Jeremias, Theophanie (WMANT 10), Neukirchen-Vluyn 1965 (21977), 33-38.128-129; B. Couroyer, NHT: »Encorder un arc«(?): RB 88 (1981) 13-18; P. Auffret, La sagesse a bäti 1982 (vgl. c), 409-438; S. Kreuzer, Der lebendige Gott (BWANT 116), Stuttgart 1983, 146—161; J. K. Kuntz, Psalm 18: ARhetoricalCritical Analysis: JSOT 26 (1983) 3-31; R. B. Chisholm, An Exegetical and Theological Study of Psalm 18/2Sam 22, Michigan 1986; B. Couroyer, Ta droite assiste mon epee: RB 93 (1986) 38-69; F. L. Hossfeld, Der Wandel des Beters in Ps 18, in: FS-H. Groß (SBB 13), Stuttgart 1986 (21987), 171-190; J. L. Vesco, Le Psaume 18. Lecture Davidique: RB 94 (1987) 5-62; U. Rüterswörden, Der Bogen in Gen 9. Militärhistorische und traditionsgeschichtliche Erwägungen zu einem biblischen Symbol: UF 20 (1988) 247-263; B. Janowski, Keruben und Zion. Thesen zur Entstehung der Zionstradition, in FS-K. Koch, Neukirchen-Vluyn 1991, 231-264. Ps 19:0. H. Steck, Bemerkungen zur thematischen Einheit von Psalm 19,2-7, in: FS-C. Westermann, Göttingen 1980, 318-324; H. Gese, Die Einheit des Psalm 19, in: FS-G. Ebeling, Tübingen 1982, 3-10; Chr. Dohmen, Ps 19 und sein altorientalischer Hintergrund: Bib 64 (1983) 501-517; I. Fischer, Ps 19Ursprüngliche Einheit oder Komposition?: Bi No 21 (1983) 16-25; A. Mein­ hold, Überlegungen zur Theologie des 19. Psalms: ZThK 80 (1983) 119-136; J. M. Oesch, Zur Übersetzung und Auslegung von Psalm 19. FS-A. Gamper: Bi No 26 (1985) 71-87; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 60-72; B. Janowski, Rettungsgewißheit 1989 (vgl. c); R. P. Knierim, On the Theology of Psalm 19, in: FS-K. Koch, Neukirchen-Vluyn 1991, 439-458.

DIE PSALMEN 36 Ps 20:R. J. Tournay, Recherches sur la Chronologie des Psaumes. 3. Une liturgie d’inthronisation (Psaumes XX et XXI): RB 66 (1959) 161—190; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 179-182; J. H. Eaton, Kingship in the Psalms, London 1976 (= Sheffield 21986), 111-134; S. P. Vleeming - J. W. Wesselius, An Aramaic Hymn from the Fourth Century B. C.: BiOr 39 (1982) 501-509; Ch. F. Nims - R. C. Steiner, A Paganized Version of Psalm 20: 2-6 from the Aramaic Text in Demotic Script: JAOS 103 (1983) 261-274; K. A. D. Smelik, The Origin of Psalm 20: JSOT 31 (1985) 75-81; M. Weinfeld, The Pagan Version of Psalm 20:2-6. Vicissitudes of a Psalmodic Creation in Israel and its Neighbours, in: Nahman Avigad Volume (Erez Israel 18), Jerusalem 1985, 130-140; I. Kottsieper, Anmerkungen zu Pap. Amherst 63 I: 12,11-19. — Eine aramäische Version von Ps 20: ZAW 100 (1988) 217—244; O. Loretz, Königspsalmen 1988 (vgl. c), 20-54. Ps 21: R. J. Tournay, Recherches 1959 (vgl. zu Ps 20), 161-190; F. C. Fensham, Ps 21 - A Covenant Song?: ZAW 77 (1965) 193-202; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 182-185; J. H. Eaton, Kingship 1976 (vgl. zu Ps 20), 111-134; W. Quintens, La vie du roi dans le Psaume 21: Bib 59 (1978) 516-541; P. Auffret, Note sur la structure litt6raire du Psaume XXI: VT 30 (1980) 91-93; O. Loretz, Königspsalmen 1988 (vgl. c), 78-106; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 208-219.

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Ps 22: O. Keel, Nochmals Ps 22,28-33: Bib 51 (1970) 405-513; W. H. Schmidt, »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Ps 22 als Beispiel alttestamentlicher Rede von Krankheit und Tod: WuD 11 (1971) 119-140; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 185-192; H. Gese, Ps 22 und das Neue Testament, in: ders., Vom Sinai zum Zion, München 1974, 180-201; J. Becker, Psalmenexegese 1975 (vgl. b), 92-96; F. Stolz, Alttestamentliches Reden vom Menschen und neutestamentliches Reden von Jesus: ZThK 77 (1980) 129-148; A. Deissler, »Mein Gott, warum hast du mich ver­ lassen?« (Ps 22,2). Das Reden zu Gott und von Gott in den Psalmen - am Bei­ spiel von Ps 22, in: N. Lohfink u.a., »Ich will euer Gott werden« (SBS 100), Stuttgart 1981,97-121; B, N. Wambacq, Psaume 22,4: Bib 62 (1981) 99-100; O. Fuchs, Klage als Gebet. Eine theologische Besinnung am Beispiel des Psalms 22, München 1982; J. S. Kselman, »Why Have You Abandoned Me?« A Rhetorical Study of Psalm 22: JSOT 19 (1982) 172-198; C. Westermann, Ausgewählte Psalmen, Göttingen 1984, 62-70; P. D. Miller Jr., »Enthroned on the Praises of Israel«: Int 39 (1985) 5-19; A. R. Müller, Stimmungsum­ schwung im Klagepsalm. Zu Ottmar Fuchs, »Die Klage als Gebet«, ALW 28 (1986) 416-426; P. Weimar, Ps 22 - Beobachtungen zur Komposition und Entstehungsgeschichte, in: FS-H. Groß, Stuttgart 1986 (21987), 471-494; J. Jeremias, Das Königtum Gottes 1987 (vgl. c), 144-146; B. Renaud, Le Psaume 22: Structure et relecture, in: FS-P. Grelot, Paris 1987, 155-164; H. J. Fabry, Die Wirkungsgeschichte des Psalms 22, in: J. Schreiner (Hrsg.), Beiträge zur Psalmenforschung. Psalm 2 und 22 (FzB 60), Würzburg 1988, 279-317; H. Irsigler, Psalm 22: Endgestalt, Bedeutung und Funktion, ebd., 193-239; J. Schreiner, Zur Stellung des Psalms 22 im Psalter. Folgen für die Auslegung, ebd., 241-277; G. Vanoni, Psalm 22. Literarkritik, ebd., 153-192; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 239-253.

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DIE PSALMEN

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Ps 23:E. Vogt, The >PIace in Life< of Ps 23: Bib 34 (1953) 195-211; L. Köhler, Psalm 23: ZAW 68 (1956) 227-234; A. L. Merrill, Psalm 23 and the Jerusalem Tradition: VT 15 (1965) 354-360; J. J. Stamm, Erwägungen zu Psalm 23, in: FS-A. de Quervain (BEvTh 44), München 1966, 120-128; W. Beyerlin, Ret­ tung 1970 (vgl. c), 111-116; A. R. Johnson, Psalm 23 and the Household of Faith, in: FS-G. H. Davies, Richmond 1970, 255-271; G. Schwarz, ». ..einen Tisch angesichts meiner Feinde«?: VT 20 (1970) 118-120; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 192-195; D. N. Freedman, The Twenty-Third Psalm, in: FS-G. Cameron, Michigan 1976,139-166 (= ders., Pouery, Poetry and Prophecy. Studies in Early Hebrew Poetry, Winona Lake 1980, 275-302); R. Tomback, Psalm 23:2 Reconsidered: JNWSL 10 (1982) 93-96; W. Schott­ roff, Psalm 23. Zur Methode sozialgeschichtlicher Bibelauslegung, in: W. Schottroff - W. Stegemann (Hrsg.), Traditionen der Befreiung, München 1980, 78-113; S. Mittmann, Aufbau und Einheit des Danklieds Psalm 23: ZThK 77 (1980) 1-23; M. L. Barre-J. S. Kselman, New Exodus, Covenant, and Restoration in Psalm 23, in: FS-D. N. Freedman, Winona Lake 1983, 97-127; E. Haag, »Der Herr ist mein Hirt« (Ps 23,1). Ein Beitrag zum christli­ chen Psalmenverständnis, in: Dynamik im Wort, Stuttgart 1983, 85-101; L. Alonso Schökel, Salmos 1986 (vgl. zu Ps 4), 107-120; A. Cooper, Structure, Midrash and Meaning: The Case of Psalm 23, in: Proceedings of the World Congress of Jewish Studies, August 4-12, 1985, The Period of the Bible, Jeru­ salem 1986, 107-114; J. R. Lundbom, Psalm 23: Song of Passage: Interp 40 (1986) 6-16; P. D. Miller Jr., Interpreting 1986 (vgl. b), 112-119; H. G. Reventlow, Gebet 1986 (vgl. b), 220-227; W. Stenger, Strukturale >relecture< von Ps 23, in: FS-H. Groß 1986 (vgl. c), 441-455; Th. M. Willis, A Fresh Look at Psalm XXIII 3 a: VT 37 (1987) 104-106; Y. Mazor, Psalm 23:The Lord is My Shepherd - Or is He My Host?: ZAW 100 (1988) 416-420; M. S. Smith, Setting and Rhetoric in Psalm 23: JSOT 41 (1988) 61-66; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 263-274; N. A. van Uchelen, Psalm XXIII: Some Regulative Linguistic Evidence: OTS 25 (1989) 156-162; D. Pardee, Structure and Meaning in Hebrew Poetry: The Example of Psalm 23, in: FSSt. Segert (Maarav 5-6 [1990]), Santa Monica 1990, 275-280; D. D. Sylva, The Changing of Images in Ps 23, 5.6: ZAW 102 (1990) 111-116; A. Heinz, Der Psalm vom Guten Hirten (Ps 23) in der erneuerten Meßliturgie: TThZ 100 (1991) 289-306; O. Keel, Schöne, schwierige Welt - Leben mit Klagen und Loben. Ausgewählte Psalmen, Berlin 1991, 16-33; S. Ö. Steingrimsson, Der priesterliche Anteil. Bedeutung und Aussageabsicht in Psalm 23, in: FS-W. Richter, St. Ottilien 1991, 483-519. Ps 24: J. T. Willis, Ethics in a Cultic Setting 1974 (s. zu Ps 15); M. Dijkstra, A Ugaritic Pendant Of The Biblical Expression »Pure in Heart« (Ps 24,4; 74,1): UF 8 (1976) 550; W. Dietrich, Gott als König: ZThK 77 (1980) 251-268; N. Tromp, Jacob in Psalm 24: Apposition, Aphaeresis or Apostrophe, in: FS-J. P. M. van der Ploeg (AOAT 211) Kevelaer 1982, 271-282; C. Petersen, Mythos 1982 (vgl. c), 95-100; A. Cooper, Ps 24,7-10: Mythology and Exegesis: JBL 102 (1983) 37-60; S. Ö. Steingrimsson, Tor der Gerechtigkeit (ATSAT 22) 1984 (vgl. Ps. 15); M. Metzger, Königsthron und Gottesthron (AOAT 15/1), Neukirchen-Vluyn 1985, 362-363; E. Otto, Kultus und Ethos in Jerusalemer Theologie: ZAW 98 (1986) 161-179; J. Jeremias, Das Königtum Gottes 1987 (vgl. c); O. Loretz, Ugarit-Texte und Thronbesteigungspsalmen. Die Meta-

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DIE PSALMEN

morphose des Regenspenders Baal-Jahwe (UBL 7), Münster 1989, 239—274; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 196-208; O. H. Steck, Zion als Gelände und Gestalt: ZThK 86 (1989) 261-281; B. Janowski, Das König­ tum Gottes in den Psalmen: ZThK 86 (1989) 389-454; H. Spieckermann, »Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll«. Pantheismus im AT?: ZThK 87 (1990) 415-436. Ps 25: N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 200-206; L. Ruppert, Ps 25 und die Grenze kultorientierter Psalmenexegese: ZAW 84 (1972) 576-582; J. Becker 1975 (vgl. b), 73-84; P. Auffret, La sagesse a bäti 1982 (vgl. c), 207-227; N. Lohfink, Der neue Bund und die Völker: Kirche und Israel 6 (1991) 115-133. Ps 26: E. Vogt, Psalm 26, ein Pilgergebet: Bib 43 (1962) 328-337; L. A. Snijders, Psaume XXVI et l’innocence: OTS 13 (1963) 112-130; W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 117-122; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 206-210; P. G. Mosca, Psalm 26: Poetic Structure and the Form-Critical Task: CBQ 47 (1985) 212-237; P. Auffret, »La voix de l’action de gräces«-Etude structurelle du Ps 26: NRTh 111 (1989) 217-227; W. H. Bellinger, Psalm 26: Review and Expositor 86 (1989) 577-582; N. Lohfink, Einige Beob­ achtungen zu Psalm 26, in: FS-N. Füglister, Würzburg 1991, 189-204.

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Ps 27: W. Beyerlin, Rettung 1970 (vgl. c), 122-129; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 210-214; J. W. McKay, Psalms of Vigil: ZAW 91 (1979) 220-247; J. Niehaus, The Use of Lule in Psalm 27: JBL 98 (1979) 88-89; R. Schmid, Opfer mit Jubel: ThZ 35 (1979), 48-54; S. M. Paul, Ps 27,10 and the Babylonian Theodicy: VT 32 (1982) 489-492; C. Westermann, Psalmen 1984 (vgl. Ps 8), 107-110; P. Auffret, »Yahve m’accueillera«. Etüde structurelle du Psaume 27: ScE 38 (1986) 97-113; L. Neveu, Psaumes I 1988 (vgl. b), 37-41. Ps 28: A. Gelston, A Note on the Text of Psalm XXVIII 7 b: VT 25 (1975) 214-216; J. Becker, Die kollektive Deutung der Königspsalmen: ThPh 52 (1977) 561-578; M. Dahood, Ugaritic msr, »Song«, in Psalms 28,7 and 137,3: Bib 58 (1977) 216-217; A. R. Johnson, The Cultic Prophet and Israel’s Psalmody, Oxford 1979, 215-226; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 214-217; A. Aejmelaeus, TheTraditional Prayer 1986 (vgl. c), passim; P. Auf­ fret, »II jubiie mon coeur« Etüde Structurelle du Psaume 28: EstBi 46 (1988) 187-216. Ps 29: W. H. Schmidt, Königtum Gottes in Ugarit und in Israel (BZAW 80), Berlin 1961 (21966), 25-27.55-58; W. Groß, Verbform und Funktion. Wayyiqtol für die Gegenwart? (ATS 1), St. Ottilien 1976, 93-99; S. Mittmann, Kom­ position und Redaktion von Ps 29: VT 28 (1978) 172-194; C. Macholz, Psalm 29 und 1. Könige 19. Jahwes und Baals Theophanie, in: FS-C. Westermann, Göttingen 1980, 325-333; P. Auffret, Notes complementaires sur la structure littdraire des psaumes 3 et 29: ZAW 99 (1987) 90-93; J. Jeremias, Das König­ tum Gottes 1987 (vgl. c), 29-45; O. Loretz, Ugarit-Texte 1989 (s. zu Ps 24), 76-248 (Lit.l); H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 165-179; B. Janowski, Das Königtum Gottes in den Psalmen: ZThK 86 (1989) 389-454;

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DIE PSALMEN

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G. A. Rendsburg, Linguistic Evidence for the Northern Origin of Selected Psalms (SBL.MS 43), Atlanta 1990, 35-37. Ps 30: J. Schildenberger, Tod und Leben. Eine Auslegung von Ps 30 (29): BiKi 13 (1958) 110-115; L. Krinetzki, Psalm 30 in stilistisch-exegetischer Betrach­ tung: ZkTh 83 (1961) 345-360; J. Schreiner, Aus schwerer Krankheit errettet. Auslegung von Psalm 30: BiLe 10 (1969) 164-175; N. H. Ridderbos, Die Psal­ men 1972 (vgl. c), 222-225; Ch. Barth, Das Heil der Welt nach Ps 30, in: P. A. Potter (Hrsg.), Das Heil der Welt, Stuttgart 1973, 51-57; H. Witzenrath, Am Abend Weinen - doch am Morgen Jubel. Ps 30 - ein alter Osternachtspsalm der Kirche, in: H. Becker - R. Kaczynski, Liturgie 1983 (vgl. c), 447-495; C. Westermann, Psalmen 1984 (vgl. Ps 8), 121-125; L. Alonso Schökel, Salmos 1986 (vgl. zu Ps 4), 133-146; N. J. Tromp, La louange realiste du Psaume 30 (29). »Ne pas separer ce que Dieu a uni«: EThL 62 (1986) 257-266. Ps 31: N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 225-231; K. Seybold, Das Gebet 1973 (vgl. c), 71 f; P. Auffret, »Pivot Pattern«: Nouveaux examples: VT 28 (1978) 103-110; L. Laberge, A Literary Analysis of Psalm 31: EgT 16 (1985) 147-168; M. Krieg, Todesbilder 1988 (vgl. c), 296-298; F. Crüsemann, Im Netz: Zur Frage nach der »eigentlichen Not« in den Klagen der Einzelnen, in: FS-C. Westermann, Stuttgart 1989, 139-148; Ch. Markschies, »Ich aber vertraue auf dich, Herr!« — Vertrauensäußerungen als Grundmotiv in den Kla­ geliedern des Einzelnen: ZAW 103 (1991) 386-398.

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Ps 32: F. Crüsemann, Studien 1969 (vgl. c), 236-239; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 231-236; K. Seybold, Das Gebet 1973 (vgl. c), 159-163; F. Stolz, Psalmen 1983 (vgl. c), 53-56; P. Auffret, Essai sur la structure litteraire du Psaume XXXII: VT 38 (1988) 257-285. Ps 33: A. Deissler, Der anthologische Charakter des Psalmes 33(32), in: FS-A. Robert, Paris 1957, 225-233; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 236-245; J. M. Vincent, Recherches ex6getiques sur le Psaume XXXIII: VT 28 (1978) 442-454; C. Petersen, Mythos 1982 (vgl. c), 101-115; C. Wester­ mann, Psalmen 1984 (vgl. Ps 8), 148-155; H. Graf Reventlow, Gebet 1986 (vgl. b), 131-139; P. Auffret, Les pensees de son coeur: Etüde structurelle du Ps 33: ScE 39 (1987) 47-49. Ps 34: L. J. Liebreich, Psalms 34 and 145 in the Light of their Key Words: HUCA 27 (1956) 181-192; W. Vischer, Du texte au sermon - Psaume 34: EThR 44 (1969) 247-264; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 245-251; J. J. M. Roberts, The Young Lions of Psalm 34,11: Bib 54 (1973) 265-267; J. Schildenberger, Das Psalmenpaar 25 und 34: EuA 57 (1981) 270-274; A. R. Ceresko, The ABCs of Wisdom in Psalm XXXFV: VT 35 (1985) 99-104; K. H. Richards, Psalm 34: Interp 40 (1986) 175-180; L. O. Eriksson, »Come Children, Listen to Me!« Psalm 34 in the Hebrew Bible and in Early Christian Writings (CB.OT 32), Stockholm 1991. Ps 35:0. Keel, Feinde 1969 (vgl. c), 102ff. 123 ff. 157 ff; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 251-259; F. Asensio, »Sobre la marcha del Salmo 35«: EstBi 31 (1972) 5-16; K. Seybold, Das Gebet 1973 (vgl. c), 66f; E. S. Gersten­ berger, Der bittende Mensch 1980 (vgl. c), 124 ff.

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DIE PSALMEN

Ps 36:N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 260-267; R. Tournay, Le Psaume XXXVI: Structure et doctrine: RB 90 (1983) 5-22; P. Auffret, »Yahv6, qu(’elle nous est) chere, ta loyaut6!« Etüde structurelle du Ps 36: ScE 40 (1988) 53-73; N. Lohfink, Das Böse im Herzen und Gottes Gerechtigkeit in der weiten Welt. Gedanken zu Ps 36, in: FS-Josef Sudbrack, Würzburg 1990, 327-341.

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Ps 37: J. M. Allegro, A Newly Discovered Fragment of a Commentary on Psalm XXXVII From Qumran: PEQ 86 (1954) 69-75; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 267-277; D. Pardee, A Restudy of the Commentary on Psalm 37 from Qumran Cave 4: RQ 8 (1973) 163-194; A. Ricciardi, Los pobres y la tierra segün el Salmo 37: RBib 41 (1979) 225-237; K. J. Torjesen, In­ terpretation of the Psalms: Study of the Exegesis of Ps 37: Aug 22 (1982) 349-355; F. Stolz, Psalmen 1983 (vgl. c), 60-64; L. Alonso Schökel, Salmos 1986 (vgl. zu Ps 4), 405-415; J. Maier, Auslegungsgeschichtliche Beobachtun­ gen zu Psalm 37,1.7.8: RQ 13 (1988) 465-479. Ps 38: K. Seybold, Das Gebet 1973 (vgl. c), 98-106; E. S. Gerstenberger, Der bittende Mensch 1980 (vgl. c), 113-160; H. Graf Reventlow, Gebet 1986 (vgl. b), 163-189; P. Auffret, »Toi Tu repondras« Etüde structurelle du Psaume 38: ScE 40 (1988) 295-314. Ps 39: N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 283-289; K. Seybold, Das Gebet 1973 (vgl. c), 129-173; F. Stolz, Der 39. Psalm: WuD 13 (1975) 23-33; ders., Psalmen 1983 (vgl. c), 39-42; A. Angerstorfer, Der Mensch nach Ps 39,6 f und Targum 39,6 f. Vergänglichkeitsaussage und Auferstehungshoff­ nung, in: FS-H. Groß (SBB 13), Stuttgart 1986 (21987), 1-15; P. Auffret, »Car Toi, Tu as agi«. Etüde structurelle du Psaume 39: Bijdr 51 (1990) 118-138. Ps 40: B. S. Cavaletti, II rotolo dell’orante: RSO 32 (1957) 293-299; P. E. Bonnard, Tendu, j’ai attendu le Seigneur (Psaume 40): BVC 45 (1962) 16-25; N. H. Ridderbos, The Structure of Psalm XL: OTS 14 (1965) 296-304; N. Airoldi, II Salmo 40B: RivBib 16 (1968) 247-258; F. Crüsemann, Studien 1969 (vgl. c), 258-263; N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 289-297; G. Braulik, Psalm 40 und der Gottesknecht (FzB 18), Würzburg 1975; J. S. Kselman, A Note on LR' WT\n Ps 40:13: Bib 62 (1982) 552-554; C. Westermann, Psalmen 1984 (vgl. Ps 8), 129-133. Ps 41 :N. H. Ridderbos, Die Psalmen 1972 (vgl. c), 298-300; K. Seybold, Das Gebet 1973 (vgl. c), 106-113; J. K. Kuntz, The Canonical Wisdom Psalms of Ancient Israel, in: FS-J. Muilenberg, Pittsburg 1974, 186-222; J. Gamberoni, Der einzelne in den Psalmen, in: FS-H. Groß (SBB 13), Stuttgart 1986 (21987), 107-123; G. H. Wilson, The Use of Royal Psalms at the >Seams< of the Hebrew Psalter: JSOT 35 (1986) 85-94; P. Auffret, »O bonheurs de l’homme attentif au faible!«. Etüde structurelle du Psaume 41: Bijdr 50 (1989) 2-23; E. Jenni, Zu den doxologischen Schlußformeln des Psalters, ThZ 40 (1984) 114-120. Ps 42/43: H. H. Rowley, The Structure of Psalm XLII-XLIII: Bib 21 (1940) 45-50; A. Ros6, La soif du Dieu vivant (Psaumes 42 et 43): BVC 25 (1959)

DIE PSALMEN

41

29-38; G. M. Behler, Was bist du betrübt meine Seele (Ps 42f): BiLi 38 (1964/65) 379-398; J. Schreiner, Verlangen nach Gottes Nähe und Hilfe. Auslegung von Psalm 42/43: BiLe 10 (1969) 254-264; R. J. Tournay, Notes sur les Psaumes (Ps XLII,9; LXXV,7-9; XL, 5 et LXXVI,2ss): RB 79 (1972) 39-58; N. M. Waldman, Some Notes on Malachi 3:6, 3:13 and Ps 42:11: JBL 93 (1974) 543-549; L. Alonso Schökel, The Poetic Structure of Psalm 42-43: JSOT 1 (1976) 4-11; dazu ebda. »Responses« von M. Kessler (12-15) und N. H. Ridderbos (16-21); dazu wiederum L. Alonso Schökel: JSOT 3 (1977) 61-65; E. Haag, Die Sehnsucht nach dem lebendigen Gott im Zeugnis des Psalms 42/43: GuL 49 (1976) 167-177; G. W. Anderson, »Sicut cervus«: Evidence in the Psalter of Private Devotion in Ancient Israel: VT 30 (1980) 388-397; J. A. Durlesse, A Rhetorical Critical Study of Psalms 19, 42, and 43: . StudBT 10 (1980) 179-197;T. Tsimaryon, Psalms 42-43 and the Contrasts in Them: BetM 32 (1986/87) 296-298; M. S. Smith, »Seeing God« 1988 (vgl. zu Ps 11), 171-183; C. C. Broyles, The Conflict 1989 (vgl. c), 201-206; L. Ruppert, Dürsten nach Gott. Ein psalmistisches Motiv im religionsphänomenolo­ gischen Vergleich, in: FS-H. Reinelt, Stuttgart 1990, 237-251. Ps 44:E. Läkatos, Salmo 44: RBib 17 (1955) 40-42; 18 (1956) 15-19; H. Groß, Geschichtserfahrung in den Psalmen 44 und 77: TThZ 80 (1971) 207-221; W. Beyerlin, Innerbiblische Aktualisierungsversuche: Schichten im 44. Psalm: ZThK 73 (1976) 446-460; H. M. Parker Jr., Artaxerxes III Ochus and Psalm 44: JQR 68 (1978) 152-168; C. Giraudo, La struttura letteraria della preghiera eucaristica. Saggio sulla genesi letteraria di una forma (AnBib 92), Rom 1981,70-79; E. Vogt, Das Klagegebet Psalm 44 und die Belagerung Jerusalems 701 v. Chr (AnBib 106), Rom 1986, 78-86; J. H. Coetzee, The Functioning of Elements of Tension in Psalm 44:TEvca 21 (1988) 2-5; C. C. Broyles, The Conflict 1989 (vgl. c), 139-144; E. Zenger, Warum verbirgst du dein Angesicht? Vom Leiden Israels an seinem Gott, in: R. Zerfaß - H. Poensgen (Hrsg.), Die vergessene Wurzel, Würzburg 1990, 89-119; P. von der Osten-Sacken, Der Wille zur Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnis­ ses in seiner Bedeutung für biblische Exegese und Theologie: JBTh 6 (1991) 247-257. Ps 45:Th. H. Gaster, Psalm 45: JBL 74 (1955) 239-251; E. Beaucamp, L’oint de Yahweh et la princesse etrang£re: BVC 28 (1959) 34-45; J. H. Darby, Psalm 44 (45). The King and His Bride: IER 91 (1959) 249-255; P. J. King, A Study of Psalm 45 (44), Rom 1959; J. Schildenberger, Zur Textkritik von Ps 45 (44): BZ 3 (1959) 31-43; J. R. Porter, Psalm XLV. 7: JThS 12 (1961) 51-53; R. J. Tournay, Les affinites du Ps. XLV avec le Cantique des Cantiques et leur interpr6tation messianique: VTS 9 (1963) 168-212; C. Schedl, Neue Vorschläge zu Text und Deutung des Psalms XLV: VT 14 (1964) 310-318; E. Beaucamp, Des justices plein ta main, de redoutables exploits plein ta droite (Ps 45,5 c): Bib 47 (1966) 110-112; J. A. Emerton, The Syntactical Problem of Psalm XLV, 7: JSS 13 (1968) 58-63; B. Couroyer, Dieu ou Roi? Le vocatif dans le Psaume XLV (w 1-9): RB 78 (1971) 233-241; O. Loretz, Studien zur althebräischen Poesie I. Das althebräische Liebeslied. Untersuchung zur Stichometrie und Redaktionsgeschichte des Hohenliedes und des 45. Psalms (AOAT 14,1), Kevelaer - Neukirchen 1971, 67-70; J. Mulder, Studies on Psalm 45, Diss. Nijmegen 1972; A. S. van der Woude, Ps 45, 11-18. Ein neuer



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DIE PSALMEN 42 Interpretationsversuch, in: FS-N. H. Ridderbos, Amsterdam 1975, 111—116; J. P. J. Olivier, The Sceptre of Justice and Ps 45:7b: JNWSL 7 (1979) 45-54; J. Schildenberger, Der Königspsalm 45: EuA 56 (1980) 128-133; G. L. Carr, The Old Testament Love Songs and Their Use in the New Testament: JETS 24 (1981) 97-105; M. J. Harris, The Translation of Elohim in Psalm 45:7-8: TynB 35 (1984) 65-89; R. D. Patterson, A Multiplex Approach to Psalm 45: Grace Theological Journal 6 (1985) 29-48; L. Alonso Schökel, Salmos 1986 (vgl. zu Ps 4), 167-188; C. F. Whitley, Textual and Exegetical Observations on Ps 45,4-7: ZAW 98 (1986) 277-282.

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Ps 46: M. Weiss, Wege der neuen Dichtungswissenschaft in ihrer Anwendung auf die Psalmenforschung. Methodologische Bemerkungen, dargelegt am Bei­ spiel von Psalm XLVI: Bib 42 (1961) 255-302; H. Junker, Der Strom, dessen Arme die Stadt Gottes erfreuen (Ps 46,5): Bib 43 (1962) 197-201; L. Krinetzki, Jahwe ist uns Zuflucht und Wehr. Eine stilistisch-theologische Ausle­ gung von Psalm 46 (45): BiLe 3 (1962) 26-42; S. Kelley, Psalm 46: A Study in Imagery: JBL 89 (1970) 305-312; J. B. Bauer, Zions Flüsse. Ps 45 (46), 5, in: FS-F. Sauer, Graz 1977, 59-91; M. Milani, Salmo 46. Uno Studio strutturale sulle imagini di guerra e di giudizio: StPat 27 (1980) 513-537; D. T. Tsumura, The Literary Structure of Psalm 46,2-8: AJBI 6 (1980) 29-55; ders., Twofold Image of Wine in Psalm 46: 4-5: JQR 71 (1981) 167-175; A. Steiner, Wenn auch die Erde bebt, wir fürchten uns nicht. Psalm 46, in: Psalmen: Bibelarbeit in der Gemeinde, Basel-Zürich-Köln 1982, 115-136; C. Westermann, Psal­ men 1984 (vgl. Ps 8), 198-201; H. Schweizer, »Ein feste Burg...« Der Beitrag der Prädikate zur Aussageabsicht von Ps 46:ThQ 166 (1986) 107-119; J. Jere­ mias, Das Königtum Gottes 1987 (vgl. c), 172-182; P. Auffret, La ville de Dieu: £tude structurelle du Psaume 46: ScE: 41 (1989) 323-341; N. Lohfink, »Der den Kriegen einen Sabbat bereitet.« Psalm 46 - ein Beispiel alttestamentlicher Friedenslyrik: BiKi 44 (1989) 148-153; E. Zenger, Von der Unverzichtbarkeit der historisch-kritischen Exegese. Am Beispiel des 46. Psalms: BiLi 62 (1989) 10-20; H. Spieckermann, Stadtgott und Gottesstadt. Beobachtungen im Alten Orient und im Alten Testament: Bib 73 (1992) 1-31. Ps 47:]. Muilenburg, Psalm 47: JBL 63 (1944) 235-256; E. Beaucamp, Psaume 47 Verset 10a: Bib 38 (1957) 457-460; A. Caquot, Le Psaume 47 et la royaut6 de Yahv6: RHPhR 39 (1959) 311-337; J. M. Roberts, The ReligioPolitical Seuing of Psalm 47: BASOR 221 (1976) 129-132; I. Seeligman, Psalm 47: Tarb 50 (1980/81) 25-36; W. A. M. Beuken, Psalm XLVII: Struc­ ture and Drama: OTS 21 (1981) 38-45; J. Jeremias, Das Königtum Gottes 1987 (vgl. c), 50-69; J. S. Sibinga, Some Observations on the Composition of Psalm XLVII: VT 38 (1988) 474-480; E. Zenger, Der Gott Abrahams und die Völker. Beobachtungen zu Psalm 47, in: FS-J. Scharbert, Stuttgart 1989, 413-430. Ps 48:]. Morgenstern, Psalm 48: HUCA 16 (1941/42) 1-95; A. Deissler, Der anthologische Charakter des Ps. XLVIII (XLVII): Sacra Pagina 1 (BEThL 12), Gembloux 1959, 495-503; L. Krinetzki, Zur Poetik und Exegese von Ps 48: BZ 4 (1960) 70-97; M. Palmer, The Cardinal Points in Psalm 48: Bib 46 (1965) 357-358; A. Robinson, Zion und Saphon in Psalm XLVIII, 3: VT 24 (1974) 118-123; J. Jeremias, Das Königtum Gottes 1987 (vgl. c), 172-182; M.

I DIE PSALMEN

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L. Barre, The Seven Epithets of Zion in Ps 48,2-3: Bib 69 (1988) 557-563; M. S. Smith, God and Zion: Form and Meaning in Psalm 48: SEL6 (1989) 67-77; H. Spieckermann, Heilsgegenwart 1989 (vgl. c), 186-195; J. Scharben, Das historische Umfeld von Psalm 48, in: FS-N. Füglister, Würzburg 1991, 291-306; H. Spieckermann, Stadtgott 1992 (vgl. zu Ps 46), 1-31. Ps 49: A. Schmitt, Entrückung - Aufnahme - Himmelfahrt. Untersuchungen zu einem Vorstellungsbereich im AT (FzB 10), Stuttgart 1973 (21976), 193-252; P. Casetti, Gibt es ein Leben vor dem Tod? Eine Auslegung von Ps 49 (OBO 44), Freiburg-Göttingen 1982; H. Irsigler, Ps 73 - Monolog eines Weisen (ATS 20), St. Ottilien 1984; O. Loretz, Ugaritisches und Jüdisches. Weisheit und Tod in Psalm 49: UF 17 (1986) 189-212; D. Michel, Untersu­ chungen zur Eigenart des Buches Qohelet (BZAW 83), Berlin 1989. Ps 50: J. Jeremias, Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Kö­ nigszeit (WMANT 35), Neukirchen-Vluyn 1970, 125-127; M. Mannati, Le Psaume 50 est-il un rib?: Sem 23 (1973) 27-50; dies., Les accusations de Psaume L 18-20: VT 25 (1975) 659-669; H. Gese, Psalm 50 und das alttestamentliche Gesetzesverständnis, in: FS-E. Käsemann, Göttingen 1976, 58-77; W. Gross, Verbform und Funktion. Wayyiqtol für die Gegenwart (ATS 1), St. Ottilien 1976; K. J. Illmann, Thema und Tradition in den Asaf-Psalmen, Abo 1976; A. R. Johnson, The Cultic Prophet and Israels Psalmody, Cardiff 1979; J. W. H. Bos, Oh, When the Saints: A Consideration of the Meaning Of Psalm 50: JSOT 24 (1982) 65-77; F. L. Hossfeld, Ps 50 und die Verkündigung des Gottesrechts, in: FS-N. Füglister, Würzburg 1991, 83-101.

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Ps 1

45 PSALM 1 WEGWEISUNG FÜR DIE GEMEINDE DER GERECHTEN

1

Auf der Ebene der Schlußredaktion bilden Ps 1 und Ps 2 das zweiteilige Proömium zum Psalmenbuch (vgl. Apg 1333 D). Sie heben sich von den nachfol­ genden Psalmen dadurch ab, daß sie keine Überschrift und keinerlei Gottesan­ rede haben. Sie sind durch die Seligpreisungen l1 212 zu einer redaktionellen Einheit verbunden; sie sind durch mehrere Stichworte aufeinanderbezogen (hägäh»halblaut sprechen, rezitieren, meditieren«: l2 EÜ »nachsinnen«, 21 EÜ »Pläne machen«; »Weg führt in den Abgrund«: l6 212); beide Psalmen spielen auf Dtn 64-19 Jos 1 Mal 3 an. Ps 1 hebt die Bedeutung der Tora für das »wahre« Israel als die Gemeinde der Gerechten, Ps 2 für das Zusammenleben Israels und der Völkerwelt hervor. Wahrscheinlich ist Ps 1 ausdrücklich für dieses Proömium geschaffen worden, während Ps 2, der in seiner Grundform bereits die im 3. Jh. zusammengestellte Sammlung Ps 3-89 eröffnete, dabei erweitert wurde, um die beabsichtigte Programmatik zu verdeutlichen. Einerseits wird das Psalmenbuch dadurch als meditierende Aktualisierung der Tora und der Nebiim (Jos 1 eröffnet im hebräischen Kanon den Teil Nebiim = Propheten; Mal 3 schließt diesen Teil ab) gekennzeichnet und kanonisch legitimiert. An­ dererseits wird den Psalmen insgesamt damit eine hohe Aufgabe zugewiesen. Sie sind Wegweisung für ein Leben in der Gemeinde der Gerechten (Ps 1) und Botschaft Israels an die Völkerwelt, damit die universale Gottesherrschaft JHWHs anbricht (Ps 2). Ps 1, der in Sprache und Bildwelt von der Weisheit als »Lebenslehre« geprägt ist und eine solche »von A bis Z« (das erste Wort beginnt mit Aleph, das letzte Won mit Taw: »Alphabetakrostichon«!) bieten will, ist durchgängig vom Ge­ gensatz zweier »Lebenswege« bzw. Lebensweisen bestimmt (vgl. Jer 175“8). Sie werden freilich nicht als gleichwertige Alternativen dargestellt, wie besonders der Schlußsatz unterstreicht. Der Weg der Frevler ist nur scheinbar ein Weg; irgendwann bzw. am Lebensende stellt sich heraus, daß er kein Ziel erreicht, sondern »in den Abgrund führt« bzw. einfach abbricht. So stellt Ps 1 den Psal­ menbeter nicht, wie die hellenistische Zwei-Wege-Lehre, an den Scheideweg, sondern er will eindeutig dazu motivieren, den »Weg der Gerechten« zu ge­ hen, indem er diesen selbst beschreibt 1-3, ihn vom Weg der Frevler markant absetzt4-5 und schließlich JHWHs unterschiedliche Beziehung zu den beiden Wegen festhält6. Die Darstellung der beiden Lebenswege besteht jeweils aus einer Sachhälfte 1-2 5 und einer Bildhälfte 3-4, die sich auch motivlich chiastisch zueinander verhalten (der Gerechte inmitten der Frevler - der Fruchtbaum die Spreu - die Frevler angesichts der Gemeinde der Gerechten). Der Psalm, der sich auch an Ps 37 112 119 inspiriert hat, ist gattungsmäßig eine »begründete Seligpreisung« (Makarismus). Die Gattung hat ihren »Sitz im Leben« ursprünglich im staatlich-politischen Leben und in der Weisheits­ schule. Mit ihr werden die jeweiligen Adressaten werbend aufgefordert, ihrem König in unverbrüchlicher Treue zu folgen oder eine ihnen vorgelegte Lebens­ weisheit bzw. Lebenslehre zu lernen und zu verwirklichen. Für beide Verwen­ dungsbereiche zeigt die ägyptische und die jüdische Literatur zahlreiche Be­ lege (z.B. 1 Kön 108 Spr 313"20 832'36 Sir 1420-15,04Q 525 Lk620"22). Durch den Makarismus Ps 1 wird das Psalmenbuch also als »Lebenslehre« ausgewiesen und empfohlen. Falls l5 eschatologisch zu verstehen ist und wenn Ps 1 mit Ps 2

II

DIE PSALMEN

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Ps 1

zusammengelesen wird, schwingt in der Seligpreisung l1 auch schon der Zu­ spruch gottgeschenkten Heils mit - allen widrigen Lebenserfahrungen zum Trotz. Gerade als Proömium will Ps 1 mit seiner auf den ersten Blick zu ein­ fach erscheinenden Aufteilung der Menschen in Böse und Gute und mit seinem Optimismus, daß den Gerechten »alles gelingt«, als Hoffnungstext ange­ sichts der dann im Psalmenbuch entfalteten Leidensgeschichte der Gerechten gelesen werden. Auch die Schlußaussage l6a läßt eigenartig offen, wie sich dieses » Kennen« JHWHs konkret vollzieht. So klingt in Ps 1 bereits an, daß die Psalmen Wegweiser in einem vom Bösen und von Bösen bedrohten Leben sind, das seinen tiefsten Hoffnungsgrund darin hat, daß JHWH »dabei« ist. Der Psalm erinnert stark an Dtn 3019: »Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst.«

264f Spr 414 112» Jos l8 92,3Jer 178

11 Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt,/ nicht auf dem Weg der Sünder geht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, 2 sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht. 3 Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen. 4 Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. 5 Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.

355 Ijob 2118

1191 Spr 1028

6 Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber führt in den Abgrund. 1 3 4

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Wörtlich: »... geht... steht... sitzt«. Wörtlich: »und er wird sein ... und alles, was...« Wörtlich: »sondern sie sind wie...« (vgl.2).

Der Lebensweg des Gerechten 1-3: Die Seligpreisung zeichnet das Bild des gelingenden Menschseins in einer Kontrastaussage. Mit einer sich steigernden Reihe wird das umfassende Nein zu den Bösen als Voraussetzung für das Ja zum Leben mit JHWH herausgestellt. Die Steigerung geschieht mit der Nennung der Formen des Bösen, gegenüber denen

der Gerechte sein Nein lebt. Er läßt sich nicht beeinflussen von den Ideen (»Rat«) der Frevler, er ahmt nicht die Taten (»Weg«) der Sünder nach, und er wirkt nicht mit bei den gemeinsamen Treffen und Aktionen (»Kreis«) der Spötter. Die drei Verben »gehen - stehen - sitzen«, die die Totalität des Lebensweges meinen, sind mit Suffixkonjugation gebildet; damit

PS 1

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DIE PSALMEN

soll unterstrichen werden: dieser Mensch hat sich definitiv entschie­ den. Die Verbenreihe selbst spielt auf Dtn 67 an, wo positiv das Gehen, Ste­ hen, Sitzen »mit den Worten der Tora« als Lebensideal eingeschärft wird. Die klare Absage an das Böse erinnert an die »Einlaßbedingungen« (»negative Beichte«) zur Gottesbe­ gegnung im Heiligtum, auf die in Ps 15 24 26 angespielt wird. Die in 2 auf­ fallende Wiederholung von »Wei­ sung« (töräh) könnte zum einen damit Zusammenhängen, daß die Tora eben das Hauptthema des Psalms ist; aller­ dings zeigen Ps 19 und 119, daß da­ für zahlreiche Synonyma zur Verfü­ gung standen. So ist zum anderen möglich, daß hier zwei unterschiedli­ che Aspekte der einen Tora gemeint sind. Hier sind die Bezüge nach Dtn 67 1719 Jos l7-8, aber auch nach Ps 19 119 zu beachten; auch die in der Wir­ kungsgeschichte von Ps 1 stehenden Texte Sir 1420-1510 und 4 Q 525 hel­ fen weiter. Das in 2b verwendete Ver­ bum hägäh meint nicht, wie EÜ nahelegt, das gedankliche »Nachsin­ nen« und Reflektieren, sondern »auf­ sagen, rezitieren«. So ist in Dtn 67 auch nicht gemeint, daß die Israeliten » über das Gesetz« oder »von dem Ge­ setz« reden sollen (dibber tf), ob sie gehen, stehen oder sitzen, sondern daß sie die Worte der Tora aufsagen sollen, um sie so als Lebenslehre und als Lebenspraxis einzuüben und ihren Kindern weiterzugeben. Auch im Königsgesetz Dtn 1714-20 besteht die Hauptaufgabe des idealen Königs darin, »an allen Tagen seines Lebens« in seinem Toraexemplar, das er spe­ ziell für sich anfertigen lassen soll, laut zu lesen, damit er lernt, JHWH zu fürchten, die Tora zu erfüllen und sich nicht über seine Brüder und Schwestern zu erheben. Und nichts anderes befiehlt JHWH nach Jos l7"8 dem Josua und verheißt ihm, daß dann der Weg in das Gelobte Land

47

des Lebens in allem gelingt (Ps l2b = Jos l8; Ps l3b = Jos l7). Wahr­ scheinlich denken die Redaktoren, die Ps 1 an den Anfang des dem Da­ vid zugeschriebenen Psalmenbuchs setzen, bei dem seliggepriesenen »Mann« zunächst an David als Psal­ mendichter und abgeleitet davon dann an alle, die in der Nachfolge Davids »seine« Psalmen beten. In Ps I2b geht es also um das halblaute Re­ zitieren der »Tora«, damit das Leben in Gottesfurcht (als Anfang der Weis­ heit: Spr l7) gelingt, genauer um das Rezitieren »seinerTora«, das aus Be­ geisterung, Glück und Lust über »die Tora JHWHs« als der grundlegen­ den Welt- und Lebensordnung, die in der Tora des Mose geoffenbart wurde (vgl. Sir 24), geschieht. Mit der jüdischen Auslegung (Avoda Zarah 19a; Raschi) ist das Possessivpro­ nomen »seine« auf David bzw. den Psalmenbeter zu beziehen: Er läßt sich so sehr von der Tora JHWHs er­ greifen 2a, daß sie, wie Ps 19 119 be­ schreiben, ihre das Herz und den Mund öffnende Kraft entfaltet und in ihm Meditationstexte über die Tora als »seine Tora« hervorbringt - eben das Psalmenbuch, dessen Proömium Ps 1 ist. Analog werden in Sir 1420 und in 4 Q 525 »das Rezitieren der Weisheit«, die aus der Tora ent­ springt, als Wegweisung für das Le­ ben gepriesen. Das Psalmenrezitieren als Meditation und Aktualisierung der Tora soll »bei Tag und bei Nacht« geschehen. Auch dies schließt sich an Dtn 67 Jos l8 an; dies ist einer­ seits ein Merismus für »immer, jeden Augenblick«, aber andererseits dürf­ ten auch die Konnotationen »bei Tag« = in Zeiten des Lichts, des Heils bzw. »bei Nacht« = in Zeiten der Fin­ sternis, des Unheils mitschwingen. 3 Daß in einem solchen Menschen­ leben aus der Tora und mit den Psal­ men Gottes Lebensmächtigkeit selbst wirksam wird, deutet das Bild vom

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Baum an, das viele Facetten hat: Die­ ser Mensch, der sich losgesagt hat vom Bösen, ist wie ein Baum, der sich hat umpflanzen lassen an die immer fließenden Wasserbäche der Tora und der Psalmen (vgl. Sir 159_,°). An ihm erfüllt sich, was Ez 4712 für die Endzeit verheißt, wo die aus dem Heiligtum entspringende Quelle sogar in der Wüste am Toten Meer Bäume wachsen läßt, deren Laub nicht welkt und die immerzu Frucht bringen: »Die Früchte werden als Speise und die Blätter als Heilmittel dienen« (Ez 4712). Er ist, wie die im Hause JHWHs wachsenden üppigen Fruchtbäume, die Gestalt gewordene Verkündigung »Gerecht ist JFTWH« (vgl. Ps 94,3~16). Er ist für seine Um­ gebung wie der König, der Frucht und Schatten gibt (vgl. Ps 7216 Klgl 420). Weil er tut, wozu die Tora ihn bewegt, gelingt ihm dies (Anspielung auf Gen 393-23 Jos l8) - als Segen der Tora! Insofern Ps 1 auf das dann fol­ gende Psalmenbuch blickt, in dem »die Gerechten« meist »die Armen«, die Verfolgten und die Angefochte­ nen sind, ist diese Aussage alles an­ dere als vordergründig optimistisch. Sie will vielmehr allen Leiderfahrun­ gen, die dann im Psalmenbuch zur Sprache kommen, zum Trotz von Anfang an daran festhalten, daß ein Menschenleben mit und aus der Tora Vollendung finden wird, weil 6a gilt. Der Lebensweg der Frevler 4-5. Die Bild- und die Sachhälfte, die das Le­ ben der Frevler zeichnen, haben in ihrem gemeinsamen Bezug zur Gerichtstopik (Jes 1713 Zef 22 Mal 319) von vornherein stark negative Konnotationen. Die »Spreu«, eigentlich der Spreustaub (mos), nimmt das in 3 begonnene Erntebild auf (vgl. 3: die Früchte des Baums werden ebenfalls geerntet), aber sie ist ein »Ernte-Er­ trag«, der zu nichts nütze ist und den der Wind spurlos verschwinden läßt:

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So unfruchtbar und nichtig sind die Frevler, wenn es um die LebensErnte geht, und zwar im Blick auf an­ dere und für sich selbst. Auch dies ist eine gezielte Kontrastaussage gegen den scheinbaren Erfolg der Frevler, über den im Psalmenbuch selbst im­ mer wieder geklagt wird. Dieser Er­ fahrung setzt Ps 1 nicht nur den weisheitlichen Hinweis »Bedenke das ganze Leben!« entgegen, sondern in 5 vor allem den Blick auf das eschatologische Gottesgericht, in dem nur »die Gemeinde der Gerechten« bestehen (bzw. auferstehen: G und V; vgl. Jes 2610) wird. Die genauere Deutung von 5 ist kontrovers. Gegenüber einer im Rahmen des innergeschichtlichen Tun-Ergehen-Zusammenhangs blei­ benden Deutung ist wegen des Zu­ sammenhangs von Ps 1 mit Ps 2 das von der Wortbedeutung her durch­ aus mögliche Verständnis wahr­ scheinlicher: Bei dem »bald« (vgl. 212) kommenden Gottesgericht, das die endgültige Scheidung zwischen »Frevlern« und »Gerechten« (vgl. Mal 318) sowie »der Gemeinde der Gerechten« das endgültige Heil brin­ gen wird (vgl. auch Ps 149), werden die Frevler und die Sünder »keinen Bestand« (vgl. Nah l6) haben, son­ dern nur die, »die JHWH vertrauen« (vgl. 212 mit Anspielung auf Nah l7 Jes 3018). Abschließende Begründung 6: Entspre­ chend der Abfolge ihrer Beschrei­ bung zieht 6 das zweigeteilte Fazit über die beiden Lebenswege; daß der Psalm nicht mit der positiven Aussage schließt, dürfte auch damit Zusam­ menhängen, daß die Negativaussage 6b zum folgenden Ps 2 hinüberleiten soll. Daß JHWH den Lebensweg der Gerechten »kennt« (Jädac), meint ei­ nerseits gewiß seine liebende Zuwen­ dung, mit der er die einzelnen Le­ bensstationen so begleitet, daß »die Gerechten« (d.h. die sich gemein-

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schaftsadäquat verhalten und einsetzen) dieses sein Erkennen als »Lebensgemeinschaft« mit JHWH erleben, die ihnen Kraft und Licht gibt, damit sie »gehen« können und wollen (vgl. Ex 3312 Jer l5 Ps 318 3718). Es meint andererseits aber auch jenes »Erkennen«, das zugleich ein Läutern und Leiten ist, damit der Weg wirklich ein Lebensweg bleibt (vgl. Ps 1391-23“24) und sich nicht als ein Irrweg erweist wie der der Frevler 6b, die plötzlich die erschreckende Erfah-

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rung machen, daß das, was sie für einen Weg hielten, doch keiner ist und daß es für sie keinen Aus-Weg mehr gibt, weder vorwärts noch rückwärts. Auch diese letzte Aussage muß freilich, analog der Gerichtspredigt der Propheten, im Horizont des Gesamttextes gesehen werden: Er will dazu bewegen, den Lebensweg der Gerechtigkeit zu wählen und zu gehen - mit dem Psalmenbuch als »Wegweiser«, Erich Zetiger

PSALM 2 WEGWEISUNG FÜR DIE VÖLKER

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Ps 2 gehört zu den im NT am häufigsten zitierten atl Texten. Wegen seiner of­ fensichtlichen bzw. scheinbaren Legitimation von Gewalt und Vernichtung ist er gleichwohl immer wieder massiver Kritik christlicher Ausleger ausgesetzt. Diese Problematik darf nicht verharmlost werden. Sie fordert einerseits eine historisch-kritische Einordnung der Entstehungssituation und der Bildsprache des Psalms. Und sie verlangt andererseits, die Auseinandersetzung mit dem Thema »Gewalt« ernst zu nehmen, die bereits im Psalm selbst und in dem lite­ rarischen Zusammenhang, in den er gehört, stattfindet. Der Psalm läßt sich in vier etwa gleich lange Abschnitte bzw. Szenen gliedern: 1-3 schildert entsetzt die Revolte der Völker und ihrer Könige gegen JHWH und seinen Gesalbten; der Abschnitt kulminiert in einem (nicht eingeführten) Zitat der direkten Rede der Rebellen. 4-6 wechselt den Ort des Geschehens (von der Erde in den Himmel) und berichtet von der Reaktion JHWHs; auch dieser Abschnitt kulminiert im Zitat einer direkten Rede, nämlich JHWHs. ^^bringt, mit abermaligem Ortswechsel zum Zion, die Reaktion »des Gesalb­ ten«, der nun seinerseits mit Zitat einer JHWH-Rede seine Rolle gegenüber den »Rebellen« erläutert. 10^ ist eine an die revoltierenden Könige gerichtete ultimative Aufforderung, Tie von JHWH gesetzte Welt- und Lebensordnung anzunehmen. Als »überschüssiges« Element erscheint die abschließende Selig­ preisung Sie ist redaktionell und bindet Ps 2 mit Ps 1 zusammen. Die vier Äbschnitte/Szenen bilden eine kunstvolle Komposition. Die beiden inneren Szenen beschreiben die besondere Beziehung zwischen JHWH und »seinem« König. Die beiden äußeren Szenen beschreiben, in gegenläufiger Be­ wegung, ein VerhaltenTn Ter VöIRerwclt* einmal den Versuch, sich von der Gottesherrschaft loszureißen, und zum anderen die Aufforderung, sich der Gottesherrschaft zu unterwerfen. Darüber hinaus sind die vier Abschnitte so miteinander verwoben, daß der erste und der dritte (Stichwortaufnahme: Völ­ ker, Könige/Enden der Erde) sowie der zweite und der vierte (Stichwort: JHWHs Zorn) zusammenklingen.

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*2 .

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Ps 2

Allerdings ist fraglich, ob diese Komposition ursprünglich ist. Die Abfolge der Szenen entspricht zunächst dem Ritual einer Königseinsetzung. Das in w skizzierte »Chaos« gehört in ägyptischen Texten zur Topik, mit deren Hilfe der neue König als Wiederhersteller bzw. »Schöpfer« der Weltordnung darge­ stellt wird. 4-6 bringt die Königsproklamation, während dann in 7-9 der »neue« König aus dem »Königsprotokoll« seine Amtseinsetzung und seinen Herr­ schaftsauftrag vorliest. Danach müßte eigentlich die Huldigung vor dem neuen König folgen. Statt dessen kommt - aus dem Munde des Königs - die Aufforderung, JHWHs Herrschaft anzuerkennen. Dabei überraschen drei Einzelheiten: 1. Wie immer der Auftrag 8-9 genauer (s.u.) zu verstehen ist, so zielt er in jedem Fall auf die Unterwerfung der »Rebellen«, zumal das Stich­ wort »Völker« aus 1 in8 aufgenommen wird; nach diesem Auftrag erübrigt sich eigentlich die Aufforderung von ,CM2; um einen stimmigeren Zusammenhang zu erhalten, übersetzen manche Ausleger die Verbformen in 9 deshalb modal mit »Du kannst ..., du magst ...«• 2. Die Begründung in 12 arbeitet nicht mit dem dem König gegebenen Auftrag. 3. Die Aufforderung in 10 wendet sich nur an die Könige/Gebieter der Erde und nicht auch an die Völker. Diese Beob­ achtungen legen die Hypothese nahe, 10-12 sei eine redaktionelle Erweiterung derürsprünglichenTT2^,~dle im Zusammenhang mit der Vorschaltung von Ps 1 stelü7wodurch Ps 1 und Ps 2 zum zweiteiligen Proömium des Psalmen­ buchs wurden (zu den Stichwortverbindungen zwischen Ps 1 und Ps 2 s. o. die Auslegung von Ps 1). Durch diese Erweiterung hat sich zugleich das »Bild« des Königs verändert: Aus dem König, der »mit eiserner Keule« im Namen JHWHs das Weltregiment durchsetzen soll, wird nun ein König, der zu den Wegen der Tora (s.u.) auffordert, um die Könige und ihre Völker vor dem Untergang zu retten. Aus dem »Mann des Schwertes« wird ein »Mann des Wortes« (vgl. ähnlich Jes 1l4). Die abschließende Seligpreisung 12b greift in ih­ rer Generalisierung ausdrücklich über Israel hinaus. Der Grundpsalm, der aus sprachlichen und motivlichen Gründen (zwei Ara­ maismen: rägaü»toben«, rä?ac »zerschlagen«; Vorstellungen von der Weltre­ volte gegen JHWH und seinen König: vgl. Jes 89-10 1712-14) nachexilisch ist, ist insgesamt von der Bildsprache der ägyptischen bzw. hellenistischen Königsideologie und von der Königspropaganda, wie sie in neuassyrischen KönigsinSchriften belegt ist, stark beeinflußt. Schon die am Jerusalemer Hof für das vorexilische Königtum entwickelte »Amtstheologie« hatte aus Ägypten und Mesopotamien Vorstellungen und Bilder aufgegriffen, um die Davididen den Großkönigen zumindest ideologisch gleichzustellen, zumal sie ja Könige des Gottes JHWH waren. Unter den vielgestaltigen theologischen Konzeptionen der nachexilischen Zeit war auch eine, die um ein erneuertes Königtum kreiste. Ps 2 ist eine Anspielung auf diese Konzeption: Sie hält daran fest, daß sich JH^J/U mit der Erwählung »seines Königs David« ein für allemal daran gebunden hat, seine universale Gottesherrschaft durch ein vom Zion her am­ tierendes Königtum durchzusetzen (»Davidbund«). Und sie tut dies gerade im Widerspruch zu den geschichtlichen Erfahrungen: Weder konnte das histori­ sche Ende der davidischen Dynastie im 6. Jh. das letzte Wort sein, noch wollte sie den göttlichen Heilsanspruch akzeptieren, mit dem die hellenistischen (ptolemäischen) Nachfolger Alexanders sich präsentierten und die kleinen Völker ihres »Weltreichs« unterdrückten. Gegen diese belastenden Erfahrungen setzte (um 300 v. Chr.) Ps 21“9 sein »aggressives« Programm - nicht als durch­ setzbares Projekt einer Großmacht, sondern als Hoffnungsvision einer be-

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drohten Minderheit, die gleichwohl an ihrem Gott, der für sie der einzig wahre Gott war, und an seinen Verheißungen festhielt. Gegenüber der von vielen Auslegern vertretenen Auffassung, Ps 2 sei ein Text des vorexilischen Hofzeremoniells gewesen (Rezitation durch den König bei seiner Inthronisation oder am Krönungsjahrestag am Ende der liturgischen Feierlichkeiten im Palast), legt sich die These nahe, Ps 21"9 sei als Eröffnungs­ psalm der (um 300 v. Chr.) zusammengestellten Teilsammlung Ps 2-89 (dazu s.o. die Einleitung) geschaffen und sei auf die in dieser Sammlung wichtigen »Königspsalmen« 72 (Schlußpsalm der »Davidsammlung« 51-71) und 89 (Schlußpsalm der ganzen Teilsammlung) hingeordnet. Gegenüber der Klage von Ps 89 über das Ende des davidischen Königtums und über die daraus resul­ tierende Verachtung »des Gesalbten JHWHs« Israel (in Ps 8 939"52 sieht sich Is­ rael als »David«) durch die Völker (8 947-52; Motiventsprechungen: 21"2 8951"52) verkündet Ps 2 programmatisch, daß JHWH an der »Davidverheißung« fest­ hält (27-9 inspiriert sich an 8924-28; vgl. aber auch Ps 18 20 21 45). Auch der »für Salomo« gebetete »Königspsalm« 72 des alten (sterbenden) David bleibt gültig und wird von JHWH »erfüllt« werden (vgl. die Anspielungen in 28-9 auf 728-11). Ps 21-9 lädt also ein, die Sammlung 2-89 als leid- und gleichwohl hoff­ nungsvolle Geschichte und Theologie des davidischen Königtums Tn HofP nungs-PerspektmTfür »David« = Israel zu lesen. In dieser Sammlung stehen ' übrigen neben dem Bild des »gewalttätigen« Königs von Ps 2 die vielen im Psalmen vom verfolgten und angefochtenen »David«; auch dies relativiert die Gewaltaspekte von 21-9. Durch den von der Schlußredaktion des Psalters hinzugefügten Abschnitt 10-12 wird Ps 2 zum zweiten Teil des Proömiums Ps 1 + 2 des Gesamtpsalters (s. o. zu Ps 1); die in 21*3 geschilderte Revolte ist nun als Paradigma des in l, 6b ge­ schilderten Treibens »der Frevler« zu lesen. Durch Stichwortanspielungen werden Bezüge zu den beiden Kanonteilen »Tora« (Gen - Dtn) und »Prophe­ ten« (Jos - Mal) hergestellt (vgl. u.a. Dtn 613-15 Jos l7 8 Mal 316"20). Gegenüber dem »Grundpsalm« tritt nun die eschatologische Zielperspektive der universa­ len Königsherrschaft JHWHs in den Vordergrund (vgl. 21(M1 mit 72n), die auch den Schluß des Psalmenbuchs bestimmt. In seiner Endgestalt ist Ps 2 nun mit Blick auf Ps 149 zu lesen, der seinerseits mitPs 148 redaktionell verbunden ist (14814 149l):In 14811 werden die Könige der Erde und die Nationen (malke'cer#le’ummim, soßte’ceraf:wie in 212J0) aufgefordert, in den universalen Lobpreis des Weltkönigs JHWH einzustim­ men. In 1496 sind die Loblieder der Kinder Zions (vgl. auch Ps 87) einerseits die Königshuldigung vor JHWH (gil»jubeln« 1492 wie in 211 MT); anderer­ seits sollen sie »das zweischneidige Schwert in den Händen« Israels sein, mit dem sie »die Völker und die Nationen« (1497 2‘) besiegen und »binden« sollen (1497-8 23“10), damit diese so »das Gericht« überstehen (1499 15 212). In der Zu­ sammenschau von Ps 1-2 mit Ps 149-150 (Ps 150 ist die »Summe« der Loblie­ der, die Israel und die Völkerwelt singen sollen: vgl. auch Ps 117) verändert sich also das Bild des »Königs« gegenüber 21-9: Der Zionskönig ruft die (Kö­ nige der) Völker auf, die Wege des Bösen zu verlassen und auf den Weg des Lebens zu gehen - indem sie »seine Tora« (vgl. I2) auf- und annehmen, näm­ lich die Psalmen als Wegweisung und Wegbegleiter (vgl. Ps 1384).

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21 Warum toben die Völker, warum machen die Nationen vergebliche Pläne? 2 Die Könige der Erde stehen auf, die Großen haben sich verbündet gegen den Herrn und seinen Gesalbten. 3 »Laßt uns ihre Fesseln zerreißen und von uns werfen ihre Stricke!«

Offb 11» lf: Apg 425*

Offb 1919

4 Doch er, der im Himmel thront, lacht, der Herr verspottet sie. 5 Dann aber spricht er zu ihnen im Zorn, in seinem Grimm wird er sie erschrecken: 6 »Ich selber habe meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg.«

599

8927f

7 Den Beschluß des Herrn will ich kundtun./ Er sprach zu mir: »Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt. 8 Fordere von mir, und ich gebe dir die Völker zum Erbe, die Enden der Erde zum Eigentum. 9 Du wirst sie zerschlagen mit eiserner Keule, wie Krüge aus Ton wirst du sie zertrümmern.«

Apg 13" Hebr l5 55 7 28

8f: Offb 226f 1105f Offb 125 1915

10 Nun denn, ihr Könige, kommt zur Einsicht, laßt euch warnen, ihr Gebieter der Erde! 11 Dient dem Herrn in Furcht, und küßt ihm mit Beben die Füße, 12 damit er nicht zürnt und euer Weg nicht in den Abgrund führt. Denn wenig nur, und sein Zorn ist entbrannt. Wohl allen, die ihm vertrauen! 1

»machen Pläne«: H hat das gleiche Verbum hägäb wie in l2 (allerdings ohne Präposition \f)y wo EÜ »nachsinnen« übersetzt. 8 »dir«: ergänzt nach G und S. 9 Die Verbformen sind jussivisch gemeint: »Du sollst...« 11—12a H wörtlich: »jauchzt/jubelt mit Beben; küsset den Sohn/den Reinen/ das Reine«. EÜ schließt sich einer verbreiteten Textkonjektur an. G liest/ übersetzt: »jauchzt ihm zu mit Beben. Ergreifet die Lehre...«; sie bezieht das Wort bar As »die Reine« offensichtlich auf die Tora (vgl. Ps 199b). An­ dere Möglichkeit: »Küsset den Sohn« ist eine Glosse, die den in 10-12 feh­ lenden Messias-Bezug (s.o.) eintragen will. 12 Andere Übersetzungsmöglichkeit: »denn es entbrennt bald sein Zorn« (eschatologische Perspektive; vgl. G sowie Ps 8115 Ijob 3222).

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I Ps 2

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Die Revolte der Völker1-3: Im Hinter­ grund steht das altorientalisch-ägyp­ tische Weltordnungsdenken. Durch die Schöpfung als Setzung einer um­ fassenden Lebensordnung ist das UrChaos zwar gebändigt, aber es be­ drängt und bedroht nach wie vor die Schöpfung. Es bricht in der Ge­ schichte in Kriegen und in Natur­ katastrophen, aber auch in Krankheit und Verbrechen auf. Weil und solange es vom Götterkönig/von JHWH bekämpft wird, kann es den Kosmos freilich nicht zerstören. In der Bekämpfung des Chaos bedienen sich die Götter vor allem des irdi­ schen Königs, in dem und durch den als ihrem »Sohn« sie die Schöpfung erhalten, verteidigen und erneuern. 21-3 schildert unter Aufnahme ver­ breiteter Bildvorstellungen, mögli­ cherweise als Reflex auf den Zusam­ menbruch des relative Stabilität schaffenden achämenidischen Welt­ reichs, das die Lebensordnung bedro­ hende Chaos (vgl. Jes 1712-14 4021-26 Ps 46 48 83).3 spielt auf die ikonographisch und literarisch reich belegte Vorstellung von der Fesselung der Völker durch den Schöpfergott bzw. seinen König an. Die Völker und ihre Könige wollen zunächst »die Fes­ seln«, mit denen ihre Arme nach hin­ ten geschnürt sind, zerreißen, um dann »die Stricke« (eigentlich: »die Seile«), mit denen sie am Hals zusam­ mengebunden und der Herrschaft des Weltkönigs sowie seines irdi­ schen Repräsentanten eingegliedert sind, von sich zu werfen. Die Reaktion des himmlischen Weltkönigs4-6: Daß die Revolte »des Chaos« zutiefst »vergeblich« (vgl. *) ist und daß Israel inmitten dieses »Chaos­ sturms« nicht in tödliche Angst zu versinken braucht, hebt4 doppelt her­ vor: Die »Erdenkönige« können doch dem »Himmelskönig« nicht ge­ fährlich werden (vgl. Jes 4022'23); sein

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Lachen und Spotten ist Ausdruck sei­ ner Souveränität gegenüber dem Bö­ sen (vgl. Ps 3713 599 10426 Weish 418). Die Kehrseite dieser Souveränität ist sein »Gotteszorn« 5, der nicht emo­ tionale Irratio^ meint, sondern die Leidenschaft unterstreicht, mit der er durch sein »Gericht« die ge­ störte Q rd nüng wlederherste Ilen, also ins Rechte bringen will. Das »Feuer des Gotteszorns« lodert vor allem auf, wenn JHWH als gerechter Weltenrichter erscheint bzw. kommt (Theophaniemotiv). Von der chaos­ bannenden Macht göttlichen Redens ist in der Schöpfungstheologie (Ps 1047), vor allem aber in der Abwehr des sog. Völkersturms gegen den Zion (Ps 467 767-9 Jes 1713 3030) die Rede. Uber wen der »Gottesschrekken« fällt, sei es im sog. Gotteskrieg, sei es am »Tag JHWHs«, der wird starr und leblos (Ex 1515 Ps 486), aber auch zu neuer JHWH-Erkenntnis fä­ hig (vgl. Ps 6" 46" 48,s 7612'13 8319). Die in 26 von JHWH den Rebellen verkündete »Wahrheit« üt ein »Machtwort« gegen das Chaos. Es spielt einerseits auf die Zidnstheologie an, wonach der Zion der Götter­ und Weltberg ist, von dem Leben und Frieden ausgehen sollen (Ps 46 48); andererseits wird dem Zionskönig als »seinem« König Schutz und Auftrag zugesprochen (vgl. Ps 18 89). Die Vollmacht des Zionskönigs 7-9: Mit dem in 7 zitierten »Beschluß« (besser: »Setzung«) wird auf das sog. Königsprotokoll angespielt, eine Art königliche Amtsurkunde, die bei der Inthronisation vorgelesen und über­ geben wurde (vgl. 2 Kön 1112). In Ps 2 werden drei Zusagen JHWHs ge­ nannt: Gottessohnschaft durch Zeu­ gung 7 (vgl. Ps 8927"28 1 103), Übereig­ nung der ganzen Erde aTs~Herrschaftsgebiet8 (vgl. Ps 72* 8926) und Inbesitznahme des Reichs durch Un­ terwerfung aller Völker 9 (vgl. Ps

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729'11 8924 1105). Der Akt der Inthronisation (»heute«) wird hier, wie in Ägypten, als mythisch-mystische Neuzeugung bzw. Wiedergeburt verstanden, die den (messianischen) König befähigt, wie Gott selbst, aber auch in Abhängigkeit von ihm Lebens- und Heilsmittler für sein Reich zu sein. Daß ihm in 8 die ganze Erde übergeben wird, ist die rechtliche und logische Konsequenz seiner göttlichen Sohnschaft. »Erbe« und »Eigentum« (besser: »Besitz«) sind Begriffe des altisraelitischen Bodenrechts; der König ist nur in Abhängigkeit von JHWH, dessen Eigentum die Erde bleibt (vgl. Ps 241 u.ö.), »Besitzer« und Verwalter. Die »harten« Bilder von 9, die nicht fundamentalistisch mißverstanden werden dürfen, stam­ men aus der ägyptischen und mesoKönigspropaganda. potamischen 9a spielt auf die vielfach an Tempel­ wänden und auf Stelen, Felswänden, Skarabäen u.ä. abgebildete Szene an, in der der König über den Feinden, die er meist am Haarschopf hält, die eiserne Keule schwingt. Derartige Bilder entsprangen nicht der Lust an Gewalt und Krieg, sondern sie sollen als Bilder (!) bewirken, was sie abbilden, nämlich die Abwehr der Feinde zum Schutz der Untertanen. 9b greift Formulierungen auf, die vor allem in assyrischen Königsinschriften Stereotyp gebraucht werden, um die Siege über feindliche Nachbarvölker als vollständige Brechung ihrer Macht zu feiern. Beide Bilder von 9 wollen die Autorität des Zionskönigs betonen. Sie müssen von ihrem zeitgeschichtlichen Ort her verstanden werden; sie sind keine Legitimation von aggressiver, zerstörerischer Gewalt. Aufforderung an die Völkerwelt zum JHWH-Dienst10"12: In der Sicht der Schlußredaktion greift der (messiani­ sche) Zionskönig nicht zu den Waffen, sondern zum Wort, um die Kö-

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Ps 2

nige der Völker zum Weg ins Gottesreich zu bewegen. Das Verbum des ersten Imperativs haskilu »kommt zur Einsicht« begegnet vor allem in weis­ heitlichem Kontext und meint die Fähigkeit, die der Welt innewohnende Ordnung, die von Gott gesetzt ist und das Leben bestimmt, wahrzunehmen, zu befolgen und so »erfolg­ reich« zu sein. Daneben wird damit jene erfolgreiche Regierungskunst ei­ nes Königs zum Wohl seines Volkes bezeichnet, die aus dem Gehorsam gegenüber der Tora JHWHs resultiert (1 Kön 23 2 Kön 187; vgl. auch Ps 1012). So begegnet das Verbum auch in Jos l7-8 (s.o. zu Ps l);vor allern darauf ist hier angespielt (vgl. auch Dtn 297). Von der Tora JHWHs sollen sich die Könige zum JHWH-Dienst und zur Anerkennung seiner Königsherrschaft beleh­ ren lassen (vgl. Dtn 1719), dann werden sie und ihre Völker das eschatologische Gericht (vgl. Mal 3) beste­ hen (vgl. die Anspielungen in 1,-12 auf Dtn 613-15 sowie das sich am »Völker­ wallfahrtstext« Jes 6012 inspirierende Wortspiel 'äbad - 'äbad »dienen« ^ »untergehen«). Der »messianische« , König realisiert hier als »Tora-Lehrer« der Völker die eschatologische Vision von Jes 4216 496 514 (vgl. 4 Q 185); er erweist sich als der exemplarische Tora-Fromme von Ps 11946 und als Übermittler der wahren Weisheit Spr 815-33. So hat auch Weish 61-21 den 2. Psalm ausgelegt. Die abschließende Seligpreisung (vgl. Jes 3018) verweist auf Nah l*-7 (Ps l6a und Ps 2,2b sind in Nah l7b zu einer Aussage verbunden!) und verwurzelt den in Ps 1 + 2 gepriesenen Tora-Gehorsam im Vertrauen (»Glauben«); zugleich leitet diese Seligpreisung auf die dann folgenden »Davidpsalmen« über, in denen sich das Vertrauens­ motiv als basso ostinato durchhält (vgl. die wörtliche Entsprechung in 512). Erich Zenger

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Ps 3 PSALM 3 HILFERUF UND ERHÖRUNG EINES BEDRÄNGTEN

Der Psalm ist ein Klagegebet. Er läßt sich in drei Teile gliedern: 1. Teil mit Schilderung der Feindesnot und Vertrauenserklärung 2-4 (die Vertrauenserklä­ rung 4 bildet den Gegenpol zur Behauptung der Feinde in 3; von den Feinden wie von JHWH werden jeweils drei Aussagen gemacht); 2. Teil mit Bericht5-7 (Erzählung vor Publikum mit abschließenden Vertrauensaussagen und Rede von JHWH in dritter Person); 3. Teil mit Bitte und Erhörung 8~9. Bei diesem Psalm reichen die Pauschaletikette »Klagelied« und »Bittgebet« zur Charakte­ risierung des Psalms nicht aus, denn sein Spezifikum ist der Bogen von der Not zu deren Aufhebung und die Gravitation von der gegnerischen Bestreitung der Hilfe JHWHs zu deren unmittelbarer Erfahrung. Die Vertrauenserklärung von 4 zeigt die Haltung des Beters an und ist problemlos mit der vorausgehen­ den Klage zu verbinden; aber wie verhält sich der Bericht über erfahrene Ret­ tungen im Zentrum des Psalms 5f mit der sich daraus ergebenden Zuversicht 6b_7 zum »Notschrei« von 8 und wie ist das unmittelbare Nebeneinander von »Notschrei« und Konstatierung der endgültigen Rettung vor den Feinden in 8 zu erklären? Eine einflußreiche Hypothese nimmt ein gestuftes Gerichtsver­ fahren am Tempel an (der Beter in Rechtsnot flüchtet ins Tempelasyl; nach si­ cherverbrachter Nacht erwartet er den morgendlichen Bescheid des Gottesge­ richts, vgl. die Bitte in 8; die Auswirkungen des ergangenen Gottesurteils schla­ gen sich in der Siegeszuversicht von 8-9a nieder). Aber der Beter befindet sich nicht im Tempel, denn die Aussagen von 5 fordern nicht seine Präsenz im Tempelbereich, sondern lassen ihn nur an den Tempel denken. In 6 geht es nicht um den spezifischen Tempelschlaf, ob als Inkubation oder als Nachtasyl, sondern um eine ruhig verbrachte Nacht, die der Beter im Kontext altorientalischer Qualifizierung von Tag und Nacht als Hinweis auf Gottes Schutz deutet. Die Verweise auf die Gebetserhörung 5 und den göttli­ chen Schutz 6f bereiten die entscheidende Bitte um Befreiung von Feindesnot in 8 vor. Dramaturgisch und lexikalisch ist die Bitte mit dem Psalm verbunden und kann nicht literarkritisch herausgelöst werden. In bezug auf die Klagelie­ der des einzelnen ist die Kombination von Bitte mit einem motivierenden kfSatz geläufig. Ein solcher Satz enthält entweder Hinweise auf die Not oder auf das Vertrauen des Beters oder die besondere Beziehung JFTWHs zum Be­ ter. Im Falle von 38 gehören Bitte und Motivierung zusammen, weil nur durch die Bitte der Wechsel vom Bericht 5-7 zur Anrede JHWHs in 8f herbeigeführt wird. Singulär und damit die »crux interpretum« ist die unmittelbare Nachbar­ schaft von Bitte und Konstatierung der Besiegung der Feinde. Weder die Um­ deutung des Perfekts in 8 (prekatives Perfekt) noch eine literarkritische Tren­ nung von Bitte und £f-Satz noch die Annahme eines vorausgesetzten priesterlichen Heilsorakels bzw. eines kultischen Gerichtsurteils nach der Bitte vermö­ gen das Nebeneinander zu klären. Wie der Beter zur Konstatierung des Sieges kommt, bleibt letzten Endes offen. Allerdings gibt es doch für die enge Nach­ barschaft von Bitte und schon geschehener Errettung berühmte Parallelen. So­ wohl in Ps 2222 wie in 3612f kippt die Bitte unmittelbar in die Konstatierung der Erhörung und Rettung um. Analog verbindet das Heilsorakel von Jes 431 die Mahnung »fürchte dich nicht« mit der Feststellung stattgehabter Erlösung. Das Perfekt in 8 muß also im Sinne einer wie auch immer durch JHWH vermit-

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Ps 3

teilen Gewißheit des Beters interpretiert werden, die den Sieg gegenwärtig setzt und die vollständige Errettung antizipiert. Der Psalm als ganzer bleibt unangetastet bis auf 39b. Das Bekenntnis 39a bildet den Gegenpol zu 33b und schließt den Grundpsalm ab. Das Bekenntnis faßt die vorausgehende Erret­ tung aus kriegerisch beschriebener Not 2{J{ zusammen. Die Schlußbitte von 9b wechselt die Perspektiven. Unter dem Volk wird nicht wie in 7 das Kriegsvolk, sondern Israel als Kultgemeinde verstanden. Das im profanen Bereich gespro­ chene Gebet des einzelnen wird dadurch in den Kult des Gottesvolkes aufge­ nommen. Der Grundpsalm nimmt einige Beziehungen zu vorexilischen Kö­ nigsgebeten auf: Sein Leitthema der Hilfe JHWHs (33 8,9a) ist auch Thema der königlichen Gebete Ps 183-36-42-47 und Ps 353f 203-6a,l°; die Metapher von JHfWH als Rundschild des Beters findet sich unter anderen Parallelen auch dort (Ps 183-*31)-36 352); das Bild von den Tausenden an Kriegern erinnert an ein altes Lied über Saul und David (1 Sam 187 2112 295) und an Ps 1844; ebenso das Bild von der Belagerung vgl. 1819; daß der königliche Beter Hilfe vom Heilig­ tum her erwartet, erscheint plausibel, vgl. Ps 187 und 202f, galt der erste Tem­ pel doch als »Staats- und Palastheiligtum« der davidischen Dynastie; schließ­ lich paßt die martialische Sprache, mit der der Sieg über die Feinde konstatiert wird 8, zur handgreiflichen Konkretheit, mit der Ps 1833~50 den Sieg beschreibt. Für das vorexilische Alter sprechen auch die Anlehnung der Einleitung in 32f an den kanaanäischen Stufenparallelismus wie in Ps 247-10 29lf 933f und schließlich der Gebrauch der Präfixkonjugation als archaisierendes Perfekt wie in Ps jg2-7.17-20.3>-50>

Die Redaktionskritik beobachtet die Stellung von Ps 3 innerhalb der ersten Psalmengruppe 3-14 des ersten Davidpsalters näherhin innerhalb der Reihe der Klagelieder eines Verfolgten 3-7. Eine Klammer um die erste Psalmen­ gruppe schaffen die redaktionellen Verse 39b 147, die für das Gottesvolk Israel vom Zionsgott Hilfe und Segen erbitten. Die nachexilische Situation ist da­ durch begründet, daß der Zion die Funktion der Restituierung des Gottesvol­ kes noch nicht erfüllt. Ps 3 ist durch eine Reihe von linearen Verknüpfungen mit den nachfolgenden Psalmen zur Komposition der Ps 3-7 verbunden. Die Feinde werden überwie­ gend mit profanen, auf die reale Not zielenden Begriffen charakterisiert; nur in den Eckpsalmen werden sie je einmal religiös als Frevler qualifiziert (38 710). Der Beter sorgt sich um sein gesellschaftliches Ansehen (34 43 76). Durchge­ hend werden Rettungsgewißheit und »Morgenmotiv« (JHWH übernimmt die Funktion der siegreichen Sonne am Morgen) miteinander verklammert (35f 49 54 67 712). Ebenso durchlaufend ist der Bezug zum Tempel (35 46 54 8 77{ l8), ob­ wohl auch weisheitliche Distanzierungen zum Kult spürbar sind. Zusammen mit Ps 7 bildet Ps 3 den »Eckpsalm« der Komposition, die paradigmatische Notsituationen vorstellt. Die beiden Eckpsalmen zeigen den (politisch) ver­ folgten Beter, dessen Sprache vom Königsgebet beeinflußt ist. Ps 4 stellt das Bittgebet eines Armen dar, Ps 5 das eines Beters in Rechtsnot, Ps 6 das eines Kranken.

Ps 3

DIE PSALMEN

57

31 [Ein Psalm Davids, als er vor seinem Sohn Abschalom floh.] 2 Herr, wie zahlreich sind meine Bedränger; so viele stehen gegen mich auf. 3 Viele gibt es, die von mir sagen: »Er findet keine Hilfe bei Gott.« [Sela] 4 Du aber, Herr, bist ein Schild für mich, du bist meine Ehre und richtest mich auf.

25«9

5 Ich habe laut zum Herrn gerufen; da erhörte er mich von seinem heiligen Berg. [Sela] 6 Ich lege mich nieder und schlafe ein, ich wache wieder auf, denn der Herr beschützt mich. 7 Viele Tausende von Kriegern fürchte ich nicht, wenn sie mich ringsum belagern.

Gen 151 Dtn 3329 Spr 305 Sir 34*6

8 Herr, erhebe dich, mein Gott, bring mir Hilfe! Denn all meinen Feinden hast du den Kiefer zerschmettert, hast den Frevlern die Zähne zerbrochen. 9 Beim Herrn findet man Hilfe. Auf dein Volk komme dein Segen! [Sela] 5

6

2 Sam 15

EÜ übersetzt zuerst die im Hebräischen eigentümliche Abfolge von Prä­ fixkonjugation und Narrativ weder präsentisch noch vergangen-iterativ (sooft ich rief, da antwortete er...), sondern als Erzählung einer abge­ schlossenen Handlung. MT gebraucht die Präfixkonjugation im Sinne ei­ nes archaisierenden Perfekts wie in Ps 184ff l7ff 39ff. Die Verbformen fordern eindeutig Vergangenheit statt des Präsens der EÜ (also: Ich legte mich nieder und schlief ein, ich wachte auf, denn der Herr beschützt mich).

Überschrift1: Die Gattungs- und Au­ torenangabe der Überschrift ist kon­ stitutiv für die der folgenden vier Psalmen. Angeschlossen wird mit üb­ licher Infinitivkonstruktion eine bio­ graphische Ergänzung. Ps 3 wird auf dem Hintergrund von 2 Sam 15-17. 18 verstanden (David wird vom eige­ nen Sohn verfolgt, über den er einen »Pyrrhussieg« erringt). Vielleicht hat die formative exilische Redaktion die Eckpsalmen 3 und 7 als Königsge­ bote bestätigt und ihr Interesse an der Davidisierung s.u. zu Ps 18 verdeut­ licht.

Klage und Vertrauen 2-4: Das Gebet beginnt mit einer Anrufung JHWHs ohne explizite Bitte und geht sofort in eine Klage über, um die drängende Notlage zu unterstreichen (vgl. Ps 132 222). Der Beter beklagt die Viel­ heit der Feinde, ein Topos, der die Übermacht der Feinde veranschau­ licht. Die Feindbezeichnungen wie Bedränger und Aufständiger bzw. Widersacher heben nur auf das Faktum der Feindschaft ab. Das Zitat 3b konkretisiert die Feindschaft. Die Feinde bestreiten die Verbindung des Beters zu JHWH und liefern ihn da­ durch der Isolation und Hoffnungs-

7” 183 3320 8412 ,,59-h

49 273

58

DIE PSALMEN

losigkeit aus. Der Beurteilung der Feinde setzt der Beter seine Zuver­ sicht und sein Vertrauen entgegen 4. JHWH ist für ihn ein Rundschild, wie er es auch für Abraham war (Gen 15l). JHWH garantiert die öffentli­ che Reputation des Beters, die JHWH schützen soll wie in Ps 43 und 76. Die Wendung »aufrichten bzw. das Haupt jmds. erheben« ist gemein­ altorientalisch. Sie läßt sich nicht auf den Kontext der Rechtsprechung festlegen, sondern meint die Ermuti­ gung, das Ablegen von Trauer und Angst (vgl. Ps 276 1107).

i

Bericht und Vertrauensaussage 5-7: Der Beter erzählt eine Gebetserhörung, und er stellt sich dabei vor, daß JFTWH vom Tempel her, dem Ort seiner besonderen Gegenwart, gehol­ fen hat. Mit der Bezeichnung »heili­ ger Berg« spielt er auf die altorientali­ sche Tradition vom Götterwohnsitz auf dem Weltberg an, die auf den Zion, den Jerusalemer Tempelberg, übertragen wurde (Ps 26 151 433 482). 6 berichtet von einem natürlichen Vorgang (sich niederlegen, schlafen, aufwachen). Seine Bedeutung erhält er nicht durch den Ort (Tempelschlaf oder Tempelasyl) oder als Metapher (Todesschlaf vgl. Ps 134), sondern durch die Bedeutung, die der Beter angesichts seiner bedrohten Situation der ruhig verbrachten Nacht beimißt. Er kann dabei an altorientalische Qualifikation der Zeiten anknüpfen, bei der die Nacht die Zeit des Chaos ist. Die Gewißheit des göttlichen Schutzes läßt den Beter »weder Tod noch Teufel« fürchten. Er trotzt gro­ ßen Mengen an Kriegsvolk (1 Sam 187//21i2//295 Num 2020 Ri 52 Ps 1844), die ihn belagern (Jes 227 vgl. Ps 273).

Ps 3

Bitte und Erhörung 8-9: Korrespon­ dierend zur Anrufung am Anfang 2 bittet der Beter jetzt um das entschei­ dende Eingreifen JFTWHs. Die ver­ trauliche Prädikation »JHWH, mein Gott« wird auf zwei Bitten verteilt. JHWH soll sich erheben in Antwort auf das Aufstehen der Feinde 2 (Ps 77 1713 352). Er soll helfen (Ps 65 72 n 122), um die Feinde zu widerlegen 3b. Die Parallelen aus kriegerischem Kontext deuten eine militärische Hilfe an wie der »Ladespruch« Num IO35 oder das Kriegsgesetz Dtn 204. Die Bitte wird überraschend sofort mit der Vorwegnahme des Sieges motiviert. Nach dem Prinzip prophe­ tischer Gerichtsrede, worin und wo­ mit man gesündigt hat, wird man be­ straft, wurden den Feinden die Werk­ zeuge ihrer Reden 3 zerstört. Im Al­ ten Orient wie im Alten Testament gilt der Backenstreich als schwere ge­ richtsnotorische Beleidigung (1 Kön 2224 Mi 414). Hier ist die Härte ge­ steigert, weil der Kiefer zerbrochen wurde und weitere Reden gegen den Beter unmöglich gemacht wurden. Das gleiche gilt für das Zerbrechen der Zähne (Ps 587 Ijob 2917, vgl. Spr 30'4). Das Gebet endet in 9a mit einem Be­ kenntnis vor dem Auditorium, das schon im Bericht5-7 Zeuge war. Die­ ses Bekenntnis widerspricht der Be­ hauptung der Feinde aus 3b. Der re­ daktionelle Anhang 9b ist gemäß den Parallelen in Ps 1298 vgl. Ps 289 5120 als Segensbitte oder Segenswunsch zu verstehen - hier mit Blick auf das gesamte Gebet wieder in die Anrede an JHWH gekleidet. Die Segensbitte holt das Gebet des Grundpsalms in den Kult der Gemeinde. Der helfende JHWH soll das exilische Israel Frank-Lothar Hossfeld segnen.

u Ps 4

59

5

PSALM 4 BITTGEBET EINES ARMEN UM ERWEIS DER GOTTESGERECHTIGKEIT

i

Es gibt zwei unterschiedliche Richtungen, den Psalm auszulegen; die Unter­ schiede hängen mit dem Verständnis der im Psalm beklagten Not zusammen: 1. Eine »theologische« Deutung sieht einflußreiche und mächtige Kreise in der Umgebung des Beters, die »seine Ehre« 3, d.h. JHWH (vgl. Jer 2n Ps 10620), durch Nichtiges und Lügen, d. h. durch den Abfall zu fremden Göttern und zu kultischen Verirrungen, schmähen und schänden. 2. Eine »soziale« Deutung versteht unter »Ehre« 3 die Ehre des Beters selbst, d.h. seine Stellung in der Gesellschaft: Seine Menschenwürde wird von den Mächtigen und Reichen mit Füßen getreten, indem sie über ihn allerlei Lügen verbreiten und dabei sogar den Gottesnamen beim Lügeneid einsetzen. Für dieses Verständnis des Psalms als Bittgebet eines Armen sprechen vor allem zwei Beobachtungen: Zum einen zielt die Aufforderung des Beters in 6 darauf, daß die Mächtigen »Opfer der Gerechtigkeit« darbringen, d. h., daß sie sich dem Beter gegenüber endlich sozial und solidarisch verhalten sollen. Zum an­ deren hat »Ehre« in den Nachbarpsalmen unbestreitbar soziale Konnotationen (vgl. 34 76 86); mit diesen Psalmen aber bildet Ps 4 die (spätexilische) Teilkom­ position 3-7, die auf 8 hingeordnet ist. In 3-7 sind konkrete Bedrängnisse der Beter (3 und 7: der politisch Verfolgte; 4: der Arme; 5: der unschuldig Ange­ klagte; 6: der Kranke) als paradigmatische Aspekte leidvoller Existenz zusam­ mengestellt (vgl. das durchlaufende Motiv von JHWH als der »am Morgen« rettenden »Sonne der Gerechtigkeit« in 3sf 49 54 67 712 sowie das weisheitlich gebrochene »Tempelkolorit« in 35 46 54 8 77*18). Noch genauere Bestimmungen der ursprünglichen Verwendung des Psalms (Formular für das sakrale Ge­ richtsverfahren am Tempel, für die Durchführung eines Ordals, im Kontext von »Kleingruppengottesdiensten« zur Bewältigung sozialer Konflikte) sind problematisch. Der Psalm ist kunstvoll aufgebaut. Er wird in 2 mit einer an Gott gerichteten Bitte eröffnet; in 3-6 folgt eine an die Mächtigen adressierte Rede; mit 7-9 schließt sich eine wieder Gott ansprechende Rede an; alle drei Abschnitte sind als Ich-Rede des Beters gestaltet. 3-6 und 7-9 entsprechen sich in ihrer dreiglied­ rigen Struktur (Frage - Hinweis auf ein Handeln JHWHs am Beter - Ver­ trauen auf JHWH), wobei der Beter sich beide Male von einer Gruppe absetzt. Gegenüber beiden Gruppen betont der Beter die Wichtigkeit des Vertrauens auf JHWH als Grundlage des Lebens. Man kann sagen: 3-9 ist das »Bittgebet« {ffillähHij: »Flehen«), von dem in 2d die Rede ist. Der Beter bittet um Rettung aus einer individuellen Not als Erweis der »Gottesgerechtigkeit« inmitten der ihn umgebenden Menschen, die durch ihren praktischen Atheismus (vgl. 5-*) und durch ihre Resignation angesichts der gesellschaftlichen Mißstände (vgl. 7) die Glaubwürdigkeit JHWHs selbst erschüttern. 41 [Für den Chormeister. Mit Saitenspiel. Ein Psalm Davids.] 2 Wenn ich rufe, erhöre mich, Gott, du mein Retter! Du hast mir Raum geschaffen, als mir angst war. Sei mir gnädig, und hör auf mein Flehen!

60

DIE PSALMEN 3 Ihr Mächtigen, wie lange noch schmäht ihr meine Ehre, warum liebt ihr den Schein und sinnt auf Lügen ? [Sela] 4 Erkennt doch: Wunderbar handelt der Herr an den Frommen; der Herr erhört mich, wenn ich zu ihm rufe. 5 Ereifert ihr euch, so sündigt nicht! Bedenkt es auf eurem Lager, und werdet stille! [Sela] 6 Bringt rechte Opfer dar, und vertraut auf den Herrn!

Eph 426 5119.21

1 Petr 25

7 Viele sagen: »Wer läßt uns Gutes erleben?« Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten! 8 Du legst mir größere Freude ins Herz, als andere haben bei Korn und Wein in Fülle. 9 In Frieden leg’ ich mich nieder und schlafe ein; denn du allein, Herr, läßt mich sorglos ruhen.

3117 444 672 804 11934 Num 625f 36

2b 3b 4a 4b 51 5b 6a 7 8a

Wörtlich: »Gott meiner Gerechtigkeit.« Wörtlich: »indem ihr...« MT: »Erkennt doch, daß JHWH wohlwollend aussondert (hifläh) seinen Frommen« (Sg); EÜ korr.: »...daß JHWH wunderbar handelt (hiflV)«. »mich« ergänzt nach G; statt »erhört« richtiger »hört« (sämä wie 2d!). So im Anschluß an G. Wörtlich (und besser beizubehalten): »Erzittert und sündigt nicht mehr!« Wörtlich: »Erwägt es in eurem Herzen auf eurem Lager.« Wörtlich: »Opfert Opfer der Gerechtigkeit.« Text korr.; andere (bessere?) Textkorrektur: »Viele sagen: >Wer kann uns noch Gutes schauen lassen? Geflohen ist von uns das Licht deines An­ gesichts!«« Wörtlich: »Du hast gegeben.«

Überschrifi 1: »Für den Chormeister« (lam'natffb) steht über 55 Psalmen als Überschrift (falls mehrere Anga­ ben, immer an 1. Stelle) und in Hab 3,s als Unterschrift. Genaue Bedeu­ tung umstritten, auch nicht durch die wechselnden Übersetzungen der Versionen zu klären. Zwei Probleme: ■i

Ps 4

1. Bedeutung von t (»für«, »für den Gebrauch von«, »verfaßt von«, »zur Liedersammlung von gehörig«?). 2. Bedeutung von menaffeab, meist her­ geleitet von n$b »beaufsichtigen, lei­ ten«, seltener von nfb »glänzen, leuchten«: »Chormeister« (EÜ), rich­ tiger »Kapellmeister, Konzertmei­ ster«, da sich das Verbum in 1 Chr

1520f auf das Spielen von Standleiern (nebcel) und Trageleiern (kimtör) be­ zieht, das als Melodieführung bzw. Begleitung von Liedern (Psalmen) diente; von daher dürfte menaffeab jenen Leierspieler bezeichnen, der die musikalische Aufführung eines Lie­ des mit seinem Spiel (also als »Kapell­ meister« und nicht als »Dirigent«) lei­ tete. Das wird auch durch die zweite Angabe bin'ginöt »mit Saitenspielbe­ gleitung« (aufzuführen) bestätigt. Im nachbiblischen Judentum verstärkte sich die Herleitung von n$b »siegen«, wobei »für den/im Blick auf den Sie­ ger« messianisch verstanden wurde; von daher entwickelte sich das christologische Verständnis des Psalms.

Ps 4

DIE PSALMEN

Zur Angabe »Ein Psalm Davids« vgl. die Einleitung sowie zu 3*. 2: Mit einer formelhaft gestal­ teten Bitte (Imperative 2ad, Anrede 2b, Hinweis auf Vergangenheit als Be­ weggrund zum Eingreifen 2c), in der sich die Grundstruktur biblischer Gottesvorstellung verdichtet (bei­ spielhaft: JHWH erweist gegenüber Baal sein Gott-Sein, indem er »ant­ wortet«, vgl. 1 Kön 18; Ansatz der Geschichtstheologie: JHWH »hört« auf den Notschrei seines Volkes und rettet es, vgl. Ex 224 37 Dtn 267 u.ö.; zur Abfolge »rufen« — »antworten« vgl. 35 176 2010 223 277 u. ö.), appelliert der Beter an den »Gott meiner Ge­ rechtigkeit« (EÜ »Gott, du mein Ret­ ter«). Dieser möge sich als »Gerech­ tigkeit« schaffender Gott erweisen, als den ihn nicht nur der Beter (vgl. auch die Gottesprädikationen Ps 279 5116 sowie besonders Ps 95 4011 1294), sondern ganz Israel in seiner Grün­ dungsgeschichte (vgl. Dtn 3321 Ri 511 sowie Ps 656 994-11 1 113-9 1457) erfah­ ren hat. Auch 2c erinnert zunächst an individuelle Erfahrungen des Beters (Metapher für Rettung aus Not, die als lebensbedrohliche Enge bzw. Ge­ fangenschaft erfahren wurde: Ps 1820 319 6611 1185), läßt aber auch die ge­ schichtstheologische Kategorie an­ klingen, wonach JHWH Israel wei­ ten Lebensraum verheißt und gibt, damit es als sein freies Volk leben kann (vgl. Gen 1317 2 622 Ex 38 3424 Dtn 1220 1 98). Aufforderung an die Mächtigen 5-6: Hinter der vorwurfsvollen Frage des Armen an die Reichen, warum sie »seine Ehre«, d.h. sein gesellschaftli­ ches Ansehen und seine Menschen­ würde mißachten, steht seine Über­ zeugung, daß sich dies letztlich ge­ gen JHWH selbst richtet. So will der Arme mit seinem Appell, sein Leben als Hinweis auf JHWH als »den

61

Gott, der Wunder tut« (vgl. Ps 7715) anzunehmen, die Mächtigen zum wahren »Gotteswissen« bewegen, wonach JHWH als der in der Ge­ schichte seines Volkes Handelnde auch am einzelnen »Frommen« (Ipäsid) handelt 4a (vgl. JHWHs »Wunderwirken« am Volk: Ex 15n 3410 Jos 35; falls die Lesart MT akzep­ tiert wird, daß JHWH »seinen From­ men wohlwollend aussondert [plh hi.]«: vgl. Ex 818 94 U7). Vor allem aber erweist er sein »jahwistisches« Proprium, indem er, anders als die Götzen der Völker, wirklich »hört« bzw. »hören kann«, wenn seine An­ hänger ihn »rufen« 4b (Rückbezug nach 2; zur Sache vgl. 1 Kön 1824-26-37 Ps 1156 13517 sowie die auf zahlrei­ chen ägyptischen Dank- oder Bittste­ len abgebildeten Ohren, die die hö­ rende Gottheit darstellen). 5-6 Mit sechs Imperativen, von denen je zwei zu einem Paar verbunden sind, wer­ den »die Mächtigen« sodann aufge­ fordert, umzukehren und das rechte Verhalten JHWH gegenüber zu praktizieren. Der erste Imperativ rig'zü »erzittert« (anders EÜ) gehört zum Sprachspiel der Theophanie. Das Verbum (vgl. Ex 1514 Dtn 224 Jes 641 Jer 339 Mi 7n Ps 991) bezeichnet die Reaktion auf das Wahrnehmen der Göttlichkeit JHWHs, der sich in seinen Taten machtvoll erweist. Auch am Sinai »erbebt« das Volk beim Kommen Gottes (Ex 1916-18), was Mose in Ex 2020 so deutet: »Gott ist gekommen, damit die Furcht vor ihm auf eurem Angesicht sei, auf daß ihr nicht sündigt.« Diese Konsequenz zieht auch der zweite Imperativ »und sündigt nicht (mehr)!«, d.h. nehmt in Gottesfurcht (»erzittert«) wahr, daß JHWH, der so handelt wie 4 bekennt, sich offenbaren wird, und hört auf, die Armen zu vernichten. EÜ orien­ tiert sich bei ihrer Übersetzung von 5a an G. In dieser Lesart bringt der Be­ ter den Menschen seiner Umgebung

62

DIE PSALMEN

einerseits ein gewisses Verständnis entgegen, aber er fordert sie anderer­ seits auf, nicht maßlos zu werden. Das zweite Imperativpaar5b führt die in 5a begonnene Linie weiter. Die Nacht, die mit der Angabe »auf eu­ rem Lager« anvisiert ist, und womit zugleich ein semantischer Bogen zu 9a geschlagen wird, gilt vor allem in der Psalmensprache als Zeit des Nach­ denkens (vgl. Ps67 167 ?> sind trüb gewordene Augen Zeichen des nahen Todes (vgl. Ps 134 1167). Das ist der Tiefpunkt, den 8b formuliert (EÜ deutet hier sehr ei­ genwillig!) - und wo nun in betonter Schlußstellung überraschend nicht mehr Gottes Zorn, sondern »Bedrän­ ger« als die Ursache der Not des Be­ ters benannt werden. In 8b sind sie durch ihre Wirkung gekennzeichnet, die von ihnen auf den Beter hin aus­ geht: Er erfährt sie als eine Totalität {köl »alle«) und als eine Masse, die ihn wie ein Belagerungsring umgibt (färar »einschließen, belagern«) und zu erdrücken droht. Erhörungsgewißheit9-11: Mit der Auf­ forderung 9a, die den Taburuf nach­ ahmt, mit dem Verurteilte aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden (vgl. Mt 723 2 541), stemmt sich der Leidende gegen das feindliche Netz, das ihn umgibt. Die Dynamik seines Gebets hat ihn zu der Gewißheit ge­ führt, daß JHWH sich auf seine Seite gestellt hat9b-10; daraus erwächst ihm die Zuversicht, daß seine Angst vor seiner feindlichen Umgebung ein Ende nehmen wird - entsprechend seiner Bitte 11 (EÜ liest 11 als sichere

71

Zukunft = Gegenwart). Die Verben meinen eine zusammenhängende Ge­ schehensfolge: lla zielt darauf, daß das ganze System der Gewalt, mit dem »alle Feinde« den Leidenden ge­ ängstet haben, »zuschanden« wird (Ps 354-26 587-9 8317-19 8617) und daß sie in »Verstörung« geraten, d.h. wenn das Netz ihrer Machenschaften zerreißt und sie in ihren Aktivitäten vor aller Welt bloßgestellt sind, wird lähmendes Entsetzen sie erfassen (vgl. zu 145). Ob in 1,b das Ende der Feinde gemeint ist, wie EÜ annimmt, ist zweifelhaft. Das zweite Verbum in llb ist identisch mit dem ersten von lla und betont abschließend: »sie sollen beschämt werden mit einem Schlag«, d.h. das Unrecht ihres Tuns soll ih­ nen urplötzlich und unausweichlich aufgehen — als Folge jener »Um­ kehr«, von der das erste Verbum in 1!b spricht: jasübü »sie sollen sich wenden«. Gewiß ist hier zunächst ge­ sagt, daß sie sich vom Leidenden »ab­ wenden« und ihn in Ruhe lassen. Aber es ist nicht auszuschließen, daß auch die Hinkehr zur Wahrheit JHWHs mitschwingt, um die es im Psalm insgesamt geht (vgl. ähnlich Ps Erich Zenger 83198617).

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PSALM 7 BITTGEBET EINES UNSCHULDIG VERFOLGTEN UND ANGEKLAGTEN ZU GOTT, DEM GERECHTEN RICHTER Der Psalm ist einheitlich. Einzig der erste Satz von 9 (von der EÜ ans Ende von 7 versetzt) ist redaktione!T(Recle übeFjHWH statt Anrede, Ausweitung des Gerichts auf die Völker). Die Einfügung steht in Verbindung mit einer Bear­ beitung der JHWH-König-Psalmen in 9610b13 989. Der Psalm besteht aus fünf Abschnitten: die Eingangsbitten 2-3, die Unschulds­ beteuerung 4-6 mit neuer Doppelanrufung JFfWHs und der Entsprechung von drei Vorder- und drei Nachsätzen, die zentralen Bitten 7-10 mit Anrufungen Gottes zu Anfang, in der Mitte und am Schluß, die Lehre über JHWH als Be­ schützer, Richter und Krieger mit Darlegung des Schicksals des Frevlers

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72

DIE PSALMEN

Ps 7

,,_17und das Lobversprechen am Schluß ,8. Dieser Aufbau findet seine Seiten­ gänger in den Psalmen 5 und 17. Punktuelle Entsprechungen wie der Nume\ ruswechsel in der Rede von den Feinden (Singular - Plural) verstärken die Pa­ rallelität. Der militärische Anstrich der Bitten in 27 und des Bildes von JHWH als König 8 und Krieger lll3f zeigt den Einfluß des Königsgebets, macht aber aus dem Be­ ter noch keinen König. Desgleichen kann der Psalm nicht völlig an ein kultisches Gottesgericht oder an ein Ordal im Tempel angebunden werden (vgl. Num 511-13 und 1 Kön 831f). Der Beter spricht in 4-6 einen Reinigungseid, vgl. Ijob 315-40 und Ps 1375f. Wie in Ex 2210 schwört er vor JHWH, das anvertraute Eigentum des Nächsten nicht veruntreut zu haben. In 7-10 appelliert er an den himmlischen Richter, ihm, dem Unschuldigen, Recht zu verschaffen. In Ps 7 steht kein verfahrensrechtiich geregeltes Gottesgericht am Tempel im Hintergrund, sondern der Beter bringt die persönliche Vorleistung eines Rei­ nigungseides zum Beweis seiner Unschuld ein und bittet um die mächtige Durchsetzung der göttlichen Rechtsmaßstäbe in seinem eigenen Leben als von JHWH beschützter Gerechter und im Schicksal seines Feindes, der ihn, den Schuldlosen, fälschlich angeklagt und seine Ehre herabgesetzt hat. Der Psalm kann im Tempel gesprochen sein. Er kann aber ebensogut in einem liturgi­ schen Kreis außerhalb des Tempels im Kontext eines Familiengottesdienstes gebetet worden sein. Wichtig ist nur, daß dieses Gebet in seinen weisheitlichlehrhaften Zügen vor allem im vierten und fünften Teil 11-1718 vor einer Gemeinde oder Versammlung ergeht. Wie bei Ps 5 werden kultische Anleihen und Motive weisheitlich gebrochen. Das Weisheitliche äußert sich vor allem neben sprachlichen Beziehungen im Interesse göttlicher Lebensbegleitung und Lenkung, an der Gegenüberstellung von Gerechter und Frevler und an der Be­ tonung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Der Psalm kann wie sein Ver­ wandter Ps 5 in die vorexilische oder exilische Zeit eingestuft werden. Mit Ps 6 ist Ps 7 durch die seltene Bitte an JFIWH »kehre doch um« (65 78), durch die Feindbezeichnungen und vor allem durch die Zeitangabe »die ganze Nacht« 67 bzw. »den ganzen Tag« 712 verbunden. i In 712 schlägt wieder der Gedankenkreis um das Morgenmotiv durch. JFTWH j übernimmt die Rolle des altorientalischen Sonnengottes, der als Tagesgestirn j den Himmel durchquert und die gerechte Ordnung der Welt bzw. des Kosmos I durchsetzt. Ps 7 bringt die Gruppe der Gebete aus paradigmatischen Nöten 3-7 zum Ab­ schluß und bekennt sich in 718 zu JHWH als dem Garanten des Rechts und dem mächtigen Zionsgott, der die Unordnung besiegt (vgl. 35). Das Nachtlied Ps 8 nimmt die Zeitmetaphorik aus 3-7 auf. Das Lob auf den »Namen JFIWHs«, das 718 versprochen hat, wird mit dem Hymnus Ps 8 (vgl. 8210) eingelöst. Was Ps 7 konkret im Leben des verfolgten Gerechten bedacht hat, seine Ehre 76 und seinen gesellschaftlichen Status/Bestand 710, verallge­ meinert Ps 8 ins Grundsätzliche (vgl. die Ehre/Würde des Menschen 86 und den Bestand der kosmischen Ordnung 84).

Ps 7

DIE PSALMEN

73

71 [Ein Klagelied Davids, das er dem Herrn sang wegen des Benjaminiters Kusch.] 2 Herr, mein Gott, ich flüchte mich zu dir; hilf mir vor allen Verfolgern und rette mich, 3 damit mir niemand wie ein Löwe das Leben raubt, mich zerreißt, und keiner ist da, der mich reuet.

:

17’2

4 Wenn ich das getan habe, Herr, mein Gott, wenn an meinen Händen Unrecht klebt, 5 wenn ich meinem Freunde Böses tat, wenn ich den quälte, der mich grundlos bedrängt hat, 6 dann soll mich der Feind verfolgen und ergreifen; / er richte mein Leben zugrunde und trete meine Ehre mit Füßen. [Sela]

4f:

7 Herr, steh auf in deinem Zorn, erheb dich gegen meine wütenden Feinde! Wach auf, du mein Gott! / Du hast zum Gericht gerufen. Der Herr richtet die Völker. 8 Um dich stehe die Schar der Völker im Kreis; über ihnen throne du in der Höhe! 9 Herr, weil ich gerecht bin, verschaff mir Recht, (und tu an mir Gutes,) weil ich schuldlos bin! 10 Die Bosheit der Frevler finde ein Ende, / doch gib dem Gerechten Bestand, gerechter Gott, der du auf Herz und Nieren prüfst.

920

11 Ein Schild über mir ist Gott, er rettet die Menschen mit redlichem Herzen. 12 Gott ist ein gerechter Richter, ein Gott, der täglich strafen kann. 13 Wenn der Frevler sein Schwert wieder schärft, seinen Bogen spannt und zielt, 14 dann rüstet er tödliche Waffen gegen sich selbst, bereitet sich glühende Pfeile. 15 Er hat Böses im Sinn; er geht schwanger mit Unheil, und Tücke gebiert er. 16 Er gräbt ein Loch, er schaufelt es aus, doch er stürzt in die Grube, die er selber gemacht hat. 17 Seine Untat kommt auf sein eigenes Haupt, seine Gewalttat fällt auf seinen Scheitel zurück. 18 Ich will dem Herrn danken, denn er ist gerecht; dem Namen des Herrn, des Höchsten, will ich singen und spielen.

Ijob 317-34

1433

1821"27 262

Jcr 1120 1710 2012 Offb 223 34

ll2 Jcs 50*1 Ijob 1535 Jcs 594 916 357f 577 Spr 2627 Koh 108

| 912 1850 305 578f 68533 7123 922 10433 1353 1382 1462

74 2b 3

DIE PSALMEN

Ps 7

Wörtlich: »vor allen meinen Verfolgern«. Wörtlich: »damit er nicht wie ein Löwe mein Leben zerreißt, mich weg­ reißt und keiner ist da, der mich rettet.« EÜ schwächt das Bild des Löwen ab, der seiner Beute nachsetzt, das Opfer schlägt und wegschleppt, um es am ruhigen Ort zu verzehren. 4a Die Doppelanrufung steht zu Beginn des Verses. 5b Der zweite Satz des Verses setzt unmittelbar die vergangene Handlung des ersten fort und konkretisiert sie (indem ich...). Das Verb £//bedeutet »plündern, ausrauben«, vgl. Ri 14,92 Sam 221. 6a Wörtlich: »Dann soll der Feind mein Leben verfolgen und ergreifen und soll mein Lebendiges zu Boden treten/schlagen.« Das Löwenbild aus 3 klingt wohl noch nach. 7 EÜ stellt die Einfügung »der Herr richtet die Völker« aus dem Anfang von 9 ans Ende von 7; es ist beim MT zu bleiben. 8b EÜ übernimmt die gängige Konjektur von sübäh »kehre« zurück zu sebäh lasse dich nieder; es ist beim MT zu bleiben (vgl. Num 1036): Und über sie (die Schar der Völker) kehre zur Höhe zurück! i°b Wörtlich: »Und der du auf Herzen und Nieren prüfst, gerechter Gott.« lla Wörtlich: »Mein Schild (ist) über Gott.« Gott steht neben dem Beter und hält den Schild über sich und seinen Schützling. ,2b Wörtlich: »Ein Gott, der an jedem Tag straft.« EÜ ebnet die Tageszeiten­ angabe zur (möglichen) Stetigkeit ein. 13-14 Der erste Satz des Verses 13 ist eine crux interpretum. Drei Alternativen stehen mit den alten Versionen zur Wahl. Gehört der Satz ans Ende von 12 als Bedingung des göttlichen Zorns oder eröffnet er 13? Der MT ver­ steht ihn als Einleitung und verdient den Vorzug. - Ist Gott das Subjekt oder der Feind und Frevler? Die Syntax votiert für Gott (anders EU), weil' er das nächste öubjeküst, auf das sich das Verb zurückbeziehen kann. Das Verb beschreibt dieselbe Tätigkeit Gottes wie 8b. Der Kontext in I3f be­ richtet von kriegerischen Tätigkeiten, die zu den kriegerischen Konnotationen in den Tätigkeiten Gottes aus dem Vorhergehenden passen. - Ist die einleitende Partikel 'im /ö’deiktisch (fürwahr) oder konditional (wenn nicht) zu übersetzen? Beides ist grammatikalisch möglich. Der Kontext läßt das konditionale Verständnis vorziehen. Dann übernimmt der erste Satz die Funktion der Protasis ( = EÜ). Die Apodosis ist im zweiten Satz zu finden (anders EÜ). Der folgende Vers 14 behält das göttliche Subjekt bei und beschreibt, wie JHWH die Waffen des Feindes gegen ihn wendet. Die Präpositionalverbindung am Anfang von 14 wird nicht als dativus ethicus, sondern als normaler Dativ »und für ihn (den Feind)« verstanden. Wenn er (Gott) nicht zurückkehrt (von seinem strafenden Richteramt), dann schärft er sein (des Feindes) Schwert, seinen (des Feindes) Bogen hat er gespannt und ausgerichtet. Und ihm (dem Feind) hat er tödliche Waffen aufgestellt und seine (des Feindes) Pfeile, zu brennenden wird er (sie) machen. 16 Probleme bereitet die Zeitfolge in den Verben; EÜ weicht ins Präsens aus. Sicher ist, daß die drei ersten Verben in der Vergangenheit abge­ schlossene Sachverhalte bezeichnen (er hat gegraben, er hat geschaufelt und ist hineingefallen). Für den abschließenden asyndetischen Relativsatz erwartet man eine Suffixkonjugation (die er gemacht hat) wie in Ps 916 statt der vorliegenden Präfixkonjugation.

Ps 7

DIE PSALMEN

Überschrift 1: Die Überschrift besitzt zwei Besonderheiten: Die singuläre Gattungsangabe »Klagelied« und den Anschluß der biographischen Ergän­ zung durch Relativsatz wie in Ps 18*. Der Hintergrund der biographischen Situierung ist 2 Sam 18. David besiegt seinen Feind, der zugleich sein Sohn ist, um den Preis von dessen Tod. Deswegen wird das zuversichtliche Bittgebet zugleich »Klagelied« ge­ nannt. Die formative exilische Re­ daktion akzentuiert die Eckpsalmen 3 und 7 und weist sie in eine analoge Lebenssituation ein (vgl. Ps 181). Eingangsbitten 2-3: Die einleitende Döppelänrüfürijjf'stellt die persönli­ che Beziehung des Beters zu seinem Gott her. Die beigestellte Vertrau­ ensaussage will gleich, zu Anfang das besondere Verhältnis des Beters her­ vorheben und die nachfolgenden Bit­ ten vorbereiten. Die Eingangsbitten um Hilfe und Rettung stecken selbst schon den Rahmen ab, in dem der Beter seine Not zur Sprache bringt. Die Löwenmetapher tendiert zur Einzahl und bewirkt den Numerusumsprung (vgl. Ps 1712 2214--22). Der Löwe fällt das Opfer an und beißt zu; er schleppt die Beute weg, und keiner kann sie seinem Rachen entreißen. Der letzte Satz konstatiert die Aussichtslosigkeit der Rettung wie Ps 1842.

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Die Unschuldsbeteuerung4-6: Der Be­ ter sprichTeTnFSelbstverflüchung aus für den Fall der unterstellten Tat. Er soll einen nahestehenden Vertrauten (vgl. Ps 4110) ausgeraubt haben. Der Szenerie am nächsten kommt Ex 2210, wo ein Depositar dem Deposi­ tor einen JHWH-Schwur leistet, daß er sich nicht am anvertrauten Gut vergriffen hat. Auf die vorausge­ hende Periode antwortet in 6 eine korrespondierende Periode von drei Fluchfolgen. Dabei klingt die Löwen-

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metapher aus 3 nach und ist ständig mitzuhören. Wie in der Protasis wird auch in der Apodosis der jeweils dritte Teil am konkretesten. Die Ehre des Beters wird vernichtet. Nichts in 4-6 zeigt an, daß der Reinigungseid im Tempel gesprochen wird. Mit dem Reinigungseid hat der Beter die ent­ scheidende Vorleistung erbracht, um auf diesem Fundament die zentralen Bitten auszusprechen.

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.Zentrale Bitten 7-10: Zuerst drängt eine T rias von TJItten JHWH zum Eingreifen. Die erste Bitte evoziert die Vorstellung vom kriegerischen JHWH (vgl. Num 1035 und Ps 38 1713 352). Sein Zorn soll der Wut der Feinde des Beters Paroli bieten, wie es die zweite Bitte fordert (vgl. Ps 942). Die dritte Bitte klingt wie ein Weckruf zur Schlacht (vgl. Ri 512 und Ps 3523 4424 595). Mitten in den Bitten von 7i stellt der Beter fest, daß JHWH das Gericht einberufen hat (vgl. die Erhörungszuversicht in Ps 44 54 69f). Die beiden parallelen Bitten von 8 be­ schreiben die erbetene Gerichtsver­ sammlung mit alten Vorstellungen. Mit Blick auf die Parallele Ps 821 ist wohl an eine himmlische Gerichtsver­ sammlung gedacht für KecRtsfäIle der ganzen Welt (deshalb die umge­ bende Schar der Völker). Wie im La­ despruch Num 1036 vgl. Ps 65 soll JHWH von etwas (Ungenanntem) zurückkehren und die Funktion des Kriegers bzw. königlichen Richters wahrnehmen. Die Funktion des Richters und Königs wird durch die Ortsangabe »über der Schar in der Höhe« (vgl. Jes 2421 Jer 2530 Klgl 113) angezeigt. Die Bitte von 9 fordert nun direkt das göttliche Gericht über den konkreten Fall und darüber hinausgehend über den Lebenswandel des Beters. Zu sei­ nen Gunsten kann er auf »meine Ge­ rechtigkeit« und »meine Vollkom­ menheit« verweisen. Gerechtigkeit

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und Vollkommenheit des Beters sind nem Schaden aufrüsten: Er wird des­ hier wie eine Sphäre, sogar wie ein sen Schwert schärfen (vgl. nur noch 1 Sam 1320). Den Bogen des Feindes Gewicht über ihm vorgestellt (vgl. 9b wörtlich: gemäß meiner Gerechtig- hat er schon gespannt und ausgerichkeit und meiner Vollkommenheit auf tet (vgl. KIgl 24 312). 14 hält fest, daß mir!). Im Folgenden geht es um die JHWH damit die Aufrüstung zum Qualität des göttlichen Richtens und Bumerang für den Frevler macht. 15-17 konzentrieren sich ganz auf Verseine Durchsetzung. Zuerst soll die Bosheit der Frevler an ein Ende kom- halten und Schicksal des Frevlers, men 10 (vgl. nur noch in Ps 122). Den Das (weisheitliche) Bild von Schwan­ Gerechten, wozu sich der Beter gerschaft und Geburt 15 soll im Falle zählt, soll JHWH Bestand geben. des Frevlers die völlige Verderbtheit Mit dem dritten Satz aus 10 geht der von innen heraus darstellen (vgl. Jes Beter zur Beschreibung des göttli­ 33n 594f Ijob 1535). 16 expliziert das chen Richters über. Er gibt der alten ehrwürdige weisheitliche Bild vom (weisheitlichen) Überzeugung Aus­ Hineinfallen in die für andere gegra­ druck, daß JFfWH unbestechlich, bene Grube - klassischer Ausdruck wirksam und durchdringend die für den Tun-Ergehen-ZusammenMenschen bis auf ihr geheimstes In­ hang im Negativen (Spr 2627 Koh 108f neres prüft (vgl. Spr 173 und Ps 173 Sir 2726 Weish ll16). 17 erläutert den Tun-Ergehen-Zusammenhang mit 262). Hilfe bekannter Vergeltungsformeln. Lehre zum göttlichen Walten gegen­ Die theologische Leistung der Lehre über Gerechten und Sündern 11-17: Der 11-17 liegt darin, das Gericht JHWHs Beter beschäftigt sich nun vor den durch die im vollen Sinne alltägliche Ohren seines Publikums (der fami­ Weltlenkung auszulegen und zu kon­ liären Umgebung oder der Gemeinde) kretisieren. mit dem dauernden alltäglichen Wir­ Das Lobversprechen 18: In bezug auf ken des göttlichen Richters. Gott und Beter stehen zusammen, und Gott dfe'IexikäirschVFüllung kommt18 der hält über beide den Schild (vgl. Ps 34 Ps 1850 am nächsten. Gepriesen wer­ 1836). 12 konzentriert sich auf Gottes den soll JHWH bzw. sein Name, Richteramt, und zwar in zweifacher d.h. sein Ruhm als durchsetzungs­ Form: Gott ist ein gerechter Richter, fähiger gerechter Richter. Am Ende indem er dem Gerechten Recht ver­ des Psalms erhält JHWH den Titel schafft im forensischen Sinne. Ande­ »Höchster«. Der Titel verweist auf rerseits zürnt er, in dem er den Schul­ den Vorstellungskreis vom Götterkö­ digen straft und für Vergeltung sorgt nig auf dem Götter- und Weltberg, (vgl. Num 23® Spr 2214). JHWH der in Jerusalem seinen Sitz genom­ übernimmt die Funktion des altorien- men und die Stadt zu seiner Residenz talischen_Sonnengottes, der am Tage gemacht hat (vgl. Ps 1814 465 473 826). füF die Ordnung der Welt sorgt Zugleich steht der Titel in Zusam­ (s.o.). 13f erläutern, wie die Bestra­ menhang mit dem Richterkönig von fung des Frevlers erfolgt. Wenn Gott 8 , der die Funktion des richtenden von seiner strafenden Richterfunk­ Sonnengottes 12 übernommen hat. tion nicht zurückkehrt, dann wird er den Feind und Frevler zu dessen eigeFrank-Lotha r Hossfeld

Ps 8

77 PSALM 8 VON DER MENSCHENWÜRDE

Der Psalm läßt sich keiner der klassischen Psalmengattungen zuweisen. Zwar fehlen entscheidende Merkmale des Hymnus (Aufforderung zum Lobpreis, kt zur Einführung des corpus hymni, Beschreibung der Größe JHWHs in 3. Per­ son), doch sind andererseits hymnische Züge unverkennbar: die beiden Rah­ menteile 2ab-,0ab sind vollzogener Lobpreis in der Funktion von »Aufgesang« und »Abgesang«;. 2c-9 besingt JHWHs Schöpferhandeln an seiner Gemeinde und am Menschen nicht als situativ einmaliges (typisch für das Danklied), son­ dern als ein für allemal gesetztes und nun fortdauerndes Geschehen (typisch für den Hymnus). Der weisheitlich geprägte (Frage-Antwort-Stil; Vergleich »des Menschen« mit »Gott«; listenartige Aufzählung der Tierwelt; Weltord­ nungsdenken) Grundpsalm, der wahrscheinlich von Gen 126-28 vorausgesetzt ist, umfaßte nur 2ab,4-,°. Daß zunächst2c redaktionell ist, geht vor allem daraus hervor, daß dieses Element beim Refrain 10 fehlt. Es stammt von jener spätexilischen Redaktion, die Ps 8 in die Mitte ihrer Teilgruppe 3-7 8 11-14 gestellt hat (vgl. das Motiv vom himmlischen Weltenkönig in 11-14). Daß 3 und 4-10 nicht von derselben Hand stammen, legen folgende Beobachtungen nahe: 1. Während 4-9 durchgängig im synonymen und synthetischen Parallelismus gestaltet sind, ist die kolometrische Struktur von 3 unklar. 2. Die 3 und 4-9 be­ stimmende Bildwelt steht spannungsreich nebeneinander. 3. Während 3 aus­ drücklich die Gruppe »der Neugeborenen und Säuglinge« im Blick hat, reden 4-9 singularisch über »den Menschen«. 4. Der Übergang von 3 nach 4 ist unver­ mittelt. Die Erweiterung 3 dürfte auf die nachexilische Armenredaktion des Davidpsalters zurückgehen (vgl. die Stichwortbezüge nach Ps 288 29“). Der Grundpsalm greift die vor allem in Ägypten bezeugte Vorstellung vom König als Stellvertreter des Schöpfergottes auf, der die Aufgabe hat, die chao­ tischen Mächte zu bekämpfen und zu unterwerfen, um so die Schöpfungs- und Gerechtigkeitsordnung zu erhalten bzw. durchzusetzen. Wie in der priester­ schriftlichen Urgeschichte (vgl. Gen 126-28 91-3) ist auch in Ps 8 diese Vorstel­ lung »demokratisiert« bzw. (besser) »universalisiert«, d. h. auf den Menschen als Gattungswesen übertragen. Der Psalm preist JFTWH als den majestäti­ schen Gott, der sich »dem Menschen« zuwendet und ihm Anteil an seiner »Ehre« gibt; diese »Ehre« des (königlichen) Menschen ist das, was wir heute »Menschenwürde« nennen. Sie erhält in Ps 8 eine geradezu ontische Absiche­ rung; sie ist unzerstörbar, weil sie von JHWH selbst gewährt ist, in seiner Weltordnung gründet und als Erweis »seines Namens« - allen Widerständen zum Trotz - »auf der ganzen Erde« offenbar werden soll. Durch die Einbin­ dung von Ps 8 als Mitte der Bitt- und Klagegebete 3-7 11-14 erhält die in Ps 8 entworfene Theologie der Menschenwürde ein besonderes Gewicht: Die Menschenwürde gerade der Armen gründet in JHWHs Weltkönigtum; im Re­ zitieren der (königlichen) »Bittgebete« 3-7 und der »Klageliturgien« 11-14 wi­ dersetzen sie sich dem Chaos und bereiten dem Kommen der Gottesherrschaft (von Zion aus) den Weg.

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Ps 8

81 [Für den Chormeister. Nach dem Kelterlied. Ein Psalm Davids.] 2 Herr, unser Herrscher, / wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde; über den Himmel breitest du deine Hoheit aus. 3 Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob, / deinen Gegnern zum Trotz; deine Feinde und Widersacher müssen verstummen.

Mt 2116

4 Seh’ ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: 5 Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? 6 Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. 7 Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt: 8 All die Schafe, Ziegen und Rinder und auch die wilden Tiere, 9 die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, alles, was auf den Pfaden der Meere dahinzieht.

1443 5-7: Gen l26-28 Hebr 26*8 1 Kor 1527 Eph l22

10 Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde! 2c

3

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MT 'ai>cer tenäh= Relativpartikel + Imp m mit Verstärkung durch -a (»gib doch!«): syntaktisch kaum möglich; unklar auch, worauf der Relativsatz zu beziehen ist (JHWH? dein Name? Erde?). Schon die alten Versionen bieten unterschiedliche Lesarten. EÜ schließt sich hier (qui posuisti) S und T an. Möglicherweise lautete der ursprüngliche Text **far tattäh (Kurzform für nätattäh, vgl. 2 Sam 2241): »du hast gegeben« (zum Beginn einer hymnischen Reihe mit 'ascer vgl. Ps 71l9b). EÜ übersetzt präsentisch; richtiger, wie auch in 3a (vgl. EÜ in 6f!), ist die Wiedergabe als genereller Sachverhalt der Vergangenheit. EÜ gibt'oz im Anschluß an G (vgl. Mt 2116) mit »Lob« wieder; richtiger: »Festung, Macht«; EÜ »deine Feinde und Widersacher«: MT hat Sg sowie keine Possessivpronomina; EÜ »müssen verstummen«: MT hat le+ Inf. hi. von säbat (»um ein Ende zu setzen«). MT »deinen Himmel«; EÜ nach G. G S V übersetzen: »als die Engel« (s.u.).

Überschuß *: Vgl. zu 31 41. Die eigentlich unverständliche Angabe 'alhagittit (auch 811 841), mit der auf die Melodie (»nach gititischer Weise«) hingewiesen sein könnte, bringt G, der sich EÜ anschließt, in Zusammenhang mit gat »Kelter« (»über/auf den Kelter«) und meint dies mögli-

cherweise metaphorisch (vgl. Klgl 115); das würde dem von uns oben angenommenen »Sitz im Leben« entsprechen. Refrain 2ab: Die hymnische Anrede gibt das spannungsreiche Thema des Psalms an: Auf der einen Seite ist JHWH der im Himmel thronende

Ps 8

DIE PSALMEN

König (adonenü Königstitulatur: 1 Sam 251417 1 Kön 1IM3'47), von dem sich die den Psalm betende Gruppe als »Knechte und Mägde« abhängig und in Dienst genommen bekennt (vgl. Ps 123), der aber zugleich der Schöpfer des Himmels und der Erde ist. Auf der anderen Seite offenbart er seinen Namen, d.h. sein innerstes Wesen, auf der Erde - und zwar in dessen spezifisch göttlicher Mächtig­ keit (zu dieser Bedeutung von \addir vgl. 1 Sam 48 Jes 3321 Ps 765), die seine von Urzeit her ausgeübte Kö­ nigsherrschaft auszeichnet (vgl. Ps 934f). JHWHs Zuwendung zu den Kleinen 2c_3: Als Weltkönig hat JHWH auf der Erde gegen die Chaosmächte, insbesondere gegen die ihn und seine Verehrer bekämpfenden Völker und Gruppen im Volk Israel selbst (die pleonastische Zusammenstellung der Feindbegriffe in 3bc meint alle JHWH-widrigen Mächte und Indivi­ duen), eine uneinnehmbare und schutzgebende »Festung errichtet«, und zwar »aus dem Mund von Neu­ geborenen und Säuglingen«, d. h. aus der schwächsten und wehrlosesten Gruppe im Volk JHWHs, die inmit­ ten ihrer feindlichen Umgebung am Lobpreis JHWHs festhält - sogar als Antwort auf Verfolgung und Unter­ drückung durch Feinde! Daß das Hendiadyoin »Neugeborene und Säuglinge« als Metapher für leidende und wehrlose Menschen verwendet werden kann, belegt sein Vorkom­ men in drei Bereichen: a) bei Kriegs­ schilderungen unterstreicht ihre Nennung die Brutalität der feindlichen Heere bzw. die tiefe Not des Volkes (vgl. 1 Sam 153 2219 Jer 447); b) als Kinder der leidenden und verstörten Mutter Zion verkörpern sie die Not des Exils (vgl. Klgl 2llf 44); c) ange­ sichts der in Joel 1-2 beschriebenen Kriegs- und Hungersnot werden auch »die Neugeborenen und die

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Säuglinge« zur gottesdienstlichen Versammlung aufgefordert (vgl. Joöl 216), um durch die Anrufung des Na­ mens JHWH (vgl. Joöl 226 35) zur Rettung durch JHWH beizutragen. Aus 3 spricht demnach in knapper Metaphorik das Selbstverständnis ei­ ner Gruppe von JHWH-Frommen, die sich als Festung inmitten einer feindlichen Umwelt behauptet (vgl. zum Namen JHWH als Festung be­ sonders Ps 5610 11810-14 sowie Spr 1810). Andere Ausleger sehen in 3 ei­ nen Hinweis auf die Mächtigkeit Gottes, die sich im (Ur-)Schrei der Neugeborenen oder im »entwaffnen­ den« Kinderwort (»Kindermund tut Gottes Allmacht kund«) offenbart; wieder andere sehen einen mythi­ schen Hintergrund (»Kinder und Säuglinge«: depotenzierte Götter) oder einen Zusammenhang mit der ägyptischen Königsideologie (die Vorstellung vom königlichen Kind als Besieger der Feinde kraft der in ihm »gegenwärtigen« Gottheit). EÜ folgt in 3 der G: JHWH schafft sich »Lob« aus dem Munde der Klei­ nen und »besiegt« so die Gottlosig­ keit. JHWHs Zuwendung zum Menschen 4-9: Die theologische Antwort 6-9 auf die rhetorische Frage 4-5 stößt ins Zentrum biblischer Anthropologie vor: Anders als die altorientalische Anthropologie, die die Menschen als Sklaven der Götter definiert und le­ diglich die Könige (und gelegentlich die Oberpriester von Tempeln) aus der Masse der Göttersklaven heraus­ hebt und als »Gottesbilder«, »Gottes­ söhne« oder sogar als »Götter« pro­ klamiert, spricht 6-9 (ähnlich wie Gen l26-28) dem Menschen als Menschen eine Würde zu, die ihn zu einem »Beinahe-Gott« und zu einem könig­ lichen Stellvertreter Gottes auf der Erde macht. Diese quasi-göttliche und königliche »Menschenwürde«, die den Menschen für den Weltherr-

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scher-Gott liebenswürdig macht und die dieser schützt, muß er sich nicht erst erkämpfen, sie ist ihm von JHWH mit seinem Mensch-Sein, so zerbrechlich und gefährdet es sein mag, gegeben. Daß in 6a nicht ge­ meint ist, daß der Mensch wenig ge­ ringer geschaffen sei als »himmlische Wesen« bzw. als »Engel« (’*lohim kann durchaus als Plural »Götter, Gottwesen« bezeichnen; innerhalb der ao Vorstellung vom Götterpan­ theon wären dann die dem Götterkö­ nig unterstehenden Götter gemeint; nach Aufkommen der Engelvorstellung übersetzt G dann entsprechend »Engel«), ist nicht nur von der den ganzen Psalm so stark bestimmenden JHWH-Zentrierung her ausgeschlos­ sen, sondern vor allem von dem 6a pa­ rallelen Kolon 6b her, wo dem Men­ schen die für den Weltherrscher JHWH typischen Prädikationen »Herrlichkeit und Ehre« (kähöd ufhädär:vgl. Ps 29M 966 1041) zuge­ sprochen werden; gerade diese kö­ niglichen Attribute werden weder den Mitgliedern des himmlischen Pantheons noch den Engeln, sondern nur dem Götterkönig bzw. JHWH und dem König (vgl. Ps 216 454) bzw. dem (quasi-göttlichen, königlichen) Menschen zugeordnet. Daß dem Menschen damit sogar eine kosmos­ stabilisierende und -schützende Rolle gegeben ist, wird in 7-9 mit der in der ägyptischen, aber auch in der israeli­ tischen (vgl. Ps 1848 1101 1442 sowie Ps 474) Königsideologie beheimate­ ten Vorstellung erläutert, wonach dem Pharao sowohl in Texten wie in Bildern die von ihm unterworfenen Völker »unter die Sandalen« bzw. »unter die Füße« gelegt sind. Auch die Vorstellung vom Pharao, der Vö­ gel und Fische und insbesondere Nilpferd und Krokodil, aber auch wilde Tiere der Wüste und des Wal­ des als Symbole des Chaos »besiegt und unterwirft«, um so die göttliche

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Weltordnung »am Leben« zu halten, ist hier mit im Hintergrund zu sehen (vgl. dazu auch Ijob 40,5-4126 u.a.). Der Horizont der »dem Menschen« als Herrschaftsbereich »untergebe­ nen« Tierwelt ist freilich typisch is­ raelitisch (vgl. Gen l26-28, allerdings in anderer Reihenfolge!). Er wird in der nominalen Reihe 8f kunstvoll ent­ faltet. Er wird, vom Standort des Sprechers aus gesehen, in konzentri­ schen Kreisen immer weiter und fer­ ner. Alle diese hat der Schöpfergott, dessen Werke sie allesamt sind, dem Menschen »unter seine Füße gelegt«. Damit ist zunächst ein Doppeltes ge­ sagt: Sie zumindest können sein kö­ nigliches Mensch-Sein nicht gefähr­ den; sie sind im Gegenteil seinem ordnenden und befriedenden »Stell­ vertreter-Königtum« unterworfen, durch das er am lebenschützenden Weltkönigtum JHWHs (vgl. 2-10) An­ teil hat. Im Vergleich mit der ägypti­ schen Königsideologie wird aber noch ein Drittes deutlich: Von einer Herrschaft des Menschen über an­ dere Menschen redet der Psalm nicht. Im Kontext von Ps 3-14 sind es »die Armen«, die sich hier — allen Wi­ derwärtigkeiten und Verfolgungen ihrer königlichen zum Trotz Würde vergewissern: Diese »Würde« ist der tiefste Grund dafür, daß der Weltenkönig (vgl. 4) sich jedes einzel­ nen Menschen »gedenkend« und »fürsorgend« annimmt (vgl. 5). Refrain 10: Der Psalm weiß, daß die in 2c-9 beschriebene Menschenwürde Gottes Gnade ist - und so schließt er mit einem abermaligen Lobpreis der Selbstoffenbarung Gottes »auf der ganzen Erde«. Diesen Gott akzeptie­ ren und rühmen die Leidenden und die Armen (vgl. Ps 3—7 11-14) als ih­ ren »Herrscher« — anders als die Frevler, die in ihrer gottes- und menschenverächterischen Hybris sagen: »Wer ist schon Herrscher (’ädön) Erich Zenger über uns?« (Ps 125).

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Ps 9/10 PSALM 9/10 GOTT ALS KÖNIGLICHER RICHTER DER VÖLKER UND RETTER DER ARMEN

Die beiden Psalmen 9 und 10 werden als ein geschlossener Psalm betrachtet. Psalm 9/10 erfüllt die Bedingungen eines durchgestalteten Akrostichons ge­ mäß den beiden Grundregeln: Die Abfolge der Anfangsbuchstaben der einzel­ nen Einheiten gehorcht dem Gesetz der Alphabetreihe, und die einzelnen Ein­ heiten haben alle die gleiche Länge. Nur die Mitte 101"11 ist verderbt. Die alten Versionen (G und Vg) stützen die Einheit. Ferner fehlt Ps 10 die Überschrift, was im ersten Davidspsalter 3-41 nur noch in Ps 33 begegnet. Entscheidend für die Einheit votiert auch die Gemeinsamkeit von Sprache und Stil: die über 9/10 verteilte Armenterminologie, seltene Wendungen wie »in Zeiten der Not« (910 101), die seltene Relativpartikel zü (916 102), die Erwähnung des hin­ fälligen, sündigen Menschen (’*nös) am jeweiligen Schluß in 921 1018 und der häufigere Hinweis auf JHWHs Richter- und Königsamt. Der H hat den Psalm aufgetrennt und die beiden Psalmen gegeneinander pro­ filiert: Ps 9 als Danklied gegenüber Ps 10 als Klage. Diese seltene Abfolge be­ gegnet noch in Psalm 40. In der für die Psalmen wichtigen Frage nach der Gat­ tung relativiert die Form des Akrostichons alle weiteren Überlegungen zur Einteilung von 9/10 wie zur spezifischen Form von Einzelabschnitten und lenkt die Aufmerksamkeit des Beters stärker den Alphabetzeilen entlang. 9/10 beginnt mit einem Lobversprechen 2f, gefolgt von einer Zukunftsansage 4. Das angesagte Lob wird mit einer Schilderung vergangener Taten JHWHs begrün­ det 5-7 und mit einer Schilderung eben dieser in Gegenwart und Zukunft 8-10 fortgesetzt; dabei wechselt der letzte Abschnitt von der bisherigen Anrede in die Er-Rede von JHWH - ein für Danklieder geläufiger Wechsel. Mit11 pen­ delt die Ansage zum Verhalten der Gemeinde in die Anrede Gottes zurück. ,2f bietet einen begründeten Lobaufruf an die Gemeinde. In I4f folgt eine persönli­ che Bitte, die mit einem Lobversprechen motiviert ist. ,6f blendet einen Rück­ blick in die Vergangenheit und 18t einen Ausblick in die Zukunft ein.20f schließt sich mit allgemeinen Bitten an. 101 beginnt mit einer klagenden Frage und nennt in 102 mit einer Art Themasatz das Wirken und das Schicksal des Frevlers. In IO3"11 folgt eine der ausführlichsten Schilderungen des gottlosen Treibens der Frevler im gesamten Psalter. In 10,2-,s folgen Bitten, die auf ver­ schiedene Weise nachhaltig unterstrichen werden. Ps 9/10 schließt in IO16-18 mit einem Lobpreis auf JHWHs Wirken in Vergangenheit, Gegenwan und Zukunft. Auch in 10 wechselt die Rede von der Anrede an JHWH (IO1'5’12-15-17) zur Rede über JHWH (10316) mehrmals hin und her. Der Psalm fällt auf durch ein reiches und verstreutes Vokabular zum Thema »Armut«: Leitwort ist 'änf»der Arme« (913-19 IO29-12-17), einmal in 919 begleitet vom Synonymbegriff ’cebjön »der Elende«; daneben tauchen fast singuläre Austauschbegriffe auf wie dak »der Bedrückte« (910 1018) und hel'käh »der Schwache« (IO8-1014). Dadurch weist sich der Psalm aus als einer der typischen Armenpsalmen (9/10 25 34 37 69 72 109), die im ersten Davidpsalter zugleich identisch sind mit der Reihe der akrostichischen Psalmen (9/10 25 34 37). Der Psalm wechselt mühelos zwischen dem Blick auf den einzelnen Armen (9 10.14.19 102.8.9.14.18) un(j cjem Bijck auf das Kollektiv der Armen (91319 IO10,1217). Die Armut hat viele Facetten: soziale Not und Ausbeutung (91013), Verfolgung

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DIE PSALMEN

Ps 9/10

(102), Rechtsnot (IO78) und Ausgeliefertsein an die hinterhältige feindliche Übermacht (109f). Der Beter bedenkt die Armut in all ihren Dimensionen und schildert die eigene wie die der Gruppe der Armen. Er überschaut Vergangen­ heit, Gegenwart und Zukunft und sieht die Armut sowohl unter sozialem als auch religiösem Aspekt. Der Beter steht nicht wie in den älteren, vorexilischen Klagegebeten nur einer Übermacht der Feinde gegenüber, sondern der Arme innerhalb der Gruppe der Armen steht den innenpolitischen Feinden wie auch den außenpolitischen Gegnern und Fremdvölkern gegenüber. Eine zeitgeschichtliche Hintergrund­ situation deutet sich an, wo Fremdvölker und Unterdrücker mit den Feinden des Armen im Innern des Gottesvolkes gemeinsame Sache gegen den Armen und JHWH-Treuen machen. Das kann auf die hellenistische Zeit im 3. Jahr­ hundert deuten und mit einer Situationsschilderung konform gehen, wie sie Koh 57 anzeigt: Die Oberschicht läßt sich zum Agenten der Fremdherrschaft mißbrauchen und im System der Staatsmacht zum Handlanger einer ausbeute­ rischen Abgaben- und Steuerregelung machen. Die ausführliche Schilderung der Frevler in IO2"11 befindet sich auf dem Wege zur Darstellung des frevlerischen Treibens in Weish 2 (vgl. vor allem 210"20). Bezüglich des Gottesbildes entfaltet der Armenpsalm eine kleine Theologie der Königsherrschaft JHWHs. JHWH erhält vier Titel, die ihrerseits Aspekte des titular wie in Bildern dargestellten Königtums umschreiben. Er heißt der »Höchste« (93), insofern er Götterkönig ist, der auf dem Weltberg thront und diesen Thronsitz in Jerusalem aufgeschlagen hat. Er amtet als »Richter« (95) sowohl gegenüber dem einzelnen (95) wie gegenüber dem universalen Erdkreis (98f). Der Zion ist sein Thronsitz als »Zionsthroner« (912 ,5). Schließlich ist er beständiger, ewig fortdauernder »König« (1016)- Seine Schöpfermacht wird mit einem Verb aus dem alten Motiv des Chaoskampfes assoziiert und auf das Gericht an den Völkern übertragen (gr »schelten« 96). Insofern wirkt JHWH als Schöpfer und Lenker der Geschichte. Unter redaktionskritischem Aspekt zeigt Ps 9/10 seine Sonderstellung im Kreis der Nachbarpsalmen. Das einleitende Lobversprechen 92f nimmt bewußt Formulierungen aus den Lobversprechen am Schluß der Vorgänger in 512 und 718 auf. Mit dem Refrain von Ps 82,10 verbindet das Motiv des Namens. Somit ergibt sich ein häufiger notierter Duktus: Ps 5 und 7 kündigen Freude der JHWH-Treuen und Lob des Namens Gottes an. Ps 8 vollzieht dieses Lob. Dann ist Ps 9/10 als Weiterführung des Lobes zu verstehen. Ps 9/10 besitzt eine besondere Spannweite im Vergleich zu den Nachbarpsalmen, zu denen er Beziehungen aufnimmt: Mit Ps 3 verbindet die Bitte an JHWH aufzustehen (3 8 920 IO12), mit Ps 5 das oben genannte Lobversprechen, die Kennzeichnung der eigenen Gruppe 512 911 und die Aktivitäten der Frevler vgl. 56 103; 510 107; 56f 107. Zu Ps 6 werden in gleicher Weise Brücken geschlagen (vgl. das Zu­ rückweichen der Feinde 611 94, die Bitte um JHWHs Erbarmen 63 914, die Scheol 66 913, die Erhörung 63 914). Dicht sind die Beziehungen zu Ps 7 (neben dem Lobversprechen s.o. die Beschreibung JHWHs als königlicher Richter vgl. 77-10 95, das Völkergericht 77f 99, die Rechtsprechung in der Höhe 78 105, der Tun-Ergehen-Zusammenhang 7,lff 9l6f, das frevlerische Treiben 714 102). Ps 8 hat die gleiche Feindterminologie (83 94-7 105) und redet ebenso vom schwachen Menschen (85 920f IO16). Zu den nachfolgenden Armenpsalmen lau­ fen ebenso viele Linien: die Rede vom »Thron JHWHs« (95-8 114); die Armen­ terminologie (126 146); der Hinweis auf die falsch redende Zunge (107 124f);

Ps 9/10

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die Korrespondenz der Bitte um das »Aufstehen JHWHs« in 920 IO12 mit der Ankündigung JHWHs, »jetzt aufzustehen« 126; der angesagte Jubel des Be­ ters über JHWHs Hilfe 915136; die Sicherheit des Frevlers, daß JHWH verges­ sen und sein Angesicht verborgen hat, in 10n wird beim Beter von Ps 13 zur anklagenden Frage 132; das Zitat des Frevlers in 104 stimmt mit dem des Toren von 141 überein; die JFTWH-Sucher von 911 gleichen den Gott-Suchern von 142; die Erwartung göttlicher Hilfe vom Zion her 912-15 begegnet im Bittruf



147.

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Die hellenistische Armentheologie von 9/10 verarbeitet die Konzeption ihrer exilischen Vorlage Ps 3-8.11-14 und ist bewußt neben das ältere Zentrum der ersten Psalmengruppe Ps 8 und vor die Armenpsalmen 11-14 eingeschaltet worden. Sie adaptiert die Vorlage an die neue geschichtliche Situation und er­ schließt den gesamten Davidpsalter als Gebete des Armen und des armen Vol­ kes Israel.

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91 [Für den Chormeister. Nach der Weise »Stirb für den Sohn!« Ein Psalm Davids.] 2 Ich will dir danken, Herr, aus ganzem Herzen, verkünden will ich all deine Wunder. 3 Ich will jauchzen und an dir mich freuen, für dich, du Höchster, will ich singen und spielen.

138*

4 Denn zurückgewichen sind meine Feinde, gestürzt und vergangen vor deinem Angesicht. 5 Du hast mir Recht verschafft und für mich entschieden, dich auf den Thron gesetzt als ein gerechter Richter. 6 Du hast die Völker bedroht, die Frevler vernichtet, ihren Namen gelöscht für immer und ewig. 7 Die Feinde sind dahin, zerschlagen für immer. Du hast Städte entvölkert, ihr Ruhm ist versunken. 8 Der Herr aber thront für ewig; er stellt seinen Thron auf zum Gericht. 9 Er richtet den Erdkreis gerecht, er spricht den Völkern das Urteil, das sie verdienen. 10 So wird der Herr für den Bedrückten zur Burg, zur Burg in Zeiten der Not.

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9613

11 Darum vertraut dir, wer deinen Namen kennt; denn du, Herr, verläßt keinen, der dich sucht. 12 Singt dem Herrn, der thront auf dem Zion, verkündet unter den Völkern seine Taten! 13 Denn er, der jede Blutschuld rächt, denkt an die Armen, und ihren Notschrei vergißt er nicht.

I084

Ijob 3428

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84

304 4916 5614 6821 7120 8613 I168 Weish 613

Jona 27

7i6

DIE PSALMEN

Ps 9/10

14 Sei mir gnädig in meiner Not; Herr, sieh doch, wie sie mich hassen! Führ mich herauf von den Pforten des Todes, / 15 damit ich all deinen Ruhm verkünde in den Toren von Zion und frohlocke, weil du mir hilfst. i6 Völker versanken in der Grube, die sie selber gegraben; im Netz, das sie heimlich gelegt, hat ihr Fuß sich verfangen. 17 Kundgetan hat sich der Herr: Er hielt sein Gericht; im eigenen Werk hat sich der Frevler verstrickt. [Zwischenspiel. Sela] 18 Hinabfahren müssen die Frevler zum Totenreich, alle Heiden, die Gottvergessen. 19 Doch der Arme ist nicht auf ewig vergessen, des Elenden Hoffnung ist nicht für immer verloren.

77

20 Erheb dich, Herr, damit nicht der Mensch triumphiert, damit die Völker gerichtet werden vor deinem Angesicht. 21 Wirf Schrecken auf sie, o Herr! Erkennen sollen die Völker: Sie sind nur Menschen. [Sela]

1Ö1 Herr, warum bleibst du so fern, verbirgst dich in Zeiten der Not? 2 In seinem Hochmut quält der Frevler die Armen. Er soll sich fangen in den Ränken, die er selbst ersonnen hat.

I41

Röm 314 ll2

3 Denn der Frevler rühmt sich nach Herzenslust, er raubt, er lästert und verachtet den Herrn. 4 Überheblich sagt der Frevler: / »Gott straft nicht. Es gibt keinen Gott.« So ist sein ganzes Denken. 5 Zu jeder Zeit glückt ihm sein Tun. / Hoch droben und fern von sich wähnt er deine Gerichte. All seine Gegner faucht er an. 6 Er sagt in seinem Herzen: »Ich werde niemals wanken. Von Geschlecht zu Geschlecht trifft mich kein Unglück.« 7 Sein Mund ist voll Fluch und Trug und Gewalttat; auf seiner Zunge sind Verderben und Unheil. 8 Er liegt auf der Lauer in den Gehöften / und will den Schuldlosen heimlich ermorden; seine Augen spähen aus nach dem Armen.

Ps 9/10

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9 Er lauert im Versteck wie ein Löwe im Dickicht, / er lauert darauf, den Armen zu fangen; er fängt den Armen und zieht ihn in sein Netz. 10 Er duckt sich und kauert sich nieder, seine Übermacht bringt die Schwachen zu Fall. 11 Er sagt in seinem Herzen: »Gott vergißt es, er verbirgt sein Gesicht, er sieht es niemals.« 12 Herr, steh auf, Gott, erheb deine Hand, vergiß die Gebeugten nicht! 13 Warum darf der Frevler Gott verachten, und in seinem Herzen sagen: »Du strafst nicht«? 14 Du siehst es ja selbst; denn du schaust auf Unheil und Kummer. Der Schwache vertraut sich dir an; du bist den Verwaisten ein Helfer. 15 Zerbrich den Arm des Frevlers und des Bösen, bestraf seine Frevel, so daß man von ihm nichts mehr findet. 16 Der Herr ist König für immer und ewig, in seinem Land gehen die Heiden zugrunde. 17 Herr, du hast die Sehnsucht der Armen gestillt, du stärkst ihr Herz, du hörst auf sie: 18 Du verschaffst den Verwaisten und Bedrückten ihr Recht. Kein Mensch mehr verbreite Schrecken im Land. 94

8

llb 13 103 11 13 14a 16b 18b

EÜ versteht den ganzen Vers als Einleitung zum Rückblick ab 5. Aber die Konjunktion »denn« steht erst in 5, und 4 ist eine Ansage; wörtlich: Beim Zurückweichen meiner Feinde nach hinten werden sie fallen und verge­ hen vor deinem Angesicht. Die Verseinleitung wörtlich mit Rücksicht auf das Akrostichon: So sind sie - der Herr aber thront... Berichtet in Vergangenheit: denn du Herr hast keinen verlassen, der dich sucht. Ebenso in Vergangenheit: Denn er, der jede Blutschuld rächt, hat an die Armen gedacht, ihren Notschrei nicht vergessen. In Vergangenheit statt des Präsens der EÜ. Ebenso. Ebenso bis auf das Zitat. Ebenso, wörtlich: Du hast (es) gesehen, ja du, Unheil und Kummer, du schaust darauf, in deine Hand zu geben (zu vergelten). Wörtlich: Verschwunden sind die Völker aus seinem Land. Kann zweifach übersetzt werden: 1. daß kein Mensch von der Erde mehr Schrecken verbreitet (so die alten Versionen und auch die EÜ). 2. daß kein Mensch von der Erde sich mehr fürchtet. Der Kontext des Psalms votiert für die erste Möglichkeit (vgl. Jes 219 21).

1712

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646 73" 947 Ijob 22,3f Jcs 2915 Ez 8»2 99

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247-10

! j 686 I469 Ex 2221 Dtn 1018

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DIE PSALMEN

Überschrift 1: Sie entspricht dem Typ (Adressat, Musikangabe, Autor) von Ps 4-6.8. Die Angabe zur Musik ist kaum aufzuhellen. Einleitendes Lobversprechen 2-3: Wie bei einem Danklied steht das Lobver­ sprechen am Anfang (vgl. Ps 1111 1381-2). Es ist stilistisch besonders ge­ staltet (Alliteration der vier Satzein­ heiten und Rahmung durch die Vo­ kative »JHWH« und »Höchster«). Das Lobversprechen ist in formelhaf­ ten Wendungen gehalten. Inhalt des Rühmens sind JHWHs Wunder und sein Name. Beide Begriffe umschrei­ ben die göttlichen Taten in Schöp­ fung und Geschichte auch in den kleinen Ereignissen des persönlichen Lebens des Beters. Der Titel »Höch­ ster« (s. o. zu 718) zielt auf den Göt­ terkönig mit Sitz in Jerusalem. Ansage und Vertrauen4: Wie in Ps 6n ist sich der Beter darin sicher, daß seine Feinde vor JHWHs Epiphanie zurückweichen müssen und schließ­ lich vergehen (vgl. Ps 5610 Klgl l13 23).

Bericht5-7: Der Bericht begründet das Lobversprechen.5 beschreibt JHWHs vergangene Prozeßführung in den Rechtsangelegenheiten des Beters. Mit 6 weitet sich der Horizont in die Geschichte und ins Universale. Die individuellen Feinde (Frevler) ver­ schmelzen mit den äußeren Feinden (Völker). Das Motiv des mythischen Chaoskampfes (zum Schelten JHWHs vgl. 1816) wird auf die histo­ rischen Feinde übertragen (vgl. Jes 1713 6615). 7 erläutert den Untergang mit historischen Reminiszenzen an den Untergang großer Weltreiche (Assur, Ägypten, Babylon). Blick in Gegenwart und Zukunft 8-10: Die Schilderung der vergangenen Gerichtsgewalt JHWHs wird für die

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Gegenwart und Zukunft fortgesetzt. Die Feinde und Völker kennzeichnet Vergänglichkeit, JHWHs Königs­ und Richteramt dagegen Ewigkeit. Mit der Festigkeit der göttlichen Herrschaft verbindet sich die Hoff­ nung auf das universale Gericht über die Völker 9, in dem JHWH endgül­ tig die Maßstäbe seiner Gerechtigkeit durchsetzen wird. Der Arme wird hier als »Bedrückter« beschrieben (so häufiger in exilisch-nachexilischen Psalmen), was den Aspekt der Aus­ beutung und Entrechtung unter­ streicht. Bekenntnis des Vertrauens 11: Der Be­ ter ordnet sich hier in die Gruppe der Armen ein und läßt die Gruppe ihr Vertrauen bekennen. Die soziale Charakterisierung des Armen wird erweitert auf religiöse Kennzeich­ nungen: »Kenner des JHWH-Namens« ist ein weisheitlich beeinfluß­ tes Etikett für die Gerechten (vgl. [512 »die Deinen Namen lieben«] 3611 796 874 9114 1 1979 und Spr 36). Die »JHWH-Suchenden« sind fromme, gerechte Kultteilnehmer (142 2227 246 34n 6933). Lobaufruf an die Gemeinde 12-13: Der Lobaufruf gilt JHWH, dem »Zionthroner« (vgl. Ps 147 482f 742 848 992 1102). 13 begründet den Aufruf und spezifiziert den Inhalt der Verkündi­ gung: JHWH ahndet die Bluttaten, vornehmlich Vergehen an den Armen (vgl. Gen 410f95 Ez 3362 Chr2422 Ijob 1618). Hier ist an das alte Exodusprogramm zu erinnern Ex 37-10 wie an rechtliche Zusicherung im Bundes­ buch Ex 2225f oder prophetische Zu­ sage Jes 1428-32. Persönliche Bitte des Beters 14-15: Wie im Krankenpsalm 63 bittet der Beter JHWH um Erbarmen und um Wahr­ nehmung seines Elends. Der Beter sieht sich bereits als Bewohner der

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Totenwelt und motiviert seine drin­ gende Errettung mit dem öffentli­ chen JHWH-Lob - eine Argumenta­ tion wie in Ps 66. Den »Toren des To­ des« wird der Wohnbereich der Le­ benden, die »Tore der Tochter Zion« gegenübergestellt, d.h. ganz Jerusa­ lem, die Stadt und ihre Bewohner. Die Rede von der »Tochter Zion« kommt in exilisch-nachexilischer Zeit auf (Jer 431 Klgl l15 28 18 422).

werden (vgl. Gen 92 Dtn 225 1 125 Sir 362 1 Makk 432).

Rückblick 16-17: Die beiden Verse ar­ gumentieren wie der Ps 710"17 sowohl mit der »Automatik« des Tun-Ergehen-Zusammenhangs als auch mit dem Gerichthalten JHWHs, ja, sie verknüpfen beides. 16 gebraucht die typisch weisheitlichen Bilder für den Tun-Ergehen-Zusammenhang (zum Bild von der Grube: Spr 2 627 Ps 716 357f 577; zum Bild vom Netz: Ps 315 357f 1406). 17a spricht von der vergan­ genen Gerichtsoffenbarung (vgl. Ps 762), 17b setzt ein Bild der Jagd (vgl. 3813) ein, das den Tun-Ergehen-Zu­ sammenhang beschreibt.

Themasatz 2: Der Vers beschreibt die Konfrontation zwischen dem Typ des Frevlers und dem Typ des Armen. Der Themasatz fungiert wie eine Überschrift über eine der ausführ­ lichsten Feindschilderungen des Psal­ ters.

Ausblick 18-19: Der Vernichtungs­ wunsch verbindet wieder das zukünf­ tige Los der äußeren (Völker) mit dem der inneren Feinde (Frevler). Dem Ende der Frevler und Völker stellt 19 die Zukunft der Armen und Elenden entgegen. Die Gegenüber­ stellung malt schwarz-weiß wie die Lehre von den zwei Wegen. Das Ar­ menkollektiv wird mit dem Begriffs­ paar »Elender r Armer« charakteri­ siert (Ps 126 3510 3714 4018 7212 7421 861 10922). Allgemeine Bitten 20-21: Der Beter re­ det jetzt vom schwachen und sündi­ gen Menschen (vgl. Ps 85 562 6612) und schließt darin alle Feinde ein. Die Völker sollen vor Gott gerichtet werden (vgl. Ps 7610 Zef 38 Joel 4212). Eine Art Gottesschrecken wie bei den JFTWH-Kriegen soll auf sie gelegt

Klage 101: Die anklagende Frage be­ stimmt den Klagecharakter des nach­ folgenden Textes. Die JHWH-Ferne schafft ein Vakuum zugunsten des Wirkens der Feinde. Gott bleibt in der Distanz (vgl. 222 1220 3522 3812) und verbirgt sich (Spr 2827* Ijob 2821 Num 513).

Feindschilderung 3-11: 3 stellt zuerst die hybride Selbstrühmung des Frevlers vor Augen (vgl. Ps 56 4919 755f). Dann wird der Raub genannt, d.h. die Erpressung von unlauterem Gewinn (Spr l19 1527 Jer 613 810 Ez 2212 Hab 29). Es folgen religiöse Ver­ gehen wie Gotteslästerung (Ijob l5 il 25-9) und Gottesverachtung. 4 belegt den Hochmut mit Zitaten des Frevlers: Gott straft nicht! - die Ne­ gation des Bekenntnisses der Armen aus 913. Es gibt keinen Gott! Das Zi­ tat behauptet thetisch die Wirkungs­ losigkeit JHWHs wie in Ps 141 532. 5 nährt die Zweifel an der Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs wie Ijob 217-16 und Ps 733-12. Das zweite Zitat der Frevler in 6 bestätigt die Hybris. Was nur von JHWH her gilt, nicht zu wanken (vgl. 135 155 168 u.a.), das spricht sich der Frevler in gottloser Eigenkompetenz selbst zu. 7 konzentriert sich auf das gefährli­ che Gerede der Frevler (vgl. Ps 5710 124f). 8-10 schildern den Habitus des Frevlers und sind direkt oder indirekt geprägt durch den Vergleich mit dem Löwen wie in Ps 73 1 712 2 214-22. Zum dritten Mal nach IO46 beleuchtet ein



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Zitat in 11 die innere Einstellung des Frevlers. Gott kümmert sich über­ haupt nicht um den Armen: Er hat ihn vergessen (das Gegenteil zum Be­ kenntnis des Armen 913 und zu seiner Sorge wie in Ps 132). Bitten 12-15: Die inständigen Bitten sammeln Motivationen für JFIWHs Eingreifen. JHWH wird mit Eigen­ namen und Gattungsnamen angere­ det (letzteres wohl im Aufgreifen der Rede von »Gott« in 10411). JHWH soll seine Hand in kriegerischer Ab­ sicht erheben wie in 2 Sam 2021, soll die Armen nicht vergessen, also nicht das Bekenntnis von 913 desavouieren. 13 kritisiert die Langmut JHWHs ge­ genüber dem Frevler. 14 beruft sich darauf, daß JHWH die Not doch wahrgenommen hat (vgl. Ps 2519 Klgl 359*), gibt der Zuversicht Ausdruck, daß JHWH das Heft in der Hand be­ hält und Vergeltung übt. 15soll die Macht des Frevlers gebrochen wer­ den (Ps 3717 Ijob 3815), denn er ist Frevler und Böser wie in Ps 55.

Ps 11 16-18.:

Lobpreis Nach den Klagen und Bitten findet der Beter zum abschlie­ ßenden Lob zurück und preist JHWH als König, wie er es bereits in 93.5-9 variierend umschrieben hat. Die unbegrenzte Beständigkeit der Kö­ nigsherrschaft JHWHs (98) führt zum sicheren Verschwinden der Fremdvölker und Feinde aus JFIWHs eigenem Land. JHWH wird die Ar­ men stärken (mit menschlichem Sub­ jekt: vgl. Ps 787f Ijob 1113 2 Chr 1214) und ihnen zuhören (vgl. Ps 52f 171-6 und Spr 22 mit demselben pleonastischen Zusatz von »Ohr«). Das eta­ blierte Wortpaar »Witwe - Waise« für die personae miserabiles wird hier zu »Waise - Bedrückter« wegen der Armenterminologie des Psalms (910 1014) abgewandelt. Ferner gilt es, den Terror des Erdenmenschen (d.h. des inneren [Frevler] und äußeren Fein­ des [Völker]) zu beenden! Der Schluß greift zurück auf 920f. Frank-Lothar Hossfeld

PSALM II VERTRAUEN DER BEDRÄNGTEN IN JHWHS GERECHTIGKEIT Der Psalm bietet von der Textüberlieferung her und in der Semantik zahlrei­ che Probleme, die auch zu unterschiedlichen Gesamtdeutungen geführt ha­ ben. Kontrovers sind vor allem folgende Fragen: 1. Wieweit reicht das in ld be­ ginnende Zitat: Endet es bereits mitld (so EÜ) oder reicht es bis 3b einschließ­ lich (so die meisten Ausleger)? 2. Wer ist »der Gerechte« in 3b: der (ein) ge­ rechte^) Mensch oder JHWH? Mit dieser Frage hängt auch das genauere Verständnis des im Hebr syntaktisch schwierigen Verses 5 zusammen: Ist hier davon die Rede, daß JHWH »den Gerechten« prüft oder daß JHWH »als Ge­ rechter« prüft? 3. Ist 6a jussivisch als Wunsch (so EÜ) oder als Aussage über JHWHs Handeln, das sich eng an4f anschließt, zu verstehen? 4. Wer ist der ur­ sprüngliche Sprecher des Psalms: Ein Frommer, der inmitten einer gewalttäti­ gen Welt sein Vertrauen auf JHWH bezeugt? Ein zu Unrecht Beschuldigter oder Verfolgter, der im Tempel Asyl gesucht hat und um einen Gottesent­ scheid bittet? Ein von Feinden Bedrängter, der in einem liturgischen Schlich­ tungsverfahren (»Versöhnungsliturgie«), zu dem auch seine Gegner geladen

Ps 11

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sind, seine Klagen und Bitten vorträgt? Ein Kultprophet, der gegen die Feinde Israels das Gericht JHWHs herabruft? Am wahrscheinlichsten ist die Deutung des spätvorexilischen Psalms als Vertrauensbekenntnis eines JHWH-Frommen, der angesichts einer durch Gewalt erschütterten Gesellschaftsordnung und ihn selbst tödlich bedrohenden Umgebung »auf seinem Posten« bleibt und an seiner »Geradheit« (joser; vgl. 2-7) festhält, weil er darauf setzt und dafür Zeugnis ablegt, daß JHWH als »der Gerechte« eine gerechte Lebensordnung herbeiführen will. Von diesem Verständnis her legt sich folgender Aufbau des Psalms nahe: Die beiden Vertrauensaussagen lb und 7b, die zudem durch ein Wortspiel ihrer Ver­ ben (häsäh »sich flüchten«, häzäh »schauen«) aufeinander bezogen sind, bilden einen Rahmen um den Psalm und formulieren die Hauptaussage, die der Psalm »einüben« will. Das Corpus des Psalms besteht aus den zwei Abschnit­ ten lc_3 und 4-7a, die durch Stichwortbezüge und insbesondere als Sprechakte aufeinander hingeordnet sind:lc_3 zitiert eine begründete Aufforderung an den Beter, die in einer (ironischen?) Infragestellung der Gerechtigkeit JHWHs gipfelt; 4-78 ist die Antwort des Beters darauf. Diese dialogische Struktur gibt dem Psalm zugleich eine paränetische bzw. lehrhafte Intention. Die EÜ versteht - wie insbesondere ihre Entscheidungen zeigen, als zitierte Rede nur ld zu betrachten sowie 3 als Klage über die Ohnmacht des Beters und 6 als Vernichtungswunsch zu beurteilen - den Psalm als Klagepsalm, der dann so zu gliedern ist: 1 Vertrauensbekenntnis mit Zurückweisung der Aufforde­ rung zur Flucht; 2-3 Notschilderung des Beters (Klage); 4-5 hymnisches Be­ kenntnis zu JHWH als dem Gott der Gerechtigkeit; 6 Bitte um Vernichtung der Frevler; 7 abschließende Äußerung des Vertrauens und der Erhörungsgewißheit. Unsere Auslegung folgt diesem (u. E. weniger wahrscheinlichen) Ver­ ständnis des Psalms. Der Psalm wurde von der spätexilischen »Armentheologie« in ihre Komposi­ tion 3-7.8.11-14 aufgenommen. 7 und 11 sind als die beiden »inneren« Psal­ men der um 8 (Proklamation der unzerstörbaren Menschenwürde) gelegten Teilgruppen 3-7 und 11-14 eng miteinander verwandt: Beide beginnen mit dem wortgleichen Vertrauensbekenntnis (72 11 *), sie verwenden die gleiche Gruppenbezeichnung (7n 112) und sie kulminieren in der Aussage von JHWH als dem gerechten Weltenrichter, der »prüft« und die Gerechten rettet (710 115 711 117). In der Gruppe 11-14, in die 11 motivlich stark eingebunden ist, bildet 11 mit 14 durch das gemeinsame Bild von JHWH als dem die Gerechtigkeit in­ mitten einer chaotischen Welt verteidigenden Weltkönig (vgl. auch Ps 8) einen Rahmen. Mit der in 117 entworfenen Vision wird eine Gebetsdynamik eröff­ net, die diese Vision in 12 13 einklagt und in 14 prophetisch als »erfüllt« kon­ statiert.

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ll1 [Für den Chormeister. Von David.] Beim Herrn finde ich Zuflucht. Wie könnt ihr mir sagen : »In die Berge flieh wie ein Vogel«? 2 Schon spannen die Frevler den Bogen, sie legen den Pfeil auf die Sehne, um aus dem Dunkel zu treffen die Menschen mit redlichem Herzen.

713 io8 3714 32 644f 11995

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Ps 11

3 Gerät alles ins Wanken, was kann da der Gerechte noch tun? 4 Der Herr weilt in seinem heiligen Tempel, der Thron des Herrn ist im Himmel. Seine Augen schauen herab, seine Blicke prüfen die Menschen. 5 Der Herr prüft Gerechte und Frevler; wer Gewalttat liebt, den haßt er aus tiefster Seele. 6 Auf die Frevler lasse er Feuer und Schwefel regnen; sengender Wind sei ihr Anteil. 7 Denn der Herr ist gerecht, er liebt gerechte Taten; wer rechtschaffen ist, darf sein Angesicht schauen.

Hab 220

140" Gen 1924 Ijob 1815

ld 2b 3a 3b 5 6a

6b 7a ^

So nach G und Vg; MT Ketib:»fliegt!« Qere»fliege« (Imp fern, Rückbe­ zug nach lc »meine Seele«). Andere (bessere?) Übersetzungsmöglichkeit: »Flieg hinauf in das Gebirge, Vogel!« MT: »ihren Pfeil«; G: »Pfeile« (vgl. 644). Wörtlich: »Ja, die Grundfesten werden eingerissen!« Andere Übersetzungsmöglichkeit: »Der Gerechte, was wirkt der eigent­ lich?« EÜ folgt G (Umstellung im Satz!). Andere Übersetzungsmöglichkeit, wobei die Wortfolge im Hebr beibehalten wird: »JFTWH ist gerecht, so prüft er den Frevler und den, der Gewalt liebt, haßt seine Seele.« Andere Übersetzungsmöglichkeit: »Er wird regnen lassen« (jamfer: ar­ chaisierende oder poetische Kurzform statt Langform jamfir); Hebr hat noch pabim »Schlingen, Netze« (Textkorrektur wie schon G: pceham »Kohlen« bzw. palfme 'es »feurige Kohlen«) vor »Feuer«. Wörtlich: »Becheranteil« (Zornbecher, »Taumelbecher« s. u.). Andere Übersetzungsmöglichkeit: »Ja, gerecht ist JFTWH, / die Gerech­ tigkeit liebt er.« jäsär» redlich« wie2d.

Überschriftla: »Für den Chormeister« vgl. zu 4'; /cdäwid »von/für/imHinblick auf David« vgl. die Einleitung. Vertrauensbekenntnis lb-d: Mit Betomjng“semernrEntschlossenheit: »Bei JHWH (erstes Wort des Psalms; bei ihm und nirgendwo sonst!) habe ich Zuflucht gesucht« (basiti) und mit vorwurfsvoller Frage weist der Beter die wörtlich zitierte Rede seiner Um­ gebung zurück, die an JHWHs Ge­ rechtigkeit schaffender Mächtigkeit zweifelt und ihn deshalb zur retten­ den Flucht in die Berge auffordert

(zu den Bergen mit ihren Höhlen am Osthang des judäischen Bergrückens bzw. an den Hängen des Jordangra­ bens als beliebten Zufluchtsorten von Flüchtlingen, vgl. 1 Sam 136 1422 241-23). Er soll sich darauf besinnen, was einen Vogel allein vor seinen Jä­ gern retten kann: möglichst schnell und möglichst weit wegfliegen (vgl. dazu Ps 557; vgl. auch die Aufforde­ rung zur Flucht an Arnos Am 712; zur Versuchung, sich einem Auftrag durch Flucht zu entziehen vgl. noch

Jer 91).

Ps 11

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Notschilderung (Klage)1"*: Da ist eine gen (vgl. z.B. Jes 61) über JHWHs wahre Menschenjagd im Gange, mit Weltkönigtum, insbesondere unter der »die Frevler« (nicht einfach dem Aspekt von Recht und Gerech­ »Feinde« des Beters, sondern brutale tigkeit. Wenn JHWH sich auf den und rücksichtslose Menschen, die Königsthron in seinem hirnrnfischen sich weder um Gottes- noch um Palast setzt, nimmt er sein Richter­ Menschenrechte kümmern, d.h. amt wahr (vgl, besonders Ps 9y8f): Er »Gottlose«) auf Menschen, deren iührt die Untersuchung durch ♦c-sa , er Herz »gerade« (jäsär ethischer Be­ fällt das Urteil 5b und er vollstreckt griff aus der Weisheitsüberlieferung: es 6. Er »prüft« wie ein Metallprüfer, »lauter, redlich, aufrecht, auf Ge­ der dabei die nicht brauchbaren Zu­ rechtigkeit bedacht«) ist und die sich sätze ausschmilzt (bähan: vgl. Jer an JFTWHs Weisungen orientieren, 627-30). Wo seine prüfenden Blicke mit ihren »Pfeilen im Dunkel« auf einen rasa »Frevler« (wer mit sei­ (»Nacht«: Zeit des Unheils) zielen, nem verbrecherischen Reden und um sie aus dem Weg zu räumen, aus Tun die Solidarität des gemeinschaft­ Haß oder aus Habgier oder aus Lust lichen Lebens stört, insbesondere an der Gewalt. Der Vorgang wird weil JHWH für ihn praktisch keine mit lebendiger Metaphorik beschrie­ Rolle spielt) und auf einen Men­ ben: Sie haben den Bogen, der aus ei­ schen, »der Gewalt liebt« ('oheb hä­ nem biegsamen Holzstab besteht und mäs), treffen, bricht in seiner »Seele« der bis zum Gebrauch ohne Sehne (Sitz der Vitalität und Verletzlichkeit aufbewahrt wird, bereits mit einer zugleich!) »Haß« aus (säne’ »hassen« Sehne »bespannt« und den Pfeil zum umfaßt die ganze Bandbreite, von Abschuß auf die Sehne gesetzt. In »Widerwillen empfinden« über »ver­ und mit ihrem verbrecherischen Tun abscheuen« bis »bekämpfen wollen«; hat das Chaos die Macht übernom­ hier ist es Gegenbegriff zu »Gerech­ men und die vom Schöpfergott ge­ tigkeit lieben« 7a; zur Formulierung setzten Fundamente des Kosmos ein- vgl. auch Jes l14; die Vorstellung von gerissen (zur Vorstellung vom Bösen, der Leidenschaft der »Seele« JHWHs das die kosmische Ordnung zerstört, findet sich vor allem bei Jer: 5923 68 98 vgl. Ps 825 Jer 525). Deshalb kulmi- * 1419 151 514). Wo »Gewaltliebe« (das niert die Aufforderung in der resigna- Partizip unterstreicht: hier ist eine tiven oder ironischen Frage: Wo »teuflische« Macht am Werk!) aufbleibt da eigentlich »der Gerechte«? tritt, ist der »König der gerechten Le­ EÜ bezieht die Frage auf den Men­ bens- und Weltordnung« in besonde­ schen, der gegen dieses Treiben rer Weise herausgefordert, da durch • machtlos ist. Möglich ist auch, daß hämäs Menschenrecht und Men­ JHWH gemeint ist: Schaut er hier schenwürde (hämäs: Brutalität der hilflos zu? Oder ist er gar nicht Mächtigen und Reichen gegenüber faddfq, ist er gar selbst auf der Seite den Armen und Rechtlosen, vgl. Am der r'sä'im (vgl. zu diesem Vorwurf 3'° 61-3 Mi 612 Zef l9; Rechtsbeugung, vgl. Jes 59*~9 Ps 582f12), Menschenle­ Ijob 924). ben (Ez 723), ja die Schöpfungsord­ Hymnisches Bekenntnis4-5: JHWH ist nung insgesamt (Gen 6lu3; die er­ gleichwohl wTr’krnäcHug' da, und neuerte bzw. vollendete Schöpfung zwar in seinem »Palast« (hekal) mit wird ohne hämäs sein: Jes 6018) zer­ seiner »Heiligkeit« und im Himmel stört werden. auf seinem »Thron« (hisse'). Beides Bitte 6: 6a spielt auf das Gericht mit sind zusammengehörende Bildaussa- »Regen von Feuer und Schwefel«

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über die gewaltbesessene Stadt Sodom (Gen 1924 im Horizont von Gen 1820f) und auf die Epiphanie des vom Himmel her kämpfenden JHWH (vgl. besonders Ps 188-16) an (zum im­ mer neu geführten Kampf des Schöp­ fergottes gegen die fsä'lm vgl. auch Ijob 409-14). 6b greift entweder die Vorstellung vom Becher auf, den der Hausherr seinen Mahlgenossen reicht (vgl. 1 Sam l4f sowie besonders Jes 5117: »Zornbecher«), oder vom Becher, aus dem die Schicksalslose geschüttelt werden (vgl. zu Ps 165), um ein weiteres Gerichtsbild, das JHWH als »Schöpfergott« kenn­ zeichnet, anzuschließen: Der glü­ hende Wüstenwind wird den Störern der Lebensordnung ihre »Quellen« austrocknen (vgl. Hos 1315); viel­ leicht denkt der Psalm aber auch an einen Wüstensturm, der über die Frevler und ihre Machenschaften hinwegfegt und sie in jeder Hinsicht | I »entmachtet« (beachte: vom Tod der * I Frevler redet der Psalm nicht!).

Ps 12

Abschließende Vertrauensäußerung 7: In seiner »GerechtigkeitslieFe«, d'.'h. in der Liebe zu jener Welt- und Le­ bensordnung, die er als »Weltkönig« geschaffen hat und immer neu ver­ wirklichen will (zu JHWH als »dem Liebhaber der Gerechtigkeit« vgl. Ps 335 3728 994), steht JHWH auf der Seite der Gerechten. Auch wenn sie von den r'sä'im gejagt werden (vgl. 2), werden sie dennoch JHWHs »An­ gesicht« (aus der Tempeltheologie stammende Metapher für JHWHs beschützende, rettende Zuwendung Num 624-26 und seine lebenserhal­ tende Nähe Ps 16u 1715 u.ö.) »schauen« (häzäh wie von JHWH in 4c), d. h. offensichtlich: Die Blicke JHWHs und der jcsartm treffen sich (möglicherweise ist mit dem Stich­ wortbezug sogar angedeutet: das Schauen der ßsarim ist ermöglicht durch JHWHs Blicke, vgl. Ps 3610). Erich Zenger

PSALM 12 HILFESCHREI ZU JHWH, DEM GOTT DER ARMEN Der Aufbau des Psalms ist konsequent auf die im Zentrum stehende Gottes­ rede 6 hin entworfen (abweichend von EÜ umfaßt diese, mit Ausnahme der Formel »spricht JHWH«, den ganzen Vers 6, wie die Syntax ausweist: 6a ist ad­ verbiale Bestimmung [Präposition min »wegen«] zum Prädikat in 6b!). Seman­ tisch ist die Gottesrede in zweifacher Hinsicht betont; zum einen greift die Heilszusage in 6c die Anfangsbitte des Psalms2a auf (2a: hosiäh »rette doch, be­ freie doch!«; 60: äsTt Ifjesd »ich setze in Freiheit«), und zum anderen ist der in 6b strukturell in der Mitte der Gottesrede stehende Gottesname innerhalb der fünf Vorkommen im Psalm (vgl. 2a-4a-6*>7a-8a) ebenfalls die Mitte (an 3. Stelle!). Auch die Abfolge der Sprechrichtungen (Sprechakte) ist konzentrisch gestal­ tet: 2"3 Du-Anrede an JHWH, 4"5 Bitte an JHWH in 3. Person Gussiv), 7 Aus­ sage über JHWHs Worte QHWH in 3. Person), 8-9 Du-Anrede an JHWH. Schließlich sind Anfang und Ende des Psalms durch Stichwortbeziehung ge­ rahmt (»unter den Menschen«; vgl. dazu auch den Nachbarpsalm 114!). Als sprachlicher Vorgang stellt sich der Psalm demnach so dar: 2-3 Hilferuf mit

Ps 12

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zweimaliger Begründung und entfalteter Schilderung der gesellschaftlichen Krise (zerstörerischer Mißbrauch des menschlichen Wortes);4-5 Wunsch zur Ausrottung der Frevler, deren schrankenlose Überheblichkeit und faktische Gottlosigkeit poetisch eindrucksvoll mit einem Zitat zusammengefaßt ist, von dem sich als Kontrast das in 6 angeschlossene Zitat des Gotteswortes abhebt; 7 antwortet darauf mit einer im nominalen Hymnenstil gestalteten Lobprei­ sung des Gotteswortes; der mit betontem Personalpronomen »Du« (»Du JHWH bist es, der...«) eingeführte letzte Abschnitt8-9 ist ein Bekenntnis der Zuversicht, mit dem sich der Beter der in der Gegenwart immer noch als über­ mächtig erlittenen Gemeinheit der r*$a im widersetzt und zum Widerstand, der sich in JHWHs Wort gründet, auffordert. So empfiehlt es sich, den Psalm von der Gattung der prophetischen Klagelitur­ gie her zu verstehen (vgl. auch Ps 14 28), in deren Mittelpunkt der von einem offiziellen Kultpropheten (falls die Liturgie am Jerusalemer Tempel gehalten wurde) oder von einem »Charismatiker« (falls die Liturgie als Gemeinde- bzw. Gruppenliturgie außerhalb des Tempels in Jerusalem oder irgendwo im Lande stattfand) verkündete Gottesspruch stand. Wie die kultprophetische Samm­ lung des Habakuk-Buches belegt, inspiriert sich Ps 12 am Ablauf einer solchen Liturgie, die mindestens aus drei Elementen bestand: Klage des Liturgen über die Notsituation (vgl. Hab l2“4 ), Antwort Gottes in der Ich-Form (vgl. Hab l5-11) und lobpreisender Dank der Gemeinde bzw. des Liturgen für die Ret­ tungszusage Gottes (vgl. Hab 3,8f). Die Entstehungszeit des Psalms, in dem prophetische und weisheitliche (Kenn­ zeichnung der Bösen in 4f; Worttheologie in 7; der insgesamt stark lehrhafte Charakter des Psalms) Sprache und Vorstellungswelt zusammenfließen, ist schwer zu präzisieren; der im Psalm vorausgesetzte sozialgeschichtliche Hin­ tergrund könnte, wie Hab l2-4 belegt, spätvorexilische Zustände ansprechen. Für diese Datierung spricht die Aufnahme von Ps 12 durch die spätexilische Redaktion in ihre Teilkomposition 11-14; auf diese Redaktion dürfte 129 zu­ rückgehen (der syntaktische Anschluß von 9 ist schwierig; die in 2-8 fehlende Gruppe »der Frevler«, die in 9 unvermittelt auftritt, wird dreimal im vorange­ henden Ps 11 erwähnt). Innerhalb der Komposition der »Armenpsalmen« 11-14 klagt 12 die in 11 ent­ worfene Vision vom himmlischen Weltenrichter als dem Schutzgott der Ar­ men ein, wobei die in 6 als direkte JHWH-Rede gestaltete Zusage im Horizont von Ps 3-7 die Konnotationen des rettenden »Lichtgottes« anklingen läßt, der »jetzt«, d.h. »am Tage«, rettet (vgl. Ps 77 bzw. Ijob ll57 2 5 3).

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121 [Für den Chormeister. Nach der Achten. Ein Psalm Davids.]

1

2 Hilf doch, o Herr, die Frommen schwinden dahin, unter den Menschen gibt es keine Treue mehr. 3 Sie lügen einander an, einer den andern, mit falscher Zunge und zwiespältigem Herzen reden sie. 4 Der Herr vertilge alle falschen Zungen, jede Zunge, die vermessen redet. 5 Sie sagen: »Durch unsre Zunge sind wir mächtig; unsre Lippen sind unsre Stärke. Wer ist uns überlegen?«

143 Mi 72 3-5: 152f 283 52*-* 5522 116» 1202f Ijob 521

Jes 593f Jer 97

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Ps 12

6 Die Schwachen werden unterdrückt, die Armen seufzen. / Darum spricht der Herr: »Jetzt stehe ich auf, dem Verachteten bringe ich Heil.« 7 Die Worte des Herrn sind lautere Worte, / Silber, geschmolzen im Ofen, von Schlacken geschieden, geläutert siebenfach. 8 Du, Herr, wirst uns behüten und uns vor diesen Leuten für immer erretten, 9 auch wenn die Frevler frei umhergehen und unter den Menschen die Gemeinheit groß wird.

,g31 ,98f U9140

Spr 305

5 6

Wörtlich: »Wer ist Herr/Herrscher über uns ?« Von der Syntax her muß, abweichend von EÜ, der ganze Vers als direkte Gottesrede gelesen werden: »Wegen der Vergewaltigung der Schwachen, wegen des Stöhnens der Besitzlosen stehe ich jetzt auf«, spricht JHWH, »ich bringe Rettung dem, gegen den man schnaubt.« Andere (weniger wahrscheinliche) Übersetzungsmöglichkeit: »...ich bringe Rettung dem, der sich danach sehnt.« Wegen der ungewöhnlichen Konstruktion gibt es zahlreiche Textkorrekturen. 7bc EÜ nach Vg; MT schwierig: »Silber geschmolzen im Schmelztiegel (?) zur Erde hin (?) [beide Elemente sind wahrscheinlich eine Glosse], gereinigt siebenmal.« 8 EÜ nach G Vg; MT; »Du JHWH wirst sie (Rückbezug auf die Schwachen und Besitzlosen 6a) behüten, du wirst ihn (Rückbezug auf »den, gegen den man schnaubt« [EÜ: den »Verachteten«]) erretten.« 9b MT kerum schwer verständlich (»wie denn...«); besser mit einigen Mss und mit G: Ifrum:»auch wenn sich erhebt/groß ist...«; freilich ist zur Not auch zeitliches Verständnis von kc möglich.

Überschrift ,: Zu den einzelnen Ele­ menten vgl. zu 3l 4l 61. Klage 2-3: Der Hilferuf benennt mit dem Aussterben des Frommen und der Treuen eine radikale Auflösung des altüberlieferten JHWH-Ethos, bei dem Gottes- und Nächstenliebe die Grundsäulen gedeihlichen Zu­ sammenlebens waren. Insbesondere wurden offensichtlich verschuldete Kleinbauern und besitzlose Hand­ werker durch Scheinprozesse oder durch Zurückweisung ihrer Rechts­ ansprüche, aber auch durch Betrug und Einschüchterung wirtschaftlich und sozial ruiniert (vgl. für die vorexilische Zeit: Am 26f 39f 57 10-12 u. a.; für die frühnachexilische Zeit: Jes 571

594 Mi 72{). Mit »glatten Lippen«, d. h. mit Schmeicheleien und falschen Versprechungen (vgl. Ps 510 Spr 624 2628 295), und mit »zweierlei Herzen« (vgl. ähnlich die Warnung vor dem betrügerischen Gebrauch von zweier­ lei Gewichtsteinen für Einkauf und Verkauf: Lev 1935f Dtn 2513-16 Spr 2010-23), d.h. mit gezielter Täuschung der »Geschäftspartner« in unter­ schiedlichen Situationen oder mit Einsatz aller psychologischen Mittel von Lüge bis Drohung und von Ver­ sprechung bis zum Meineid, versu­ chen die im Psalm inkriminierten Leute ihren Reichtum und ihre Macht zu steigern - auf Kosten der ohnedies Schwachen und Armen.

Ps 12

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Bitte 4-5: In dem bildhaft-plastischen Vernichtungswunsch, JHWH möge die verbrecherischen Lippen und Zungen (Realmetapher der Sprech­ werkzeuge von außen nach innen!) »abschneiden«, damit dem überhebli­ chen und machtgierigen (das Zitat in 5a verwendet mit dem verbum gäbar hi. Kriegs- bzw. Siegersprache: vgl. Ex 1711 2 Sam ll23), ja sogar wider­ göttlichen (die ironisch hybride Frage in 5b richtet sich auch gegen JFTWH: vgl. Ps IO411 14* = 532) Treiben ein Ende gesetzt wird, wird deutlich, daß für den/die Sprecher die gesellschaft­ liche Macht der Frevler eine Infrage­ stellung der Wahrheit JHWFIs selbst geworden ist. Antwort 6: Mit einer betont an den Anfang gestellten zweifachen Präpositionalangabe (EÜ paraphrasiert, s.o.) nennt JFIWH den Grund seines Eingreifens: Als Gott des Rechts (mifsod 'anijjim »wegen der Unterdrükkung der Schwachen«) und als Gott der mitleidenden Güte (me cenqat 'cebjönim »wegen des Stöhnens der Besitzlosen«) muß und will er »sich erheben/aufstehen« (Anspielung auf die Ladetradition: JHWH erhebt sich zum Kampf gegen seine Feinde, um sein Volk zu retten, vgl. Num 1035 Ps 682; Vorstellung vom Sonnen-Richter-Gott, der sich vom Thron erhebt, um das Urteil zu sprechen bzw. zu vollstrecken, vgl. Ps 77 35223a 828 u.ö.). Den »Vernichtungs- und Aus­ plünderungskrieg« gegen die >anijjim (ani »schwach, unterdrückt«, allge­ meiner Begriff für die wirtschaftlich Schwachen, insbesondere die ver­ schuldeten Kleinbauern und die personae miserabiles >Waise, Witwe, Fremdlinge vgl. Jes 102; der Begriff bezieht sich in der Regel auf eine un­ verschuldete, von außen kommende Not!) und die ‘cebjönim (Leute ohne Grundbesitz, in verschiedenen sozia­ len Einbindungen vom kleinen

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Handwerker bis zum Tagelöhner und Bettler, denen gemeinsam ist, daß sie ihre Existenz nur noch in wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Mächtigen oder Reichen fristen können) will JHWH als der König seines Volkes, der dieses von äußeren und inneren Feinden befreien muß, beenden. Hier steht insbesondere seine eigene »Exodus-Dimension« auf dem Spiel (vgl. Ex 223-25 37-10 Dtn 26fr_8 u.ö.), aber auch die Gültigkeit des »Exodus-Ethos«, wonach die Si­ tuation »des Schwachen« und »des Besitzlosen« in besonderer Weise nach selbstloser Hilfe ruft (Ex 2220-26 Lev 2535-38 u. a.). Da Ps 12 die Schwa­ chen und die Besitzlosen im Plural nennt, ist anzunehmen, daß es sich nicht um »Einzelfälle«, sondern um eine grundlegende gesellschaftliche Verwerfung (Herausbildung einer »Unterschicht«?) handelt, die zu­ gleich die »Wahrheit« der Rede von Israel als »Gottesvolk« (vgl. Ps 144) in Frage stellt. So ist die pointierte (vgl. ebenso Jes 3310) Zeitangabe verständ­ lich: »Jetzt« (nicht erst »am Ende der Tage« o.ä.) erhebe ich mich und bin bereits im Vollzug, alle die, gegen die man mit falschen, schmeichelnden oder bedrohenden Worten »bläst und schnaubt« (puah hi. »mit Nachdruck, mit Eifer, mit Gier reden«, insbeson­ dere als Lügenzeuge bei Gericht: vgl. Spr 619 Hab 23, aber auch mit Droh­ worten jemanden einschüchtern und ruinieren: vgl. Ps 104f), »ins Heil zu setzen« (asit b*jesa\\gl. Ps 669), d. h. ich will ihnen wieder Lebensrecht und Lebensraum (be präpositionale Ortsangabe), Freiheit von Bedrükkung und Todesangst und insbeson­ dere die ihnen zustehende Reintegra­ tion in die Gesellschaft geben. Lobpreis7: Mit der aus der weisheitlichen Tradition kommenden Meta­ phorik von Wert und Schönheit rei­ nen Silbers (vgl. Spr 24 IO20 Ijob 2225)

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wird das in 6 ergangene Gotteswort von den trügerischen und lebenzerstörenden Worten der Frevler abgesetzt. Möglicherweise spielt die Metapher auch auf das ruinöse Geschäftsgebaren der Unterdrücker an, die mit schmutzigem oder billigem Silbergeld ihre Machenschaften trieben. Vertrauensbekenntnis 8-9: Ziel des göttlichen Eingreifens ist nicht die Vernichtung der Gewalttäter, son-

Ps 13

dern die Bewahrung und der Schutz der Schwachen, Armen und Rechtlosen »vor diesem Geschlecht« (Anspielung auf die »Sintflutgeneration«: vgl. Gen 71) der Frevler, die freilich, wie 9 betont, immer noch und überall ihr Unwesen treiben und sogar mit ihrer Gemeinheit die gesellschaftliche und politische Macht übernommen haben (rüm »in die Höhe kommen« = die Macht übernehmen), Erich Zenger

PSALM 13 DRÄNGENDE KLAGE IN GROSSER BEDRÄNGNIS Von seinen sprachlichen Elementen her (Frage »bis wann«, Imperative »blick doch her«, »gib doch Antwort«) und vor allem in der Abfolge der Sprechakte gilt der Psalm als »Muster eines Klageliedes des einzelnen« (H. Gunkel). Er besteht aus folgenden Elementen:2-3 Klage mit Anrufung des Gottesnamens und Schilderung der Not; 4-5 Bitte an JHWH um ein Ende der Not, mit Angabe von Motiven/Gründen, die JHWH zum Eingreifen bewegen sollen; 6 Bekenntnis des Vertrauens zu JHWH, mit Ankündigung eines Loblieds, das als Zitat wiedergegeben wird (falls in5cd, abweichend von der Sicht der EÜ, ein neues Satzgefüge beginnt, ergibt sich eine etwas andere Dreiteilung: 2-3.4-5b.5c-6)

Man kann fragen, ob 3b ursprünglich oder eine spätere Einfügung ist. Für die zweite Möglichkeit sprechen folgende Beobachtungen: a) Kolometrisch ist 3 schwierig. Entweder teilt man in drei Kola auf, dann ist 3b etwas kurz, und außerdem ist30 ohne paralleles Kolon (weshalb einige Autoren annehmen, hier sei ein Kolon weggefallen); liest man 3ab als ein Kolon, ist es zu lang; nimmt man hingegen 3a 3c als das ursprüngliche Bikolon, ergibt sich ein antithetischer Parallelismus; b) alle Fragesätze in 2f haben je ein Verbum, dagegen muß für3b die Verbalform aus 3a mitgedacht werden (»double duty«); c) gegenüber der Kurzform für »Herz« (leb) in 6b verwendet3b die Langform (lebab). Die Einfü­ gung dürfte durch die exilische Armenredaktion erfolgt sein, die die Komposi­ tion 11-14 zusammenstellte (zum verbindenden Zeitmotiv »am Tage« vgl. die Auslegung). Zwar fehlen im Psalm semantische oder theologiegeschichtliche Eigenheiten, durch die er datiert werden könnte. Doch legt ein Vergleich des Psalms mit an­ deren Klagepsalmen, in denen ebenfalls das Verhalten von »Feinden« beklagt wird, nahe, daß Ps 13 zu den ältesten dieser Psalmen gehört, also aus vorexilischer Zeit stammt. Auch das Fehlen der in den jüngeren Psalmen verstärkt auTtretenden Vernichtungswünsche spricht für vorexilische Herkunft des Psalms.

Ps 13

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Von Ps 13 aus laufen Stichwortverbindungen zu den Nachbarpsalmen 12 und 14. Der wahrscheinlich sekundäre Schluß von 12 verwendet in 9b das in 133 ori­ ginär sitzende Verbum rüm »sich erheben«, um mit ihm die verbrecherische Herrschaft der Frevler zu benennen. Da außerdem das in 135 verkündete Ret­ tungshandeln JHWHs den in 122 6 stehenden Begriff jsc verwendet, ist Ps 13 nun im Kontext der Teilgruppe 11-14 als Klagepsalm jener Armen und Be­ drängten zu lesen, für die Ps 12 Partei ergreift; zugleich wird dadurch das in Ps 13 allgemein bleibende »Feindprofil« sozialgeschichtlich konkret. Dadurch daß die Redaktion Ps 13 gezielt hinter Ps 12 gestellt hat, beschwört nun die vierfach wiederholte Frage »Wie lange noch?« das in 126 verkündete »Jetzt« des Eingreifens JHWHs.

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Ab*

131 [Für den Chormeister. Ein Psalm Davids.] 2 Wie lange noch, Herr, vergißt du mich ganz? Wie lange noch verbirgst du dein Gesicht vor mir? 3 Wie lange noch muß ich Schmerzen ertragen in meiner Seele, / in meinem Herzen Kummer Tag für Tag? Wie lange noch darf mein Feind über mich triumphieren?

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4 Blick doch her, erhöre mich, Herr, mein Gott, erleuchte meine Augen, damit ich nicht entschlafe und sterbe, 5 damit mein Feind nicht sagen kann: »Ich habe ihn überwältigt«, damit meine Gegner nicht jubeln, weil ich ihnen erlegen bin. 6 Ich aber baue auf deine Huld, mein Herz soll über deine Hilfe frohlocken. Singen will ich dem Herrn, weil er mir Gutes getan hat. 3a

I

MT ’eföt »Pläne, Überlegungen, Beschlüsse, Ratschläge« (so auch G ßouXai und Vg consilia) erscheint vielen Auslegern als schwierig (vgl. auch die Anm. der EÜ: »H ist unverständlich«); meist wird (so auch EÜ) der Text korrigiert zu 'fbt f afäböt) »Schmerzen». MT kann dennoch beibe­ halten werden, wenn eföt jene Gedanken und Überlegungen (»Grübeln, Sorgen«) bezeichnet, mit denen der Leidende angesichts seiner Situation fortwährend (Plural!) »seine Seele« beschäftigt. 3b jömäm »am/bei Tage«. Hier haben schon mehrere griechische Hand­ schriften Kai vukto«; »und in/bei der Nacht« ergänzt. Das ist die übliche Zeitangabe, wenn endlos erscheinendes Leid beklagt wird (z. B. Ps 223 324 5511 Jer 823). Manche Autoren schlagen ursprüngliches jöm jöm »Tag für Tag« vor (so offensichtlich auch EÜ). Will man (richtiger) MT beibehal­ ten, könnte die Angabe als Steigerung verstanden werden »sogar bei Tage« (s. u.). 6cd Als Zitat des in6b angekündigten »Jubellieds« zu lesen.

64 4210 8947 Klgl 520 Hab l2

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Überschrift1: Vgl. zu Ps 3‘ 41. Klage 2-3: Die vierfach wiederholte Frage impliziert ein Doppeltes: Ei­ nerseits drückt sie als an JHWH ge­ richtete Frage Vorwurf und Anklage aus, aber andererseits spricht aus ihr die Hoffnung, daß JHWH der be­ klagten Situation ein Ende setzen wird, ja muß. Die beiden ersten Fra­ gen 2 klagen darüber, daß der Beter sich von seinem Gott »vergessen« und vernachlässigt empfindet. Nach sei­ ner Auffassung widerspricht es dem innersten Wesen JHWHs, daß er eine einmal eingegangene Beziehung »vergißt« (vgl. Ps 4210 Jes 49Mf sowie als Kontrast JFTWHs »Gedenken«: Gen 8‘ Ex 224 65 Ps 85 u. ö.) und daß er sein Leben und Glück verströmendes Angesicht (vgl. Ps 1611 1715 Num £24-26) von Menschen, die bei ihm Zu­ flucht suchen, abwendet. Die dritte Frage 3a stellt die psychische Dimen­ sion des Leids dar. Seine »Seele«, d.h. sein Lebenszentrum, ist im­ merzu besetzt mit »Sorgen« bzw. mit »Grübeln« (zu dieser Bedeutung von l 'eföt vgl. Sir 3021) darüber, warum und wozu er dies erleiden muß. Alle seine Gedanken kreisen nur noch um sein Leid - und um die wirkliche oder befürchtete Reaktion seines »Fein­ des« darauf (vgl. 3c). 3b steigert: »der Kummer« ist nach Ausweis von Gen 4238 4431 eine Gemütsverfassung, die den von ihr Betroffenen in das Grab bringt; außerdem vollzieht sich dies »sogar am Tage«, d. h. in der Zeit, die doch eigentlich die Zeit des Heils ist. Die vierte Frage 3c beklagt die soziale Dimension des Leids. Was mit dem Verbum rüm »sich erheben« konkret gemeint ist, läßt sich zwar auch aus dem Redezitat 5a nicht im Detail er­ schließen (als Gebetsformular bleibt der Psalm ohnehin für viele Verwen­ dungssituationen offen), doch im­ merhin bietet die Zusammenschau der beiden Aussagen ein plastisches

Ps 13

Bild: Der Beter empfindet den Feind als übermächtigen Angreifer, der ihn niederdrücken und vernichten will. Bitte 4-5: 4a ruft nach einer Antwort, die dem Leidenden deutlich macht, daß JHWH ihn eben nicht vergessen hat, sondern ihn kennt und um seine Not weiß. 4b ist nicht, wie manche Ausleger meinen, Bitte um Heilung von einer Augenkrankheit, aber auch nicht um Beendigung einer metapho­ risch gemeinten Blindheit des Her­ zens. Die Bitte muß vor dem Hinter­ grund der Rede von den matt, schwach und alt gewordenen Augen als Metapher für tödliche Krankheit sowie für Schwinden von Lebensmut und Lebenskraft (vgl. Dtn 347 Ps 68 38n Klgl 517*) angesehen werden. Der Imperativ zielt also auf die Er­ neuerung der Lebenskraft - und zwar, so legt es die strukturelle Ent­ sprechung von 4b zu 2b nahe, dadurch, daß JHWHs Angesicht sich ihm wie­ der zuwendet, d.h. indem JHWHs und des Beters Augen sich treffen! Den negierten Finalsätzen 4c_5 liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Beter aus dem Herrschaftsbereich JHWHs ausscheiden und JFLWH selbst eine »Niederlage« erleiden würde, wenn der Beter defintiv in den Machtbereich des Todes käme (vgl. Ps 66 881M3) und zum Opfer seines Feindes würde. Vertrauensbekenntnis 6: Der »Stim­ mungsumschwung« muß nicht, wie manche Ausleger meinen, durch ei­ nen tröstenden Zuspruch ausgelöst sein, den zwischen der zweiten und der dritten Strophe ein Liturge (Kult­ prophet, Priester beim familiären »Bittgottesdienst«) im Namen Gottes erteilt hätte, sondern er gehört zur Dynamik des Psalms als Gebetsge­ schehen Im Unterschied zu häsäh »vertrauen«, das den Vorgang be­ zeichnet, durch den jemand Zuflucht

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und Vertrauen sucht, meint das in 6a verwendete Verbum bätah das posi­ tive Ergebnis dieses Vorgangs, das Festsein und Festbleiben im Ver­ trauen. Der Raum, in dem der Lei­ dende seine Gelassenheit gefunden hat, ist JHWHs b^sced »Güte«, d.h. jene großzügige und liebende Zu­ wendung, in der JHWH sich selbst dem Beter mitteilt. Auf diese Erfah­ rung der ihm geschenkten Gottesge­ wißheit antwortet der Psalm abschlie­ ßend mit dem entfalteten Lobverspre­ chen 6b_d, das einerseits JHWHs Zu­ wendung als »Hilfe, Rettung« (vgl.

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die Kampfmetaphorik in der Be­ schreibung des Feindes 3c,5a) und als »Sieg« (über den Tod: vgl. 4c) beju­ beln will ^ und das andererseits in dem Zitat des Danklieds 601 (Formele­ mente: Selbstaufforderung zum Sin­ gen, kl in der Doppelfunktion von Begründung und Deixis, Bericht über JHWHs Handeln in 3. Person als In­ halt bzw. Durchführung des Liedes mit dem Verbum gämal; vgl. ähnlich Ps 1167 1428) einen theologisch ge­ wichtigen Schlußakzent setzt.

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Erich Zenger 1

l PSALM 14 JHWH ALS RETTER SEINES ARMEN VOLKES Abgesehen von den unterschiedlichen Lösungsvorschlägen zur Herstellung ei­ nes lesbaren Textes in 4-6 (manche Autoren verzichten sogar darauf, im Kom­ mentar einen vollen Text wiederzugeben!) werden vor allem drei Problem­ kreise kontrovers diskutiert: 1. Da der Psalm beinahe wortgleich noch einmal als Ps 53 im Psalmenbuch überliefert ist, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Fassungen zueinander. Meist wird (wohl mit Recht) angenommen, daß die Fassung von 53 eine gezielte Veränderung von 14 ist. Manche Autoren wollen nachweisen, daß die Abweichungen von 53 auf Hörfehler (!) zurückgehen. 2. Die unterschiedlichen Auslegungen lassen sich auf zwei Grundtypen redu­ zieren, je nachdem ob der Psalm als Klage und Gewaltandrohung über Feinde Israels (Philister, Babylonier u.a.; man sucht sogar ein Wortspiel näbäl = Ba­ bel!) verstanden wird, oder ob ein innerisraelitischer Gruppen- bzw. Schich­ tenkonflikt als sozialer Kontext vorausgesetzt wird. 3. Kontrovers ist die Einzelfrage, wer der Sprecher von 4 ist. Falls es JHWH ist, setzt mit4 bereits die (kultprophetisch geschaute) Antwort JHWHs auf das verbrecherische Treiben der »Toren« ein. Falls es der (kultprophetische) Spre­ cher des Psalms ist, ist4 Höhepunkt seiner Klage, auf die dann erst5 die Reak­ tion JHWHs konstatiert. Der ursprüngliche Psalm umfaßte nur ,-5. Er inspiriert sich an der Gattung der »prophetischen Klageliturgie« (vgl. zu Ps 12 28); allerdings fehlt das (lobprei­ sende) Antwortelement. In seiner narrativen Struktur, die einleitend das Trei­ ben der Toren mit Zitat präsentiert und ausleitend ihr Ende konstatiert, be­ rührt der Psalm sich mit Ps 36. Er mischt weisheitliche und prophetische Über­ lieferung. Wegen der Nähe von 1 zu Hos 4lf Zef 37 und von 4 zu Mi 33 Hab 314 könnte er spätvorexilisch sein.

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DIE PSALMEN

Ps 14

Er gliedert sich in vier Abschnitte: Klage über das verbrecherische Treiben der Toren richterliche Untersuchung durch JHWH 2-3, Vorwurf und Urteil JHWHs in direkter JHWH-Rede 4, Folge des JHWH-Urteils für die Übel­ täter 5. Daß 4 nicht als (kultprophetische) Klage, sondern als direkte JHWHRede gemeint ist, legt sich vom Zusammenhang (nach 2-3 führt JHWH vom Himmel aus die Überprüfung durch und kommt zu einem eindeutigen Ergeb­ nis; 4 ist dann seine Reaktion darauf) und vom Sprachgebrauch (»mein Volk« begegnet im Psalter mit Ausnahme von 5912 78' immer in einer direkten JHWH-Rede; so auch in der Prophetie, mit Ausnahme von Mi 33) her nahe. Wie Ps 46“ 753f 9114-16 zeigen, kann eine Gottesrede eingesetzt werden, ohne daß sie explizit als solche eingeleitet wird. Daß innerhalb dieser Rede JHWH von sich in 3. Person spricht, ist zwar ungewöhnlich, aber nicht unmöglich, wie sich z. B. an Ps 5014-22 758 8116 erkennen läßt. Die vier Abschnitte bilden ei­ nerseits einen linearen Geschehenszusammenhang, andererseits sind sie inso­ fern zugleich chiastisch strukturiert, als die beiden äußeren Abschnitte das Verhalten bzw. das Geschick der Toren und die beiden inneren Abschnitte die Reaktion JHWHs beschreiben. Dabei scheint der Wechsel von Gattungsbe­ griff »Gott« und Eigenname JHWH (EÜ: »der Herr«) ein theologisches Pro­ gramm anzudeuten: Das Eingreifen JHWHs soll die gottlosen Toren dazu zwingen, ihre Einstellung zur Gottesfrage grundsätzlich zu revidieren. 6 hebt sich (sowohl in der Lesart der EÜ wie in der von uns favorisierten) als »Ihr-Anrede« deutlich von 1-5 ab. Nachdem der Sprecher seine »prophetische Vision« erzählt hat, wendet er sich nun direkt an die, deren Treiben in 1-5 ver­ urteilt wurde. Der Vers dürfte kaum ursprünglich sein (wie die Parallele Ps 36 bestätigt, markiert5 einen Abschluß; in 1-5 fehlt die in 6 erscheinende Armen­ perspektive, diese ist in 126 ursprünglich und mit Blick darauf hier eingetra­ gen). Er stammt von der exilischen »Armenredaktion«, die 141-5 in die Teil­ gruppe Ps 11-14 (bzw. Ps 3-7 8) eingebunden hat, in der die »Eckpsalmen« 11 und 14 motivlich aufeinander bezogen sind. Beide setzen mit der gleichen Schilderung des geradezu chaotischen Treibens der Gottlosen ein und stellen dagegen das Bild von JHWH, der als Weltkönig von seinem himmlischen Thron aus sein universales Richteramt ausübt (114-6 142) und sich als »der Ge­ rechte« (113-5-7) dadurch bewährt, daß er auf der Seite »der Gerechten« (145) steht. Die Abfolge der Psalmen 11-14 ist so arrangiert, daß sie sich als ein be­ tender Prozeß begreifen lassen, der die Gewißheit einüben will, daß JHWH der Schutzgott »der Armen« ist. Die erst auf die nachexilische »Armenredaktion« zurückgehende Schlußbitte 7, durch die der Psalm die Funktion einer Volksklage erhält, bildet zusammen mit 39b eine Klammer um die Komposition 3-14. Sie bittet, angesichts der ge­ sellschaftlichen Zerklüftung Israels und der Bedrohung durch äußere Feinde, um die Restitution des Gottesvolkes vom Zion aus - als dem Ausgangspunkt der (universalen) Gottesherrschaft. Ps 53 104 Jes 326 Mi 72 1-3: Röm 3,CM2

14* [Für den Chormeister. Von David.] Die Toren sagen in ihrem Herzen: »Es gibt keinen Gott.« Sie handeln verwerflich und schnöde; da ist keiner, der Gutes tut.

Ps 14

DIE PSALMEN

101

2 Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht. 3 Alle sind sie abtrünnig und verdorben, keiner tut Gutes, auch nicht ein einziger. 4 Haben denn all die Übeltäter keine Einsicht? Sie verschlingen mein Volk. Sie essen das Brot des Herrn, doch seinen Namen rufen sie nicht an. 5 Es trifft sie Furcht und Schrecken; denn Gott steht auf der Seite der Gerechten.

331>-15

122 Gen 612

Mi 33

6 Die Pläne der Armen wollt ihr vereiteln, doch ihre Zuflucht ist der Herr. 7 Ach, käme doch vom Zion Hilfe für Israel!/ Wenn einst der Herr das Geschick seines Volkes wendet, dann jubelt Jakob, dann freut sich Israel.

3b

5 6

7c

MT näbäl »Tor« Sg; EÜ pluralisch, da kollektiv gemeint. - Der Psalm verwendet bis 5 durchgängig (konstatierendes) Perfekt, das in 5 als »pro­ phetisch-visionäres« Perfekt zu verstehen ist. Da hier,d wörtlich wiederholt wird, sollte nicht anders übersetzt werden! MT schwierig. EÜ zieht gegen MT »Brot JHWHs« als Constructus-Verbindung zusammen und ergänzt s'mö »seinen Namen« (oder punktiert sie säm »plötzlich« am Anfang von 5 als semöund zieht dies nach 4?). Zu ande­ ren Übersetzungsmöglichkeiten vgl. die Auslegung. EÜ läßt die lokale Deixis säm »da, dort« unübersetzt. Wörtlich: »Dort schrecken sie zusammen im Schrecken.« MT täblsü »ihr beschämt, macht zuschanden« im Textzusammenhang kaum sinnvoll; höchstens wie EÜ »...wollt ihr...« oder: »Den Plan des Armen könnt ihr zwar beschämen, aber JHWH ist doch seine Zuflucht.« Wahrscheinlicher: tobtsü»ihr werdet zuschanden, ihr scheitert«, nämlich: »am Plan des Armen, denn...«. MT 'äni»Armer« Sg; EÜ pluralisch, da kollektiv gemeint. Die Präformativkonjugation ist hier (wahrscheinlicher) Jussiv: »soll ju­ beln/sich freuen«.

Überschrift u: Vgl. zu 31 41. Die prophetische Vision ,b"s: Mit einer weisheitlichen Klage 1 über »den Tor« bzw. »die Toren« (da ld pluralisch fortfährt, ist klar, daß der Singular von lb kollektiv gemeint ist) wird der Psalm eröffnet. Das den Toren in ,c in den Mund gelegte Zitat, das wortgleich im Mund der Frevler in Ps 104 begegnet, kennzeichnet man für

gewöhnlich als Ausdruck eines prak­ tischen Atheismus, doch wird damit verdeckt, daß die in ,dc aus der Gottesleugnung resultierenden Taten »der Toren« Ausdruck fundamenta1er Gottlosigkeit sind. Die Perversion ihres Tuns ld erinnert an die Verderbtheit, die zur Sintflut führte (Gen 612; vgl. auch Zef 37), aber auch an die prophetischen Summarien Jes S94-8 Jer 51“6 91-8 Hos 4lf. Durch die

126lf Jes 35‘°

102

DIE PSALMEN

stilistische Parallelität von ,c und ,c unterstreicht der Psalm, wie eng der Gottesglaube und die Ethik des All­ tags Zusammenhängen. Wer sich und sein Leben in Gott gründet, der läßt sich auf das Guttun als eine das Le­ ben insgesamt mehrende Kraft ein (vgl. Ps 373, aber auch Am 5Mf), w0_ hingegen »der Tor« sein Nein zu Gott zugleich als ein Nein zur Ge­ meinschaft praktiziert. Mit dem auch in Ps 11* 3313"15 1 0220 belegten Bild von JHWH, der von seinem himmli­ schen Palast aus seine Blicke über die einzelnen Menschen hinweggehen läßt, um sie daraufhin zu prüfen, ob sie aus Einsicht in die von ihm ge­ setzte Ordnung leben und handeln 2, bestätigt der Psalm in 3: Gottes Prü­ fung ergibt, daß »alle« (Hyperbel!) vom rechten Weg abgewichen (Dtn 1116 1717 Jer 523) und daß sie insge­ samt und gemeinsam (jafjdäw) »ver­ dorben« (älafj ni. »verderben« wie Milch, Obst usw.) sind. Die abschlie­ ßende Hyperbel3c will die ganze Dra­ matik und scheinbare Ausweglosig­ keit der Situation zusammenfassen, angesichts derer der himmlische Weltregent handeln muß. 4-5 Mit seiner als direkte Rede wie­ dergegebenen Frage * brandmarkt JHWH das Treiben der »Unrechttä­ ter« als brutalen Vernichtungskrieg, wie ihn sonst die »heidnischen« Völ­ ker gegen das Gottesvolk geführt ha­ ben (Ps 796f Jer IO25). Ihre fehlende Gottes(an)erkenntnis und ihre JHWH-Vergessenheit führen dazu, daß sie buchstäblich von ihrem rück­ sichtslosen »Wohlstandskannibalis­ mus« (H. W. Wolff) leben, indem sie Kleinbauern und Handwerker, ja so­ gar Besitzlose »auffressen« (vgl. Mi 33 Hab 314 Ps 272 Spr 3014). In ihrer »Freßlust« merken sic gar nicht, daß sie »sein Volk« verzehren, also ihn selbst bedrohen! Die von EÜ für4 ge­ wählte Übersetzung wird von manchen Auslegern als Attacke gegen die

Ps 14

Priesterschaft gedeutet, die zwar JHWHs Brot essen (Anspielung auf den Opferkult: vgl. Lev 2122) und in seinem Dienst stehen (zu dieser Be­ deutung von »Brot essen« vgl. Am 712), aber in ihrem Alltag nicht JHWH-gemäß leben, ja sogar ihre Opfer durch Vernichtung der Klein­ bauern ermöglichen (vgl. die prophe­ tische Kultkritik). Zwei andere Über­ setzungsmöglichkeiten: 1. »Sie essen Brot, den Herrn aber rufen sie nicht an«, d.h. sie nehmen aus JFTWHs Hand »Brot« (= seine Gaben) entge­ gen, aber dies bewegt sie nicht zur rechten JFTWH-Anerkenntnis (vgl. Dtn 82-11 Hos 210). 2. »Haben denn all die Übeltäter keine Einsicht, die ihr Brot essen, dadurch daß sie mein Volk fressen, den Herrn aber nicht anrufen?« Wo Arme bedroht und ver­ nichtet werden, muß JHWH aus Treue zu sich selbst und zu der von ihm mit seinem Volk begonnenen Geschichte eingreifen. Der Psalm hält dies fest, indem er in 5 die Wir­ kung dieses Eingreifens beschreibt, wobei die Partikel säm »da« (vgl. ähn­ lich Ps 3613) am Anfang von 5 den en­ gen Zusammenhang zwischen der JHWH-Rede und der Wirkung un­ terstreicht. (Anspielung auf den Tem­ pel, an dem die Scheidung zwischen »Gerechten« und »Frevlern« erfolgt?; vgl. die Tempelperspektive in der Teilgruppe Ps 3—14 sowie den Nach­ barpsalm 15.) JHWH beendet diesen Vernichtungskrieg durch den „Got­ tesschrecken«, der die feindlichen Angreifer verwirrt und lähmt (vgl. zu pähadds Topos im Vorstellungskom­ plex des sog. JHWH-Kriegs: Ex 1516 Dtn 225 ll25 u.ö.). Der numinose Schrecken, der von JHWH ausgeht (vgl. 1 Sam ll7 2 Chr 1413 u.ö.), fällt auch über Frevler (Ijob 1521 2210) und Götzendiener (Jes 210,19-21 49"). um ihnen die gotteslästerliche Dimension ihres Tuns und Denkens bewußt zu machen.

Ps 15

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Der Gott der Armen6: Weil und wenn JHWH sich als uneinnehmbare und »seine« Armen schützende Zufluchts­ burg erweist (vgl. den Rückbezug nach ll1 sowie 462 613), werden die Gottlosen scheitern - und zwar ge­ rade »am Plan des Armen«, der sein Leben voll auf JHWH gründet. Von dieser Gerichtsbotschaft her fällt kräftige Ironie zurück auf die in 1 zi­ tierte Meinung der Toren: für sie ist Gott wirklich nicht als rettender JHWH da! Die Unterdrücker müs­ sen und werden deshalb scheitern, weil JHWH selbst einen Plan mit sei­ nem Volk hat. Die Schlußbitte 7: Sie erfleht durch den vom Zion aus wirkenden JHWH

(zur »Zionsperspektive« in der Kom­ position Ps 3-14 vgl. 35) die Rettung als eschatologische Heilswende, bei der Israel wieder als »Volk JHWHs« zu einer brüderlichen (geschwisterli­ chen) Solidargemeinschaft im Sinne der Anfänge und nach dem Entwurf der deuteronomischen Theologie wird und als solche in Freiheit von jeglicher Bedrückung durch Feinde von innen und von außen leben kann (zu diesen Implikationen der in der exilischen und nachexilischen Zeit breit belegten Wendung süb s'büt »die Wende wenden« vgl. Dtn 303 Ez 1653 2914 Am 914 Hos 6“ Joel 41 u.ö. sowie besonders Ps 12614). Erich Zenger

PSALM 15 DIE BEDINGUNGEN FÜR DEN EINTRITT INS HEILIGTUM

(

Der alte Orient (Ägypten, Mesopotamien) kennt rituell-moralische Einlaßbe­ dingungen für die Tempelbezirke. Das AT kann die Zulassung zur »Gemeinde JHWHs« regeln Dtn 232-9 oder Nachrichten über die Prüfung am Tempeltor übermitteln 2 Chr 2319 Ps 118,9"2°. Demnach wurden auch in Israel Kultteil­ nehmer auf ihre kultisch-moralische Integrität befragt. Der spezifische Dialog, der die Struktur von Ps 15 243-5 Jes 33 14-16 bestimmt, ist zu Recht immer wieder mit obiger Prüfung in Verbindung gebracht worden. Die drei genannten Texte verbindet neben unterschiedlich intensiven Wortbeziehungen miteinan­ der vor allem ein- und dasselbe Schema: Zur Einleitung eine Frage, wer sich am Kultort in der Nähe JHWHs aufhalten darH~im~Korpus Tie _ntwort mit Angaben zum gewünscIuerrVerhaIten~3es"Kultteilnehmers; am Ende eine ab­ schließende Auskunft für, die Folgen sofcHenVerhaltens. "Die Reihung der Verhaltensanglaben im Korpus des Schemas hat man in der Exegese mit ande­ ren Gebotsreihen in Verbindung gebracht, wie z. B. mit dem Dekalog. Der Vergleich scheitert daran, daß für das Schema der EinlaßliturgieTTie Zennzahl der aufgereihten Verhaltensangaben völlig bedeutungslos und nicht zu bele­ gen ist und sich selbst für den Dekalog erst in zweiter Linie auf redaktioneller Stufe formgebend auswirkt. Die Angaben zu vergangenen Einzeitaten des Kultteilnehmers hat man an die Beichte im Stil von Dtn 2612-14 angenähert. Beide verbindet der Rekurs auf vergangene Taten, wobei aber im Unterschied zur Beichte für die obigen drei Texte nicht die erste Person des Bekennenden gefordert ist. Zwar ist bei der Beichte wie beim Schema der Einlaßliturgie die

I

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Ps 15

Situierung am Kultort gegeben, aber Ein- und Ausleitung gehen in verschie­ dene Richtungen. Eine gewisse Verwandtschaft besteht auch zur Beschrei­ bung des Gerechten in Ez 185"9* sie bezieht sich vor allem auf die dortige Rei­ hung von Verhaltensmerkmalen des Gerechten und die vermutete priesterlichkultische Situierung der Beschreibung. Allerdings weichen die Einleitung Ez 185 (Kasuistischer Rechtssatz als Überschrift und These) und die Auslei­ tung Ez 189 (Zusammenfassung und priesterliche Deklarationsurteile) von der Rahmung des Schemas der Einlaßliturgie ab. Innerhalb der drei, durch das Schema verbundenen Texte behauptet Ps 15 eine Sonderstellung. Das Schema deckt hier einen einzelnen Psalm ab, wohingegen es an den beiden anderen Stellen mit dem Kontext verwoben ist. Die Selbständigkeit des Schemas in Ps 15 bedingt wahrscheinlich auch die komplexere Ausführung. Die Aus­ gangsfrage 151 ist im Gebetsstil gehalten (im Unterschied zu Ps 243 Jes 3314). Im Korpus variieren die Satztypen stärker als bei den beiden anderen Stellen. Die Selbständigkeit und Eigenart von Ps 15 stimuliert zur Suche nach Paralle­ len im Kontext des ersten Davidpsalters. Dem Schema nahekommt die UnschuTdserklärung im Bittgebet des Gerechten in Ps 55-8 (einleitende Feststel­ lung über die Unvereinbarkeit von Sünder und JHWH-Nähe mit Wortentsprechung zu 151, Beschreibung des Sünders durch Satzreihen, ausleitende Aussage über den Zugang des Beters zum Tempel). Viel Wort- und Sachanklänge enthält die Unschuldsbeteuerung im Bittgebet des bedrängten Gerech­ ten 173“5 (Motiv der göttlichen Prüfung, die Wegterminologie, die Rede vom Innern, d.h. Herzen, und vom Nicht-Wanken des Beters). Schließlich fallen die Bezüge zum Schema und zu Ps 15 in der Unschuldserklärung des Bittgebe­ tes eines Gerechten in Ps 263-7 auf (einleitende Erklärung über den gerechten Wandel des Beters 263, Reihung von Auskünften über das vergangene und ge­ genwärtige Verhalten 264-5, Schluß mit der Erklärung zum persönlichen Zu­ gang zum Heiligtum in der Aussage über die rituelle Händewaschung und den Altarumgang 266f). Diese genannten Anklänge an die Einzugsliturgie stehen darüber hinaus in einer manchmal textlichen als auch sachlichen Nähe zum Motiv des göttlichen Prüfens, wobei JHWH den Beter bis auf »Herz und Nieren« durchschaut. Dieses Motiv taucht wiederum in Bittgebeten des Gerechten auf (Ps 710 173 262) ebenso wie in den Armenpsalmen ll4f 142. Im Kontext des ersten Davidpsalters lag also die Einzugsliturgie von Ps 15 »in der Luft«. Mit den nahen Verwandten aus dem ersten Davidpsalter (Ps 517"26) ist Ps 15 durch den Gebetsstil in der Einleitungsfrage verbunden - ein erstes Indiz, daß wir hier keine rubrikengetreue Widerspiegelung der Einzugsliturgie vor uns haben. Denn Ps 15 macht keine Angaben, wer den Dialog zwischen Fragestel­ ler und Antwortendem führt und wo er stattfindet. Das alles ist aus den ein­ gangs angegebenen verstreuten Nachrichten zu erschließen. Traditioneller­ weise wird der Frager mit dem identifiziert, der an den Tempeltoren um Ein­ laß bittet und nacKTragt. Adressat se”iner~FrageTsT3eFdäfür zuständige“Priester bzw. Schwellenhüter in der Funktion eines Mittlers und Stellvertreters JHWHs. Er gibt die Antwort und spricht auch die abschließende Auskunft aus. Ps 15 ist überhaupt nicht an der Rollenverteilung und an der rubrizistischen Stimmigkeit des liturgischen Vorgangs interessiert. Ein weiteres Indiz für dieses Desinteresse liefert die abschließende Auskunft über die Folgen des richtigen Verhaltens. Sie entspricht nicht exakt der erwarteten Bestätigung

Ps 15

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durch eine Eintrittserlaubnis im Stile etwa von Ps 58 oder 266. Ihre Aussage ist der Sache nach (Tun-Ergehen-Zusammenhang) und der Sprache gemäß (vgl. den Unterschied zur priesterlich-kultischen Sprache in Ps 245) weisheitlich ge­ prägt. Dieser Einzelzug paßt zur Gesamttendenz des Psalms, möglichst knapp und umfassend den eintrittswürdigen Gerechten zu beschreiben und vorbildhaft vorzustellen. Demnach ist Ps 15 eine weisheitlich beeinflußte Anlehnung an die Einzugsliturgie. Das verbietet, Ps 15 von vornherein zum alten Ürexemplar einer Einzugsliturgie zu machen und z. B. dem Ps 243-5 vorzuordnen. Die Einzugsliturgie haben wir nur in indirekter Widerspiegelung vor uns; sie bleibt ein mit Plausibilität erschlossenes Stück Liturgie des Jerusalemer Tempels. Die Verbindung von kultischer Tradition und weisheitlicher Prägung macht eine Einstufung in die spätvorexilisch-exilische Zeit möglich. Ps 15 ist nicht einheit­ lich. Auf 4 fällt der Verdacht des Sekundären. Die elaborierte Sprache der aufge­ reihten Kurzsätze 2 3 wird zugunsten prosaischer Satzgefüge aufgegeben. Jetzt geht es nicht mehr nur um gerechtes Einzel-, sondern auch um richtiges Grup­ penverhalten. Der Gerechte weiß, wohin er gehört - zur Gruppe der JHWHTreuen und JHWH-Fürchtenden, die sich von den Verworfenen, d.h. den Frevlern abgrenzt. Die in 4b geforderte Treue zum einmal gegebenen Schwur hat zwar eine Parallele in Ps 244, verweist aber im Sprachgebrauch auf die nachexilische Zeit. Die erste Zeile von 5 scheint zu den negierten Verbalsätzen von 3 zurückzukehren. Allerdings fehlt die Betonung des Nächsten wie in 3, und vor allem wechselt das Interesse von allgemeinen, die Zucht in der Rede hervorhebenden Sätzen zu konkreten Maximen sozialen Verhaltens (Zinsnahme und Bestechung), die aus den Gesetzeskorpora des Pentateuch geläufig sind. Aus diesen Gründen werden 4 und die erste Zeile von 5 für eine nachexili­ sche Erweiterung gehalten. Eine exilische Redaktion hat Ps 15 hinter die Armengebete Ps 11-14 einge­ stellt. Jetzt greift Ps 15 deren Nöte und Klagen auf und wendet sie ins Positive. Die Leitfigur desjenigen, der das Rechte tut, ist der Gegenspieler des »Übel­ täters« (vgl. Ps 56-13 144-5 36IU3). Den Übeltäter trifft im Tempel »Furcht und Schrecken« (145), der Gerechte hat freien Zugang (152ff). Die Anfechtungen des Armen aus Ps 113 122-4 141-3 werden durch den Gerechten widerlegt. Der Nachbarpsalm 16 besitzt zwar punktuelle Anspielungen an Ps 15, ihm fehlt aber dessen Tempelperspektive. Über Ps 16 hinweg ist von Ps 15 eine Brücke zu schlagen zum Bittgebeteines Gerechten in Ps 17 (vgl. die Unschuldsbeteue­ rung 17ws.o. und die Tempelperspektive in 178 M). MitPs 151-3-5* entwirft die exilische Redaktion das Leitbild des Beters für die Psalmen 15-24. Die nach­ exilische Redaktion identifiziert ihn in 154-5* als Mitglied der Gruppe der JHWH-Fürchtigen.

15' [Ein Psalm Davids.] Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt, wer darf weilen auf deinem heiligen Berg? 2 Der makellos lebt und das Rechte tut; / der von Herzen die Wahrheit sagt

2f: 123-5

106 3

DIE PSALMEN

Ps 15

und mit seiner Zunge nicht verleumdet, der seinem Freund nichts Böses antut und seinen Nächsten nicht schmäht;

4 der den Verworfenen verachtet, doch alle, die den Herrn fürchten, in Ehren hält; der sein Versprechen nicht ändert, das er seinem Nächsten geschworen hat; 5 der sein Geld nicht auf Wucher ausleiht und nicht zum Nachteil des Schuldlosen Bestechung annimmt.

Ex 2224 238

Wer sich danach richtet, der wird niemals wanken. 3

5

EÜ übergeht das zweite »und«. EÜ geht mit der Abfolge von Asyndese, Asyndese, Syndese frei um und schaltet das Tempus (Vergangenheit) mit dem von 2 (Präsens) gleich. Der erste Satz heißt wörtlich: Der Verworfene ist in seinen Augen verach­ tet. Der Versteilb wird nach G frei übersetzt. Die traditionelle Textkritik stellt für diesen schwierigen Versteil zwei Möglichkeiten zur Wahl: mit G zu konjizieren (so EÜ) oder es beim MT zu belassen und ihn als Breviloquenz von Lev 54 zu verstehen: Er hat (unbesonnen) zu (seinem) Scha­ den geschworen und ändert nicht. Letztere Möglichkeit ist die sparsa­ mere und deswegen vorzuziehen. Beide Leseweisen zielen auf die Verläß­ lichkeit des Schwurs. EÜ nivelliert in der ersten Zeile wieder die Vergangenheit durch Rück­ zug aufs Präsens.

Überscbriß *: Der Struktur nach bil­ den die Überschriften der Ps 15-17 eine Gruppe. Eine wechselnde Gat­ tungsangabe (hier: Psalm) mit der Autorenangabe. Eingangsfrage 1: Die Doppelfrage er­ bittet Auskunft über den Menschen, der sich bei JHWH im Bereich des Tempels aufhalten darf. Die beiden Verben für den Aufenthalt (Gast sein, weilen) haben synonyme Bedeutung. Für die synonyme allgemeine Bedeu­ tung der Verben sprechen die Paral­ lelen in Ps 55 615 sowie die metaphori­ sche Verwendung der Zeltterminolo­ gie. Die Bezeichnungen des Aufent­ haltsortes mit »Zelt JHWHs« und »heiliger Berg JHWHs« gehören zur

alten variationsreichen Benamung des Jerusalemer Tempels, d.h. der Zionstradition. »Zelt JHWHs« ist eine archaisierende Metapher (vgl. Ps 275f 615 7860). Der »heilige Berg JHWHs« erinnert an die erhöhte Lage der Kultstätten. Für Israel ist der Zion zum heiligen Berg schlecht­ hin geworden (Ps 35 433 482f). Erster Teil der Antwort 2: Die Ant­ wort beschreibt Satz für Satz den zum Heiligtum zugelassenen Ge­ rechten. Er »wandelt vollkommen«. Diese allgemeine Charakterisierung hat strikt genommen nur eine direkte Parallele in Spr2818. Deutlich sicht­ bar liegt der Einfluß weisheitlicher Sprache vor, die über die Bittgebete

Ps 15

DIE PSALMEN

des Gerechten (Ps 7 26) Eingang in den Psalter gefunden hat. Er »tut das Rechte« ist eine singuläre Formulie­ rung. Sie wird verständlich als Ge­ genbegriff zu dem weiter verbreiteten »Übeltäter« (Ps 56 144 283 3613). Er »sagt von Herzen die Wahrheit«. Gemeint ist ein wahrhaftiges Reden aus lauterer Gesinnung, wie es die Parallele Spr 1528 schildert und vor allem der Axmenpsalm 122f im Nega­ tivbild darstellt. Zweiter Teil der Antwort 3: Der zweite Teil führt vergangene Einzel­ taten auf, die der Gerechte sich nicht hat zuschulden kommen lassen. Der erste Satz beschreibt selten bildreich die Verleumdung »jemandem auf sei­ ner Zunge hinterherlaufen« (nur noch in Sir 514). Der Sache nach bie­ tet wiederum Ps 123-5 das passende Gegenbild. Der zweite Satz drückt sich wieder singulär und ohne direkte Parallelen aus. Das unspezifische »Böses tun« versteht sich am besten als Gegenformulierung zu dem allge­ meinen »keiner, der Gutes tut« aus Ps 141-3. Auch der dritte Satz findet keine direkten Parallelen. Die beiden Begriffe für den Nachbarn »der Nächste« und »der Nahestehende (d. h. Verwandter oder Freund)« sind hier synonym zu nehmen. Auffällig ist die Betonung des Nächsten, wie sie im Zusammenhang falschen Re­ dens auch in Ps 123 283 begegnet. Der zweite Teil der Antwort knüpft an den ersten Teil an und verstärkt des­ sen Interesse am wahrhaftigen Re­ den. Negative Erfahrungen des Be­ ters bilden den Hintergrund. Dritter Teil der Antwort4-5: Das erste Satzgefüge zielt auf die richtige Ab­ grenzung in der (nachexilischen) Ge­ meinde. Der Gerechte soll sich zu den Frommen schlagen und die Sün-

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der meiden. Die JHWH-Fürchtigen sind eine in den Psalmen beliebte Gruppenbezeichnung von jeweils un­ terschiedlichem Umfang (vgl. [Ps 58] 2224 26 2 512.14 3 1 20 3318348 .0)

4b drückt sich wieder sehr knapp aus. Der Gerechte bricht seinen Schwur nicht. Hier meldet sich in Analogie zu Lev 54 Num 302-16 eine Sorge zu Wort. Das einmal beeidete Verspre­ chen ist unbedingt einzuhalten. In 5 nimmt der erste Verbalsatz das für Is­ rael signifikante Zinsverbot auf. Di­ rekte Parallelen bieten Ez 18813 Lev 2537. Die Gesetzeskorpora wie die prophetische Kritik sehen im Zinsnehmen einen Verstoß gegen die Solidarität des Gottesvolkes. Der zweite Verbalsatz in 5 nimmt das Be­ stechungsverbot aus dem Kontext der Richterspiegel auf (vgl. Ex 238 Dtn 10171619 Ez 2212 Spr 1723). In sei­ ner ausführlichen Abzweckung zum Schutz des Schuldlosen kommt5 der Fluchsatz aus der Fluchreihe Dtn 2725 am nächsten. Der ganze dritte Teil der Antwort gibt dem Ge­ rechten das Profil eines wahren JHWH-Frommen der nachexilischen Gemeinde. Abschließende Verheißung 5: Der partizipiale Vordersatz faßt alle ein­ zelnen Charakterisierungen des Ge­ rechten zusammen. Wer sich so ver­ hält, dem wird zugesichert, daß er niemals wanken wird (vgl. Ps 135 168 175 218 307). Der weisheitliche TunErgehen-Zusammenhang kommt voll zum Tragen wie in Spr IO25-30 123. Im Unterschied zu Ps 245 (vgl. auch Jes 3316) fehlt der Verheißung jegli­ ches kultisches Kolorit. In seiner Lehre vom kultfähigen Gerechten verzichtet der Psalm völlig auf ritu­ elle Vorschriften (vgl. etwa Ez 186) und konzentriert sich ausschließlich auf das Ethos. Frank-Lothar Hossfeld

: ;

Ps 16

108 PSALM 16 BITTE UM DAS GLÜCKEN DES LEBENSWEGES

Der Psalm ist gattungsmäßig schwer einzuordnen. Weil der Beter in 2-4 sein Bekenntnis zu JHWH so entschieden mit einer Abschwörung an andere Göt­ ter und Kulte verbindet, wird der Psalm nicht selten als »Bekehrungspsalm« oder als »Bekenntnislied« eines JHWH-Gläubigen, der sich von eigener göt­ zendienerischer Vergangenheit oder von seiner synkretistischen Umgebung distanziert, bezeichnet. Wegen der im Psalm angesprochenen Heilsgegenwart JHWHs im Tempel wird er von anderen Auslegern als »Bitte um Tempelasyl« oder als Bitte um Weiterwirken der im Tempel erfahrenen Gottesnähe auch »draußen« im Alltag, insbesondere angesichts der Angst vor Krankheit (7: Nie­ renleiden?) und vor plötzlichem Tod (9_10), gedeutet. Da der Psalm insgesamt von Vertrauensaussagen bestimmt ist, wird er oft als »individuelles Vertrau­ enslied« verstanden, in dem ein Levit das Glück bezeugt, daß er durch seine Teilnahme am Jerusalemer Tempelkult immer wieder mystische Gottesge­ meinschaft erleben darf; oder der Psalm gilt deswegen in einem allgemeinen Sinn als »Gedicht eines glücklichen Menschen, der sein Glück allein von Gott erhält.« Aufgrund einer bestimmten Lesart der schwierigen Verse 3-4 (s. u.) und mit Blick auf 10 wird der Psalm sogar (kollektiv) auf das frühnachexilische Is­ rael hin ausgelegt, das mit dem Psalm seiner Freude über die Wiederherstel­ lung der Gemeinde Ausdruck verleiht. Achtet man auf Struktur und Sprechdy­ namik des Psalms, kann man ihn am ehesten als Bittgebet eines einzelnen bezeichnen, der inmitten tiefsitzender Lebensangst anTseiner fundamentalen Op­ tion für JHWH als seinem persönlichen Schutzgott festKält und von ihmdas Glücken seines Lebensweges erKofft. Auch wenn die textlich schwierigen Verse 3-4 thematisch, syntaktisch (siehe die Auslegung) und sogar semantisch eng an lb~2 anschließen (die eigenartige singularische Formulierung in H »ein anderer/fremder« [sc. Gott] - die EÜ über­ setzt pluralisch - greift auf die Anrede »o Gott« in ,b zurück und hat vermutlich Ex 3414 zum Vorbild), so ist aus folgenden Gründen doch wahrscheinlich, daß sie eine spätere Erweiterung sind: 1. Die in 3-4 zur Sprache kommende kulti­ sche Dimension (Opfer, Anrufung des Gottesnamens) spielt im übrigen Psalm keine Rolle; 2. nur die beiden Kola 3b und 4c sind mit we »und« eingeleitet; 3. die Verse unterbrechen den engen Zusammenhang zwischen 2 und 5_*; 4. von der durchgehenden Parallelismusstruktur des Psalms (die betont am Anfang und am Schluß gesetzten Dreizeiler ausgenommen!) weicht der Dreizeiler 4 ab. Daß und warum 3-4 eingefügt wurde, ist andererseits gut ersichtlich: Nach der Lesart der EÜ wird das Bekenntnis zur Exklusivität JHWHs doppelt wei­ tergeführt, sowohl als Bekenntnis zur Gemeinde als auch als Absage an JHWH-widrige Kulte; beides ist für die spätnachexilische (hellenistische) Zeit typisch; liest man 3-4 insgesamt als abrenuntiatio, ist der Bezug zu den Verhält­ nissen, wie sie in Jes 576 vorausgesetzt sincT^ocb^leutlicber. Das beterische GescKeben des Psalms stellt sich so dar: Auf die begründete Bitte um Schutz auf dem Lebensweg lb, die durch das Bekenntnis zu JHWH 2 und zur Gemeinde 3 (so nach der Lesart der EÜ) sowie durch die Absage an andere Götter4 verstärkt wird, folgt die Schilderung einer zweifachen Gottes­ erfahrung, nämlich die von JHWH als Lebensraum 5-6 (Leben als zufallende Gabe) und die von JHWH als Lebenslenker7-8 (Leben als Auf-Gabe). Aus ihr

1

DIE PSALMEN

Ps 16

109

9-10

bekennt, die Hoffnung, daß solches Leben letztlich in der erwächst, wie Hand JHWHs bleibt (Leben als dankbar angenommene Gabe). Mit der Vision vom Lebensweg in der heilvollen Gegenwart des guten Königs JHWH kommt der Psalm in 11 zu seinem kulminierenden Abschluß. Ob der Psalm in 9-11 wie zahlreiche andere Psalmen »nur« die Hoffnung auf Rettung aus tödlicher Ge­ fahr bzw. auf Bewahrung vor einem allzu frühen Tod formuliert oder ob er, ähnlich wie die Psalmen 49 73, zu der Hoffnungsbotschaft vorstößt, daß JHWH seine Frommen sogar im Tod nicht verlassen wird, indem er die im Le­ ben gewachsene Gottesgemeinschaft endgültig und voll Wirklichkeit werden läßt, ist unter den Auslegern kontrovers; unsere Auslegung votiert für die zweite Deutung. Als Zeugnis der »persönlichen Frömmigkeit«, durch seine individualisierende Aktualisierung der Gotteserfahrung des Volkes und durch seine Todestheolo­ gie erweist sich der Psalm als in jedem Fall nachexilisch; in diese Richtung weist auch das weisheitliche Kolorit (2b: »mein Glück«; 7-8: Vorstellung vom Lebensplan und von der nächtlichen Erziehung; 11: »Lebensweg«). Auch die Bezüge von 3-4 zu Tritojesaja und zu dtr Jer bestätigen diese Datierung. Innerhalb des Davidpsalters 3-41 gehört Ps 16 in den Zusammenhang Ps 15-24 (vgl. die Einleitung). Aus Ps 15 führt er die beiden Verben säkan (»wohnen«, EÜ »weilen«: 151) und möf (»[nicht] wanken«: 155) sowie beson­ ders das Thema »Lebensweg« (152 »der makellos wandelt«; EÜ »der makellos lebt«) weiter (168b 9b Ma). Vor allem will Ps 16 mit den Psalmen 17 und 18 als ein übergreifender Textzusammenhang (allgemeine Bitte um Lebensschutz konkrete Bitte um Rettung - Dank für Lebensschutz und Rettung) gelesen werden, worauf zahlreiche Stichwortbezüge hinweisen. Ps 16 und Ps 17 sind so stark miteinander verwoben, daß der jüngere Ps 16 möglicherweise mit Blick auf Ps 17 formuliert wurde und grundsätzlicher als dieser das Leben des Frommen mit seinem Gott (1610) bedenken wollte; er ist gezielt zwischen 15 und 17 eingefügt. Im Komplex 15-24 hat Ps 16 sein theologisches »Pendant« in Ps 23 (vgl. besonders 162 mit 236 und 16*1 mit 2336). 161 [Ein Lied Davids.] Behüte mich, Gott, denn ich vertraue dir. / 2 Ich sage zum Herrn: »Du bist mein Herr; mein ganzes Glück bist du allein.«

7325

3 An den Heiligen im Lande, den Herrlichen, an ihnen nur hab’ ich mein Gefallen. 4 Viele Schmerzen leidet, wer fremden Göttern folgt. / Ich will ihnen nicht opfern, ich nehme ihre Namen nicht auf meine Lippen. 5 Du, Herr, gibst mir das Erbe und reichst mir den Becher; du hältst mein Los in deinen Händen. 6 Auf schönem Land fiel mir mein Anteil zu. Ja, mein Erbe gefällt mir gut. 7 Ich preise den Herrn, der mich beraten hat. Auch mahnt mich mein Herz in der Nacht.

235 7326

110

DIE PSALMEN

Ps 16

!

8 Ich habe den Herrn beständig vor Augen. Er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht. 9 Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele; auch mein Leib wird wohnen in Sicherheit. 10 Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis; du läßt deinen Frommen das Grab nicht schauen.

8-11: Apg 225“28

Apg 231 1335

n Du zeigst mir den Pfad zum Leben. / Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.

254

2*

MT »du sagst» (2.P Sg fern): Die Masoreten denken mit dieser Vokalisation an Israel als Frau bzw. Dienerin Gottes. Targum ergänzt: »Du meine Seele hast gesagt« (vgl. 9_,°). EÜ ändert MT (mit guten Gründen) : »Ich sage (hiermit)« (vgl. Ps 3115 1407 1426). 5-4 Der überlieferte Text ist nicht ohne Eingriffe übersetz- und verstehbar. Dies hat eine Flut von Hypothesen ausgelöst, die hier nicht diskutiert werden können. EÜ setzt gegenüber MT folgende Textänderungen vor­ aus: 3b 'addirim statt ’addire; 4a ’aherm statt 'aber. In 4a fügt EÜ zur Ver­ deutlichung »Göttern« ein; in 4b wird zu blaß übersetzt, in MT steht: »nicht will ich ausgießen ihre Trankopfer aus/von Blut.« 5a Wörtlich: »JHWH, du (bist) die Portion meines Anteils und meines Be­ chers.» 5b In MT ein Nominalsatz; da von der Parallelismusstruktur her wie in 5a so auch in 5b eher die Aussage zu erwarten wäre, daß JHWH das Los des Be­ ters ist und nicht dessen Geber oder Halter (EÜ trägt »in deinen Händen« ein!), schlagen manche Ausleger eine kleine Textänderung vor: tämfdstatt tomik»du (bist) für immer mein Los« (tämidauch in 8a: EÜ »beständig«). 6b EÜ »mein« ergänzt nach G und S; MT könnte als Sonderform »dieses Erbteil« beibehalten werden. 7b EÜ »mein Herz«, wohl in glättender Absicht für H »meine Nieren« (Le­ benszentrum!). 9a MT »es frohlockt meine Herrlichkeit« (k'bödi). Da im Kontext die an­ thropologischen Begriffe »Herz«, »Fleisch« (EÜ: »Leib«), »Seele«, »Nie­ ren« stehen, nimmt EÜ (mit vielen Auslegern) an, daß statt k'bödi ur­ sprünglich k'bedi»meine Leber« = »mein Inneres, meine Seele« zu lesen ist.

Überschrift,a: miktam in Verbindung mit lfdäwid findet sich auch über den fünf Davidpsalmen 56-60. Die Be­ deutung ist unklar. Die Rabbinen deuten von kcetcem »Gold« her: gol­ denes Gedicht, Kleinod (wegen sei­ nes Inhalts). Andere Möglichkeit: von htm »verbergen« her als »Ge­ heimnis«, d.h. »Mysterienlied« (vor allem mit Blick auf 9_M) oder als »ver­

borgen und leise zu sprechendes Ge­ bet«. Im Anschluß an G: »Inschrift« (vgl. Jes 389: miktab als Überschrift des Danklieds Hiskijas; miktam dann entweder Sonderform oder von ktm »eine Inschrift anbringen« Jer 222?). Für die Deutung (unauslöschbare) »Inschrift« könnte die zusätzliche Angabe in den Psalmen 57 58 59 »Nach der Weise >Zerstöre nicht!«

jj

Ps 16

DIE PSALMEN

»Lösche nicht aus!_7: Die Ordnung der Zeiten wird im zweiten Abschnitt

Ps 19

DIE PSALMEN

am Sonnenlauf visuell konkretisiert. Die Präferenz für den hellichten Tag setzt sich fort in der Wahl des vor­ nehmsten Gestirns als Beispiel. Der ehemalige Sonnengott ist zur Kreatur des Schöpfergottes depotenziert. Das Firmament hat seinen Charakter ge­ wandelt. Es besteht aus leichtem Stoff, der wie ein Zelt über der Erde ausgespannt ist (vgl. Jes 402,f 425 4424 4512 5113 Jer 1012 Sach 121 Ijob 98 Ps 1042). Die Bahn der Sonne wird in ih­ rem vollen Umlauf erfaßt: Von ihrem Aufgang am östlichen Horizont, wo Himmel und Erde sich berühren, zu ihrer Tagesreise über oder am Him­ mel entlang, bis zu ihrem Untergang am westlichen Horizont. Die Nacht­ fahrt wird in 6b nur angedeutet. Die Metapher des Bräutigams erinnert daran, daß dem Sonnengott eine Braut und Gemahlin beigegeben wurde. Hier hat sie die mythische Verbindung abgestreift und assozi­ iert vor allem »strahlende Schönheit und jugendliche Frische«. Mit der morgendlichen Epiphanie der Sonne verbindet sich nicht nur ein neutraler Wechsel der Zeiten, sondern auch der siegreiche Übergang der Sonne vom Bereich des Chaos (Finsternis, Unheil, Tod und Unterwelt) zum Be­ reich des Kosmos (Helligkeit, Heil, Leben und Welt der Lebenden). 7b fängt zuerst einmal die spezifisch ori­ entalische Erfahrung ein, daß die Sonne zur Zeit der Mittagshöhe die Welt in Glut versetzt (vgl. Sir 431"5). Über die Assoziationskette von Licht-Augen-Sehen-Wissen wird der Sonnengott zuständig für die Wah­ rung des Rechts. Indem der Hymnus in der Richterfunktion der morgend­ lichen Sonne kulminiert, bereitet er den nachfolgenden dritten Abschnitt, den Torahymnus, vor. Der Torahymnus 8-11: Vom Varia­ tionsreichtum und von der umfassen­ den Bedeutung der beschriebenen Sa­

133

che (Willensoffenbarung JHWHs) her ist Ps 119 die nächste Parallele. Fünf Begriffe haben beide Psalmen gemeinsam: törä »Weisung« - ein zusammenfassender Gesetzesbegriff vor allem aus der dtn-dtr Literatur; 'edüt »Zeugnis« bzw. Gesetz - ein Leitbegriff priesterlicher Literatur zur Bezeichnung der Abmachungen zwi­ schen JHWH und seinem Gottesvolk; piqqüdim »Befehle« - ein Begriff, der auf die Autorität des Gesetzge­ bers abhebt; miywä »Gebot« - ein Begriff für Einzelanordnungen wie auch Sammelbegriff für Gesetzeskor­ pora; mispäffm »Urteile« bzw. Ent­ scheidungen - ein Begriff, der im Kontext von Gesetzgebung die von einer Autorität erlassenen Rechts­ sätze beinhaltet. Aus der Reihe tanzt die jirat JHWH »Jahwefurcht« in 10; weil ihr genetivus objectivus (Furcht vor JHWH) dem genitivus subjectivus der Nachbarbegriffe wider­ spricht. Die »Jahwefurcht« ist so zum Inbegriff der Weisheit geworden (vgl. Spr l7 910 u. ö.), daß die Aspekte menschlich-religiöser Haltung nicht mehr durchschlagen und der weisheitliche Begriff in die Kette der Ge­ setzestermini aufgenommen werden kann. Alle sechs Begriffe haben mehr oder minder stark legale Bedeutung; sie betonen den einfordernden, ver­ pflichtenden Charakter der Gesetzes­ offenbarung im Unterschied zur Wortoffenbarung der Herrlichkeits­ kunde. Die Nominalsätze im jeweils ersten Kolon machen Wesensaussagen über die Tora. Die dort der Tora zuge­ sprochenen Eigenschaften charakte­ risieren sonst das göttliche und menschliche Wort (verläßlich 8b, lau­ ter 9b, wahr ,ob) oder bezeichnen kul­ tische (rein ,0a) und ethische (voll­ kommen 8a, richtig 9a) Qualitäten. Die Appositionen im jeweils zweiten Kolon schildern die Wirkungen der Willensoffenbarung. Die Schlußkoda

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134 11 läßt den Hymnus in zwei sich stei­ gernde Vergleichspaare münden (Gold, Feingold - Honig, Wabenho­ nig), die die Kostbarkeit der Tora be­ schreiben. Die Tora in 8-11 umfaßt die gesamte Willensoffenbarung JHWHs. Diese wird auf zweifache Weise der Weis­ heit angenähert: Wie die Weisheit spricht sie den ganzen Menschen an mit seinem Erkenntnisvermögen, sei­ nem Willen, seiner Lebenskraft. Was von den Wirkungen gilt, gilt auch beim Wesen: Weisheit und Tora wer­ den identisch. Insgesamt bietet der Grundpsalm 192-n eine weisheitliche Zusammen­ schau von Schöpfung und Willensof­ fenbarung JHWHs. Die seit Schöp­ fungsbeginn sich im stetigen Lauf der Gestirne (Sonne) manifestierende Ordnung der Zeiten setzt sich fort in der das menschliche Leben fördern­ den Tora. Der Denkhorizont des Grundpsalms verweist auf die späte Weisheit, insbesondere auf die älte­ ren oder zeitgleichen Spr 8 und Ijob 28 und die späteren Parallelen Ps 11989-96 und Sir 24.

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Das Bittgebet des Torafrommen 12-14. Der Beter bezeichnet sich in ,2a als »Knecht« JHWHs (z.B. Ps 279 119 passim). Die Beziehung zur Tora wird distanzierter. Ihre Belehrung kann sowohl erleuchten als auch war-

Ps 19 nen. I2b trägt den Tun-Ergehen-Zusammenhang ein. Der Toragehorsam verspricht reichen Lohn; nach Spr 224 heißt das: Reichtum, Ehre, Leben. Hinter 13 steht priesterliche Sünden­ theologie, die zwischen wissenschaft­ lichen und unwissenschaftlichen Ver­ gehen unterscheidet (Lev 413 Num 1522 vgl. Ps 1192i n8). 14 zieht die Linie von 13 aus und betont die Schwäche und Verführbarkeit des Beters wie Ps 1 1921 122 134. Jetzt geht es um wissentliche Sünden, die durch den Druck und die Verführung von Sündern zustande kommen und den Beter zum Mitläufer machen. JHWHs Vergebung und Schutz be­ wirken die erbetene Vollkommenheit und Schuldfreiheit. Die Widmung 15 verquickt Opferter­ minologie (»Wohlgefallen« und »vor deinem Angesicht«) mit Bezeichnun­ gen für den ganzen Psalm (»Worte meines Mundes« und »Erwägung meines Herzens«, vgl. Spr 1528 2 42 Ps l2 494) zu einer Weiheformel mit spiritualisierendem Kultverständnis (Ps 5119 6931 1 19108 1412). Die Schlußan­ rufung JHWHs in I5b verbindet zwei Titel, die so nur noch Ps 7 8 35 zusammenspannt. Der eine (»Fels«) stammt aus der Psalmensprache, der andere (»Erlöser«) zeichnet die Heilsansage Deuterojesajas aus. Frank-Lothar Hossfeld

Ps 20

135 PSALM 20 BITTE UM DIE RETTUNG DES KÖNIGS

Da nach Meinung mancher Kommentatoren eine aktuelle Kriegsbedrohung im Psalm kaum erkennbar sei, deuten sie den Psalm als kultisches Bittgebet für einen König bei dessen Inthronisation oder bei der Jahresfeier (zum Herbst­ fest) seiner Amtsübernahme. Es gibt sogar Versuche, den Psalm 20 zusammen mit dem Nachbarpsalm 21 (zu den Stichwortbezügen zwischen beiden Psal­ men s.u.) fest in den Ablauf einer Inthronisationsliturgie einzufügen. Diese Auslegungsrichtungen verbinden den Psalm von Anfang an mit der Institution des Jerusalemer Königtums, weshalb der Psalm aus vorexilischer Zeit hergelei­ tet wird. Daneben gibt es Versuche, den Psalm kollektiv als nachexilisches Bittgebet der »königlichen Gemeinde« bzw. für diese zu deuten. Immerhin wurde der Psalm so in der nachbiblischen jüdischen Tradition gelesen. Eine genauere Analyse des Psalms kann diesen kaum als ursprüngliche Text­ einheit begreifen. Zunächst einmal ist auffallend, daß 7 sich einerseits sprach­ lich am übrigen Psalmtext inspiriert, aber andererseits dennoch abweichende theologische Akzente setzt: Gegenüber3 hört JHWH nicht vom Heiligtum auf dem Zion, sondern von seinem heiligen Himmel her und außerdem »schickt er nicht seine Hilfe«, sondern sein rettendes Handeln erfolgt nun mit seiner Rechten. Im Vergleich zu 10b (»König« ohne Suffix) scheint die Beziehung zwischen »JHWH im Himmel« und »seinem Gesalbten« in 7 enger zu sein und stärker der altorientalischen Königstheologie zu entsprechen (vgl. Ps 2 45), wonach der König »ex opere operato« an Gottes Stelle handelt, während 2-5 den König sogar von der Bitte seines Volkes abhängig macht. Schließlich weicht der Vers von der den Psalm sonst prägenden Parallelismusstruktur ab (EÜ glättet hier den Text, indem sie in 7d ein Verbum einfügt!). Die Sonderstellung läßt sich nicht mit einer »Orakelhypothese« erklären, da sprachlich gar kein solches vorliegt, sondern ein in Ich-Form gestaltetes Bekenntnis des Ver­ trauens (vgl. die ähnliche Bedeutung von jädati»ich habe erkannt« [EÜ: »ich bin gewiß«]: Ex 18n Ri 1713 Ps 4112 5610 1355); dann aber stellt sich die Frage, wer überhaupt das hier redende Ich ist. Ein weiteres Problem hinsichtlich der ursprünglichen Fassung des Psalms ist 6c. Das Kolon, das isoliert nach dem schönen Parallelismus-Gefüge2_6b folgt, überrascht als Bitte insofern, als diese nach den Bitten2-5 und nach dem Lobgelübde 6ab »überschießt« und weil sie an­ dererseits das Verbum ml' pi. »erfüllen« aus 5b (EÜ übersetzt inkonsequent!) wiederholt. Diese Besonderheiten von 6c und 7 lassen sich gut erklären, wenn man sie als Erweiterungen deutet, die das vorexilische Bittgebet mit den Nach­ barpsalmen 18 und 21 in Beziehung setzen wollen. Das Ich von 7 ist dann der Gesalbte JHWHs selbst, der 1851 aufgreift (vgl. die Stichwortaufnahmen!), aber auch zugleich die in Ps 21 bezeugte Hilfe JHWHs im Blick hat. Darüber hinaus wird mit 6c das Motiv der »Königsbitte«, die in Ps 21 die rettenden »Machttaten« JHWHs auslöst (vgl. die Stichwortverbindungen /»fragen, bit­ ten« 206c 215; g'büräh »Machttat« 207d 2114b), ausdrücklich in unseren Psalm eingeführt: Der Gesalbte, der im Kontext der spätexilischen Komposition Ps 15 17 18 20 21 22 24 (vgl. die Einleitung) Leitbild »des Gerechten« ist, wurde gerettet, weil auch er selbst darum gebetet hat. Da im jetzigen Textzusammen­ hang vor dem »messianischen« Ps 20 der nachexilische Tora-Psalm 19 steht (vgl. den Schluß von Ps 19 mit 205), müssen auf der Ebene des Endtextes die in

136

DIE PSALMEN

Ps 20

* genannten Bitten des Königs als Bitte um ein Leben nach der Tora (vgl. das dtn Königsideal Dtn 1714-20!) gelesen werden. Die Grundfassung des Psalms ist, falls unsere Hypothese hinreichend plausibel erscheint, ein zweiteiliges Gebet für den König: 2-5 ist Bitte (Adressat: König; Sprecher: nicht bestimmt), 6ab8~10 ist Bekenntnis mit abschließender Bitte (Adressat: JHWH; Sprecher: »Wir«). Wegen der stark militärischen Konotationen dürfte der Psalm für Zeiten kriegerischer Bedrohung verfaßt sein; seine formularhafte Allgemeinheit spricht dagegen, das Gebet ursprünglich mit ei­ nem besonderen kultischen Anlaß (z.B. Inthronisation) zu verbinden. Seine Theologie erinnert an die vorexilische Königskonzeption von Ps 18 und an die Erzählungen von der Hilfe JHWHs für David bei seinen Kriegen mit den Nachbarn (vgl. besonders 2 Sam 86,3)* an die dtn Kriegstheologie (vgl. 8f mit Dtn 201), an die dtn »Namenstheologie« und an die kriegerische Namenstheo­ logie der spätvorexilischen Grundfassung von Ps 44 (siehe die Auslegung die­ ses Psalms). Daß »der Gott Jakobs« sich vom Zion aus bzw. am Zion dadurch als »Felsenburg« erweist, daß er die Feinde entwaffnet bzw. daß er Pferde und Wagen erschreckt, wird (allerdings ohne Bezug auf den König) in den »Zion­ liedern« 46 76 entfaltet (vgl. besonders 2b mit 46812 sowie 8 mit 767). Die Diskussion über die Entstehung von Ps 20 ist neuerdings durch den 1982 erstmals übersetzten (freilich schon 1944 edierten) aramäischen »Papyrus Amherst« (in demotischer Schrift) neu angestoßen worden. Auf dem bislang un­ terschiedlich datierten (Mitte des 1. Jt. v. Chr.?) in Ägypten gefundenen Papy­ rus findet sich u.a. auch ein Bittgebet (Pap. Amherst 63,12.11-19), das sich in Aufbau und Wortwahl so stark mit der oben herausgearbeiteten vorexilischen »Grundfassung« von Ps 20 berührt, daß diese Gemeinsamkeiten kaum zufällig sein können. Wie der Zusammenhang der beiden Texte zu sehen ist, wird der­ zeit unterschiedlich beurteilt. Drei Modelle werden vertreten: 1. Ps 20 hängt vom Text des Pap. Amherst ab. 2. Der Text des Pap. Amherst hängt von Ps 20 ab. 3. Beide Texte hängen von einer gemeinsamen (uns nicht bekannten) Vor­ lage ab. Unsere Analyse von Ps 20 schließt Modell 1 aus; sie spricht eher für Modell 2.

201 [Für den Chormeister. Ein Psalm Davids.] Spr 1810



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213 374

1831

2 Der Herr erhöre dich am Tage der Not, der Name von Jakobs Gott möge dich schützen. 3 Er sende dir Hilfe vom Heiligtum und stehe dir bei vom Zion her. 4 An all deine Speiseopfer denke er, nehme dein Brandopfer gnädig an. [Sela] 5 Er schenke dir, was dein Herz begehrt, und lasse all deine Pläne gelingen. 6 Dann wollen wir jubeln über deinen Sieg. / im Namen unseres Gottes das Banner erheben. All deine Bitten erfülle der Herr. 7 Nun bin ich gewiß: der Herr schenkt seinem Gesalbten den Sieg;

Ps 20

DIE PSALMEN

137

er erhört ihn von seinem heiligen Himmel her und hilft ihm mit der Macht seiner Rechten. 8 Die einen sind stark durch Wagen, die andern durch Rosse, wir aber sind stark im Namen des Herrn, unseres Gottes. 9 Sie sind gestürzt und gefallen; wir bleiben aufrecht und stehen. 10 Herr, verleihe dem König den Sieg! Erhör uns am Tag, da wir rufen! 2b 3b 4b 5a 5b 7a 7b 7d 8

Wörtlich: »... stelle dich auf eine uneinnehmbare Anhöhe/Felsenburg.« Wörtlich: »... er stütze dich.« Wörtlich: »Er erkläre dein Brandopfer für fett.« Wörtlich: »Er gebe dir gemäß deinem Herzen.« Wörtlich: »er erfülle« (das gleiche Verbum wie 6c). Wörtlich: »Nun aber habe ich erkannt.« Das gleiche Verbum js hi. »retten, den Sieg geben« wie in ,0a. Im Hebr steht kein Verbum. EÜ korr nach G; MT ist beizubehalten: »Die einen (setzen auf) Streitwa­ gen, die anderen auf Pferde, wir aber rufen den Namen JHWHs, unseres Gottes an.«

Überschrift *: Vgl. zu Ps 41. Bittefiirden König2_6: Die den Psalm eröffnende und beschließende Bitte, die mit dem Verbum 'änäh »erhören, antworten« gebildet ist, zielt nicht, wie von den Vertretern einer zu en­ gen kultischen Deutung des Psalms angenommen wird, auf die Kund­ gabe des Gotteswillens durch ein Orakel (zu dieser Bedeutung von 'änäh vgl. 1 Sam 1437 286-15), gar im Zusammenhang mit den in 4 genann­ ten Opfern (Orakel durch Einge­ weide- oder Leberschau). Einerseits bezieht sich 4 nicht (allein) auf eine aktuelle Opferdarbringung, sondern appelliert an JHWH, er möge den König als den (de iure, wenn auch nicht de facto) obersten Priester des Jerusalemer Tempels nicht im Stich lassen, sondern alle seine Opfergaben (tninbäh Oberbegriff für alle Arten von Weihegaben, insbesondere für die Erstlingsgaben von Tieren, Ge-

treide und Öl, vgl. Gen 44; ein Teil dieser Gaben wurde, vermischt mit Weihrauch, verbrannt, der Rest ge­ hörte dem Tempelpersonal; EÜ: »Speiseopfer«, diese enge Bedeutung hat mitihäh erst in nachexilischer Zeit) und Brandopfer ('öläh:das Op­ fertier wird ganz für JHWH auf dem Altar verbrannt, so daß nichts davon weder für den Opfernden noch für das Tempelpersona! zurückbleibt) wohlwollend annehmen und sich dem König gegenüber entsprechend verhalten (die beiden Verben in 4 ha­ ben opfertechnische Bedeutung). An­ dererseits zeigen die in 2.7.10 jeweils im Parallelismus zu 'änäh stehenden Verben, daß die im Psalm erflehte »Antwort« darin besteht, daß JHWH dem König bei seiner Aufgabe »hilft« (js hi.), das Volk aus feindlicher Be­ drohung (i/jöm färäh: vor allem in den Klagepsalmen allgemeine An­ gabe von »Not« und »Leid«, hier wohl im engeren Sinn »Bedrängnis«

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14 7,cf Dtn 20* Jdi 97 Spr 2131 Jes 31* Hos l7

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DIE PSALMEN

durch eine feindliche Invasion: vgl. 2 Kön 193 Jer 148 Ps 462) zu befreien. 2b spielt vielleicht auf Gen 353 an, wahr­ scheinlicher aber steht die im Zion­ lied Ps 46 entfaltete Theologie vom Ziongott, von dem auch in 3 die Rede ist, im Hintergrund: Der Name des Gottes Jakobs soll sich für den König als uneinnehmbare Burg erweisen (vgl. Ps 9,0 183 468-12 614 Sprl810). 3 appelliert an die spezifische Kompe­ tenz des Ziongottes (s.u. zu Ps 46), der als Schöpfergott »dem Erdkreis und allem, was auf ihm ist« Festigkeit und Unerschütterlichkeit gibt (Ps 24,f) und als solcher in besonderer Weise das kosmosstiftende Amt des auf dem Zion residierenden Königs »(unterstützt« {sä'ad »stützen«: den König im Kampf gegen die Feinde Ps 1836 2 03, den Thron bzw. die Herr­ schaft des Königs Jes 96 Spr 2028). 5 spielt auf das »Königsprivileg« an, wonach der König bei seiner Amts­ übernahme JHWH sein »Regie­ rungsprogramm« (5b »Pläne«: vgl. Jes 95) mit entsprechenden Bitten vor­ trägt (vgl. 1 Kön 3 sowie insbeson­ dere den Nachbarpsalm 213 aber auch 28a). Das auf die »messianische« Erweiterung zurückgehende Kolon u hat diese Vorstellung noch einmal eingefügt, um die in 7 formulierte »Erkenntnis« ausdrücklich als das dem messianischen König gewährte Amtscharisma zu kennzeichnen. In der »Grundfassung« bezog sich das Lobgelübde 6a auf die von JHWH er­ hoffte Rettung (6 eröffnete ursprüng­ lich ja den Abschnitt 6-8-10), wofür auch das im Parallelismus stehende Kolon 6b spricht, das den Namen des Gottes Jakobs als schützende und lei­ tende Feldstandarte (vgl. das altori­ entalische Verständnis der Feldzei­ chen als Realsymbol der mit in den Kampf ziehenden Götter) feien; von daher könnte 6a ursprünglich die Konnotation des siegesgewissen Kampfgeschreis haben. In der End-

Ps 20

fassung des Psalms ist 6a allerdings mit Blick auf die durch den König be­ wirkte Rettung (EÜ: »dein Sieg«) zu lesen. Erklärung des Königs 7: Nach dem eingangs erläutenen Gesamtverständnis spricht hier nicht ein Kult­ prophet, sondern »der Gesalbte« selbst, der im Rückgriff auf Ps 18 (vgl. besonders die Stichwortbeziehungen zum Schluß von Ps 18: »Ret­ tung, Hilfe«, »sein Gesalbter«) und in Anspielung auf Ps 21 (vgl. besonders die Stichwortbeziehung zum Schluß von Ps 21: gfbüräh:»Macht«, »Kraft« [EÜ: »siegreiche Kraft«]) seine »Got­ teserkenntnis« verkündet: Der in seinem himmlischen Heiligtum als Weltkönig thronende JFTWH hat auf dem Zion »seinen Gesalbten« einge­ setzt, damit dieser die Weltordnung durchsetzt, insbesondere im Kampf gegen alle feindlichen Mächte (vgl. Ps 2), bei dem er ihn mit Machttaten seiner »Rechten« unterstützt (die »Rechte« JHWHs als Zeichen seiner Macht bei Exodus und Landnahme: Ex 15612 Ps 444; die »Rechte« als Ret­ tung des Königs: Ps 1836). Bekenntnis mit abschließender Bitte 8-11: Pferde und Streitwagen gehör­ ten zwar seit Salomo zum militäri­ schen Potential Israels, insbesondere gehörten sie zur Substanz der könig­ lichen Gewalt, weil das Streitwagen­ korps direkt dem König unterstand, aber sie blieben zumindest für breite Kreise der Bevölkerung und beson­ ders für die Propheten ein nicht-is­ raelitisches, ja JHWH-widriges In­ strumentarium der Politik. Das mag zum einen damit Zusammenhängen, daß die Pferde und die Streitwagen aus dem Ausland (vor allem aus Ägypten: 1 Kön IO28 Jes 311_3; vgl. auch die Vernichtung von Pferden, Wagen und Reitern des Pharao in Ex 14 f als »Basismotiv« des Jahwismus!)

8f: 127

Ps 21

DIE PSALMEN

eingeführt wurden. Zum anderen drangen nach Ausweis von 2 Kön 23n offensichtlich zur Zeit des Manasse (assyrische) Orakelpraktiken ein, bei denen Pferde und Wagen (des Sonnengottes) eine Rolle spielten; Jes 27 polemisiert gegen Pferde und Streitwagen als »Götzendienst« (vgl. auch die weisheitliche Kritik an der »Streitwagenfaszination«: Spr 2131). Vor diesem Hintergrund erhält das Bekenntnis in 8, das auch 1 Sam 1745 zum Vorbild haben könnte, eine besondere zeitgeschichtliche Aktualität für die spätvorexilische Zeit; der Bekenntnischarakter wird noch schärfer, wenn der MT beibehalten wird (gegen EÜ, die G folgt!). Daß man in der Exils- bzw. Nachexilszeit das (messianische) Idealkönigtum gerade von diesen götzendienerischen »Machtsymbolen« befreit wissen wollte, bezeugt Dtn 1716. Es ist dann nur konsequent, wenn eschatologisehe Visionen der Prophetenbücher

139

davon »träumen«, daß JFTWH alle Pferde und Streitwagen vernichten wird (vgl. Mi 59 Sach 910). Die Vergangenheitsaussagen in 9 blicken zur Zeit der Entstehung des Psalms auf den Zusammenbruch des assyrischen Weltreichs94 (vgl. Nah22'14;zu94vgl. Ri 527 Ps 1839f), während das scheinbar vor Assur in die Knie gezwungene Juda sich nun wieder erhoben hat, und, um das Feldzeichen des Gottesnamens (vgl. 6b 8b) als neue »Sammlungsbewegung« geschart, aufrecht stehen bleibt. Wie der Nachbarpsalm (vgl. 2114) schließt der Psalm in 10 mit einer den Psalm resümierenden Bitte, wobei das in l0b genannte »Rufen« einerseits auf die typisch atl Vorstellung von dem Gott, der auf das Rufen eine Antwort gibt (vgl. besonders Ps 35 42 176 223 818, aber auch Ex 1919 1 Kön 18 Hos 223 149 u.ö.), anspielt, andererseits aber meint »das Rufen« auch einfach den Psalm 20 selbst. Erich Zenger

PSALM 21 DANK FÜR DIE RETTUNG DES KÖNIGS Ps 20 und Ps 21 sind in vielfacher Weise verbunden: 1. Sie sind von der glei­ chen Vorstellungswelt geprägt (der König als Sieger über die Feinde; durch den König wirkt eigentlich die Macht JHWHs; JFfWH erfüllt die Bitten »sei­ nes« Königs; Freude und Jubel über die Rettung des Königs). 2. Es gibt meh­ rere Stichwortbezüge. 3. Sie haben eine ähnliche Sprachstruktur: Sie reden in ihrem ersten Teil über den König bzw. über das Verhältnis JHWH-König, im zweiten Teil reden sie JHWH als Du an (zumindest in der Endfassung; dazu s.u.); sie schließen mit einem Imperativ und einer kollektiven Aussage/Bitte. 4. Sie lassen sich nacheinander lesen wie Bitte um Rettung des Königs in kriegeri­ scher Bedrängnis (Ps 20) und wie Dank nach erfolgter Rettung mit vertrauens­ vollem Ausblick auf die Zukunft (Ps 21); so hat offensichtlich schon die (exilische) Redaktion die Psalmen verstanden wissen wollen, als sie beide in dieser Reihenfolge hinter Ps 18 stellte und diese drei »Königspsalmen« mit den Psal­ men 15 17 22 24 zu einer Teilkomposition zusammenstellte (»der König« wird dabei zum anthropologischen Paradigma des angefochtenen, geretteten »Ge­ rechten«).

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DIE PSALMEN

Ps 21

Manche Ausleger sind der Meinung, beide Psalmen seien auch zusammen in der Jerusalemer Liturgie verwendet worden, sei es zur Zeit kriegerischer Be­ drohung (Ps 20 vor dem Auszug des Heeres, Ps 21 bei der Siegesfeier nach ge­ wonnener Schlacht), sei es im Ablauf einer Königskrönung (Ps 20 vor, Ps 21 nach dem Akt der Investitur durch einen Kultpropheten/Priester; Hinweise auf die einzelnen Riten bei der Krönung findet man in 4 [Krönung] 5 [Über­ gabe des »Königsprotokolls«]6 [Bekleidung mit dem Königsornat] und 7 [Hin­ treten des Königs vor Gottes Angesicht]), sei es bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Amtsübernahme. Diese Deutungen setzen voraus, daß der Psalm entstanden ist, als es das Königtum noch gab - also in vorexilischer Zeit. Unter d£r Voraussetzung, daß der Psalm erst eine nachexilische Komposition (aus teilweise alten Textelementen) sei, wird er auch von einigen Auslegern - wie Ps 20 (s.o.) - kollektiv verstanden, da insbesondere das pluralische »Lobge­ lübde« ,4b (Schluß des Psalms!) die »königliche« (messianische) Gemeinde im Blick habe. Daß die Psalmen 20 und 21 von ihrer Entstehung oder ihrer kultischen Ver­ wendung her ursprünglich zusammengehört hätten, ist wenig wahrscheinlich. Bei aller »Verwandtschaft« dürfen die sprachlichen und motivlichen Unter­ schiede nicht übersehen werden (die in Ps 20 zentrale Vorstellung vom retten­ den Gottesnamen fehlt in Ps 21; die Beziehung Gott - König ist in Ps 21 viel enger, während die altorientalische Königsideologie in 20 kaum spürbar ist; die für Ps 20 bestimmende theologische Spannung »rufen - erhören« ist in Ps 21 nicht erkennbar). So wird es dabei bleiben, daß Ps 21 als eigenständiger Psalm entstanden und im vorexilischen Jerusalemer Tempelkult Verwendung fand, wobei eine genauere Festlegung (Krönungsritual oder Jahresfeier der Krönung?) kaum möglich ist. Der Psalm ist kunstvoll komponiert. Von den beiden als Du-Anrede gestal­ teten Abschnitten 5-7 und 9-13 sind der Anfang 2, die Mitte 8 und der Schluß 14 strukturell und semantisch abgehoben. 2 und 8 sind Aussagen über den König, wobei er zugleich Subjekt der Sätze ist (nur in diesen beiden Versen begegnet das Nomen »König«); 14 bietet den einzigen kollektiven Bezug des Psalms; 2 und 14 sind durch die Angabe »an/in deiner Macht« sowie durch das Motiv des Jubels miteinander verbunden; schließlich steht in den drei Versen das Tetra­ gramm. Sie bilden die Rahmenstruktur, in die die beiden aus je fünf Parallelis­ men (zu 10 s. u.) gebildeten Abschnitte 3-7.9-13 eingefügt sind. Der Abschnitt 3-7 wendet sich in Du-Anrede an JHWH. Wen das in 9-13 angeredete Du meint, ist - blickt man auf die Forschungsmeinungen, die entweder für den König oder ebenfalls für Gott plädieren - offensichtlich schwerer zu entscheiden. Betrach­ tet man 9-13 als eine Einheit, so ist es nach der überlieferten Textgestalt keine Frage, daß JHWH angesprochen ist (zum schwierigen Text s. u.). Andererseits sind die in 9 und 12 formulierten »Verheißungen« nur schwer als Gottesanrede im Mund eines menschlichen Sprechers vorstellbar; wohl aber fassen sie gut den Auftrag des Königs als Kämpfer gegen alles und alle Böse(n) zusammen. So wird in 9-13 ursprünglich der König angesprochen worden sein, die von !0 her sich ergebende Anrede an JHWH verdankt sich dann einer späteren Hand, die durch das »Zorn-Theophanie-Motiv« zugleich einen Rückbezug nach Ps 18 (vgl. 188'16) herstcllte. Strukturell und theologisch bildet 8 die Mitte des Psalms. Der Vers verheißt dem König, der nach dem Ideal des Frommen, der auf JHWH und seine b*s*d»Huld« vertraut, lebt, »daß er nicht ins Wanken gerät« (vgl. den Rück-

Ps 21

DIE PSALMEN

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bezug zum Eckpsalm der Komposition 15—24:155). Das ist freilich eine theolo­ gische Aussage, die sich von der Königstheologie, wonach der König »Gott« und deshalb unerschütterlich ist, abhebt. So ist zu fragen, ob 8 nicht erst auf eine (nach)exilische Erweiterung zurückgeht, die nicht mehr auf die Macht 2 H, sondern auf die Güte 8 JHWHs (vgl. 1851) bzw. »des Höchsten« (Auf­ nahme von 1814) setzt und den König als Ideal des JHWH-Frommen begreift. Daß 8 nicht zur »Erstfassung« des Psalms gehört, legen auch syntaktisch-stili­ stische Beobachtungen nahe:8 ist das einzige Bikolon des Psalms, das nicht als Anrede formuliert ist;8a bietet die einzige Partizipialkonstruktion.

211 [Für den Chormeister. Ein Psalm Davids.] 2 An deiner Macht, Herr, freut sich der König; über deine Hilfe, wie jubelt er laut! 3 Du hast ihm den Wunsch seines Herzens erfüllt, ihm nicht versagt, was seine Lippen begehrten. [Sela] 4 Du kamst ihm entgegen mit Segen und Glück, du kröntest ihn mit einer goldenen Krone. 5 Leben erbat er von dir, du gabst es ihm, viele Tage, für immer und ewig. 6 Groß ist sein Ruhm durch deine Hilfe, du hast ihn bekleidet mit Hoheit und Pracht. 7 Du machst ihn zum Segen für immer; wenn du ihn anblickst, schenkst du ihm große Freude.

205

13218 617 1 Kön 314

Gen 122 4820

1 Chr 1727

8 Denn der König vertraut auf den Herrn, die Huld des Höchsten läßt ihn niemals wanken. 9 Deine Hand wird all deine Feinde finden; wer dich haßt, den trifft deine Rechte. 10 Du läßt sie glühen wie einen feurigen Ofen, sobald du erscheinst. Der Herr verschlingt sie im Zorn, das Feuer verzehrt sie. 11 Du wirst ihre Brut von der Erde vertilgen; ihr Geschlecht [verschwindet] aus der Mitte der Menschen. 12 Schmieden sie auch böse und listige Pläne, richten sie doch nichts aus gegen dich. 13 Du schlägst sie alle in die Flucht, wenn du mit deinem Bogen auf sie zielst. 14 Erhebe dich, Herr, in deiner Macht! Deiner siegreichen Kraft wollen wir singen und spielen.

10913

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Ps 21 DIE PSALMEN 142 10 Andere Übersetzungsmöglichkeit: »Du packst sie wie ein feuriger Ofen, / wenn dein Angesicht erscheint in seinem Zorn, er verschlingt sie und das Feuer verzehrt sie.« 13 Wörtlich: »Du machst, daß sie den Rücken zeigen, / mit deiner (Bo­ gensehne zielst du auf ihr Angesicht.« Andere Übersetzungsmöglich­ keit: »Du packst sie am Rücken, / mit deinem Seil fesselst du sie an ihren Gesichtern.« 14 MT be'uzz?kä »in deinem Schutz«, besser wie 2 ff'özzfkä »in deiner Macht«.

) Überschrift *: Vgl. zu Ps 4*.

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I

Eröffnung 2: Der Rahmenvers gibt das Thema an: Es geht um die Bezie­ hung JHWH - König (in dieser Rei­ henfolge!). Die beiden Verben sämab »sich freuen« und gtl »jubeln« (Stei­ gerung nicht-verbaler Freudens- und Glücksäußerung) formulieren häufig die Reaktion auf die Erfahrung des rettenden und am Leben erhaltenden Gottes JHWH (vgl. Ps 915 136 318 u.ö.), insbesondere auf das Offen­ barwerden des Königtums JHWHs (vgl. Ps 4812 684 8916-19 9611 971 1492). Auf dieses verweisen auch die No­ mina »Macht« (öz) und »Hilfe«, bes­ ser »Heilswirken« (fsuäb); 'öz ist ge­ radezu jene Eigenschaft JHWHs, in der er seine Königsherrschaft als Be­ sieger und Bändiger des Chaos »von Urzeit an« erworben hat und mit der er die auf Leben und Heil (jesuäb: vgl. Ps 7412 1494) ausgerichtete uni­ versale Weltordnung durchsetzt (vgl. Ps 7412-17 89n 93l 994 Jes 519). An die­ ser königlichen Mächtigkeit gibt er »seinem« König Anteil (1 Sam 210 Mi 53 Ps 287f), damit dieser als sein Re­ präsentant die zwei wichtigen Aufga­ ben seines Amtes erfüllen kann: Meh­ rung des Lebens 3-7 und Abwehr des Chaos 9-13. Mehrung des Lebens 3-7: Der (ur­ sprünglich kultprophetische, priesterliche?) Sprecher preist JHWH für die Gaben, mit denen er den König für die Durchführung seines Auftrags

überhäuft hat. Dies wird wie eine Be­ gegnung zwischen JHWH und dem König geschildert (vgl. 1 Kön 32“15): Der König wurde gewissermaßen in den Thronsaal Gottes gebracht, wo er sein Versprechen, ein guter König zu sein, in Form der »Königsbitte« vor Regierungsantritt abgab 3. Dar­ auf ging Gott auf ihn zu und stattete ihn mit den Machtsymbolen des »göttlichen« Königsamtes aus, näm­ lich mit Krone 4:1 und Königsornat 6b. Im Alten Orient und in Ägypten wa­ ren Kronen den Göttern und den Kö­ nigen Vorbehalten; um sie entwikkelte sich teilweise ein kultisches Ri­ tual. Die atl Überlieferung ist auffal­ lend zurückhaltend mit Hinweisen auf den Vorgang der Königskrö­ nung. Von einer »Krone« ('afäräb) ist nur zweimal die Rede: David setzt sich nach 2 Sam 1230 (Text korr; vgl. 1 Kön ll5) die Götterkrone des Milkom von Ammon auf sein Haupt; die Polemik gegen das Königshaus in Jer 1318 droht den Verlust der »Krone« an. Vielleicht ist »Krone« in Israel »nur« Bezeichnung für die von JHWH verliehene göttliche Königs­ würde. Immerhin ist Subjekt des mit »Krönen« ('ä(ar) bezeichneten Ge­ schehens immer JHWH (Ps 86 6512 1034) und drückt die Mitteilung von Eigenschaften und Fähigkeiten JHWHs selbst aus. Auch die Beklei­ dung mit »Hoheit und Pracht« 6 be­ deutet, daß der König zum Abbild des Königs JHWH gemacht werden soll (böd ufbädär als Königsornat

Ps 21

DIE PSALMEN

JHWHs: Ps 966 1041 1113 Ijob 40'°; als Ornat des Königs: Ps 454 bzw. des königlichen Menschen: Ps 86). Die Übergabe der Königsinsignien be­ wirkt aber vor allem die Befähigung und die Beauftragung, dem König­ reich alle Gaben zu vermitteln, die dieses zu einem glücklichen Leben braucht: Der König wird mit »Segen und Glück« 4a (eigentlich: Segen an »Gutem« [tob], d.h. alles was lebens­ notwendig und lebensförderlich ist) überhäuft, so daß er zur schier uner­ schöpflichen (»ewigen«) Segens­ quelle für alle 7a werden kann. Genau dies meint letztlich die in der Mitte des Abschnitts stehende Königsbitte um »ewiges Leben« 5; hier geht es we­ der um ein Fortleben nach dem Tod noch nur um die Geschlechterfolge einer Dynastie (vgl. Dtn 1720 2 Sam 716 Ps 4517), sondern um Teilhabe an der gottköniglichen Lebensmächtig­ keit (vgl. den Huldigungsgruß vor dem König 1 Kön l31 Neh23 [»admultos annos!»] sowie die Vorstellung vom König als Lebenshauch seines Volkes: Klgl 420). Er darf immerfort leben im Licht des göttlichen Ange­ sichts 7b (vgl. Ps 47 16n 8916 14014), über dessen Zugewandtheit er Glück empfindet (7b: das in EÜ gebotene temporale oder konditionale Satzge­ füge ist im Hebr nicht gegeben!).

Der König als Paradigma 8: Zu dieser (sekundär eingefügten) strukturellen und semantischen Mitte des Psalms s.o.; zum Vertrauen als Grundhal­ tung des JHWH-Frommen: Ps 136 252 261 287 317,15; zum Vertrauen des Königs auf die b&sced vgl. besonders Ps 89. Die redaktionelle Aussage ist im Horizont der exilischen Teil­ gruppe 15 17 18 20 21 22 24 zu lesen: Wenn der »königliche Mensch« das ethische Paradigma von 15 17 ver­ wirklicht, wird er »nicht wanken« (155 175 218); insbesondere kann er

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auf die rettende hcesced JHWHs set­ zen (1851 207 218). Abwehr des Chaos 9-13: Die Vernich­ tungsbilder, mit denen der Sprecher sich in der »Grundfassung« des Psalms an den König wandte, um ihm die von seinem »göttlichen« Amt auf­ erlegte Bekämpfung und Bändigung aller chaotischen Mächte zuzuspre­ chen (der Abschnitt könnte auch jussivisch gelesen werden!), entstammen voll der altorientalischen Königsideo­ logie: Niederschlagen der Feinde mit der Keule oder dem Sichelschwert in der Rechten 9 (vgl. Ps 28 1 839 1 105-7), Vernichtung mit Feuer wie ein hochaufflammender Backofen 10 (vgl. Hos 76f), Ausrottung jeglicher Nachkom­ menschaft n, Vereitelung aller politi­ schen und militärischen Pläne der Feinde 12 (vgl. Ps 22-4), Abwehr und Verjagung der Angreifer 13 (vgl. Ps 1841). Wie oben bereits erläutert wurde, ist9-13 in der »Endfassung« an JFIWH gerichtet. Dies wurde da­ durch erreicht, daß der in der »Grundfassung« an den König adres­ sierte Text (»Du packst sie wie ein feuriger Ofen, er verschlingt sie und das Feuer verzehrt sie«) durch den Zusatz erweitert wurde: »wenn dein Angesicht, JHWH, erscheint in sei­ nem Zorn« (vgl. Ps 212 188~16 Jes 3027 331(M2 Mal 319), womit das (messianische) Königtum der eschatologischen Gottesherrschaft untergeordnet wird. Abschließende Bitte 14: Aufforderung an JHWH, seine in der Urzeit be­ gründete und in der Geschichte Is­ raels aktualisierte göttliche Königs­ macht so zu erweisen (vgl. Ps 46“ 56612 992), daß das Volk ihn als Ver­ teidiger der von ihm gegründeten universalen Lebensordnung wahr­ nehmen und ihn mit Liedern und Sai­ tenspiel (»Hofmusik«) feiern kann (vgl. Ps 95,f 984f; auch Ex 15lf). Erich Zetiger

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Ps 22

PSALM 22 KLAGE, BITTE, LOB EINES ZUM TODE LEIDENDEN UND GERETTETEN

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1

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Der Endtext von Psalm 22 wird überwiegend als ein Mischgebilde heterogener Gattungselemente (Klage, Bitte, Lob, Dank und hymnische Lobwünsche mit Zukunftsansagen) angesehen. Dieses Mischgebilde ist nicht aus einem Guß. Sein internes Wachstum wird vornehmlich mit einem redaktionskritischen Modell von Grundtext mit Erweiterungen beschrieben. Unterschiede brechen auf bei neuralgischen Stellen der Textkritik (Ps 222-4 17b-22-30f), in der Feinab­ grenzung der Unterteile und in der Zahl der Wachstumsstufen. Der Psalm hebt an mit Anrufungen Gottes und anklagenden Fragen 2-3. Der Abschnitt4-6 bekennt das Vertrauen des Beters in Gott. Zusammengehalten wird er durch die betonte Anrede Gottes zu Beginn jedes Verses und durch das Leitwort bpb »vertrauen«. Das Vertrauensbekenntnis ist sekundär (Präludium für das Lob ab 23ff statt der erwarteten Klage, Numeruswechsel ins »Wir« einer Gruppe 5, kultische Aspekte wie »Heiligkeit Gottes« und »Thronen über den Lobgesän­ gen« verbinden mit dem Blick auf die Gemeinde in 24-27 vgl. Israel 4 mit Stamm Jakobs und Nachkommen Israels in 24). Die eigentliche Klage beginnt in 7-9. Der Lage und dem Sarkasmus der Feinde setzt der Beter in I0_u sein persönli­ ches Vertrauensbekenntnis entgegen. Es folgt in der Mitte der Klage die iso­ lierte Bitte von ,2. Sie greift das Stichwort der einleitenden Anrufung rbq »fern sein« auf und variiert das Thema der (ausbleibenden) Hilfe. Der zweite Teil der Lage setzt sich fort in ,*-19. Das Gerüst des zweiten Klageteils 13-19 entspricht chiastisch dem Aufbau der nachfolgenden Bitten 20-22 (in den Außen­ gliedern die Metapher der Stiere/Büffel von Baschan 13 bzw. Wildstiere 22b, dann das Löwenbild 14 und 22a, die Rede von den Hunden 17a und 2,b bis zum Mittelglied, d.h. dem Klartext über die Todesgefahr durch die Feinde 17a. 18f und 21a; der Halbvers l7b ist aus vielen Gründen [s.u.] ein Fremdkörper). In den Bitten 20-22 redet der Beter zum ersten Male JHWH mit Eigennamen an. Die Bitten erinnern an den Anfang 2f, die Mitte 12 und greifen Verben aus der Klage auf. Das Lobversprechen von 23 setzt den Gebetsstil von 20-22 fort. Nimmt man das Lobversprechen wörtlich, die Brüder des Beters als leibliche Brüder und die »große Versammlung« als Ansammlung von Menschen, dann zwingt in dem Versprechen nichts, an eine kultische Versammlung sogar im Tempel zu denken und das vorhergehende Gebet von vornherein in den Tem­ pelkult zu verlegen. Allerdings wechselt das Ambiente im folgenden Abschnitt 24-27 (Übergang von Selbstaufforderung zu Fremdaufforderung, Wechsel der Sprechrichtung mit Rede über JHWH, Wandel des Publikums vom profanen Kreis in 23 zur kultisch versammelten Großgruppe 26). Der ganze Abschnitt 24-27 zeichnet sich durch zwei Charakteristika aus: den häufigen Wechsel der Sprechrichtung auf engem Raum, was ein typisches Zeichen für ein Danklied ist, und stellt die kompakte Armentheologie (das »Elend des Armen« 25, die Gemeinde als das »wahre, ganze Israel«, die Gemeinschaft der JHWH-Fürchtigen, der JHWH-Sucher und der Armen). Das Danklied der Armen kommt in 27 an sein Ende, das durch die Floskel »für immer« angezeigt wird. Auf vielfäl­ tige Weise hebt sich der Schlußabschnitt 28-32 vom vorausgehenden Psalm ab (das Ich des Beters verschwindet, dafür treten Völker und Generationen auf, der Sprechrichtungswechsel des Dankliedes wird aufgegeben zugunsten der Zukunftsansage, semantische Abweichungen wie 'am »Leute«, jetzt Nation

Ps 22

DIE PSALMEN

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32, und ein neuer Gottesname ’adönäi »Herr« 31, durchschnittliche Verlänge­ rung der Zeilen). Aus diesem Durchgang ergibt sich für den vorliegenden Endtext: Ein Grund­ psalm 2-3.7-23 , eine erste Erweiterung mit dazugehörigem Einschub 4“*-24-27 und eine zweite Erweiterung in 28-32 . Der Strukturvergleich (Anrufung Gottes mit Fragen oder Bitten, Notschilderung und Schluß mit Bitten und/oder Lobver­ sprechen oder Bekenntnis) verweist auf die vorexilischen Klagegebete 3 13 35 (Grundpsalm) als nächste Verwandte. Sie alle stehen unter der besonderen Spannung, daß sich der Beter aus großer Not durchringt zu einer Siegeszuver­ sicht, die sogar ausdrücklich die Rettung konstatieren kann (vgl. 38 136b). In diesem Punkt besitzt der Grundpsalm eine vieldiskutierte Besonderheit. Nach dem MT bricht die letzte Bitte um Hilfe in 22 mitten im zweiten Stichos ab und wechselt mit dem Schlußwort 'anitäni in die Gewißheit der Erhörung »du hast geantwortet«. Der MT besitzt die »lectio difficilior«; dafür bürgen die Inklu­ sion mit dem Verb ’nh »antworten«, der auffällige Wachstumsprozeß im gan­ zen und die Parallelen. Denn der schwer verständliche Stimmungsumschwung von intensiver Bitte als Hinweis auf die Notlage und unmittelbar folgender Erhörungsgewißheit hat im ersten Davidpsalter Seitengänger: Ps 38 (Bitte um Rettung und Konstatierung der vollendeten Besiegung der Feinde) vgl. 69f (Aufforderung an die Feinde, vom Beter abzulassen und Konstatierung der be­ ginnenden Erhörung) und 36,2f (Bitte um Rettung vor den Feinden und Kon­ statierung von deren Besiegung). Diese Besonderheit des Grundpsalms spricht für sein relativ hohes (vorexilisches) Alter und macht die Nacharbeit verständ­ lich, die sich beim Lobvollzug darauf stützen kann. Für die erste Redaktion 4~6 24~27 wird der Fall des zu Tode Leidenden und Ge­ retteten zum Paradigma für das Schicksal des Armen, der selbst in Todesnot von JFTWH doch gerettet wird. Das profane Klagegebet wird in den Kult des wahren Israel übertragen. Selbstbewußtsein und Theologie dieser Redaktion entsprechen derjenigen der nachexilischen Armenpsalmen 25 34 37 69. Die zweite Redaktion 28-32 stellt die Rettungstat am typischen Armen, der zu­ gleich für das Kollektiv des armen Israel steht, in den Zusammenhang der sich durchsetzenden Königsherrschaft JFTWHs. Die individuelle Rettung mit kol­ lektiver Bedeutung soll zum Signal für die Völkerwelt und die Generationen im Fluß der Zeiten werden, sich an das Königtum JHWHs zu halten. Ziel ist das in Zeit und Raum unbegrenzte Lob JHWHs, in das sogar die Toten (vgl. 30) eingeschlossen werden. Das theologische Profil dieser Redaktion verweist in die hellenistische Zeit. Vielleicht läßt sich damit auch der Wechsel des Got­ tesnamens in 31b zusammenbringen: Der Gattungs- und der Eigenname wer­ den durch Adonai ersetzt. Zur selben Zeit gegen Ende des 4. Jhs. v.Chr. setzt die Verdrängung der Aussprache des Tetragramms durch Adonai ein. Verglichen mit dem königlichen Dankgebet Ps 21 und dem Vertrauensgebet Ps 23 hebt sich Ps 22 durch seinen ausgedehnten Klageteil ab. In Ps 21 geht es um den siegreichen König, in Ps 22 um den leidenden und geretteten Beter/ Armen. Beide Psalmen treffen sich beim Thema der »Hilfe JHWHs« (Ps 212 6 222 (12) 22). Die übrigen Verbindungen sind eher punktueller Natur (ange­ sichts JFIWHs Ps 217 10 2225 28 30, Lebenszusage 215 2227 auf Dauer 215-7 227, Vertrauen auf JFTWH 218 224-*). Ps 22 ist mit Ps 21 nur als erfolgreiches Kla­ gegebet zusammenzusehen, was allerdings schon für den Grundpsalm gilt. Der elende Beter ist als »Wurm« das konträre Gegenteil des königlichen Men­ schen, der mit »Hoheit und Pracht« bekleidet ist (Ps 86 216). Diesen Zustand

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Ps 22 DIE PSALMEN 146 erreichen und halten können der König wie der Beter nur durch die Hilfe JHWHs. In Korrespondenz zum vorexilischen Bittgebet Ps 17 ist der Grund­ psalm von Ps 22 von der formativen exilischen Redaktion als innerer Rahmen um die drei Königsgebete 18 20 21 im Zentrum gelegt worden. Der königliche Beter befindet sich in extremer Rechts- und Todesnot, kann aber auf die Hilfe JHWHs bauen. Von Ps 22 her liest sich das Vertrauensgebet Ps 24 wie ein Kommentar zum Klageprozeß und Weg des Armen. Beide Beter stehen dem Tod gegenüber 2216 234 und erhoffen die Rettung des Lebens 2221 233. Das in 2223 verspro­ chene Lob des JHWH-Namens wird vollzogen (233). Vor allem wird das Gastmahl der Armen 2 227 weiter ausgeführt 235 (s.u.). Zu der spätnachexilischen Deutung von 2228"32 her vgl. Ps 23.

I

221 [Für den Chormeister. Nach der Weise »Hinde der Morgenröte«. Ein Psalm Davids.] Mt 2746

: ' Jes 63 5f: 252f

Ijob 256 Jes 4114 533 10925 Mt 2739 i

Weish 2‘8-20 Mt 2743

; Jes 442-24

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716 V. 20 3522 3822f 4014 7112

2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage? 3 Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe. 4 Aber du bist heilig, du thronst über dem Lobpreis Israels. 5 Dir haben unsere Väter vertraut, sie haben vertraut, und du hast sie gerettet. 6 Zu dir riefen sie und wurden befreit, dir vertrauten sie und wurden nicht zuschanden. 7 Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachet. 8 Alle, die mich sehen, verlachen mich, verziehen die Lippen, schütteln den Kopf: 9 »Er wälze die Last auf den Herrn, der soll ihn befreien! Der reiße ihn heraus, wenn er an ihm Gefallen hat.« 10 Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog, mich barg an der Brust der Mutter. 11 Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, vom Mutterleib an bist du mein Gott. 12 Sei mir nicht fern, denn die Not ist nahe, und niemand ist da, der hilft. 13 Viele Stiere umgeben mich, Büffel von Baschan umringen mich.

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Ps 22

DIE PSALMEN

14 Sie sperren gegen mich ihren Rachen auf, reißende, brüllende Löwen. 15 Ich bin hingeschüttet wie Wasser, / gelöst haben sich all meine Glieder. Mein Herz ist in meinem Leib wie Wachs zerflossen. 16 Meine Kehle ist trocken wie eine Scherbe, / die Zunge klebt mir am Gaumen, du legst mich in den Staub des Todes. 17 Viele Hunde umlagern mich, / eine Rotte von Bösen umkreist mich. Sie durchbohren mir Hände und Füße. 18 Man kann all meine Knochen zählen; sie gaffen und weiden sich an mir. 19 Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand. 20 Du aber, Herr, halte dich nicht fern! Du, meine Stärke, eil mir zu Hilfe! 21 Entreiße mein Leben dem Schwert, mein einziges Gut aus der Gewalt der Hunde! 22 Rette mich vor dem Rachen des Löwen, vor den Hörnern der Büffel rette mich Armen! 23 Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen. 24 Die ihr den Herrn fürchtet, preist ihn, / ihr alle vom Stamm Jakobs, rühmt ihn; erschauet alle vor ihm, ihr Nachkommen Israels! 25 Denn er hat nicht verachtet, nicht verabscheut das Elend des Armen. Er verbirgt sein Gesicht nicht vor ihm; er hat auf sein Schreien gehört. 26 Deine Treue preise ich in großer Gemeinde; ich erfülle meine Gelübde vor denen, die Gott fürchten. 27 Die Armen sollen essen und sich sättigen; / den Herrn sollen preisen, die ihn suchen. Aufleben soll euer Herz für immer. 28 Alle Enden der Erde sollen daran denken / und werden umkehren zum Herrn: Vor ihm werfen sich alle Stämme der Völker nieder. 29 Denn der Herr regiert als König; er herrscht über die Völker. 30 Vor ihm allein sollen niederfallen die Mächtigen der Erde, vor ihm sich alle niederwerfen, die in der Erde ruhen. [Meine Seele, sie lebt für ihn; 31 mein Stamm wird ihm dienen.]

147 1712

I Petr 58

Joh 1928

Mt 2735 Joh I923f V. 12

17i2

2 Tim 417 V. 26 9‘5 2612 3518 40iof 10 732 1 0930 111» Hebr 212

66'3

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148

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Ps 22

Vom Herrn wird man dem künftigen Geschlecht erzählen, / 32 seine Heilstat verkündet man dem kommenden Volk; denn er hat das Werk getan.

31 f: 48m 7118 78*-* 10219 145* i

DIE PSALMEN

2b

EÜ nimmt eine gängige Konjektur vor und ändert misuäti »von mei­ ner Hilfe« des MT in misawäti »von meinem Schreien«. Der MT kann beibehalten werden. Er ist elliptischer Ausdruck für unterlassene Hilfelei­ stung Gottes: (Du bist) fern von meiner Hilfe! D.h. Gott nimmt davon Abstand, dem Beter zu helfen. Das Nomen »meine Hilfe« umschreibt wie »meine Stärke« aus20 Wesen und Funktion Gottes im Blick auf den Beter, vgl. Ps 33 9 1 8 3 6930u.ö. 4 EÜ hält sich zu Recht an den Wortlaut sowie die Versabtrennung des MT und verzichtet auf übliche Konjekturen. 9a EÜ bleibt beim MT, dessen Verbform gol sowohl ein absoluter Infinitiv mit der Bedeutung »er soll wälzen« als auch ein Imperativ »wälze« sein kann. G hat gal »er hat gewälzt« (Mt2743) gelesen. I3—14a Die Verbformen sind präterital zu übersetzen. 17a Präteritale Verbformen. 17b MT wörtlich: Wie der Löwe - meine Hände und Füße! Die alten Versio­ nen haben den Vergleich als Verb in 3. P PI gelesen (kärü »sie haben gebunden«). Der Halbvers ist eine Glosse: Seine Kurzform von »Löwe« 'an steht in Spannung zur Langform ’arjevon 14 und 22. Die Tiermeta­ phern werden im Kontext sonst ohne Vergleichspartikel eingeführt. Die Erwähnung des Löwen an dieser Stelle stört den Chiasmus in der Abfolge der Tiernennungen (s.o.). 18a hat die 1. P Sg. »ich kann zählen«. 22b EÜ hat sich G angeschlossen. Es ist aber beim MT zu bleiben (s. o.). 28b EÜ übergeht den Sprechrichtungswechsel »vor dir werfen sich nieder«. 30a MT wörtlich: »Gegessen haben und niedergefallen sind ...«. Ohne Ände­ rung des Konsonantenbestandes ist aus der ersten Verbform ein Aufruf ’ak »ja und ein Präpositionalausdruck lö »vor ihm« zu rekonstruieren. So auch die EÜ. MT denkt wohl an ein eschatologisches Gastmahl nach Art von Jes 256. 30b-31a MT wörtlich: Und sein Leben, das er nicht bewahrt hat. Same, der ihm dienen soll! Die beiden Sätze sind noch am besten als Satzgefüge zu ver­ stehen: Und ist einer selbst nicht mehr am Leben, so wird Nachkom­ menschaft ihm (d.h. JHWH) dienen! EÜ hält sich an G vor allem beim ersten Satz, muß dann aber mehrere Konjekturen vornehmen. Mit EÜ ist eine Glosse anzunehmen. Das Satzgefüge fällt aus dem Parallelismus und dem Metrum von 30a und 31b-32 heraus. Die Glosse korrigiert die kühne Aussage vom Gottesvolk selbst der Toten in 30a und biegt sie in traditio­ nelle dogmatische Bahnen zurück: Wenn einer gestorben ist, dann über­ nimmt sein Gotteslob die nachfolgende Generation.

Ps 22

DIE PSALMEN

Überschrift 1: Im Aufbau entspricht sie denen der Pss 19-21 bis auf die Musikangabe. G interpretiert diese mit Bezug auf 20 auf die »morgendli­ che Hilfe« und weist der Klage den kultischen Ort im Tagesablauf zu. Einleitende Anrufung 2-3: Die singu­ läre Doppelanrufung mit »mein Gott« unterstreicht die Intensität des Gebetes. Der Wechsel zum geläufi­ gen *lohaj »mein Gott« zu Beginn von 3 liegt innerhalb der Sprachmöglichkeiten der älteren Psalmen (vgl. 38 1 847 3115). Der Beter beginnt sofort mit einer anklagenden Frage wie in Ps 32 101 132f 741. Der persönliche Gott ist ihm zum fernen Gott gewor­ den. Der Beter betont seine extreme Not: Die Klage wird nicht normal gesprochen, sondern herausgebrüllt wie das Brüllen des Löwen (vgl. H). Sie erfolgt ununterbrochen, Tag und Nacht. Vertrauensbekenntnis der Gemeinde 4-6: Der Beter spricht für die Ge­ meinde und erinnert Gott an das Ver­ hältnis zu Israel; dazu greift er kulti­ sche Überlieferungen auf. Gott ist der Heilige (1 Sam 22 620 Jes 63 3015). Er thront über den Lobgesängen Is­ raels. Der alte Titel des unsichtbaren »Kerubenthrones« im salomonischen Tempel (1 Sam 44 2 Sam 62 Ps 802 991) wird spiritualisierend umgebildet. 5f blicken zurück auf die heilvolle Vor­ geschichte des Volkes. Das bisher nicht enttäuschte Vertrauen in Gott wird zum Leitthema (vgl. Jes 3015 Ps 312). Klage des einzelnen 7-9: Der Beter be­ klagt den Verlust seiner Menschen­ würde. Er führt die Existenz eines »Wurms« (Jes 1411 4114 Ijob 256). Der Beter ist zur Unperson geworden, zum Gegenteil des königlichen Men­ schen, der in »Herrlichkeit und Pracht gekleidet ist«, wie es Ps 86 216

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darstellen. Diese Beschreibung eines extrem Leidenden hat auf die Gottes­ knechtslieder Deuterojesajas einge­ wirkt. Das Leiden wird nicht durch Anteilnahme der Mitwelt gelindert, sondern durch Spott verschärft: Sie verlachen ihn (Ps 4414 807 Jer 207), sie reißen das Maul auf (Ps 3521 Ijob 1610) und schütteln den Kopf zum Zeichen der Distanzierung (KJgl 215 Ijob 164). In 9 ironisieren die Feinde einen alten weisheitlichen Grund­ satz: »Befiehl dem JFFWH dein Tun an, so werden deine Pläne gelingen« (Spr 163 vgl. Ps 375). Der Tun-Ergehen-Zusammenhang wird hier sarka­ stisch gebrochen. Weil die Feinde das Verhältnis des Beters zu Gott in Frage gestellt haben, setzt er ihnen sein persönliches Vertrauensbekennt­ nis entgegen. Vertrauensbekenntnis des Beters io-h. Der Beter erinnert Gott an die per­ sönliche Verbindung von Anfang an. Gott übernimmt hier die singuläre Rolle einer Hebamme. Die existentialistisch klingende Aussage »auf dich bin ich geworfen vom Mutter­ leibe an« hat wohl im Hintergrund den Rechtsbrauch, das Neugeborene auf die Knie des Vaters bzw. der Mutter zu legen zum Zeichen der bindenden Annahme als eigenes Kind vgl. Gen 5023 und Gen 303. Zentrale Bitte 12: In der Mitte der Klage vergegenwärtigt die Bitte die Ausgangssituation mit deutlichem Rekurs auf 2f. Die Bedrängnis ist nahe, und außer Gott gibt es keinen, der helfen kann (vgl. Ps 1842). Klage des einzelnen 13-19: Die Tierver­ gleiche stellen die übermenschliche Gegenmacht dar, die mit dämoni­ scher Übermacht keinen Ausweg zu­ läßt. Die Stiere, vor allem die aus Baschan im Ostjordanland, sind be­ rühmt für Stärke und Angriffslust

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(Am 4‘ Mich 714 Dtn 32M). Beim Lö­ wenbild 14 ergibt sich die für die älte­ ren Psalmen typische Numerusinkon­ gruenz (Ps 73 1712 vgl. 510). Der Beter konzentriert sich entweder auf einen Hauptfeind, oder der einzelne Löwe entspricht seinem Erfahrungshori­ zont. In l5f beschreibt der Beter sei­ nen Todeskampf. Das Bild vom aus­ geschütteten Wasser ist eine be­ kannte Aussage über die Vergäng­ lichkeit des Menschen wie in 2 Sam 1414. In singulärer Weise wird das Bild vom zerfließenden Wachs (Mi l4 Ps 683 975) auf das Herz übertragen. Seltene Bilder eines tödlichen Fiebers werden aufgegriffen (vgl. nur noch Klgl 44). Und hinter all den Be­ drohungen steht Gott, der den Beter in den Todesstaub legt. 17 beschreibt die Feinde als Rudel herrenloser und hungriger, streunender Hunde, die in der Nacht kläffend die Stadt durch­ streifen (Ps 597f l6), sich mit Hyänen um die Beute streiten (Sir 1318) und sich über wehrlose Verwundete (1 Kön 2i 19 2 238) und - wie hier - über Ster­ bende hermachen (vgl. 1 Kön 164 2 Kön 936). Hinter den Stieren, dem Löwen und dem Rudel der Hunde taucht nun im Klartext die Rotte der »Bösen« auf. ,8f schieben die Be­ schreibung des Leidens in den Be­ reich des Todes vor. Man behandelt den Sterbenden wie einen schon Ge­ storbenen und macht sich über seine Habseligkeiten her. Schlußbitten 2&*22: Der Beter bäumt sich zu den entscheidenden Schluß­ bitten auf. Singulär ist die Anrede mit »meine Stärke«, die wiederum wie »meine Hilfe« in 2 das wahre Wesen JHWHs festhält und gegen alle Ver­ dunkelung durchträgt. Die Bitten von 20 nehmen 2,12 auf und sind kon­ ventionell formuliert. Die Bitten von 2U greifen die Sprache des Psalms aus 9 und 2 auf. Zugleich rollen sie von hinten in chiastischer Abfolge die

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Feindmetaphern und Aktivitäten auf: Das Schwert steht hier für die Todes­ gefahr durch die Bösen I7-19. In wel­ cher Weise es mit den Feinden ver­ bunden ist, bleibt offen. Seine kriege­ rische Note könnte aus dem Königs­ gebet stammen. Wie in Ps 3517 (vgl. Ps 687) geht es dem Beter nur ums »nackte Überleben«, Die Bitten brechen in 22b ab. Es bleibt völlig offen, wie der Beter zur plötzlichen Erhörungsgewißheit gekommen ist, ob durch ein Eingreifen von außen oder - was das wahrscheinlichere ist durch Gewinn an eigener Zuversicht. Mit dem »du hast mir geantwortet« ist das die Klage auslösende NichtAntworten Gottes 2 aufgehoben. Das Lobversprechen 23: Das Lob für den Namen JHWHs besteht in nichts anderem als der Erzählung von seiner Rettungstat am Beter. Das Publikum wird zweifach beschrieben: Die Brü­ der des Beters und die »große Ver­ sammlung«. Von den nahen Paralle­ len (Ps 3514 5020 699) her ist an die leiblichen Brüder zu denken. Die »große Versammlung« ist hier profan als Ansammlung (Ps 3518 40lof) zu verstehen. Danklied des Armen in der Gemeinde 24-27: Der Beter fordert in 24 die (kulti­ sche) Gemeinde auf, mit ihm JHWH zu loben. Die Gemeinde sind die JHWH-Fürchtigen, d.h. die wahren JHWH-Verehrer. Ferner werden sie als »Same Jakobs« (Jes 4519 Jer 3326 Ez 205 vgl. Ps 246) und als »Same Is­ raels« (2 Kön 1720 Jes 4525 Jer 3136f Neh 92) bezeichnet. Der Verbge­ brauch mit »ehren« (vgl. Ps 154) und »erschauern« (Ps 338) zeigt auf nachexilische Sprache. 25 begründet den Lobaufruf. Sache und Sprache gehö­ ren in die nachexilische Armentheo­ logie, die von JFfWHs Option für die Armen ausgeht und Erhörungszuversicht propagiert (Ps IO17 3 47-18 6 934).

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26 schildert den individuellen Lobvoll­ zug des armen Beters. Dieses Lob wird in großer Versammlung 23 vor­ getragen, wobei jetzt die Versamm­ lung von Israeliten bei den Wall­ fahrtsfesten gemeint ist. Ps 50,4f ver­ deutlicht den Zusammenhang: Die Gelübdeerfüllung konkretisiert sich in verschiedenen Dankopfern und Dankesgaben (Schlacht-, Brandopfer und Votivgaben). Das Danklied mündet in Wünsche für die Gruppe der Armen. Wiederum kommt deut­ lich Armentheologie zum Vorschein (vgl. die Geborgenheit der JHWHSucher in Ps 911 246, die erhoffte aus­ reichende Lebensversorgung im Essen und Sattwerden Ps 34" 3719 7829 13215 und die Lebensfülle der Gottes­ nähe in unbegrenzter Dauer in Ps 6933). Das endzeitliche Lob 28-32: Jetzt spricht der Beter Wünsche aus, die sich alle auf das künftige, universale Lob des Königs JHWH beziehen. Alle sollen daran denken und zu JHWH umkehren, wie es die spät­ prophetische Verheißung für Ägyp­ ten vorsieht Jes 1922. Die »Enden der Welt« (Jes 4522 52!0 Ps 28 678 728) und die »Sippen der Völker« (vgl. Gen 123 2814 Am 3lf und vor allem Ps 967) be­ stimmen den universalen Horizont.29 begründet die weltweite Verehrung mit der Königsherrschaft JHWHs. Das seltene Abstraktum m'lükäk »Kö­ nigtum« findet sich nur noch Ob 21 vgl. Ps 9610 und 10319. Hat28 die Ver­ ehrung JHWHs unter dem Aspekt

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des Raumes im Blick, so bedenken die folgenden Verse sie unter dem Aspekt der Zeit. Der singuläre Aus­ druck »die Fetten der Erde« zielt auf die Lebenden, die in »Saft und Kraft« stehen, d.h. im Vollbesitz des Lebens sich befinden. In einer Art Merismus werden ihnen die »zum Staub Herab­ steigenden« gegenübergestellt. Nach Ausweis der Parallelen bezieht sich das auf die Verstorbenen (vgl. die ins Schweigen Hinabsteigenden Ps 11517 und die zur Grube fahrenden Jes 3818 Ps 281 304 885 1437).30 nimmt bewußt die Todesmetapher von 16b auf. Daß die Lebenden und die Toten vor JHWH niederfallen und ihn loben, widerspricht einem alten und durch­ gehaltenen Glaubenssatz, daß die Toten in der Unterwelt JHWH nicht loben können (Ps 66 3010 88n"13 11517 Jes 3818 Bar 2,7f Sir 1727f). Hier wird auf der Linie von Am 92f (Ez 37) Ps 1398 eine dauernde Verbindung mit JHWH festgehalten, die allerdings nicht die Konkretion der Auferste­ hung von den Toten aus Jes 258 26‘9 Dan 12 besitzt. Es ist verständlich, daß die Glosse von 30b~3la diese kühne Aussage wieder in die etablierte Tra­ dition zurücknimmt. Die Schlußzeile 3ib-32 hebt auf Ehre!< und dies nie verstumme«), liegt auch ein Rückbezug nach 299 vor. All dies spricht dafür, daß die Fortschreibung 7-13 mit der (nach)exilischen Zusammenstellung der Psalmengruppe 26-32 (die ihrerseits nochmals später durch 25 33 34 zur Teil­ gruppe 25-34 erweitert wurde) in Verbindung zu bringen ist. Hinsichtlich der ursprünglichen Verwendungssituation des »Grundpsalms« läßt sich folgendes erkennen: In dem Wechsel von Gottesanrede (Ich-Du) und Aussage über Gott (Er-Ich) in einer Anrede an die Gruppe der Frommen spie­ gelt sich das Sprachgeschehen wider, das für eine liturgische Dankopferfeier

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(Toda) charakteristisch war (vgl. Ps 548f 56,3f 66'3“16 11617“19). Die Ich-DuRede begleitete die Darbringung (Übereignung) des Opfers, während die IchEr-Rede sich an die Umstehenden wandte, die zur Teilnahme am anschließen­ den Opfermahl eingeladen wurden (vgl. Ps 2227), das in besonderen Fällen sogar mit Reigentänzen verbunden sein konnte (vgl. Ps 1 1827*). Allerdings fehlt in Ps 30 jegliche Anspielung auf ein Opfer, so daß das kultische Dankop­ fer als »Sitz im Leben« zweifelhaft ist. Die lehrhafte Tendenz von 6 spricht für Verwendung in weisheitlichem Milieu, wobei kultischer Bezug nicht auszu­ schließen ist. Wie so oft entscheidet sich auch hier das Gesamtverständnis des Psalms an der Frage, ob seine Aussagen konkret oder metaphorisch gemeint sind. Wer den Psalm möglichst konkret deuten will, betrachtet ihn als Dankpsalm eines Schwerkranken, der seine Krankheit als Strafe Gottes annahm, zum Zeichen seiner Buße das Sackgewand trug und nach seiner Heilung zum Heiligtum kam, wo er, nach öffentlichem Sündenbekenntnis, wieder in die sakrale Le­ bensgemeinschaft mit seinem Gott und mit der Gemeinde rituell aufgenom­ men wurde, wobei er zum Zeichen der Restitution mit einem »Festgewand« bekleidet wurde. Wer demgegenüber die Aussagen der »Fortschreibung« me­ taphorisch deutet (s.u.), versteht den Psalm als ein Gebet, durch das ein aus tödlicher Bedrohung Geretteter diese »Lebenswende« als Heilung zu einem neuen Gottesverhältnis begreift, dafür seinem Gott dankt und diese Lebens­ sicht seiner Umgebung weitergeben will. Wie die sekundär erweiterte Überschrift (ursprünglich wohl: »ein Psalm von David«) anzeigt, wurde der Psalm von einer nicht genauer festlegbaren Zeit an als Festpsalm zum Gedenktag der »Tempelweihe« gesungen, d. h. zum Cha­ nukkafest (vgl. auch Talmud, Soferim XVIII 2), das zum einen zur Erinne­ rung an die 164 v.Chr. vollzogene Wiedereinweihung des durch Antiochus IV Epiphanes geschändeten Tempels und zum anderen als Fest der Befreiung von tödlicher Bedrohung durch die seleukidischen Fremdherrscher gefeiert wrurde (vgl. 1 Mkk436-** 2 Makk 101"8). Nach dem Mischna-Traktat Bikkurim (Erst­ linge) stimmen die Leviten Ps 30 an, wenn die Erstlingsgaben in den Tempelvorhof gebracht werden (vgl. Bikkurim III 4 und Tosefta Bikkurim II 10).

301 [Ein Psalm. Ein Lied zurTempelweihe. Von David.] 2 Ich will dich rühmen, Herr, / denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und läßt meine Feinde nicht über mich triumphieren. 3 Herr, mein Gott, ich habe zu dir geschrien, und du hast mich geheilt. 4 Herr, du hast mich herausgeholt aus dem Reich des Todes, aus der Schar der Todgeweihten mich zum Leben gerufen. 5 Singt und spielt dem Herrn, ihr seine Frommen, preist seinen heiligen Namen! 6 Denn sein Zorn dauert nur einen Augenblick, doch seine Güte ein Leben lang.

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Esra 616 1 Makk 4*"54



Ex 1526 9u

7n 9712

1 Jcs 547f

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Wenn man am Abend auch weint, am Morgen herrscht wieder Jubel. 7 Im sicheren Glück dachte ich einst: Ich werde niemals wanken. 8 Herr, in deiner Güte stelltest du mich auf den schützenden Berg. Doch dann hast du dein Gesicht verborgen. Da bin ich erschrocken. 9 Zu dir, Herr, rief ich um Hilfe, ich flehte meinen Herrn um Gnade an. 10 (Ich sagte:) / Was nützt dir mein Blut, wenn ich begraben bin? Kann der Staub dich preisen, deine Treue verkünden? 11 Höre mich, Herr, sei mir gnädig! Herr, sei du mein Helfer! 12 Da hast du mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet. 13 Darum singt dir mein Herz und will nicht verstummen. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.

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2b 4b 5a 6 8 i

13

»aus der Tiefe«: verdeutlichende Hinzufügung. EÜ orientiert sich an K'tfb: »du hast mich lebendig gemacht heraus aus den zur Grube Hinabsteigenden.« Q're’: »aus meinem Hinabsteigen«. zamm'rü »singt und spielt«; in ,3a wird das gleiche Verbum von EÜ nur mit »singen« übersetzt. Wörtlich: »denn ein Augenblick - in seinem Zorn, ein Leben lang — in sei­ ner Güte/Huld; am Abend kehrt Weinen ein, am Morgen-Jubel!« MT »du hattest hingestellt meinem Berge Macht« ist schwer verständlich. EÜ korr l'har're (statt: l'har'n) ’oz »auf feste Berge« = »auf den schüt­ zenden Berg«. EÜ korr k'bedf »mein Herz, mein Inneres«; MT käböd »Ehre« (beizube­ halten als Stichwortbeziehung nach Ps 299?); G »singt dir meine Ehre«.

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Überschrift str »chorisches Lied«; »zur Einweihung (banukkäb) des Hauses« = des Tempels (»das Haus« in dieser Bedeutung: vgl. 1 Kön 8,9f Jes 64 Esra 312 63 u. ö.). Der Psalm wurde in gut midraschischer Technik mit der Tempelweihe verbunden, weil man die in Ps 30 erzählte Ret­ tung »Davids« mit 1 Chr21 (Rettung Davids und seines Volks durch den Tempelbau vor der durch David ver­ schuldeten tödlichen Bedrohung) in

Zusammenhang brachte. Zwischen Ps 30 und 1 Chr 21 gibt es drei diesen Zusammenhang midraschischen Stichwortbezie»rechtfertigende« hungen. Ankündigung des Dankes 2: Das die Se 1 bstaufförderung"*"züm“ Gotteslob eröffnende Verbum rüm po. »erhö­ hen, erheben« meint die öffentlich vollzogene Rühmung JHWHs. Die mit kt »denn« angeführte zweifache

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Begründung erläutert, wie der Beter JHWHs Erhabenheit erfahren hat. Zum einen hat er ihn »emporgezo­ gen« wie man einen Schöpfeimer aus einem tiefen und engen Grundwas­ serbrunnen oder aus einer Zisterne hochzieht (Ex 21619 Spr 205; vgl. auch Ps 403 693 1301). Das »Erhöhen« JHWHs durch den Beter ist also die Fortsetzung des »Erhöhens« des Be­ ters durch den rettenden Gott. Zum anderen hat er ihn durch die Rettung davor bewahrt, durch die Schaden­ freude seiner Feinde auch noch den psychisch-sozialen Tod sterben zu müssen (vgl. Ps 135). Ob es sich bei diesen »Feinden«, die im weiteren Psalm nicht mehr Vorkommen, um eine reale Bedrohung oder um eine Chiffre für eine überhaupt als feind­ lich empfundene Lebenswelt und für die eigenen Ängste des Beters han­ delt, ist schwer zu entscheiden. Danksagungserzählung 3-4: Mit betonterTFTeraTs*stHlüng”BeF*persönlichen Beziehung JHWHs zu ihm (»JHWH mein Gott«) bekennt der Beter, daß JHWH sich ihm seinem »kanoni­ schen« Wesen entsprechend erwiesen hat: Er ist ein Gott, der das Flehen seines Volkes oder seiner einzelnen Verehrer hört und sie als der ExodusGott aus ihrer Not »heraufführt« (4a 'äläh hi.). Die »Krankheit«, von der JHWH den Beter »heilte« {räfa »hei­ len« kann sowohl wörtliche wie me­ taphorische Bedeutung haben: vgl. Ps 63 415 604 10720), war nach 4 eigentlich »der Tod«. Er befand sich bereits auf dem Wege zur Scheol, d. h. zum To­ tenreich unter der Erde, inmitten des unaufhörlichen Stroms derer, die in ihr Grab wie in eine als Kerker die­ nende Zisterne (vgl. Jer 387,13) hinab­ steigen müssen. »Heilung« von sol­ cher Krankheit bedeutet deshalb »Wiederlebendigmachen« bzw. »InsLeben-Zurückrufen«, was die spezi-

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fisch göttliche Kompetenz voraus­ setzt (vgl. Dtn 3229 2 Kön 57 Hos 62). Aufforderung an die Frommen 3-6: MöglicherwelseTst 6 Zitat des~zu sin­ genden Lobpreises (eingeleitet mit deiktischem kV), wofür die besondere sprachliche Gestalt (Nominalsätze; parallele Satzfügung; EÜ zerdehnt die im Hebr gegebene rhythmische Struktur!) sprechen würde. Es han­ delt sich um kunstvoll gebildete An­ tithesen: kurzer Moment - voller Umfang eines Lebens; JHWHs Zorn - JHWHs Huld/Wohlgefallen; Abend (Beginn der Nacht als Zeit der Finsternis, des Unheils, des Todes) Morgen (Beginn des Tages als Zeit des Lichts, des Heils und der Lebens­ möglichkeiten), Weinen (Trauer, Angst, Schmerz) - Jubel (Glück, Wohlbefinden, Zufriedenheit). Die Antithesen ziehen das theologische Fazit aus der (allgemein gültigen!) Erfahrung des Beters: Es gibt in je­ dem Menschenleben angesichts von Leid und Krankheit die Angst vor der Irrationalität des Gotteszorns; in sol­ chen Ängsten kommt es darauf an, das Leben als ganzes in den Blick zu nehmen und dabei wahrzunehmen, daß größer und stärker die Gnade JFTWHs ist, der nicht den Tod, son­ dern das Leben will. Und so gewiß »der Abend« mit seinen Schatten und Gefahren im Leben da ist, so gilt noch mehr (zweites Glied der Anti­ these!), daß »der Morgen« anbricht, indem JHWH als rettende und bele­ bende Sonne aufgeht (zum »Mor­ gen« als Zeit des rettenden Eingrei­ fens JHWHs vgl. besonders die Teil­ komposition Ps 3-7.8.11-14).

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Abermaliger Rückblick7"12: Mit einem SeibstzitaT77~däsTn Ps 1Ö6 auch die faktische Gottlosigkeit des Frevlers charakterisiert (vgl. demgegenüber die Aussage des JHWH-Frommen im Ps 168!), ruft der Beter seine eigene

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oberflächliche Selbstsicherheit in Ermnerung - bis wie durch einen Schock sein Lebensglück jäh zu Ende war und er »schreckensstarr« wurde, d.h. zutiefst lebensunfähig, sozusa­ gen krank bis in die Knochen hinein (zu dieser Bedeutung von bähal ni. vgl. Ps 63f n). Gerade dies aber brachte ihn zu der heilenden Er­ kenntnis, daß sein Glück (8b: sein Le­ ben »auf einem schützenden Berg« inmitten chaotischer Wasserfluten vgl. Ps 46 bzw. angesichts einer feindlichen Umgebung vgl. Jos 216-22 1 Sam 2314) das unverdiente Ge­ schenk der Gnade JHWHs war. In seinem Hilferuf, den er in ,0* zitiert, kämpfte er mit JHWH um sein Le­ ben. Er argumentierte zunächst in 10 adpersonam dei, d.h. er will mit sei­ nen beiden Fragen JHWH klarma­ chen, daß sein Tod JHWH nicht nur nichts nützen (vgl. Gen 3726 zur Frage von 10a), sondern im Gegenteil sogar schädigen würde (vgl. ähnlich Ps 68 8811"13 11517 Jes 3818f Sir 1727f Bar 217*). In 11 steigerte der Beter noch: Er argumentierte nicht mehr, sondern appellierte an JHWHs Großzügigkeit (hänan »gnädig sein« als Gunsterweis eines »Herrn« gegen­ über seinem »Diener«, vgl. 9b!) und Hilfsbereitschaft. Der Bericht über die Rettung 12 beschreibt die Ver­ wandlung des Beters, die dieses Ein­ greifen JHWHs ausgelöst hat. Wie in 6 wird wieder mit Gegensatzpaaren gearbeitet, die den Kontrast Tod-Le­ ben betonen: Die Buß- und Trauer­ klage über die tödliche Bedrohung des Beters hat JHWH selbst in einen Freudentanz über die Entmachtung i

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des Todes und die wiedererlangte Le­ bensfülle verwandelt (zum Tanz als »Verleiblichung« der Freude vgl. Ex 1520 Ri 2121 Ps 1493 1504 Jer 3113 Klgl 515). Durch sein Eingreifen befreit JHWH gewissermaßen den Beter aus einem Zustand, in dem er in seiner Umwelt zur Sonderexistenz gewor­ den war (der aus grober Ziegenwolle oder aus Ziegenhaar verfertigte Bü­ ßersack, der um die Hüften gelegt und von einem Gürtel gehalten wurde, ist hier Metapher für die psy­ chische und soziale Desintegration des Notleidenden) und legte ihm selbst ein Festgewand an, das er mit der Freude als Gürtel schmückte (Metapher für die Freude über das geschenkte Leben). Durch die Kon­ frontation mit dem Tod hat der Beter nun am eigenen Leib buchstäblich ge­ lernt, daß Leben bedeutet: leben dür­ fen und leben können. Er darf leben, obwohl der Tod ständig versucht, ihn in die Tiefe der Scheol zu ziehen. Lobgelübde 13: Weil er sein Leben als Geschenk seines Gottes begriffen und angenommen hat, wird der Beter nicht mehr aufhören, »JHWH sei­ nem Gott« Dankpsalmen zu singen und für ihn Zeugnis abzulegen. Die eigentliche »Krankheit« des Beters war seine faktische Gottesblindheit. Daß er nun das öffentliche Gotteslob als dichtesten Lebensvollzug »in Ewigkeit« (le'öläm) verwirklichen will, ist Ausdruck seiner radikalen »Heilung« (vgl. Jer 1714): Wo Gott gelobt wird, ist das Leben. Erich Zenger

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Ps 31 PSALM 31 BITTE, KLAGE UND DANK EINES GERETTETEN

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Der relativ umfangreiche Psalm macht immer wieder den Eindruck, er lasse eine klare Linie in seiner Aussage vermissen, habe keinen durchsichtigen poeti­ schen Aufbau und vermittle den Eindruck einer zusammengesetzten Komposi­ tion aus heterogenen Teilen (vgl. die Anleihen aus dem Jeremiabuch, beson­ ders aus den sogenannten »Konfessionen des Jeremia« und die Geprägtheit mancher Passagen [Wortgruppen, Sätze, ganze Verse], die wortwörtlich in anderen Psalmen auftauchen wie Ps 711-3 Jona 2 und Ps 69). So erscheint der Psalm als Collage, die auch das wechselnde Metrum der Gedichtzeilen erklä­ ren kann. Eine gewisse Konstanz des Metrums ergibt sich nur für das Zentrum des Psalms in den Versen 11-17, wo es sich dem sogenannten Qina-Metrum (Totenklage) annähert. Die formen- und gattungskritische Bestimmung des Psalms wird immer wieder irritiert durch die Mischung von Elementen des Dankliedes mit denen des Klageliedes des einzelnen. Zwar können sich beide grundlegenden Gebetsformen einander annähern und überschneiden; die Klage kann in Lob und Dank einmünden, der Dank kann auf Not und Klage zurückblicken. Was allerdings bei diesem Psalm auffällt, ist die starke Diffu­ sion der unterschiedlichen Gebetsformen. Die Elemente des Klageliedes wie Bitte, Klage und Schilderung der Not konzentrieren sich überwiegend auf das Zentrum des Psalms 10"‘9, wohingegen die Elemente des Dankliedes wie Be­ richt über den Vorgang der Rettung, hymnische Passagen mit Segensformeln und der für Danklieder typische Wechsel der Sprechrichtung am Anfang 2-9 und am Ende 20-25 ihren Schwerpunkt haben. Die vielseitig verwendbaren Ver­ trauenserklärungen des Beters in 2-7,15 ziehen sich durch den ganzen Psalm. Unsicherheit besteht über die im Psalm vorausgesetzte Gebetssituation. In manchen Passagen spricht der Beter wie eine von politischen Feinden oder von gesellschaftlichen Gegnern verfolgte Person, so in 9,M l6; andererseits kann er die Notlage eines Kranken schildern wie in 10-n, wobei der Eindruck schwerer Krankheit vermittelt wird. Deswegen ist man erstaunt, in 12 zu erfahren, daß er auf der Straße gesehen werden kann. Schließlich geriert sich der Beter wie ein unschuldig Angeklagter, der den Lügen und Verleumdungen seiner Widersa­ cher ausgesetzt ist 19,21,24. Die spezifische Not der gesellschaftlichen Isolie­ rung, daß die alltägliche, häusliche Mitwelt sich vom Beter abwendet und ihm feindlich gegenübertritt, wird in 12-13 deutlich skizziert. Sie kann sich nach Ausweis der vorexilischen Klagelieder sowohl mit der Ursituation des Kran­ ken (Ps 38 41) sowie mit der des fälschlich Angeklagten (Ps 35) als auch mit der des politisch Verfolgten (Ps 35,ff vgl. 18) verbinden. Insofern erscheint der Psalm in seinen vom Klagelied bestimmten Passagen wie ein Kompendium mehrerer konkreter Nöte, die der Beter zur Sprache bringt. Überblickt man den obigen Befund, dann schälen sich die relativ deutlichsten Situationsanga­ ben wiederum im Bereich des Zentrums 10-19 heraus. An der Peripherie dage­ gen überwiegen die unbestimmteren Aussagen, Erklärungen und Bilder. Die Erfassung der Struktur des Psalms bestätigt die vorhergehenden Ein­ drücke. Der Eingangsvers 2 hat die Qualitäten einer Themaangabe (Vertrau­ ensäußerung vgl. 7bl5a, Bitte in bezug auf die Feinde vgl. 18a, Rettungsbitte mit Thema »Gerechtigkeit« vgl. I9), in der er die leitenden Teilelemente des gan­ zen Gebetes vorneweg versammelt. In 3-6 wechseln Bitten und Vertrauensäu-

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ßerungen (Klimax in 6 mit Hinweis auf schon erfahrene Rettung - Rückblick oder Rettungsgewißheit). In 7 bekennt der Beter sich zu JHWH vor der Ge­ meinde. Das Lobversprechen mit begründendem Rettungsbericht 8f schließt den Eingangsteil ab (vgl. Ps 136 359). Ein Neueinsatz des Gebetes folgt mit der Bitte um Erbarmen 10 (häufiger Anhang von Bitt- und Klagegebeten Ps 63 4I5 513). 10-19 stellen das Klagelied eines einzelnen dar (Eingangsbitte 10, Notschilderung 10-14 , zentrale Vertrauensäußerung 15-16a , drei Bitten um Hilfe 16b-17, drei Feindbitten 18, ergänzende Feindbitte mit Blick auf die Notlage des un­ schuldigen Gerechten). Der Psalm kommt zum Ende im Dankteil 20-25 mit hymnischer Beschreibung der Taten JHWHs 20f, Segensformel und Rettungs­ bericht 22f, Konsequenzen für die eigene Gruppe 24f. Im Zentrum steht der Grundpsalm l0-19, das Klagelied eines einzelnen, dessen Nöte kompendienar­ tig zusammengestellt sind (Krankheit 10f, soziale Isolierung 12f, öffentliche Verfolgung 14, Andeutung der Rechtsnot ,9). Vielleicht hat der Grundpsalm als Formular oder Agende für notgeplagte Beter gedient. Eine besondere Anbindung an den Tempelkult wird auch in der Wendung vom »Leuchten des göttlichen Angesichts« in 17 nicht deutlich. Der Beter steht allein mit JHWH an seiner Seite den Feinden gegenüber, die aus der alltägli­ chen Lebenswelt stammen. Erst zum Schluß in 18 werden sie religiös als Frevler gebrandmarkt. Im Aufbau und in der lexikalischen Füllung hat der Grund­ psalm viele Entsprechungen zu anderen vorexilischen Klageliedern des einzel­ nen, allen voran zu Ps 6. Typisch für ihn ist die durchgehende Prägung durch die Verkündigung des Propheten Jeremia, insbesondere durch dessen Konfes­ sionen. Die Beziehungen laufen auch gelegentlich zur Verkündigung der spätvorexilischen Propheten wie Nahum oder Habakuk. Annäherungsweise kann man den Grundpsalm in die spätvorexilische oder frühexilische Zeit einord­ nen. Der Grundpsalm ist von der exilischen und formativen Redaktion in einen Rahmen von Bitt- und Dankteilen 2-9-20-25 eingefügt worden. Der Eingangsteil 2-9 kopiert eine Reihe von Bitten und die Vertrauensäußerungen des Grund­ psalms, ebenso das Motiv der Übergabe in JHWHs Hand 616 wie die Wesens­ beschreibung JHWHs 615 und die Rede von »Elend« und »Not« des Beters 810f. Der abschließende Dankteil 20-25 schöpft ebenso aus dem Grundpsalm (das Angesicht JHWHs 17-21, seine Güte I7,22) und rekurriert auf den Eingangs­ teil (die Güte JFiWHs 8-22, die Zuflucht bei JHWH 2 20). Die Vielzahl der redaktionellen Bezüge zum Grundpsalm zusammen mit be­ stimmten Abwandlungen spricht für eine gezielt arbeitende Redaktion, deren Konzept sich weiter beschreiben läßt. Sie entfaltet das Gottesbild. Aus dem persönlichen Schutzgott des Grundpsalms entwickelt sie im Anschluß an die Credoformulierung aus Ex 346f den Gott der Treue und Güte 6-8-22, der dort wie hier zweiseitig wirkt, nämlich die Treuen bewahrend, den Feinden aber ih­ ren Hochmut vergeltend 24. Der barmherzige JHWH ist zugleich der (eifernd) strafende Gott, der seinen Exklusivitätsanspruch zur Geltung bringt und alle Götzenverehrer haßt7. Vor allem ist er ein Gott, den die Redaktion mit dem Jerusalemer Tempel in Verbindung bringt. Die kultischen Anspielungen häufen sich. Der Tempel ist der Ort, wo bevorzugt die Rettung erfahren wird. Hinter der Metapher vom schützenden Felsen taucht der Felsentempel von Jerusalem auf, vor allem dann, wenn die singuläre Formulierung vom »Haus der Bergungen« hinzutritt \ Unabweisbar hat21 den Tempel im Blick, wo JHWHs Angesicht (jetzt kul-

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tisch zu verstehen) den Schutz gewährt. Die »befestigte Stadt« aus22 paßt dazu und weist auf Jerusalem. Der Beter steht mit JHWH nicht mehr allein den Feinden gegenüber, son­ dern er gehört zu einer Gruppe, wie auch die Feinde zur Antigruppe innerhalb der Gemeinde zusammengefaßt werden. Er ordnet sich den Rechtgläubigen zu, die allein auf JHWH setzen 7. Frommes Vertrauen auf Gott wird zum Zei­ chen der Orthodoxie. Er gehört zur Gruppe der Gottesfürchtigen, die JHWHs Schutz erfahren haben und aufseine zukünftige Hilfe gerade in Jeru­ salem hoffen 20f. Aus dem Gebetsformular für den einzelnen wird nun ein Ge­ bet vor der Gemeinde (s. o. zu 7 22-24f), das zugleich die Gruppe der Frommen, Treuen, der JHWH Harrenden 24f stärkt und unterweist. Die Gegengruppe der Feinde wird religiös abgeurteilt (Götzendiener 7, Frevler 18), moralisch disqualifiziert (voll Hochmut und Verachtung 19-24), und es ist möglich, daß die Spannung zur eigenen Gruppe des Beters, der geängstigt und im Elend ist8, auch ein soziales Gefälle impliziert. Dann besitzt die Konfronta­ tion zwischen dem Beter ln seiner Gruppe und den Feinden ähnliche Facetten wie die von Zef 31,-13 (wahrscheinlich redaktionell), einem der Schlüsseltexte der Armentheologie: JHWH entfernt aus Jerusalem die hochmütige Herren­ schicht, so daß auf seinem hl. Berg ein demütiges und armes Volk übrigbleibtvgl. dazu Ps 102 3612 736! Allerdings findet sich bei dieser formativen exilischen Redaktion noch nicht die ausgebaute nachexilische Armentheologie. Für die Endredaktion ist der Gesamtpsalm ein Gebet in drei Akten. 2-9 stimmen in die vertrauensvolle Bitthaltung des Frommen ein, der in vielfältiger Not sich an JHWH, den barmherzigen bzw. gütigen und gerecht vergeltenden Gott wendet. Der Beter weiß, daß JHWHs Rettung vom Tempel her kommt. In 10-19 klagt er über verschiedene Nöte und wünscht sich göttliche Hilfe und Vernichtung seiner Feinde. Im Schlußteil 20-25 ordnet sich der Beter ein in die Gruppe der Gottesfürchtigen und Frommen, die zu allen Zeiten JFTWHs Güte erfahren hat und erfährt. Der Beter blickt auf seine Rettung zurück und läßt die Gemeinde daran teilhaben. Vor allem weiß er die Gruppe der Frommen auf seiner Seite. Sie möchte er durch sein Gebet in der Haltung des Vertrauens bestärken und in der Auseinandersetzung mit den Hochmütigen ermutigen. Der Grundpsalm 31 10-19 ist mit dem Vorgänger zuerst über die Notsituation der Krankheit verbunden, die ein bestimmtes Verhalten des Beters bedingt (Anrufung JHWHs mit »mein Gott« 3Q3 13 3115, das Angewiesensein auf das zugewandte Angesicht JHWHs 308 3117, die Bitte um Erbarmen 309“ 3110, das Rufen zu JHWH 309 31 *8, die Rede vom Leben des Beters 304 31*°, die Rede vom »Verstummen« in 3013 3118 und die Rede von der »Scheol« 304 31l8). Die exilische Redaktion hat die Bezüge verstärkt: Der Beter schreit zu JHWH 303 3123; JHWH soll hören 30n 31323; die Assoziation beim Motiv des »Verbergens des Angesichts« 308 3121; die Einordnung des Beters in die Gruppe der Frommen 305 3124; das Motiv vom Hinstellen des Beters durch JHWH 308 319; vor allem die Tempelanspielungen stechen ins Auge 308 313f-21. Für beide Psalmen ist JHWH ein Gott der Treue 3010 316, und beide betonen die Zweiseitigkeit seines Wirkens (den gütigen und strafenden Gott): 306 legt mehr Gewicht auf die Güte, 3124 mehr auf die Vergeltung. Dabei schlägt der unterschiedliche Ansatz der Gebete durch, sei es beim Dank, sei es bei der Klage. Nebenbei gebrauchen beide Psalmen die Stilfigur des Selbstzitats mit Situationsangabe 307 312}. Zum Nachfolger, Ps 32, gibt es einige Berührungen in bezug auf die Aus-



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gangslage des Beters (die Rede von den Knochen 3111 323; den Hinweis auf die Not 31810 327; die Vertrauensaussage, daß JHWH Schutz gewährt 3121 327; JHWH bewahrt 3 1 24 3 27 und rettet 312 327). Besonders fällt auf, daß die redak­ tionellen Passagen von Ps 3269f ebenso wie die redaktionellen Teile von Ps 3 j2-9.20-25 Gruppengegensätze kennen. Der Beter von Ps 32 rechnet sich auch zur Gruppe der Frommen 3124 326, die auf JHWH vertrauen 317-15 3210, zugleich die Gerechten^ind 3119 32n und die JHWHs Güte erfahren 318.17.22 3210. Ihnen stehen die Frevler gegenüber 3118 3210. Das unterschiedliche Schicksal (Schmerzen für den Frevler, JHWHs Güte für den auf ihn Vertrau­ enden) aus 3210 klingt wie die weisheitliche Variante der theologischen Aus­ sage zum zweiseitigen Wirken JHWHs in 3124. Die exilische Redaktion legt bei der Zusammenstellung ihrer Psalmen von Ps 29 her kommend Wert auf die durchgehende Tempelperspektive (Tempel als Ort der Rettung). Sie hegt ein theologisch-systematisches Interesse am zweiseitigen Wirken JHWHs und plädiert für eine besondere Beziehung der Gruppe der Frommen zu JHWH. Ab Ps 30 kündigt sich ein neues Interesse am Thema Krankheit und Sünde an (vgl. 306,7 3111 MT).

311 [Für den Chormeister. Ein Psalm Davids.] 2-4: 7'-3

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: 9216 233

2515 1406

Lk 2346 Apg 759 ;

2 Herr, ich suche Zuflucht bei dir. / Laß mich doch niemals scheitern; rette mich in deiner Gerechtigkeit! 3 Wende dein Ohr mir zu, erlöse mich bald! Sei mir ein schützender Fels, eine feste Burg, die mich rettet. 4 Denn du bist mein Fels und meine Burg; um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten. 5 Du wirst mich befreien aus dem Netz, das sie mir heimlich legten; denn du bist meine Zuflucht. 6 In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott. 7 Dir sind alle verhaßt, die nichtige Götzen verehren, ich aber verlasse mich auf den Herrn.

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8 Ich will jubeln und über deine Huld mich freuen; / denn du hast mein Elend angesehn, du bist mit meiner Not vertraut. 9 Du hast mich nicht preisgegeben der Gewalt meines Feindes, hast meinen Füßen freien Raum geschenkt. 10 Herr, sei mir gnädig, denn mir ist angst; vor Gram zerfallen mir Auge, Seele und Leib.

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11 In Kummer schwindet mein Leben dahin, meine Jahre verrinnen im Seufzen. Meine Kraft ist ermattet im Elend, meine Glieder sind zerfallen. 12 Zum Spott geworden bin ich all meinen Feinden, / ein Hohn den Nachbarn, ein Schrecken den Freunden; wer mich auf der Straße sieht, der flieht vor mir. 13 Ich bin dem Gedächtnis entschwunden wie ein Toter, bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäß. 14 Ich höre das Zischeln der Menge - Grauen ringsum. / Sie tun sich gegen mich zusammen; sie sinnen darauf, mir das Leben zu rauben. 15 Ich aber, Herr, ich vertraue dir, ich sage: »Du bist mein Gott.« 16 In deiner Hand liegt mein Geschick; entreiß mich der Hand meiner Feinde und Verfolger! 17 Laß dein Angesicht leuchten über deinem Knecht, hilf mir in deiner Güte! 18 Herr, laß mich nicht scheitern, denn ich rufe zu dir. Scheitern sollen die Frevler, verstummen und hinabfahren ins Reich der Toten. 19 Jeder Mund, der lügt, soll sich schließen, der Mund, der frech gegen den Gerechten redet, hochmütig und verächtlich. 20 Wie groß ist deine Güte, Herr, die du bereithältst für alle, die dich fürchten und ehren; du erweist sie allen, die sich vor den Menschen zu dir flüchten. 21 Du beschirmst sie im Schutz deines Angesichts vor dem Toben der Menschen. Wie unter einem Dach bewahrst du sie vor dem Gezänk der Zungen. 22 Gepriesen sei der Herr, der wunderbar an mir gehandelt und mir seine Güte erwiesen hat zur Zeit der Bedrängnis. 23 Ich aberdachte in meiner Angst: Ich bin aus deiner Nähe verstoßen. Doch du hast mein lautes Flehen gehört, als ich zu dir um Hilfe rief. 24 Liebt den Herrn, all seine Frommen! / Seine Getreuen behütet der Herr, doch den Hochmütigen vergilt er ihr Tun mit vollem Maß. 25 Euer Herz sei stark und unverzagt, ihr alle, die ihr wartet auf den Herrn.

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12: 3812 4110 44,4f 5513f 699i2f

794 889 19 8942

Ijob 19,3~19 416

Jer 20*°

1407 13916 47

275 Ijob 521

Jona 25

62'3 27h

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Ps 31 DIE PSALMEN 196 3b Wörtlich im zweiten Stichos: (Sei mir) zum Haus der Bergungen, mich zu retten! 4b_5 Die futurischen Sätze der EÜ sind als drängende Bitten zu verstehen. 7* EÜ setzt mit den alten Versionen und den meisten Kommentatoren beim Verb die 2. P Sg voraus wegen des Gegensatzes (du..., aber ich...), den die Syntax von 7b intendiert. Es ergibt sich dann die leichte Spannung von Anrede JHWHs im ersten Teil und von Rede über JHWH im zwei­ ten Teil des Verses. MT bietet die 1. P Sg (mir sind verhaßt), vermei­ det die genannte leichte Spannung und dämpft einen vielleicht anstößigen Anthropomorphismus, daß JHWH haßt. 11 EÜ liest im zweiten Stichos mit den alten Versionen und den modernen Kommentatoren ba°nl »im Elend«. MT liest bä 'awöni »durch meine Schuld«. Die alten Versionen können von 8 her (»mein Elend«) den Text geglättet haben, während MT mit seinem spezifischen Verständnis die lectio difficilior bietet. Die Not der Krankheit zieht die Frage nach der Sünde an (vgl. Ps 62). Der MT greift mit einer Lesung eines der Leitwör­ ter für Sünde auf, die der nachfolgende Ps 322 5 einsetzt. 12 MT suffigiert durchgend die Menschengruppen (meine Feinde, meine Nachbarn, meine Freunde). 14 Der ganze Vers ist ein Bericht über vergangene Sachverhalte; er ist präterital wiederzugeben statt des Präsens der EÜ. J5b Wörtlich: Ich habe (mir) gesagt. ,8a Wörtlich: Denn ich habe zu dir gerufen. 20 EÜ insinuiert im zweiten Halbvers eine Flucht vor allen Menschen zu JHWH. MT meint aber wörtlich ein Sich-Bergen bei JHWH vor dem Fo­ rum der Menschen. 21 Wörtlich im ersten Stichos: Du beschirmst sie im Schutz deines Ange­ sichts vor dem Toben bzw. den Verschwörungen der Leute. Im zweiten Stichos unterschlägt die EÜ bei ihrer freien Wiedergabe die Anspielungen an den Tempel im Sinne der herangezogenen Parallele von Ps 275; wörtlich heißt der Stichos: Du bewahrst sie in der Hütte (im Tem­ pel) vor dem Gezänk der Zungen. 22 Die adverbiale Bestimmung am Ende des Verses wird auf dreierlei Weise gedeutet: 1. Man konjiziert wie die EÜ If et mäför »zur Zeit der Bedräng­ nis« und blickt dabei auf die Parallele im Nachbarpsalm 326. 2. Man bleibt beim MT tf'ir mäför»in der befestigten Stadt« und versteht die Angabe als Metapher für einen sicheren Ort in Korrespondenz zum Anfang des Psalms 313-4. 3. Beim MT bleibend, versteht man unter mäför »Belage­ rung« und sieht dann in der Konstruktverbindung einen Hinweis auf das belagerte Jerusalem (vgl. Ez 43-7 8). Der MT ist beizubehalten und die zweite Möglichkeit wahrscheinlich. Überschrift1: Sie erweitert die struktur- und gruppenbildende Angabe »ein Psalm Davids« (Ps 29-31) um den Adressanten. Themaangabe 2: Die Themaangabe vereint eine Vertrauenserklärung und

zwei Bitten. Die Vertrauenserklärung steht häufig am Anfang von Gebeten und hat ihre nächste Parallele in Ps 72. Die erste Bitte zielt auf den Sieg oder die Durchsetzung gegenüber den Feinden des Beters, wie es die Parallelen 18 Ps 252 20, vgl. Ps 226

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und Jer 17l7{ belegen. Die zweite Bitte spielt auf die Lügen und Verun­ glimpfungen des Gerechten aus 19 an und fordert die Rettung durch Gottes Gerechtigkeit (zum »retten« vgl. Ps 18 3 44 2 25).

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Bitten 3-6: Die Bitte um Gehör ist Teil des Repertoirs des Beters (Ps 176 1023 1162 u.ö.); sie wird verstärkt durch den Wunsch nach schneller Errettung (vgl. Ps 372 6918) zum Zeichen be­ drängender Not. Die folgende Bitte überträgt die Dauerfunktion (vgl. die seltene Konstruktion) des Schutzes auf JHWH wie in Ps 9422. Das Motiv von JHWH als sicherem Fels ist breit belegt in alten wie in späten Zeiten. Die wichtigsten Parallelen finden sich in Ps 183 3247 28' (vgl. Ps 1915 623-79216 1441). In Dtn 32 wird »Fels« zum Ehrentitel JHWHs. Das Bild vom Felsen geht über in das Motiv vom Schutz, vgl. Ps 271 288 (vgl. 3739 433 529). Die singuläre Wendung »Haus der Bergungen« führt das Felsbild weiter (vgl. Ps 183 912 1442) und assoziiert die Vorstellung vom Jerusalemer Tempelheiligtum. Die von 3 abhängige Parallele Ps 713 inter­ pretiert die Metapher eindeutig lokal. Die Vertrauenserklärung von 4a greift noch einmal die Schutzbilder auf mit analoger Fülle wie Ps 183 (vgl. Ps 4210 und 275 613). Die Bitte von 4b fordert die Führung durch JHWH aus Treue zu sich selbst bzw. zu seinem Namen. Dieses Motiv ist aus der Verkündi­ gung Ezechiels (Ez 209-14-22 3620ff) und Deuterojesajas (Jes 4325 489) be­ kannt und verbindet sich hier mit dem der Führung wie in Ps 233, vgl. 25u. Die Bitte von 5a zeigt im Jagdbild die Verfolgung des Beters an. Die nächste Parallele stammt aus Ps 2515; sonst wird das Bild in weisheitlich geprägten Passagen aufge­ griffen (vgl. Ps 916 357 Jer 1822 Spr l17 Ijob 1810). 5b variiert die Vertrauens­ erklärung aus 4a. In 6 übereignet der

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Beter seinen Lebensgeist an JHWH eine singuläre Aussage. JHWH wird damit zum verantwortlichen Hüter für das Leben des Beters (vgl. die kor­ respondierenden Schöpfungsaussa­ gen von Gen 27 Ez 375ff und Koh 127). Die Rede vom Loskauf 66 des einzelnen wie des ganzen Volkes fin­ det sich als Bitte in vielen Psalmen (Ps 2522 3423 49*6 55'9 6919, vgl. Jer 1521). Hier konstatiert sie die schon erfolgte Erlösung entweder im Rückblick auf vergangene Befreiungstaten oder in Antizipation der sicheren Errettung. Die Anrufung am Schluß des Verses beschreibt das Wesen JFTWHs ganz im Sinne der älteren Credoformulie­ rung aus Ex 346f, wo JHWH sich selbst im Kontext der sogenannten Gnadenformel als »Gott der Huld und Treue« beschreibt. Von JHWHs Huld reden 8 17 22. Das Nachleben dieser Prädikation zeigt sich in Ps 366 mit Parallelen Dtn 324 Jer IO10 und 2Chr 1513. Bekenntnis 7: Der treue Exodusgott zeigt neben seiner Barmherzigkeit auch seine Gerechtigkeit, die auf sei­ nen Exklusivanspruch achtet. Des­ halb eifert er in der Ablehnung der Götzen und ihrer Verehrer, was hier mit »Haß« umschrieben wird. Im Be­ kenntnis trennt der Beter scharf zwi­ schen den Götzenverehrern und sei­ nem JHWH-Vertrauen. Die Götzen werden hier als »ohnmächtige Nichtse« charakterisiert - eine Rede­ weise, die auf den Propheten Jeremia zurückgeht (Jer 25 vgl. Jer 819 108 1422). In singulärer Weise verstärkt 7a die Kennzeichnung durch das No­ men säw’ »Nichtigkeit«, so daß die Genetivverbindung »Windhauche der Nichtigkeit« lautet. Lob und Dank 8-9: Der Beter ver­ spricht das Lob der Güte JHWHs (vgl. Ps 93 ,s) und begründet es mit ei­ ner sogenannten Dankerzählung, die

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vorwegnehmend den Rettungsvor­ gang beschreibt. Der Kurzbericht ist nach dem Dreischritt sehen - urteilen - handeln aufgebaut. Wie beim Ex­ odus das Elend seines Volkes (Ex 37 431), so hat JHWH das Elend seines Beters wahrgenommen (Ps 913 2518 Klgl 359f). Er hat die Enge der Not­ lage erfaßt (vgl. Ps 4010 696-20 u.ö.) und den Beter nicht den Feinden preisgegeben - ein für die Gebets­ sprache seltener Ausdruck (vgl. Am 68 Klgl 27 Dtn 3230 Ijob 16" Ps 7g48.50.62j ^um Motiv von der Weite vgl. Ps42 lg2034 37 2517 1185. Klage 10-1819: Der Beter setzt neu ein mit einer begründeten Bitte um Er­ barmen (vgl. Ps 6918 Jona 23). Die Be­ gründung leitet über zur Schilderung der Not: Die Augen zerfallen vor Gram 10 - ein kaum zu identifizieren­ des Krankheitssymptom (nur noch Ps 68). Dem Beter verrinnt sein Leben in Kummer und Seufzen 11. Er klagt wie der Prophet Jeremia (Jer 2Q18 453 Ps 67). Die Kräfte schwinden (nur noch Klgl 114 Neh 44), die Knochen zerfal­ len. Das physische Leiden ruft die Frage nach der Ursache in der per­ sönlichen Schuld des Beters hervor (zum MT s.o.). Die Krankheit 10-11 ist kaum noch auszumachen, weil die Ausdrücke sehr selten Vorkommen und in die Unbestimmtheit der Meta­ pher ausweichen. Nach den physi­ schen Leiden schildern 12-13 die seeli­ schen Leiden der sozialen Isolierung, ohne irgendeinen Hinweis zu geben, wie beide Zusammenhängen. Der Be­ ter fällt dem öffentlichen Spott zum Opfer (vgl. Ps 68 6920). Die gesell­ schaftliche Nähe zum Beter steigert sich: Feinde, dann Nachbarn (Spr 2710 Ps 794 807 8942 10925) und dann Bekannte bzw. Vertraute (Ps 5514 889 19), wer immer ihm auf der Straße begegnet. Die gesellschaftlichen Be­ ziehungen im häuslichen Umkreis sind gestört, wie es andere vorexili-

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sehe Klagelieder widerspiegeln (Ps 35 38 41). Der Anblick des Beters schreckt die ihn Sehenden ab (Nah 37 Ps 10925). Er fühlt sich wie ein leben­ der Toter, vergessen und aus dem Gedächtnis gestrichen ,3. Dieser sel­ tene Vergleich wird durch ein Bild aus der Überlieferung Hoseas und Je­ remias ergänzt (Hos 88 Jer 2228 4 8 38). Der Beter ist wie zerbrochenes Töp­ fergeschirr geworden. Mit14 wechselt wiederum die Notlage. Der Beter er­ lebt nun die Leiden öffentlicher Ver­ folgung »in persona Jeremiae«. Der erste Halbvers ist wörtliches Zitat aus Jer 2010, der fünften und letzten Kon­ fession des Propheten. Das Zitat der Menge »Grauen ringsum« greift ein Schiagwort der Umheilsansage Jere­ mias auf (Jer 625 203 465 4929 vgl. Klgl 222). Die vorherige soziale Isolierung ist nun in aktive Todfeindschaft um­ geschlagen, wie sie eine Person mit politischer Aufgabe und Sendung, sei es ein König oder ein Prophet, erfah­ ren kann. Dagegen setzt der Beter sein Vertrauen 15. Die Redeweise mit bftial »sein Vertrauen auf jmd. set­ zen« ist nicht so häufig und gehört zur überlegten Sprechweise vorexilischer Propheten (Jes 311 Jer 93 4911 Ez 3313 Hab 218 vgl. Ps 375 497). Im Selbstzi­ tat erklärt der Beter seine persönliche Gottesbeziehung. Mit ,6a eröffnet er die Bitten um persönliche Rettung. Er übergibt seine Zeiten, d.h. sein Schicksal (vgl. Jes 336) in die Hände JHWHs. Er bittet um gnädige Zu­ wendung, d. h. das Leuchten lassen des Angesichts ,7. Diese Redewen­ dung kann kultische Konnotationen haben, ist aber darauf nicht festgelegt (Ps 47 672 8 04-8-20 1 19135 Num 625). Der Beter sieht sich als demütig un­ tergebener Knecht und appelliert des­ wegen um Hilfe aus Gottes Gnade (vgl. Ps 65). In 18 schließt der Beter mit den Feindbitten. Er hat Gott an­ gerufen und ihn dadurch für die öf­ fentliche Durchsetzung der göttli-

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chen Macht verantwortlich gemacht. Wie in Jer 1718 soll der Verfolgte öf­ fentlich rehabilitiert werden, soll nicht scheitern, wohingegen die Frevler scheitern und vernichtet wer­ den sollen (vgl. nur noch 2 Sam 29 Ps 918). Die Ergänzung 19 induziert eine weitere Verfolgungssituation. Der Beter befindet sich jetzt in der Not des unschuldigen verfolgten Gerech­ ten, der den Lügen (vgl. Ps 57 124) und den frechen, vermessenen Reden der Hochmütigen ausgesetzt ist. Wie die Parallelen nahelegen, enthält der Ge­ gensatz zwischen Hochmütigen und dem klagenden Gerechten ein sozia­ les Gefälle (I Sam 23 Ps 756 944 - Ps 1710 1234).

Dank, Lob und Ermahnung 2(3-25: Mit einer rhetorischen Frage beginnt das hymnische Lob wie in Ps 8210 3510 368. Der Beter preist die Güte JHWHs in ihrer unvergleichlichen Fülle (vgl. Ps 2713 1457 Jes 637). Die in 20f folgenden Sätze belegen und be­ gründen. In der Vergangenheit hat JHWH die Gottesfürchtigen gebor­ gen (vgl. Ps 834) und hat denen, die auf ihn vertrauen, Schutz gewährt (vgl. Ps 6829 7412). Mit 21 nimmt der Beter die Zukunft in den Blick. Die Gruppe der Gottesfürchtigen und JHWH-Vertrauten erfährt im Tem­ pel Schutz und Schirm vor den verba­ len Nachstellungen der Feinde. Für 21 hat Ps 275 Pate gestanden (vgl. Ps 178 615 911 - Dtn 3238). Den Schutz im Hause JHWHs zu erfahren, gehört zum Erfahrungsbereich alter Jerusa­ lemer Heiligtumstradition (vgl. Ps 763) und kann in den verschiedenen Beistandsfunktionen des Tempels konkretisiert werden wie in der Heiligtumsasylie, der Erfahrung beson­ derer Anwesenheit (Theophanie) oder im Erleben helfenden Zuspruchs

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durch Priester und Propheten. Der Segensspruch 22 ist keine Schlußdoxologie, sondern ein Lobpreis vor der Gemeinde, den wir am Ende anderer Dankgebete finden können wie in Ps 1847 6 620. Hier erhält er eine Begrün­ dung wie in Ps 286 6620 1246, die auf JHWHs Wundertaten am Beter ver­ weist (Ps 44 177) und auf den Ort des Geschehens, Jerusalem, anspielt. Mit 23 steuert der Beter auf den Schluß des Gebetes zu und gibt einen zusam­ menfassenden Bericht seiner Ret­ tung. Die Erfahrung, abgeschnitten zu sein, gehört zu den herausragen­ den Leidenserfahrungen des Exils (Klgl 354 Ez 37" Jes 538 Ps 886). Doch JHWH hat ihn erhört (Ps 282 6 116‘ 1302 1407). Die Schlußmahnungen von 24* an die Gemeinde, näherhin an deren Gruppe der Frommen, vermit­ teln Lehre und Handlungsanweisun­ gen. Der erste Aufruf an die From­ men fordert die Gottesliebe nach Art von Dtn 65 1 042 (vgl. Ps 1161 und 182). Dann wird knapp das Wesen JHWHs beschrieben. Die Eigenstän­ digkeit des Bekenntnisses ergibt sich aus der redundanten Erwähnung JFTWHs in der Mitte der beiden Sti­ chen, die überdies chiastisch aufge­ baut sind. In bezug auf Struktur und lexikalische Füllung folgt das Be­ kenntnis der alten Credoformulicrung von Ex 347 und deren Nachwir­ kungen in Dtn 79f Jer 3218. Das zwei­ seitige Wirken JHWHs wird hier auf die gegnerischen Gruppen der From­ men bzw. Treuen und der Hochmüti­ gen hin ausgelegt. Die Mahnungen von 25a zitieren Ps 2714 und greifen auf die Ermutigungsformel von Dtn 316f-23 Jos l6f-9 zurück. Der Vokativ am Schluß 25b variiert noch einmal die Gruppenbezeichnung der Frommen (vgl. Ps 33‘822 1 47“, vgl. 694). Frank-Lothar Hossfeld

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200 PSALM 32 GNADE UND LOB DER VERGEBUNG

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Der Psalm besitzt ein Janusgesicht. Zuerst schaut er aus wie das Danklied ei­ nes einzelnen mit seinen typischen Elementen (Schilderung der Not und Ret­ tung 3"5, Vertrauensaussage von 7 und das JHWH-Orakel von 8, dann der ab­ schließende Aufruf zum Lob in **). Für die Gattung Danklied spricht auch die typische doppelte Sprechrichtung sowohl zu JHWH als auch zur umstehenden Gemeinde hin 9-1Dann zeigt der Psalm aber auch das Aussehen eines Weis­ heitsliedes mit weisheitlichen Redeformen (die einleitenden Seligpreisungen lf, die Mahnungen von 6-9, der Spruch von I0), mit weisheitlichem Vokabular (die Rede von Rat, Lehre und Unterweisung in 8, der »Weg« als Lebenswandel 8, die Tiervergleiche in 9, die Gleichsetzung der Gerechten mit Menschen redli­ chen Herzens “) und mit weisheitlichen Vorstellungen (die Entgegensetzung von Gerechterund Sünder l0, derTun-Ergehen-Zusammenhang l0, die Verall­ gemeinerung auf den Menschen hin 2). Man kann Dank- und Weisheitslied nicht voneinander ablösen und den Endtext durch das Zusammenwachsen bei­ der erklären. Den weisheitlichen Charakter bestätigt der Psalmtitel »ein Weisheitslied«. Der Titel kann sowohl ein Kunstlied meinen mit Blick auf die künstlerische Gestal­ tung als auch ein Lehrgedicht unter Berücksichtigung des Inhaltes und der pädagogischen Absicht. Für letzteres spricht das leitende Stichwort mit dersel­ ben Wurzel »ich unterweise dich« aus dem JHWH-Orakel 8. Der Beter und Dichter arbeitet mit Parallelen und Verdoppelungen. Als Einleitung dienen zwei Seligpreisungen lf, gefolgt von zwei gleichgebauten Satzgruppen 3* (deik­ tisch-begründendes &f»das« bzw. denn; zwei asyndetische Sätze mit abschlie­ ßender adverbialer Bestimmung). Die Parallelisierung begegnet wieder in 7-8. In 7 spricht der Beter zu JHWH und nennt Aktionen JFIWHs zugunsten des Beters. In 8 spricht JHWH zum Beter und beschreibt seine Hilfen für den Be­ ter. Ferner spielt der Dichter mit Triaden. Eingangs redet er in dreifacher Va­ riation von Sünde und Vergebung lf; in 5 verbindet er dieselben Begriffe für Sünde mit drei verschiedenen Verben des Bekennens (kundtun, nicht verber­ gen, bekennen); in 7 nennt er drei Aktionen JHWHs zum Schutz des Beters (Schutz sein, bewahren, umhüllen) und in 8 dreifache Beratung (unterweisen, lehren, raten). Den Psalm rundet er ab mit dem dreifachen Jubel der Gerech­ ten (sich freuen, jauchzen, jubeln). Im Zentrum des Psalms sticht5 hervor, weil er durch eine Inklusion (hattä’ti»meine Sünde«) gestaltet ist, die am Versende durch eine plerophore Konstruktverbindung »Schuld meiner Sünde« herbeige­ führt wird. Insofern macht der Psalm seinem Titel alle Ehre. Allerdings fällt auf, daß 1-5 eine in sich geschlossene Gestalt haben, wohingegen 6-11 viel stär­ ker durch heterogene Elemente zersetzt sind, die sich kaum in die Komposi­ tion einbinden lassen. Die unpersönliche Mahnung 6 verrät keine besondere poetische Gestaltung und verschiebt die Akzente von der Erfahrung der Ver­ gebung des Beters zu einer allgemeinen Rettungsgewißheit jedes Frommen. Desgleichen ist die unpoetische Mahnung von 9 darum bemüht, weisheitliche Pädagogik nachzutragen, die auf die Psalmsituation wenig Rücksicht nimmt. Schließlich zeigt die Sentenz bzw. der Spruch von 10 zwar durchaus gewollte Gestaltung (chiastische Wortstellung durch Pendenskonstruktion im zweiten Teil des antithetischen Parallelismus), allerdings gehorcht sie nicht den Prinzi-

Ps 32

DIE PSALMEN

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pien des Grundpsalms. Die Sentenz verkündet eine Vergeltungslehre, wie sie Ps l6 vertritt. Somit schält sich ein Grundpsalm in 1-5.7-8.11 heraus - ein weisheitlich geprägtes Danklied eines einzelnen anläßlich erfahrener Vergebung seiner Sünden. An der Erfahrung der Vergebung nimmt die Gemeinde Anteil 7,1 *. So wird das Schicksal des Beters zum Paradigma für jeden JHWH-gläubigen Menschen i{. Das weisheitliche JHWH-Orakel in 8 stellt ein Spezifikum des Grundpsalms dar und hat wohl die weiteren weisheitlichen Ergänzungen angezogen. Den Grundpsalm charakterisieren drei Eigenheiten: 1. Er denkt über die Zu­ sammenhänge von Schuld - Krankheit - Rettung/Vergebung nach (vgl. Ps 62 303-6 3110f). 2. Als Ort der erfahrenen Vergebung wird der Tempel angedeutet (vgl. öffentliches Bekenntnis 5, Rettungsjubel der Kultgemeinde 7, weisheitlich-kultprophetisches Heilsorakel8). 3. Der Grundpsalm verbindet weisheitli­ che Theologie mit tempelkultischen Aspekten wie etwa der Grundpsalm von Ps 15. Wegen dieser Eigenheiten kann er in die spätvorexilisch-exilische Zeit eingeordnet werden. Die exilische Redaktion Ps 3269f (zu den einzelnen Bezügen s. o. bei Ps 31) hat die Verwandtschaft des Grundpsalms mit Ps 30 31 berücksichtigt: Es geht um den Zusammenhang von Krankheit und Sünde, darum, daß JHWH Rettung verschafft. Der Bezug zum Tempel bleibt erhalten. Deswegen hat diese Re­ daktion Ps 32 hier eingestellt und ihrerseits die Einbindung des Beters in seine Gruppe der Frommen, Vertrauenden, Gerechten, von JHWHs Güte Umheg­ ten verstärkt und dieser die Antigruppe der Frevler gegenübergestellt. Das In­ teresse der Redaktion am zweiseitigen Wirken JHWHs (Güte/Schutz für die Gruppe des Beters - Schmerzen/Vergeltung für die Frevler) hat sie einge­ bracht. Zu den Verbindungen von Ps 32 zu Ps 33 s.u.

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321 [Von David. Ein Weisheitslied.]

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Wohl dem, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist. 2 Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt.

654 7838 853 1033 Jcs l18 3817 Jcr 3134 1 Joh l9

3 Solang* ich es verschwieg, waren meine Glieder matt, den ganzen Tag mußte ich stöhnen. 4 Denn deine Hand lag schwer auf mir bei Tag und bei Nacht; meine Lebenskraft war verdorrt wie durch die Glut des Sommers. [Sela] 5 Da bekannte ich dir meine Sünde und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir. Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen. Und du hast mir die Schuld vergeben. [Sela]

lf: Röm 47*

6 Darum soll jeder Fromme in der Not zu dir beten; fluten hohe Wasser heran, ihn werden sie nicht erreichen.

38J 1025f

38>9

6612

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DIE PSALMEN

Ps 32

7 Du bist mein Schutz, bewahrst mich vor Not; du rettest mich und hüllst mich in Jubel. [Sela] 8 »Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst. Ich will dir raten; über dir wacht mein Auge.«

2512 1191 33>8

9 Werdet nicht wie Roß und Maultier, die ohne Verstand sind. Mit Zaum und Zügel muß man ihr Ungestüm bändigen, sonst folgen sie dir nicht. 10 Der Frevler leidet viele Schmerzen, doch wer dem Herrn vertraut, den wird er mit seiner Huld umgeben. 11 Freut euch am Herrn und jauchzt, ihr Gerechten, jubelt alle, ihr Menschen mit redlichem Herzen!

33*

2b

5

8 9

Wörtlich: »und in dessen Geist keine Falschheit ist«. Die Tempora bezeichnen durative Zustände: »Deine Hand liegt schwer auf mir« - »meine Zunge ist verdorrt«. Der Text des zweiten Satzes ist wegen des Nomens schwierig zu verstehen; EÜ interpretiert auf läsäd »Saft, Mark« hin, was sich kaum halten läßt, häufiger wird mit Hilfe der Parallele Ps 2216 zu l*söm»meine Zunge« konjiziert. Das Tempus im ersten Satz wird als temporale Nebenhandlung verstan­ den: Als ich meine Sünde dir kundtun wollte, da verbarg ich nicht län­ ger.-. EÜ interpretiert den Zeitpunkt des Betens im schwierigen MT nach dem ebenso konjizierten Ps 3122 mit »zur Zeit der Not« (s. o. zu 3122). EÜ bleibt zu Recht beim MT; wörtlich: »Mit Jubel(schreien) der Rettung umgibst du mich.« EÜ weist den Vers zu Recht als Zitat JHWHs aus. Der Vers besitzt drei »cruces«: 1. Die Numerusinkongruenz zwischen dem einleitenden Vetitiv Plural und dem Singular des abschließenden In­ finitivsatzes »nicht zu nahen dir«. Das bringt die Zuordnung des Infinitiv­ satzes zum Versganzen in Schwebe (redet er isoliert von der Unantastbar­ keit des begnadigten Beters oder gar JHWHs? Oder bleibt er im Tierbild und spricht davon, daß das ungebändigte Tier dem angeredeten Domp­ teur nicht naht, so EÜ?). 2. MT hat 'cedjö »sein Schmuck«, was keinen Sinn ergibt; EÜ liest wie viele ’uzzö »seine Kraft«, Ungestüm. 3. Die syn­ taktische Zuordnung des abschließenden Infinitivsatzes (vgl. zu 1.); steht er in Verbindung mit dem vorausgehenden Infinitivsatz (so EÜ), oder ist er ein eigenständiger Satz oder gar Glosse? Jede Übersetzung ist nur ein Annäherungsversuch.

Überschrift 1: Die Autorenangabe »von David« ist für die Überschriften der Psalmen 32.34-35 strukturbildend. Sie ist hier mit Rücksicht auf

328 und auf Inhalt sowie poetische Gestaltung um die Gattungsangabe »Weisheitslied« ergänzt worden,

1

Ps 32

DIE PSALMEN

Seligpreisungen 1-2: Der Psalm hebt an mit einer doppelten Seligpreisung (s.o. zu Ps 1). Wie in Ps l1 4I2 1122 1281 und 119,f (zweifach wie hier) steht sie an der Spitze, ist aber im Un­ terschied zu Ps l1'3,6 unbegründet. Der Adressat des Zuspruchs wird hier in weisheitlicher Manier mit dem all­ gemeinen Gattungswesen »Mensch« angegeben, ein Hinweis für die Ten­ denz zur Universalisierung. Die bei­ den Seligpreisungen versammeln die drei wichtigsten Begriffe für Sünde, die hier mit synonymer Tendenz die Sünde umfassend darstellen sollen. Solche Begriffskonzentration begeg­ net gerade an den Stellen, die ihr ent­ scheidendes Wort zu Sünde und gött­ licher Vergebung zu sagen haben wie Ex 346f (ältestes Credo der Schrift) Lev 1621 (Versöhnungstag) Ps 513f (Bußpsalm Davids) Ps 1031012 (Lob­ lied auf den verzeihenden Gott). Den Sündentermini entsprechend wird die Vergebung dreifach umschrieben: Die Schuld aufheben und wegtragen, d.h. vergeben - eine häufige Wen­ dung innerhalb der deuteronomischdeuteronomistischen Literatur (Ex 2321 3232 347 u.ö.) und innerhalb der Schriften (Ps 2518 853 Ijob 72‘, vgl. noch Jes 3324); die Sünde bedecken mit positiver Konnotation im Sinne von auswischen wie hier und mit ne­ gativer im Sinne von verheimlichen und verhehlen wie in Spr 2813 Ijob 3133; den Frevel nicht anrechnen eine Wendung profanen nichtkulti­ schen Ursprungs mit gewichtigen Pa­ rallelen (Gen 156 5 020 2 Sam 1910 Ps 10631). Im Falle von 2b ist es offen, ob hier die Folge der Vergebung oder deren Voraussetzung (so EU) geschildert wird. Das Nomen remijjä »Falschheit« wird in den Psalmen und bei Ijob überwiegend mit dem Tatbe­ stand des schlechten und falschen Re­ dens verbunden; hier in 2b geht es um die gesamte innere Haltung; der Geist steht hier wie das Herz für das

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Innere, den Sitz des Willens und des Gemüts. Insofern ist das Verhalten des Seliggepriesenen dem des Ge­ rechten von Ps 244 vergleichbar, der reinen Herzens ist. Die Seligpreisungen verkünden die Vergebung als Zuspruch und An­ spruch. Da der Adressat der Selig­ preisung die Vergebung nur passiv als Geschenk erfahren kann, muß der weitere Psalm angeben, wie in den Genuß göttlicher Verzeihung zu kommen ist.

Bericht 3-5: Mit dem Bericht tritt das Ich des Beters in den Vordergrund. Die ägyptische wie die ältere israeliti­ sche Weisheit kennen das Ideal des schweigenden Menschen, der seine Zunge und sein Temperament zügelt (vgl. Spr 1 112 1727-28). Für den schuld­ beladenen Beter ist dieses Ideal erle­ digt. Er hat am eigenen Leib den Zu­ sammenhang von Krankheit und Sünde bzw. von Heilung und Verge­ bung erfahren. Diesen psychosomati­ schen Zusammenhang bezeugen Jes 3324 Ps 1033 Ijob 720f. Wie Ijob 31,3f war er versucht zu schweigen, seine Sünde zu verheimlichen aus unter­ schiedlichen Motiven heraus (Scheu vor der Öffentlichkeit, Furcht vor Verachtung). Er mußte das Fonbe­ stehen der Krankheit erfahren. Sie wird in 3f mit stereotypen Hinweisen angedeutet: Das Erschlaffen der Glieder (wörtlich »die Abnützung der Knochen« - eine singuläre Wen­ dung) gehört in die Topik der Krank­ heitsschilderungen (Ps 63 2215 31“ 42n 5110 1024), ebenso das fortdau­ ernde Stöhnen des Kranken (Ps 222 389 Ijob 324). Die Krankheit ist von JHWH geschickt, seine Hand lastet auf dem Beter (vgl. 1 Sam 56 11 Ps 383 39“ Ijob 232). Einzig der Hinweis 4b (vgl. Ps 2216) kann auf eine fiebrige Erkrankung verweisen. Von den Feinden des Beters, also von den so-

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DIE PSALMEN

zialen Auswirkungen der Krankheit, ist hier nicht die Rede. 5 berichtet nun von der Wende zur Heilung. Der Beter faßte den Ent­ schluß, JHWH die Schuld offenzule­ gen, die eigene Sünde nicht mehr zu verheimlichen. Er legte ein öffentli­ ches Bekenntnis ab; das einleitende »ich sagte« zielt hier nicht auf einen Monolog oder ein persönliches Be­ denken, sondern auf das folgende Zi­ tat. Daß bei dem Geständnis Öffent­ lichkeit hergestellt ist, liegt durch die Verbbedeutung und die Situation fest (vgl. Jes 719 Esra 10“ Spr 2813 Ijob 3133f). Wahrscheinlich hat es im Tem­ pel »vor JHWH« stattgefunden. Auf den Bußakt folgte sofort die göttliche Vergebung. Der Beter hat Anteil an Erfahrungen, die David gemacht hat (2 Sam 1213), die die ältere Weisheit zur Sentenz Spr 2813 verdichtet, die Elihu dem Ijob empfiehlt Ijob 3 327f und an die sich der Psalmist Ps 3819 anschließt. Dahinter steht die alte Überzeugung von »JHWH ein barm­ herziger und gnädiger Gott, langmü­ tig und reich an Huld«, die sich dann vor allem in der Sündenvergebung bestätigt sah (vgl. Ex 3232 346f). 5b be­ richtet also von der Vergebung und Wende ohne eine Andeutung zum Vorgang der Sündenvergebung (wie und durch welchen Liturgen vermit­ telt?). Desgleichen wird nichts von der Genesung gesagt, die aber wohl mitgedacht ist (vgl. noch Hos 143 und Mk 21"12 mit Parallelen). Ferner er­ halten wir keinen Hinweis auf ein Dankopfer, was wohl weisheitlicher Zurückhaltung gegenüber dem Kult entspricht. Lehre6: Der redaktionelle Vers 6 wer­ tet die Erfahrungen des Beters aus und weitet sie aus auf »jeden From­ men« - eine für die älteren ArmenPsalmen typische Gruppenbezeich­ nung (Ps 44 122), die die Psalmen 30-32 miteinander verbindet (305

Ps 32

3124 326)- Wie der Beter des Grund­ psalms, so soll jeder Fromme zu JHWH beten (pH [Hit.] im Sinne ei­ nes liturgisch-feierlichen Gebets, vgl. die wenigen Psalmstellen 522f und 7215) vor allem in Zeiten der Not; er wird dann trotz der Anfechtung durch chaotische Gewalten (vgl. das Chaosbild der heranflutenden Was­ ser in Ps 18517 293 692 und vor allem Jes 282,15 18) Rettung erfahren. Die Ausgangssituation im Grundpsalm von Schuld und Vergebung ist verlas­ sen zugunsten der Lehre, daß das recte et rite vollzogene Gebet des Frommen hilft. Bekenntnis und Zuspruch 7-8: Im Grundpsalm kommentiert die dreitei­ lige Vertrauensaussage von 7 die Wende von 5b (vgl. in beiden Fällen das betonte »Du« in Frontstellung). Im Stil des Dankliedes verkündet der Beter JHWHs Schutz (vgl. Ps 275 3121), das Bewahren in Not (vgl. Ps 3124 402) und das Echo auf die per­ sönliche Rettung in der Gemeinde. 8 Aus dem Inhalt des Verses ergibt sich, daß hier ein Heilsorakel aus dem Munde JHWHs vorliegt. Solche Heilsorakel tauchen gelegentlich in Bitt- und Dankgebeten auf (Ps 126 753-11 91l4-!6) und bestärken in der Zuversicht der Rettung. Ein Kultpro­ phet kann es vermittelt haben. In Ps 32 ist die Rettung vollzogen, und der Beter hat darauf in der Vertrauens­ aussage von 7 schon reagiert. Das Orakel von 8 zielt deswegen auf den weiteren göttlichen Beistand für den begnadigten Sünder. Typisch weisheitlich sind die Formulierung und Interessen dieses Orakels. JHWH will fürderhin den Beter einsichtig machen (s£/»klug sein« ist weisheitli­ cher Spezialbegriff); er will ihm den richtigen Weg weisen (vgl. Ps 1611 258 12), d.h. den für die gesamte Le­ benserstreckung erfolgreichen Le­ benswandel; er will ihm raten (vgl. Ps

Ps 33

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167) wie ein Experte und Ratgeber; schließlich will er auf ihn ein fürsorg­ liches Auge haben (vgl. Ps 3318). Mahnung und Lehre 9-10: Die redak­ tionelle Mahnung zeigt durch ihren pluralischen Adressaten an, daß sie selbst nicht mehr zum JHWH-Orakel in 8 gehört. Der Beter fordert als Weisheitslehrer die Umstehenden auf, nicht wie Tiere ohne Verstand und Einsicht die Lehre (hier des Weisheitsliedes) abzulehnen. Sowohl der Tiervergleich (Spr 263 Sir 308) als auch die darin zum Ausdruck kom­ mende autoritäre Pädagogik (vgl. Spr 1324 2313 2915) gehören zum Standard weisheitlicher Erziehung: Zügello­ sigkeit und Verweigerung der Zucht erniedrigen den Menschen zum un­ vernünftigen Tier. Die chiastisch geformte Sentenz 10 vergleicht das Schicksal des Sünders mit dem, der auf JHWH vertraut. Letztere Charakteristik des Gerech­ ten hat ihre prominenten Vertreter in der Verkündigung Jesajas und der

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Sprüche (Spr 1620 2 825 2 925, vgl. Jer 175-7) sowie der Psalmen (Ps 22*"*, vgl. 317404f 8413 1127 1251). In einer spezi­ fischen Weise wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang angewandt. Der Sünder erntet viele Schmerzen, die eigene Tat straft ihn gleichsam auto­ matisch. Dagegen erfährt der JHWH-Vertrauende dessen Zuwen­ dung und wird mit Huld, d. h. Zunei­ gung und Fürsorge, umgeben (An­ knüpfungen an 7). Das erinnert an die Vergeltungslehre von Ps l6. Lobaufruf 11: Zum Schluß kommt wieder der Grundpsalm zu Wort. Mit dreifachem Imperativ wird die Ge­ meinde zum Lob aufgerufen (vgl. analoge Schlußaufrufe in Ps 2114 3013 9712). Das Lob schließt hier den Dank für die Rettung ein. Weisheitlich ist die Gleichsetzung von Ge­ rechten und Menschen geraden Her­ zens (Ps 710f 1 l2f 331 97U{), die wahr­ haftig und konsequent in Gesinnung und Tat sind. Frank-Lothar Hossfeld

PSALM 33 LOBGESANG AUF JHWHS MACHT UND GÜTE In seinem Aufbau ist der Psalm geradezu das Musterbeispiel eines Hymnus:1-3 Aufgesang (imperativische Aufforderung zum gemeinschaftlich gesungenen und mit Instrumenten begleiteten »Lobgesang«: u tehilläh);4-19 corpus hymni, Ausführung des Hymnus, eingeleitet mit gattungstypischem kt (EU »denn«; man könnte auch [richtiger!] übersetzen: »ja, fürwahr«) und überwiegend ge­ staltet mit Verbalsätzen in Afformativkonjugation zur Bezeichnung von Handlungen JHWHs als Schöpfer und Gestalter der Weltgeschichte, die an­ dauern und weiterwirken, sowie mit hymnischen Partizipien; 20-22 Abgesang (20f Vertrauensaussage;22 Bitte in direkter JHWH-Anrede). Die drei Teile sind als unterschiedliche Sprachhandlungen voneinander abgehoben: ,-} Aufforde­ rungen, »ihr«;4-19 beschreibender Lobpreis, »er«; 20-22 Bekenntnis, »wir«. Das corpus hymni4-19 ist nochmals deutlich gegliedert. Es nennt zunächst in 4* durch eine Zusammenstellung wichtiger theologischer Begriffe das Thema des Hymnus (all sein Tun vollzieht sich gemäß der von ihm gegründeten gerechten

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Ps 33

Lebensordnung, deren innerstes Prinzip seine Güte ist). Dieses wird dann in den zwei jeweils sieben Parallelismen umfassenden Abschnitten 6-12 und 15-19 in unterschiedlicher Perspektive entfaltet. 6-12 rühmt JHWH als den machtvollen Weltherrscher, dessen Handeln in Schöpfung und Geschichte (Tradition: Weltschöpfung) darauf abzielte, sich Israel als sein »Erbteil« zu erwählen.15-19 rühmt JHWH als den Schöpfer und König »aller Menschenkinder« (Tradi­ tion: Menschenschöpfung), der sich rettend denen zuwendet, die nicht auf eigene Macht setzen, sondern sich nach seiner Güte ausstrecken. Beide Ab­ schnitte sind analog strukturiert: Sie setzen jeweils mit dem Motiv von JHWH als dem, der den Himmel schafft bzw. im Himmel thront, an und beschreiben dann eine Bewegung herab zur Erde, wobei zunächst negativ das Scheitern gottwidriger Pläne der Völker bzw. der Mächtigen und dann positiv JHWHs erwählendes bzw. rettendes Handeln herausgestellt wird. Entstehungsgeschichtlich dürfte der Psalm aus weisheitlichen Kreisen der nachexilischen Zeit stammen, die zugleich priesterliche und prophetische Ge­ danken aufnehmen. Weisheitlich sind die alphabetisierende Form (mit seinen 22 Parallelismen inspiriert sich der Psalm an den 22 Buchstaben des Alpha­ bets), die dem Psalm zugrundeliegende Vorstellung von einer der Schöpfung eingestifteten Welt- und Lebensordnung sowie von einem Geschichtsplan JHWHs, aber auch die Motive von dem auf alle Menschenkinder schauenden Weltenrichter, der die Herzen der Menschen durchschaut, weil er diese Her­ zen (!) geschaffen hat. Priesterliche Theologie findet sich vor allem in 6-9 (Ab­ hängigkeit von Gen 1 ?); prophetisch inspiriert sind die Vorstellungen von der Zuverlässigkeit des einmal ergangenen Gottesworts und von der Güte als Grundprinzip des Handelns JHWHs, aber auch die Kritik an Macht und Krieg. Wegen der entfalteten Aufforderung 1-5 ist für den Psalm eine ursprüngliche Verwendung im offiziellen Tempelkult denkbar, zumal die Gattung des Hym­ nus mit seiner nicht auf ein konkretes Ereignis, sondern auf die »immer« gül­ tige Gotteswirklichkeit blickenden (beinahe »dogmatischen«) Lehre ohnedies ursprünglich die kultische Gemeinde (strenggenommen gibt es keinen Hym­ nus eines einzelnen!) als »Sitz im Leben« verlangt. Der Psalm könnte aber ebensogut eine »literarische« Komposition der nachexilischen »Armenfröm­ migkeit« sein, die dem Davidpsalter 3-41, insbesondere in seinen beiden letz­ ten Teilkompositionen, sein spezifisches Profil gegeben hat. Nach MT hat Ps 33 innerhalb des Davidpsalters 3-41 als einziger Psalm keine Überschrift; G hat »von/für David«. Entweder stand diese Überschrift ur­ sprünglich auch im Hebr und ist nachträglich weggefallen oder sie wurde in G nachträglich hinzugesetzt (G hat ohnehin die Tendenz, die Überschriften zu erweitern). Dann aber ist zu fragen, ob Ps 33 deshalb keine eigene Überschrift hat, weil die nachexilische »Armenredaktion« ihn als »Fortsetzung« des voran­ stehenden Ps 32 einfügte. Daß die Psalmen 32 und 33 keine ursprüngliche Ein­ heit darstellen, ist unbestreitbar, aber andererseits ist 3211 nun als Überleitung nach 331 zu lesen (vgl. die Stichwortbeziehungen; in EÜ nicht vollständig ver­ wirklicht!). Der nun entstehende Zusammenhang 32-33, der auf der Text­ ebene selbst vor allem in 328 durch die Motive vom Plan JHWHs (vgl. 3310"11) und vom (gütigen) Auge JHWHs (vgl. 3318) sowie durch das in 32-33 mehr­ fach explizierte Thema der »Güte« (bcesced) JHWHs gegeben ist, ist theolo­ gisch höchst bedeutsam: Ps 33 ist dann das »neue Lied«, das aus der Erfahrung der Sündenvergebung erwächst (zur Theologie von dem sein Volk durch die

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DIE PSALMEN

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Vergebung erneuernden Gott JHWH vgl. besonders Jer 3131-34): Ps 33 ist im Horizont von Ps 32 ein Hymnus »der Gerechten« über die sich in der Bundes­ erneuerung offenbarende Güte JHWHs, die programmatisch in Ps 25, dem Eröffnungspsalm der Komposition 25-34, anklingt.

331 Ihr Gerechten, jubelt vor dem Herrn; für die Frommen ziemt es sich, Gott zu loben. 2 Preist den Herrn mit der Zither, spielt für ihn auf der zehnsaitigen Harfe! 3 Singt ihm ein neues Lied, greift voll in die Saiten und jubelt laut! 4 Denn das Wort des Herrn ist wahrhaftig, all sein Tun ist verläßlich. 5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht, die Erde ist erfüllt von der Huld des Herrn. 6 Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes. 7 Wie in einem Schlauch faßt er das Wasser des Meeres, verschließt die Urflut in Kammern. 8 Alle Welt fürchte den Herrn; vor ihm sollen alle beben, die den Erdkreis bewohnen. 9 Denn der Herr sprach, und sogleich geschah es; er gebot, und alles war da. 10 Der Herr vereitelt die Beschlüsse der Heiden, er macht die Pläne der Völker zunichte. 11 Der Ratschluß des Herrn bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Herzens überdauern die Zeiten. 12 Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, der Nation, die er sich zum Erbteil erwählt hat.

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13 Der Herr blickt herab vom Himmel, er sieht auf alle Menschen. 14 Von seinem Thronsitz schaut er nieder auf alle Bewohner der Erde. 15 Der ihre Herzen gebildet hat, er achtet auf all ihre Taten. 16 Dem König hilft nicht sein starkes Heer, der Held rettet sich nicht durch große Stärke. 17 Nichts nützen die Rosse zum Sieg, mit all ihrer Kraft können sie niemand retten. 18 Doch das Auge des Herrn ruht auf allen, die ihn fürchten und ehren, die nach seiner Güte ausschaun; 19 denn er will sie dem Tod entreißen und in der Hungersnot ihr Leben erhalten.

3211 922 924 404 96*

9811449 149* Jdt 161 13 Jes 4210 Offb 59 143 11964

Gen i^-8.'4-18 Joh l3 Ijob 388-'1 67*

14S5 Gen l3-26 Sir 3916 Jes 4813 lOf: Spr 1921 Jes 408 4610 144is

Ex 196 Dtn 76 13-15: 142 10220 2 Chr 169 Ijob 3421 Sir 15l8f 949-m

16f: 208 1 Sam 146 1745-47

32* 3416 Sir 3419 3719 Ijob 520

208 34 1159-11

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Ps 33

20 Unsre Seele hofft auf den Herrn; er ist für uns Schild und Hilfe. 21 Ja, an ihm freut sich unser Herz, wir vertrauen auf seinen heiligen Namen. 22 Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir. u ,b *5b 7a

Wörtlich: »Jubelt über JHWH.« Wörtlich: »Den Redlichen ziemt Lobgesang ft'hilläb).« Genauer: »von der Güte« (hcescedwie in 18.22 )• EÜ korr nach G k'no'd »wie in einem Schlauch« statt MT kanned »als Wall/wie zu einem Wall« (vgl. Ex 158 Jos 31316 Ps 7813); MT könnte durchaus beibehalten werden. 8 Auch indikativische Übersetzung möglich. EÜ »Welt«, genauer »Erde« (wie 5b ,4b). 15b MT hat zusätzlich: »allesamt«. 18 In MT nur ein Bikolon; EÜ ergänzt (verdeutlichend) »und ehren«. 191 Wörtlich: »um ihre Seele/ihr Leben aus dem Tod zu retten«.

Aufgesang 1-3: Mit Imperativen wer­ den »die Gerechten« und »die Redli­ chen« aufgefordert, über JHWH (d.h. über sein Wirken) zu jubeln und ihm ein mit Trag- und Standleier (kinnör, EÜ »Zither*, ist die volks­ tümliche »Tragleier«, besonders der Hirten; nebcel, EÜ »Harfe«, ist die größere und seltenere »Standleier«, die ursprünglich eher im höfischen und gehobenen Milieu beheimatet war) begleitetes »Loblied« (tehilläh) zu singen. Es soll ein »neues Lied« sein, das »mit Jubel« (t'rü'äh) verbun­ den sein soll. Wie Ps 404 961 981 1491 Jes 4210 zeigen, hat die frühestens in der Exilszeit aufgekommene Be­ zeichnung »neues Lied« drei Konnotauonen : . Es heißt nicht »neu« im Gegensatz zu »alt, veraltet«, sondern weil es eine neu machende, erneu­ ernde Botschaft von einer erneuten Zuwendung JHWHs singt. 2. Die Kategorie »neu« zeigt eine eschatologische Dynamik an. 3. Hauptthema der »neuen« Lieder ist die Hoffnung auf das Offenbarwerden der univer­ salen Königsherrschaft JHWHs un­ ter dem Doppelaspekt Entmachtung

der Götter und lebensbedrohlichen Mächte sowie Lebensfülle für alle, die JHWH als ihren König anneh­ men (vgl. Ps 29 als Mitte der Kompo­ sition 25-34). Thema 4-5: Inhalt des Hymnus ist JHWHs Reden und Tun unter den qualitativen Aspekten von Redlichkeit/Aufrichtigkeit und Zuverlässig­ keit/Treue. Sein Wort ist lauter und wahr (vgl. Jes 4519), und all sein Wal­ ten entspricht seinem einmal ergan­ genen Wort (vgl. Dtn 324). Auf die von ihm gegebenen Verheißungen und Ordnungen kann man bauen, denn er selbst handelt nach ihnen. Er hat seiner Schöpfung eine alles durchwaltende gerechte Lebensord­ nung (Tdäqäh ümispäf) eingestiftet, an die er sich selbst hält und über die er wacht, weil er sie als guter König liebt (vgl. Ps ll7 3728 994 Jes 618). Prinzip dieser Lebensordnung ist seine Güte (vgl. Jer 23), die die Erde umhüllt und erfüllt (5b ist eine Neu­ interpretation von Jes 63; seine könig­ liche Mächtigkeit erweist sich als Güte).

Ps 33

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Erste Entfaltung 6-12: In einem Span­ nungsbogen, der an die pentateuchische Geschichtserzähiung erinnert, wird das Gemeinschaftsverhältnis JHWH-Israel, das in 12 in einer auf die Bundesformel (JHWH der Gott Israels - Israel das Eigentumsvolk JHWHs, vgl. den Grundtext Dtn 2617-19) anspielenden Seligpreisung zusammengefaßt ist, als Verwirkli­ chung des mit der Schöpfung von Himmel, Meer und Erde (der Psalm greift das dreiteilige Weltbild auf) be­ gonnenen Geschichtsplans erzählt. Die Erschaffung des Himmels und des an ihm sich geordnet bewegen­ den Heeres der Gestirne (vgl. Gen 1,4"18 21 sowie Ps 84 1474f Ijob 383,f Jes 4026) wird in 6 als »Schöpfung durch das Wort« gedeutet, weil damit zwei wichtige Aussagen gleich an den An­ fang gestellt werden: 1. Insofern das Wort der zur Sprache gewordene Gedanke des Schöpfergottes (vgl. 10) ist, wird betont, daß der Schöpfer durch seine Schöpfung eine grundle­ gende Ordnung eingestiftet hat und daß der Schöpfungsprozeß insgesamt ein Wort ist, durch das der Schöpfer sich selbst mitteilt (vgl. 1219). 2. Inso­ fern das Schöpfungswort ein Befehls­ wort ist (vgl. 9), das wie ein altorien­ talisches Königsedikt geradezu zwangsläufig zur Ausführung ge­ langt (vgl. auch Gen 1), setzt sich das mit der Schöpfung initiierte Gesche­ hen unaufhaltsam durch. Diesen Aspekt vertieft 7 mit dem Bild von JHWH als dem Bändiger der Chaos­ wasser (im Hebr unterstreichen die Partizipien das andauernde Tätig­ sein!). Diesen machtvollen Schöpfer und Erhalter des Kosmos sollten alle Lebewesen der Erde als ihren Herrn anerkennen und seinem Schöpfungs­ und Geschichtsplan gemäß leben 8. Das expliziert 9-12 an der Geschichte Israels. JHWH vereitelte und verei­ telt immer noch die Pläne der Völker, die Israels Weg zum »Erbbesitz-

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Volk« JHWHs verhindern wollten und wollen (im Sinne des Psalms: vom ägyptischen Pharao bis zu den Fremdherrschem der Exils- und Nachexilszeit), weil sein einmal ent­ worfener Plan und gefaßter Ent­ schluß »auf ewig bestehen bleibt«. Als »Erbbesitz« JHWHs bleibt Israel sei­ nem Gott, was immer an Katastro­ phen hereinbrechen mag, dauerhaft und gewissermaßen unveräußerlich (Kategorie des Eigentumsrechts!) verbunden. Und insofern der Welt­ herrscher JHWH sich aus der Viel­ zahl der Völker Israel als sein Erbteil ausgewählt hat (vgl. Ex 195f), hat er dafür eine besondere Fürsorge- und Schutzpflicht übernommen. Zweite Entfaltung 13-19: Von seinem himmlischen Wohnsitz aus, wo er als königlicher Weltenrichter thront, er­ forscht er jeden einzelnen bis ins In­ nerste (vgl. Ps II4-7 142). Weil er »alle Menschenkinder« kunstvoll geschaf­ fen hat (vgl. Ps 1391*-16 Ijob 108-11) und weil er insbesondere ihr Herz, den Sitz der Gedanken und Pläne, »formt« (jo$er: hymnisches Partizip), kennt und durchschaut er »das Herz« aller Menschen (1 Kön 839 Ps 4422 13923 Spr 15M). Die Kontrastbilder 16f bzw. l8f halten fest, wem dabei der wohlgefällige und rettende Blick JHWHs (»das Auge« ,8a ist Oxymo­ ron für die huldvolle Zuwendung des Angesichts: vgl. besonders 1 Kön 852) gilt: Nicht den Mächtigen, die auf kriegerische Macht setzen und diese vergötzen, sondern den Schwachen und scheinbar Ohnmächtigen, die sich ganz nach JHWHs Güte aus­ strecken und darin ihr Lebensglück erhoffen (zur Rettung Israels aus »Tod« und »Hunger« vgl. besonders Ex 14—16 Ez 37,-,4; zur Rettung der »Gottesfürchtigen« aus tödlicher Hungersnot vgl. 1 Sam 24 6 Ps 1079 Lk 1”).

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210 20-22 :

Der »Abgesang«, in Abgesang welchem die den Hymnus singende »Gemeinde« das in 4-19 entworfene JHWH-Bild zur Hoffnungsperspek­ tive ihres Lebens macht, verwendet wieder Kriegsmetaphorik, allerdings um damit JHWH als Helfer und Schützer gegen die als Vernichtungs­ krieg erfahrene Bedrohung »der armen Gemeinde« durch die Mächtigen und die Fremdvölker zu kenn­ zeichnen. Vor allem in der Psalmen­ sprache wurde »Schild« zur Meta­ pher für JHWH als lebensrettende

Ps 34

Zuflucht des einzelnen (Ps 34 7n 1831 287 u. ö.). Auch das Motiv der Freude in 2U fügt sich als Freude über die Rettung vor den Feinden in diese Me­ taphorik (vgl. 1 Sam 119 195 2 Sam l20 Ps 212 Jes 259 3029 u.ö.), die freilich, wie die ganz und gar »unmilitäri­ sche« Abschlußbitte 22 zeigt, zugleich allgemeiner zu verstehen ist. Zur »Selbstdefinition« der Beter als die auf JHWH »Wartenden« (jäbal pi.) in 22b vgl, besonders Ps 3125 377 426-12 435 1305,71313 14711. Erich Zenger

PSALM 34 LEBENSZEUGNIS EINES GERETTETEN FÜR DIE ARMEN Der Psalm besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil 2-11 inspiriert sich an der Struktur des Dankgebets des einzelnen: 2_j4 kündigt der Sprecher des Psalms seinen Lobpreis JHWHs an und fordert die Hörer auf, in das Gotteslob einzu­ stimmen; 5-8 erzählt er von der Erfahrung seiner Rettung durch JHWH; in 9-11 lädt er ein, sich auf diese Erfahrung einzulassen und zu der Erkenntnis durch­ zustoßen, daß JHWH gut ist. Mit dem langen Vers 11 ist eine Zäsur gegeben: die (im Hebr partizipiale) Aussage »Wer den Herrn sucht« greift mit dem Ver­ bum »suchen« auf den Anfang der Rettungserzählung zurück und verbindet ihn durch das Nomen »Gut« mit der Aussage von 9 über das Wesen JHWHs: Die Gottsucher werden ihn als den Guten erfahren und deshalb kein Gut ent­ behren. Mit der Lehreröffnung 12 setzt der zweite Teil ein, der sich am weisheitlichen Lehrvortrag orientiert: 12-15 bietet eine klar gegliederte Unterweisung in der Gottesfurcht als Prinzip gelingenden Lebens (12 Lehreröffnung, 13 didaktische Frage, 14-15 singularische Mahnsprüche); lfr~18 und 19-22 reflektieren über die Voraussetzungen der in 12-15 entwickelten Ethik: die fundamentale Option JHWHs für die Gerechten und gegen die Bösen 16-18 sowie seine be­ sondere Nähe zu den Leidenden ,9-22. Beide Teile, die unterschiedliches sprachliches und theologisches Profil haben (2-u: erzählend und auffordernd; angesprochene Gruppe: die Armen, die Heiligen; ,2-22; belehrend, reflektie­ rend; angesprochene Gruppe: »Kinder« bzw. »Söhne« als Lehranrede; Antithetik Gerechte - Böse; JHWHs Nähe im Leiden), sind durch Wiederholung wichtiger Stichworte und durch die Stilisierung als Ich-Rede zu einer dynami­ schen Komposition gestaltet: Aus dem Gotteslob, das als Dank für erfahrene Rettung verkündet wird (diese von der Gattung »Danklied« vorgegebene Re­ desituation klingt noch in 4 und 9-11 stark an!), erwächst eine Lebenslehre, die ein »Lebensmeister« seinen (armen und leidenden) Schülern nahebringen will. Auf Herkunft aus weisheitlichem Milieu verweisen: die Gottesfurcht als Grundprinzip gelingenden Lebens (vgl. Spr l7 910 1 533 Ijob 2 8 28), das Ideal ei-

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nes langen, glücklichen Lebens (vgl. Spr 313"18), derTun-Ergehen-Zusammenhang, die anthropologische Perspektive des Frage-Antwort-Spiels in 13-15 , die Nähe zu anderen weisheitlichen Psalmen (vgl. besonders 25 37 52) und insbe­ sondere die Form des alphabetischen Akrostichons, die den Psalm so struktu­ riert, daß die 21 Bikola 2'22 mit den fortlaufenden Konsonanten des Alphabets beginnen; nur der Konsonant waw (er müßte zwischen 7 und 8 stehen!) fehlt (wie in Ps 25). Diese Kunstform gibt einen wichtigen Deuteschlüssel: Der Psalm bietet sich angesichts der leidvollen Erfahrung gestörten und durch­ kreuzten Lebens als eine umfassende (der Psalm verwendet achtmal die Totali­ tätsangabe »ganz, all«) Lebenslehre (»von A bis Z«) und als eine die auseinan­ derstrebenden Lebenssituationen ordnende (alphabetische Abfolge) Lebens­ hilfe an. Ps 34 ist in formaler wie inhaltlicher Hinsicht mit Ps 25 verwandt. Vier Zeilen beginnen wortgleich (2512 = 34,32515 = 34162516 = 34,72522 = 3423). Beide Psalmen stimmen im Gottesbild und in der ethischen Programmatik überein. Allerdings fehlen in Ps 34 gegenüber Ps 25 die Themen Bund und Sündenver­ gebung; so dürfte Ps 34 etwas früher als Ps 25 entstanden sein. Wie Ps 25 schließt Ps 34 mit einem Bikolon, das gegenüber der Alphabetab­ folge überschüssig ist; der Vers 23 dürfte auf die nachexilische Redaktion zu­ rückgehen (23b greift einerseits sprachlich auf 22b9b zurück;23a verwendet ande­ rerseits neue Begriffe und setzt einen anderen Akzent: »die Knechte« sind ein Würdetitel für Israel im Blick auf seine Sendung zu den Völkern; vgl. die nachexilische Erweiterung Ps 1912, aber auch die Aussage von Ps 2522), die (wie Ps 25 so auch) Ps 34 als »Eckpsalm« der Teilkomposition 25-34 eingefügt und den Psalm zugleich auf den vorangehenden (alphabetisierenden) Ps 33 hingeordnet hat (vgl. besonders 3423 MT »der Herr erlöst die Seele seiner Knechte« mit 3319). Durch die Anfügung von 23 hat Ps 34 nun, entsprechend der 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets, 22 Bikola. In der Komposition Ps 25-34 bilden Ps 25 und Ps 34 den Spannungsbogen »Bitte« - »Dank«.

34* [Von David, als er sich vor Abimelech wahnsinnig stellte und dieser ihn fortjagte und er ging.] 2 Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund. 3 Meine Seele rühme sich des Herrn; die Armen sollen es hören und sich freuen. * Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen. 5 Ich suchte den Herrn, und er hat mich erhört, er hat mich all meinen Ängsten entrissen. 6 Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten, und ihr braucht nicht zu erröten. 7 Da ist ein Armer; er rief, und der Herr erhörte ihn. Er half ihm aus all seinen Nöten. 8 Der Engel des Herrn umschirmt alle, die ihn fürchten und ehren, und er befreit sie.

l Sam 2l,,~16 1452

9l15

35sf 9111 Gen 322f Ex 14‘9

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Lk l53

12 Kommt, ihr Kinder, hört mir zu! Ich will euch in der Furcht des Herrn unterweisen. 13 Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht? 14 Bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! 15 Meide das Böse, und tu das Gute; suche Frieden, und jage ihm nach! 16 Die Augen des Herrn blicken auf die Gerechten, seine Ohren hören ihr Schreien. 17 Das Antlitz des Herrn richtet sich gegen die Bösen, um ihr Andenken von der Erde zu tilgen. 18 Schreien die Gerechten, so hört sie der Herr; er entreißt sie all ihren Ängsten. 19 Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen, er hilft denen auf, die zerknirscht sind. 20 Der Gerechte muß viel leiden, doch allem wird der Herr ihn entreißen. 21 Erbehütet all seine Glieder, nicht eines von ihnen wird zerbrochen. 22 Den Frevler wird seine Bosheit töten; wer den Gerechten haßt, muß es büßen. 23 Der Herr erlöst seine Knechte; straflos bleibt, wer zu ihm sich flüchtet.

13-17: 1 Petr 310“12

3727 Spr 37 Hebr 1214 3318 10915 Ijob 1817

5119 14518 2 Kor l5

6

S

Ps 34

9 Kostet und seht, wie gütig der Herr ist; wohl dem, der zu ihm sich flüchtet! 10 Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen; denn wer ihn fürchtet, leidet keinen Mangel. n Reiche müssen darben und hungern; wer aber den Herrn sucht, braucht kein Gut zu entbehren.

1 Petr 23

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MT: »Sie blickten auf zu ihm, und sie leuchteten, und ihre Gesichter er­ röteten nicht.« Text korr nach G. 8 »alle« sowie »und ehren« ist hinzugefügt (wohl um Mißverständnisse von »Gottesfurcht« auszuschließen). H ist besser als Bikolon zu lesen: »Sein Lager schlägt der Engel des Herrn auf/rings um die, die ihn fürchten, und er rettet sie so.« Ua MT: »Junglöwen müssen darben...« (Metapher der Gefräßigkeit und des permanenten Raubens: vgl. Ijob 410f). Text (nicht unbedingt zwingend) korr nach G. ,,b Wörtlich: »leidet keinen Mangel (Aufnahme des Verbums von 10b als Struktursignal!) an allem Guten.« 13 Wörtlich: »Wer ist der Mann, der am Leben Gefallen hat und die Tage liebt, um Gutes zu schauen?« 18 »die Gerechten« hinzugefügt, um das Mißverständnis auszuschließen, die in 17 genannten »Bösen« seien Subjekt.

Ps 34 22f

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Um die sprachliche Wiederaufnahme und die dabei angezieltc Kontrast­ aussage deutlicher werden zu lassen, müßte übersetzt werden: »... die einen Gerechten hassen, werden büßen ... nicht aber werden büßen alle, die zu ihm sich flüchten.«

Überschrift 1: Sie verweist zunächst auf 1 Sam 2111“16; der Bezug ist aus­ gelöst durch homonyme Stichwort­ entsprechungen zwischen Ps 343,9 und 1 Sam 2114 (t'm; hthll); statt des in 1 Sam genannten Achisch-Melech (Achisch, König von Gat) liest die Überschrift freilich Abi-Melech (Ver­ sehen? Verballhornung? Abimelech als Titel für den Philisterkönig wie Pharao für den Ägypterkönig?). Das Element »und er ging« zitiert 1 Sam 221 5 235 und spielt auf die mit dieser Notiz eröffneten Erzählungen 1 Sam 22-23 an, wobei sich mehrere Stich­ wortbezüge ergeben (5 »er hat mich erhört«: vgl. 1 Sam 234;8 der rettende »Bote«: vgl. 1 Sam 2327). Eine ge­ schehensmäßige Gemeinsamkeit zwi­ schen Ps 34 und 1 Sam 21-23 liegt in der mehrfachen Rettung Davids, die im Horizont des Psalms als Erweis der Güte JHWHs zu den Verfolgten und Leidenden gelten kann. Das Dankgebet 2-11: Die einleitende Ankündigung 2-4 hebt die Doppel­ struktur des Psalms heraus: Er will dankend-lobpreisende Antwort des Beters auf das ihm zuteil gewordene Heilshandeln Gottes sein; dieses Lob soll sein ganzes Leben (»allezeit«, »immer«) prägen und so zu einer überzeugenden frohen Botschaft für die »Armen« werden (der Psalm drückt den Prozeß der Solidarisie­ rung sprachlich aus: ich - die Armen - ihr - wir). Die Rettungserzählung 5-8 steigert sich von der Gottesbefra­ gung des Beters in 5 über die paradig­ matische Fallbeschreibung (einlei­ tende Deixis!) eines Hilflosen in 7 zur generalisierenden (Partizip : »ein La­ gernder ist...«) Aussage 8, daß JHWH sogar vor einer feindlichen

Heeresmacht rettet. Angesichts die­ ses Erfahrungswissens von Gott sind die Imperative von 6 wohlbegründet: Wer das Angesicht dieses Gottes sucht (vgl. 16), dessen Angesicht kann vor Freude über Gottes »Sympathie« strahlen und braucht nicht vor Scham über die Not oder die Angst zu errö­ ten. Die Rettungserzählung ist für den Sprecher des Psalms Grund ge­ nug, die Adressaten (»die Armen«) in 9a einzuladen, auch selbst geradezu leibhaftig (»kostet«) die überprüfbare (»und seht«: in der weisheitlichen Li­ teratur, besonders bei Koh, Begriff für »prüfendes Betrachten, Untersu­ chen«) Erfahrung zu machen, daß JHWH »gut« ist; das ist zusammen­ fassendes Adjektiv (vgl. besonders die überschriftartigen Kurzformeln Ps 1061 107* 1181) für die vielen Ein­ zelerweise der Gemeinschaftstreue JFfWHs zugunsten Israels und der Gerechten (Ps 731), ja zu all seinen Werken (Ps 1459). Dementsprechend ist die Seligpreisungsformel 911 als eine An »Werberuf« angeschlossen (vgl. Ps 405 9412 Jer 177); der gcebcer Findet seine durch nichts zu erschütternde Kraft darin, daß er JHWH als seinen Zufluchtsort und als seine Schutz­ mauer gewählt hat, innerhalb derer er geborgen ist (im Hintergrund steht die lebensweltliche Erfahrung von der ummauerten und befestigten Stadt, in die die Landbevölkerung bei Kriegsgefahr fliehen kann). Mit der zweimaligen Nennung der Gottes­ furcht in 10 kommt der Psalm zum »Lehrgegenstand«, um den es ihm vor allem im zweiten Teil geht (doch vgl. schon 8b). Hier schiebt er ein Mißverständnis auf die Seite: Wer sich »dem Guten« anvertraut, der soll und wird kein Gut entbehren (An-

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spiclung auf die liebevolle Führung des Volkes durch die Wüste und auf die Gabe des Landes von Milch und Honig: vgl. Ex 1618 Dtn 27 89Neh 921, aber auch Ps 162 231*6). Selbst wenn augenblickliche »Realitäten« das Gegenteil nahelegen - wenn und weil die Gottesfurcht zur Maxime des Le­ bens wird, wird sich eine Umkehrung der Verhältnisse großen Stils vollzie­ hen 11 (vgl. 1 Sam 25 Jes 6513 Lk l53 621 25). Die Lehre 12-23: In dem in der Weis­ heitsschule üblichen Lehreröffnungs­ ruf 12 nennt der Lehrer ausdrücklich sein Lernziel: Er will seine Schüler zu einem Leben in der Gottesfurcht hin­ führen, indem er entfaltet, was ihre tiefste Leidenschaft ist 13, worin sie konkret besteht 14f und wodurch sie zum Grundprinzip erfüllten Lebens wird 16-22. Jenseits privatistischer Mo­ ral wird hier das Feld der sozialen und politischen Ethik, insbesondere auf der Ebene der Rechtsverfahren (I4: falsche Anklage bei Gericht, Meineid vgl. Ps 153 392 1413 Spr 37 424 I33) und des gesellschaftlichen Zu­ sammenlebens (15a: wortgleich in Ps 3727a, als Weisung für ein erfülltes Le­ ben auch in Am 514*; ,5b fordert den unermüdlichen, stürmischen Einsatz für das bonutn commune: vgl. Mi 68 Jes 51 *), zum Ort, an dem sich die Gottesfurcht als Prinzip der Weis­ heit, die das Leben mehrt, erlernen läßt und bewähren muß. Didaktisch außerordentlich geschickt ist die Zu­ sammenordnung der scheinbar theo­ retischen Frage 13 (vgl. Ps 151 243) und der zur Praxis auffordernden Imperative ,4f: Auf die zentrale Frage, wie Leben glücken kann, muß jeder seine Antwort durch die eigene Pra­ xis finden; der »Lehrer« kann da nur Hinweise geben. 16-18 reflektiert dar­ über, wie und warum der unermüdli­ che Einsatz »der Gerechten« inmitten einer Gesellschaft, die das Böse zur

Ps 34

Maxime ihres Handelns gemacht hat, sich auf die Dauer durchsetzen wird: weil JHWH seine grundlegende Option für die Gerechtigkeit getroffen hat und deshalb den Kampf der Gerechten unterstützen muß und ihren Schrei nach Gerechtigkeit nicht über­ hören kann (vgl. Ps 12 14). Die in 5-8 besprochene Erfahrung von einzel­ nen Menschen wird in 16-18 als grundlegende Geschichts- und Weltord­ nung vorgetragen, die mit JHWHs personhafter Zuwendung (Metapho­ rik: Augen, Ohren!) zu seiner Erde und den auf ihr Lebenden zusam­ menhängt. All dies soll die Schüler motivieren, den in 14f gewiesenen Weg zu gehen. Freilich, weder Got­ tes noch des Menschen Option für das Gute bewahren vor Leid, Angst und Verzweiflung 19-23 . Gerade angesichts dieser Erfahrung ergeht die Botschaft vom »nahen Gott«, der als Verwandter und Freund (zu dieser Bedeutung von »nahe« vgl. Lev 212 2525 Ps 3812 Rut 220 312) das Leid mit­ trägt und die rettende Kraft gibt, am und im Leid nicht zu zerbrechen 21 (»die Glieder« = »die Knochen« sind die Grundsubstanz des Körpers, ja der Person überhaupt, so daß »die Knochen« sogar das Ich bezeichnen können). Vielleicht spielt 21 auch mit dem Bild vom fürsorglichen Hirten (vgl. Ps 234 sowie Ex 1246 Num 912: apotropäischer Ritus?). Während der Frevler in seiner menschen- und gott­ verachtenden Bosheit seine Men­ schenwürde, ja sich selbst zerstört 22 (G übersetzt sogar eschatologisch: »Der Tod des Frevlers wird böse sein.«), gilt denen, die in ihrem Leid sich als »die Knechte Gottes« begrei­ fen und am Weg der Gerechtigkeit festhalten, die Verheißung, daß JHWH sie erlösen wird 23 (vgl. Ps 7328). Das ist die Sendung der Armen in Israel bzw. des armen Israel inmit­ ten einer feindlichen Welt. Erich Zenger

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Ps 35 PSALM 35 GEBET EINES VERFOLGTEN UND ANGEKLAGTEN UM RETTUNG

Das längere Bitt- und Klagegebet des einzelnen konzentriert sich auf die Be­ ziehungen des Beters zu JHWH und zu den Feinden, deren Treiben und Schicksal ausführlich bedacht wird, wohingegen Reflexionen über die eigene Sünde und Hinweise auf Verbindungen zum Tempelkult nicht auftauchen. Zuerst fällt das dreimalige Lobversprechen in 9f-18-28 auf. Daraus ist dann eine Unterteilung in drei Strophen >-*0-u-i8.i9-28 abzuleiten. Die Endposition des Lobversprechens legt sich schon aus der Logik des gewöhnlichen KJagegcbetes mit dem Schema von Bitte/Klage und Lob/Dank nahe und findet sich dement­ sprechend in einer Reihe von Klagegebeten 712 136 vgl. 1850 vgl. 222326 2612. Dabei fällt die Differenz der Lobversprechen auf. In 9f jubelt einer, der aus der hymnischen Begründung des Lobes in Iob als »Armer« zu erkennen ist. In 18 ver­ spricht der Beter öffentliches Lob für JHWH, ohne daß sein gesellschaftlicher Status erschließbar wäre. In 28 kündigt der Beter einen privaten und ständigen Lobpreis von JHWHs Gerechtigkeit an. Es deuten sich also innerhalb des Psalms Differenzierungen an. Hebt man auf das für Klagegebete typische Nebeneinander von Bitten um die Hilfe JHWHs und Bitten um Abwehr oder Vernichtung der Feinde ab, dann ergibt sich zusammen mit den Anrufungen Gottes folgende Einteilung: 1-8 Bit­ ten um göttliche Hilfe und Verwünschung der Feinde; 9-16 ein Abschnitt be­ stimmt durch hymnische Elemente 9f und vor allem durch Klagen llf.l5f. 17-21 Bitten mit Klage 17 und Gelübde 18; 22-28 Schlußbitten wieder mit der Ver­ schränkung von Bitten um Hilfe für den Beter und gegen die Feinde. Zu Recht wird hier hervorgehoben, daß die Bitten mit der Anrufung Gottes Zäsuren set­ zen, obwohl zugleich deutlich wird, daß von dorther die Struktur des Gesamt­ psalms nicht erklärt werden kann und die Abtrennung der Unterteile nicht zu­ reichend begründet wird. Unterschiedlich fällt die Identifizierung des Beters aus. Hinter den kriegerischen Eingangsbitten 1-3 kann ein König stehen. Im Psalmkorpus llff tritt ein unschuldig Angeklagter auf, der vor den juristischen Nachstellungen der Feinde bei JHWH Rechtshilfe sucht. Die Not der Krankheit ist beim Beter nicht auszumachen (Krankheit der Feinde 13, sonst allgemeine Metaphern 10.15 Hier wird der Versuch gemacht, die allseits zugestandene Komplexität des Psalms genetisch zu erklären, wobei die obigen Beobachtungen aufgenommen und in eine Wachstumsgeschichte des Psalms integriert werden. Zum vorexilischen Grundpsalm gehören die Abschnitte Im ersten Abschnitt 1-4 bittet der Beter JFIWH um Beistand im außergerichtlichen Kampf und Streit mit Feinden. Die Darstellung JHWHs als Krieger (vgl. Ps 248), die anthropomorphe Beschreibung der Zurüstung JHWHs mit ihren Formulierungsparalle­ len in vorexilischen Psalmen wie in Ps 3 5 I82f 33-50 28 und das Heilsorakel mit seinem Hilfsangebot in kriegerischem Kontext (vgl. Ps 18343,)36-47) lassen im Beter eine königliche Gestalt aus vorexilischer Zeit vermuten. Die beiden fol­ genden Verse 5-6 gehören zusammen, da sie denselben Aufbau haben und eine Aussage über das künftige Schicksal der Feinde mit einer Aussage zur Tätig­ keit des Engels JHWHs gegen diese verbinden. Die vorexilisch-vordeuteronomische Tradition vom Engel JHWHs als Führungsengel des Gottesvolkes auf dem Exodus ins Gelobte Land (Ex 1419 2 320 23 vgl. Ex 3 2 34 3 3 2 Num 2016 Ri 2M) )■

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wird hier zugunsten des königlichen Beters eingesetzt. Die Mittlergestalt des Engels JHWHs wird hier eingeführt, um den Anthropomorphismus der Vorgängerverse zu dämpfen. Deswegen sind die beiden Verse von den Eingangs­ bitten abzusetzen, obwohl sie auch aus redaktionskritischer Sparsamkeit noch zum vorexilischen Grundpsalm gezählt werden. Das königliche Bittgebet kann für sich existiert haben. Es ist aber dann mit dem ebenfalls vorexilischen Gebet eines zu Unrecht Angeklagten verbunden worden, weil die Ausgangssituation von Streit und Kampf 1 sich durchaus auf die Situation eines Angeklagten im Rechtsstreit übertragen bzw. ausweiten ließ. Für die Eigenständigkeit des Ge­ betes des Angeklagten 11-18 spricht die kohärente, deutlich angezeigte Situa­ tion und der spezifische Sprachgebrauch mit singulären Redensarten sowie mit Parallelwendungen in vorexilischen Psalmen oder Psalmpartien (vgl. Ps 7 22 38). Der ursprüngliche Schluß in 17f gründet sich auf die interne Logik des Ge­ betes wie vor allem auf die nahe Parallele bezüglich Struktur, lexikalischer Ausführung und Stilistik in Ps 2220-23 (dazu s.u.). Der Grundpsalm 351"6-11"18 ist in exilischer Zeit um den Abschnitt19-25 erwei­ tert worden. Der Abschnitt setzt mit seiner Feindschilderung neu ein, knüpft dabei aber an den berichteten Triumph der Feinde aus 15 an. Für sich gesehen besitzt der Abschnitt eine gewisse Abrundung. Die Eingangsbitte im Vetitiv 19 wird in24 wieder aufgenommen, das Zitat der öffentlichen Feindrede in 21 wird im privaten Monolog der Feinde in 25 variiert. An der Gerichtssituation im Gebet des Angeklagten des Grundpsalms hat sich nichts geändert. Nur die Akzente haben sich merklich verschoben. Die Feinde werden jetzt der Lüge und des grundlosen Hasses beschuldigt. Entscheidend ist, daß die Feinde neben dem Beter oder zusammen mit ihm die Gruppe der »Stillen im Lande« 20 im Visier haben. Wenn der singuläre Ausdruck auch schwer gesellschaftlich zu verorten ist, so zeigt er doch an, daß der Beter sich indirekt zu einer bestimmten Gruppe in Beziehung setzt im Unterschied zu sei­ ner isolierten Position im Grundpsalm (vgl. 12 und 15). Von der exilischen Erweiterung 19-25 ist schließlich noch einmal die eher nachexilische Redaktion in 7-10 und 26-28 abzusetzen. Nach den Bitten und Wün­ schen von 1-6 setzt 7 mit einer Begründung neu ein. Neben dem Schicksal der Feinde interessieren jetzt auch ihre Vergehen, die aber mit allgemeinen Bil­ dern der Jagd beschrieben werden, wie sie vor allem aus der Weisheit bekannt sind. Aus der Erweiterung 19 wird das Stichwort binnäm »grundlos« aufgegrif­ fen und zugleich mit der Konnotation »vergeblich« versehen (vgl. Spr l17). Wichtig ist, daß die Pluralität der Feinde nun enggeführt wird auf den einen Feind im Singular 8, und das ist nur zu erklären als Rücksicht und Vorweg­ nahme der Rede vom Armen im Lobversprechen von 9f. Dieser eine Feind wird in gezielter Aufnahme der Sozialkritik des Jeremiabuches (s.u.) als der Stär­ kere und Ausbeuter identifiziert und dem Armen und Schwachen entgegenge­ setzt. Der Beter zählt sich zur Gruppe der Armen und ist sich seiner Rettung sicher, weil er JHWH auf seiner Seite weiß. Typisch für diesen Abschnitt ist der Schwenk von der Ich-Du-Rede der Bitte und Klage zur Lehre von JHWH in dritter Person in 9f. Dieselben Tendenzen kennzeichnen die Schlußverse der Endgestalt des Psalms in 26-28. Dahinter ist unschwer das Selbstbewußtsein der nachexilischen Gruppe der Armen zu erkennen. Wegen des Gruppenkontra­ stes werden in 26f wie in Ps 4014-18 Passagen aus Ps 70 aufgenommen und ad hoc abgewandelt (vgl. auch die engen Beziehungen von 26 zu 4). Wie in 7-10 kennzeichnet Siegeszuversicht die Stimmung der Zeilen, und wie dort zieht

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eine Tendenz zur Lehre (vgl. 27) ins Gebet ein. Der vorexilische Grundpsalm stimmt strukturell mit den Grundpsalmen von 38 und 415-11 überein (Anfangs­ bitten 351 382 415, Notschilderung 3511-16 383-21 41fr'10, Schlußbitten 3517 3822f 41n). Darüber hinaus verbinden die drei viele Sach- und Sprachparallelen (die Feinde triumphieren über den Beter 35,s 3817 vgl. 418; sie prahlen über ihn vgl. 3516 3817 4110; das Thema Vergeltung 3512 4111; die Trauerriten 3514 387). Ps 35 ist mit seinem Grundpsalm als erster Psalm der vierten Psalmengruppe 35-41 ganz nach hinten orientiert und eröffnet diese Teilgruppe des ersten Da­ vidpsalters. Ps 35 ist mit dem Armenpsalm 34 vor allem durch das Motiv vom Engel JHWHs 348 355f verbunden, das nur an diesen beiden Stellen im Psalter auf­ taucht. Natürlich sind beide Psalmen auf der Ebene der nachexilischen Armen­ redaktion miteinander verklammert 357-10 26-28 34 (JHWH rettet den Armen 34518.20 3510^ jer Arme führt ständig das Lob JHWHs in seinem Munde 342 3527, er preist dessen Größe 344 3527, die Gruppe der Armen freut sich 343 3527, die Selbstbezeichnung Arme/Armer 347 3510, das Selbstverständnis als Ge­ rechte 3416-20 3 527, als »Knechte JHWHs« 3423 3527, die Armen erröten nicht 346 354 26 mit den Feinden als Subjekt, die Rede von den geretteten Knochen 3421 35 ,0). Der weisheitlich geprägte vorexilische Nachfolgepsalm 36 ist von der formativen exilischen Psalmenredaktion hinter Ps 35 eingestellt worden. Die Feind­ darstellungen des erweiterten Ps 35,_6 M"25 haben Beziehungen zu den Einflü­ sterungen der Sünde, dem Feind von innen, in Ps 36 (Planen des Bösen/Unheil 354 20 3 65, der glatte und schlüpfrige Weg der Feinde 356 363, heimtückisches Reden 3520 364). Die Feinde haben ein gleiches Schicksal in beiden Psalmen, denn sie werden niedergestoßen (355 3613). Insbesondere kennen beide Psal­ men den Gruppenkonflikt zwischen »Kennern JHWHs« und Geradherzigen auf der einen und Hochmütigen, Frevlern und Übeltätern auf der anderen Seite, vgl. 3611-13 mit 3520 die »Stillen im Lande« gegen die grundlosen Hasser und Triumphierenden 3519“25. Mit Hilfe der Überschrift 36l versteht sich Ps 36 als Erfüllung der Wünsche/Bitten von Ps 3 527.

35l [Von David.] Streite, Herr, gegen alle, die gegen mich streiten, bekämpfe alle, die mich bekämpfen! 2 Ergreife Schild und Waffen; steh auf, um mir zu helfen! 3 Schwing den Speer und die Lanze gegen meine Verfolger! Sag zu mir: »Ich bin deine Hilfe.« 4 In Schmach und Schande sollen alle fallen, die mir nach dem Leben trachten. Zurückweichen sollen sie und vor Scham erröten, die auf mein Unglück sinnen. 5 Sie sollen werden wie Spreu vor dem Wind; der Engel des Herrn stoße sie fort. 6 Ihr Weg soll finster und schlüpfrig sein; der Engel des Herrn verfolge sie.

4015

l4 8314 34«

7318 Jer 2312

218 Jcr 1820 7f: 716 Ijob 188f

7119 7714 897f 1135 Ex 15“ 27>2

Mt 2659f 382’ 1095 Jer 1820 1094

j712

2223

2519 695

Joh 1525

4016

Klgl 216 3822 Hab l13 Ps 22‘2

DIE PSALMEN

7 Denn sie haben mir ohne Grund ein Netz gelegt, mir ohne Grund eine Grube gegraben. 8 Unvermutet ereile ihn das Verderben; / er fange sich selbst in seinem Netz, er falle in die eigene Grube. 9 Meine Seele aber wird jubeln über den Herrn und sich über seine Hilfe freuen. 10 Mit Leib und Seele will ich sagen: Herr, wer ist wie du ? Du entreißt den Schwachen dem, der stärker ist, den Schwachen und Armen dem, der ihn ausraubt. 11 Da treten ruchlose Zeugen auf. Man wirft mir Dinge vor, von denen ich nichts weiß. 12 Sie vergelten mir Gutes mit Bösem; ich bin verlassen und einsam. 13 Ich aber zog ein Bußkleid an, als sie erkrankten, / und quälte mich ab mit Fasten. Nun kehre mein Gebet zurück in meine Brust. 14 Als wäre es ein Freund oder ein Bruder, so ging ich betrübt umher, wie man Leid trägt um die Mutter, trauernd und tief gebeugt. 15 Doch als ich stürzte, lachten sie und taten sich zusammen. Sie taten sich gegen mich zusammen wie Fremde, die ich nicht kenne. Sie hören nicht auf, mich zu schmähen; / 16 sie verhöhnen und verspotten mich, knirschen gegen mich mit den Zähnen. 17 Herr, wie lange noch wirst du das ansehn? / Rette mein Leben vor den wilden Tieren, mein einziges Gut vor den Löwen! 18 Ich will dir danken in großer Gemeinde, vor zahlreichem Volk dich preisen. 19 Uber mich sollen die sich nicht freuen, die mich ohne Grund befeinden. Sie sollen nicht mit den Augen zwinkern, die mich grundlos hassen. 20 Denn was sie reden, dient nicht dem Frieden; gegen die Stillen im Land ersinnen sie listige Pläne. 21 Sie reißen den Mund gegen mich auf und sagen: »Dir geschieht recht. Jetzt sehen wir’s mit eigenen Augen.« 22 Du hast es gesehen, Herr. So schweig doch nicht! Herr, bleib mir nicht fern!

Ps 35

Ps 35

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23 Wach auf, tritt ein für mein Recht, verteidige mich, mein Gott und mein Herr! 24 Verschaff mir Recht nach deiner Gerechtigkeit, Herr, mein Gott! Sie sollen sich über mich nicht freuen. 25 Laß sie nicht denken: »Recht so! Das freut uns.« Sie sollen nicht sagen: »Wir haben ihn verschlungen.« 26 In Schmach und Schande sollen alle fallen, die sich über mein Unglück freuen, in Schimpf und Schande sich kleiden, die gegen mich prahlen. 27 Alle sollen sich freuen und jubeln, die wünschen, daß ich im Recht bin. Sie sollen jederzeit sagen: »Groß ist der Herr, er will das Heil seines Knechtes.« 28 Meine Zunge soll deine Gerechtigkeit verkünden, dein Lob alle Tage. EÜ konjiziert mit der Septuaginta beim Partizip döhäm »sie fortstoßend« ein Personalsuffix der 3. P PI vor allem auch mit Rücksicht auf den Parallelvers 6. EÜ verteilt zu Recht mit der Peschitta die beiden 7a überfüllenden No­ mina »Grube« und »ihr Netz« sinngemäß auf die beiden Halbverse. 8b Das dritte Kolon des Verses gebraucht dasselbe Wort sö’äh »Verderben« wie das erste Kolon. EÜ übersetzt frei mit »Grube«. 10 Wörtlich: alle meine Knochen/Glieder werden sagen. 12 Wörtlich: Kinderlosigkeit für mein Leben. EÜ deutet richtig auf Einsam­ keit des Beters. 15 EÜ nimmt im zweiten Stichos die traditionelle, kontextgemäße Konjekturvorvon nekim zu nokrfm »Fremde«. 16a Der Halbvers ist im MT kaum übersetzbar. EÜ übergeht das schwierige Ifhanfi »bei meinem Hinken«? oder bei meinem Mich-Erstellen? und übersetzt mit der Septuaginta die figura etymologica »sie spotteten einen Spott«, d. h. sie »verspotteten und verhöhnten mich«. Entgegen der EÜ bleibt die Schilderung der Verse 15.16 konsequent im Präteritum. I7a Wörtlich: Rette mein Leben vor ihrem Verderben! EÜ setzt eine überflüs­ sige Konjektur voraus: Rette mein Leben vor den Brüllenden, d. h. wilden Tieren! 21 EÜ schildert wieder im Präsens statt in Vergangenheit, wie es die Tem­ pora fordern. 23b Wörtlich: Mein Gott und (mein) Herr, (tritt ein) für meinen Streit! 27 Der zweite Stichos beginnt wörtlich: Als groß wird sich JHWH erweisen. 28 Wörtlich: Meine Zunge soll murmeln (oder: sinnend sprechen) deine Gerechtigkeit.

4015

4017

7115

,

5b

:

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Überschrift 1: Sie besteht nur aus der Autorenangabe wie die von Ps 25-28.37. Vielleicht war die Auto­ renangabe für die Überschriften der Ps 32.34-37 strukturbildend. Eingangsbitten 1-4: JHWH wird zur Parteinahme im Streit und Kampf aufgefordert. Die zweifache figura etymologica hat ihre nächste Paral­ lele in Jes 4925 (vgl. Jer 1819). Der »Streit« kann vor Gericht ausgetra­ gen werden wie in Klgl 358 Ps 431 119151. Er kann aber auch wie in i eine außergerichtliche Auseinander­ setzung bezeichnen. JHWH wird als Kriegsmann angerufen (vgl. Ps 248). Als solcher tritt er in den alten JFIWH-Kriegserzählungen auf wie in Ex 1414-25 oder wird dergestalt um Beistand angegangen wie in Ps 562f 1093. 2a bittet um entsprechende Zu­ rüstung mit dem kleinen Rundschild und dem großen Setzschild, der den Krieger völlig abschirmt. Die beiden Schilde sind aus prophetischen Ansa­ gen bekannt (Jer 463 Ez 2324 384 399) und gehören in die Bestandsaussagen gerade der vorexilischen Psalmen (Setzschild: Ps 513 vgl. 914; Rund­ schild: Ps 34 1836b 20c 21 23 28cd

35b 36a 37b 38b

39a

In MT steht das gleiche Verbum wie in 9c-22a29a; die EÜ übersetzt hier nicht konsequent; auch 34c steht das gleiche Verbum im Infinitiv: »er er­ höht dich, das Land zu besitzen.« qy »ais großer Überfluß der Frevler«. MT: »im Rauch« oder »als Rauch« (bet essentiae). Andere Übersetzungsmöglichkeit: »Der Frevler borgt und zahlt nicht zu­ rück, doch der Gerechte ist mildtätig und schenkt.« MT: »Von JHWH her sind gefestigt die Schritte des Mannes, und zwar desjenigen, an dessen Weg ...« Zeilen gegenüber MT umgestellt. Ursprünglich wohl: »Die Übeltäter werden für immer vernichtet«: 'wljm (im MT durch Haplographie weg­ gefallen) twlm nsmdw(im MT nstnrw»sie werden bewahrt«: Lesung von r statt d wegen Ähnlichkeit der Konsonanten häufiger auftretend!); Un­ sicherheiten schon in G Vg. MT unverständlich: »und einen sich Entblößenden wie einen grünen Ein­ geborenen« ; Text korr in Teilanlehnung an G. MT: »er ging vorüber« bzw. »er verschwand«; Text (auch mit Blick auf 36b) korr nach G V Q. Andere Übersetzungsmöglichkeit: »denn die Zukunft/das Ende eines sol­ chen Mannes ist Heil/Frieden.« MT wörtlich: »die Zukunft/das Ende der Frevler wird ausgerottet.« Wegen des Akrostichons ist im MT das syndetische waw am Anfang der Zeile zu streichen.

928 35f: Ijob 206f

462

234

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/. Spruch 1-2: Im Hintergrund steht das weisheitlich-pädagogische Nega­ tivbild des »Heißen« bzw. des »Hitzi­ gen« (vgl. Spr 331 23,7f 24* *9), der sich nicht nur über die Taten und Er­ folge der Bösen »erhitzt« und »erei­ fert« (vgl. Ps 733), sondern dabei vor allem emotionalen und intellektuel­ len Anstoß an der schöpfungsgegebe­ nen Lebensordnung nimmt, so daß der Schritt zur Revolte gegen Gott nicht mehr weit ist. Wer sich so »erei­ fert«, engt sich seinen eigenen Le­ bensraum ein (Ijob 52: »Eifer tötet«; Spr 1430: »Eifer ist Knochenfraß«), neigt zu Streit (Spr 1518) und gerät selbst auf den Weg der Gewalt und des Unrechts (Spr 2224f). Die Begrün­ dung der Warnung ist typisch weisheitlich: weder Rekurs auf ein Got­ tesgebot noch auf eine allgemeine sittliche Norm, sondern Darlegung einer immer wieder machbaren Er­ fahrung aus der Natur. Das nach Re­ gen schnell aufwachsende Gras und das junge Grün, das den Boden be­ deckt, werden welk und vertrocknen schnell, wenn der heiße Ostwind oder die starke Sonne kommt, da sie nicht tief genug verwurzelt sind. Diese »Gesetzmäßigkeit« der Natur wird hier im Sinne der Tun-ErgehenEntsprechung auf die Übeltäter über­ tragen: »Wer Übel sät, wird Unheil ernten« (Spr 228). 2. Spruch3-4: Die Bereitschaft und die Kraft, Gutes zu tun, sind nicht nur eine Sache der rechten Einsicht, son­ dern eine Frage des Vertrauens, daß sich das Gute, allem vordergründigen Augenschein zum Trotz, durchsetzt, weil das Gute als lebensförderliche Macht in der von JHWH gegebenen und geschützten »Urordnung« grün­ det. Die zwei Imperative in 3b sind im Hebr mehrdeutig: »Wohne im Lande und weide (in) Sicherheit/Treue.« Die EÜ unterstellt eine Warnung vor Auswanderung (vgl. die Übersetzung

ii

Ps 37

von M. Luther: »Bleibe im Lande und nähre dich redlich!«), die zugleich Zeichen der Treulosigkeit gegenüber JHWH als dem Geber des Landes wäre (wenig wahrscheinlich). Andere deuten (wohl richtiger) die Impera­ tive als Verheißung: »so wirst du im Lande wohnen und in Sicherheit wei­ den« (vgl. Jes 1430 Ez3414,I8f); das Bild wäre dann ein assoziativer Kon­ trast zum Bild von 2. Aus der Lust an JHWH (fruitio dei) 4a erwachsen die Lust am Leben und die Kraft, inmit­ ten der Bösen das Gute zu tun (zur Vorstellung von der Lust an/in Gott vgl. Ijob 2226 2710 Jes 5814), aber auch die Kunst, die rechten Bitten und Fra­ gen zu stellen4b (vgl. Ps 206 213 1 Kön 33-15 Mt 633). 3. Spruch 5-6: In dem Imperativ »wälze (EÜ: >befiehl1 I

Ps 41

DIE PSALMEN

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vergelten. Darüber legt sich eine neue Struktur, die an den redundanten Perso­ nalpronomina jeweils in Frontstellung zu Beginn des Verses zu erkennen ist (ich, ich sagte 5; aber du, JHWH 11; und ich, in meiner Schuldlosigkeit,3). Das gesamte Gebet 5-13 wird dadurch zweigeteilt in Klage 5-10 und Bitte mit Erhörung 1M3; die ältere Rahmung des vorgegebenen Klagegebets wird aufge­ sprengt. Die Klage erhält ein glückliches Ende. Besonders umstritten ist die Interpretation der Verse 12f. Das fängt schon mit der Interpretation des einleitenden Demonstrativpronomens »daran« in 12 an. Es kann anaphorisch verstanden werden und bezieht sich dann auf etwas Ge­ schehenes zurück: »Daran habe ich erkannt«. Dieses Geschehen wird voraus­ gesetzt, aber im Psalm nicht explizit genannt. Es kann das Ereignis der Hei­ lung sein, das wie irgendein anderes äußeres Ereignis nach den Bitten eingetre­ ten ist und den Zugewinn an neuer Erkenntnis begründet (vgl. Gen 22n Ri 173 1 Kön 1724 Ps 5610). Die Lücke wird bei den Exegeten auch gerne mit einem priesterlichen oder kultprophetischen Heilsorakel ausgefüllt, das die Wende eingeleitet hat (vgl. vor allem Ps 126). Schlichter kann aber auch eine mittler­ weile gewachsene Gewißheit gemeint sein, der der Beter Ausdruck verleiht (vgl. Ex 1811 Ps 207 7317 11975-152 1355). Wird das Demonstrativum kataphorisch verstanden, verweist es auf die zukünftige Erfahrung der Rettung, die dann in l2f aufgezeigt wird. Die Einleitung von 12 wird dann präsentisch-futurisch gedeutet (»daran erkenne ich«), und man versucht, den Erkenntnisgrund in einem der Objektsätze von 12 ausfindig zu machen (z. B. die EU). Aber diese zweite Möglichkeit lassen die Tempora in 12f nicht zu, denn sie erzählen deut­ lich von einem schon eingetroffenen Geschehen. Ebenso hat auch die Einlei­ tung in 4b (»du hast verwandelt«), das nachfolgende Geschehen in l2f vorweg deutend, die Heilung vorausgesetzt. Von den erzählenden Passagen aus ni kann zurückgeschlossen werden, daß die Zuwendung JHWHs zum Kranken erfolgt ist und die Heilung zurückliegt. Im Kern des Psalms steckt also ein al­ tes vorexilisches Klagegebet eines verfolgten Kranken 5-1 *. Das vorexilische Klagegebet erfuhr später in exilischer Zeit eine Bearbeitung durch dleTormative exilische Redaktion,~3ie"3as Klägegebet ausgebaut hat zum zweiteiligen Gebet aus Klage und Bitte mit Erhörung und dadurch die ____ Klage in Richtung Danklied mit glücklichem Ausgang verändert hat. Sie gab 3er Klage eine Zitateinleitung in 5, stellte der zweiten Bitte um Erbarmen ein verstärkendes und strukturierendes Personalpronomen voran und fügte vor al­ lem den Rückblick auf die Rettung bzw, Heilung in 12f an. Für den zum vorge­ gebenen Klagegebet sekundären Charakter von 12f sprechen mehrere Indizien. Das Klagegebet spricht in 6 von »meinen Feinden« im Plural, und ihre unter­ schiedene Mehrzahl macht dem Kranken gerade in 6-10 zu schaffen. Auf diese Feinde wird in 11 durch enklitisches Personalpronomen zurückverwiesen. Demgegenüber sticht die Rede vom Feind in 12 ins Auge. Sie bleibt nicht beim pronominalen Rückverweis, sondern redet wieder explizit vom Feind, und zwar im zusammenfassenden Singular »mein Feind«. Im Klagegebet hat der Be­ ter seine Schuld eingestanden 5. Jetzt beruft er sich in 13 auf seine Schuldlosig­ keit. Wenn der Begriff wörtlich »in meiner Ganzheit bzw. Vollständigkeit« die körperliche Unversehrtheit konnotativ auch nicht ausschließt, so schließt er auf jeden Fall nach Ausweis vieler weisheitlicher Parallelen die ethische Untadeligkeit ein. Die Schuld, von der Krankheit verursacht, wird zum Einzelfak­ tum relativiert und aufgehoben in eine vom Rettergott JHWH beglaubigte grundsätzliche Schuldlosigkeit. Der geheilte Beter ordnet sich der Gruppe der

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DIE PSALMEN

Ps 41

Gerechten zu, die in der älteren Spruchweisheit gelegentlich auch als Arme be­ zeichnet werden (Spr 191 286). Daran wird die zweite Bearbeitung von 2-4 an­ knüpfen. 12f orientiert sich an der Sprache nachjeremianischer Stücke und der Deuterojesajas. Eine Situierung der Erweiterung und damit des Gebetes5-13 •im ’ Kult wird direkt nicht nahegelegt, obwohl 13b das Erscheinen im Tempel (vgl. die Parallele Ps 26i n) auch nicht ausschließt. Eine zweite nachexilische Ar­ menredaktion setzt dem Gebet eine lehrhaft-mahnende Einleitung voran. Ihr Hauptanliegen ist, den Beter als Armen zu identifizieren und sein Schicksal beispielhaft herauszustellen. Die Lehre kippt an ihrem Ende in 4b aus der Dar­ legung ins Gebet um und leitet so zum Psalmkorpus über. Vom Gesamtpsalm 2-13 ist die Schlußdoxologie noch einmal abzusetzen. Mit der Zeitangabe »für immer« hat der Psalm schon seinen Abschluß in 13 erreicht. Die Doxologie kopiert das und baut es zur Wendung »von Ewigkeit zu Ewig­ keit« aus. Nicht mehr steht die Beziehung JHWH-Armer/Beter im Mittel­ punkt, sondern das Verhältnis JHWHs zum Gottesvolk. JHWH heißt jetzt der Gott Israels, und dieses Israel akklamiert ihm mit dem liturgischen Ruf »Amen, Amen!«. Die Schlußdoxologie nimmt also den Psalm eines einzelnen in das Gebet der Gemeinde auf. Schwierig ist die Frage zu entscheiden, in wel­ chem Verhältnis die Überschrift mit ihrer Zuweisung des Psalms an David zur Schlußdoxologie des ersten Davidpsalters steht. Auf jeden Fall wird der erste Davidpsalter vom Beter und von der Gemeinde durch Lob und Bekräftigung abgeschlossen. Bezieht man den Kontext von Ps 41 unter redaktionskritischen Gesichtspunk­ ten ein, erhält man signifikante Aufschlüsse. Zur Ouvertüre der Korachlieder in Ps 42/43 nimmt Ps 41 nur punktuelle und eher anspielend-analoge Bezie­ hungen auf. Den Psalmenredaktionen dürfte nicht entgangen sein, daß in der Einleitung von 41 der maskil »der kluge Achthabende« seliggepriesen wird und in der Überschrift von 42 derselbe Begriff im Sinne von Kunst- oder Weis­ heitslied auftaucht. Zweimal wird in 4210 432 vom Feind geredet, was für Ps 41 Hauptthema ist. Schließlich ist für beide Psalmen das Angesicht JHWHs/Gottes erstrebenswert. Der Schwerpunkt der Kontextverbindungen liegt bei Ps 41 im Verhältnis zum Vorgänger Ps 40. Zuerst besitzen beide Psalmen Strukturentsprechungen: Die Seligpreisung in Randposition am Ende des integrierten Dankliedes 405 und am Anfang des Psalms 412. Die punktuellen Übereinstimmungen konzentrieren sich vor allem auf die ar­ mentheologische Fortschreibung 4012-18 und 412-13. Sie kommen überein in dem Wissen um die Sünde des Beters (4013 415), in der differenzierenden Schil­ derung des Treibens der Feinde und in der Identifizierung des Beters mit dem Armen (40,t! 412 werden verstärkt durch G). Für die armentheologische Redaktion bilden die Psalmen 40 41 ein zusammenhängendes Finale mit der spiegelbildlichen Abfolge Dank - Klage - Lehre (412_4) - Klage - Dank. Die zentrale Lehre zeigt, daß es um die Vorstellung der beispielhaften Existenz des Armen geht.

i



411 [Für den Chormeister. Ein Psalm Davids.] Spr 1421 Mt 57

2 Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt; zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten.

*

Ps 41

DIE PSALMEN

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3 Ihn wird der Herr behüten und am Leben erhalten. Man preist ihn glücklich im Land. Gib ihn nicht seinen gierigen Feinden preis! 4 Auf dem Krankenbett wird der Herr ihn stärken; seine Krankheit verwandelst du in Kraft. 5 Ich sagte: Herr, sei mir gnädig heile mich; denn ich habe gegen dich gesündigt. 6 Meine Feinde reden böse über mich: »Wann stirbt er endlich, und wann vergeht sein Name?« 7 Besucht mich jemand, so kommen seine Worte aus falschem Herzen. Er häuft in sich Bosheit an, dann geht er hinaus und redet. 8 Im Haß gegen mich sind sich alle einig; sie tuscheln über mich und sinnen auf Unheil: 9 »Verderben hat sich über ihn ergossen; wer einmal daliegt, steht nicht mehr auf.« 10 Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, hat gegen mich geprahlt. 11 Du aber, Herr, sei mir gnädig; richte mich auf, damit ich ihnen vergelten kann.

63 227f

44i4f

717 8951 1029 1Q925 1233f

3112 Obd 7

Joh 1318

12 Daran erkenne ich, daß du an mir Gefallen hast: wenn mein Feind nicht über mich triumphieren darf. 13 Weil ich aufrichtig bin, hältst du mich fest und stellst mich vor dein Antlitz für immer. 14 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen, ja amen. 3a

EÜ übergeht die Frontstellung des Subjekts »Herr« (JHWH), die den ganzen Vers3 mit2b verklammert. 3b EÜ hält sich streng an den MT. Die Bitte durchbricht die geschlossene Rede von JHWH in dritter Person 2b_4a. Ferner steht sie in Spannung zum indirekt angedeuteten Sieg über die Feinde in 12. Die alten Versionen set­ zen den Halbvers deswegen in den Indikativ »er gibt ihn nicht seinen gie­ rigen Feinden preis«. 4b EÜ gibt das Erzähltempus »du hast gewandelt« durch Präsens wieder und macht durch Buchstabenvertauschung aus dem hebräischen b'häljö »in seiner Krankheit« ein b'bajil»in Kraft« - eine unnötige Konjektur. ,ob EÜ läßt zu Recht das letzte Wort *äqeb »Ferse« unübersetzt, denn die ge­ prägte Wendung »gegen mich prahlen« ist intransitiv und bezieht sieb nur auf verbale Aktionen. Wahrscheinlich ist das Wort umzuvokalisieren zu 'eq