Die Prosa der spanischen Aufklärung: Beiträge zur Philosophie der Literatur im 18. Jahrhundert (Feijoo - Torres Villarroel - Isla - Cadalso) 9783964562883

Die Prosa der spanischen Aufklärung repräsentiert eine besondere Etappe in der Geschichte der Wechselbeziehungen zwische

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Die Prosa der spanischen Aufklärung: Beiträge zur Philosophie der Literatur im 18. Jahrhundert (Feijoo - Torres Villarroel - Isla - Cadalso)
 9783964562883

Table of contents :
INHALT
Vorwort
Anmerkung zur Zitierweise. Liste der Abkürzungen
1. Einleitung: Ilustración. Zum Begriff der spanischen Aufklärung
2. Positionen und Kontexte der Prosaliteratur. Benito Jerónimo Feijoo
3. Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel. Zur Konfiguration der literarischen Prosa im Kontext des (Neo-)Klassizismus
4. Zur Autonomie des Romans im Spannungsfeld des Absolutismo ilustrado. Die literarische Philosophie der Prosa bei Francisco de Isla: Fray Gerundio de Campazas
5. Der Roman als Sprach- und Subjektphilosophie. Gattungsspielräume bei José Cadalso: Los eruditos a la violeta und Cartas marruecas
6. Zusammenfassung und Ausblick
7. Bibliographie
Namensregister
Danksagung

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Gernot Kamecke DIE PROSA DER SPANISCHEN AUFKLÄRUNG. Beiträge zur Philosophie der Literatur im 18. Jahrhundert (Feijoo - Torres Villarroel - Isla - Cadalso)

LA CUESTIÓN PALPITANTE LOS SIGLOS XVIIIY XIX EN ESPAÑA Vol. 25 Consejo editorial Joaquín Alvarez Barrientos (CSIC, Madrid) Pedro Álvarez de Miranda (Real Academia de la Lengua Española) Lou Charnon-Deutsch (SUNY at Stony Brook) Luisa Elena Delgado (University of Illinois at Urbana Champaign) Fernando Durán López (Universidad de Cádiz) Pura Fernández (Centro de Ciencias Humanas y Sociales, CSIC, Madrid) Andreas Geiz (Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg im Breisgau) David T. Gies (University of Virginia, Charlottesville) Kirsty Hooper (University of Warwick, Coventry) Marie-Linda Ortega (Université de la Sorbonne Nouvelle / Paris III) Ana Rueda (University of Kentucky, Lexington) Manfred Tietz (Ruhr-Universität, Bochum) Akiko Tsuchiya (Washington University, St. Louis)

DIE P R O S A DER S P A N I S C H E N AUFKLÄRUNG Beiträge zur Philosophie der Literatur im 18. Jahrhundert (Feijoo - Torres Villarroel - Isla - Cadalso)

Gernot Kamecke

Vervuert - 2015

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

© Vervuert, 2015 Elisabethenstr. 3-9 D-60594 Frankfurt am Main Tel.: +49 69 597 46 17 Fax:+49 69 597 8743 [email protected] www.ibero-americana.net ISBN 978-3-95487-419-4 (Vervuert) Umschlaggestaltung: a. f. diseño y comunicación

Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigem Papier Gedruckt in Spanien

Für Benjamin Leander Kamecke

INHALT

Vorwort

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Anmerkung zur Zitierweise. Liste der Abkürzungen

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1. Einleitung: Ilustración. Zum Begriff der spanischen Aufklärung 1.1. Spanien im Konzert der europäischen Aufklärung 1.1.1. Im,Licht' der,Verdeutlichung'. Zwei Bedeutungen des Verbs ilustrar 1.2. Zwei Spanien, Kirche und Staat 1.3. Topographie, Identität. Das spanische Mosaik 1.4. Glorreiche Vergangenheit und Ökonomie des Mangels. Die spanische Aufklärungsliteratur zwischen Reflexion und Experiment 1.5. Zur Diskursformation der spanischen Prosaliteratur im 18. Jahrhundert. Der Ensayo zwischen Philosophie und Poetologie...

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2. Positionen und Kontexte der Prosaliteratur. Benito Jerónimo Feijoo.. 2.1. Die Gründerfigur der spanischen Aufklärung 2.2. Der öffentliche Autor. Zur Geburt des Essays aus dem Geist der Apologetik 2.2.1. Der Ensayo und sein Leser 2.3. Feijoos Konzept der Ilustración. Die philosophische Idee des Werks, Argumentationsstruktur und Methode 2.3.1. Wissenschaft und Volkes Stimme. Die Dialektik von Wahrheit und Irrtum 2.4. Wissen und Experiment. Die Quellen des Essays 2.5. Die Regeln der Literatur. Zur Erneuerung der spanischen Prosa

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3. Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel. Zur Konfiguration der literarischen Prosa im Kontext des (Neo-)Klassizismus 3.1. Gesetzeskraft und Erudition: Gregorio Mayans y Sisear 3.2. Zur Philosophie des Neoklassizismus: Ignacio de Luzán 3.2.1. Agudeza und ingenio zwischen Regel und Eingebung. Exkurs über die Politik der Literaturphilosophie 3.3. Die Topologie der Prosafiktion bei Torres Villarroel 3.3.1. Autobiographie als literarischer Selbstversuch 3.3.2. Erzählstruktur und literarisches Konzept der Vida 3.3.3. Kunst des Vorworts. Die Pointe der Vida 3.4. Die Vision des Torres. Literatur zwischen Traumerzählung und Sprachexperiment 3.4.1. Die Libros als Gesamtkunstwerk: Topologie, Narratologie, Poetologie 3.4.2. Die Philosophie der Sueños. Traumdeutung als ironische Sozialkritik 3.5. Realistische Satire und Politik der Sprachspiele. Torres und die Inquisition 4. Zur Autonomie des Romans im Spannungsfeld des Absolutismo ilustrado. Die literarische Philosophie der Prosa bei Francisco de Isla: Fray Gerundio de Campazas 4.1. Nachahmung bis zur Inexistenz. Zum Begriff der Novela im 18. Jahrhundert 4.2. Politische Funktionen und diskursive Umgebungen. Zur Situation der literarischen Prosa in der Epoche der , dirigierten'Kunst 4.2.1. Nipho. Literarischer Journalismus und philosophischer Kostumbrismus 4.3. Rhetorik des Absurden. Der Fray Gerundio als Roman der Aufklärung 4.3.1. Francisco de Isla, ein Romancier im Geist der Homiletik.... 4.3.2. Der Fray Gerundio als satirischer Literaturroman 4.4. Der Roman als Zitatverfahren. Intertextualität und Interdiskursivität im Fray Gerundio 4.5. Die Grenzen der ironischen Sprache. Zur mise en abyme als Parodie 5. Der Roman als Sprach- und Subjektphilosophie. Gattungsspielräume bei José Cadalso: Los eruditos a la violeta und Cartas marruecas 5.1. Die Anfänge Cadalsos am Scheideweg der Literatur. Kunst und Moral im Geist des Patriotismus

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5.2. Ironische Erziehung oder die Aufklärung im Medium der satirischen Prosa. Los eruditos a la violeta mit einer Note zur Defensa de la nación española 5.3. Die Aufhebung der Prosa im Briefroman. Cadalsos Cartas marruecas (1789) 5.3.1. Narratologie der Unvoreingenommenheit. Der Roman als Experiment perspektivistischer Entgrenzung 5.3.2. Immanente Transzendenz. Zum Fundament des sprachphilosophischen Konzepts der Cartas marruecas 5.4. Sprachphilosophie als kostumbristisches Kippspiel 5.4.1. Ñuños Wörterbuch 5.4.2. Der Roman als Philosophie der Geschichte. Anmerkungen zur Historiographie 5.5. Der Stil des justo medio

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6. Zusammenfassung und Ausblick

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7. Bibliographie I) Zitierte Ausgaben der Autoren des 18. Jahrhunderts und andere Quellen von der Antike bis 1810 II) Sekundärliteratur

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Namensregister

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Danksagung

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VORWORT

Es fällt der Hispanistik noch immer nicht leicht, vom 18. Jahrhundert zu sprechen, ohne in eine Position der Rechtfertigung zu geraten, die einen Vergleich zu den glänzenderen Epochen der spanischen Literatur erzwänge. Die Epoche der Ilustración erfährt in den europäischen Literaturwissenschaften spanischer, französischer, englischer und deutscher Sprache zunehmende Aufmerksamkeit und ermöglicht Räume für Interpretationen, die über die historische Aufarbeitung hinausgehen. Auch hat sich in den benachbarten romanischen Philologien, insbesondere in der Franko-Romanistik, die auf das glanzvollste 18. Jahrhundert der europäischen Literatur und Philosophie zurückblicken kann, die Erkenntnis durchgesetzt, dass südlich der Pyrenäen eine intellektuelle Bewegung existierte, deren Beiträge im interkulturellen Konzert der europäischen Aufklärungen - aus Unkenntnis oder Verdrängung der Quellen - lange Zeit vernachlässigt wurde. Das gar exkludierende, jede interdisziplinäre Brücke zerstörende Diktum von Spanien als Land ohne Aufklärung ist inzwischen ein „längst überholter Topos".1 Trotzdem klingt das Urteil der stimmgewaltigen Kritiker des 19. und 20. Jahrhunderts - von Marcelino Menéndez y Pelayo bis José Ortega y Gasset - , die sich aus unterschiedlichen Gründen dazu veranlasst sahen, die Existenz der spanischen Aufklärung in Frage zu stellen oder gar zu negieren, noch immer nach: „Cuanto más se medita sobre nuestra historia, más clara se advierte esta desastrosa ausencia del siglo XVIII. 1 Siegfried Jiittner: „Spanien - Land ohne Aufklärung? Zur Wiedergewinnung eines verdrängten Erbes", in: Ders. und Jochen Schlobach (Hg.): Europäische Aufklärung(en). Einheit und nationale Vielfalt, Hamburg 1992, S. 249-268, hier: S. 249.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Nos ha faltado el gran siglo educador." 2 Die politischen oder religiösen Motive der konservativen Spanienverteidiger sind dabei ebenso nachvollziehbar (und historisch aufgearbeitet) wie die Frankophilie der republikanischen Intellektuellen und Spanienskeptiker, die der Generación del 98 angehören oder nachgefolgt sind. Schwerer wiegt der Standpunkt des kosmopolitischen und für die Verteidigung kleiner Kulturen eintretenden mexikanischen Dichters und Intellektuellen Octavio Paz: „La gran diferencia entre Francia e Inglaterra, por un lado, y España e Hispanoamérica, por el otro, es que nosotros no tuvimos siglo XVIII. No tuvimus ningún Kant, Voltaire, Diderot, Hume". 3 Die folgende Studie, die ihren Gegenstand just auf der Grundlage einer ,kritischen' Philosophie entwickelt und deren spezifische Ausprägungen in der spanischen Aufklärungsliteratur verfolgt, geht von der Existenz der Ilustración aus und sucht deren literarische und literaturphilosophische Eigenständigkeit hervorzuheben. Dennoch soll hier keine apologetische Rede über die Epoche gehalten werden. Als Ausgangspunkt für eine ausgewogene diskursive Umgebung literaturwissenschaftlicher Untersuchungen und Textinterpretationen sollte die Regel der Normalität gelten, der gemäß die Extrempositionen des alten Streits über die Relevanz der Texte und Schriftsteller des Setecientos gar nicht mehr erwähnt werden. Weder ragt das 18. Jahrhundert über das Siglo de Oro hinaus, noch stellt es eine bloße Epoche der Dekadenz im Übergang zur Romantik dar. Weder kann die Ilustración an das glänzende Zeitalter der französischen Lumières heranreichen, noch kann ernsthaft behauptet werden, die Aufklärung habe in Spanien aus politischen oder religiösen Gründen gar nicht stattgefunden. Aus diesem Grund habe ich auch darauf verzichtet, die leyenda negra, die in der (deutschen, französischen und spanischen) Romantik von der Epoche gezeichnet und bis ins 20. Jahrhundert hinein wiederholt worden ist, mehr als nötig zu strapazieren.

2 José Ortega y Gasset (1930): „El siglo XVIII, educador", in: Obras completas, Bd. 2, Madrid 1950, S. 599ff„ hier: S. 600.

Octavio Paz (1975): „Vuelta a El laberinto de la soledad", in: Ders.: Obras completas, Bd. 8, Barcelona 1993, S. 239-260, hier: S. 258. Vgl. a. ders. (1975): „Literatura y crítica" (in: Ebd., Bd. 3, Barcelona 1991, S. 58-68, hier: S. 62): „Lo que nos faltó sobre todo fue el equivalente de la Ilustración y de la filosofía crítica. No tuvimos siglo XVIII: ni con la mejor buena voluntad podemos comparar a Feijoo o a Jovellanos con Hume, Locke, Diderot, Rousseau, Kant". 3

Vorwort

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Die Grundzüge der Epoche, die anhand der im Folgenden zu analysierenden Prosatexte der spanischen Aufklärung dargelegt wird, entsprechen weder einem ideologischen Sonderweg noch der Bergung eines verdrängten Imaginären, sondern besitzen eine rein technische, konzeptuelle Charakteristik. In diesem Punkt können wir uns auf die Studien der jüngeren Hispanistik deutscher Sprache stützen, die dazu beigetragen haben, der spanischen Aufklärungsepoche ein angemessenes Aufenthaltsrecht in der Akademie zu verschaffen und eine spezifische „Identität"4 zuzuschreiben. Die besonderen Eigenschaften dieser Identität lassen sich im Zusammenhang der spanischen Literatur-, Philosophie- und Kulturgeschichte immanent bestimmen. Zugleich beruhen sie auf der zeittypischen Offenheit einer „Denkform", 5 die just in ihrer Unbestimmbarkeit auch für die übrigen europäischen Aufklärungsbewegungen charakteristisch' ist. Wie in den übrigen europäischen Ländern ereignet sich im Spanien des 18. Jahrhunderts ein umfassender epistemologischer Umbruch, mit dem sich die Bedingungen literarischer Produktion von Grund auf verändern. Die Grenzen der Literatur verschieben sich auf einer formalen Ebene, in der Konfiguration der alten und neu entstehender Gattungen, auf einer diskursiven Ebene, in Relation zu den in der Zeit sich ausdifferenzierenden (Human-)Wissenschaften, und auf einer konzeptuellen Ebene, im reflexiven Verhältnis zur (in neuem Licht sichtbaren) Welt. Diese Veränderungen geschehen zu einer Zeit technischer Neuerungen im Bereich der Herstellungs- und Verbreitungsmedien von Literatur und stehen im Kontext sozialer Entwicklungen, die auch in Spanien eine (wenngleich bescheidenere) literarische Öffentlichkeit entstehen lassen. Der Leitfaden, dem unsere Untersuchung in dieser multiplen Konstellation folgt, wird anhand einer Geschichte entwickelt, die von der Herausbildung und Entwicklung der Möglichkeitsbedingungen einer autonomen und selbst-reflexiven literarischen Prosa handelt.

Christian von Tschilschke: Identität der Aufklärung!Aufklärung der Identität. Literatur und Identitätsdiskurs im Spanien des 18. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2009. S. a. Manfred Tietz: „La Ilustración española. El desarrollo sistemático de una realidad histórica y el problema de la identidad española", in: Maria Falska (Hg.): Encuentros literarios II, Lublin 2009, S. 55-80. 5 Ernst Cassirer (1932): Die Philosophie der Aufklärung, Hamburg 2007, S. 1. 4

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Das Motiv der vorliegenden Darstellung beruht auf einer systematischen These über den Zusammenhang von Literatur und Philosophie als benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen. Die Philosophie und die Literatur, die als gleichberechtigte Töchter in den mythischen Zeiten der europäischen Kultur aus der Hochzeit des Merkur mit der Philologie hervorgegangen sind,6 lassen sich heute in analoger Weise als spezifische Praktiken der Formung von Konzepten und Methoden des Denkens (und Fühlens) im Medium der Sprache begreifen. So wie philosophisches Denken im Medium der textuellen Überlieferung als „literarische Form" 7 begreifbar ist - man denke an die poetischen Funktionen der ontologischen Sprache von Piaton bis Heidegger -, so besteht eine philosophische Methode der (hermeneutischen) Auslegung literarischer Texte darin zu fragen, auf welche Weise diese Texte (sich selbst) „denken".8 Die Diskursgeschichte des systematischen Zusammenhangs von Literatur und Philosophie - die auf umfassende Weise noch nicht geschrieben worden ist - offenbart mit Blick auf die Bedingungen, über die die einzelnen Epochen verfügen, um interdisziplinäre Praktiken des Schreibens zu reflektieren, eine besondere Zäsur 6 Martianus Capeila [ca. 450]: De nuptiis Philologiae et Mercurii. Vgl. Ernst Robert Curtius (1948): Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Tübingen 1993, S. 48f. 7 Gottfried Gabriel: „Literarische Form und nicht-propositionale Erkenntnis in der Philosophie", in: Ders. und Christiane Schildknecht (Hg.): Literarische Formen der Philosophie, Stuttgart 1990, S. 1-25. Vgl. a. ders.: Zwischen Logik und Literatur. Erkenntnisformen von Dichtung, Philosophie und Wissenschaft, Stuttgart 1991, S. 202-224. 8 Pierre Macherey: A quoi pense la littérature? Exercices de philosophie littéraire, Paris 1990. Seither sind in Deutschland in einer interdisziplinären - philosophischen und literaturwissenschaftlichen - Perspektive einige Leitlinien der systematischen Frage nach der „Relation zwischen Philosophie und Literatur" gezeichnet worden. Vgl. Eva Horn, Bettine Menke und Christoph Menke: „Einleitung", in: Dies.: (Hg.): Literatur als Philosophie - Philosophie als Literatur, München 2006, S. 7-14. Philosophie und Literatur werden hier als diskursiv institutionalisierte „Schreibweisen" einander gegenübergestellt. Sie haben beide „ein Wissen von sich selbst, von ihrer Sprache, deren kognitiver Reichweite und Grenzen" und stehen so „in gegenseitiger Inklusion [...] als Weisen des Sich-Schreibens und -erkennens, Modi und Strategien des Lesens, [...] in einem ebenso komplementären wie konkurrierenden Weltbezug" (ebd., S. 8ff.). Ansätze für eine Systematisierung des interdisziplinären Verhältnisses von Literatur und Philosophie finden sich auch bei Ludwig Nagl und Hugh Silverman (Hg.): Textualität der Philosophie. Philosophie und Literatur, Wien/München 1994; Richard Faber und Barbara Naumann (Hg.): Literarische Philosophie - philosophische Literatur, Würzburg 1999; sowie Roland Duhamel und Guillaume van Gemert (Hg.): Nur Narr? Nur Dichter? Über die Beziehungen von Literatur und Philosophie, Würzburg 2008.

Vorwort

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in der Schwellenzeit des 18. Jahrhunderts. Hier institutionalisieren sich die Philosophie und die Literatur erst zu (geistes-)wissenschaftlichen Disziplinen, wodurch sie diskursiv voneinander getrennt werden, um sich gegenseitig (aus entfernterer Nachbarschaft) zu betrachten.9 Vor diesem Hintergrund versteht sich die Frage nach der Prosa der spanischen Aufklärung als ein „Beitrag zur Philosophie der Literatur" im 18. Jahrhundert. Die Beschränkung auf die Gattung der Prosa hat hier nicht nur die pragmatische Funktion, uns in die Lage zu versetzen, die gesamte Epoche der Ilustración in den Blick zu nehmen. Das Primat der Prosa ist auch eine konzeptuelle Bedingung für die (in dieser Zeit entwickelte) Methode des selbstreflexiven und kritischen Fragens nach einer durch literarische Texte „sprachlich modellierten" 10 Welt. Zwar lässt sich mit einigem Recht behaupten, dass die Gattungen des Theaters und der Poesie, die klassischen Antagonisten der Prosa, im spanischen 18. Jahrhundert hinsichtlich der Reflexion literarischer Praxis noch eine wichtige Rolle spielen. Doch die literarische Prosa, die sich, vom Licht der großen Romane des goldenen Jahrhunderts beschienen, im diskursiven Fahrwasser proliferierender wissenschaftlicher Traktate ihre Autonomie erstreitet, stellt keineswegs nur eine ,kleine' Gattung im literarischen Gefüge der Zeit dar. An der Schwelle der epistemologischen Ausdifferenzierung - des Schreibens über Literatur aus der Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen - steht die Prosa in einem genuinen Zusammenhang mit den neuen Techniken der rationalen, induktiven und experimentellen Wirklichkeitsauslegung, die im 18. Jahrhundert das Selbstverständnis des Denkens und Handelns insofern verändert haben, als das Moment der sprachlichen Verfasstheit ins Zentrum der Reflexion kultureller Phänomene rückt. Eine zentrale Kategorie, auf die ich zurückgreife, um die Prosa der Ilustración zu beschreiben, ist der Begriff des Konzepts. Unter einem Konzept verstehe ich eine (korrigierbare) Grundvorstellung davon, 9 „Littérature et philosophie sont mêlées inextricablement [...] jusqu'au moment où l'histoire a instauré entre elles une sorte de partage officiel. Ce moment se situe à la fin du XVIIIe siècle". Macherey: A quoi pense la littérature?, a.a.O., S. 9. Zum 18. Jahrhundert als Epochenschwelle für die Ausbildung des reflexiven Verhältnisses von Literatur und

Philosophie vgl. a. Jacques Rancière: La parole muette. Essai sur les contradictions

de la

littérature, Paris 1997, S. 9ff.; sowie Claus Uhlig: Literatur und Philosophie. Studien zu ihrer

Interaktion von der Renaissance bis zur Moderne, Heidelberg 2004, S. 202ff. 10

Jurij M. Lotman (1970): Die Struktur literarischer Texte, München 1972, S. 312.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

wie die literarische Prosa auf nachvollziehbare Weise sich selbst denkt bzw. ,erfasst' (concipit). Das Konzept ist zunächst die Idee einer ersten Artikulation zu Beginn eines jeden Gedankens: „le concept, c'est [...] le contour, la configuration, la constellation d'un événement de la pensée". 11 Zugleich markiert der Konzeptbegriff den Ausgang der folgenden Überlegung über die epochenspezifische Selbstkonzeption einer textuellen Gattung, die den Gegenstand des Literarischen (lo literario, la littérarité) als ein grundlegendes Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit problematisiert. Als autonome Praxis der Selbstreflexion steht das Konzept hier im Gegensatz zum Begriff des Präzepts, welches die dirigistische' Vereinnahmung des Literarischen für außerliterarische Zwecke (der politischen Lenkung, der moralischen Überwachung, der gesellschaftlichen Kontrolle etc.) meint. Im Verlauf der Darlegung der verschiedenen Konzeptionen literarischer Aufklärungsprosa treffen wir somit auf zwei verschiedene Bedeutungen des Begriffs Ilustración. Der Aufklärungsbegriff versteht sich in der Epoche entweder als Vorschrift im Regulativ von Ordnungsvorgaben oder als Wagnis im Experiment einer Subjektivierung durch die Kunst des literarischen Schreibens.12 Die Interdependenz zwischen den reflexiven Methoden der wissenschaftlichen Kritik und den Techniken des literarischen Kostumbrismus (im Zeichen einer realistischen Gesellschaftsbeschreibung), die Herausbildung der Hermeneutik als Wissenschaft der Lektüre (jenseits der Wiederholung der Autoritäten), die Entdeckung des Ereignischarakters des Ästhetischen und des Subjekts (als treibende Kraft der Autonomiebewegung des Literarischen), die Neuverteilung der antagonistischen Kräfte der literarischen Prosa als Technik der Welterzeugung (die Verknappung ihrer Möglichkeiten in der Satire oder deren Amplifikation im Roman) - all dies, um nur einige Momente der folgenden Untersuchung zu nennen, setzt die Prosa an die diskursive Schaltstelle einer Epoche der Umformung des literarischen Denkens

" Gilles Deleuze und Félix Guattari: „Qu'est-ce qu'un concept?", in: Dies.: Qu'est-ce que la philosophie?, Paris 1991, S. 21-37, hier: S. 36. Auf dieser Grundlage stellt das Konzept das erste Element eines „Axiome du dire" dar, welches aus der vorsprachlichen Triade „être/existence/pensée" folgt. Alain Badiou: „Être, existence, pensée: prose et concept", in: Ders.: Petit manuel d'inesthétique, Paris 1998, S. 137-187, hier: S. 153f. 12 „L'art, [c'est] le paradigme philosophique de la puissance subjectivante." Ders.: Conditions, Paris 1992, S. 68.

Vorwort

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und der literarischen (Selbst-)Konzeption. Die Prosa erweist sich nicht nur als ein besonderer Stil der rationalen Auslegung von Wirklichkeit im Verhältnis zu den (sprachlich verfassten) politischen, ökonomischen und kulturellen Ideen der Zeit. Sie spricht auch aus dem Herzen des allgemeinen Programms jenes ,rationalitätsversessenen' 18. Jahrhunderts, das den antiken Traum verwirklichen möchte, den logos der Sprache mit dem logos der Vernunft in Einklang zu bringen. Während das Theater und die Poesie die bevorzugten Gattungen der neo-klassizistischen Regelwerke sind, ist die Prosa die Gattung einer essayistischen Freiheit von den politischen Vorgaben der literarischen Form. Nun werden aufgrund dieses Drangs nach Freiheit im zeitgenössischen Spanien zahlreiche und mächtige Gegner auf den Plan gerufen. Die Konzepte der Gattungsbeschreibung, die in dieser Untersuchung aufgerufen werden, entsprechen den Eigenschaften, mit denen die konservativen und traditionalistischen Kräfte - die in Spanien auch zur Regierungszeit des aufgeklärten' Königs Karl III. tonangebend sind - ihre Drohungen gegenüber den Autoren der Ilustración aussprechen (und späteren Kritikern als Begriffe der Verdammnis überliefern): „Afrancesado, libertino, prosaico, racionalista y ateo [...] son los sambenitos [que han bastado] para hacer del XVIII el siglo maldito de la historia de España".13 Zwar ist der Vorwurf des Atheismus unberechtigt. Als atheistisch gibt sich im Spanien des 18. Jahrhunderts kein einziger Autor zu erkennen, weder in der Literatur, noch in der Philosophie oder den (neuen) Wissenschaften. Doch die übrigen ,Anklagepunkte' lassen sich sehr wohl auch als positive Begriffe der Eigenschaftsbeschreibung textueller Praktiken (zurück-)gewinnen, deren Gemeinsamkeit auf der Notwendigkeit eines sprachlichen Versteckspiels mit den zensierenden und kontrollierenden Obrigkeiten beruht. Die literarischen Techniken der spanischen Autoren zeichnen sich im Vergleich zu den „radikalen"14 Formen der Aufklärung, die im Frankreich der 1750er, 1760er und 1770er Jahre möglich waren, durch eine subtilere Kunstfertigkeit aus. Dies ist der verborgene, aber zugleich spezifische Aspekt der spanischen Prosatexte.

13 Francisco Águilar Piñal: „Prólogo", in: Ders.: Bibliografia de autores españoles del siglo XVIII, Bd. 1, Madrid 1981, S. 9-19, hier: S. 19.

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Zum Begriff der »radikalen Aufklärung' vgl. Jonathan I. Israel: Radical

Enlightenment.

Philosophy and the Making of Modernity

1650-1750,

Oxford 2001, S. 3-13.

18

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Wenn ich nun im Folgenden vier große Autoren der spanischen Aufklärung - von denen insbesondere der älteste (Feijoo) und der jüngste (Cadalso) schon häufiger kommentiert worden sind - , umfassenderen Werkanalysen unterziehe, so geschieht dies mit dem Ziel einer neuen und grundlegenden Konzeptualisierung der ,Identität' der Ilustración als einer eigenständigen literarischen Epoche. Damit verhält sich die Studie in ihrem reflexiven, literaturphilosophischen Ansatz bis zu einem gewissen Grad komplementär zum Zeitgeist der hispanistischen Forschung, die in den literarischen Texten der spanischen Aufklärer zuvorderst den exemplarischen Ausdruck allgemeiner kulturhistorischer Phänomene erkennen möchte. Vor diesem Hintergrund erscheint es hilfreich, in einem einführenden Kapitel das Panorama der kulturhistorischen und epistemologischen Kontexte noch einmal systematisch zu entfalten.

A N M E R K U N G ZUR Z I T I E R W E I S E

Grundsätzlich folge ich der Originalschreibweise der zitierten Texte. Dies führt bei einigen Autornamen (z.B. Feijoo vs. Feijóo vs. Feyjoö) ebenso wie bei manchen Werktiteln (z.B. Filosofía escéptica vs. Philosophia Sceptica) zu divergenten Darstellungen. Sofern die älteren Texte in neueren Editionen erschienen oder in Online-Bibliotheken (wie der Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes, der Colección Digital Complutense oder der Biblioteca Feijoniana) transkribiert worden sind, gilt die modernisierte Orthographie. In Zweifelsfällen wurde die Schreibweise der Werktitel mit der Bibliografía de autores españoles del siglo XVIII von Francisco Aguilar Piñal (Madrid 1981-2002) abgeglichen. Folgende Abkürzungen werden im Text verwendet: AGS - Archivo General de Simancas AHN - Archivo Histórico Nacional BAE - Biblioteca de Autores Españoles BNE - Biblioteca Nacional de España BVMC - Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes CE - Cartas eruditas y curiosas (Benito Jerónimo Feijoo) CM - Cartas marruecas (José Cadalso) CSIC - Consejo Superior de Investigaciones Científicas EV - Los eruditos a la violeta (José Cadalso) FG - Fray Gerundio de Campazas (José Francisco de Isla)

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

NRFH - Nueva Revista de Filología Hispánica PUF - Presses Universitaires de France RAE - Real Academia Española RFE - Revista de Filología Española TCU - Teatro crítico universal (Benito Jerónimo Feijoo)

1. EINLEITUNG: ILUSTRACIÓN. ZUM BEGRIFF DER SPANISCHEN AUFKLÄRUNG

1 . 1 . SPANIEN IM KONZERT DER EUROPÄISCHEN AUFKLÄRUNG

Die kürzeste, aber vielleicht folgenreichste Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung?" ist durch Immanuel Kants gleichnamige Schrift aus dem Jahr 1784 überliefert: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit." 1 Mit diesem programmatischen Satz ist eine Gesamtbewegung der europäischen Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts bezeichnet, dessen grundlegender Wandel in den Bereichen der Philosophie, der Kunst und der Wissenschaft auf die Begriffe der Säkularisierung und der Rationalisierung zurückgeführt wird. Das kritische Subjekt, dessen Wagnis, sich „ohne Leitung eines anderen" seines eignen Verstandes zu bedienen, nach Kant aus der Emanzipation von den politischen und theologischen Vorgaben des 16. und 17. Jahrhunderts resultiert, hat seinen historischen Ort in den europäischen Aufklärungsbewegungen, unter denen vor allem die französische und die englische, aber auch die italienische, die deutsche und die niederländische über ihre jeweiligen Grenzen hinweg einflussreich waren. Ohne die Aufklärung insgesamt unzulässig als einheitlichen Gesamtkomplex zu fassen, lässt sich aus 1

Immanuel Kant: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?", in: Berlinische

Monatsschrift 4 (1784), S. 481-494, hier: S. 481 (in: Ders.: Was ist Aufklärung? kleine Schriften, Hamburg 1999, S. 20).

Ausgewählte

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

der gesamteuropäischen Perspektive feststellen, dass die spanische Ilustración im Konzert der Kulturnationen keine führende Rolle gespielt hat. Sie ist eine geistesgeschichtliche Bewegung, die als von aussen beeinflusst und nach innen wirkend beschrieben wird: „España es caja de resonancia, no madre del pensamiento de las Luces."2 Ais Grund für diese Reaktion, die die spanische als eine „fremdgeleitete" Aufklärung begreift, wird gemeinhin die Nichterfüllung der beiden Grundbedingungen des aufgeklärten Denkens angeführt: eine „verspätete" Säkularisierung und eine kaum vollzogene politische Emanzipation von der (transzendenten) absolutistischen Staatsidee. Die enge Verbindung zwischen der Philosophie und der Theologie, die mit einer eigentümlichen Treue der spanischen Kirche zu den Dogmen der Römischen Kurie einhergeht, und das antagonistische Band zwischen Politik und Königtum, das in der Zeit König Karls III. zu dem für einen radikalen (französischen) Aufklärer paradox wirkenden Begriff des „despotismo ilustrado" 3 geführt hat, sind historische Besonderheiten, die im Kontext der spanischen Literatur und Philosophie zu berücksichtigen sind. Die institutionelle Kontinuität des offiziellen, „von oben" autorisierten bzw. in Auftrag gegebenen Denkens und künstlerischen Schaffens, die einer Betrachtung des 18. Jahrhunderts als einer gleichsam bruchlosen und letztlich „dekadenten" Übergangszeit vom klassischen Siglo de Oro bis zum Modernismo des 19. Jahrhunderts Vorschub geleistet hat, darf jedoch nicht als ein „Ausbleiben der Aufklärung" missverstanden werden. Diese Interpretation wurde am Ende des 19. Jahrhunderts sehr folgenreich durch den Literaturhistoriker und polígrafo Marcelino Menéndez y Pelayo zum Ausdruck gebracht, der in seiner Historia de los heterodoxos españoles die Autoren des 18. Jahrhunderts insgesamt als „unoriginell und arm an Esprit" und somit im strengen Sinne des Wortes als „heterodox" und nicht dem Kanon zugehörig (und nicht kanonisierbar) bezeichnet hat.4 Der große Reichtum der Themen und Stile Francisco Aguilar Piñal: La España del absolutismo ilustrado, Madrid 2005, S. 20. Für eine kurze Historiographie des despotismo ilustrado vgl. etwa Hans-Otto Kleinmann: „Der aufgeklärte Absolutismus in Spanien", in: Helmut Reinalter und Harm Klueting (Hg.): Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, Wien u.a. 2002, S. 113-127. 4 „Uno de los caracteres que más poderosamente llaman la atención en la heterodoxia española de todos los tiempos, es su falta de originalidad; y esta pobreza de espíritu propio sube de punto en nuestros contemporáneos y en sus inmediatos pre2 3

Einleitung: Ilustración

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der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts wäre ebenso wie die Spannbreite philosophischer, ästhetischer und politischer Positionen der inzwischen sehr wohl kanonisierten Autoren von Benito Jerónimo Feijoo, Gregorio Mayans y Sisear und Diego de Torres Villarroel über Ignacio de Luzán, José Francisco de Isla, Ramón de la Cruz, Nicolás und Leandro Fernández de Moratín, Gaspar Melchor de Jovellanos, Tomás de Iriarte bis José Cadalso, Juan Meléndez Valdés und Juan Pablo Forner jedoch keinesfalls in adäquater Weise auf eine bloße Negativfolie der antiklerikalen und antiabsolutistischen Grundzüge der europäischen Aufklärung zu projizieren. Die Ilustración ist ein an Widersprüchlichkeit mit den komplexen , Lichtern' der bekannteren nördlichen Nachbarn durchaus vergleichbarer Gegenstand, dessen Zusammenhang und Grundzüge aus sich selbst heraus, d.h. auch durch ihre „von unten her [den] bedingten Uberbau kennzeichnenden Momente" 5 beschreibbar sind. Nimmt man das ,Konzept' der europäischen Aufklärung in den Blick, das durch die genannten Eigenschaften der Rationalisierung, der Säkularisierung und der politischen Emanzipation näher bestimmt wird, lassen sich durch die inzwischen zweihundertjährige Rezeptionsgeschichte einige spezifische Leitlinien des aufgeklärten Denkens aufzeigen, die als historisch verbürgt gelten können. Im Kontext des sich neu konstituierenden Verhältnisses zwischen der Philosophie und den Künsten, das für den hier behandelten Gegenstand von Bedeutung ist, stellt das 18. Jahrhundert vor allem eine Epoche des Humanismus dar, wodurch zugleich eine Anknüpfung an die gleichnamigen Denkbewegung der Renaissance bezeichnet wird. In der Zeit der Aufklärung rückt der Begriff des Menschen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, der als anthropologische Kategorie (im Kontext der neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse), als Subjekt philosophischen Denkens (im Rückgriff auf die Vernunft und die empirische Beobachtung) und als Subjekt politischen und gesellschaftlichen

decesores". Marcelino Menéndez y Pelayo: Historia de los heterodoxos españoles, Bd. 5 (Regalismo y Enciclopedia), in: Ders.: Edición nacional de la obras completas, Bd. 39, Madrid 1947, S. 7. Noch Ernst Robert Curtius ist davon überzeugt, dass die Epoche des 18. Jahrhunderts in Spanien „eine solche des Niedergangs" sei: Curtius (1948): Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, a.a.O., S. 271. 5 Werner Krauss: Die Aufklärung in Spanien, Portugal und Lateinamerika, München 1973, S. 23.

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Handelns (mit dem Ziel der Befreiung aus alten kosmologischen bzw. teleologischen Bestimmungsgefügen) den Ausgang aus seiner Unmündigkeit antreten kann. Insofern lässt sich das Zeitalter der Aufklärung als individueller und gesellschaftlicher Emanzipationsprozess betrachten, der mit Errungenschaften und großen Zielsetzungen wie Freiheit, Gleichheit, Toleranz, Glück bzw. Moral, Gesellschaftlichkeit, Kosmopolitismus, Menschenrechte ebenso gut beschrieben ist wie durch die epistemologischen Neuerungen, die unter den Begriffen Natur, Geschichtlichkeit, Vernunft, Kritik zu den Kernmomenten der Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts zählen.5 Bei genauerer Betrachtung jeder einzelnen dieser Leitlinien erweist sich die europäische Aufklärung jedoch zugleich als äußerst widersprüchliche Bewegung, in der jedes Land - von Portugal über Holland bis zum Hof der russischen Zarin in Sankt Petersburg - aufgrund seiner religiösen, politischen und kulturgeschichtlichen Besonderheit eine Welt für sich darstellt. Zudem ergeben auch die nationalen Bewegungen für sich genommen angesichts der mannigfaltigen Gegensätze, die in Form von Widersprüchen, Korrekturen, Rücknahmen und differenzierenden Wiederholungen zum Ausdruck kommen, auch innerhalb der sich als „Moderne" oder „Anhänger des Alten" gegenüberstehenden Lager kein konsistentes Ganzes. Dies gilt insbesondere, wenn man bedenkt, wie just aus der spanischen Perspektive beobachtet worden ist, dass die Aufklärung in allen europäischen „Zivilisationen" - und insbesondere der französischen und der englischen - die längste Zeit eine minoritäre bzw. politisch unterdrückte Philosophie darstellt.7 Die Größe und die prinzipielle Offenheit der philosophischen Themen: das Verhältnis von Mensch und Natur, Sinnlichkeit und Geist, Theorie und Praxis, Gesellschaft und Politik, das Revolutionäre (zugleich Konstruktive und Destruktive) der widerstreitenden Methoden und vor allem der „polemische Charakter des Denkens in der Aufklärung und 6 Zur Beschreibung der hier verwendeten philosophischen Leitlinien des „unbeschreiblichen Jahrhunderts" vgl. v.a. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O.; Hazard: La pensée européenne au XVIIIe siècle, a.a.O.; Peter Gay (1969): The Enlightenment. An Interpretation, Bd. 2: The Science of Freedom, New York 1978; Georges Gusdorf: Les sciences humaines et la pensée occidentale, Bd. 4: Les principes de la pensée au siècle des lumières, Paris 1971; sowie Panajotis Kondylis (1981): Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus, Hamburg 2002.

José Antonio Maravall: „Notas sobre la libertad de pensamiento en España durante el siglo de la Ilustración", in: NRFH 30-1 (1984), S. 34-58. 7

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ihren Interpretationen" machen es letztlich unmöglich (wenngleich dies durch das aufgeklärte Denken selbst angestrebt war), universell gültige Definitionen der eigenen Grundlagen festzuhalten: „Die Aufklärung fällt nicht mit ihrem Zeitalter zusammen". 8 Auch ein alle Aufklärungen übergreifendes Moment wie die Säkularisierung ist in seiner Bedeutung nicht eindeutig bestimmbar: Einerseits „sind unter ,Aufklärung' die geistigen Strömungen zu verstehen, die an die Stelle der traditionellen theologischen eine säkulare Weltauffassung bzw. eine möglichst immanente Welterklärung setzten wollen", und andererseits „jene Strömungen, die ein normativ-moralisches Ideal [...] gegen den aus dem Säkularisierungsprozess selbst entstehenden Skeptizismus und Nihilismus verteidigen".9 Die Besonderheit der spanischen Ilustración, so etwas wie ein katholisches und/oder absolutistisches Aufklärungsdenken zu ermöglichen und diskursiv zu kontrollieren, hat sich im Hinblick auf die theoretische Frage begrifflicher Epochendefinitionen aus einer komparatistischen, gesamteuropäischen Perspektive als durchaus geläufiges Paradigma erwiesen. Sie ist, wie sich zeigen wird, ein Grund für die epochale Seltenheit der autonomen fiktionalen Literatur. Zum Beispiel kann der Benediktiner Feijoo, an dessen katholischer Rechtgläubigkeit kein Zweifel besteht, mit seinem Programm der Bekämpfung von Bildungslosigkeit und Aberglauben dennoch als herausragender Protagonist nicht nur der spanischen, sondern auch der europäischen Aufklärung gelten. Im Übrigen entspricht die „Methode" seines Denkens, die er 1736 in seinem Teatro crítico universal beschreibt - „camino sin más luz, que la del propio entendimiento"10 - , im Wortlaut der 1764 formulierten Maxime Voltaires: „osez penser par vous-même"" ebenso wie dem kantischen Sapere aude! von 1784. Zu einem vergleichbaren Ergebnis führt die gleichlautende methodische Formel bei diesen drei Autoren jedoch offenkundig nicht. Andersherum liefert die Neuformierung der europäischen (vornehmlich französischen, englischen und deutschen) Kondylis: Die Aufklärung, a.a.O., S. 19. Ebd., S. 22. 10 Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro (1736): „Prólogo al lector", in: Ders.: Teatro crítico universal..., Madrid 1775-1779, Bd. 7, S. XLI-XLIV, hier: S. XLI. 8 9

11 Voltaire (1765): „Liberté de penser", in: Ders.: Dictionnaire philosophique, Paris 1967, S. 280. Das Gründungsmoment dieser „Methode des Denkens" geht auf Bacons „judicio suo utatur" zurück: Francis Bacon (1620): Novum Organum/Neues Organon, Vorrede, Hamburg 1990, Bd. 1, S. 78.

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Philosophie unter dem Programm des „Rationalismus" und dessen Auseinandersetzung mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkmodellen im „Resonanzkörper" Spanien Anknüpfungspunkte für (moderate) skeptische, materialistische, deistische oder sensualistische Tendenzen, die im Kampf zwischen kirchlichen und staatlichen Autoritäten um die Definitionsgewalt über die Programmatik der Wissenschaften „auf Umwegen" Unterschlupf finden können und letztlich kein größeres logisches Problem verursachen, als es durch die genuine Widersprüchlichkeit der Aufklärungsbewegung „zwischen Positivismus und Metaphysik"12 insgesamt gegeben ist. Um die Besonderheit der spanischen Ilustración zu verstehen und als konzeptuelle Entität zu fassen, muss sie als „diskursive Formation" erkennbar bleiben, die das hier verhandelte Verhältnis von Philosophie und Aufklärungsliteratur spanischer Sprache bedingt, d.h. Gegenstände, Begriffe und Aussagetypen liefert und „Schwellen der Epistemologisierung"13 von Literatur und Philosophie als Wissenschaften markiert. Dafür ist es aber zugleich notwendig, die (allen auf Veränderung abzielenden Prozessen eigene) Offenheit der spanischen Variante - zwischen avisierter (imaginärer) Reform- und gescheiterter Revolutionsbewegung - ein Stück weit auszuhalten und zu bewahren. Der Versuch, das „Denkgefüge" der Ilustración aus sich selbst heraus zu verstehen, beruht genau auf diesem Prinzip, die gegenseitig bedingten Diskurse der Literatur und der Philosophie, die sich am Ende der zu betrachtenden Epoche als wissenschaftliche „Institutionen" formieren,14 im Moment ihrer Formation zu beobachten. Dies ist insofern eine Herausforderung für alle Studien über das „heiße", chaotische 18. Jahrhundert, als dieses Gefüge die Begriffe und zugleich die methodischen Grundvoraussetzungen liefert, in denen die modernen Wissenschaften - die Geistes- ebenso wie Naturwissenschaften - erst zu ihrer analytischen Perspektive und ihrem kritischen Geist gefunden Kondylis: Die Aufklärung, a.a.O., S. 42. Michel Foucault: Archäologie du savoir, Paris 1969, S. 53, S. 249f. 14 Vgl. Macherey: A quoi pense la littérature?, a.a.O., S. 7-11. Die epistemologische Scheidung der Disziplinen in wissenschaftliche Institutionen ist ein Element der allgemeinen praxisorientierten, induktiven Rationalisierungsbewegung des zeitgenössischen Denkens: „La différence irreductible de la philosophie et de la littérature [...] s'atténue lorsqu'on descend du ciel de la métaphysique sur le terrain de la pratique". Yvon Beiaval: „Philosophie et littérature", in: Studies on the Eighteenth Century 3 (1976), S. 159-170, hier: S. 170. 12

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haben. Eine wissenschaftliche Untersuchung über die Literatur des 18. Jahrhunderts führt unausweichlich in die Anfänge der eigenen diskursiven Möglichkeitsbedingung und ihrer sprachlichen Verfasstheit. Die Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis, die ein zentrales Moment der Philosophie der Aufklärung darstellt, fördert in der Anwendung auf die eigene Gedankenwelt auch eine erkennbare Besonderheit des spanischen 18. Jahrhunderts zutage: Die meisten „Projekte" wurden nicht in die Praxis umgesetzt. Viel ist Theorie geblieben, d.h. im Medium der Imagination und der Fiktion verarbeitet worden. Und genau aus diesem Grund haben sich ganz eigene Haltungen und Techniken des literarischen Schreibens herausgebildet. 1.1.1. Im,Licht' der Verdeutlichung'. Zwei Bedeutungen des Verbs ilustrar Die Semantik des Begriffs ,Aufklärung' beruht auf einer Transformation der klassischen, christlich-metaphysischen Lichtmetaphorik (die sich aus antiken griechischen und orientalischen Quellen speist)15 in eine Antithese von irdisch-rationaler und göttlich-transzendenter Welt: „Aus dem Licht des Jenseits wird das Licht der Vernunft".16 Als geistige Gründerfigur für das philosophische Programm dieser „Entzauberung der Welt" 17 durch Auflösung der Mythen und Stützung der Einbildungskraft auf der Grundlage des Wissens gilt schon seit dem 18. Jahrhundert das 1620 erschienene Novum Organum des englischen Philosophen und Staatsmanns Francis Bacon. Ihm kommt gemäß der zwölften Lettre philosophique Voltaires (über den „Chanceliier Bacon") die Ehre zu, „le père de la Philosophie expérimentale" 18 zu sein. Die 15 Vgl. Hans Blumenberg: „Licht als Metapher der Wahrheit", in: Studium Generale 10 (1957), S. 432-447, hier: S. 433ff., S. 439f. Vgl. a. ders.: Paradigmen zu einer Metaphorologie, Frankfurt a. M. 1998, S. 18, S. 54f. 16 Helmut Holzhey: „Aufklärung", in: Hans Jörg Sandkühler (Hg.): Enzyklopädie Philosophie, Hamburg 1999, Bd. I, S. 99-104, hier: S. 100. Zur „Genese des Epochenbegriffs Aufklärung durch Säkularisierung des religiösen Bildes Licht = Erleuchtung", vgl. a. Jochen Schlobach: Zyklentheorie und Epochenmetaphorik. Studien zur bildlichen Sprache der Geschichtsreflexion in Frankreich von der Renaissance bis zur Frühaufklärung, München 1980, S. 320-331. 17 Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: „Begriff der Aufklärung", in: Dies. (1969): Dialektik der Aufldärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a. M. 1988, S. 9-49, hier: S. 9. 18 Voltaire (1734): Lettres philosophiques ou Lettres anglaises avec le texte complet des remarques sur les Pensées de Pascal, Paris 1988, S. 57.

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begriffliche Verbindung zwischen dem neuen auf „Fortschritt" und „Gemeinwohl" abzielenden methodischen Denken und der in seinem Geist gewandelten Lichtmetapher vollzieht sich mutmaßlich zuerst in der holländischen Sprache, in der am Ende des 17. Jahrhunderts das Partizip „verlicht" in der Bedeutung einer „(durch die rationale Philosophie) erleuchteten Person"19 zur Beschreibung der im holländischen Exil lebenden Bacon-Nachfolger Pierre Bayle und John Locke verbürgt ist. Neben dem holländischen Verlichting entwickelte sich aber vor allem der französische Begriff Lumières (im Plural), der im Kontext des lumen naturale bei Descartes die allgemeine menschliche Erkenntnisfähigkeit bezeichnet hatte, zu einer der wirkmächtigsten Metaphern des 18. Jahrhunderts.20 Im Gegensatz zum englischen Enlightenment und dem italienischen Illuminismo, die erst im 20. Jahrhundert zu kanonischen Begriffen werden, verliert der durch das Licht „erhellte Geist" (l'esprit éclairé) im Französischen schon früh, z.B. bei Fontenelle, seine theologische Aura und wird zum Synonym der (rationalen) Philosophie selbst. Der Bedeutungswandel dieses substantiellen Begriffs des philosophischen Denkens im „Jahrhundert der Philosophie" findet sich zeitversetzt in der spanischen Sprache wieder. Am Ende des 17. Jahrhunderts, etwa bei Juan de Cabriada, ist die Verwendung von „Luces" im allgemeinen Sinne von „Wissen" oder (wissenschaftlicher) „Kunde" überliefert.21 In der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Einschränkung der „Luces" unter dem Begriff „Ilustración" in der Bedeutung eines neuen (aus Frankreich kommenden) philosophischen Denkens in verbreiteter Form akzeptiert. Zeitgenössische Selbstbezeichnungen des 18. Jahrhunderts in spanischer Sprache wie „el siglo de las Luces", „el siglo geométrico [...] filosófico [...] científico", „el siglo ilustrado" sind synonym verwendete 19 Vgl. Pedro Alvarez de Miranda: Palabras e ideas. El léxico de la Ilustración temprana en España (1680-1760), Madrid 1992, S. 167f. Vgl. a. Rafael Lapesa: „Ideas y palabras. Del vocabulario de la Ilustración al de los primeros liberales", in: Asclepio 18/19 (196667), S. 189-218, hier: S. 195ff.

Roland Mortier: Clartés et ombres du siècle des Lumières, Genf 1969, S. 13-59. Vgl. Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S. 19. Die Stelle ist auch insofern interessant, als der valencianische Arzt mit genau diesem Begriff bereits eine Klage über die „Verspätung" Spaniens anstimmt: „Que es lastimosa, y aun vergonçosa cosa, que como si fuéramos Indios, ayamos de ser los últimos en percibir las Noticias, y Luzes Publicas, que yâ están esparcidas por toda la Eiiropa". Juan de Cabriada: Carta filosofica medico-chymica, Madrid 1687, S. 230f. 20 21

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Übertragungen aus dem Französischen. Desgleichen nehmen Begriffe wie „hombre de letras", „erudito", „docto" ebenso wie „ciencia", „civilización", „razón" in der Epoche spezifische Bedeutungen an, die vor allem durch die französische Verwendung der entsprechenden Begriffe „homme de lettres", „érudit", „docte", „sciences", „civilisation", „raison" etc. geprägt sind. Dennoch beruht die Form der Übertragung auch auf einer spezifischen Differenz, die in der Analogie zum Ausdruck kommt. Die konfliktreiche Beziehung Spaniens zum nördlichen Nachbarn zeigt sich auch am Begriff der Ilustración selbst. So bildet der Bedeutungswandel des Verbs „ilustrar", der mit den literarischen und philosophischen Definitionsversuchen dessen verknüpft ist, was das (aufgeklärte) Denken bedeutet, die Geschichte der spanischen Aufklärungsliteratur im Kleinen ab. Die Daten der hier in aller konzeptuellen Offenheit so genannten „Epoche der spanischen Aufklärungsliteratur" laufen parallel zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des semantischen Feldes Ilustración/ilustrar.22 An ihm können einzelne Etappen der Formation sich ausdifferenzierender literarischer Gattungen ebenso wie die philosophischen Positionsentwicklungen der spanischen Schriftsteller mit Blick auf die erkenntnistheoretischen und ethischen Funktionen des literarischen Schreibens in der Zeit von 1725 bis 1800 festgemacht werden. Bei den Essayisten der ersten Generation, Feijoo (im ersten Band des Teatro crítico universal, 1726) und Martín Sarmiento (in der Demostración crítico-apologética del Teatro crítico, 1732), findet sich der Begriff „ilustrar" in der allgemeinen Verwendung, die im Diccionario de autoridades 1734 wie folgt definiert wird: „Dar luz o aclarar alguna cosa, ya sea materialmente, ya en sentido espiritual de doctrina o ciencia". 23 Bei Mayans y Sisear dient der Begriff „Ilustración" dementsprechend zur Beschreibung des ausführlichen, „alle Wissenschaften" umfassenden Programms der Academia Valenciana, die sich gemäß der Gründungsrede von 1742 als „Junta de Personas aficionadas a recoger i ilustrar las cosas de España" 24 versteht. In den folgenden Kontroversen um die Verfassung der Wissenschaft in Spanien (und damit vor allem der Erziehung des spanischen Volks) ist der Begriff sodann vielfach verändert, eingeschränkt oder sogar ins Gegenteil

22 23

Vgl. Alvarez de Miranda: Palabras e ideas, a.a.O., S. 183-199. Real Academia Española: Diccionario de autoridades IV (1734), Madrid 1969, S. 212.

Gregorio Mayans y Sisear (1742): „Constituciones de la Academia Valenciana", in: Obras completas, Valencia 1984, Bd. 1, S. 311-319, hier: S. 312. 24

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verkehrt worden. Bei Jovellanos zum Beispiel wird „Ilustración" in der „Lobrede auf Karl III." zum positiv konnotierten Ausdruck einer reformistischen und zugleich antirevolutionären, d.h. antifranzösischen politischen Philosophie.25 In den satirischen Auslassungen Juan Pablo Forners, insbesondere den Gramáticos von 1782 und der Oración apologética von 1786 ist „Ilustración" hingegen ein Inbegriff der „extravaganten Träumerei" und des „manischen Denkens". 26 Die noch junge Lexikologie spanischer Sprache, die an der Real Academia Española beheimatet ist, repräsentiert im Übrigen die widersprüchlichen Auswüchse des semantischen Feldes, indem sie in der einbändigen Zusammenfassung („zum einfacheren Gebrauch") des Diccionario de autoridades von 1780 neben den ,Synonymen' „Iluminación", „claridad", „luz" zwei verschiedene Interpretationen anbietet: „Declaración, explicación, amplificación de algún escrito" oder „Inspiración divina, revelación". 27 Die Spannungen und Antagonismen, die in der spanischsprachigen Auseinandersetzung um die Bedeutung des Begriffs der Aufklärung zum Ausdruck kommen, lassen gerade in der Differenz zu den Vorgaben der den europäischen Diskurs prägenden französischen Autoren die „besonderen Wesenzüge" 28 der Ilustración deutlich werden. In philosophischer Hinsicht, warnt Hegel, sei die Aufklärung ein „unbefriedigtes" Denken, in dem das „Moment der positiven Wahrheit" einem „leeren Wesen" gegenüberstehe: „Die Aufklärung faßt [...] ihren Gegenstand zuerst und allgemein so auf, daß sie ihn als reine Einsicht nimmt und ihn so, sich selbst nicht erkennend, für Irrtum erklärt."29 Man kann zwar mit Recht annehmen, dass plausible und verbindliche

25 Gaspar Melchor de Jovellanos (1789): „Elogio de Carlos III", in: Ders.: Obras en prosa, Madrid 1969, S. 174-193. 26 Die Zielscheibe sind Voltaire, Helvétius und vor allem Rousseau: Juan Pablo Forner (1782): Los gramáticos: historia chinesca, Madrid 1970, Einleitung, S. 4ff.; sowie ders. (1786): Oración apologética por la España y su mérito literario, 2. Teil, Badajoz 1997, S. 109 ff. 27 Real Academia Española (1780): Diccionario de la lengua castellana reducido a un tomo para su más fácil uso, Faksimile-Ausgabe, Madrid 1991, S. 541. 28 François Lopez: „Rasgos peculiares de la Ilustración en España", in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración. Simposio Internacional en el Bicentenario de la muerte de Gregorio Mayans, Valencia 1981, Bd. 2, S. 629-671.

G. W. F. Hegel (1807): Phänomenologie des Geistes, Frankfurt a. M. 1986, S. 405, S. 413, S. 424, Herv. i. T. 29

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Deutungen auch der heutigen Zeit „nur auf dem Boden der seit der Aufklärung sich realisierenden einen Welt möglich sind".30 Aber es ist stets die Vorsicht geboten, die genuinen Momente, die mit dem Begriff der Aufklärung und den in ihr fixierten Alternativen verbunden sind - alteuropäische und moderne Gesellschaft, Glauben und Wissen, Heteronomie und Autonomie, Reaktion und Revolution, Verfall und Fortschritt - , nicht zu „Metanarrativen" zu hypostasieren.31 Im Kontext der spanischen Literatur gilt es, auch die Schattenseiten und dunklen Stellen, die durch den „Schein des Lichts" ausgeblendet werden, zu thematisieren. Sowohl im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der europäischen Kontexte als auch der besonderen (historischen, gesellschaftlichen, kulturellen) Bedingungen der spanischen Literatur im 18. Jahrhundert steht der Reflexion dabei mit dem Begriff Ilustración ein etymologisches Datum zur Verfügung, die es in dieser,Deutlichkeit' in keiner anderen Sprache gibt: „Ilustrar" heißt „aufklären", „erhellen" vor allem auch im Sirine von „erklären", „erläutern", „verdeutlichen". Damit wird zugleich eine für das Zeitalter konstitutive Praxis des Umgangs mit Texten bezeichnet, welche die Handlungen der Textlektüre und -diskussion ebenso mit aufruft wie die entsprechenden Handlungsträger: die hombres de letras als „Intellektuelle", „Wissenschaftler", „Erzieher", „Philosophen", „Schriftsteller" etc. Etwas zu illustrieren', bedeutet im Spanischen des 18. Jahrhunderts zuvorderst, einen Text zu verdeutlichen', d.h. zu verstehen, zu kommentieren bzw. auszulegen, und zwar ungeachtet der eigenen Position zu den Inhalten dieses Textes. Ilustración im Sinne von Verdeutlichung ist eine kommunikative Praxis im Medium der Schriftlichkeit, die sich in der Epoche wissenschaftlich institutionalisiert, wobei die spanische Variante in der Form einer (stärker als in anderen Ländern) mit der Bibelexegese verbunden gebliebenen Hermeneutik auch einen besonderen Beitrag zur europäischen Wissenschaftsgeschichte

Willi Oelmüller: Die unbefriedigte Aufklärung. Beiträge zu einer Theorie der Moderne von Lessing, Kant und Hegel, Frankfurt a. M. 1969, S. 9. 30

31 Vgl. die entsprechenden Warnungen bei Michel Foucault: „Qu'est-ce que les Lumières" (Vorlesung am Collège de France, 1993) und François Lyotard: La condition postmoderne (1985). Vgl. a. James Schmidt: „What Is Enlightenment? A Question, Its Context, and Some Consequences", in: Ders. (Hg.): What Is Enlightenment? EighteenthCentury Answers and Twentieth-Century Questions, Berkeley 1996, S. 1-44.

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geleistet hat.32 Der entscheidende Punkt des dem spanischen Aufklärungsbegriff inhärenten Kommunikationsprinzips ist die prinzipielle Offenheit der textuellen Praxis: Man verdeutlicht die eigene Position in einem Text methodologisch auf die gleiche argumentativ, stilistisch oder reflexiv bestimmbare Weise wie die Position des Gegners. Das heißt nicht, dass der „polemische Stil", der für alle Aufklärungen typisch ist, in den Texten spanischer Sprache fehlen würde, im Gegenteil: die Polemik wird bei manchen Autoren wie Torres Villarroel, Cadalso oder Forner gar zu einer eigenen Kunst. Vielmehr fördert das Kommunikationsprinzip insofern eine Besonderheit der spanischen Aufklärung zutage, als der Parallelismus zwischen den Inhalten des Denkens und einem bestimmten Denkstil, die man bei den prägnantesten Autoren der französischen Aufklärung ausmachen kann, sich südlich der Pyrenäen weniger stark zu einem Gesamtkomplex zusammenfügt, somit aber heuristische Fragen zu den Gründen dieses Parallelismus deutlicher freilegt. So gibt es auf der einen Seite Texte, in denen das Motiv der „ilustración de las cosas de España" mit der allgemeinen Funktion von Aufklärung im Sinne einer „Erziehung" der Gesellschaft mit dem Ziel einer „fortschrittlichen Entwicklung" in den Bereichen der Bildungswesens, der Ökonomie, der Landwirtschaft etc. übereinstimmt. Auf der anderen Seite stehen hingegen die Texte von konservativen oder religiös motivierten Autoren, die, im Geiste des Siglo de Oro verwurzelt, die eigene Epoche als Phänomen der „Dekadenz" begreifen, ohne zugleich den neuen Wissenschaften notwendig mit Ignoranz zu begegnen. In der kommunikativen Praxis eines Juan Meléndez Valdés zum Beispiel, der um 1790 gezwungen ist, sich gegen die Strafverfolgung zu verteidigen - ein kurrentes Phänomen nicht nur in der spanischen Aufklärung - , ist die ,Verdeutlichung' eine argumentative Strategie, der die ethischtheologische Bedeutung des ,Lichts' (luces) zur Anleitung des rechten Weges zupass kommt, so dass das Verb,ilustrar' als gleichbedeutend mit ,iluminar' oder,alumbrar' verwendet wird.33 Aus dieser Gemengelage, die keineswegs darauf hinauslaufen soll, den auf vielen Lehrstühlen

32 Zur Entstehung der literarischen Hermeneutik aus der Geschichte der theologischen (Bibel-)Exegese vgl. Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 1990, S. 177-188. 33 Vgl. Krauss: Die Aufklärung in Spanien, a.a.O., S. 30. Ein Beispiel für die für multiple Verwendung des Begriffs - hier im Kontext einer juristischen Verteidigungsstrategie -

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Spaniens der Zeit vorherrschenden antiaufklärerischen Dogmatismus so zu nivellieren, dass er ebenfalls in die Gesamtbewegung integrierbar würde, ergeben sich für die Untersuchung des diskursiven Verhältnisses von Literatur und Philosophie wertvolle Anknüpfungspunkte an Varianten des neuen Denkens, die sich sowohl gegen die scholastische Metaphysik als auch gegen die (absolute) Immanenzforderung der empirisch-rationalistischen Methodologie wenden und auf diese Weise im Diskursgefüge der Pariser Enzyklopädisten wohl kaum Beachtung gefunden hätten. Im Zusammenhang von Ideenstreit und Darstellungsmethode lassen sich in Spanien sprach-, kultur- und geschichtsphilosophische Positionen ausmachen, die den Menschen zum Subjekt einer materialistischen Dialektik werden lassen, zugleich aber eine Poetologie des Wissens formulieren, in der das Moment der Imagination der „klaren und deutlichen Idee" vorgezogen wird. Ein wichtiger Intertext der spanischen Aufklärung ist daher, wie man im Übrigen aus gebührendem Abstand erst heute ersehen kann, die Scienza Nuova des Neapolitaners Giambattista Vico, der von den einflussreichsten seiner Zeitgenossen (sowohl auf der dogmatischtheologischen als auch der immanent-empiristischen Seite) ignoriert worden ist und, wie Paul Hazard formuliert hat, die Bewegung der europäischen Aufklärung insgesamt in einem anderen „Lichte" hätte erscheinen lassen können.34 Um dem komplexen Gegenstand, der durch den Begriff der spanischen Aufklärung beschrieben wird, gerecht zu werden, ist es notwendig, zwei konzeptuellen Aporien zu begegnen und zu versuchen, sie bis zu einem gewissen Grad aufzulösen. Zum einen gilt es, die Ilustración aus sich selbst heraus zu denken, woraus sich zunächst die Aufgabe ergibt, zu verstehen, was die Epoche über sich selbst gesagt hat. Diese Forderung ist methodisch umso dringlicher, als das 18. Jahrhundert die erste Epoche ist, „in dem sich das Selbstbewusstsein der Gegenwart mit dem Bewusstsein der eigenen Geschichtlichkeit

sind die Discursos forenses von Juan Meléndez Valdés (in: Obras complétas, Madrid 1997, Bd. 3, S. 113-313). 34 „Si l'Italie avait écouté Giambattista Vico [...], nos ancêtres du XVIIIe siècle n'auraient pas cru que tout ce qui était clair était vrai; mais au contraire que ,1a clarté est le vice de la raison humaine plutôt que sa vertu', parce qu'une idée claire est une idée finie." Hazard: La pensée européenne, a.a.O., S. 43.

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durchdringt".35 Dabei ist jedoch mit zu bedenken, dass die Aufklärung nur einen „Teilakt und eine Einzelphase in jenem geistigen Gesamtgeschehen" darstellen kann, kraft dessen das moderne philosophische Denken „die Gewissheit von sich selbst, sein spezifisches Selbstgefühl und sein spezifisches Selbstbewusstsein errungen hat". 36 Die Aufklärung ist zugleich auch mehr und anderes als das Ergebnis ihrer eigenen Selbstreflexion: „Das Ganze dieser hin- und hergehenden, dieser unablässig fluktuierenden Bewegung lässt sich in eine bloße Summe von Einzellehren nicht auflösen. Die eigentliche,Philosophie' der Aufklärung ist und bleibt etwas anderes als der Inbegriff dessen, was ihre führenden Denker [...] gedacht und gelehrt haben." 37 Dies gilt insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Aufklärung selbst - gerade in Spanien - in Teilen zu einer dogmatischen (Staats-)Doktrin werden konnte, in der weniger die Selbstreflexion als der Selbstwiderspruch (gegenüber den eigenen Ansprüchen) vorherrschend ist. So ist die Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung" in vielen Fällen weniger anhand bestimmter Sätze oder Formulierungen zu finden als in der ,Form und Art der gedanklichen Auseinandersetzung'. Und so spielt die Haltung der Schriftsteller häufig auch eine entscheidende Rolle für die Bestimmbarkeit eines literarischen Stils. Die aporetische Ausgangslage enthält ein zweites heuristisches Problem, das unseren Gegenstand herausfordert: Einerseits ist es eingedenk der Überfülle von Einflüssen und Folgen der europäischen Umgebung unumgänglich, die Untersuchung auf einige Aspekte der charakteristische Wesenszüge' der Ilustración zu konzentrieren. Diese Aspekte betreffen in unserem Fall das sich neu herausbildende Konzept der literarischen Prosa. Andererseits darf die Einschränkung auf spezifisch nationale Eigenheiten der spanischen Aufklärung aber auch den grenzüberschreitenden, universellen Charakter, dem das aufgeklärte Denken allgemein verschrieben ist, nicht aus dem Blickfeld rücken. Vor diesem Hintergrund hat die ,Verdeutlichung' der Widersprüche, die dem Begriff der spanischen Aufklärung inhärent sind, eine besondere methodische Bewandtnis. Die Etymologie des Verbs

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Krauss: Die Aufklärung in Spanien, a.a.O., S. 7.

Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. X. Ebd., S. XIV. Die führenden Denker der europäischen Aufklärung sind bei Cassirer (neben Kant) v.a. Montesquieu, Voltaire, Hume, Diderot, Condillac und d'Alembert. 36 37

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ilustrar, die dem Licht der ,Erhellung' die Bedeutungen der erklärenden' und ,erläuternden' Verdeutlichung hinzufügt, erhebt womöglich Anspruch auf eine genauere Repräsentation der Gegenstände und Techniken des neuen Denkens als die alles überstrahlende und zugleich etwas blendende Metaphorik der französischen „Lumières".

1 . 2 . Z W E I S P A N I E N , K I R C H E UND STAAT

Die Dimension des Untersuchungsgegenstands erfordert es, die Vielzahl der für die spanische Aufklärungsliteratur relevanten Kontexte politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Fragestellungen, die benannt werden müssen, um das entsprechende engagement der Prosatexte zu begreifen, auf ein überschaubares Maß zu begrenzen. Dabei kommt uns die bestehende Forschungsliteratur insbesondere zu den französischen, englischen und deutschen Aufklärungsbewegungen insofern zugute, als die gröberen Leitlinien vor allem der politischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die hinreichend diskutiert worden sind, im europäischen Gesamtzusammenhang als bekannt vorausgesetzt bzw. im Bedarfsfall einer spanischen „Besonderheit" durch Verweis auf die entsprechenden Studien kontrastierend angeführt werden können. Zudem profitiert die vorliegende Untersuchung von der Tatsache, dass das Forschungsterrain für das spanische 18. Jahrhundert, das seit den 1950er Jahren trotz aller Schwierigkeiten (vor allem auch des Zugangs zu den Quellen) durch Autoren wie Jean Sarrailh, Marcelin Defourneaux, Richard Herr, Werner Krauss, Nigel Glendinning, Antonio Domínguez Ortiz und José Antonio Maravall abgesteckt worden ist, durch die jüngste und erfreulich proliferierende Forschungsliteratur der Filología hispánica, die seit 1995 auf die Grundlagen von Francisco Aguilar Piñal und Joaquín Alvarez Barrientos zurückgreifen kann, für neue literaturwissenschaftliche Perspektiven geöffnet worden ist.38 38 Auch in Deutschland hat das Interesse für das spanische 18. Jahrhundert seither wieder verstärkt eingesetzt. Vgl. v.a. die Monographien von Helmut C. Jacobs: Schönheit und Geschmack. Die Theorie der Künste in der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1996; Klaus-Dieter Ertler: Kleine Geschichte der spanischen Aufklärungsliteratur, Tübingen 2003; Andreas Geiz: Tertulia. Literatur und Soziabilität im Spanien des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2006; Inke Gunia: De la poesía a la literatura. El cambio de los conceptos en la formación del campo literario español del siglo XVIII

Die Prosa der spanischen Aufklärung

36

Zunächst soll in einem Zweischritt versucht werden, die politischen und gesellschaftlichen sowie die kulturellen und ideengeschichtlichen Kontexte, die für die Untersuchung der literarischen Prosa von Bedeutung sind, in einer knappen historischen Skizze zusammenzufassen. Dabei sind auch die verschiedenen medialen „Kanäle der Aufklärung" (iChannels of Enlightenment)39 angemessen zu präsentieren und zugleich auf die für das Verhältnis von Literatur und Philosophie relevanten Bereiche zu beschränken. Hierfür ist es unumgänglich, die Vorgeschichte der Aufklärung als internationaler Bewegung - vor allem die Glorious Revolution in England 1688 und die Zeit der Régence nach dem Tod Ludwigs XIV. in Frankreich 1715-1723 - auszublenden (bzw. nur zu Zwecken der Kontrastierung mit den spanischen Ereignissen anzuführen). Die Eingrenzung des Zeitrahmens unserer Studie auf die Jahre von 1725 bis 1800 erweist sich jedoch insgesamt - vor dem Hintergrund der bisherigen Studien und aus im Folgenden zu erläuternden Gründen - als methodisch unproblematisch. Sie bestätigt zugleich die These der spezifischen spanischen „Verspätung" gegenüber den für die zentralen europäischen Aufklärungen kanonisierten Daten 1688 und 1789, welche die englische Reform in der Französischen Revolution kulminieren lassen.40 Den Anfangspunkt setzt Feijoo, der mit der Niederschrift des ersten Bandes seines Teatro crítico universal die frühe Phase der Ilustración einläutet. Den Endpunkt markiert nicht exakt das Jahr 1800, in dem eine Übersetzung von Rousseaus Contrat social am spanischen Hof kursiert (welche den Anlass für die Verbannung von Urquijo und Jovellanos liefert), sondern bezieht sich symbolisch auf das Ende des letzten Viertels des Jahrhunderts, in dem die Gegenaufklärung an Übergewicht gewinnt. Die Ergebnisse unserer Studie, die in Cadalsos 1774 geschriebenen und 1789 publizierten Cartas marruecas

y principios del XIX, Madrid/Frankfurt a. M. 2008; Christian von Tschilschke: Identität der Aufklärung /Aufklärung

der Identität (a.a.O.); Jan-Henrik Witthaus: Sozialisation der Kritik

im Spanien des aufgeklärten Absolutismus.

Von Feijoo bis Jovellanos, Frankfurt a. M . 2012;

sowie Claudia Gronemann: Polyphone Aufklärung. spanischen Geschlechterdebatten 39 40

im 18. Jahrhundert,

Zur Textualität und Performativität der Frankfurt a. M. 2013.

Richard Herr: The Eighteenth-Century Revolution in Spain, Princeton 1958, S. 154-200. Werner Schneiders: Das Zeitalter der Aufklärung, München 1997, S. 16ff. Diese

kanonischen Daten werden über die ideologischen Grenzen hinweg geteilt. Für ein entsprechendes Resultat aus der Perspektive der marxistischen Geschichtsphilosophie vgl. etwa Werner Bahner: Formen,

Ideen, Prozesse in den Literaturen

der

Völker, Bd. 2 („Positionen und Themen der Aufklärung"), Berlin 1977, S. 26.

romanischen

Einleitung: Ilustración

37

einen Höhe- und Wendepunkt der Epoche ausmachen, zeigen, dass die Ilustración in literarischer Hinsicht nicht bis in die politisch revolutionäre Zeit der Cortes Generales und der Constitución española von 1812 ausgedehnt werden kann. Der Begriff der „zwei Spanien" (dos Españas), der im Zuge der Carlistenkriege des 19. Jahrhunderts geprägt wurde, um die unversöhnlichen, aber jeweils ein spezifisches „Spanien" repräsentierenden Lager katholisch-absolutistischer Kräfte einerseits und liberaler (bzw. republikanischer) Kräfte andererseits zu bezeichnen, ist nicht nur auf das 18. Jahrhundert zurückzuführen, sondern auch selbst anzuwenden.41 Die Idee des „Kulturkampfes" und des spezifischen Gegensatzes zwischen Verteidigern der klassischen Ordnung und Anhängern von Reformbestrebungen führt bis in die Anfänge der spanischen Aufklärungsbewegung zurück und bildet, trotz aller Positionsverschiebungen im Detail, die große übergeordnete Konfliktlinie der gesamten Epoche ab. Der Antagonismus der „zwei Spanien", der eine analytische Annäherung an die gemeinsame Grundfrage von Aufklärung und Gegenaufklärung ermöglicht - nämlich wie das „eine Spanien" aussehen soll - , ist mit Blick auf die historischen Kontexte des 18. Jahrhunderts auf mehreren Ebenen beschreibbar: als Spannung zwischen Kirche und Staat, d.h. konzeptuell als Spannung zwischen Religion und Politik, aber auch als Spannung zwischen bestimmten Strömungen innerhalb von Kirche, Staat und Gesellschaft bzw. den Schriftstellern und Philosophen, die diese Institutionen repräsentieren, verteidigen oder bekämpfen. 41 Vgl. Hans-Ulrich Gumbrecht: Eine Geschichte der spanischen Literatur, Frankfurt a. M. 1990, Bd. 1, S. 490. Vgl. a. Franz Niedermayer: „Zwei Spanien? Ein Beitrag zum Gespräch über spanische Geschichtsauffassung", in: Saeculum 3 (1952), S. 444-476, hier: S. 444ff. Zur spanischen Tradition s. Ramón Menéndez Pidal: „Introducción", in: Ders. (Hg.): Historia de España, Bd. 1, Madrid 1947, S. VII-CIII, hier: S. LXXXVIII-XCII; Antonio Domínguez Ortiz: Hechos y figuras del siglo XVIII español, Madrid 1980, S. 247íf.; Roberto Fernández Díaz: „Introducción", in: Ders. (Hg.): España en el siglo XVIII. Homenaje a Pierre Vilar, Barcelona 1985, S. 17-53, hier: S. 22. Vgl. a. Mario Di Pinto (Studi su la cultura spagnola nel settecento, Neapel 1964, S. 20), der die „polémica delle due Spagne" seit den 1780er Jahren als eine „strada a direzione obbligata" ausmacht. Hans Juretschke gibt allerdings zu bedenken, dass die im 19. Jahrhundert entstandene Konstruktion schwer auf das „vorhergehende Säkulum" zu übertragen sei, da die erst später trennscharf gewordenen Gegensätze bei den „markantesten Persönlichkeiten der Epoche" noch vereint gewesen seien: „Die Aufklärung und ihre innere Entwicklung in Spanien und Portugal von 1700 bis 1808", in: Fritz Valjavec (Hg.): Historia mundi. Ein Handbuch der Weltgeschichte in zehn Bänden, Bd. 9, München/Bern 1960, S. 135-157, hier: S. 136f.

38

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Die erste Konfliktlinie im politischen Bereich, die eine solche Spaltung in zwei Spanien beschreibt, geht auf den dynastischen Wechsel zu Beginn des Jahrhunderts zurück. Die spanische Krone, die seit der Inthronisierung Karls 1.1516 in der Hand des österreichischen Hauses Habsburg war, fällt nach dem Tod des kinderlosen Königs Karl II. 1700 mit Phillip V. von Anjou, dem Enkel Ludwigs XIV., an das französische Haus Bourbon. 13 Jahre währt der Erbfolgekrieg, an dessen Ende 1714 der neue König eingesetzt wird. In dieser Zeit steht Spanien, das nun nicht mehr selbst als Großmacht auftreten kann, im Zentrum des Interesses der großen politischen Mächte Europas, wobei die sich bekämpfenden Koalitionen um den König von Frankreich auf der einen sowie der englischen und der österreichischen Krone auf der anderen Seite, denen sich auch Katalonien und Valencia anschließen, innerhalb der spanischen Gesellschaft wiederfinden. Die bourbonische Dynastie - die den spanischen Thron noch heute innehat - mit den Königen Philipp V. (1700-1746), 42 Ferdinand VI. (1746-1759) und vor allem Karl III. (1759-1788), dem „aufgeklärten Herrscher", wird während des gesamten 18. Jahrhunderts immer wieder zum Gegenstand politischer und ideologischer Auseinandersetzungen. Der politische Konflikt mit der römisch-katholischen Kirche, von dessen Oberhaupt sich die Könige nach dem Vorbild des Gallikanismus - und den von Jacques Benigne Bossuet 1682 in vier Artikeln formulierten „gallikanischen Freiheiten" - zunehmend zu distanzieren suchen, wird hierdurch ebenso geprägt wie der Sprach- und Kulturkampf zwischen Castizos („Patrioten" bzw. Verteidigern „des Spanischen") und Afrancesados („Erneuerern" bzw. Anhängern „des Französischen"). Die zweite Konfliktlinie, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des spanischen 18. Jahrhunderts zieht, ist das Verhältnis zwischen den Institutionen Kirche und Staat, die nach den „goldenen Jahrhunderten", in denen sie sich als Autoritäten gegenseitig stützten (oder zumindest respektierten), miteinander zunehmend in Konflikt geraten. Der politische Höhepunkt des Konflikts ist das Verbot des mächtigen und papsttreuen Jesuitenordens, der 1534 durch den Spanier Ignatius

42 Die Konsolidierung der Herrschaft von Philipp V. setzt 1725 ein, nachdem sein Sohn Ludwig I., für den er 1724 (womöglich mit dem Plan, den französischen Thron zu beerben) zurückgetreten war, 16-jährig nach nur siebenmonatigem Regnum an der Pockenkrankheit stirbt. Das lahr markiert somit auch den politischen Anfangspunkt des hier in den Blick genommenen Zeitraums.

Einleitung: Ilustración

39

von Loyola gegründet worden war, unter Karl III. im Jahr 1767. Die Rivalität zwischen Kirche und Staat, die von manchen Historikern als der genuine Gegenstand der spanischen Aufklärung begriffen wird,43 ist so vielschichtig, dass sie in diesem diskurshistorischen Aufriss der Kontexte nicht eigens problematisiert werden kann. Dennoch muss sie als institutioneller Rahmen für die philosophischen Grundlagen der hier verhandelten Problemstellungen benannt werden, die mit dem theoretischen Verhältnis von Politik und Theologie (Fortschritt und Vorsehung, Vernunft und Offenbarung, Erkenntnis und Moral, Welt und Natur etc.) zu tun haben, wie im Verlauf der Untersuchung zu zeigen sein wird. Zugleich hat der Antagonismus zwischen Staat und Kirche im „Land der zwei Zensuren"44 ganz praktische Auswirkungen auf die Schriftsteller, deren Tätigkeit sowohl der Staat als auch die Kirche (gegeneinander bzw. im Verbund) entweder zu unterbinden oder für eigene Interessen zu instrumentalisieren suchen. Um jedoch die spanische Besonderheit dieser ansonsten für viele europäische Staaten auf ähnliche Weise geltende Konstellation herauszustellen, ist auf die gesellschaftliche Omnipräsenz des Klerus zu verweisen, der an allen Schaltstellen der spanischen Gesellschaft - Erziehung, Ökonomie, Verwaltung - vertreten ist, sowie auf die starke Verwurzelung der Religion im Alltagsleben des gesamten spanischen Volks inkl. der intellektuellen Elite. Wenngleich es auch innerhalb der Kirche vereinzelte Reformbestrebungen gab, besaß der spanische Katholizismus über Jahr-

43

Vgl. Antonio D o m í n g u e z Ortiz: Sociedad y Estado en el siglo XVIII español, M a d r i d

1976, S. 476-494; Francisco Sánchez Blanco: El Absolutismo y las Luces en el reinado de Carlos III, Madrid 2002, S. 45íf.; sowie Luis Navarro Miralies: „La dinámica de las relaciones entre Iglesia y Estado", in: Luis Suárez Fernández u.a. (Hg.): Historia general de España y América, Bd. 10-2, Madrid 1984, S. 549-589. 44

Fernández Díaz: Manual de historia de España, Bd. 4: La España moderna, siglo XVIII,

Madrid 1993, S. 908f. Im Prinzip bestand die Aufgabenteilung der Literaturüberwachung zwischen Kirche und Staat darin, dass dieser die Druckerlaubnisse für entstehende Bücher erteilte (oder vorenthielt) und jene den bestehen Buchmarkt kontrollierte. Zur Geschichte und Funktionsweise der Zensurinstitutionen vgl. Antonio Rumeu de Armas: Historia de la censura literaria gubernativa en España Madrid 1940; Miguel de la Pinta Llórente: La Inquisición española y los problemas de la cultura y de la intolerancia, Bd. 1,

Madrid 1953; sowie Marcelin Defoumeaux: L'Inquisition espagnole et les livres français au XVIIIe siècle, Paris 1963. Mit Blick auf die Zensur der Presse vgl. Paul-Jacques Guinard: La presse espagnole de 1737 à 1791. Formation et signification d'un genre, Paris 1973, S. 25-37.

In deutscher Sprache s. Udo Rukser: „Inquisition und Zensur in Spanien und ihre Folgen für die Literatur um 1800", in: Archiv fir Kulturgeschichte 38 (1956), S. 218-243.

40

Die Prosa der spanischen Aufklärung

hunderte in ganz Europa den verdienten Ruf einer sehr mächtigen, extrem konservativen und zugleich repressiven Entität.45 Insbesondere die Inquisition, die in Spanien brutaler, rücksichtsloser und langlebiger war als in anderen Ländern (mit Ausnahme Portugals), hat mit ihren spektakulären Autos de fe („Handlungen des Glaubens"), von denen während des Regnums Phillips V. noch über 700 veranstaltet worden sind, jenseits der Grenzen für Aufmerksamkeit in der kritischen Literatur gesorgt.46 Eine historische Tatsache ist die immense Zahl der Personen, die im 18. Jahrhundert mittelbar oder unmittelbar an den kirchlichen Einrichtungen beschäftigt oder auf andere Weise von ihnen abhängig sind. Gemäß der Volkszählung (censo) von 1768 - der ersten Zählung, die auf der im 18. Jahrhundert entwickelten Methode der Statistik beruht - leben in dieser Zeit ca. 176.000 Personen von kirchlichen Einkünften (rentas eclesiásticas).47 1787 existieren in Spanien 40 verschiedene Orden mit mehr als 1000 Klöstern für ca. 30.000 Nonnen und mehr als 2000 Klöstern für ca. 55.000 Mönche. Dazu kommen ca. 75.000 ,säkulare' Priester (die nicht im Kloster leben) sowie mehrere Tausend Repräsentanten anderer Religionen, was zu einem Verhältnis von etwa 200.000 Kirchenleuten auf 10.000.000 Einwohner führt.48 Die verschiedenen Orden - vor allem Jesuiten (vor 1767), Franziskaner, 45 „Die Aufklärung scheint in den katholischen Ländern ihres Mittelpunkts beraubt; das Gebiet der Religion ist eine Tabuzone für gedankliche Problemstellungen und wissenschaftliche Forschung." Gusdorf: „Das theologische Ferment in der Kultur der Aufklärung", in: Jüttner/Schlobach (Hg.): Europäische Aufklärung(en), a.a.O., S. 2639, hier: S. 37. 46 Vgl. z.B. Voltaire (1769): „Inquisition", in: Ders.: Dictionnaire philosophique, a.a.O., S. 252-255; sowie Montesquieu (1721,1752): Lettres persanes (Brief 78), Paris 1973, S. 189193. Zur Geschichte der Autos defe vgl. die Neuauflage von Henry Kamen: The Spanish Inquisition. An Historical Revision, London 1997. 47 Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S. 75. Drei Censos sind im 18. Jahrhundert durchgeführt und nach ihren jeweiligen Auftraggebern Aranda (1768), Floridablanca (1787) und Godoy (1797) benannt worden. Die Zählung von 1787 liefert die zuverlässigsten Daten. Zu den Problemen der Datenerhebungstechniken vgl. Domínguez Ortiz: La sociedad española en el siglo XVIII, Madrid 1955, S. 56-71. Vgl. a. José Antonio Salas Auséns: „Los grupos sociales [en la España de las reformas, hasta el final del reinado de Carlos IV]", in: Suárez Fernández (Hg.): Historia general de España y América, Bd. 10-1, Madrid 1983, S. 361-449, hier: S. 390f. 48 Die ,genauen' Zahlen finden sich bei Salas Auséns: „Los grupos sociales", a.a.O., S. 408f. Die Quelle ist der Censo español executado de orden del Rey, comunicado por el excelentísimo señor conde de Floridablanca, primer secretario de Estado y del Despacho en el año 1787, Madrid (Imprenta Real) 1787. Zu den komparativen Grundlagen der

Einleitung: Ilustración

41

Benediktiner, Hieronymiten, aber auch Augustiner, Karmeliten, Trinitarier, Kartäuser und andere - besitzen große Landgüter (die sie aus Sicht der Reformer willkürlich bestellen) und verfügen durch Pacht und Steuern zuweilen über immense Einkünfte, die durch die Bezahlung ihrer sakralen Aufgaben nach der Schätzung von Aguilar Piñal für 13,5 Millionen Messen, je eine Million Taufen und Beerdigungen, 250.000 Hochzeiten und „unzählige" Predigten pro Jahr aufgebessert werden.49 Noch um 1750 sind die reichsten Körperschaften in Spanien die Diözesen von Toledo, Santiago de Compostela, Valencia und Sevilla. Gegenüber dem Reichtum der (großen) kirchlichen Institutionen stehen die Armut des größten Teils der Bevölkerung (insbesondere auf dem Lande) sowie die immensen Schulden des Staates, die im Übrigen durch die Reformen noch vergrößert werden50. Dieses Missverhältnis, das für die kritischen Beobachter am Kontrast zwischen den Lebensweisen sichtbar wird - „Prunk" an den Höfen und den Bischofssitzen vs. „Darben" der breiten Bevölkerung - , ist der soziale, lebensweltliche Kontext der ökonomischen Reformansätze, die zunächst vorsichtig von der landwirtschaftlichen Nutzung brachliegender Böden handeln. Die Besitzprivilegien werden ab der Jahrhundertmitte unter Karl III. im Auftrag der aufgeklärt absolutistischen Staatsführung durch ,Entwürfe' zur Enteignung oder Umverteilung des Landes in den Blick genommen, bis in der heißen Phase der 1780er Jahre der frontale Angriff gegen die ekklesiale „Ökonomie der Verschwendung" zum selbstverständlichen Gegenstand der Reformtraktate wird. Doch selbst die Säkularisierungsbemühungen der Regierung unter Manuel

spanischen Demographie vgl. a. Jordi Nadal: La población española (siglos XVI a XX), Barcelona 1966. 49 Die genaue Bestimmung der Höhe kirchlicher Reichtümer im 18. Jahrhundert ist (nicht nur in Spanien) ein unlösbares Problem. Als Quelle verfügen wir über den Catastro des Marqués de la Ensenada von 1749, der sich allerdings nur auf die 22 Provinzen der kastilischen Krone bezieht. Vgl. Pierre Vilar: „Structures de la société espagnole vers 1750. Quelques leçons du cadastre de La Ensenada", in: Centre de Recherches de l'Institut d'Études Hispaniques (Hg.): Mélanges à la mémoire de Jean Sarrailh, Paris 1966, S. 425-447. 50 Vgl. Pedro Voltes: „La política económica", in: Ramón Menéndez Pidal und José María Jover Zamora (Hg.): Historia de España, Bd. 31-1, La época de la Ilustración, Madrid 1988, S. 236-242. Vgl. a. Gonzalo Anes: Economía e Ilustración en la España del siglo XVIII, Barcelona 1981, S. 13-21.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Godoy (1792-1798) können die bestehende Macht der katholischen Kirche und ihrer Diözesen faktisch kaum beschneiden.51 Als Beispiel für die Argumentationsweise und den spezifischen Ton der antiklerikalen Kritik in der Endphase der spanischen Aufklärung können die erst im 20. Jahrhundert edierten Cartas familiales des Geographen (und ehemaligen Vikars) Antonio Jacobo del Barco, der durch seinen Zeugenschaftsbericht über das Erdbeben von Lissabon 1755 bekannt ist, herangezogen werden: El excesivo número de clérigos inútiles, las ilícitas negociaciones a que se entregan los más, por falta de título eclesiástico que los pueda sustentar, la ignorancia que reina en el clero secular, son objetos muy dignos de remedio por el daño que hacen al Estado y por el poco honor y utilidad que resulta a la Iglesia, que siempre llorará esta multitud onerosa y inútil.52

Die Kritik des „Exzesses" zielt - ungeachtet der Radikalität des Ausdrucks - auf die Verbesserung der Kirche im Sinne der „Nützlichkeit", ohne den Status der Institution selbst in Frage zu stellen. Diese Besonderheit der spanischen Aufklärung lässt sich trotz der Mannigfaltigkeit der verschiedenen Positionen und Kritikpunkte im Einzelnen als grobe Leitlinie festmachen. Gerade die Kirche ist Gegenstand einer Exzesskritik, die den Exzess ihrerseits insofern vermeidet, als dieser nur theoretisch - oder im Medium der (vorsichtigen) Ironie zum Ausdruck kommt, aber für die praktische Reformhandlung eine Grenze darstellt. Die antiklerikale Argumentationslinie verzweigt sich im Verlauf der Epoche der Ilustración, wenn im Zusammenhang mit der Betrachtung 51 Zu größeren Enteignungen kirchlichen Landbesitzes kommt es erst 1836 durch die Desarmortisationsdekrete der Regierung von Juan Alvarez Mendizábal. 52 Antonio Jacobo del Barco (1778): Cartas familiares, zit. in: Francisco Aguilar Piñal: „Don Antonio Jacobo del Barco y la reforma eclesiástica en el siglo XVIII", in: Hispania sacra 24 (1971), S. 449-478, hier: 464. Zum Verhältnis von Kirche und Staat während der Episode der „aufgeklärten Despotie" vgl. a. Antonio Luis Cortés Peña: La política religiosa de Carlos III, Granada 1989. Über den „mito de la ilustración heterodoxa e impía" vgl. Teófanes Egido: „La religiosidad de los ilustrados", in: Menéndez Pidal und Jover Zamora (Hg.): Historia de España, Bd. 31-1, a.a.O., S. 395-435, hier: S. 398-401. Zur Bewegung der „katholischen Aufklärung" innerhalb der spanischen Kirche, s. Andrea J. Smidt: „Luces por la Fe. The Cause of Catholic Enlightenment in 18th-Century Spain", in: Ulrich Lehner und Michael Printy (Hg.): A Companion to the Catholic Enlightenment in Europe, Leiden/Boston 2010, S. 403-452.

Einleitung: Ilustración

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der ökonomischen Situation Argumente auftauchen, die auf die Verbesserung des Erziehungswesens abzielen und damit einen Kernbereich des sich formierenden Aufklärungsdiskurses tangieren. Der historische Kontext des sich selbst als Institution der Erziehung begreifenden „pensamiento ilustrado" besteht hier in der strukturellen Verfasstheit des die ,Rückschrittlichkeif Spaniens im europäischen Vergleich besonders vor Augen führenden Schul- und Erziehungssystems. Neben der niedrigen Alphabetisierungsrate, die noch 1797 nur etwa 23% der Gesamtbevölkerung umfasst (36% für Männer und 10% für Frauen)53 zielen die Reformgedanken auf die Tatsache, dass die Grundschulausbildung (bzw. die „erste Alphabetisierung") insbesondere auf dem Lande geradezu ausschließlich in der Hand der Kirche liegt, die diese Funktion traditionell - und bis zur Austreibung der Jesuiten 1767 ohne jegliche Kontrolle - anstelle der fehlenden staatlichen Strukturen übernommen hat. Die politischen ensayos, tratados und informes zur „Erneuerung" des Erziehungswesens, die von den Proyectos des Marqués de la Ensenada unter Ferdinand VI. bis zu den Disposiciones relativas a la enseñanza Karls III. reichen, spiegeln einen Wandel der Argumentation wieder, der zur ökonomischen Kritik analog ist. Geht es zunächst um die Verbesserung der pädagogischen Fähigkeiten der kirchlichen Erziehungsbeauftragten und um die Einrichtung von Schulen unter staatlicher Kontrolle, geraten ab der Jahrhundertmitte zunehmend die „archaischen", „nutzlosen", auf den römisch-katholischen Katechismus konzentrierten Lehrinhalte sowie die Verwendung der lateinischen Sprache als Kommunikationsmedium in die Kritik. Am Ende steht auch die universitäre Lehre, die im Geiste der neuen Wissenschaften zu reformieren ist, im Fokus der kritischen Traktate. Im Zuge des neuen Verständnisses des Erziehungsbegriffs, wie er vor allem bei Jovellanos, aber auch beim Landreformer Pedro Rodríguez de Campomanes im Discurso sobre la educación popular de los artesanos y su fomento (1775) zum Ausdruck kommt, wird die „Prägung des Individuums" inkriminiert, welche die „barocke Frömmigkeit" des spanischen Volkes institutionalisiere, die durch den Zwang eine „Unmenge" religiöser Riten, insbes. von Feiertagen, Fastenzeiten, Pilgerfahrten usw. von Tätigkeiten abgehalten würden, die für die Gesellschaft nützlicher seien. Die Exzessdiskussionen, die auch in der Form der theologischen Disputation geführt 53 Antonio Viñao Frago: „Alfabetización e Ilustración. Difusión y usos de la cultura escrita", in: Revista de Educación, Sondernummer (1988) S. 275-298.

44

Die Prosa der spanischen Aufklärung

werden - wie sich im Streit um das bis 1782 geltende Verbot der Übersetzung der Bibel ins Kastilische zeigt 54 festigen den genannten Antagonismus zwischen der Kirche (als Instanz der alten „Formation" des Menschen) und jenen politischen Aufklärern, die sich für die Befreiung der Subjekte aus einer aufoktroyierten Nutzlosigkeit einsetzen. Das heißt jedoch nicht, dass den säkularen Aufklärungsdiskursen zwangsläufig die Freiheit der Subjekte im Sinn stünde. Ebenso werden die grundsätzliche Zuständigkeit und Diskurshoheit der Kirche in metaphysischen Fragen weder angezweifelt noch, wie in der französischen Aufklärung, die Institution selbst in ihrem Wesen angegriffen. In gewisser Weise bleibt die spanische Aufklärung auch in der Exzesskritik, die in Islas Fray Gerundio (1758) ihren stärksten literarischen Ausdruck findet, bis zum Ende den Anfängen treu, die bei Feijoo aus dem Geist der konzeptuellen Vorsicht entstehen. Schließlich stellt auch der Staat für sich genommen einen gesondert anzuführenden Kontext des pensamiento ilustrado dar, der eigenen Leitlinien der Problematisierung folgt. Trotz der unhintergehbaren Machtfrage im (inquisitorischen) Spiel der großen Institutionen finden die spanischen Aufklärer (subtile) Wege, Politik und Religion als antagonistische Gegenstände des Denkens zu entwickeln. Allerdings ist die Kritik gegen den Staat auch theoretisch nie so weit gegangen wie der Kampf gegen die konservativen Kleriker. Oder andersherum gesagt, in dem Moment (den 1790er Jahren), da die Aufklärer einige Grundfesten der Monarchie ebenso in Frage stellen wie ehedem die Dogmatik der katholischen Kirche, wird die politische Reaktion so heftig, dass die Bewegung insgesamt, spätestens seit der Verbannung von Jovellanos ins mallorquinische Castell de Bellver (1801-1808), dem Untergang anheimfällt und mit dem ,Erstarren' der Großen Revolution auch aus Frankreich keine neuen Impulse mehr erhält. Die politische Philosophie der spanischen Aufklärung, auf die sich der frühe Republikanismus des 19. Jahrhunderts stützt (um in einer ganz anderen Konstellation ebenfalls zu scheitern), löst sich im Moment ihres stärksten Reflexionsgrades praktisch - im anvisierten Verhältnis

54 Vgl. Lucienne Domergue: „De Erasmo a George Borrow: Biblia y secularización en la España de las Luces", in: Manfred Tietz und Dietrich Briesemeister (Hg.): La secu-

larización de la cultura española en el Siglo de las Luces, Wiesbaden 1992, S. 57-89, hier: S. 58f. Vgl. a. María G. Tomsich: El jansenismo en España. Estudio sobre ideas religiosas en la segunda mitad del siglo XVIII, M a d r i d 1972, S. 177-193.

Einleitung: Ilustración

45

zur politischen Macht - in ein Nichts auf, das in der nachfolgenden Geschichte der spanischen Politik (insbesondere zur Zeit der beiden Republiken) nur episodisch wieder auftaucht oder als positive Kraft neu instituiert wird. Dieses ,Vermächtnis' der Aufklärung ist jedoch erst seit der Transición von 1975 in seiner ganzen Tragweite erkannt worden.

1 . 3 . TOPOGRAPHIE, IDENTITÄT. D A S SPANISCHE M O S A I K

Der politische Kontext ist in theoretischer Hinsicht - dies stellt ebenfalls eine Errungenschaft der Philosophie der Aufklärung dar - schon hinsichtlich der Grenzen der spanischen „Nation" zu hinterfragen. Die Historiker beobachten, dass seit Beginn des 18. Jahrhunderts verstärkt die Frage nach der Identität der „Spanien" genannten Entität gestellt wird: „El reformismo ilustrado articuló la nación española."55 Die nationale Eigenbehauptung liefert eine Folie für die Innenperspektive der Selbstwahrnehmung einer spezifisch spanischen Bewegung im Konzert der europäischen Aufklärungen. Zugleich ist sie ein zentrales Element der diskursiven Binnendifferenzierungen zwischen den einzelnen Gruppen von Reformern und Bewahrern der spanischen Sache. Dabei ist stets zu bedenken, dass vom „Königreich Spanien" als Einheit nur in einem stark eingeschränkten, letztlich militärischen oder „außenpolitischen" Sinne gesprochen werden kann. Spanien ist im 18. Jahrhundert nach wie vor ein Konglomerat aus verschiedenen Völkern, Sprachen und Kulturen, die durch unterschiedlichste Herrschaftsformen strukturiert und in Principados, Reinos, Señoríos oder Provincias unterteilt sind. Die aus dem Mittelalter überlieferte heterogene Struktur ist mit den Decretos de Nueva Planta während des Regnums Phillips V. reformiert worden.56 Doch an der grundlegenden Konstellation, die 55 Juan Pablo Fusi: España. La evolución de la identidad nacional, Madrid 2000, S. 125. Die Frage nach der (kultur-)politischen Identität' Spaniens wird stets als ein grundlegender Kontext literaturwissenschaftlicher Betrachtungen der Ilustración angeführt. Vgl. zuletzt Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 49ff. 56 Durch die Decretos de Nueva Planta werden die alten (mit Feudalrechten ausgestatteten) Fueros ersetzt, die sich - wie v.a. Katalonien und das Königreich Aragón - im Erbfolgkrieg gegen die kastilische Krone gestellt hatten. Mit der Abschaffung der „lokalen Königtümer" wird ein Prozess eingeleitet, der den Regionen (später „Provinzen") wesentliche Aspekte kultureller, juridischer und administrativer Autonomie belässt, aber die

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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zugleich Gegenstand der politischen Reformtraktate ist, änderte dies wenig. Lässt sich im Verlauf v.a. der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine allgemeine Bewegung der administrativen Zentralisierung feststellen, sind zugleich auf Seiten der Provinzen an den territorialen Peripherien starke Autonomiebestrebungen zu beobachten. Zu diesen Provinzen zählen v.a. Andalusien im Süden mit seinen für den Amerikahandel bedeutenden Häfen Sevilla und Cádiz sowie das ökonomisch starke Katalonien und das Baskenland im Norden. Untersucht man z.B. die Topoi des amor de la patria oder der pasión nacional, die seit Feijoo zum Arsenal der aufgeklärten Selbstbehauptung gehören, gelangt man diesseits der nationalen Ebene, die sich nur durch einen Blick von außen ergibt, auf ein komplexes Geflecht lokaler Identifikationen und Abgrenzungen mit oder gegen die „causa española". Die multiple Konkurrenz lokaler Perspektiven ist ein Identitätsmerkmal der Spanienfrage, die im Licht der Ilustración gestellt wird. Gleich welches Medium - oder welcher „Kanal" (Richard Herr) - der Aufklärung in den Blick genommen wird, durch das die Reformer als selbsternannte Verbesserer Spaniens unter sich oder in Richtung der vermeintlich im Dunklen lebenden Bevölkerung kommunizieren, sie alle entstehen zunächst in regionalen Varianten und treten sodann in eine Art nationalen Wettstreit. Wie die Academias, die Colegios oder die (informelleren) Tertulias entstehen die Sociedades Económicas de Amigos del País,57 sind sie einmal in Kastilien, Aragón, Andalusien, Katalonien, Valencia oder im Baskenland ins Leben gerufen worden, zugleich auch in den je anderen Regionen, gefolgt von Murcia, Asturien, Kantabrien, La Rioja, Navarra und schließlich (zuweilen) von Galicien, Extremadura und den kanarischen Inseln. Je nach Kontext beziehen sich die Gegenstände der Vaterlandsliebe der verschiedenen Gruppen von „Freunden des Landes" entweder auf den Staat als

Vormachtstellung des kastilischen Modells - im nunmehr alleinigen Königreich mit dem Zentrum Madrid - für die Zukunft verankert. Zur Entwicklungsgeschichte der spanischen Territorialverwaltung im 18. Jahrhundert vgl. Pedro Molas Ribalta: „La Administración española en el siglo XVÜI", in: Historia general de España y América, Bd. 10-2, Madrid 1984, S. 87-143. „Spain was meanwhile reaching the end of a thousand year's process of national unification." Herr: The Eighteenth-Century Revolution, a.a.O., S. 435. 57 Eine Übersicht über den Bestand der verschiedenen spanischen Akademien - im Kontext der europäischen Akademiebewegung - liefert Jacobs: Organisation und Institutionalisierung spanischen

Aufklärung

a. M. 1996, S. 31-62.

der Künste und Wissenschaften. in der Tradition der europäischen

Die Akademiegründungen Akademiebewegung,

der

Frankfurt

Einleitung: Ilustración

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Ganzes (z.B. als Verteidigung gegen Angriffe der französischen Enzyklopädisten) oder auf bestimmte Aspekte der Sprache oder der Kultur einer spezifischen Region. Zuweilen projiziert das aufgeklärte Sprechen über „nationale" Fragen eine Verhältnissetzung zwischen beiden Formen der lokalen und der globalen Identifikation im Raum eines literarischen bzw. philosophischen Diskurses. Das Problem des spanischen Identitätsdiskurses, das im Folgenden als eine Frage der literarischen Fiktionalisierung zu reflektieren ist, wird zum Beispiel durch die Hauptfigur aus Cadalsos Cartas Marruecas, Ñuño Núñez, zum Ausdruck gebracht: Aun dentro de la [nación] española hay variedad increíble en el carácter de sus provincias. Un andaluz en nada se parece a un vizcaíno; un catalán es totalmente distinto de un gallego; y lo mismo sucede entre un valenciano y un montañés. Esta Península, dividida tantos siglos en diferentes reinos, ha tenido siempre variedad de trajes, leyes, idiomas y monedas... De esto inferirás lo que te dije [...] sobre la lijereza de los que por cortas observaciones propias, o tal vez sin haber hecho alguna, y sólo por la relación de viajeros poco especulativos, han hablado de España. 58

Historisch gesehen, kommt seit der Einteilung des spanischen Territoriums in Intendencias - durch die Decretos de Nueva Planta - den regionalen Hauptstädten eine neue politische Rolle zu. Ihre Ausprägung ist von der Regierung in Madrid zugelassen bzw. gesteuert und bezieht sich auf die „kulturelle" Selbstverwaltung, stellt aber zugleich den Anwendungsbereich der lokalen, in den verschiedenen Regionen unterschiedlich stark ausgeprägten Autonomisierungsbestrebungen dar, welche im Übrigen gerade auf die Inhalte abzielen, die dem Begriff der Kultur (in Form von Erziehung, Landwirtschaft, Finanzökonomie, nützlichen Wissenschaften etc.), in der Praxis zugeschrieben werden sollen.59 Nachdem die baskische „Gesellschaft der Freunde des Landes" 1765 durch die Initiative des Conde de Peñaflorida gegründet worden ist, entstehen innerhalb kürzester Zeit und in mehr 58 José Cadalso: Cartas marruecas. Noches lúgubres, Madrid 2005, S. 156 (2. Brief). Die Antwort des maurischen Korrespondenten ist konsequent: „Sus cartas, que copio con exactitud y suelo leer con frecuencia, me representan tu nación diferente de todas en no tener carácter propio". Ebd., S. 206. Vgl. Kap. 5.3. 59 Zu den diskursiven Grundlagen des Kulturbegriffs in der spanischen Aufklärung vgl. Miguel de la Pinta Llórente: „El sentido de la cultura española en el siglo XVIII e intelectuales de la época", in: Revista de Estudios Políticos 68 (1953), S. 79-114.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

oder weniger enger Kooperation mit der Regierung Karls III. ähnliche Sociedades in allen Städten, die die Gebietsreform auch als Auftrag zur kulturpolitischen Selbstbestimmung verstehen. Neben Madrid, Barcelona, Bilbao und Sevilla sind dies La Coruña, León, Valladolid, Burgos, Pamplona, Zaragoza, Salamanca, Avila, Guadalajara, Toledo, Ciudad Real, Valencia, Murcia, Mérida, Córdoba, Granada, Palma de Mallorca und Santa Cruz de Tenerife.60 Als 1765 das Monopol für den Amerikahandel aufgehoben wird, das seit dem frühen 16. Jahrhundert der andalusischen Casa de Contratación gehörte, und neben Cádiz und Sevilla auch Barcelona, Santander, Gijón, La Coruña, Málaga, Cartagena und Alicante Handelslizenzen erhalten, entsteht auf dem ökonomischen Sektor eine weitere regionale Konkurrenz, die die konzeptuelle Zusammenführung einer gesamtspanischen Perspektive, etwa unter dem Blickpunkt der „physiokratischen" Ansätze zur Wirtschaftsreform, zusätzlich erschwert. Unter den Institutionen der spanischen Aufklärung sind die Sociedades de Amigos, trotz ihrer außergewöhnlichen regionalen Verbreitung, von den Historikern des 20. Jahrhunderts als homogene, geradezu „uniforme" Einrichtungen angesehen worden: ,„Uniformes' quant à leur Constitution, les Sociétés économiques le sont aussi par leurs statuts et leurs travaux". 61 Als Argument ist die königliche Approbation

60 Salas Auséns: „Los grupos sociales", a.a.O., S. 444. Die Sociedades sind insofern auch eine besondere „Institution" der spanischen Aufklärung, als ihre Anzahl (und damit das Ausmaß der Regionalisierung) höher ist als die der übrigen institutionellen ,Kanäle' der Aufklärung - Academias und Tertulias -, deren Verbreitung sich auf die größeren Hauptorte beschränkt. Bis 1790 entstehen insgesamt 82 Sociedades, über die sich auch kleinere Städte ins Konzert der nationalen Fragen einzubringen suchen: Z.B. Santiago de Compostela, Lugo, Oviedo, León, Benavente, Valladolid, Zamora, Segovia, Ciudad Rodrigo, Talavera, Cuenca, Tudela, Tarragona, Jaén, Granada, Málaga, Jerez de la Frontera u.a. Vgl. Gonzalo Anes Alvarez: „Coyuntura económica e ilustración': Las sociedades de Amigos del País", in: Universidad de Oviedo (Hg.): El padre Feijoo y su siglo, 3 Bde. Oviedo 1966, Bd. 1, S. 115-133, hier: S. 124ff. Vgl. a. Herr: The EighteenthCentury Revolution, a.a.O., S. 174f. 61 Jean Sarrailh: L'Espagne éclairée de la seconde moitié du XVIIIe siècle, Paris 1964, S. 256. Mit Blick auf die überlieferten „Estatutos" der Real Sociedad Económica de Zaragoza führt Sarrailh die Ähnlichkeit der Regularien aus: die Aufteilung der Mitglieder in Gruppen (Residenten und Korrespondenten) und Kommissionen (zuständig für Ackerbau, Industrie oder Handel); die Hierarchie der Gesellschaft, vertreten durch Direktoren, Zensoren, Sekretäre, Buchhalter und Schatzmeister (die reservierte Plätze in den Sitzungssälen einnehmen); die Ehrenamtlichkeit - „tous devant mettre leur

Einleitung: Ilustración

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angeführt worden, die jede Gesellschaft zur Begründung ihres rechtlichen Statuts benötigte, sowie die Kontrolle und politische Prägung (in Form von Korrespondenzen und Visitationen) durch die Minister des Königs in der Hauptstadt Madrid, deren 1775 gegründete Real Sociedad Económica Matritense de Amigos del Pais als die maßgebliche Gesellschaft angesehen wird. Man darf sich von den Statuten und institutionellen Techniken, die sich in dieser Zeit als Wissenschaft erst entwickeln, jedoch nicht täuschen lassen. Der Darstellung von Sarrailh widersprechen zum einen die heterogene Besetzung der Gesellschaften, die zu einer Öffnung der Grenzen zwischen den sozialen Gruppen der Ständegesellschaft führen, und zum anderen die praktischen (ökonomischen und kulturellen) Maßnahmen, die von jeder Gesellschaft mit Rücksicht auf lokale (strukturelle, klimatische) Begebenheiten und in Konkurrenz zueinander ausgearbeitet worden sind.62 Von diesen Öffnungsmöglichkeiten zeugt auch die Korrespondenz zwischen den Mitgliedern der Sociedades, die im Medium der Polemik oder der Freundschaftsbekundung sehr unterschiedliche Auslegungen über die Reichweite und Anwendbarkeit des Begriffs der Ökonomie zum Ausdruck bringt. Die Entwicklung der Sociedades während der Spätphase der Ilustración liefert schließlich deutliche Hinweise darauf, dass die Idee der regionalen Streuung von Verwaltungskompetenzen, die ursprünglich dem Ideal der Optimierung im Sinne der Nützlichkeit entsprach, in der Praxis zu erheblichen politischen Problemen führt. Ab etwa 1780 - und sodann mit dem Ausbruch der Französischen Revolution verstärkt fühlt sich die zentrale politische Kraft in Madrid genötigt, die zentrifugalen Bewegungen zu hemmen oder gar umzukehren. In der Endphase der „aufgeklärten" Regierung Königs Karl III. setzen Kontroll- und

zèle à bien remplir les tâches qu'ils ont acceptées pour l'honneur et l'amour de la patrie" - ; der Auftrag zur regelmäßigen Publikation der Arbeiten sowie zur Einrichtung von Bibliotheken und „patriotischen Schulen" etc. (ebd., S. 256f.) Vgl. a. Jacques Soubeyroux: „Idéologies, pratiques discursives et rapports sociaux dans l'Espagne des Lumières", in: Imprévue 1-2 (1979), S. 119-133, hier: S. 124ff. 62 Die soziale Komposition der Sociedades ist annähernd berechenbar: Die Madrider „Gesellschaft" besteht 1778 zu 13% aus ,müßigen' Adeligen, zu 12% aus Klerikern, zu 5% aus Offizieren, zu 5% aus Professoren, zu 2% aus Freiberuflern, zu 28% aus Beamten und zu 12% aus (bürgerlichen) Geschäftsläuten und Händlern. Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S. 161. Vgl. a. Olegario Negrín Fajardo: Educación popular en la España de la segunda mitad del siglo XVIII. Las actividades educativas de la Sociedad Económica Matritense de Amigos del País, Madrid 1987, S. 78-118.

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Überwachungsmaßnahmen (in Form von Circulares oder Decretos) ein, die eine noch junge Gattung von Texten ausprägen, welche mit dem Betrieb der Institutionen zusammenhängen. Berichte, Gutachten, Protokolle und Analysen stehen zunehmend unter dem Vorzeichen der Infragestellung oder der Rechtfertigung des Geschaffenen. Die Arbeit der Gesellschaften wird eingeschränkt, ihre Einrichtungen (Schulen und Bibliotheken) akribischen Inspektionen unterworfen. Unliebsame Mitglieder werden von Madrid aus abberufen, mit Publikationsverbot belegt oder aus ihren Heimatorten verbannt. Die Zeitungsberichte und Verlagspläne werden zensiert. Jean Sarrailh schildert detailliert, wie Jovellanos - der „Vater der asturischen Nation" - in den Jahren 1794 und 1795 einen großen Teil seiner Arbeitszeit damit verbringt, die Arbeit des Real Instituto de Náutica y Mineralogía in Gijón zu rechtfertigen und Bestände seiner Bibliothek, die 20 Jahre zuvor unhinterfragt zum normalen Besitzstand eines Wissenschaftlers gehörten, gegen die Inspekteure der Regierung und der wiedererstarkten Inquisition zu verteidigen.63 Das komplexe Geflecht sich bündelnder, antagonistischer Kräfte auf der politischen Ebene der instabilen Verhältnisse zwischen dem Zentrum und den Peripherien ist eine charakteristische Eigenschaft der durch die Aufklärung gestellten Frage nach der spanischen Identität. Die Technik der,Selbstreflexion' erweist sich immer auch als ein dynamisches Zusammenspiel politischer Handlungen. Zugleich müssen die (Spiel-)Regeln der Darstellung gefunden bzw. als Gegenstand meta-argumentativer Strategien in einem übergeordneten SelbstFremd-Verhältnis ausgelotet werden. Diese allgemeine Beobachtung gilt für die Inhalte literarischer und philosophischer Abhandlungen gleichermaßen, die innerhalb der Gesellschaften, Akademien und anderen Forschungseinrichtungen geschrieben werden und ihre Form auch im Konzert der neuen Wissenschaften experimentell bestimmen müssen. Insofern stellen die Tertulias, die als mediale Institutionen von „Literatur und Soziabilität"64 beschrieben worden sind, eine typische Einrichtung des epistemologischen Aussagegeflechts der Ilustración dar. Die Tertulias oder Salons, die nach französischem und englischem Vorbild schon seit dem späten 17. Jahrhundert bekannt sind, 63 64

Sarrailh: L'Espagne éclairée, a.a.O., S. 303ff. Geiz: Tertulia. Literatur und Soziabilität, a.a.O. Vgl. Kap. 4.2.

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stellen inoffizielle Versammlungen von Intellektuellen dar, die in Häusern von „Müßiggängern" des Adels zusammenkommen und idealerweise von außen unkontrolliert - literarische, philosophische und wissenschaftliche Texte diskutieren. Die bedeutsamen Tertulias sind weniger zahlreich als die Sociedades und nicht per ,Verfassung' (constitución) als Institutionen strukturiert. Dennoch haben die berühmtesten unter ihnen die Diskurse der spanischen Aufklärungszeit ebenso geprägt wie die offiziellen Institutionen, so v.a. die Tertulia von Andrés Piquer (Valencia 1743), die Tertulias von Martín Sarmiento und Campomanes (Madrid 1760), die Tertulia von Pablo de Olavide (Sevilla 1768) und die Tertulia de la Fonda de San Sebastián (Madrid 1770).65 Die Mitglieder der Academia del Buen Gusto, die in Madrid 1749 im Haus der Marquesa de Sarria gegründet wird, beschäftigen sich hauptsächlich mit der Lektüre von literarischen Texten und adressieren sich als ,Akteure der Literatur' mit Pseudonymen nach dem Vorbild der Dichter des Siglo de Oro. Die Zusammensetzung und Funktionsweise der Academia, in der sich auch Ignacio de Luzán unter dem Pseudonym „El Peregrino" als Dichter versucht, kennen wir aufgrund der Quellen, die José Miguel Caso González zusammengetragen hat, recht genau.66 Die Fonda de San Sebastián, von Nicolás Fernández de Moratín ins Leben gerufen, ist von noch größerer Bedeutung, insofern ihre Mitglieder - Tomás de Iriarte, Jovellanos, Cadalso, Félix María Samaniego, Juan Meléndez Valdés, Ignacio López de Ayala, Francisco de Goya, Vicente de los Ríos, José Guevara Vasconcelos, Casimiro Gómez Ortega u.a. - zu den bekanntesten Literaten, Künstlern und Wissenschaftlern des Jahrhunderts gehören. In den Tertulias (oder privaten

65

Zu den Grundlagen und Quellen vgl. Julio de Urquijo e Ibarra: Los Amigos del País

(según cartas y otros documentos inéditos del XVIII), San Sebastián 1929; sowie Aguilar

Piñal, Georges Demerson und Paula de Demerson: Las Sociedades Económicas de Amigos del País en el siglo XVIII. Guía para el investigador, San Sebastián 1974. Vgl. a. José Miguel

Caso González: „La literatura de 1759 a 1800", in: Menéndez Pidal und Jover Zamora (Hg.): Historia de España, Bd. 31-1, a.a.O., S. 545-598. 66 Folgende Personen mit den entsprechenden Pseudonymen, die auch ein ,Licht' auf die soziale Konstellation dieser frühen Tertulia werfen, sind als historische Figuren bekannt: Blas Antonio Nasarre (El Amuso), Conde de Torrepalma (El Difícil), Duque de Béjar (El Sátiro), José Villarroel (El Zángano), Agustín de Montiano (El Humilde), José Antonio Porcel (El Aventurero), Marqués de Valdeflores (El Marítimo) u.a. Vgl. Caso González: „La Academia del Buen Gusto y la poesía de la época", in: Universidad de Oviedo (Hg.): La época de Fernando VI, Oviedo 1981, S. 383-418.

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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Academias) werden nicht nur typische, zeitgenössische Formen der Soziabilität ausgeprägt (für deren sozialgeschichtliche Rekonstruktion die literarischen Texte eine wichtige Funktion übernehmen), sondern auch die Formen der Kommunikation selbst, die im Kontext der sich instituierenden Schreibtechniken der ciencia nueva von epistemologischem Interesse für die philosophischen Fragen der Literatur sind. Die literarischen Gemeinschaften der Tertulias entsprechen - stärker noch alsdieSoczedades-demperformativen Charakter der,heißen'Epoche, deren Diskursformation mit hoher Transformationsgeschwindigkeit im Werden begriffen ist.67 Tertulias wie jene der Fonda de San Sebastián sind Versuchslabore, in denen die fließenden Gattungsgrenzen literarischer Texte - zwischen Prosa, Poesie, Theater und im Konzert der Formen von rechts-, geschichts- und naturwissenschaftlichen Texten - performativ und intersubjektiv ausgetestet werden. Zentrale Texte des Jahrhunderts wie El delincuente honrado (Jovellanos) oder die Cartas marruecas (Cadalso) werden in diesem Rahmen vorgetragen, aufgeführt, diskutiert und interpretiert. Aber auch die Inhalte der neuen Wissenschaften werden als Herausforderung der überkommenen Dogmen der Theologie und der Politik auf eine experimentelle Weise angenommen und diskutiert. Neben den Versuchen, sich auf den neuesten Stand der Entdeckungen in den Bereichen der Physik, der Astronomie, der Geologie, der Anthropologie, der Medizin und der Agrarwissenschaft zu bringen, werden in der glücklichen Epoche der relativen Freiheit (vor dem Ende der Regentschaft Karls III.) in der Fonda de San Sebastián Überlegungen zum Zivilrecht, zum Kosmopolitismus und zur physiokratischen Kritik des Merkantilismus angestellt, vergleichende ethnographische Studien und archivbasierte Historiographie diskutiert, Übersetzungspraktiken entwickelt, linguistische Studien zur spanischen (kastilischen, katalanischen, asturischen, baskischen) Sprache vorgestellt und andere nützliche, wegweisende - manchmal aber auch irreführende oder abstruse - „Unternehmungen" durchgeführt,68 die im Fokus der Texte unserer Untersuchung stehen. Obgleich die gesellschaftliche Institution

„Sin que se pueda decir que fuera invención del XVIII, la tertulia casera fue, desde luego, una de las instituciones con más arraigo en la vida social del siglo de la Ilustración." Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S. 147. Insofern lässt sich die Tertulia als Inbegriff der Kontextualisierung auf der epistemologischen Ebene der Diskursformation beschreiben. Vgl. Geiz: Tertulia, a.a.O., S. 19ff. 68 Sarrailh: L'Espagne éclairée, a.a.O., S. 471-503 („Victoires difficiles"). 67

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der Tertulia als Form des elitären Zeitvertreibs (und verdächtigen Müßiggangs bei Nacht) zum Gegenstand der Satire geworden ist - etwa bei Ramón de la Cruz (La oposición a cortejo, 1751) oder Manuel Fermín de Laviano (La tertulia general, 1779) - ist sie der Ort und die soziale Bedingung einer kommunikativen Konstellation, in der die Techniken der Wissenschaft und der neuen Formen des Denkens implementiert werden: die Beobachtung, das Experiment, das Austarieren von Theorie und Praxis, die Möglichkeiten der Infragestellung des Autoritätsprinzips. Auf der Grundlage dieser interaktiven Praxis beruhen die Fermente des ensayo - des im Folgenden zu behandelnden Kernelements der spanischen Aufklärungsprosa. Mit Blick auf die Frage der Vaterlandsliebe und die Passion der nationalen Identität lässt sich das Moment der regionalen Differenzierung des Reformprojekts ,Spanien' auch dadurch fassen, dass viele der politischen und ökonomischen Massnahmen - so z.B. in der schwierigen Frage der Agrarreform - auf ortsspezifische Gegebenheiten rekurrieren, wie etwa die klimatischen Bedingungen oder die Bevölkerungsstruktur. Die Lösung des Problems der Neuordnung von Landbesitz (nach Kriterien der Nützlichkeit) ist nicht mit den gleichen Methoden zu erreichen, wenn der Großteil der das Land bearbeitenden Menschen Tagelöhner für Großgrundbesitzer sind, wie in Andalusien, oder - was in manchen Konstellationen für die Betroffenen gar die schlimmere Variante ist - Kleinstparzellenpächter (oder -besitzer), wie in Asturien oder Galicien. Dennoch ergeben die diskursiven Binnendifferenzierungen im kommunikativen Geflecht der verschiedenen regional verankerten Gruppen von Reformern und Bewahrern der „spanischen Sache" insofern auch das Gesamtbild einer allgemeinen Reformbewegung, als alle beteiligten Gruppen und Institutionen zueinander im (ökonomischen, kulturellen, ideellen) Wettbewerb stehen.69 Als Schaltstellen dieses Wettbewerbs fungieren bestimmte (Prosa-) Texte, die vor dem Hintergrund unserer Kontextualisierung gesondert zu betrachten sind und als „gesamtspanische" Aufklärungstexte bezeichnet werden können. Dazu gehören die zentralen Texte der großen Autoren, die von allen Intellektuellen der Zeit rezipiert worden sind, 69 Unter den notwendigen regionalistischen Differenzierungen ist der diskursive Gesamtkomplex nicht aus den Augen zu verlieren: „Sin duda, deberíamos procurar que los árboles regionales no nos impidieran ver el bosque de la monarquía hispánica setecentista." Fernández Díaz: „Introducción", a.a.O., S. 29.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

z.B. die Bände des Teatro crítico universal von Feijoo (1726-1740) oder die Discursos von Pedro Campomanes, die 1775 in 30.000 Exemplaren gedruckt und an die, Spanienfreunde' im ganzen Land versendet werden.70 Dazu gehört aber auch eine bestimmte Form des transnationalen bzw. transidentitären Schreibens (und konzeptuellen Denkens), das in der Epoche „kosmopolitisch" genannt worden ist. Verkörpert wird sie in Spanien idealtypisch durch die gattungsübergreifenden Werke von Cadalso und Jovellanos, den gesamtspanischen Intellektuellen, die auf ihrer Wanderschaft durch die Provinzen, die Städte und den Hof als aktive oder „korrespondierende" Mitglieder mit verschiedenen Gesellschaften und Freundeskreisen Spaniens in Kontakt stehen. Das Bild vom homogenen politischen Gefüge des spanischen Königreichs, das sich in Europa über Jahrhunderte als dasjenige einer kolonialen Seemacht ausgeprägt hat, erweist sich - auch dank der verbesserten Beobachtungsbedingungen des 18. Jahrhunderts - zunehmend als eine repräsentative (diplomatische) Fiktion. Diese Fiktion, deren wissenschaftliche „Prüfung" von den Autoren der Aufklärungsepoche als eine Herausforderung an die Historiographie formuliert wird, läuft parallel zu der oben genannten Zuschreibungsmöglichkeit der spanischen Ilustración als einer diskursiven Praxis, ein katholisches und absolutistisches Aufklärungsdenken zu ermöglichen bzw. zu kontrollieren. In politischer Hinsicht lässt sich jedoch beobachten, dass die Idee der Einheit Spaniens in der Epoche der Aufklärung vor allem als eine Kraft zum Ausdruck kommt, die bestimmte Momente und Errungenschaften der Rationalisierungs-, Säkularisierungs- und Emanzipationsbewegungen auszubremsen und den politischen Raum gegen Einflüsse von außen abzuschotten sucht. Diese Beobachtung lässt sich am besten durch die Reaktion der spanischen Regierung auf den Ausbruch der Französischen Revolution verdeutlichen, die in die Zeit der Thronfolge von Karl III. auf Karl IV. fällt und entscheidende Weichen für das (für uns symbolisch auf das Jahr 1800 datierte) Ende der Epoche stellt.

70 Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S. 161. Feijoo ist der auflagenstärkste Autor des Jahrhunderts. Bis 1787 sind die acht Bände des Teatro crítico (und der Suplemento) insgesamt etwa 200 Mal neugedruckt und in 400.000 Exemplaren verkauft worden. Vgl. Angel Raimundo Fernández González: „Introducción", in: Feijoo y Montenegro: Teatro crítico universal, Madrid 1989, S. 9-50, hier: S. 44. Vgl. Kap. 2.1.

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Als die Nachricht vom Sturm auf die Bastille durch Fernán Núñez, den spanischen Botschafter in Paris, an den Madrider Hof gelangt, entsteht auf Betreiben des Conde de Floridabianca, des „Außenministers" (Secretario del Despacho de Estado) und seit 1787 ersten Präsidenten der Junta Suprema de Estado, eine historisch geradezu einzigartige Informationsblockadepolitik. Unter Beteiligung der Provinzregierungen Kataloniens und des Baskenlandes, der regionalen und der nationalen Presseorgane sowie der kirchlichen Inquisition (unter Generalinquisitor Agustín Rubín de Ceballos) gelingt es, in ganz Spanien einen Zustand der beinahe absoluten Unwissenheit gegenüber den Ereignissen in Frankreich aufrechtzuerhalten, der so lange andauert, bis auch unter den Intellektuellen die Besorgnis über die Gewalt der Revolution die Bewunderung über die politische Errungenschaft der französischen Verfassung überwiegt. Diese Leistung geht mit entsprechenden Maßnahmen der Poliziierung und der Repression einher: Warnungen vor gefährlichen Texten und Personen (Anweisung vom 29. Dezember 1789 an alle Postämter des Königreichs), Grenzkontrollen, Registrierung von Ausländern, Hispanisierung oder Ausweisung der in Spanien lebenden Franzosen (je nach Region zwischen 40 und 60% aller Ausländer), die Gleichschaltung der zentralen Printmedien (Gaceta de Madrid, Diario de Madrid) sowie das Verbot aller Zeitungen in Privatbesitz (Correo de Madrid, Semanario erudito, El Censor).71 Von den Reformern der 1780er Jahre ist - aus guten Gründen - wenig Kritik an dieser politischen Praxis zu lesen. Symptomatisch für das eingeleitete Ende der Ilustración, das sich trotz vorübergehender Momente der (Neu-)Öffnung zwischen 1795 und 1798 spätestens ab 1800 als unumkehrbar erweist, ist die Koinzidenz der just für den Herbst 1789 von Karl IV. einberufenen spanischen Generalstände (Cortes de Castilla), die unter dem Vorsitz des Conde de Campomanes zwei Monate lang tagen, um über die Thronfolge von Karls Sohn Fernando zu beraten, ohne dass die Revolution im Nachbarland in irgendeiner Weise Spuren hinterlassen hätte: „Nowhere was there a sign of questioning the royal power". 72

Vgl. Kap. 4.2. Herr: The Eighteenth-Century Revolution, a.a.O., S. 242. Zu dieser Episode vgl. das Kapitel „Floridablanca's Great Fear", in: Ebd., S. 239-268. Vgl. a. Guinard: La presse espagttole de 1737 ä 1791, a.a.O., S. 44-48; sowie Luden Dupuis: „Francia y lo francés en la prensa periódica española durante la Revolución Francesa", in: Joaquín Arce, Nigel 71

72

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1 . 4 . G L O R R E I C H E V E R G A N G E N H E I T UND Ö K O N O M I E DES M A N G E L S . D I E SPANISCHE A U F K L Ä R U N G S L I T E R A T U R ZWISCHEN R E F L E X I O N UND E X P E R I M E N T

Die Kontexte der europäischen Aufklärung und des „spanischen Mosaiks" dienen als (argumentative und analytische) Hintergrundfolie sowohl für die Beschreibung von Aussagebedingungen als auch für die Bestimmung von Inhalten, Verfahren und Konzepten der spanischen Aufklärungsliteratur. Zu berücksichtigen bleibt hierbei die Offenheit und die Bewegtheit des Zeitalters der Aufklärung, das die Techniken und Kategorien der Reflexion und so auch die „historiographische Erschließung der geschichtlichen Welt"73 als einer Möglichkeitsbedingung, ein Jahrhundert überhaupt als eine historische Epoche zu begreifen und zu analysieren, selbst erst ausgebildet hat. Die Ilustración erweist sich als ein diskursiver Komplex, der aufgrund der besonderen Bedingungen seiner politischen, sozialen und ideologischen Grenzen letztlich ebenso schwierig zu fassen ist wie die „größeren" Aufklärungsbewegungen. Dennoch lassen sich die thematischen Gegenstände der literarischen und philosophischen Texte, deren Interdependenz mit den Anfängen der Gattung des ensayo bei Feijoo virulent wird, bei aller experimentellen Unbestimmtheit der Aussagetechniken auf eine überschaubare Menge von Elementen eines spezifischen, wenn auch „doppelköpfigen" Spektrums reduzieren. Die Prosa des Setecientos, die sich als grundlegende Gattung - in Konkurrenz zum Theater und zur Poesie - herauskristallisiert, lässt sich im Prinzip gemäß den beiden folgenden Leitlinien orientieren: 1) Sie antwortet auf die Frage „Was ist, woher kommt und wohin geht Spanien?" 2) Sie reflektiert sich selbst als eine Praxis sprachlicher Konzeptualisierung, welche die wissenschaftlichen Antworten auf diese Frage - aus den Bereichen der Naturwissenschaften (Physik,

Glendinning u n d L u d e n Dupuis: La literatura española del siglo XVIII y sus fuentes

ext-

ranjeras, Oviedo 1968, S. 96-127. 73 „Mit dem Begriff der Geschichte schlechthin wird die Geschichtsphilosophie freigesetzt, innerhalb derer die transzendentale Bedeutung von Geschichte als Bewusstseinsraum und von Geschichte als Handlungsraum kontaminiert werden." Reinhart Koselleck: Vergangene

a. M. 1989, S. 130.

Zukunft.

Zur Semantik geschichtlicher

Zeiten,

Frankfurt

Einleitung: Ilustración

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Biologie, Astronomie), der Historiographie, der Ökonomie, der Politologie, der Anthropologie und der Ethnographie - im Medium der kostumbristischen74 Fiktion zu bündeln sucht. Der Essay als literarische Gattung der spanischen Frühaufklärung entspricht einer Philosophie des Als Ob, einem „Fiktionalismus", der sowohl „schematische" als auch „nützliche Fiktionen" kennt.75 Die verschiedenen Wege der Ausformulierung dieser Philosophie beruhen auf literarischen Techniken - der Ironie, der narrativen Fokussierung, der Bildlichkeit etc. - bzw. werden durch diese implementiert. Somit wird der Diskurs der Ilustración selbst durch einen „Möglichkeitsraum der Fiktion" 76 geöffnet. An dieser Schaltstelle schreibt sich die Philosophie des Essays (und darüber hinaus auch der übrigen Gattungen) auf je spezifische Weise in die allgemeine Charakteristik der Aufklärungsliteratur ein, die darauf beruht, „dass in bis dato unbekannter Weise das Ästhetische zur Funktion im Hinblick auf die Durchsetzung eines neuen Denk- und Wirklichkeitsmodell wird". 77 Die neue Weise, Wirklichkeit zu „konzipieren", entspricht einer neuen Weise zu schreiben, d.h. Wissen und Sprache in ein rationales Verhältnis der Nützlichkeit und der gegenseitigen „Dienstbarkeit" zu setzen. „La literatura sirve para la difusión del nuevo ideario", 78 schreibt Manuel Camarero mit Blick auf Feijoo und Jovellanos. Doch die Literatur dient der Philosophie (und den übrigen Wissenschaften) nicht nur als Medium der Verbreitung, sondern auch als Technik

74 Zur Entwicklung des Begriffs ,kostumbristisch' als terminus technicus der literarischen Darstellung kultureller (Alltags-)Phänomene in der Tradition des Siglo de Oro vgl. Evaristo Correa Calderón: „Iniciación y desarrollo del costumbrismo en los siglos XVII y XVIII", in: Boletín de la Real Academia Española 29, Nr. 127 (1949), S. 307-324. Dieser im Deutschen wenig geläufige (und mit »Darstellung von Sitten und Gebräuchen' mehr schlecht als recht übersetzte) Begriff beschränkt sich keineswegs auf die romantische, durch Fernán Caballero, Ramón de Mesonero und Mariano José de Larra vertretene Tradition der spanischen Prosa.

Vgl. Hans Vaihinger (1911): Philosophie des Als Ob, Leipzig 1922, S. 18ff. Roland Galle und Helmut Pfeiffer: „Vorwort", in: Dies. (Hg.): Aufklärung, München 1996, S. 7-11, hier: S. 9. 75 76

77 Klaus W. Hempfer: „Zum Verhältnis von,Literatur' und,Aufklärung'", in: Galle/ Pfeiffer: Aufklärung, a.a.O., S. 15-54, hier: S. 20. „Literatur im Zeitalter der Aufklärung wird dadurch zur Aufklärungsliteratur, dass sie den Denkstil der Aufklärung in literarische Inszenierungen transformiert und hierdurch zugleich propagiert." Ebd., S. 53. 78

Manuel Camarero: La prosa de la Ilustración. Feijoo y Jovellanos, Madrid 1996, S. 37.

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des Ausdrucks, während umgekehrt die Philosophie der Literatur ein Reservoir der Ideen u n d der (historischen) Anlässe für die Selbstreflexion zur Verfügung stellt. Bevor der technische und konzeptuelle Möglichkeitsraum der Gattung des ensayo im Einzelnen dargelegt wird, sind zum Abschluss dieser kleinen Vuelta durch die Kontexte der spanischen Aufklärungsliteratur noch einige allgemeine Anmerkungen zur sozialen und politischen Funktion des (sich instituierenden) Schriftstellerberufs und des damit zusammenhängenden Konzepts von Autorschaft vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Gesellschaftsstruktur anzufügen. Wer sind die Autoren, die sich in den turbulenten Zeiten dem Wagnis literarischer Experimente aussetzen, welche sie in solcher Weise von den Traditionen des „goldenen Jahrhunderts" abkehren lassen, dass sie von ihren Gegnern und Nachfolgern der Heterodoxie bezichtigt oder gar in ihrer Existenz negiert werden? Historisch gesehen, stellen die Schriftsteller der Ilustración als soziale Gruppe eine Neuheit dar, die mit den klassischen Funktionen der „Schriftsteller", die ein Jahrhundert zuvor als „Berufsgruppe" entstanden waren,79 nur noch wenig gemein hat. Die zeitgenössische Gruppe der hombres de letras bildet einen Querschnitt durch die bestehenden Gesellschaftsschichten des Antiguo Régimen. Sowohl der Adel als auch der Klerus und das Bürgertum bringen Individuen hervor, die an der Bewegung partizipieren: „Clérigos, aristócratas, pequeños hidalgos y romereantes o técnicos sin otros títulos que sus conocimientos difundieron al unísono las Luces."80 Es handelt sich u m eine neuartige, aber minoritäre soziale Konstellation, eine Minderheit weltoffener europäisierter Intellektueller, die ein scharfes Bewusstsein von der Notwendigkeit der Erneuerung ihres Väterlandes besitzen und zu deren Realisierung wissenschaftliche „Programme" aufstellen bzw. philosophische oder literarische „Versuche" unternehmen. Damit reflektiert diese Gruppe zugleich die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten einer Grenzüberschreitung zwischen den drei großen Ständen, die sich im spanischen 18. Jahrhundert verstetigt haben, obgleich durch materiellen Besitztum „habituelle" Gemeinsamkeiten zwischen ihnen entstanden sind.81 Insofern kann man die

79

A l a i n Viala: Naissance

de l'écrivain.

Sociologie de la littérature

à l'âge classique,

Paris

1985, S. 7-11. 80 Francisco Sánchez Blanco: La Ilustración en España, Madrid 1997, S. 13. 81 „La sociedad española del setecientos encontraba su definición a caballo entre viejas pervivencias estamentales y una cada vez más clara y pujante estructura clasista".

Einleitung: Ilustración

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Herausbildung eines funktional spezifischen „Sozialsystems Literatur"82 im Kontext dieser Gesellschaft festmachen, auch wenn die „soziale Tätigkeit" literarischer Textproduktion - mit Ausnahme von Unternehmern' wie Torres Villarroel oder Nipho - eine „ökonomische Nebentätigkeit" bleibt.83 Die wenigsten Autoren leisten sich den Luxus, ihre literarische Tätigkeit zu einem Beruf zu machen. Statistisch gesehen, finden sich die Schriftsteller (hombres de letras) gleich mehrfach an der Peripherie der Gesellschaft wieder. Zwar kann man davon ausgehen, dass in der Geschichte Spaniens nie zuvor so viel geschrieben bzw. so viele Texte produziert worden sind wie im 18. Jahrhundert.84 Zugleich ist aber damit zu rechnen, dass maximal fünf Prozent der Bevölkerung, die zudem beinahe ausnahmslos in den Städten wohnt, in der Lage ist, kompliziertere Texte zu rezipieren geschweige zu produzieren (was eine weit höhere Kompetenz einfordert, als die üblicherweise für die Scheidung von Literalität von Illiteralität verwendete Definition, seinen Namen schreiben zu können): „Cuantos lean [en Asturias], no son á la verdad muchos". 85 Die aktiven Teilnehmer am „Sozialsystem Literatur" der Ilustración beschränken sich somit faktisch auf die elitäre Gruppe von einigen tausend gut ausgebildeten, mehrsprachigen, zumeist männlichen Städtebewohnern. „Para el campo, las provincias y localidades aisladas del tráfico comercial, y el sexo feminino en general, no existieron ni Ilustración ni Luces." 86 Dieses Verhältnis legt die unilaterale Orientierung Fernández Díaz: „Introducción", a.a.O., S. 46. Es bildet sich jedoch eine „nobleza del intelecto" heraus, die - „valiéndose del mecenazgo del Estado" - gegenüber der „nobleza de sangre" in Erscheinung tritt. Vgl. Joaquín Alvarez Barrientos: „La profesión del escritor ante el Reformismo Borbónico", in: Agustín Guimerá (Hg.): El reformismo borbónico. Una visión interdisciplinar, Madrid 1996, S. 227-246, hier: S. 243. 82

Siegfried J. Schmidt: Die Selbstorganisation

des Sozialsystems

Literatur

im

18.

Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1989, S. 280-285. 83 „De hecho, la literatura seguía siendo una profesión secundaria, no académica, a la que entregaban, por intereses diversos, quienes ejercían otra profesión remunerada, fuese privada o pública." Alvarez Barrientos: „La profesión del escritor ", a.a.O., S. 245. 84 „Nunca hasta el siglo XVIII se había escrito tanto en España." Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S 214. 85

Jovellanos: Correspondencia familiar con Don Carlos González de Posada (September

1793), in: BAE 50, Madrid 1859, S. 166-261, hier: S. 184. 86 Viñao Frago: „Alfabetización e Ilustración", a.a.O., S. 275-298, hier: S. 285. Die Rate der Illiteraten (Personen, die ihren Namen nicht schreiben können) schwankt zwischen 50% in Madrid und 90% in den ländlichen Gegenden. Zum Problem des

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der Kommunikationsweise insbesondere der sozialen, politischen oder ökonomischen Reformprojekte offen, in der Neuerungen für bestimmte Personen konzipiert und per „Versuchsanordnung" ausprobiert werden, ohne die Betroffenen in den Diskurs einzubeziehen. 87 Dabei nimmt es nicht wunder, dass sich die Stimmen des Volkes, welches sich als Objekt von teilweise sehr drastischen Versuchsanordnungen wiederfindet - wie etwa die Besiedlung der Sierra Nevada durch Pablo de Olavide in den 1770er Jahren - mit sprichwörtlichen Beschreibungen der inkohärenten Klasse revanchieren, die wiederum in die Karikatur oder die Persiflage volkstümlicher Autoren (wie etwa Torres Villarroel) eingehen. An der Peripherie befindet sich die Gruppe der Schriftsteller auch als handelnder gesellschaftlicher Akteur, und zwar in einem ,marginalisierten' und einem privilegierten' Sinne. Marginalisiert (und durchaus auch als Minderheit verfolgt) ist die Gruppe in dem Maße, dass sie als einzige gesellschaftliche Kraft - in Abhängigkeit von oder in Kooperation mit den politischen Kräften - gemäß ihrem Selbstverständnis auf die Aufweichung und teilweise Abschaffung der ständischen Privilegien und Klassengrenzen hinwirkt. Daher wird sie zur Zielscheibe derjenigen Stände, die ihren Status durch das neue Denken angegriffen sehen. Heftigen Widerstand erfahren die sozial engagierten Aufklärer von Seiten des (alten) privilegierten Adels und der Großgrundbesitzer, sowie von Seiten des Klerus und der Institutionen, den Gremios und Gilden wie dem Viehzüchterverband La Mesta, die von der Beibehaltung der traditionellen Wirtschaft und insbesondere des Steuern- und Abgabesystems profitieren.88 Nicht minder Begriffs „Illiteralität" vgl. Jacques Soubeyroux: „L'alphabétisation à Madrid aux XVIIIe et XIXe siècles", in: Bulletin Hispanique 89 (1987), S. 227-265. 87 „El hecho a constatar es el casi nulo protagonismo de los campesinos en las transformaciones de las estructuras agrarias." Salas-Auséns: „Los grupos sociales", a.a.O., S. 440. 88 Die Historiker haben herausgearbeitet, dass die ökonomischen, juridischen und militärischen Privilegien des alten Adels und des hohen Klerus, die dem Derecho común nicht unterstehen und den Großteil der (agrar-)wirtschaftlichen Unternehmungen des Landes kontrollieren, auch am Ende des 18. Jahrhunderts noch auf einer Art Feudalrecht beruhen, das dem früherer Jahrhunderte sehr ähnlich ist. In der Praxis muss die Reform somit als gescheitert angesehen werden. Die erdrückende Liste der Derechos y fuentes de ingresos der Landbesitzer etwa bleibt bis ins 19. Jahrhundert hinein von den abhängigen Landarbeitern (90-95% der Bevölkerung) aufzubringen. In Konkurrenz zu dieser feudalen Situation entwickeln sich in Spanien auf nennenswerte Weise allein der von den Bourbonen unterstützte „Amtsadel" (aus der Gruppe der hidalgos) sowie

Einleitung: Ilustración

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groß ist der Widerstand von Seiten der Bauern und Arbeiter, deren Traditionsbewusstsein und Argwohn gegenüber allem Neuen (zum Leidwesen der Reformer) den Ideen, die zumindest theoretisch auf die Verbesserung ihrer Lage abzielen, stärker entgegenstehen als es dem Konzept der Aufklärung entsprochen hätte. Dies ist ein hauptsächlicher Grund für die besondere Betonung des Bildungsproblems und des Desiderats der Massenerziehung, die auch bei den Satirikern und den Meistern der Ironie wie Torres Villarroel, Isla und Cadalso gegenwärtig ist. Wenn man die Gruppe der Schriftsteller also im Milieu einer Großstadt wie Madrid, einem Schmelztiegel im Fahrwasser großer Armut und Repression einerseits und kultureller Einflüsse aus aller Welt andererseits, als neuen und zugleich zu bekämpfenden Akteur wahrgenommen hat, so erweist sie sich aber auch - zumindest vorübergehend - als ein politisch privilegierter Akteur. Privilegiert sind die Autoren der Aufklärung nicht nur insofern, als viele von ihnen als Offiziere, Professoren, Anwälte oder Regierungsbeamte tätig sind (oder einem religiösen Orden angehören), sondern auch in dem Maße, dass ihre Tätigkeit im Fokus der absolutistischen Machtpolitik steht. Die diskursive Verquickung zwischen politischer Praxis und literarischer bzw. philosophischer Theorie hat im spanischen 18. Jahrhundert eine Tradition, die über die Regierungszeit des aufgeklärten Despoten' Karl III. hinausgeht. Man kann sie vom Dekret Ferdinands VI., der im Jahr 1750 polemische Entgegnungen auf die Schriften des Frühaufklärers Feijoo gesetzlich verbietet, bis zu den Werken der Spätaufklärung verfolgen, wie zum Beispiel dem Informe sobre la Ley Agraria von Jovellanos oder den Satiren Forners, die im (kulturpolitischen) Auftrag der Regierung entstanden sind. Die Beschreibung der ,Schriftsteller' als einer sich herausbildenden Gruppe ist zudem durch die Darstellung der sozialen und politischen Funktionen zu ergänzen, die der Tätigkeit des Schreibens selbst zukommen. Die literarische Prosa, die aus unserer Perspektive auf das spanische 18. Jahrhundert als eine bestimmte Form des philoso-

das bürgerliche „Funktionärswesen" (aus der Gruppe der ciudadanos honrados), das allmählich die Vormachtstellung in den Bereichen der Jurisdiktion übernimmt und (mit Ausnahme entlegener Orte) die Willkür lokaler Herrschaftsrechtsprechung etwas eindämmt. Vgl. Domínguez Ortiz: La sociedad española, a.a.O., S. 299-338. Vgl. a. SalasAuséns: „Los grupos sociales", a.a.O., S. 401ff.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

phischen Schreibens - aus dem Geiste des ensayo - begreifbar wird, ist in Abgrenzung zu den übrigen Schreibpraktiken innerhalb der zeitgenössischen Gesellschaft zu betrachten.89 Drei größere Blöcke dieser konkurrierenden Praktiken sind das „amtliche Schreiben", die religiöse Erbauungsliteratur sowie der Journalismus. Das Pressewesen, das im Spanien des 18. Jahrhunderts seine erste Blütezeit erlebt und sich (deutlicher als in Frankreich) durch eine hohe Zahl an „individuell gesteuerten Periodika" 90 auszeichnet, stellt eine Schreibpraxis dar, die sich insofern am stärksten mit der Praxis des literarischen Schreibens überschneidet, als Printmedien wie der Diario de los Literatos de España, El Pensador, El Censor, El Observador oder der Semanario erudito hauptsächlich literarisch-philosophische Zeitschriften sind und sich der Publikation oder Rezension entsprechender Texte widmen. Die Ausdifferenzierung und Spezialisierung der verschiedenen Funktionen des Journalismus läuft parallel zu den Laufbahnen bestimmter Autoren (wie z.B. Clavijo y Fajardo und Sempere y Guarinos), die sich zunächst als periodistas oder jornalistas verstehen und später verschiedene Formen der Veröffentlichung ihrer Texte verfolgen. Für fast alle literarischen Autoren ist zudem die „opinión pública", 91 die von den Printmedien aufgrund ihrer Verbreitung in „Cafés" und öffentlichen Plätzen sowie ihrer Rezeption in den Tertulias abhängig ist (bzw. sich durch diese steuern lässt), von großer Wichtigkeit. Andersherum erreichen bestimmte Autoren wie Francisco Mariano Nipho trotz der ausschließlichen Bedienung des Printmediums hinsichtlich der Ausprägung eines bestimmten literarischen Stils unter den Zeitgenossen einen Bekanntheitsgrad, der mit dem der berühmtesten literarischen Autoren vergleichbar ist.92

89 Zur Herausbildung des „literarischen Feldes" im Spanien der Ilustración als Abgrenzungsprozess im Gefüge politischer, kultureller und gesellschaftlicher Diskurse sowie der damit einhergehenden „Professionalisierung" literarischer Praxis vgl. Gunia: De la poesía a la literatura, a.a.O., S. 123-134. 90 Krauss: Die Aufklärung in Spanien, a.a.O., S. 163. Vgl. a. Juan Eugenio Hartzenbusch (1894): Apuntes para un catálogo de periódicos madrileños desde el año 1661 al 1870, Madrid 1993. Zu Besitzverhältnissen und Auflagen der wichtigsten Zeitschriften des spanischen Pressewesens vgl. Guinard: La presse espagnole de 1737 ä 1791, a.a.O., S. 54ff., S. 59-68. 91 Vgl. Nigel Glendinning: „Cambios en el concepto de opinión pública a fines del siglo XVIII", in: NRFH 33 (1984), S. 157-164.

Vgl. Luis Miguel Enciso Recio: Nipho y el periodismo español del siglo XVIII, Valladolid 1956, S. 31ff. Vgl. Kap. 4.2.1. 92

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Im Gegensatz zum Journalismus steht die religiöse Erbauungsliteratur sowohl in stilistischer als auch ideologischer Hinsicht in einem stärkeren Gegensatz zur Schreibpraxis der von uns in den Blick genommenen hombres de letras. Sie tritt lediglich im Hinblick auf die (wachsende) ökonomische Bedeutung der schriftstellerischen Tätigkeit in eine gewisse „Konkurrenz" um die Köpfe und Herzen der Leserschaft, insofern Heiligenviten, Katechismen und Moralfibeln - neben exotischen Reiseberichten sowie der für Spanien und Portugal typischen literatura de cordel (volkstümlichen Büchlein „am Bindfaden") - zu den bestverkauften Druckwerken der Zeit gehören und in kleinen Formaten verbreitet werden. Verlage wie die Real Compañía de Impresores y Libreros schreiben Bestsellerzahlen mit Autoren wie Jerónimo de Ripalda (1536-1618) oder Pedro de Calatayud (1689-1773).93 Schließlich steht die bloße Tätigkeit der Textanfertigung, sowohl technisch als auch sozialgeschichtlich gesehen, im Kontext zu den Praktiken der „amtlichen Schreiber", die in den covachuelas des 18. Jahrhunderts eine zentrale Aufgabe der Kommunikation für die des Schreibens nicht mächtige Bevölkerung übernehmen und spezifische Funktionen und Berufe wie „escribanos", „relatores", „receptores" oder „escribientes"94 ausbilden. Die Tätigkeit eines hombre de letras steht somit im Konzert einer ganzen Reihe von neuen Tätigkeitsbezeichnungen - „papelista, jornalista, novelista, novelero, escritor público"95 - , deren soziale und gattungsspezifische Bedeutung sich im Laufe des 18. Jahrhunderts herausbilden. Wie jüngst J. Alvarez Barrientos gezeigt hat, entsteht im Zusammenhang dieser kommunikativen Konkurrenzsituation, in der die literarischen Autoren ihre Technik entwickeln und ihre Aussageposition erstreiten, auch die Frage nach dem philosophischen Konzept einer (politischen) Funktion des Schriftstellertums: „La cantidad de nombres, y su varie-

93 Für das mit über 20 Neuausgaben auflagenstärkste Erbauungsbuch des 18. Jahrhunderts - Maria de Jesús de Ágreda (1670): Mystica Ciudad de Dios, Milagro de su Omnipotencia, y Abismo de la Gracia..., 3. Bde., Madrid 1701, Antwerpen 1703, Madrid 1720 etc. - ist eigens ein Verlag gegründet worden: Imprenta de la Causa de la Venerable Madre Sor María de Jesús de Ágreda. Vgl. Antonio Juárez Medina: Las reediciones de obras de erudición de los siglos XVI y XVII durante el siglo XVIII español, Frankfurt a. M. 1988, S. 70ff.

Aguilar Piñal: La España, a.a.O., S. 58. Alvarez Barrientos: „Los hombres de letras", in: Ders., François Lopez und Inmaculada Urzainqui (Hg.): La Républica de las Letras en la España del siglo XVIII, Madrid 1995, S. 19-61, hier: S. 27. 94 95

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dad, para referirse a la actividad del escritor, más allá de mostrar los cambios que se daban en dicha actividad, pone de manifiesto una alteración en el concepto mismo de autor y explicita la posición ideológica de quien,nombra'". 96 Die „Identität" dieser Gruppe der Autoren der Ilustración lässt sich - bei aller Vorsicht, die bei solchen sozial- oder kulturgeschichtlichen Zuschreibungen geboten ist - somit auf zwei verschiedenen, aber aufeinander verwiesenen Ebenen beschreiben und analytisch fruchtbar machen. Auf einer konzeptuellen Ebene ergeben sich Kongruenzen der philosophischen Reflexion über die Praxis des literarischen Schreibens, die trotz der Unterschiede der jeweiligen Ansätze alle Autoren dieser Studie in einem gemeinsamen Spektrum fasst. Daraus ergeben sich auch bestimmte „ideologische" Muster der Positionierung, etwa im Verhältnis zwischen der Literatur und den Wissenschaften, in der Abgrenzung gegenüber den institutionellen Formen der wissenschaftlichen Praxis (insbesondere auf Seiten der zu reformierenden Universitäten) oder auch durch die gezielte Verwendung der kastilischen Sprache (in Abgrenzung gegenüber dem Lateinischen oder den ,Französisierungen' des Kastilischen). Auf einer technischen Ebene wiederum - dies ist ein zentrales Element der im Folgenden zu entwickelnden These - ergeben sich vor dem Hintergrund der Gattungsvielfalt aber auch formale Überschneidungen in der Art und Weise des literarischen Schreibens, die auf bestimmte „experimentelle" Eigenschaften des ensayo zurückzuführen sind, die wiederum die konzeptuellen Ausgangspunkte der philosophischen Reflexion bilden. Für das spanische 18. Jahrhundert gilt ebenso wie für die europäischen Bewegungen, dass die Aufklärungsliteratur keine Gattung besonders privilegiert hat und gleichermaßen traditionelle wie progressive Ausdrucksformen bedient. Daher rührt das methodologische Problem, das Zeitalter anhand einer bestimmten Stilformation zu definieren und klare Grenzziehungen zwischen der Aufklärung und dem (Neo-) Klassizismus vorzunehmen. Auch in der spanischen Literatur kann kein exakter formaler Gegensatz zwischen „aufklärerisch" und „klassizistisch" hergestellt werden. Analog zur Situation der französischen Literatur, wo bestimmte Gattungen wie die Verssatire, die Erzählung, der Roman oder das komische Epos in der Zeit per se als „ästhetisch 96

Ders.: Los hombres de letras en la España del siglo XVIII. Apóstolos y arribistas, M a d r i d

2006, S. 43.

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wie moralisch problematische Genera"97 angesehen werden, gelten diese Zuschreibungen auch in Spanien, wenngleich sie - auf Grund der für die kastilische Sprache herausragenden Bedeutung des Romans im Siglo de Oro - anders gelagert sind. Der „Geist" der Ilustración ist vor allem Gegenstand, Antriebskraft und Spielball eines grundsätzlichen Problems des für die Zeit typischen „Verhältnisses von ,Fabel' und ,Philosophie'",98 wie Klaus Hempfer in Bezug auf den französischen Wissenschaftler, Philosophen und Schriftsteller Denis Diderot schreibt. Durch den Experimentcharakter des essayistischen „Fabulierens", welches nicht formal, aber konzeptuell alle übrigen Gattungen vom improvisierten Traktat über die Prosasatire und die (ironisch gebrochene) Ekloge bis zur neobarocken (Tragi-)Komödie prägen kann, hat die Literatur der Ilustración - als historisch gebundene kulturelle Praxis - trotz ihrer „inhaltlichen Abhängigkeit" von Ideen ausländischer Provenienz und Konzepten der Vergangenheit auch „ungeachtet [ihrer] materialen Gebundenheit, eine [...] neue und eigentümliche Form des philosophischen Gedankens ausgebildet."99 Die experimentelle Form des Denkens der Aufklärung findet südlich der Pyrenäen einen gemeinsamen Gegenstand in der oben beschriebenen Frage: „Was ist, woher kommt und wohin geht Spanien?" Sie konturiert auf einer philosophischen Ebene, im Konzept der jeweiligen (Selbst-)Reflexion, die literarische Gemeinsamkeit so unterschiedlicher Autoren wie Feijoo, Torres, Isla oder Caldalso. Die pasión nacional - im Sinne einer Betroffenheit ebenso wie eines Objekts der verschiedenen textuellen Versuchsanordnungen - lässt sich als ein übergreifendes Motiv der Texte festmachen. Dadurch lässt sie sich auch als ein literaturgeschichtlicher Beweggrund für die gattungsprägende Funktion des ensayo beschreiben und zugleich auf die historisch-diskursive Konstellation zurückführen, in der die spanische Frage aufgekommen und als epistemologischer Kreuzungspunkt des neuen Denkens möglich geworden ist. Insofern sind die folgenden Untersuchungen auch als Beiträge im Kontext eines ,Metadiskurses' verortet, der die spanische Literatur insgesamt als ein konzeptueller Leitfaden durchzieht und unter dem Stichwort der „Sorge um Spanien" („la preocupación

97 98 99

Hempfer: „Zum Verhältnis von ,Literatur' und Aufklärung'", a.a.O., S. 53. Ebd., S. 28. Cassirer: Die Philosophie der Aufldärung, a.a.O., S. XI.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

de España")100 gefasst wird. Das Zeitalter der Ilustración erweist sich hier als eine, kritische Epoche' der Institution und der Reflexion eines neuen Diskurses, insofern der Gegensatz zwischen dem „Hochgefühl" eines Jahrhunderts, das enorme Fortschritte der Wissenschaft und des Denkens gekannt hat, und dem tiefen Empfinden einer „Dekadenz", die im vergleichenden und technisch sich optimierenden Blick auf die Vergangenheit die Nostalgie des kulturell und ökonomisch „goldenen Jahrhunderts" wachhält, als ein besonderer Konflikt zutage tritt. Die Methode der, Selbstreflexion' erneuert die Frage des spanischen ,Selbstbewusstseins' in der Form einer kritischen Infragestellung des Eigenen im Vergleich zum Fremden. Das tertium comparationis ist eine Funktion über die Zeit - in Form eines komparatistischen Epochenoder Generationenvergleichs - oder über den Raum: in Form einer Reflexion über das Verhältnis zwischen dem Königreich und dem europäischen Ausland, die ihrerseits über eine interne Perspektivierung (etwa auf die Einflüsse der französischen Philosophie, die Präsenz von Ausländern in der spanischen Regierung etc.) funktioniert, oder aber über eine externe Perspektivierung mit Blick auf die Bilder, die von der spanischen Selbstwahrnehmung im (neu entstehenden) Medium einer „europäischen Öffentlichkeit"101 zirkulieren. In jedem Fall kommt durch den kritischen Blick auf die vermeintlichen Vorzüge oder

100 Julián Marías: La España posible en tiempo de Carlos III, Madrid 1963, S. 21, Herv. i. T. Vgl. a. Dolores Franco: España como preocupación, Madrid I960, S. 19ff.; sowie Pedro Sáinz Rodríguez: La evolución de las ideas sobre la decadencia española y otros estudios de crítica literaria, Madrid 1962, S. 135-140. In deutscher Sprache s. Bernhard Schmidt: Spanien im Urteil spanischer Autoren. Kritische Untersuchungen zum sogenannten Spanienproblem (1609-1936), Berlin 1975; sowie Hans Hinterhäuser (Hg.): Spanien und Europa. Texte zu ihrem Verhältnis von der Aufldärung bis zur Gegenwart, München 1979. „Kein anderes Volk in Europa hat so intensiv und nachhaltig, ja besessen [...] über seine Geschichte meditiert wie die Spanier." Ders.: „Einleitung", in: Ebd., S. 9-26, hier: S. 11.

Die Selbstwahrnehmung ist „im Medium eines Bildes [zu verstehen], das in einer europäischen Öffentlichkeit' zirkuliert". Witthaus: „Zum Typ der Kritik in José Cadalsos Cartas marruecas", in: Galle/Pfeiffer: Aufklärung, a.a.O., S. 83-115, hier: S. 88. Zum Begriff der Öffentlichkeit im spanischen 18. Jahrhundert vgl. Maravall (1976): „El primer siglo XVIII y la obra de Feijoo", in: Ders.: Estudios de la historia del pensamiento español (siglo XVIII), Madrid 1991, S. 315-351, hier: S. 330f. („La formación del público"); sowie Monroe Z. Hafter: „Ambigüedad de la palabra público en el siglo XVIII", in: NRFH 24 (1975), S. 46-63. Zur Entstehung eines „literary public sphere" in der zeitgenössischen europäischen Literatur s. James Van Horn Mei ton: The Rise of the Public in Enlightenment Europe, Cambridge u.a. 2001, S. 81-122. 101

Einleitung:

Ilustración

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Nachteile der eigenen Situation stets auch die Frage nach der Besonderheit' der spanischen Ilustración im Konzert der europäischen Aufklärungsbewegungen zum Ausdruck. Dabei ist es letztlich gar nicht entscheidend, ob es die Vorzüge oder die Nachteile sind, die im Fokus der Texte stehen. Mit Bezug auf die erstgenannten ist die Internationalität - im aufgeklärten Geist der kosmopolitischen Utopie - ein genuines Moment der Beschreibung. Hier geht es um die Errungenschaften der Wissenschaft, die Neuerungen im Begriff der Natur, des Geistes und des Menschen, die Experimente mit und Entwicklungen von Methodologien, die Erfahrung der Nützlichkeit empirischer Betrachtungen (der Historiographie, der Anthropologie, der Ethnographie), die Begründungen und Institutionalisierungen diskursiver Ereignisse (politische Ökonomie, säkulare Moralphilosophie, Rationalismus, Materialismus, Utilitarismus), konkrete Erfolge in den Bereichen der Politik und der Ökonomie (Bevölkerung, Verwaltung, Sozialstrukturen) oder auch allgemeine Fortschritte' des Geistes, die vor dem Hintergrund eines allgemeinen (transnationalen) Fortschrittsglaubens in Konkurrenz zwischen den europäischen Nationen errungen werden: Abschaffung der Folter und der Sklaverei, Kampf für die Gleichheit vor dem Gesetz und die Freiheit der individuellen Rede, Einsatz für die religiöse Toleranz und kulturelle Rechte etc. Die gegenteilige Positionierung im Sinne der „Dekadenz" und der „Verspätung", die den Metadiskurs der Sorge um Spanien fortschreibt, funktioniert ebenfalls auf explizite oder implizite Weise im Modus des räumlichen (internationalen) Vergleichs, wenngleich die zeitliche Komponente vor dem Hintergrund der ortstypischen Glorifizierung des „Zeitalters der katholischen Könige" häufiger und deutlicher zutage tritt. Zu den hervorstechenden Typen der Rede über die Dekadenz gehört ein Kanon ökonomischer und politischer „Gründe für den Niedergang Spaniens" seit dem Siglo de Oro: die Kriege mit Portugal und England, die Austreibung der Juden und Mauren, die Emigration der Unternehmer nach Amerika, der Kauf von Industrieprodukten aus dem Ausland, die Verwandlung von Kornland in Viehweiden, die soziale Geringschätzung der Bauern, die geringe Bildung des Klerus, zu hohe Steuern, Haftstrafen und Prozesskosten etc.102 Neben der Beschreibung der ökonomischen Situation (mit ihrer katastrophischen Vgl. Krauss: Die Aufklärung in Spanien, a.a.O., S. 17. Diese Liste, die im Verlauf des Jahrhunderts zum Kanon des reformistischen Dekadenzdiskurses wird, beruht auf 102

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Bewertung), die im Zuge der physiokratischen Nuancierung der Ökonomie, der zunehmenden Betonung des Binnenmarktes und der Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion die (als statistische Größe erzeugte) Zahl der „Bevölkerung" thematisiert - über deren Niedergang trotz der faktisch recht stabilen demographischen Lage viel geschrieben worden ist - , gehört in das Motiv- und Themenspektrum der Dekadenz vor allem die Klage über die kulturelle Lage des spanischen Volks: mangelnde Bildung, fehlende Erziehung, schwankende moralische Festigkeit, schlechte Beherrschung der Sprache(n), schmähliche Leistungen in Musik, Theater, Architektur etc. In diesem Negatiwergleich zu den von Ferne,leuchtenden' Spiegeln des 16. und 17. Jahrhunderts - dem Zeitalter von Garcilaso, Cervantes, Góngora, Lope, Quevedo, Tirso und Calderón - spielt die Literatur eine herausgehobene Rolle. Im Verlauf der Ilustración schält sich ein (trotz aller ideologischen Interpretationskämpfe) bis heute unbezweifeltes Urteil heraus, dass die literarischen Werke, die in der Zeitspanne von ca. 1675-1725 entstanden sind, sich durch einen gewissen „Mangel an Genialität" auszeichnen. Die qualitative Verbesserung der literarischen Produktion und die Schaffung der dafür notwendigen kulturellen Voraussetzungen ist ein genuines Reformprojekt der Zeit.103 Die kontextuellen Bestimmungen des Untersuchungsgegenstands, die in diesem Kapitel überblicksartig - als Reservoir motivischer Verknüpfungen für die folgenden Einzelanalysen - zusammengeführt sind, zeigen, dass die literarischen Texte dieser besonderen Epoche der spanischen Literatur schon im Hinblick auf die diskursiven, epistemologischen und (medien-)technischen Bedingungen ihrer Produktion unmittelbar in die zeittypischen allgemeinen Fragen der Politik und der Gesellschaft hineinführen. Allerdings wird es im Folgenden weder darum gehen können, eine (weitere) exhaustive Literaturgeschichte des spanischen Zeitalters der Aufklärung zu schreiben, noch die bestehenden historischen, politischen, soziologischen Gesamtinterpretationen des 20. Jahrhunderts durch eine (weitere) Richtigstellung oder Facette dessen, was Ilustración genannt werden soll, zu

Niphos Correo general de Europa (Nr. 1, Madrid 1763). Vgl. Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 77ff. io3 Vgl. José Checa Beltrán: „La reforma literaria", in: Guimerá (Hg.): El reformismo borbónico, a.a.O., S. 203-226, hier: S. 214ff.

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ergänzen.104 Der Schwerpunkt der Betrachtung beruht vielmehr auf der technischen Ebene einer Textanalyse unter dem Leitbegriff der literarischen Prosa (von gewisser Extension), wobei die Berücksichtigung kontextueller Zusammenhänge durch den Einzelfall vorgegeben wird. Auf diese Weise werden allgemeingültige Aussagen über den Charakter des Jahrhunderts zwangsläufig ausbleiben. Vor dem Hintergrund der bis heute vorherrschenden „kulturgeschichtlichen" Orientierung in der Betrachtung der spanischen Aufklärung sucht der philologische (gattungs- und stiltheoretische) Ansatz jedoch insofern eine Forschungslücke zu füllen, als er die in dieser Epoche neukonstituierte philosophische Disziplin der Literatur aus einer literarischen Perspektive reflektieren möchte. Wollte man die konzeptuelle Ordnung begrifflich auf einen Punkt bringen, ließe sich - im Zusammenhang der im Folgenden zu betrachtenden Gattung des Essays - der Leitbegriff der Kritik anführen. Dieser Begriff erweist sich zur Kennzeichnung der literarischen Praxis als ebenso dienlich wie zur Herstellung einer Verknüpfung zwischen den verschiedenen Kontexten.105 Der „crítico" ist Teil eines „Berufsstandes" (profesión), der zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch unbekannt war.106 Die „crítica" ist zugleich ein typischer Modus des Ausdrucks und ein Konzept der Praxis im Feld der Preocupación de España jener Zeit.107 Die Handlung des Kritikers bedeutet in der Epoche, wie Tomás de Iriarte schreibt, eine grundlegende Scheidung des Nützlichen in Errungenes und Erstrebenswertes: „alabar lo bueno que ha habido o que se establece en la nación y predicar sobre lo que nos falta".108 Diese 104 Die enzyklopädischen' Versuche, allgemeine Historiographien der Literatur des 18. Jahrhunderts zu verfassen - so bei Sarrailh (L'Espagne éclairée, a.a.O.), Herr (The Eighteenth-Century Revolution, a.a.O.) oder auch Antonio Elorza (La ideología liberal en la Ilustración española, Madrid 1970) - sind methodologisch insofern begrenzt, als sie weder Vollständigkeit beanspruchen noch im genuinen Feld der Literatur verbleiben können. Zu dieser Kritik vgl. a. Sánchez Blanco: La Ilustración en España, a.a.O., S. lOff. 105 „La crítica es [...] una forma libre del compromiso". Octavio Paz: „Vuelta a El laberinto de la soledad", a.a.O., S. 258, Herv. i. T. 106 Krauss: Die Aufklärung in Spanien, a.a.O., S. 110. 107 Für eine grundlegende Beschreibung der zeitgenössischen „Sozialisation" der Kritik im Sinne eines (die alte Gelehrtenrepublik verlassenden) Modernisierungsprozesses des „literarischen Betriebs" und seines „Reflexionssystems" vgl. Witthaus: Sozialisation der Kritik, a.a.O., S. 53-61. 108 Tomás de Iriarte: Colección de varios papeles sueltos (Biblioteca Nacional, o.D.), zit. in: Emilio Cotarelo y Mori: Iriarte y su época, Madrid 1897, S. 323. Zur

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Die P r o s a der spanischen Aufklärung

Handlung entspricht der Motivation des „gewissenhaften Patrioten" (patriota celoso). Die Kritik ist in philosophischer Hinsicht aber auch der am Ende des Jahrhunderts bei Kant vollendete Inbegriff einer reflexiven Technik, auf der das (essayistische) Projekt der Aufklärung insgesamt beruht: die Reform des Denkens selbst. 1 . 5 . Z U R DISKURSFORMATION DER SPANISCHEN PROSALITERATUR IM 1 8 . JAHRHUNDERT. D E R ENSAYO ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND POETOLOGIE

Der Essay stellt die Grundform der literarischen Orientierung des Denkens innerhalb der spanischen Aufklärung dar. Der spanische Begriff ensayo trägt wie der französische essai und der italienische saggio in der Folge der romanischen Etymologie - des aus dem Griechischen in das späte Latein übergegangenen Begriffs exagium109 - seine ursprüngliche Bedeutung in der Verbform noch mit. Was die deutsche Sprache nicht und die englische nicht mehr kennt, ist die Tätigkeit des ensayar als das Hervorbringen eines ensayo. Ensayar, der Herstellungsprozess des Essays, bedeutet zuerst, was der Bedingung dieser Herstellung zugrunde liegt: etwas versuchen, (aus-)probieren, (über-)prüfen. Der Versuch, in der Literatur etwas Neues zu probieren und schrittweise gemäß einer neuen Methodologie zu prüfen, kann als Kennzeichen und Charaktereigenschaft für die Epoche insgesamt angesehen werden. Dabei geht es weniger um die Errungenschaft eines neuen Kanons oder Regelwerks, aus dem sich ein spezifischer Stil der Ilustración historisch herauskristallisieren würde. Vielmehr geht es um eine prinzipielle Offenheit der zeitgenössischen Versuchs-,Anordnungen', um das literarische ,Abenteuer7 des Auslotens nicht abschließbarer Wege des Denkens, die diesseits ihrer materialen Gebundenheit den kritischen Geist der Zeit zum Ausdruck bringen. Zwar gehören die Versuche, kanonische Regelwerke des „angemessenen" literarischen Schreibens zu verfassen - etwa bei Luzán, Mayans oder Jovellanos

Entwicklungsgeschichte der Verwendung des Begriffs crítica in der Frühaufklärung vgl. Alvarez de Miranda: Palabras e ideas, a.a.O., S. 515-527. 109 Hermán Grimm (1890): „Zur Geschichte des Begriffs Essay", in: Ludwig Rohner (Hg.): Essays avant la lettre (Deutsche Essays. Prosa aus zwei Jahrhunderten, Bd. 1), München 1972, S. 25f.

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- ebenfalls zu den bedeutenden Texten der spanischen Aufklärung. Grundlegender jedoch - und für die philosophische Perspektive einleuchtender7 - sind die Momente der Gegenbewegung, der Öffnung strenger Gattungsgesetze sowie der Dekonstruktion von moralischen und politischen Implikationen gattungstheoretischer Dogmatiken, die den Essay als „praktizierte" Gattungstheorie zu denken geben und mit dem neuen Begriff ein eigenes Existenzrecht des Essays „als Gattung" nicht nur einfordern (wie in den Jahrhunderten zuvor), sondern auch verstetigen. Die problematische Phänomenologie - die Typologie und die Geschichte - des Essays als der offensten Form aller literarischen Gattungen entspricht der prekären interdisziplinären Verfasstheit ihrer theoretischen Konzeption. Das theoretische Problem, den Essay (ensayo) als Form einer literarischen Gattung zu bestimmen, hängt unmittelbar mit dem Geist jener Epoche zusammen, in der er erfunden wurde. Auf der Naturphilosophie der Frühen Neuzeit beruhend, ist der Essay - in Spanien insbesondere - ein Produkt der sich aus dem Rationalismus und dem Empirismus speisenden literarischen Philosophie des 18. Jahrhunderts. Während der Begriff selbst erst im 19. Jahrhundert ausgeprägt und im 20. Jahrhundert als eine zugleich philosophische und literaturwissenschaftliche Frage'problematisiert wird, entspricht der durch ihn bezeichnete Gegenstand einer historischen Konstellation aus literarischen Produktionsbedingungen, epistemologischen Voraussetzungen und aufkommenden Techniken der philosophisch-kritischen Reflexion, die auch in Spanien nicht ausschließlich, aber zuvorderst das Zeitalter der Aufklärung charakterisieren. Die Konzeption der „Art und Weise" des literarischen Schreibens, die auf den „Versuchsaufbau" der ensayos zurückzuführen ist, lässt sich durch den offenen Gattungsbegriff insofern zum Ausdruck bringen, als damit der besondere Wandel, die revolutionäre Neuerung des Denkens in dieser Zeit bezeichnet wird: „En el siglo XVIII cambia totalmente la manera de pensar". 110 Die neue Art zu denken und zu schreiben bricht mit den klassischen Regelvorgaben der Systematik und Autoritätshörigkeit durch ein spezifisches „Unternehmertum",111 wobei die neue „Haltung" der literarischen Sáinz Rodríguez: La evolución de las ideas, a.a.O., S. 99. „El siglo XVIII fue un siglo emprendedor." Vicente Palacio Atard: „Hombres y actitudes en la Ilustración española", Vorwort zu: Enciso Recio: Nipho y el periodismo español, a.a.O., S. VII-XVII, hier: S. VII. 110 111

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Praxis (empirisch gesehen) zu keinem neuen System der Ideen führt: „Lo esencial en el estudio [...] de la Ilustración española [...] es ver en ella una actitud y no un sistema de ideas".112 In Anbetracht der Bedeutung des ensayo für die Konstitutionsbedingungen gerade der spanischen Literatur des 18. Jahrhunderts ist es nur im Zusammenhang der allgemeinen Geringschätzung des Siglo de las Luces verständlich, dass die Frage des „Essays als Form", die an einem genuinen Verknüpfungspunkt von Philosophie und Literaturwissenschaft angesiedelt ist, mit wenigen Ausnahmen - und trotz der konzeptuellen Ansatzpunkte bei Ortega y Gasset (Meditaciones del Quijote) - noch kaum als (literatur-)philosophische Fragestellung behandelt worden ist.113 Zwar ist gerade Feijoo in der Literaturgeschichte immer wieder als ,Essayist' oder gar als ,Erfinder des Essayismus' in Spanien bezeichnet worden, jedoch ist es stets unterblieben, die Bedeutung des Begriffs jenseits der bloßen Gattungszuschreibung für die Philosophie seiner Literatur zu explizieren. So kann die (gegenüber der englischen und französischen Literatur) zwar ebenfalls verspätete, aber mit philosophischen Fragen von jeher verknüpfte Theorie deutscher Sprache vielleicht als ein Instrument zur Reduktion dieser Forschungslücke dienen. Der Essay ist ein theoretisches Problem, das den Betrachter dazu zwingt, das, was den Essay auszeichnet, zuerst als Praxis zu begreifen. Der Grund dafür liegt in der Schwierigkeit, die Eigenschaften des Essays im Sinne einer literarischen „Gattung" zu spezifizieren. Das Konzept der Gattung selbst, welches der metatheoretische Allgemeinbegriff zur Klassifikation von Formen und Typen literarischer Praxis ist, kommt im Fall des Essays kaum zum Tragen, weil hier der

Enciso Recio: Nipho y el periodismo español, a.a.O., S. 333. Zu den wenigen Abhandlungen, die den Essay als eine philosophische Frage an die Literatur des 18. Jahrhunderts stellen, gehören jene von Gustavo Bueno: „Sobre el concepto de,ensayo'", in: Universidad de Oviedo (Hg.): El padre Feijoo y su siglo, a.a.O., Bd. 1, S. 89-112; sowie von José Luis Varela: „El ensayo de Feijoo y la ciencia", in: Ders.: La transfiguración literaria, Madrid 1970, S. 91-146. Zu den Grundlagen des Essays im Kontext der literarischen Gattungen in Spanien vgl. u.a. Alfredo Carballo Picazo: „El ensayo como género literario. Notas para su estudio en España", in: Revista de Literatura 5, 9-10 (1954), S. 93-156; sowie Juan Marichal: La voluntad de estilo. Teoría e historia del ensayismo hispánico, Barcelona 1957. Eine Rezeption der philosophischen Theorie des Essays deutscher Sprache findet sich bei José Luis Gómez Martínez (1981): Teoría del ensayo, México 1992. 112

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„Klassencharakter eines Allgemeinbegriffs"114 nicht erkennbar ist. Statt eines Allgemeinbegriffs stellt der Essay eher einen „Sammelbegriff" für unspezifische, d.h. willkürlich auszudeutende Praktiken dar. Die formalen Kriterien der Klassifikation nach Umfang, Gegenstand und Stil - hier etwa die ,Prosakomposition', ein beliebiges Thema' und ein beliebiger Umfang bei relativer Größe' - sind keine „wesensmäßigen" Kategorien. Es fehlen die „normierten Prädikatoren".115 Zwar ist auch der Begriff der literarischen Gattung insgesamt aus „fundamentalpoetischer" Sicht für inkonsistent erklärt und durch den Begriff des Stils als einer „ontologischen Haltung" ersetzt worden, die eine „Frage nach dem Wesen des Menschen" stellt und somit alle Formfragen der Literatur in eine „innere Gestaltgesetzlichkeit grundlegender Möglichkeiten menschlichen Daseins und weltanschaulicher Vorstellungen"116 überführt. Unter der Konsistenzvoraussetzung des Grundkonzepts literarischer Gattungstypologie jedoch - auf die man in der Literaturwissenschaft nicht verzichten sollte - erweist sich der Essay als derjenige Typ, dessen Form sich in Bezug auf die traditionellen Klassifikatoren wie ,Gehalt',,Mittel',,Gegenstand', ,Art', Wirkung' oder auch ,Sprechsituation', ,Zeit und Ort', ,Aussagestruktur', ,Fiktionalitätsanzeige' etc.117 nur negativ bzw. als ein variabler Querschnitt durch willkürlich gewählte Teilmengen aus allen diesen Elementen auszeichnet. Über den Sinn der Gattungsbezeichnung lässt sich offenbar keine Übereinstimmung herstellen. Dennoch existiert der Essay als literarischer Gegenstand ebenso, wie er innerhalb der im 18. Jahrhundert entwickelten Formen der Konzeptualisierung literarischer Praxis identifiziert werden kann. Es bedarf, wie Bruno Berger 1964 formuliert hat, keiner Empfehlung für die „reichfarbige, geistgesättigte und ästhetisch beglückende Kunstform des Essays". 118

Hempfer: Gattungstheorie, München 1973, S. 16f., S. 26ff. Ebd., S. 26. 116 Emil Staiger (1946): Grundbegriffe der Poetik, Zürich 1968, S. 10, S. 148. Vgl. a. Benedetto Croce (1910): Problemi di estetica e contributi alla storia dell'estetica italiana, Bari 1940, S. 103-111, S. 165-172. Zu den Grundlagen für die philosophische Interpretation des Stils als einer ontologischen „Haltung" s. Wolfgang V. Ruttkowski: Die literarischen Gattungen. Reflexionen über eine modifizierte Fundamentalpoetik, Bern/ München 1968, S. 16-25, S. 86-102. 114

115

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Vgl. Hempfer: Gattungstheorie, a.a.O., S. 153-180. Bruno Berger: Der Essay. Form und Geschichte, Bern 1964, S. 6.

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Die im Folgenden zu entwickelnde Reflexion der spanischen Aufklärungsprosa stützt sich auf den prekären Begriff des Essays, weil durch ihn, ganz unabhängig davon, welchem Gattungsnamen ein bestimmter Prosatext faktisch zugeordnet wird - ensayo, tratato, discurso, informe, memoria, oración, carta (erudita) o.a. - , eine bestimmte „Verfahrensweise des Denkens" 119 verstanden werden kann. Die charakteristischen Grundeigenschaften dieser Verfahrensweise lassen sich, trotz oder gerade aufgrund der „Offenheit" des ensayo, auf drei in der Philosophie des 20. Jahrhunderts entfalteten Ebenen beschreiben. 1) Der Essay als Form ist Ausdruck eines „individuellen" Stils des Denkens, der aktiv und gezielt auf die Überschreitung von Gattungsgrenzen und systematisierenden Denkvorgaben ,aus der Tradition' oder ,von den Autoritären' hinwirkt. Er steht im historischen Zusammenhang mit den sich im 18. Jahrhundert (neu-)konstituierenden Begriffen des Individuums, der Persönlichkeit und des Subjekts als Formen des „lebendigen", d.h. offenen, experimentellen und reflexiven Geistes.120 Der individuelle Stil erhält seine Form dabei durch die „ordnende" Eingrenzung der Perspektive, die aus einem größeren Zusammenhang, in dem per Assoziation auf große Fragen der Zeit angespielt wird, bestimmte „wesentliche" Momente herausschneidet. Der Essay ist „Teil einer größeren Menge, aus dem man auf die Beschaffenheit des Ganzen schließt".121 Insofern kann der Essay nicht „methodisch begründend" verfahren, sondern muss „assoziativ und anschauungsbildend" 122 vorgehen. Die genuine Undefinierbarkeit eines solchen Vorgehens ist Ausdruck der (bestmöglichen),Definition' von Ortega y Gasset: „El ensayo es la ciencia [filosófica], menos la prueba explícita". 123 Daraus ergibt sich, dass die Frage der „Originalität" der in einem Essay - im Gegensatz etwa zur „wissenschaftlichen Abhandlung" - vermeintlich nur unzureichend dargelegten Sachverhalte irrelevant ist. Es gehört zum 1,9 Theodor W. Adorno: „Der Essay als Form", in: Ders.: Noten zur Literatur, Frankfurt a. M. 1981, S. 9-33, hier: S. 17. 120 „Im Essay vollzieht sich die Verteidigung des erlebten und lebendigen Geistes mit dem Anspruch, einen Kosmos des Geistes in nuce zu repräsentieren." Hans Wolffheim: „Der Essay als Kunstform. Thesen zu einer neuen Forschungsaufgabe", in: Euphorion, Sonderheft „Festgruß für Hans Pyritz" (1955), S. 27-31, hier: S. 30. 121

Berger: Der Essay, a.a.O., S. 15.

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Wolffheim: „Der Essay als Kunstform", a.a.O., S. 30. José Ortega y Gasset (1914): Meditaciones del Quijote, Madrid 1966, S. 45.

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„Wesen des Essays", wie Lukâcs schreibt, dass „er nicht neue Dinge aus dem leeren Nichts herausholt, sondern bloß solche, die schon irgendwo lebendig waren, aufs neue ordnet".124 Das eigentliche, „schicksalhafte" Problem des Essays ist die experimentelle, ausschnitthafte Form und die Weise seiner (individuellen) kritischen und zugleich experimentellen Formgewinnung: „Das Problem des Schicksals bestimmt überall das Problem der Form", denn „die Form ist die Wirklichkeit in den Schriften des Kritikers, sie ist die Stimme, mit der er seine Fragen an das Leben richtet".125 Insofern ist der Essay „eine Kunstart, eine eigene restlose Gestaltung eines eigenen vollständigen Lebens",126 woraus der folgende,formale' Definitionszusatz resultiert: Der Essay ist eine „nicht allzu umfangreiche Prosa, die stilistisch in vollendeter, dem Künstlerischen naher Ausdrucksformung reale, geistige, seelische Fakten in anscheinend subjektiver Weise darstellt und in große Bezüge oder Zusammenhänge stellt".127 Zum anderen ist es für die Frage nach der Form des Essays absolut unbedeutend, dass er zwangsläufig „dem Irrtum exponiert bleibt".128 Die Reflexion der Vorgehensweise beruht auf der Überprüfung der Irrtümer, welche von der grundlegenden konzeptuellen Eigenschaft des Essays, die Sache selbst schon „mit dem ersten Schritt so vielschichtig zu denken, wie sie ist",129 formal unabhängig ist. „Essayistisch schreibt, wer experimentierend verfasst", doch der echte (historisch repräsentative) Essay als geformter Gegenstand ist „die Form der kritischen Kategorie unseres Geistes"130 selbst. 2) Der Essay als Form ist Ausdruck von Eigenschaften bestimmter historischer Konstellationen, die den,essayistischen Stil' des Denkens möglich machen bzw. durch diesen geprägt werden. Von der Simulta124 Georg Lukâcs (1910): „Über Wesen und Form des Essays. Ein Brief an Leo Popper", in: Akzente 12 (1965), S. 322-342, zit. in: Ders.: Die Seele und die Formen. Essays, Berlin 1911, S. 23. Zur Wendung des „leeren Nichts" als Quelle des Ereignisses literarischer Kreation (ex nihilo), vgl. die Ausführungen zur Inästhetik bei Badiou: Petit manuel d'inesthétique, a.a.O., S. 42f.

Lukâcs: „Uber Wesen und Form", a.a.O., S. 35f. An dieser Stelle verknüpft Lukâcs i.U. den Begriff der Kritik mit dem des ihr Ausdruck verleihenden Essays. Für Lukâcs sind der Essayist und der Kritiker, der Essay und die Kritik, überhaupt gleichbedeutend. 125

Ebd., S. 47. Berger: Der Essay, a.a.O., S. 29. 128 Adorno: „Der Essay als Form", a.a.O., S. 21. 129 Ebd., S. 23. 130 Max Bense: „Über den Essay und seine Prosa", in: Merkur 1 (1947), S. 414-424, hier: S. 418, S. 420. 126 127

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nität aller Gattungen in der Postmoderne einmal abgesehen, zeichnen sich die meisten historischen Epochen auf mehr oder weniger exakte Weise durch beschreibbare Funktionen der Äquivalenz zwischen dem Denkstil einer Zeit und der von ihr bevorzugten literarischen Gattung aus. Literarische Gattungen sind insgesamt „funciones poéticas, direcciones en que gravita la generación estética".131 Die Art und Weise des literarischen Ausdrucks, die ich hier durch den „Geist" des ensayo zu beschreiben versuche, ist neben dem Zeitalter der Ilustración auch für andere,, ähnlich' gelagerte Epochen typisch, wie etwa die Zeit der Entdeckungen in der Frühen Moderne oder das frühe 20. Jahrhundert (jeweils in Deutschland, England, Frankreich und Spanien). Die essayistische Form des Denkens und Schreibens ist in einer „Zeitsituation des Suchens und des Fragens" 132 virulent. Oder andersherum: dort, wo „Leben und Literatur [...] sich gegenseitig erregen und bewegen, blüht [...] der Essay."133 Diese Zeitsituation des Suchens ist im Fall des Zeitalters der Aufklärung v.a. auch ein Versuch der kritischen Reflexion über die Zeit, wodurch sich zum einen die „Aktualität des Essays" - im beschriebenen Sinne der besonderen Vorgehensweise des Denkens als „die des Anachronistischen"134 erweist und zum anderen die „Geringschätzung des geschichtlich Produzierten als eines Gegenstandes der Theorie"135 durch den Essay revidiert werden kann. Typisch für die Epoche der Ilustración ist der ensayo insofern, als er einerseits einen spezifischen Modus des Zeitgenössischen (in der Sprache, im reflexiven Denken, im experimentellen Versuchsaufbau) formal zum Ausdruck bringt, funktional reflektiert und strukturell repräsentiert, andererseits zugleich aber wesentlich auf einem ,Anachronismus' als Exploration der Möglichkeiten beruht, versuchsweise gegen die Hauptströmungen der Zeit anzugehen.

Ortega y Gasset: Meditaciones del Quijote, a.a.O., S. 124. Berger: Der Essay, a.a.O., S. 14. 133 Ebd., S. 20. Also hat „der echte Essay [...] die unausgesprochene Aufgabe, sei es in Teilstücken, implizit oder in überschauender Synthese, das Menschenbild der Epoche auszudrücken". Ebd., S. 67. 134 Adorno: „Der Essay als Form", a.a.O., S. 32. 135 Ebd., S. 18. 131

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Der Padre Feijoo, der zurecht als einer der ersten Schriftsteller Spaniens bezeichnet wurde, die auf die „Zeit des Umbruchs aufmerksam machten", 136 ist exakt an der - den zeitlichen Beginn dieser Studie markierenden - historischen Schwelle des Aufbruchs in einen neuen (literarischen und philosophischen) Zeitgeist zu situieren, weil seine Vorgehensweise sowohl zeitgenössisch als auch anachronistisch ist. Zeitgenössisch und für die Zeit innovativ und diskursbegründend ist Feijoo zuvorderst durch die kritische Begleitung des aufkommenden Reflexionsprozesses selbst, die in der sprachanalytischen Betrachtung der Genese und Verwendung neuer, für die neue Verfahrensweise notwendiger Begriffe - wie des Dreigespanns „crítica, sistema y fenómeno" 137 - zum Ausdruck kommt, wobei die Individualität des Stils, an die Tradition der kanonischen Autoren der spanischen Literatur anknüpfend, auf der,Haltung' einer subtilen ironischen Distanz beruht.138 Anachronistisch und auf eine analytische Weise zeitkritisch ist Feijoo hingegen dahingehend, dass sein individueller Stil gerade im Rückgriff auf die „Versuchsanordnungen" der großen Essayisten der Frühen Neuzeit - des „ingenioso Francés Miguel de Montaña" 139 und des „gran Canciller Bacon" 140 - die Regelvorgaben des zeitgenössischen literarischen Diskurses durchbricht und erneuert. Jenseits von Montaigne und Francis Bacon, zu denen der omnipräsente, wenngleich zumeist implizit zitierte Erasmus von Rotterdam hinzutritt, ist der anachronistische Stil Feijoos dem Geiste einer besonderen Auswahl antiker Autoren verpflichtet, so v.a. Seneca (Briefe) und Plutarch (Moralin), ohne dahinter den Philosophen Piaton zu unterschlagen, „den größten Essayisten, der jemals gelebt und geschrieben hat". 141 Ertler: Kleine Geschichte der spanischen Aufklärungsliteratur, a.a.O., S. 50. Feijoo (1745): „De la Crítica", in: Cartas eruditas, y curiosas..., Madrid 1773-1777, Bd. 2 (Brief 18), S. 239-256, hier: S. 240. 138 Das Dreigespann der genannten Begriffe führt Feijoo in einem Erfahrungsbericht über einen „Acto de Filosofía" in Oviedo ein, dessen Teilnehmer selbst den ältesten dieser Begriffe noch nie zuvor gehört hatten: „¿Qué llama Si-es-te-mal No-es-te-ma, Padre mío: aquí no disputamos por tema, sino por razón." Ebd. (Variante nach BAE 56, Madrid 1863, S. 598: „Qué llama? ¿Si-es-te-mal No-es-te-ma, padre mío; que aquí no disputamos por tema, sino por razón.") 136 137

Ders. (1728): „Sabiduría aparente", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 2 (Abhandlung 8), S. 210-223, hier: S. 214. 140 Ders. (1726): „Humilde, y Alta Fortuna", in: Ebd., Bd. 1 (Abhandlung 3), S. 50-75, hier: S. 71. 141 Lukács: „Über Wesen und Form", a.a.O., S. 42. 139

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Das zeitkritische Moment im Ausdruck der essayistischen Geisteshaltung weist zugleich darauf hin, dass der analytische Versuch, die Prosaliteratur der Ilustración von dem im 19. Jahrhundert entstandenen Begriff des ensayo im Sinne eines formalen género literario abzugrenzen, in die Irre führt. In den Beiträgen der Hispanistik, die Überlegungen zum Begriff des Essays präsentieren, wird auf das Datum 1804 verwiesen, in dem ein aus dem Englischen übersetzter Artikel in der Zeitschrift Variedades de Ciencias, Literatura y Arte zum ersten Mal das Wort „ensayo" in der Gattungsbedeutung - mit den Eigenschaften der ,Kürze', der thematischen Offenheit' und der künstlerischen Intention' - dem spanischen Lesepublikum präsentiert habe.142 Das Argument beruht auf der etymologischen Grundlegung der spanischen Sprache durch den Diccionario de Autoridades, der für das Jahr 1732 die vermeintlich erst in späterer Zeit zutreffenden Eigenschaften des ensayo nicht diesem, sondern dem Begriff des discurso zuschreibt: „Tratado o escrito que contiene varios pensamientos sobre alguna materia, para persuadir o ponderar algún intento".143 Erst 1869 sei der ensayo in dieser Bedeutung als ein (technisch reduziertes) „escrito, generalmente breve, sin el aparato ni la extensión que requiere un tratado completo sobre la misma materia" im Diccionario castellano con las voces de ciencias y artes verzeichnet worden.144 Dementsprechend seien auch Montaignes Essais in der spanischen Übersetzung zwischen 1634 und 1636 von Diego de Cisneros mit Experiencias y varios discursos de Miguel, señor de Montaña wiedergegeben worden.145 Gegen dieses Argument spricht 142 Es handelt sich um Auszüge von Joseph Addison: Pleasures of the Imagination. Papersfrom the Spectator (1712), in der Übersetzung von José Luis Munárriz. Vgl. Alvarez Barrientos: „El ensayo del siglo XVIII, en Europa y en España", in: Víctor García de la Concha und Guillermo Carnero (Hg.): Historia de la literatura española, Bd. 6, Madrid 1995, S. 61-68, hier: S. 68. Vgl. a. Alberto Medina Domínguez: „Torres vs. Feijoo. ,Ensayos' y usos del escepticismo en el XVIII español", in: Hispania 83 (2000), S. 745-756, hier: S. 745.

Real Academia Española: Diccionario de autoridades III (1732), a.a.O., S. 300. Álvarez de Miranda: „Ensayo", in: Aguilar Piñal (Hg.): Historia literaria de España en el siglo XVIII, Madrid 1996, S. 285-325, hier: S. 286. Dies entspräche in etwa der Zeit, in der die Formalisten mit Karl Hillebrands „Essay"-Sammlung Zeiten, Völker und Menschen (Berlin 1873) auch im deutschen Sprachraum die Geburtsstunde des Essays (hier aus dem Geist der Kunstgeschichte) ansiedeln. 145 Zur lange Zeit bestehenden „inexistencia de una buena traducción de los Ensayos" vgl. Otilia López Fanego: „Actualidad de Montaigne. Los Essais, una traduc143 144

ción por h a c e r " , in: Anuario de la Sociedad Española de Literatura General y Comparada IV

(1981), S. 25-34, hier: S. 32.

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jedoch die Bedeutungsfülle der wissenschaftlichen, philosophischen und literaturtheoretischen „Versuche", die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erschienen sind, wie etwa der mehrbändige, aus dem Italienischen zurückübersetzte' Ensayo histórico-apologético de la literatura española von Franciso Javier Lampillas.146 Zwar treten die Titel dieser Zeit stets mit einem spezifizierenden Komplement wie „ensayo de" oder „ensayo sobre" auf, woraus Alvarez de Miranda ebenso kategorisch wie irrtümlich schließt: „No hay ensayos secas, ensayos puros [...] hasta 1892".147 Doch das reflexive und zeitkritische Moment des ,Anachronistischen' durchkreuzt diese irreführende Konfrontation zwischen dem zeitgenössischen Geist des ensayismo und dem a posteriori an ihn herangetragenen Formalbegriff, der sich auf der Suche nach einer inexistenten Form des ensayo verfängt. „El ensayo es [...] de imprecisa delimitación como consequencia de su básica disposición ideológica".148 Insofern ist der Geist des Essays, den ich aus der philosophischen Perspektive des literarischen Stils beschreiben möchte, durchaus mit den Begriffen zu fassen, welche die Definition des vermeintlich noch nicht literarischen, sondern rein wissenschaftlichexperimentellen „ensayo" im Diccionario de autoridades zur Verfügung stellt: „Inspección, reconocimiento y examen del estado de las cosas, y lo mismo que ensaye y prueba..."149

Francisco Javier Lampillas: Ensayo histórico-apologético de la literatura española, contra las opiniones preocupadas de algunos escritores modernos italianos (traducido del Italiano por Josefa Amar y Borbón), 7 Bde., Zaragoza 1782-1786. Auch die schon 1739 erfolgte Zusammenstellung der frühen sprachtheoretischen Arbeiten von Gregorio Mayans unter dem Titel Ensayos oratorios (Madrid, Juan de Zúñiga, 1739) sind ein schlagendes Gegenbeispiel. 146

147 Alvarez de Miranda: „Ensayo", a.a.O., S. 289. Dementsprechend bezweifelt Klaus-Dieter Ertler (Kleine Geschichte, a.a.O., S. 48), „ob man diese ensayos sobre... aber schon als Essays im eigentlichen Sinne bezeichnen kann", ohne allerdings auf das Problem einzugehen, dass es einen Essay im eigentlichen Sinne gar nicht geben kann. Im Folgenden führt Ertler hingegen zwei Begriffe an, die durchaus für das stehen können, was ich unter dem Konzept des ensayo verstehe. Die Essays der Aufklärung lassen sich als bestimmte Formen von „Gedankenprosa" bzw. „Ideenprosa" (ebd., S. 49) beschreiben. 148 Pedro Aullón de Haro: Los géneros didácticos y ensayisticos en el siglo XVIII, Madrid 1987, S. 12f. „Estamos, en realidad más que ante un género, ante una operación literaria". Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 12. 149

Real Academia Española: Diccionario de autoridades III (1732), a.a.O., S. 493.

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Anstelle der bloß formalen Disposition einer kurzen, zwanglos diskurrenten oder beweislosen Abhandlung beruht die Identität des ensayo als textueller Ausdruck einer „Zeitsituation des Suchens und des Fragens" am epistemologischen Kreuzungspunkt zwischen Philosophie und Literatur vielmehr auf einer sowohl kritisch-reflexiven als auch „artistischen", d.h. sprachlich-künstlerischen, poetischen „Grundeinstellung".150 Diese Einstellung oder,Haltung' - actitud literaria151 bzw. actitud critica152 - ist vor allem auch eine „actitud lingüistica", die sich im Kontext des 18. Jahrhunderts zugleich als eine „actitud conceptual [...] de tipo ensayistico"153 ausweist. Konzeptuell lässt sich der Essay somit durch den „antisystematischen Impuls" begreifen, den er ins eigene Verfahren aufnimmt. Vor allem ist er „wesentlich Sprache".154 3) Der Essay als Ausdruck individueller Stilausformungen und zeitkritischer Prägungen in bestimmten historischen und diskursiven Konstellationen basiert auf einer besonderen Form der Kommunikation zwischen Autor und Leser. Die geschilderten Parameter des Versuchsaufbaus, der reflexiven Erneuerung der Sprache, der Konfrontation von zeitgenössischen Denkvorgaben und Glaubensinhalten mit anachronistischen Elementen beruhen insofern auf einer Neuformierung der Begriffe des Individuums, der Persönlichkeit und des Subjekts, als dieselben auf beiden Seiten des literarischen Kommunikationsprozesses zum Tragen kommen. Erweist sich die dem Essay eigene „ästhetische Selbständigkeit"155 auf der produktiven Seite anhand der „Orte des Autors", die durch die Kunstförmigkeit der Sprache den Ausschnitt eines bestimmten „künstlerischen Modells der Welt"156 zum Ausdruck bringt, wird die stilistische Haltung dieses Autors auf der Seite der Rezeption erst durch den kommunikativen Beitrag des von ihm adressierten Lesers ermöglicht. „El ensayista [...] debe sobre todo contar con su püblico, con su auditorio potencial inmediato". 157

150 151 152

Ruttkowski: Die literarischen Gattungen, a.a.O., S. 86. Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 174. Luis Sánchez Agesta: El pensamiento político del despotismo ilustrado, Madrid 1953,

S. 31. 153 154 155 156 157

Aullón de Haro: Los géneros didácticos, a.a.O., S. 13, S. 26. Adorno: „Der Essay als Form", a.a.O., S. 20. Ebd., S. 18. Lotman: Die Struktur literarischer Texte, a.a.O., S. 35. Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 13f.

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Die funktionale Ausdifferenzierung der Leserinstanz wird im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der essayistischen' Philosophie der Literatur, zu einem Reflexionsmoment literarischer Texte und begründet ein wesentliches Element einer diskursiven Konstellation, das für die Literaturwissenschaft ebenso grundlegend wird wie für die (hermeneutisch) benachbarten Kultur- und Geschichtswissenschaften. Das Phänomen, dass der,Leser' gerade in dieser Zeit ein (sozial) beschreibbares Gesicht erhält, ist nicht allein durch das philosophische Ereignis der Selbstfindung eines reflexiven Geistes begründet. Es beruht zugleich auf dem literaturgeschichtlichen Ereignis einer Erschütterung der die literarische Kommunikation tragenden Instanzen. Der Leser - als textuell geschaffene und kommunikativ respondierende Instanz - tritt mit zunehmender Autorität an die Stelle der im klassischen Zeitalter metaphysisch (oder im Herrscherlob per translatio imperii politisch) verankerten Regularien der literarischen Produktion. Die ,Versuche' oder ,Projekte', die darauf abzielen, Normen zu durchbrechen, die über Jahrhunderte die Funktionen der Literatur bestimmt haben, lässt sich nicht mehr allein und im bloßen Einklang mit Gott durchführen. Der Rezipient, d.h. im Zeitalter der Aufklärung vor allem auch eine möglichst große Anzahl von Rezipienten, wird zu einem notwendigen Faktor der ,Kooperation' in der Durchführung von Regelreformen (wodurch die faktische Komplizenschaft eines Lesers bestimmter Werke aus der Sicht der die Normen verteidigenden Institutionen eine durchaus konsequente Schlussfolgerung ist). Im Kontext der spanischen Literatur markiert der Padre Feijoo die Schwelle des Aufbruchs in das neue Zeitalter der literarischen Kommunikation. Denn die Reflexion seines Lesers ist, inklusive der potentiellen Facetten seiner Disposition' und der Entwicklungsmöglichkeiten seines ,Geistes', das gleich zu Beginn exponierte Strukturelement des Teatro crítico universal: „Lector mío, seas quien fueres [...] Aqui [tienes] la ocasión de disponer tu espíritu [...]" 158 Die Bedingungen für das erfolgreiche Funktionieren der Kommunikation zwischen Autor und Leser beruhen im Fall des Essays auf den Eigenschaften der Sprachinnovation, bzw. der Öffnung, Präzisierung oder „Verkleinerung" 159 sprachlicher Räume. In formaler

158 peijoo (1726): „Prólogo al lector", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 1, S. LXXVII-LXXXII, hier: S. LXXVII. Vgl. im Folgenden Kap. 2.2. Gilles Deleuze und Félix Guattari: Kafka. Pour une littérature mineure, Paris 1975, S. 33. Das philosophische Konzept der Verkleinerung von Sprachräumen durch die 159

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Hinsicht sind diese Eigenschaften mit den gattungstechnischen Begriffen der variablen Länge und des beliebigen Themas nicht zu beschreiben. Das Prozesshafte, das Schicksalhafte der experimentellen Formgewinnung des Essays ist erst durch die Inklusion der Rezeptionsinstanz auf den Begriff einer allgemeinen Funktion zu bringen. Die Kommunikation muss funktionieren, d.h. dass in einem Essay „dem Leser in subjektiver, aber doch stilistisch wie sachlich überzeugender Weise ein aus dem Gebiet der Wissenschaft oder aus dem Kreis höherer Lebensschau stammender Stoff [...] dargeboten" 160 werden muss. Zur Erfüllung der Bedingungen, die mit Blick auf die Rezeptionsinstanz an diese Kommunikationsform herangetragen werden, gilt in sprachlicher Hinsicht nicht das Gebot der kanonischen Regelexpertise, sondern das Gesetz der Klarheit und Verständlichkeit, welches im Rückgriff auf Descartes etabliert und sodann am Ende des Jahrhunderts durch die Philosophie im Begriff des „gesunden Menschenverstands" 161 diskursiv verankert wird. Insofern können die Begriffe des Essays weder „von einem Ersten her konstruiert" noch „zu einem Letzten gerundet" 162 sein. Klarheit und Verständlichkeit fußen auf einer Topik der allgemeinen Vermittlung, die der Spezialisierung, d.h. der sprachlichen Prätention ebenso wie der ideellen Exklusion zuwiderläuft: „La temática del ensayo se recorta de los límites de aquellos tópicos no técnicos que ,todo el mundo' entiende." 163 Daraus ergibt sich der auch in Spanien gültige Zwang zu einem formalen Kompromiss mit dem Zeitgeist und dessen übergreifenden Medien der Kommunikation: Die an die Weisheit der Welt angepasste Philosophie muss sich „möglichst populär und praktikabel darstellen". 164 Die Analyse der Praktikabilität dieser besonderen Kommunikationsform der literarischen Prosa, die es aus dem Geist des ensayo heraus zu entwickeln und über die gesamte Epoche der spanischen Literatur ist keinesfalls auf den zeitgenössischen (post-)kolonialen Kontext beschränkt. Vgl. Verf.: „In einer Falte der Frankophonie. Überlegungen zum Konzept der kleinen Literatur", in: Lendemains 107/108 (2002), S. 259-276. 160 Berger: Der Essay, a.a.O., S. 26. 161 Kant (1781): Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur ersten Ausgabe, in: Werkausgabe 3, Frankfurt a. M. 1974, S. 11. 162 163 164

Adorno: „Der Essay als Form", a.a.O., S. 10. Bueno: „Sobre el concepto de ,ensayo'", a.a.O., S. 99. Schneiders: Das Zeitalter der Aufklärung, a.a.O., S. 15.

Einleitung: Ilustración

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Aufklärung zu verfolgen gilt, verlangt neben der stilistischen und narratologischen Betrachtung individueller Stilausprägungen auch nach einer Reflexion der medialen und diskursiven Bedingungen, welche die produktive Teilnahme der an den literarischen,Versuchen' beteiligten Kommunikationspartner ermöglichen. In der historischen Konstellation gehören hierzu die folgenden Elemente: die Verwendung der Vernakularsprachen, die das Lateinische als Sprache der Wissenschaft ablösen; die fortschreitende Institutionalisierung einer nicht mehr zum klassischen Kanon gehörenden Bildung (und die Möglichkeiten der Wahrnehmung derselben von der Elementarerziehung bis hin zu den Universitäten); die Entwicklung, Erprobung und Verbreitung von Konzepten, Versuchsanordnungen und Ergebnissen der neuen Wissenschaften; das Verhältnis von Theorie und Praxis; die Durchsetzung von rationalistischen und empiristischen Philosophien (im Kontext entsprechender Gegenbewegungen von Seiten der diskursmächtigen Autoritäten der Kirche und des Staats) etc. Dabei ist der Blick nicht nur nach innen, in das spanische Mosaik der lokalen Identitäten, zu richten, sondern stets auch nach außen, in das Konzert der die Aufklärungsdiskurse bestimmenden europäischen Nachbarn.165 Mit Bezug auf die literarische Form des essayistischen Geists gehören hierzu auch die zeitgenössischen Modelle und sich etablierenden Kommunikationsmuster von Schreibpraktiken (wie des amtlichen Schreibens, der Briefkorrespondenz oder des Journalismus) sowie deren Verhältnis zu mündlich basierten, kollektiv interagierenden Formen der Wissenserzeugung und Vermittlung im Geist der beschriebenen Academias oder Tertulias. Ein besonderes Augenmerk bei der Analyse der einzelnen Werke im Kontext der geschilderten Konstellation ist stets auf eine besondere, das Zeitalter wie ein roter Faden durchlaufende Formvorgabe der literarischen Texte zu legen, nämlich die janusköpfige Zensur, die in Spanien von 1725 bis 1800 jederzeit zwingend genug bleibt, um über die Existenz eines Werks oder das Leben eines Autors zu entscheiden. Der Geist

Für den im Folgenden zu entwickelnden Geist des ensayo ist es nicht unerheblich festzustellen, dass der im 18. Jahrhundert noch undeutliche Begriff allgemein als ein galicismo wahrgenommen und dementsprechend von den verschiedenen Fraktionen der Castizos und Afrancesados entweder angegriffen oder verteidigt worden ist. Vgl. Gómez Martínez: Teoría del ensayo, a.a.O.; sowie ders.: „El ensayo como género literario. Estudio de sus características", in: Abside 42 (1978), S. 200-223, hier: S. 219f. 165

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

des ensayo spielt hier eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von Techniken und Konzepten der Prosagattungen der Ilustración - und bis zu einem gewissen Grad auch des Theaters und der Poesie - die in Form von Ironisierungen, (erzähl-)perspektivischen Positionierungen und übergreifenden Fiktionalisierungen, insbesondere durch Verschiebungen der Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, einen besonderen, spielerischen Umgang (unter verschärften Bedingungen) mit den Zensurvorgaben pflegen müssen. In diesem Zusammenhang, der sich als Konstitutionsmoment nicht nur für den Inhalt, sondern auch die Form der Texte erweist, ist die Entwicklung des kommunikativen Verhältnisses zur Leserinstanz, die sich im Laufe des betrachteten Zeitrahmens zunehmend vervielfältigt und aus der Figur der , anonymen Masse' herauswächst, von grundlegender analytischer Bedeutung. Der mit den entstehenden Wissenschaften der Soziologie und der Anthropologie korrespondierende Geist des ensayo beschreibt eine besondere Entwicklungsbewegung der Art und Weise, in der die Figur des Lesers in den Text eingeschrieben wird. So wandelt sich die Rolle des ,Publikums' - konzipiert als lernbegieriges Auditorium oder mitdenkende, ggf. aktiv respondierende Leserschaft - von der pädagogisch orientierten Intention der Ausmerzung von Vorurteilen im Volk bei Feijoo bis zur Projektion eines dialektisch geschulten und kosmopolitisch denkenden Ideallesers bei Cadalso. Damit kommt zugleich die praxisbezogene Spezifik des spanischen Aufklärungsdenkens zum Ausdruck, das der am Ende des Jahrhunderts bei Kant beschriebenen idealistischen Bewegung einer ästhetischen „Orientierung des Denkens" 166 eine kommunikative Voraussetzung zuweist. Vor dem „Aufgang" der das Denken durch die Sprache „verbildlichenden"167 Bewegung einer transzendentalen Verknüpfung

166 Unter ,Orientierung' versteht Kant, im Kontext seiner Neubegründung des Verhältnisses von Philosophie, Wissenschaft und Kunst, das grundlegende „SichZurechtfinden" eines Subjekts in der Welt, in dem die aufsteigende Bewegung des Denkens selbst abgebildet wird: „Sich orientieren heißt, in der eigentlichen Bedeutung des Worts: aus einer gegebenen Weltgegend (in deren vier wir den Horizont einteilen) die übrigen, namentlich den Aufgang zu finden". Kant: „Was heißt: sich im Denken orientieren?", in: Ders.: Schriften zur Metaphysik und Logik, Werkausgabe 5, Frankfurt a. M. 1977, S. 267-283, hier: S. 269, Herv. i. T. 167

Ebd., S. 267.

Einleitung:

Ilustración

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zu den großen Ideen des Guten und des Schönen steht die Versuchsanordnung einer das Objekt in die Subjektkonstitution inkludierenden ästhetischen Praxis, deren „Wahrheitsprozedur" - durch das Ausagieren der Teilnehmer am literarischen Diskurs - „in Subjektivität ergriffen"168 ist.

168

Badiou: Abrégé de Métapolitique, Paris 1998, S. 155.

2.

POSITIONEN UND KONTEXTE DER PROSALITERATUR. BENITO JERÓNIMO FEIJOO

2 . 1 . D I E GRÜNDERFIGUR DER SPANISCHEN AUFKLÄRUNG

Von seinen Zeitgenossen ist der Benediktiner Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro - 1676 in Casdemiro (Ourense) geboren und 1764 in Oviedo gestorben - schon zu Lebzeiten wie ein Nationalheiliger verehrt worden. Nicht nur in Galicien, dem Land seiner Herkunft, in Asturien, dem Ort seines langjährigen, stets klösterlich zurückgezogenen Schaffens, und in Madrid, wo sich sein Freund und Ordensbruder Martín Sarmiento um die Veröffentlichung und Verbreitung der Werke kümmerte, wurde der patriotische Charakter der Werke des selbsternannten Desengañador de España bis in die entlegensten Gegenden des Königreichs hinein als ein (museales) „certamen nacional" 1 wahrgenommen. In seiner literarischen Bedeutung treffend als der „spanische Fontenelle" 2 charakterisiert, ist Feijoo der erste gesamtspanische Autor des 18. Jahrhunderts und zugleich, wie durch die große Zahl der bis 1783 erfolgten Auflagen und Neuauflagen der beiden wichtigsten Werke Teatro crítico universal (9 Bände,

1

Martín Sarmiento (1731): „Carta a D. Carlos Montoya, crítico de cortesía", zit. in:

Agustín Millares Carlo: „Prólogo", in: Feijoo: Teatro crítico universal, Madrid 1923, Bd. 1, S. 7-50, hier: S. 28. 2 Gumbrecht: Eine Geschichte, a.a.O., S. 485.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

1726-1740) und Cartas eruditas, y curiosas (5 Bände, 1742-1760)3 bezeugt wird, der erfolgreichste und meistgelesene. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts ist das insgesamt 14 Bände umfassende Hauptwerk in über 200 Einzelausgaben verlegt und in über 400.000 Exemplaren verkauft worden.4 Die weite Verbreitung der Texte und die unstrittige Verknüpfung der zeitgenössischen Rezeption mit einem nationalen, große Teilmengen des heterogenen Mosaiks Spanien einschließenden Konzept des intellektuellen Patriotismus' sind zwei Phänomene, die dazu geführt haben, dass auch die konservativen Gegner und Negationisten der spanischen Aufklärung (im Gefolge von Menéndez y Pelayo) dem Padre Feijoo, als dem ,orthodoxesten' der „heterodoxen Autoren" des 18. Jahrhunderts, eine Ausnahmestellung zubilligen.5 Als ein Schriftsteller, der mit den Massen korrespondiert, steht Feijoo trotz der kontroversen Beurteilung seiner Schriften wie ein Monument der spanischen Geistesgeschichte am historischen Übergang, der üblicherweise zwischen den Novatores (Mayans) und den Ilustrados (Jovellanos) gezeichnet wird. Im Gegensatz zu Jovellanos, der sich beinahe permanent auf Reisen durch ganz Spanien befand (sofern er nicht im Ausland weilte oder im Gefängnis saß), ist Feijoo eine unbewegliche, geradezu statische Figur. Sein Leben verlief in perfekter, durch „Klausur und Studium" geprägter Regelmäßigkeit in den Klöstern San Julián de Samos und San Vicente de Oviedo, aus denen er sich gemäß seinem Ordensgelübde nur selten fortbewegt hat. Biographisch betrachtet, ist Feijoo insofern ein untypischer Repräsentant des schnelllebigen, wechselvolle Biographien erzeugenden 18. Jahrhunderts.6 Nach den „primeras letras" in Allariz Sofern nicht anders angegeben, zitiere ich die beiden Hauptwerke Feijoos gemäß der Ausgabe der Real Compañía de Impresores, y Libreros: Teatro crítico universal, 8 Bde., Madrid 1777-1779; sowie: Cartas eruditas, y curiosas, 5 Bde., Madrid 1773-1777. Diese Ausgaben sind vollständig (wenngleich noch auf perfektible Weise) in der Biblioteca Feijoniana (www.filosofia.org/feijoo) transkribiert. 3

4 Angel Raimundo Fernández González: „Introducción", in: Feijoo: Teatro crítico universal, Madrid 1989, S. 9-50, hier: S. 44f. Vgl. a. die Auswahlbibliographie der wichtigsten - von Menéndez Pelayo (Historia de las ideas estéticas en España, in: Ders.: Edición nacional de la obras completas, a.a.O., Bd. 3, S. 105) pauschal und zu Unrecht als „vulgarísimas" bezeichneten - Ausgaben des 18. Jahrhunderts in: Ebd., S. 51-57. 5 „No exageremos la decadencia de España para realzar el mérito de Feijóo." Menéndez Pelayo: Historia de los heterodoxos españoles, a.a.O., Bd. 5, S. 82.

Zur Kenntnisnahme der wenigen relevanten Informationen über das Leben Feijoos genügt letztlich die Lektüre der kurzen Carta autobiográfica des Autors an Mayans vom 6

Positionen u n d Kontexte der Prosaliteratur

89

studiert Feijoo, der bereits im Alter von 12 Jahren sein klösterliches Noviziat beginnt (als Erstgeborener, mit Einwilligung des Vaters) und seit 1690 die Kukulle des Benediktinermönchs trägt, die „Artes" im Colegio San Salvador de Lérez (Pontevedra) und Theologie im Colegio San Vicente de Salamanca. Dort wird er 1704 Lector de Artes und geht 1709 als Maestro de estudiantes an das Colegio de San Vicente in Oviedo. Als Kandidat der „Cátedras de Teología y Artes" wird er 1710 Professor für „Teología Tomista" an der Universität von Oviedo und übernimmt 1721 den Lehrstuhl für „Sagrada Escritura". Ab 1724 liest er die „Vísperas de Teología" und 1736 die „Prima de Teología",7 bevor er 1739 in den Ruhestand geht, um sich ausschließlich seinen Schriften zu widmen. Mit Ausnahme von zwei vierjährigen Amtszeiten als Abt seines Ordens in San Vicente (1721 und 1729) sowie seiner Aufnahme als Socio der Sociedad Regia Filosófica y Médica de Sevilla (1727) lehnt Feijoo alle Auszeichnungen und ehrenvollen Aufgaben, die ihm von Seiten des spanischen Hofs und der Kirche angeboten werden, konsequent ab - so vor allem ein Bischofsamt in Mexiko (1725) und die Prälatur des Klosters San Martin de Madrid (1728). Im Geist ein „español universal",8 beschränkt sich Feijoos physische Landeskenntnis auf ein sehr kleines Territorium in den Provinzen seiner Geburt und seiner Wahlheimat. Von der Stadt Madrid und dem königlichen Hof, an den er während seines ganzen

3. Januar 1733, die zuerst von Benito Fernández Alonso („Notas biográficas del Padre Feijóo", in: La Región, Ourense, 1 7 . 1 0 . 1 9 2 6 ) abgedruckt wurde. Vgl. Gregorio Marañón (1933): Las ideas biológicas del Padre Feijoo, Madrid 1962, S. 20f., wo der Brief ebenfalls nachzulesen ist. Eine Zusammenstellung der biographischen Elemente findet sich i.Ü. bei Ramón Otero Pedrayo: „Coordenadas históricas de la vida del Padre Feijoo", in: Boletín de la Biblioteca Menéndez Pelayo 40 (1964), S. 183-197; sowie ders.: „Estudios sobre Feijoo", in: Arbor 40, Nr. 229 (1965), S. 5-48. Vgl. a. Narciso Alonso Cortés: „Datos genealógicos del P. Feijoo", in: Boletín de la Comisión Provincial de Monumentos Históricos y Artísticos de Orense 10 (1932), S. 417-424; sowie, zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Miguel Morayta: El padre Feijoo y sus obras. Valencia 1912. Die erste biographische Skizze publiziert Pedro Rodríguez de Campomanes in der Einleitung zum ersten Band der von ihm edierten Ausgabe des Teatro: „Noticia de la vida y obras del M. I. y R. P. D. Fr. Benito Jerónimo Feijoo", in: Feijoo: Teatro crítico universal, Bd. 1, Madrid 1765, S. I-XLV. Die Reibungslosigkeit der Abfolge seiner Berufungen als Hochschullehrer ist auch für die damaligen Verhältnisse bemerkenswert. Feijoo benennt diesen Umstand ironisch im genannten Brief an Mayans: „No hice lección de oposición que no me valiese una cátedra", zit. in: Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 21. 7

José Antonio Pérez Rioja: Proyección y actualidad de Feijoo. Ensayo de interpretación, Madrid 1965, S. 231. 8

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Lebens nur zwei kurze Reisen unternommen hat, wendet er sich „enttäuscht" ab.9 Ein untypischer Aufklärer ist Feijoo auch insofern, als er - ähnlich wie Kant - erst im fortgeschrittenen Alter von 49 Jahren mit der Niederschrift des Werks beginnt, das ihn bis in das hohe Alter von 84 Jahren beschäftigt und für das er berühmt wird. Das Werk selbst - das „Kritische Universaltheater" und die „Gelehrten Briefe über Wissenswertes und Sonderbares" (mein Übersetzungsvorschlag) - ist in gewisser Hinsicht Ausdruck der zurückgezogenen, den distanzierten Blick ermöglichenden Lebensweise des Autors. Während Feijoo, den persönlichen Kontakt mit unbekannten Menschen vermeidend, eine briefliche Korrespondenz mit Intellektuellen aus ganz Europa führt und in der Stadt Oviedo eine der bedeutendsten internationalen Bibliotheken des Landes versammelt, unterscheidet sich seine Literatur, die an den offenen Übergängen zur Wissenschaft und zur Philosophie ein eigenes Gattungsverständnis prägen wird, jedoch auf radikale Weise von den zeitgenössischen Texten der Gelehrtenliteratur. Das ereignishafte Gründungsmoment ist die (mit der mönchischen Reklusion durchaus kompatible) absolute Offenheit und die auf größtmögliche Kommunikabilität ausgerichtete Anlage seines Schreibens. Nun ist in Anbetracht der Fülle der Quellen, die Feijoo von den Alten, aus der Scholastik und im Rückbezug auf zeitgenössische Autoren schöpft, die in den Literaturlexika häufig geäußerte Behauptung, der Padre erscheine wie aus dem Nichts in der spanischen Literaturgeschichte und erleuchte dieselbe plötzlich nach einem halben Jahrhundert der Dunkelheit, kaum haltbar. Dennoch lässt sich die zugleich revolutionäre' und wegweisende Funktion des Autors für die Literatur der Ilustración unter dem Begriff des ,Neuen' fassen. Das Datum der Erstpublikation von Feijoos Werk kann insofern die Zäsur einer Epochenschwelle markieren, an der diese Studie ihren 9 Eine weitere Eigenheit Feijoos ist im Übrigen das (für einen Autor der Zeit sehr untypische) Desinteresse an der genealogischen Provenienz seiner Person, obgleich beide Namen, sowohl Feijoo (in den Varianten Feixoo, Feyxoo, Feyjoo etc., inkl. der verschiedenen Akzentuierungen) als auch Montenegro, auf sehr alte, aus dem portugiesischen Coimbra entstammende Adelsgeschlechter zurückgeführt werden können (vgl. ebd., S. 47ff.). „Soy tan poco aficionado a noticias genealógicas, que no he dedicado ni un cuarto de hora en toda mi vida a inquirir el origen de los Feijoos" Feijoo (1745): „Origen de la costumbre de brindar", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 2 (Brief 14), S. 200-206, hier: S. 200.

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

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Ausgangspunkt wählt, als mit diesem Autor eine neue Art und Weise einsetzt, die Praxis des literarischen Schreibens - als Sequenz einer philosophischen Treueprozedur - zu konzipieren. Aus diesem Grund möchte ich dem Diktum des Philosophiehistorikers José Luis Abellán folgen: „El siglo XVIII empezaba verdaderamente en 1726, con la publicación del primer volumen del Teatro crítico".10 Die Neuheit Feijoos beruht jedoch weniger auf den revolutionären Inhalten genuin unvordenklicher Ideenschöpfungen, sondern vor allem auf der besonderen Ausdrucksform dieser Ideen. Die Besonderheit der Texte Feijoos ist die Beschaffenheit ihres Stils, der von einer,operativen' Grundeinstellung gespeist wird. Diese Ausgangsthese folgt einer Behauptung des Literaturtheoretikers Ángel Raimundo Fernández González: „El estilo y la creación literaria del Padre Feijoo [...] es el proprio de una obra operante".11 Die poetologische und ästhetische Leistung Feijoos, durch welche die Ausdrucksformen und Stilkonzeptionen auch der nachfolgenden Aufklärungsprosa vorgeprägt werden, ist die Entdeckung einer Verfahrensweise, die - auf der Grundlage der (in Kap. 1.5 vorgenommenen) philosophischen Herleitung des Begriffs - „essayistisch" zu nennen ist. Die Art und Weise, in der Feijoo die Regeln der literarischen Produktion im experimentellen Geiste eines synthetischen Rationalismus neu anordnet, ist mit gutem Recht als ein „ensayismo didáctico-enciclopédico"12 bezeichnet worden. Diesen Begriff, der in der Hispanistik eine akzeptierte Charakterisierung der discursos genannten Texte Feijoos darstellt, möchte ich im Folgenden anhand der ihm zugrunde liegenden,operativen Philosophie' analytisch und textimmanent erläutern. Der Platz, der Feijoo in der spanischen Literaturgeschichte gebührt, ist nach einer langen Sequenz der politisch und ideologisch motivierten Negation der gesamten Epoche der spanischen Aufklärung, aber dennoch früher als bei Autoren wie Torres, Isla, Jovellanos oder Cadalso, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts anerkannt worden. Die Essayisten der Generación del 98, insbesondere Azorín, haben Feijoo als einen der wesentlichen Neuschöpfer der modernen Prosa spanischer Sprache

10 José Luis Abellán: „El espíritu del siglo: Feijoo", in: Ders.: Historia crítica del pensamiento español, Barcelona 1993, Bd. 4, S. 53-75, hier: S. 53. 11 Fernández González: Personalidad y estilo en Feijoo, Oviedo 1966, S. 72, Herv. i. T. Vgl. a. ders.: „Introducción", a.a.O., S. 24. 12 Aullón de Haro: Los géneros didácticos, a.a.O., S. 25-31.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

gewürdigt.13 Daher ist der genetische Textbestand des Teatro critico universal und der Cartas eruditas, y curiosas heute ebenso gut erforscht wie deren Leitideen kontrovers diskutiert worden sind (was den für diese Studie nicht unerheblichen Vorteil mit sich bringt, einige unstrittige Interpreteme mit Verweis auf die einschlägige Sekundärliteratur nur anschneiden zu müssen). Die Aspekte der Originalität, die der Prosa Feijoos allgemein zugeschrieben werden, lassen sich im Wesentlichen in drei Ebenen unterteilen: 1) der synthetische und universalistische Anspruch des Teatro und der Cartas, auf keinen Gegenstand menschlichen Wissens prinzipiell zu verzichten (enzyklopädischer Aspekt); 2) die explizite Intention des Autors, dieses Wissen im größtmöglichen Umfang einer größtmöglichen Anzahl von Lesern zum Zweck der Ausmerzung von Unwissenheit und Vorurteilen zu vermitteln (didaktischer Aspekt); 3) die mit dem Anspruch und der Intention korrespondierenden sprachlichen Eigenschaften der stilistischen Klarheit und ,Natürlichkeif, die den Texten, auch aufgrund des Vorzugs des Kastilischen gegenüber dem Lateinischen,14 zu ihrem historischen Erfolg verholfen haben (sprachlich-stilistischer Aspekt). Die Idee der Modernität, die sich sodann an der Berührung mit den zeitgleichen Strömungen der europäischen Philosophie und der Offenheit des Autors gegenüber den englischen, französischen und italienischen Wissenschaften erkennen lässt, beruht sodann auf den Aspekten des Fortschrittsglaubens, der Wahrheitsliebe, der Neugierde, der Experimentierfreude, des analytisch neutralen Umgangs mit philosophischen Standpunkten, des Skeptizismus gegenüber Autoritäten und der vernunftgestützten Moral. Verknüpft man diese Aspekte der Modernität \ind der Originalität mit den konterkarierenden, aber ebenso manifesten

13 „Feijoo es el generador de la prosa moderna". Azorín: „La inteligencia de Feijoo", in: Ders.: Obras completas, Madrid 1975, Bd. 1, S. 1190-1194, hier: S. 1193. Die spanische Aufklärung ist insgesamt erst durch den Beitrag der Generación del 98 wieder in den Blick geraten. Vgl. a. Marañón (1955): „Evolución de la gloria de Feijóo", in: Inmaculada Urzainqui (Hg.): Feijoo, hoy, Oviedo 2003, S. 357-389. Heute, noch einmal hundert Jahre später, zeigen sich die visionären Riickbezüge der Generación del 98 viel weitreichender als die Verschleierungen (im Deckmantel der wissenschaftlichen eruditio) des zeitgenössischen ,poligrafismo' bei und in der Folge von Menéndez Pelayo. 14 „Luis Vives [...] escribió en latín su Obra, y así fue poco leída del común de nuestros Nacionales. Con más provecho de éstos el P. Feijóo puso en lengua vulgar las observaciones acomodadas a nuestro tiempo". Campomanes: Noticia de la vida y obras, a.a.O., S. III.

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Momenten des Traditionalismus von Feijoo - insbesondere dem ordnungspolitischen Paternalismus und der Aussparung grundsätzlicher Kritik an den Dogmen des katholischen Glaubens - , ergibt sich ein für diesen Autor eigentümlicher Antagonismus von Altem und Neuem, großer experimenteller Verwegenheit und äußerster ideologischer Vorsicht, der Feijoos historische Mittlerfunktion an der Schwelle zur Ilustración española in Form einer (Francis Bacon ein Jahrhundert zuvor nicht unähnlichen) „modernidad [...] circunscrito a una cosmovisión de orden clasicista"15 deutlich macht. Der enzyklopädische Aspekt des zugleich „universellen" und „kritischen" Theaters bei Feijoo ist der analytisch am schwierigsten zu fassende. Der erste große Werkzyklus, mit dem Feijoo 1726 an die Öffentlichkeit tritt, zeigt schon im Untertitel ein unendliches ,Projekt' des „Zur-Sprache-Bringens jeglicher Art von Gegenständen" an, das sich am Ende des Zyklus' - neun Bände und 14 Jahre später - als ebenso unabschließbar erweist wie zum Zeitpunkt der Projektion: Discursos varios en todo género de materias, para desengaño de errores comunes. Im Vorwort zum vierten Band des Teatro schreibt Feijoo in herausfordernder Direktheit: „Yo escribo de todo [...] no hay asunto alguno forastero al intento de mi Obra." 16 Das Motiv der Neugierde (curiositas), das im Titel des zweiten Zyklus' sodann mit dem klassischen Begriff der wissenschaftlichen,Gelehrtheit' (eruditio) verknüpft wird,17 ist ein generelles Movens des feijooschen Schreibaktes. Kein einziger Aspekt der „actividad intelectual humana", 18 des allgemeinen menschlichen Strebens nach Wissen, gerät a priori aus dem Visier dieser Neugierde: Künste, Astronomie und Geographie, Ökonomie und politisches Recht, Philosophie und Metaphysik, allgemeine und spanische Philologie, Physik und Mathematik, Naturgeschichte, Literatur und Ästhetik, christliche Moral und Ethik, Medizin, Geschichte und Geschichte Aullón de Haro: Los géneros didácticos, a.a.O., S. 26. Insofern lässt sich Feijoo auch als der „spanische Vermittler" zwischen dem lateinischen' und dem französischen' Europa darstellen. Vgl. Arturo Ardao: La filosofia polémica de Feijoo, Buenos Aires 1962, S. 37f. 16 Feijoo (1730): „Prólogo no al Lector discreto, y pio, sino al Ignorante, y Malicioso", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 4, S. XXXV-XL, hier: S. XXXIX. 17 Im Untertitel wird die Kontinuität zum ersten Teil markiert: Cartas eruditas, y curiosas, en que, por la mayor parte, se continúa el designio del Teatro Crítico Universal, impugnando, ò reduciendo à dudosas, varias opiniones comunes. 18 Millares Cario: „Prólogo", a.a.O., S. 36. 15

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

der Sitten sind gemäß einem Klassifikationsversuch aus dem 19. Jahrhundert19 die Namen allein der wichtigsten und immer wiederkehrenden Gegenstände Feijoos. In konsequenter Fortführung des Transformationsprozesses der „theoretischen Neugierde" - die von der Todsünde der Alten gemäß der augustinisch-patristischen Tradition im späten Mittelalter zur „lässlichen Sünde" herabgeschwächt wird, bis sie sich in der frühen Neuzeit (mit Francis Bacon) in eine „echte Tugend" wandelt20 - ist bei Feijoo der später im Begriff der „rücksichtslosen Neugierde" 21 aufgehende reine Drang einer absoluten und allumfassenden Wissensaneignung das wesentliche Antriebs- und Strukturprinzip der Textproduktion. Der enzyklopädische Aspekt, der uns einen panoramatischen Blick auf das Spektrum der epistemologischen Formation und der Strukturmomente der Wissenschaften in jener ,Zeitsituation des Suchens und des Fragens' (von 1725 bis 1760) bietet, führt jedoch zwangsläufig in die Unmöglichkeit jedes Versuchs, eine analytische Klassifikation der Gesamtheit aller inhaltlichen Gegenstände von Feijoos Werk vorzunehmen. Dieses Problem ist in der Sekundärliteratur schon früh bemerkt worden: „Qualquier intento de clasificación metódica del contenido de su obra habría de resultar forzosamente arbitrario". 22 Allerdings orientiert diese Unmöglichkeit ihrerseits die philosophische Fokussierung des Zugangs auf die operativen Aspekte des Werks. Aus der Unendlichkeit der enzyklopädischen Aufgabe ergibt sich die ,essayistisch' genannte Vorgehensweise. „Feijoo eligió, y casi inventó, el género literario llamado ensayo para molde

19 Virente de la Fuente y Condón: „Preliminares", in: Feijoo: Obras escogidas... con una noticia de su vida y juicio critico de sus escritos, BAE 56, Madrid 1863, S. V-LIV, hier: S. XL. Die detaillierteste thematische Auflistung findet sich bei Gaspard Delpy: Feijoo et l'esprit européen. Essai sur les idées-maîtresses dans le Théâtre critique et les Lettres érudites (1725-1760), Paris 1936, S. 343-371 („Plan analytique"). 20 Lorraine Daston: „Neugierde als Empfindung und Epistemologie in der frühmodernen Wissenschaft", in: Andreas Grote (Hg.): Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammeins 1450-1800, Opladen 1994, S. 35-59, hier: S. 35. Vgl. a. Blumenberg: „Rechtfertigungen der Neugierde als Vorbereitung der Aufklärung", in: Ders.: Die Legitimität der Neuzeit, a.a.O., S. 440-470.

Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse, 5. Hauptstück § 188, in: KSA 5, München u.a. 1993, S. 109. 21

22

Miliares Carlo: „Prologo", a.a.O., S. 36.

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de su obra". 23 Diese Behauptung von Fernández González lässt sich aus meiner Perspektive folgendermaßen stützen: Feijoos Werk beruht auf einer Ästhetik der Auswahl, der experimentellen - d.h. ebenso individuellen wie relativistischen - Ausschnitte, die sowohl anschaulich als auch kommunikativ und , anschauungsbildend' (Wolffheim) darzustellen nach einer kritischen Form des Schreibens verlangt, die sich im Geist des ensayo (als Kunstform) denken lässt. „Feijoo [posséde] un instinct profond et raisonné d'individualisme [...], [c'est] une théorie de la liberté dans l'art oü il y a beaucoup d'anarchie, et du bon sens, et de la finesse". 24 In diesem Sinne ist Feijoo auch weniger ein Wissenschaftler, sondern ein Künstler: „Feijóo's intellectual selfexposure is that of an artist [...], his whole mentality was creative." 25 Feijoos Essayismus ist das Experiment einer enzyklopädischen Formensuche aus dem Geiste eines zeitgenössischen Schriftstellers. Betrachtet man, gemäß den Aspekten der Enzyklopädie und der Didaktik, die Intentionen des Werks, den „propósito apologético" und die „crítica del ambiente ideológico español", 26 im Lichte ihrer Konzeption als eine Operation über das Unendliche, so erweist sich die Originalität Feijoos weniger im Gattungscharakter der kritischen Apologetik selbst, die keine besondere Erfindung darstellt, sondern in dem Wagnis des Autors, als einzelner „Abenteurer" eine solche „Unternehmung" von enzyklopädischem Ausmaß - just im Gegensatz zur Encyclopédie - in Angriff zu nehmen. In der Widmung an die Königin María Bárbara von Portugal, die dem vierten Band der Cartas vorangestellt ist, vergleicht Feijoo sein Vorgehen - ähnlich wie Francis Bacon im Neuen Organon - mit dem Wagemut der großen Konquistadoren, deren „magnanimidad" Voraussetzung für den Aufbruch ins Ungewisse sei: Como nadie es capaz de poner prisiones a la imaginación, no pude atajar el arrojado vuelo, que tomó la mía a buscar otra causa [...]. Acaso (¿qué sé yo?) me ganó el afecto de aquella animosa Nación [Portuguesa] haber 23 Fernández González: Personalidad y estilo, a.a.O., S. 73. „No abordó [sus] estudios como especialista [...] sino como ensayista". Sebastián Martínez Risco: Las ideas jurídicas

del Padre Feijóo, Orense 1973, S. 12. 24

Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. 191.

Ivy Lilian McClelland: Benito Jerónimo Feijóo, New York 1969, S. 42. 26 Ramón Ceñal: „Feijoo y la filosofía de su tiempo", in: Pensamiento 21 (1965), S. 251-272, hier: S. 252. 25

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Die Prosa der spanischen Aufklärung reconocido en mi rumbo literario cierta imitación de su genio: de aquel ge-

nio, digo, cuyo elástico impulso naturalmente rompe hacia empresas altas, y

peligrosas: de aquel orgullo arrogante, que, no cabiendo dentro de todo el mundo conocido, se ensanchó por millares de leguas al Oriente, y al Poniente [...]. Acaso (vuelvo a decir) me captó la benevolencia de los Señores Portugueses contemplar en alguna manera imitada en mi proyecto de impugnar errores comunes [...] la magnanimidad de aquellos ilustres Conquistadores; pues no podían mirar mi empresa sino como extremamente ardua, extraordinaria, peligrosa.27

In dieser herrschaftlichen Geste - noch im Stil der barocken eloquentia - kommen die Eigenschaften des „genio", des „orgullo arrogante" und des „noble aliento", die der Autor hier den portugiesischen (und nicht den spanischen) Seefahrern zuschreibt, für die Beschreibung der grundlegenden Orientierung seines Schreibens zupass: des Kampfes gegen das Unwissen und den Aberglauben. Beschwerlich, außergewöhnlich und gefährlich wie die Ausfahrt in die Gefilde jenseits der (herkuleischen) Grenzen des Wissens ist der Kampf gegen die „raros monstruos" des Unwissens und der Irrtümer insofern, als dem g r öberer' weder ein Plan noch eine bekannte Methode zur Verfügung stehen. Der Plan und die Methode müssen auf jeder Station, bei jedem Gegenstand, in immer wieder neuen Versuchen per Improvisation mit nicht antizipierbaren Konstellationen gefunden werden. Das didaktische Ziel des Projekts, die „Aufklärung des Volks", ist mit dem Aufbruch der Seefahrer zu ihren heroischen Reisen ins Ungewisse nicht unangemessen umschrieben. Das Projekt, das von anderen Voraussetzungen ausgehen muss als die kanonische „Korrektur der Irrlehren" durch die katholische Kirche (etwa in den Dekreten des Trienter Konzils), erweist sich, die böse Vorahnung erfüllend, in der Tat als schier unendlich. Die Folgen sind unabsehbar, die Idee, die sich

27 Feijoo (1753): „Dedicatoria a la Reina nuestra Señora Doña María Bárbara de Portugal", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4, S. III-XVI, hier: S. Vif. Auf die selbstreflexive Bedeutung von Feijoos Widmung an die Königin María Bárbara verweist Marichal (La voluntad de estilo, a.a.O., S. 167ff.). Vgl. a. Juan Carlos Ghiano: „El Padre Feijoo en la realidad española", in: Universidad Nacional de La Plata (Hg.): Fray Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro. Estudios reunidos en conmemoración del II centenario de su muerte (1764-1964), La Plata 1965, S. 39-65, hier: S. 44f. Meine Hervorhebung stellt die im Folgenden zu beleuchtenden Elemente der philosophischen ,Orientierung' des literarischen Schreibens heraus.

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von der ursprünglichen Zielsetzung befreit, wandelt sich zum Tatbestand kontroverser kultureller, sozialer und politischer Interpretation. Somit wählt Feijoo auch in der (wenngleich ethnologisch noch unreflektierten) Metapher der Exploration eines „Urwaldes" - in Analogie zur Ausbeutung eines „Steinbruchs" und einer „Mine" - ein treffendes Bild.28 Der immer neue Aufbruch in immer neue unbekannte, mit der Entdeckung zu explorierende Gefilde ist eine niemals endende Arbeit, die nicht nur den Autor, sondern auch den Leser beansprucht. Die Widmung an María Bárbara hat auch insofern die Funktion einer Selbstanzeige für das Projekt insgesamt, als hier eine strukturelle Analogie der Operationalität von parallelen Vorgehensweisen der Autorund der Leserfunktionen zum Ausdruck kommt, die im Text ausdifferenziert werden. Beide Instanzen, der Autor und der Leser, werden durch die gleiche Bewegung des Aufbruchs und des sich im Licht der Wissenschaft erweiternden Geistes affiziert. Was für den Autor eine Schifffahrt zu unbekannten Inseln ist, ist für den Leser ein Hindernislauf durch den Urwald der Gegenstände, Ideen und Denkaufgaben. Es ist die Orientierung in der „silva de materias tratadas"29 von Feijoos Werk, die mit dem „afán por crearse un estilo propio" 30 des Autors verknüpft ist und, wie im Folgenden zu zeigen ist, durch diesen erst konstituiert wird. Die Funktion des Autors als Vermittler besteht zunächst in einer herausragenden Leistung der Aufnahme und Verbreitung von Ideen: „AI enfrentarse a la personalidad y a la obra del benedictino [...] es menester distinguir [...] la capacidad para asimilar y después difundir planteamentos o reflexiones de otros".31 Die eigentliche Leistung des „hombre prometèico", seine „inteligencia concreto-intuitiva",32 stellt dabei eine sprachschöpferische und stilprägende Kunstfertigkeit dar: eine aus Intuition und gesundem Menschenverstand sich speisende

28 Feijoo (ca. 1764): „Raíces de la incredulidad I: Primer error fundamental de la incredulidad, confundir lo inconceptible con lo imposible", in: Ders.: Adiciones a las Obras (Discurso II), Madrid 1783, S. 18-43, hier: S. 33. Vgl. a. ders. (1729): „Racionalidad de los brutos", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 3 (Abhandlung 9), S. 187-223, hier: S. 189. 29 Martínez Risco: Las ideas jurídicas, a.a.O., S. 14. 30 Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 172. 31 Antonio Mestre Sanchis: „El P. Benito Jerónimo Feijoo", in: García/Carnero (Hg.): Historia de la literatura española, a.a.O., S. 69-80, hier: S. 69. 32 Fernández González: Personalidad y estilo, a.a.O., S. 68, Herv. i. T.

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Die P r o s a d e r spanischen Aufklärung

Treffsicherheit' - „tino mental" 33 - gegenüber den (enzyklopädischen) Beständen des Wissens und die stete Gewissheit, in diesen Beständen durch die Sprache einen Aufgang des Denkens, „[un] rumbo literario [...] hacia empresas altas", zu finden. Feijoo kann nur aus dem Grund ein Schöpfer der Wissenschaftssprache34 genannt werden, dass er ein i n tellektueller'35 im zeitgenössischen Sinne des Wortes ist, ein Künstler der experimentellen Form aus dem Geist des ensayo: „El alma del ensayista se perfilará como la del perpetuo improvisador, aunque disponga de bibliotecas en su memoria [...]".36

2 . 2 . D E R ÖFFENTLICHE AUTOR. Z U R GEBURT DES ESSAYS AUS DEM GEIST DER APOLOGETIK

Historisch betrachtet, beruht der Erfolg der improvisierten ,Reisen' durch die Bestände der (gesamteuropäischen) Wissenschaft, die den dunklen Gefilden der (vermeintlichen) spanischen Kulturrückständigkeit Licht bringen sollen, auf diskursiven und epistemologischen Bedingungen, die im Zusammenhang mit den genannten Aspekten der textuellen Charakterisierung zu sehen sind. Neben der Individualität des Stils, durch die der Autor ,Orte' und ,Wegstrecken' der kastilischen Sprache markiert, ist die kommunikative Situation der Werke von Bedeutung, d.h. die weitreichende Rezeption der Texte im Zusammenhang mit der andauernden Auseinandersetzung in der (entstehenden) spanischen Öffentlichkeit und die Entwicklung der in die Texte eingeschriebenen Leserfigur. Dies sind die sprachlich-stilistischen Aspekte der enzyklopädisch-didaktischen Versuche. Feijoo ist ein öffentlicher' Autor. Über einen langen Zeitraum von 25 Jahren stehen die durchschnittlich im Zweijahresturnus erscheinen-

„El que tiene esta insigne prenda, sin alguna reflexión a las reglas, acierta; y cuanto con mayor perfección la posee, tanto con más seguridad se pone en el punto debido". Feijoo (1745): „La elocuencia es naturaleza, y no Arte", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 2 (Brief 6), S. 44-55, hier: S. 49. 33

„Feijoo es el creador, en castellano, del lenguaje científico". Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 86. 34

35 „Feijoo es un intelectual, no un científico". Varela: La transfiguración a.a.O., S. 94.

literaria,

36 Marcos Victoria: Teoría del ensayo, Buenos Aires 1975, S. 11, Herv. i. T. „El ensayista vive arrojándose al agua para salvarse a sí mismo del tedio y del hábito". Ebd., S. 13.

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den Bände des Teatro und der Cartas in der Aufmerksamkeit der literarischen Öffentlichkeit Spaniens an erster Stelle. Jeder Text, den Feijoo veröffentlicht, wird unmittelbar nach seinem Erscheinen zum Gegenstand einer sehr breiten kritischen Auseinandersetzung, die zunächst in Madrid stattfindet und sich zunehmend im ganzen Land zu einer nationalen „Polémica"37 um die Philosophie Feijoos ausweitet. Der polemische Charakter der Angriffs- und Verteidigungsschriften, die im Zusammenhang mit Feijoos Werk erscheinen (und gleichermaßen für dessen Verbreitung sorgen), ist im spanischen 18. Jahrhundert einzigartig. Sie nehmen ein solches Ausmaß an, dass der Autor zum Objekt einer ordnungspolitischen Entscheidung des Königs wird. Am 23. Juni des Jahres 1750 verfügt Ferdinand VI. per Erlass ein generelles Verbot, die Schriften des Padre Feijoo ,anzufechten', wodurch der Autor zugleich zum „Padre de la nación" gemacht und entsprechend kanonisiert wird: „Quiere Su Majestad que [...] cuando el P. Maestro Feijoo ha merecido de Su Majestad tan noble declaración de lo que le agradan sus escritos, no debe haber quien se atreva a impugnarlos [.,.]".38 Die Auseinandersetzung, die auch in der Zeit danach, wenngleich im Tonfall gedämpfter, fortgeführt wird, bis sie in den 1780er Jahren über ein Jahrhundert lang verstummt, entspricht einem apologetischen Grundprinzip, das dem Werk von Anfang an eingeschrieben ist. Schon der erste Text Feijoos, die 1725 in Oviedo erschienene Apología del escepticismo médico, ist eine Verteidigungsschrift' eines vorausgehenden Textes, nämlich der zweibändigen Schrift Medicina Sceptica, y Cirugía Moderna (1722,1725) des an den königlichen Hospitälern am Madrider Hof arbeitenden Mediziners Martín Martínez. Diese beruht ihrerseits auf der „Feijoo [...] pretende llegar al gran público y escoge el instrumento adecuado, claro, agresivo y personal, provocando la polémica que, en el fondo, ayuda a difundir sus ideas." Mestre Sanchis: Despotismo e Ilustración en España, Barcelona 1976, S. 29. Vgl. a. ders.: „El P. Benito Jerónimo Feijoo", a.a.O., S. 79f. Zum Kontext der allgemeinen ,Polemik' um die (Europa hinterherlaufende) Wissenschaft der Ilustración vgl. die Textsammlung von Ernesto und Enrique García Camarero (Hg.): La polémica de la ciencia española, Madrid 1970. Eine Bibliographie der meisten überlieferten,Entgegnungen' auf Feijoo zwischen 1726 und 1787 findet sich bei Pérez Rioja: Proyección y actualidad de Feijoo, a.a.O., S. 243-268. Eine wertvolle Quelle (für die Zeit von 1726 bis 1760) sind die Angaben von Juan Sempere y Guarinos: Ensayo de una biblioteca española de los mejores escritores del reinado de Carlos III, Madrid 1786, Bd. 3, S. 25-46. 37

38 Real Orden de 23 de junio de 1750, BNM, ms. 10.579, fol. 31v-32r, zit. in: José Miguel Caso González und Silverio Cerra Suárez: Bibliografia, in: Feijoo: Obras completas, Bd. 1, Oviedo 1981, S. 156.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Zurückweisung einer Anfechtung (impugnación), die von Seiten eines klassisch gesinnten Aristotelikers gegen den neuen Skeptizismus in der Medizin vorgebracht worden ist.39 Der Ursprung von Feijoos Werk - und somit der Literatur der Ilustración - ist das Resultat eines Eingriffs in eine bestehende kommunikative Streitkultur. Die Wahl, die Feijoo trifft, und die Partei, die er einnimmt, führen in der Folge nicht nur zur (langsamen) Durchsetzung einer neuen, auf der Beobachtung von Patienten beruhenden Medizin - und zur Kanonisierung des Autors Martín Martínez - , sondern v.a. auch zu einer besonderen Ausprägung des alten Begriffs der philosophischen „Apologetik" im Geiste einer neuen empirisch gestützten Rationalität. Das Projekt der kritischen Auseinandersetzung mit den Autoritäten kommt bereits im Motto der Apología del escepticismo médico, das dem Brief des Paulus an die Kolosser entlehnt ist, zum Ausdruck: „Videte ne quis vos decipiat per Philosophiam, & inanem fallaciam".40 Die Verteidigung des anti-aristotelischen Skeptizismus und der tentativa médica als Ausgangspunkt für die Begründung der Nützlichkeit eines aus der Beobachtung und dem gesunden Menschenverstand sich speisenden Denkens ist zu Beginn der feijooschen Textproduktion deutlich ausgewiesen. Ihr folgt die Methode der Wissensaneignung, deren Strukturprinzip der kommunikativen Vermittlung im Eingangssatz von Feijoos erstem Text auf jenen Topos reduziert wird, der die „Discursos" und „Cartas" (faktisch) strukturieren wird: „Estos días llegó a mis manos un libro [...]".41 Der Auslöser für Feijoos Kampf gegen den Aberglauben - und die Gemeinplätze des (Un-) Wissens - ist ein Streit über die Medizin. Die Medizin ist in Spanien um 1725 diejenige ,Wissenschaft vom Menschen',

39 Es handelt sich um Bernardo López de Araujo y Azcárraga: Centinela MedicoAristotelica contra Scepticos, Madrid 1725. Die ausführlichen Titel der hier zitierten Streitschriften finden sich im Quellenteil der Bibliographie. Zur Vorgeschichte der Auseinandersetzung um den medizinischen Skeptizismus von Martínez vgl. Alvarez de Miranda: „La fecha de publicación del primer escrito de Feijoo. Aclaración de un enredo bibliográfico", in: Dieciocho 9 (1986), S. 24-33, hier: S. 25ff. Zur Vorreiterfunktion von Martínez für die naturwissenschaftlichen Ideen Feijoos vgl. Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 118-124. 40 „Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug" (Kolosser 2, Vers 8, in der Übersetzung Luthers). Feijoo (1725): Apología del escepticismo médico, in: Ders.: Ilustración apologética..., Madrid 1777, S. 203-248, hier: S. 203. 41

Ebd.

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

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anhand derer die Konfrontation zwischen der scholastischen und empiristischen Ausrichtung des Denkens zuerst augenfällig wird. Aus der Perspektive der Praxis ist ihr zentraler Gegenstand die Gesundheit, die auf der ,Natürlichkeit' von ,Phänomenen' beruht, deren Explikation jeden Menschen unmittelbar tangiert und zugleich als ein wissenschaftliches Problem unabhängig von religiösen Dogmen gedacht werden kann.42 Für diese Position steht der philosophische Skeptizismus von Martínez Pate, der in seiner Philosophia Sceptica von 1730 - die in Form von Streitgesprächen' zwischen einem Skeptiker und je einem Anhänger von Aristoteles, Descartes und Gassendi strukturiert ist - einen neuen anti-aristotelischen Naturbegriff im Rückbezug auf die Väter der katholischen Kirche ins Feld führt, wodurch zugleich die dogmatische Aristotelesberufung innerhalb der scholastischen Naturwissenschaft offengelegt (und als Anti-Platonismus kritisiert) wird.43 Feijoo folgt der „revolutionären Lehre"44 der von Martínez in den spanischen Diskurs eingeführten Trennung von Religion und Philosophie, die zur Grundanschauung auch seines Projektes der Beförderung des Wissens und der Ausmerzung des Aberglaubens wird. Doch für Feijoo ist die Frage der ,rechten medizinischen Praxis' zu Beginn nicht als theoretisches Naturbegriffsproblem relevant, sondern als ein (patriotisch gesinntes) politisches Ziel, das dem benediktinischen Geist eines,mitleidenden' Humanismus entspricht. Feijoo geht es um ein „Régimen para conservar la salud"45 mit dem Ziel einer Verbesserung der Bedingungen der individuellen und öffentlichen Gesundheit, die er Zeit seines Lebens in den verschiedensten Kampagnen für die Verbreitung von Impfungen, die Verteidigung von Augenoperationen, den Kampf gegen den Aderlass etc. verfolgt. Der Dies ist ein starker anthropologischer Gegensatz zur Scholastik: „According to Dogmatists the attempt to investígate the body is futile in light of the inferiority of human understanding as decreed by God". Rebecca Haidt: Embodying Enlightenment. Knowing the Body in Eighteenth-Century Spanish Literature and Culture, New York 1998, S. 44. 42

43 „ [...] antes que entrasse Aristoteles en las Escuelas, huvo Insignissimos Theologos, y Santos Padres; y primero, en sus mas felizes siglos, sirvió ä la Iglesia Platón [...]: las sumas verdades de la Religion [no] necessitan los sufragios de ningún profano Philosopho". Martín Martínez (1730): Philosophia Sceptica, extracto de la Physica antigua, y moderna..., Madrid 1750, S. 315. Vgl. María Victoria Cruz del Pozo: Gassendismo y cartesianismo en España. Martín Martínez, médico filósofo del siglo XVIII, Sevilla 1997, S. 123ff.

Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 119. Feijoo (1726): „Régimen para conservar la salud", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 1 (Abhandlung 6), S. 149-178. 44

45

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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unmittelbare Erfolg und die Popularität dieses ethischen und zugleich katholisch sanktionierbaren Telos der Verteidigung von Skeptizismus lind praktischer Vernunft sind die Ursachen für die schweren Geschütze der konservativen Gegenangriffe, die schon der erste Band des Teatro provoziert. Die Gegner sehen in Feijoo den teuflischen Verführer und Irrgänger durch jene gefährlichen' Gefilde des Rationalismus und des Empirismus - v.a. den Sensualismus, den (mechanizistischen bzw. monistischen) Materialismus und den (relativistischen bzw. kulturalistischen) Liberalismus - , die aus theologischer Sicht die Befürchtung einer Unterlegenheit im ideologischen Streit um die Hoheit der Naturinterpretation entstehen lassen. Die großen Fragen der Theologie, der Philosophie und der Kosmologie, die Feijoo auf seinen Exkursionen durch die Gefilde der Wissenschaft berührt, stehen von Anfang an, selbst wenn der Autor dies vorgeblich gar nicht beabsichtigt, d.h. nur kleine Ausschnitte eines naturwissenschaftlichen Problems präsentieren oder die Dogmen des christlichen Glaubens explizit umfahren möchte, im Zusammenhang eines öffentlichen Diskurses, der die einzelnen Texte des Teatro crítico begleitet und sich an diesen entzündet. Damit erhält der Titelbegriff des ,Theaters' neben dem panoramatischen Aspekt der theoretisch grenzenlosen Universalität und der Referenz auf die literarischen,Vorläuferprojekte' von Baltasar Gracián („El gran teatro del Universo") und Pedro Calderón de la Barca (El gran teatro del mundo) auch die besondere und zeitspezifische Bedeutung eines öffentlich zugänglichen, interaktiven Raums. Feijoo ist insofern ein gemachter' Autor seiner Epoche, als die Gegenstände der discursos ebenso wie die Anordnung, die Kontextualisierungen und die (selbstanzeigenden) Methoden der Argumentation unmittelbar durch ein größtmögliches Publikum reflektiert werden und diese Reflexionen in die Texte wieder einfließen. Unter den negativen, z.T. vernichtenden Kritiken Feijoos finden sich neben dem dornigen „ramillete de incomprensiones"46 der mannigfaltigen „parásitos de gloria ajena"47 auch prominent vertretene Verteidigungen der klassischen Ordnung, die sich im Wesentlichen drei Kriterien zuordnen lassen: 1) Die Fürsprecher der scholastischen Autorität, denen die zitierten Namen der Empiristen und Naturphilosophen - Locke, Hume, Fénelon, Malebranche, Bayle - als (nihilistisch-)sensualistische 46 47

Varela: La transfiguración literaria, a.a.O., S. 108. Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 249.

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Ursünder erscheinen, bezichtigen Feijoo schon aufgrund der bloßen Zugehörigkeit zu dieser Traditionslinie der Häresie und verdammen den Aufklärungsgedanken als Irrlehre der moralischen Verderblichkeit. Die bekanntesten Autoren sind Salvador José Mañer: Anti-Theatro Critico (1729), auf den Feijoo am ausführlichsten antwortet, Jacinto Segura: Vindicias de Savonarola (1735) und Francisco de Soto y Marne: Reflexiones critico-apologeticas sobre las obras de Feyjoo (1749).48 2) Etwas differenzierter fällt die wissenschaftliche Kritik aus, die aus der Perspektive von praktizierenden' Astrologen, Musikern und Ärzten geäußert werden und auf die Verteidigung der von Feijoo inkriminierten Einzelpraktiken (wie etwa den Aderlass) abzielen. Hierzu gehören auch die theoretischen Auseinandersetzungen mit Feijoos Argumentation und wissenschaftlicher Methode, wobei vor allem die im privaten Briefverkehr entstandene „disputa" mit dem erudito, polígrafo und novator Gregorio Mayans y Sisear von literaturgeschichtlichem Interesse ist.49 3) Schließlich sind die Kritiker des literarischen Stils und der sprachlichen Eigenschaften des Autors Feijoo zu nennen, die unter den Zeitgenossen, mit Ausnahme des genannten Sarmiento, des Padre Isla und von Torres Villarroel, auf die ich zu einem späteren Zeitpunkt der Untersuchung zurückkomme, noch beinahe inexistent sind. Ausgehend von der stiltheoretischen und poetologischen Auseinandersetzung mit den letztgenannten Autoren wird die literarische Kritik erst im 20. Jahrhundert zum Gegenstand von Auseinandersetzungen mit ebenfalls stark antagonistischen Positionen.50 48 Hierzu zählen auch Werke, die allein durch den kritischen Aufwand ihrer FeijooAnfechtungen und die Gewalt ihres (reaktionären) Stils bekannt geworden sind, wie Manuel Ballester: Combate intelectual contra el Teatro Critico (1734) oder Ignacio de Armesto y Ossorio: Theatro anti-critico universal (1735-1737). 49 Vgl. Kap. 3.1. Neben Mayans wären Heredia y Ampuero: El estudiante preguntón (1729) sowie das zweibändige Werk des Kapuziners Luis de Flandes: El antiguo académico, contra el moderno sceptico (1742) zu nennen. Hinzu kommen die Mediziner Lloret y Marti: Apología de la Medicina (1726), Suárez de Ribera: Teatro de la salud (1726) und López de Araujo: Residencia Medico-Christiana contra el Theatro Critico Universal, en honor de la Medicina (1727). Ansätze zu einer themenspezifischen Ordnung der wissenschaftlichen' Kritik am Teatro critico - Tempelmusik, Feminismus, Astrologie, Philologie - finden sich bei Miliares Carlo: „Apéndice", in: Feijoo: Teatro crítico universal, Madrid 1923, Bd. I, S. 55-78, hier: S. 62ff. Vgl. a. Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. 371-383. 50 Die (ideologischen) Extrempositionen reichen bis zur generellen Ablehnung eines dem unwissenschaftlichen und moralisch wankelmütigen Dilettanten zugeschriebenen „schlechten Stils": „es un lenguaje plagado de galicismos, latinismos y idiotismos particulares [...] por su falta de pureza en el lenguaje, no puede figurar entre

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Die öffentliche Rezeption des ersten massenkompatiblen Schriftstellers des 18. Jahrhunderts bringt ihrerseits stilistische Besonderheiten hervor, die für die Ausgangssituation der literarischen Aufklärungsphilosophie in Spanien aussagekräftig sind. Dies gilt vor allem auch für die Verteidigungen von Feijoos Werk, die den pädagogischenzyklopädischen Charakter ideologisch unterstützen und das Projekt der ,Volksaufklärung' praktisch fortzuführen suchen. Besonders repräsentativ sind hier die Wörterbücher und Lexika, die noch im 18. Jahrhundert zu Feijoos Gesamtwerk erscheinen und zugleich von der Internationalität der Rezeption künden. Der Portugiese Diego de Faro y Vasconcelos gibt 1752 in Lissabon ein Indice general alphabetico, de las cosas más notables de todo el Theatro Critico Universal heraus, worauf in Spanien ein Indice general alfabético, de las cosas notables, que contienen todas las obras de Feijoó von José Santos (Madrid 1774) und ein zweibändiges Diccionario Feyjoniano, ó Compendio metódico de varios conocimientos críticos, eruditos y curiosos, útilísimos al pueblo von Antonio Marqués y Espejo (Madrid 1802) folgen.51 All diese genannten Schriften, die ,Verteidigungen' wie die ,Widerlegungen', zeigen, dass der Autor Feijoo der Katalysator eines öffentlichen wissenschaftspolitischen Projekts ist, das bis zum Ende der nuestros clásicos". Vicente de la Fuente: „Preliminares", in: Feijoo: Obras escogidas, BAE 56, Madrid 1863, S. VII, S. XXXVII, passim. Vgl. a. Menéndez Pelayo (Historia de los heterodoxos, a.a.O., Bd. 5, S. 87): „Lástima que afeen su estilo tantos y tantos vocablos galicanos [...] que hiciera perder el primero a nuestra sintaxis la libertad y el brío, atándola a la construcción directa de los franceses". Am anderen Extrem findet sich eine vor allem in Asturien und Galicien ausgeprägte Hagiographie, die ihren ,Nationalheiligen' als Universalgenie und einen der größten, über jede stilistische Kritik erhabenen Dichter Spaniens betrachten möchte. Vgl. z.B. das Lob der „precisión diamantina de todos sus escritos" bei Santiago Montero Díaz: „Las ideas estéticas del Padre Feijoo", in: Boletín de la Universidad de Santiago de Compostela 4 (1932), S. 3-95, hier: S. 12. 51 Der Widerhall von Feijoos Werk jenseits der Landesgrenzen wird auch an den Übersetzungen deutlich. Verschiedene (und auf verschiedenste Art zusammengestellte) Auszüge erscheinen etwa zwischen 1745 und 1800 im Portugiesischen, Französischen, Englischen und Deutschen. Im Italienischen erscheint zwischen 1777 und 1782 gar eine vollständige achtbändige Übersetzung des Teatro critico universale ossia ragionamenti in ogni genere di materia per disinganno degli errori comuni. Zu den englischen Übersetzungen des 18. Jahrhunderts s. Morayta: El padre Feijoo, a.a.O., S. 212-242; zu den französischen s. Pérez Rioja: Proyección y actualidad de Feijoo, a.a.O., S. 138ff.; zu den deutschen s. Manfred Tietz: „Feijoo y Alemania: las traducciones parciales de sus obras en Alemania del siglo XVIII", in: Boletín del Centro de Estudios del Siglo XVIII 7/8 (1980), S. 101-116.

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Aufklärungszeit fortgeführt wird. Sein Werk ist im diskursiven Kontext dieser öffentlichen Auseinandersetzung zu begreifen. Umgekehrt spiegelt der apologetische Charakter der ,Überzeugungsarbeit' am Leser, die den Teatro ebenso wie die Cartas prägt, die stete Auseinandersetzung Feijoos mit seinen Kritikern wider. Im Teatro und in den Cartas folgt die Intention des Autors implizit, was dieser in den die Kritik kritisch begleitenden Entgegnungen expliziert, angefangen von der Respuesta al discurso fisiológico-médico (1727) über die Ilustración apologética (1729) bis zur Justa repulsa de inicuas acusaciones (1749). 2.2.1. Der Ensayo und sein Leser Betrachten wir im Zusammenhang der umrissenen Situation die Anlage der in Feijoos Werk implementierten Leserfigur(en). Die textuelle Einbettung der kommunikativen Situation zwischen Autor und Leser ist bei Feijoo ein wesentlicher Baustein auf der sprachlich-stilistischen Ebene der hier aufgeführten kontextuellen Aspekte und Grundpositionen. Die Neuheit dieser Text-Leser-Interaktion52 ist vor dem Hintergrund der genannten, sich in der Zeit herausbildenden konzeptuellen Modelle des (sprachlichen) Subjekts, der (stilistischen) Individualität und der (literarischen) Öffentlichkeit zu verstehen. Das formale System der Noticias, Dedicatorias, Censuras, Aprobaciones, Prólogos etc., die den Bänden des Teatro und der Cartas vorangestellt sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gemeinsame kommunikative Affizierung' der textuellen Instanzen, des Autors und des Lesers, durch das enzyklopädisch-didaktische Projekt (des sich im Licht der Wissenschaft erweiternden Geistes) auf keiner feststehenden Rollenverteilung beruht. In der Kritik wird die Leitfrage der,Haltung' (actitud) des Intellektuellen hervorgehoben, der sich gegenüber dem ,Volk' (vulgo bzw. pueblo) gemäß seinem didaktischen Vorhaben positioniert. Man diagnostiziert einen „afán democrático de llegar al pueblo" 53 bzw. ein „fenómeno de 52 Zur hermeneutischen Theorie der „Text-Leser-Interaktion" und der darin zum Ausdruck kommenden Autorinstanz, deren „Rollenangebot" an den „intendierten Leser" einen spezifischen Weltentwurf-bzw. eine „entworfene perspektivische Hinsicht auf Welt" - darstellt, s. Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens, München 1994, S. 50-67. 53 Abellán: „El espíritu del siglo", a.a.O., S. 65. Hierauf fußen auch die Begriffe der „publikumsschaffenden Strategie" und der „konzeptuellen Mündlichkeit" bei Tschilschke:

Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 120.

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la ampliación de la masa de lectores".54 Daraus wird ein „pensamiento comprometido y contextual"55 abgeleitet, der einem mehr oder weniger schlichten, letztlich aber unveränderlichen „Konversationsstil" zugeschrieben wird: „El estilo de Feijóo es como su conversación. Es el estilo de un hombre afable de tertulia conventual".56 Diese weithin geteilte Einschätzung berücksichtigt jedoch nicht die schwerwiegenden Vorbehalte Feijoos gegenüber den dilettierenden „escribientes"57 der „tropa tertuliana"58, die sich in der Masse durch das Fehlen eines selbstkritischen Geistes auszeichnen. Auch mit dem souveränen „discurrir a lo libre" eines Gracián ist die stilistische Position des Autors nicht vergleichbar. Feijoos Position ist aufgrund der experimentellen Implikation der Leserinstanz in sein Projekt komplexer und zugleich problematischer. Die Leserfigur, die in Feijoos Werk eingeschrieben ist, lässt sich nicht en bloc auf die zwei Instanzen des aufzuklärenden Volks oder der vermittelnden Nachahmer reduzieren. Dies zeigt sich schon in der Anlage des Verhältnisses zwischen den Instanzen, die gleich zu Beginn entworfen und sodann in verschiedenen Etappen (vertraglich) gefestigt wird. Der „Prólogo al lector" im ersten Band des Teatro von 1726 beginnt mit einer größtmöglichen Distanz zwischen Autor und Leser: Lector mío, seas quien fueres, no te espero muy propicio, porque siendo verosímil que estés preocupado de muchas de las opiniones comunes, que impugno; y no debiendo yo confiar tanto, ni en mi persuasiva, ni en tu docilidad, que pueda prometerme conquistar luego tu asenso, ¿qué sucederá, sino que firme en tus antiguos dictámenes condenes como inicuas mis decisiones?59

Charakteristisch für das Selbstverständnis der essayistischen Prosa zu Beginn der spanischen Aufklärung ist, dass die Intention des Textes 54 Maravall: „El primer siglo XVIII y la obra de Feijoo", in: Ders.: Estudios de la historia del pensamiento español (siglo XVIII), Madrid 1991, S. 315-351, S. 331.

Sánchez Blanco: La mentalidad ilustrada, Madrid 1999, S. 68. Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 177. 57 Feijoo (1736): „Causas del Amor", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 7 (Abhandlung 15), S. 347-395, hier: S. 348. 58 Ders. (1734): „Prólogo", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 6, S. XLIV-XLVIII, hier: S. XLIV. 55

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Ders. (1726): „Prólogo al lector", in: Ebd., Bd. 1, S. LXXVIII (TCU 1989, S. 73).

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zunächst darauf beruht, die Anzahl der möglichen Rezipienten zu maximieren. Die Rezeptionsinstanz wird in aller Strenge als eine absolut beliebige konzipiert: „Seas quien fueres". Dieser Aufruf - auf halbem Weg zwischen Cervantes' Angriff auf die scholastische Geborgenheit des devoten und Diderots ironischer Dekonstruktion des individuellen Lesers - beruht bei Feijoo auf einer Intention der Verschmelzung mit der dem Text eingeschriebenen Rezeptionsinstanz. Die Identifikation resultiert aus einer binären Differenz, die aussagelogisch folgendermaßen (im Begriff des ser propicio) zusammengefasst wird: 1) Eres propicio: Folgst du mir in der Annahme (dass das Problem der Schädlichkeit von Irrtümern und Aberglauben im Volk' existiert), so partizipierst du durch deine Gunst am Projektcharakter des Werks und folgst seinen Voraussetzungen. 2) No eres propicio: Folgst du der Annahme nicht, legst du das Buch zur Seite (und sagst über mich, was du willst): „Si nada te hiciere fuerza, y te obstinares a ser constante sectario de la voz del Pueblo, sigue norabuena su rumbo." 60 Die vermittelnde Ebene besteht hier in der Disposition des Geistes, „la ocasión de disponer tu espíritu", die von der technischen „persuasiva" des Autors ebenso unabhängig gesetzt wird wie von der „docilidad" eines bestimmten angesprochenen Lesers. Somit bleibt das Projekt (des Werks, der Aufklärung) von der Anfechtung unberührt und formal bestehen. Die Differenzen (des Stils) betreffen allein die Person (bzw. die Maske) des Autors, der sich als einen streitlustigen Menschen beschreibt: Si eres discreto, no tendré contigo querella alguna, porque serás benigno, y reprobarás el dictamen, sin maltratar al Autor. Pero si fueres necio, no puede faltarte la calidad de inexorable. [...] En este caso di de mí lo que quisieres. Trata mis opiniones de descaminadas, por peregrinas; y convengámonos los dos en que tú me tengas a mí por extravagante, y yo a ti por rudo.61

Der erste Leser Feijoos ist eine große Unbekannte. Wer immer dem Text folgt (und ihn nicht weglegt), ist zunächst durch keine andere Eigenschaft charakterisiert als den ,gesunden Menschenverstand'. Das Konzept der Rezeptionsinstanz ist eine formale Idee, die mit dem „formalen Objekt" des inhaltlichen Gegenstands korrespondiert. Insofern 60 61

Ebd., S. LXXIX (TCU 1989, S. 74). Ebd.

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ist es zwar biografisch richtig, auf die ,Selbstsicherheit' oder den quasi aristokratischen ,Herrschaftsgestus' („gesto señorial")62 der feijooschen Aussageinstanz zu verweisen, jedoch sind beide für die Anordnung der kommunikativen Grundstruktur nicht wesentlich. Diese beruht vielmehr auf einer formalen Ebene der Korrespondenz, die den Zusammenhalt des gesamten Werks - als ein Werk - gewährleisten soll. „En cuanto a las materias, [esta obra] parecerá un riguroso misceláneo." Aber: „El objeto formal será siempre uno." 63 So wie der Text trotz der unendlichen Mannigfaltigkeit seiner Eigenschaften und Inhalte ein einziger Text ist, so ist der Leser, insofern er dem Prozess seiner Lektüre durch die Disposition seines Geistes in der gleichen Extension die Treue hält wie der Autor, jenseits seiner individuellen Eigenschaften - etwa des sozialen oder kulturellen Hintergrundes - zunächst ein einziger (immer gleicher) Idealleser. Vor diesem Hintergrund wird die Funktion der Erläuterungen deutlich, die Feijoo im ersten Vorwort zu den Grundpositionen und zur ,Haltung' des Textes abgibt. Die Darlegung des Autors über die Wahl der Mittel und Methoden, die im Modus der Auseinandersetzung mit dem Unbekannten vorgenommen wird, ohne eine vermittelnde Erzählinstanz zu bemühen, dient zuvorderst dem Zweck der Vereinigung des gegenständlich und methodologisch heterogenen Werks in einem grundlegenden kommunikativen Gerüst. Die der enzyklopädisch-didaktischen Intention eingeschriebene Kommunikationsstruktur funktioniert nur, wenn die Konstitutionsbedingungen des Werks - als Projekt, als Aufbruch in das Ungewisse - gemeinsam akzeptiert werden, nämlich: a) der Gegenstand des Projekts: „[examinar] la voz del Pueblo, [...] el designio de impugnar errores comunes", b) das Ziel des Projekts: „proponer la verdad, [...] [contribuir al] caso que llegue a triunfar la verdad", c) die Kohärenz des Projekts jenseits der Offenheit der Vorgehensweise, der Perfektibilität des Einzelfalls und der Vielschichtigkeit der einbezogenen Kräfte und menschlichen Fakultäten' (Gefühl und Verstand): „no van los Discursos distribuidos por determinadas clases, siguiendo la serie de las facultades, o materias a

6 2 Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 171. „Feijoo se siento seguro ante su público". Varela: La transfiguración literaria, a.a.O., S. 99. Vgl. a. José Santos: „Sobre el ,Prólogo al lector' del Teatro crítico universal de Feijoo. La modernidad como ,distancia' en el discurso prologal", in: Romance Review 6,1 (1996), S. 137-148. 63

Feijoo (1726): „Prólogo al lector", a.a.O., S. LXXIX (TCU 1989, S. 74).

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que pertenecen [...]; muchos de los asuntos, que se han de tocar en el Teatro crítico, son incomprehensibles debajo de facultad determinada, o porque no pertenecen a alguna, o porque participan igualmente de muchas", d) die Verwendung der Volkssprache (im Modus der Verständlichkeit), inkl. der Behauptung einer Unabhängigkeit des Wissens von der Gelehrtensprache: „para escribir en el idioma nativo no se ha menester más razón, que no tener alguna para hacer lo contrario [...]; hay verdades, que deben ocultarse al Vulgo, cuya flaqueza más peligra tal vez en la noticia que en la ignorancia; pero ésas ni en Latín deben salir al público", und schließlich e) als Einschränkung und Maßnahme der ,Vorsicht7 die große Ausnahme der thematischen Vielfalt: „la reserva de no introducirme jamás a Juez en aquellas cuestiones, que se ventilan entre varias Escuelas, especialmente en materias Teológicas".64 In der (ideellen) Konzeption des Werks als kohärentes Projekt der offenen Kommunikation - im Geiste der Volksaufklärung - hängen die Kriterien des philosophischen Teils der Bedingungen (a-c) mit den Bedingungen der sprachlich-ideologischen Haltung (d-e) zusammen. Aus dem Prinzip der Kompatibilität mit der indifferenten Figur eines Massenpublikums kann die historische Funktion Feijoos als ,Diskursbegründer' abgeleitet werden. Aufgrund des Fundaments einer vernakularen Prosa im Bereich der (essayistischen) Philosophie und der Entstehung eines entsprechenden Lesertyps ist Feijoo in Spanien ein analoges Verdienst zugeschrieben worden wie Francis Bacon in England, Rene Descartes in Frankreich, Christian Wolff in Deutschland oder Giambattista Vico in Italien.65 Der Zusammenhang zwischen den konzeptuellen und den stilistischen Kriterien ist aber vor allem auch ein logischer: Ohne die formale Korrespondenz mit dem idealkontingenten Leser, und hierdurch mit dem Geist des allgemeinen Menschenverstandes, wäre es in der Tat unentschuldbar, wie in der Kritik gemutmaßt wurde, dass Feijoo allein - auf,souveräne' Weise - darüber entscheiden würde, was „die Wahrheit" ist. Insofern ist es eine Pflicht

Ebd., S. LXXVII-LXXX (TCU 1989, S. 73ff.), passim. Vgl. Arturo Ardao: Logica y metafisica en Feijoo, Montevideo 1997, S. 18. Die italienische und die französische Tradition sind allerdings nicht so einfach auf den Punkt (bzw. den Autor) zu bringen, insofern die volkssprachliche, essayistische Philosophie ja schon im 16. Jahrhundert mit Pietro Bembo (Italien) und Michel de Montaigne (Frankreich) einsetzt, wobei die Leserfigur Feijoos der des letztgenannten Autors vielleicht sogar am nähesten kommt. 64

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des Autors, an dieser Stelle des Werks, an der der Vertrag zwischen den Instanzen des Textes aufgesetzt wird,66 auch auf das schwerwiegendste konzeptuelle Problem des gesamten Versuchsaufbaus hinzuweisen, nämlich die Definition dessen, was ein,Irrtum' ist. Dies zu entscheiden ist jenseits des vorgestellten ,Ichs' eine gemeinsame Sache, die erst im Prozess der textuellen Kommunikation hergestellt wird: Culpárasme acaso, porque doy el nombre de errores a todas las opiniones que contradigo. Sería justa la queja si yo no previniese quitar desde ahora a la voz el odio con la explicación. Digo, pues, que error, como aquí le tomo, no significa otra cosa que una opinión, que tengo por falsa, prescindiendo de si la juzgo o no probable. Ni debajo del nombre de errores comunes quiero significar, que los que impugno sean trascendentes a todos los hombres. Bástame para darles ese nombre, que estén admitidos en el común del Vulgo, o tengan entre los Literatos más que ordinario séquito. 67

Die theoretische Anlage des (unmittelbaren) Verhältnisses zwischen Autor und Leser, die der philosophischen Idee des Werks als gemeinsames, durch den gesunden Menschenverstand getragenes, kommunikatives Projekt der Aufklärung (von verbreiteten Irrtümern) Konsistenz verleiht, steht als formales Gerüst hinter den vordergründig inszenierten Konversationen (nach dem Modell einer Verhandlung unter Gleichen) der meisten Vorworte sowohl des Teatro als auch der Cartas. Erstere bestehen zumeist aus subtilen Varianten von analogen Formeln der beteuerten Treue zur Ausgangsvoraussetzung, die zur Entschuldigung für die ebenfalls stets wiederholte Thematik der Entgegnung auf missverständliche Lektüren von Seiten der impugnadores führen68 oder in Anbetracht der vorausgesetzten Mitwirkung des Lesers, dessen ausgeschlossene Fehllektüre solcher Hinweise nicht bedarf, die prinzipielle Hinfälligkeit von Vorworten überhaupt

66 Zur Relevanz des Vertragsbegriffs als Bezeichnung für die textuelle Regelungsinstanz der Autor-Leser-Kommunikation im spanischen 18. Jahrhundert vgl. Edward Coughlin: „On the Concept of Virtue in Eighteenth-Century Spain", in: Dieciocho 15,1-2 (1992), S. 83-94, hier: S. 89f. 67 Feijoo: „Prólogo al lector", a.a.O., S. LXXIXf. (TCU1989, S. 75), passim, Herv. i. T. 68 „Si eres algo reflexivo, excuso armarte de nuevas advertencias contra las sofisterías de mis contrarios [...]". Ders. (1729): „Prólogo Apologético", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 3, S. XXIII-LVI, hier: S. XXIII.

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betonen.69 Dieses Strukturprinzip findet sich auch im Übergang zu den Cartas, die in prinzipieller Hinsicht gemäß der Selbstanzeige als kontinuierlich zu verstehen sind: „Presentote, Lector mío, nuevo Escrito, y con nuevo nombre; pero sin variar el género, ni el designio, pues todo es Crítica, todo Instrucción en varias materias, con muchos desengaños de opiniones vulgares, o errores comunes." 70 Abzüglich der individuellen (menschlichen, dem Irrtum ausgesetzten) Eigenschaften des Autors und der Leser bleibt die Grundstruktur einer Kommunikation bestehen, deren Aussageinstanz der reine Geist der Ilustración und deren Rezeptionsinstanz folgerichtig „die ganze Welt" ist: „Tengo presente a todo el mundo, y a todo el mundo estoy hablando". 71 Die personale Aussageinstanz (mit Namen Feijoo) - „yo" - beschränkt sich dabei auf die Funktion, die Sachverhalte in eine verständliche Sprache zu übersetzen: „Cuando hablo con todo el mundo, es preciso que prescindiendo de mis opiniones particulares, use del idioma común, y tome las voces como el mundo las entiende." 72 Im Verlauf der verschiedenen Prólogos, die eine paratextuelle Untereinheit des Gesamttextes bilden, finden sich jedoch zwei Etappen, an denen der Vertrag - im Rekurs auf die gemeinsame' Erfahrung mit dem Leser - präzisiert wird. Die erste Etappe wird durch das Vorwort zum vierten Band des Teatro markiert, das bereits durch den Titel hervorsticht: „Prólogo no al Lector discreto, y pío, sino al Ignorante, y Malicioso". Hier wird die erste, formale Differenz zwischen dem günstig „Lector mío: Resuelto estaba a dejar sin Prólogo este Libro, en atención a que en los de mis anteriores Obras te tengo prevenido de todos los colirios necesarios para defender tus ojos de todos los que quieren cegarlos con ilusiones [...]". Ders. (1734): „Prólogo", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 6, S. XLIV-XLVIII, hier: S. XLIV. Zur Ausdifferenzierung der hinfälligen' Vorworte zu einer eigenen Kunstform bei Torres Villarroel vgl. Kap. 3.3.3. 69

70 Ders. (1742): „Prologo", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 1, S. XXXVI. Als größter Unterschied zwischen beiden Werken wird eine Verschärfung des Prinzips der Variabilität angezeigt, die dem bereits ausgeräumten Verdacht des „riguroso misceláneo" vordergründig zuspielt: „Si te agradaron mis antecedentes producciones, no puede desagradarte esta, que es en todo semejante a aquellas, sin otra discrepancia, que ser en esta mayor la variedad; y no pienso que tengas por defecto lo que, sobre extender a más dilatada esfera de objetos la enseñanza, te aleja más del riesgo del fastidio" (ebd.). 71 Ders. (1753): „Contra el abuso de acelerar más que conviene los Entierros", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4 (Brief 14), S. 157-178, hier: S. 173. 72 Ders. (1729): „Mapa intelectual", in: Ilustración apologética..., a.a.O. (Abhandlung 31), S. 186-202, hier: S. 191.

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gestimmten Leser (propicio), der die Lektüre im Einverständnis aktiv fortsetzt, und dem ungünstig gestimmten (no propicio), der die Teilnahme ablehnt, die Lektüre aussetzt und vom Konstitutionsprozess des Textes ab institutione exkludiert ist, durch eine weitere Differenz fortgeschrieben, die durch die Frage nach der Bestimmung der „voz del Pueblo" (als Urheberin und Entscheidungsinstanz von Irrtum und Wahrheit)73 notwendig geworden ist. Entgegen der Gewohnheit wird der feindliche impugnador, der zuvor ausgeschlossen worden war, als Leser angesprochen: „Todos los Escritores dirigen sus Prólogos al amigo Lector, y así lo hice yo hasta aquí. Ahora quiero, contra la práctica común, hablar contigo, Lector enemigo [...]".74 Hier wird ex negativo eine nähere Bestimmung an den nicht angesprochenen, aber logisch intendierten Leser (der nicht feindlich gesinnt ist, wenngleich er natürlich ein impugnador sein kann, insofern seine Entgegnung auf einer demostración del entendimiento beruht) herangetragen. Vordergründig geht es dabei um eine Rechtfertigung der Ausnahme von der Maxime der Unendlichkeit der Gegenstände: Das Werk behandle alle Objekte des menschlichen Wissens außer den theologischen Fragen, da Letzteres zu tun in Anbetracht einer „Fülle berufenerer Stimmen" für den Zusammenhalt des Werks als Aufklärungsprojekt nicht nützlich sei: „¿Qué utilidad sacaría de esto el mundo?" 75 Textkonstitutiv geht es aber vor allem darum, jenem (formal möglichen) Einwand gegen das präsentierte Text-Leser-Verhältnis entgegenzuwirken, der darauf beruht, in diesem System des ,offenen Dialogs' keinen Widerspruch mehr zuzulassen: „Ponderabas el nuevo Escrito; decías que me concluía con evidencia; que era imposible responder [...y 76 . Gemäß dem Selbstverständnis des Textes muss jeder Widerspruch aber,natürlich' möglich sein, denn er ist, von welcher Seite er auch geäußert wird, dem Prozess solange zuträglich und zugehörig, Vgl. im Folgenden Kap. 2.3.1. Feijoo (1730): „Prólogo no al Lector discreto, y pío, sino al Ignorante, y Malicioso", a.a.O., S. XXXV, Herv. i. T. 75 Ebd., S. XXXVII. Dabei fällt im Übrigen der folgenreiche Satz von der inexistenten Häresie in Spanien: „Pero en España, donde no hay herejías, ¿qué necesidad hay de probar los Dogmas?" (Ebd., S. XXXVIII). Dieser Satz bringt weniger Feijoos Naivität in Glaubensfragen zum Ausdruck, sondern stellt vielmehr eine Matrix der späteren narratologischen Camouflagetechniken im Umgang mit der Zensur dar. Vgl. im Folgenden Kap. 4.2. 73

74

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Ebd., S. XXXV.

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wie er gemäß der (klassisch verankerten) Logik Feijoos nicht durch einen argumentativen Schluss aufgehoben wird. So bekräftigt der Prolog des vierten Bands die Voraussetzungen des im ersten Prolog angelegten Vertrags auf der Grundlage einer Binnendifferenzierung, die, von den negativen Eigenschaften des feindlichen' Lesers gespiegelt, auf jene positiv bestimmbaren Eigenschaften hinweist, welche zur prinzipiellen Entscheidung für die Lektüre des Textes hinzukommen, um den Bedingungen des Gegenstands, des Ziels, der Kohärenz und der Sprache Genüge zu tun. Diese betreffen den Katalog der Eigenschaften, die sich am Ende als die anthropologischen bzw. psychologischen Bedingungen erweisen, die bei Feijoo den erfolgreichen', d.h. selbstständigen und intersubjektiven Aufklärungsdiskurs ermöglichen. Dies sind - im Gegensatz zur „maula de los espíritus de gabán y polayna"77 - die subjektunabhängige Offenheit für das Gefüge der Argumente im dialektischen Spannungsverhältnis von Gefühl und Verstand, Reflexion und Intuition, Glauben und Standfestigkeit, Regelverständnis und Gespür für die Ausnahme. Durch die Binnendifferenzierung des (individuellen, kulturellen) Abstands zur Stimme des Volks wird zugleich, wie im Folgenden zu zeigen ist, auf das - der Frage des no sé qué im Bereich der Ästhetik analoge - Problem der „unsichtbaren Hand" verwiesen, die im Streitfall mit Blick auf das Verhältnis von Irrtum und Wahrheit die Mehrstimmigkeit ordnen muss: „Es el pueblo un instrumento de varias voces, que si no por un rarísimo acaso, jamás se pondrán por sí mismas en el debido tono, hasta que alguna mano sabia las temple."78 Dies ist der eigentliche Hintergrund des Hinweises auf den Formalismus der „obra operante". La grandeza, y pequeñez de un Escritor no se debe medir por el tamaño del objeto de que trata, sino por el modo con que lo trata [...] Di lo que

quisieres, no podrás negarme la novedad de esta Obra, la cual me da el carácter de Autor original, por más que lo sientas.79 Folgerichtig übergibt der Autor auf der letzten Etappe dieses kleinen paratextuellen Parcours in den letzten beiden Prologen der Cartas die

77 Ebd., S. XXXVI, Herv. i. T. Auf Deutsch etwa: „der Schwindel, der nur Mantel und Gamaschen tragende Geister beeindruckt". 78 Feijoo: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 2 (TCU 1989, S. 78). 79 Ders.: „Prólogo no al Lector discreto...", a.a.O., S. XXXIX.

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Verantwortung für die Fortführung des Werks vollends an den Leser: „Como mis años [...] me hacen sumamente verosímil, que este sea el último libro [...], permite, que como por vía de despedida use, hablando contigo, de aquellas palabras de S. Pablo [...]: Cursum consummavi, fidem servavi."80 Bemerkenswert an dieser Szene des Abschieds und der (treuen) Überantwortung an den Leser, der sich dadurch als ein Freund erweist, ist ihre Verdopplung, die der selbst für den Autor unerwarteten Verlängerung seiner eigenen Beitragsfähigkeit zum Werk geschuldet ist. So heißt es am Ende, im Frühling des Jahres 1760, in einem Vorwort, das nur noch ein „Vice-Pròlogo" ist: „No tengo más que decirte por ahora, Lector amigo, sino que te ruego me encomiendes a Dios [...]. Y ya que esta es segunda despedida, a Dios segunda vez."81 2 . 3 . FEIJOOS KONZEPT DER ILUSTRACIÓN. D I E PHILOSOPHISCHE IDEE DES WERKS, ARGUMENTATIONSSTRUKTUR UND METHODE

Diesseits der offenbaren und viel beschriebenen thematischen Heterogenität von Feijoos Werk lässt sich eine heimliche und kaum beachtete Homogenität erkennen, die sich textimmanent anhand des Stils beschreiben lässt und zugleich Auskunft über die Haltung eines Autors gibt, dessen Konzeption des literarisch-philosophischen Schreibens die nachfolgende Prosa spanischer Sprache prägt. Die Antagonismen der zeitgenössischen Rezeption zwischen den Extremen der Heterodoxie und der Orthodoxie, der Rebellion und des Konformismus, zwischen der Verdächtigung des politischen Umsturzes und der Protektion durch den König sowie zwischen den Anklagen der Häresie und dem expliziten Lob des Papstes82 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die (den Stil generierende) Grundintention der Texte einem eindeutig bestimmbaren unum totum entspricht. Der konzeptuelle Zusammenhang 80

Ders. (1753): „Prologo", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4, S. XXVIII-

XXXVIII, hier: S. XXXVIIf. 81

Ders. (1760): „Vice-Prólogo, o como Prólogo", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O.,

Bd. 5, S. XVf. 82

Papst Benedikt XIV. zitiert Feijoos Abhandlung „Música de los Templos" (TCUI,

14) in seiner Enzyklika Annus qui hunc v o m 19. Februar 1749, die eine Passage über die „Angemessenheit der Musik für den Gottesdienst" enthält. Vgl. Ugo Bellocchi (Hg.): Tutte le encicliche e i principali documenti pontifici emanati dal 1740, Città del Vaticano 1993, Bd. 1, S. 158-176, hier: S. 172.

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der Werkidee des Teatro und der Cartas, die erst in der Rezeption des 20. Jahrhunderts gesehen wurde, ist das die enzyklopädischen und didaktischen Aspekte bündelnde Engagement einer Kritik im Geiste des Patriotismus. Feijoos Beweggrund ist eine tiefe und anhaltende ,Sorge um Spanien'. Sein Ziel ist dementsprechend der Versuch, den Zustand der ,Verspätung' auf den Gebieten der Wissenschaften und der Künste gegenüber den anderen europäischen Nationen zu reduzieren. Am deutlichsten bringt der Autor diese Intention in dem Brief „Causas del atraso que se padece en España en orden a las Ciencias Naturales" zum Ausdruck: „Me insinúa un deseo curioso de saber la causa de este atraso literario de nuestra Nación [,..]".83 Der Metadiskurs der Preocupación und der Decadencia española, an deren Ausprägung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Feijoo entscheidend beteiligt ist, hat hier einen übergreifenden Charakter, weil unter den verschiedenen Bereichen der Rückständigkeit, dem „atraso en orden a las Ciencias Naturales" und dem „atraso literario", eine allgemeine,Verspätungstheorie' bezeichnet wird, die mit Ausnahme der Theologie alle Bereiche des geistigen und kulturellen Lebens betrifft: die Naturwissenschaften, die Technik, die Medizin, die Ökonomie, das Recht, die Erziehung, die Moral etc. Feijoo zeichnet ein eindrückliches Bild von der geradezu allumfassenden „Dunkelheit" einer Nation und eines unwissenden, in Vorurteilen gefangen Volkes, dem es in allen Bereichen des Denkens und des Wissens - im übertragenen Sinne des Begriffs Ilustración „Licht zu bringen" 84 gilt. Insofern lassen sich auch die Abhandlungen, 83 Feijoo (1745): „Causas del atraso que se padece en España en orden a las Ciencias Naturales", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 2 (Brief 16), S. 215-234, hier: S. 215. 84 Der Begriff des ,Lichts' (luz) ist bei Feijoo allgegenwärtig. Er wird auf vier Ebenen seines philosophischen Begriffsgebäudes entfaltet: 1) „luz de la razón" (ders. [1729]: „Amor de la Patria, y pasión nacional", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 3, Abhandlung 10, S. 223-248, hier: S. 224), 2) „luz de la verdad" (ebd., S. 236), 3) „luz de la crítica" (ders. [1729]: „Uso de la Mágica", in: Ilustración apologética..., a.a.O., Abhandlung 21, S. 136-153, hier: S. 136) und schließlich 4) die „luces de las Ciencias" (ders. [1753]: „Impúgnase un temerario, que a la cuestión propuesta por la Academia de Dijón, con premio al que la resolviese con más acierto, si la ciencia conduce, o se opone a la práctica de la virtud; en una Disertación pretendió probar ser más favorable a la virtud la ignorancia que la ciencia", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4, Brief 18, S. 214-245, hier: S. 223). Vgl. Álvarez de Miranda: „Aproximación al estudio del vocabulario ideológico de Feijoo", in: Cuadernos Hispanoamericanos 347 (1979), S. 367393, hier: S. 387.

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die den Zustand am vehementesten beklagen, gemäß einer Enzyklopädie' der inspizierten Wissenschaften anordnen: „De lo que conviene quitar en las Súmulas", 85 „De lo que conviene quitar y poner en la Lógica y Metafísica",86,,Lo que sobra, y falta en la Física",87 „De lo que sobra, y falta en la enseñanza de la Medicina", 88 „Sobre el adelantamiento de las Ciencias, y Artes en España". 89 Nun ist Feijoo, wie bereits hervorgehoben, in keiner der genannten Wissenschaften ein ,Spezialist'. Sein Name steht mit keiner wissenschaftlichen Erfindung, Entdeckung oder Methode in Verbindung. Das anerkannte Verdienst des Autors ist vielmehr seine Funktion als Vermittler, als „gran divulgador"90 oder als „apóstol de toda una cultura".91 Mit ihr hängt die von mir (mit Bezug auf Gaspard Delpy)92 unterstellte und im Folgenden textimmanent zu entfaltende Einheit des Werks ideengeschichtlich zusammen. Weil Feijoo ein absoluter Laie ist, betreibt er Wissenschaft ,in Gedanken' bzw.,experimentiert' durch vergleichende Analyse der ihm durch seine umfangreiche Bibliothek zugänglichen Studien anderer Wissenschaftler. Mit Ausnahme von (ihn nie zufriedenstellenden) optischen Gläsern, die er aufgrund seiner Weitsichtigkeit zum Lesen benötigt, dienen ihm keine wissenschaftlichen Instrumente. Experimente führt der Benediktiner allein in Form von ,medizinischen' Selbstversuchen am eigenen Körper durch. Zum Beispiel,beweist' er auf solche Art, dass etwa die Verträglichkeit von Schokolade nicht von der Tageszeit ihres Verzehrs abhängt, dass Atemwegserkrankungen unabhängig von der Außentemperatur sind, dass die Lebensweise eines Schriftstellers nicht notFeijoo (1736), in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 7 (Abhandlung 11), S. 276-298. Ebd. (Abhandlung 12), S. 299-307. 87 Ebd. (Abhandlung 13), S. 308-337. 88 Ebd. (Abhandlung 14), S. 337-347. 89 Ders. (1750), in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 3 (Brief 31), S. 352-389. 90 Abellán: „El espíritu del siglo", a.a.O., S. 70. 91 Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 43. Dieses Charakteristikum des Feijooschen Werks ist im Übrigen schon im 19. Jahrhundert hervorgehoben worden: „El físico, el matemático, el naturalista, el jurisconsulto, el psicólogo, dirán que [Feijóo] no ha hecho avanzar la ciencia, que no se nota su paso por ella; pero el hombre, todos los hombres de su patria y de su época, y la posteridad, deben decir que hizo avanzar a la sociedad entera, y dejó en ella una huella luminosa." Concepción Arenal: „Juicio crítico de las obras de Feijóo", in: Revista de España 226 (1877), S. 174-201, hier: S. 198. 85 86

„A travers son œuvre multiforme, l'esprit éclate et commande". Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O. („Avant-propos"), S. IX. 92

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wendig zu einem frühen Tod führt, dass die Technik der Autosuggestion zur Therapie von Liebesschmerzen Wirkung zeigen kann und vieles andere mehr. Als Feijoo um das Jahr 1740 in den Besitz eines (für die Zeit offenbar sehr hochwertigen) Mikroskops gerät, sendet er es seinem Freund Sarmiento nach Madrid, der seiner Ansicht nach als der eigentliche Wissenschaftler bessere Verwendung dafür hat: „Yo no tengo paciencia para andar atisbando átomos". 93 Jenseits des gesunden Menschenverstands, der persönlichen Erinnerung, die auch den Erfahrungsschatz der Stimme des Volkes bereithält, werden von der Seite des Philosophen keine anderen Medien, Objekte oder Verfahrensweisen benötigt als eine größtmögliche Menge von Büchern und Schriften.94 Im Umgang mit den sich etablierenden Gelehrtendiskursen der Naturwissenschaften entwickelt Feijoo auf diese Weise eine autodidaktische Methode der reflexiven Informationsverarbeitung, die auf der unerschrockenen Haltung eines Abenteurers beruht. Vor allem ist er kein bloßer Kopist fremden Gedankenguts, auch wenn eine große Menge desselben zu den Elementen seines Denkens gehört. „Las lecturas son por él asimiladas, incorporadas al propio pensamiento, y así convertidas en fruto de propia y original reflexión y estudio." 95 Ohne Rücksicht auf die Grenzen der Disziplinen trägt der polígrafo zusammen, was er zu einem bestimmten Thema gelesen hat, ordnet die

93

Feijoo: Cartas inéditas de Samos, o.J., zit. in: M a r a ñ ó n : Las ideas biológicas, a.a.O., S.

61f. Vgl. a. José Antonio Giménez Mas: „El microscopio del Padre Feijóo. En el preludio de la Patología de Morgagni", in: Revista Española de Patología 37-1 (2004), S. 111-120. 94 Von historischem Interesse (für die Verbreitung des Schriftwesens in der Epoche) ist hier i.Ü. die Selbsteinschätzung des Autors, er verfüge im Wesentlichen - dank der Mithilfe Sarmientos - über alle Bücher, die in Spanien erhältlich sind: „Casi no puedo tener otras [noticias], que las que me ministran mis pocos libros viviendo en un País, donde apenas hay más libros que los míos". Feijoo (1760): „La advertencia sobrepuesta a la Carta antecedente [sobre la doctrina del famoso Médico Español D. Francisco Solano de Luque]", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 5 (Brief 9), S. 229-251, hier: S. 241. Die Privatbibliothek Feijoos, die zunächst zerstreut und sodann im 19. Jahrhundert im Kloster von Samos wieder zusammengeführt wurde, ist nur ein einziges Mal durchgesehen worden, und zwar von Gaspar Delpy (Bibliographie des sources françaises de Feijoo, Paris 1936). Im Jahr 1951 ist die Bibliothek durch ein Feuer im Kloster zerstört worden. 95

Ramón Ceñal: „Fuentes jesuíticas francesas de la erudición de Feijoo", in:

Universidad de Oviedo (Hg.): El padre Feijoo y su siglo. Ponencias y comunicaciones

pre-

sentadas al Simposio celebrado en la Universidad de Oviedo del 28 de septiembre al 5 de octubre

de 1964, Oviedo 1966, Bd. 2, S. 285-314, hier: S. 286.

118

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Argumente, wägt diese und die Verlässlichkeit der sie überliefernden Autoren ab, befragt seinen natürlichen Verstand und zieht dann „nach reiflicher Überlegung" eine bestimmte Schlussfolgerung. Alle diese Eigenschaften Feijoos sind in der Kritik schon gut beleuchtet und verschiedentlich kommentiert worden. Dabei ist jedoch die eigentliche Funktion, die die wissenschaftlichen Disziplinen in den Texten einnehmen, unbeachtet geblieben, wodurch letztlich auch der konzeptuelle Zusammenhang des Gesamtwerks verkannt worden ist.96 Denn Feijoos bemerkenswerter Umgang mit den Wissenschaften beruht nicht allein auf dem Abenteuer seines autodidaktischen Unternehmertums dem gemäß es der Autor auf jedem Einzelgebiet in der Tat nicht viel weiter bringt als zu einer informierten, aber letztlich dilettantischen Halbgelehrtheit -, sondern vielmehr auf einem auf sehr modernen, seiner Zeit vorauseilenden Wissensbegriff. Das Wissen (el saber, los conocimientos) speist sich für Feijoo nur zum Teil aus der Wissenschaft (la ciencia, la erudición), in deren auf Autorität basiertes Spezialistentum wirklich einzugreifen er sich im Übrigen, wie er häufig genug betont, außer Stande sieht. Die übrigen, nicht minder konstitutiven Teile des Wissens sind all diejenigen Elemente, die jenseits der überlieferten Erudition die vollständige Situation eines bestimmten Kenntnisstandes ausmachen. Dazu gehören nicht nur die Widersprüche zwischen den einzelnen Positionen innerhalb der wissenschaftlichen Diskurse - die zu analysieren ein Wissen über das Wissen ermöglicht -, sondern ausnahmslos alle Instanzen, die eine der Analyse zu unterziehende Meinung, Überzeugung oder Auffassung über ein bestimmtes Wissen zum Ausdruck bringen. Feijoos Konzept der Wissenschaft beruht somit auf einer (möglichst) voraussetzungslosen Verarbeitung von Informationen, die ihm entweder schriftlich, im Medium des gelehrten Wissens, oder mündlich, im Medium der Erzählungen, Geschichten, Ausdrücke, Redewendungen etc. vorliegen. Aus dem Vergleich der schriftlichen und der mündlichen ,Medien' - die in der Zeit der Frühaufklärung noch unüberwindbar getrennten Welten zugehören - ergibt sich erst die „rebellische"97 Haltung

Es ist allein die Feststellung getroffen worden, dass eine Einheit des Werks existiert: „La aparición del primer volumen del Teatro no es, en efecto, una improvisación, sino el vértice de una vida entera de erudición y de meditaciones". Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 279. 97 Juan Luis Alborg: „Feijoo y el nuevo espíritu científico", in: Ders.: Historia de la literatura española, Bd. 3, Madrid 1975, S. 137-205, hier: S. 176. 96

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

119

Feijoos gegenüber den Wissenschaften seiner Zeit, nämlich als eine in Spanien absolut unerhörte Kritik der Autoritäten auf der Basis eines intersubjektiven Empirismus. An dieser Haltung wird zugleich auch die gattungskonstituierende Philosophie seines Schreibens erkennbar. Sie besteht in einer dialektischen Anthropologie des gesunden Menschenverstands, deren Fundament durch drei tragende Begriffe gelegt wird: die Stimme des Volkes, die Wahrheit und die Vernunft.98 2.3.1. Wissenschaft und Volkes Stimme. Die Dialektik von Wahrheit und Irrtum Die Stimme des Volkes, „la voz del pueblo", ist das zentrale Konzept der feijooschen Philosophie. Von der Komplexität und Vielschichtigkeit dieses Begriffs, der als Teilkonstituent des Wissens und Möglichkeitsbedingung von dessen Fortschritt sogar der Stimme Gottes gleichkommen kann," ist stets nur ein kleiner und offenkundiger Teil wahrgenommen worden, nämlich die Projektion einer unbestimmten Masse, die es zu illustrieren (also zu beschreiben und zu erleuchten) gilt. Dieser Aspekt der voz del pueblo als „Objekt der Aufklärung" ist zu Beginn des Werks zweifellos angelegt. Die Stimme, die Worte und die Ausdrücke des Volkes - in den drei Bedeutungen des Begriffs voces - sind hier ein Indikator für die Rückständigkeit Spaniens in den mannigfaltigen Gefilden des optimierbaren Wissens und zugleich der unbestimmte Adressat der zugrunde liegenden pädagogischen Intention. Die Besonderheit der Konzeption beruht jedoch auch in diesem Kontext bereits auf dem anthropologischen Gedanken. Die

98 Diese Begriffstrias variiert den Ansatz von José Luis Varela, der Feijoos „esqueleto argumental" auf die Begriffe experiencia, razón und autoridad zurückführt. Varela: La transfiguración literaria, a.a.O., S. 119. Die Anthropologie ist i.U. eine gut analysierte Grundlage des feijooschen Denkens. Vgl. Silverio Cerra Suárez: Las ideas antropológicas de Feijoo, Oviedo 1986; sowie Andrés Martínez Lois: El padre Feijoo. Naturaleza, hombre y conocimiento, A Coruña 1989. Schon Otero Pedrayo hebt den Begriff des Menschen als Gundkonzept der Philosophie Feijoos hervor: „El hombre es el objeto principal de la atención del P. Maestro. Siente vivamente la naturaleza, aspira a conocer sus secretos, cree en el porvenir de la ciencia y que de ella saldrá redoblado el amor de las creaturas

a Dios". Otero Pedrayo: El padre Feijóo. Su vida, doctrina e influencias, Orense 1972, S. 565.

„La voz del pueblo es voz de Dios". Feijoo: „Voz del Pueblo" (TCU1,1), a.a.O., S. 18 (TCU 1989, S. 95). 99

120

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Stimme des Volks als unbestimmtes Objekt ist bei Feijoo als eine rein abstrakte, erst im Einzelfall sich konkretisierende Entität gedacht, die im Prinzip unendlich formbar ist. Das Telos dieser Idee beruht auf dem Ideal eines friedlichen Ensembles gesunder Individuen, die sowohl für das Individuum als auch die Gemeinschaft auf förderliche' Weise zusammenleben. Um dieses Ziel zu erreichen, das gemäß dem für Spanien bemerkenswerten und eher für andere europäische Aufklärungsbewegungen üblichen Optimismus Feijoos durchaus im Bereich des Möglichen liegt, gilt es, den Menschen mit den entsprechenden Fähigkeiten (capacidades) auszustatten. In diesem Geflecht der allumfassenden ,Allgemeinerziehung', die alle Gegenstände des physischen, sozialen, moralischen, politischen Lebens ebenso einbezieht wie die individuelle und kollektive Bereitschaft, ein entsprechendes Wissen zu erwerben und nutzbringend zu verarbeiten, stellen die Diskurse der (Experten-)Wissenschaft nur einen Bereich unter vielen dar.100 Neben den Ausführungen über Naturwissenschaften, Medizin, Ökonomie, Politik, Recht sowie des Weiteren über Geschichte, Kunst, Philosophie und Literatur finden sich, zum Teil zerstückelt und über viele Abhandlungen verteilt, auch (proto-ethnologische) Beobachtungen über Moral, Gewohnheiten und Sitten der spanischen Gesellschaft (im Vergleich zur europäischen und amerikanischen), über Mode, Alltagsumstände, Ernährung, Zustände auf dem Land, über die Erziehung in Schulen und Universitäten, über die Stellung der Frauen, der Bauern, der Tagelöhner (im Vergleich zu Bürgern, Adel, Klerus), zudem bevölkerungsstatistische Untersuchungen, Überlegungen zur Agrikultur, zum Bergbau, zur Astronomie und Abhandlungen über die verschiedensten Themen wie Volkstraditionen, dialektale Sprechweisen, Berichte aus exotischen Ländern und unwirtlichen Gegenden Spaniens (Las Batuecas), Feste und Rituale, Manifestationen der Frömmigkeit, magische Praktiken, Freimaurerei, Sakralmusik, Gesellschaftsspiele usw. Ein Schwerpunkt liegt dabei - gemäß der ,atomistischen' Grundeinstellung Feijoos - auf der physikalischen Beschaffenheit von Gegenständen und Phänomen der Natur wie der 100 Zur Entwicklung der konzeptuellen Inklusion des vulgo-Begriffs in die Epistemologie und Poetologie der französischen Lumières vgl. Andreas Gipper: Wunderbare Wissenschaft. Literarische Strategien naturwissenschaftlicher Vulgarisierung in Frankreich von Cyrano de Bergerac bis zur Encyclopédie, München 2002, S. 16-40.

Positionen u n d Kontexte der Prosaliteratur

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Luft, dem Feuer, dem Wasser, dem Licht, der Elektrizität usw., deren neueste (auffindbare) Erkenntnisse aus französischen und englischen Quellen zusammengetragen werden und vor allem dann in den Essays wiederholte Verwendung finden, wenn es sich um spektakuläre Ereignisse, Monstren (wie den Fischmenschen), Epidemien, Katastrophen (wie das Erbeben von Lissabon 1755), Klimaphänomene, Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse oder um (entweder lösbare oder zu bewahrende),Geheimnisse' der Natur handelt, die in Relation zu bestimmten Aporien der Mathematik oder Paradoxien des physikalischen Wissens stehen. Bei all diesen Beispielen steht stets das abstrakte Konzept des Menschen im Vordergrund, d.h. die praktische Anwendungsmöglichkeit eines Gegenstands, einer Idee oder eines Wissenskomplexes bzw. die erzieherische' Optimierungsmöglichkeit in Bezug auf die Kenntnis des Gegenstands, der Idee oder des Wissenskomplexes im Zusammenhang mit dem (projizierten) Ideal des friedlichen Ensembles gesunder Individuen. So geht es in den Abhandlungen über die Medizin, die das am häufigsten wiederkehrende Thema ist, vor allem um die Gesundheit und die Erhaltung derselben: die gute Wahl des Arztes, Erwägung von therapeutischen Alternativen (Akupunktur, chinesische Medizin), die Eigenleistung zur Stärkung der körperlichen Verfassung, nützliches Wissen über Organfunktionen, Blutzirkulation, psychische Einflüsse, Geburtenvorsorge, die Verbreitung nützlicher Neuerungen (Impfungen und Augenoperationen), die Bekämpfung von schädlichen Behandlungsmethoden, aufmerksame Deutung von Todesanzeichen, erste Hilfe etc. Genauso geht es bei den philosophischen Diskussionen - neben den Alten zuvorderst über die Ideen und ,Systeme' von Francis Bacon, Descartes, Ramon Llull, Galilei, Machiavelli, Leibniz oder Locke - um Entscheidungs- und Orientierungshilfen zur Verbesserung des eigenständigen Denkens, der gesellschaftlichen Moral und der politischen Strukturen. Und ebenso geht es bei den Untersuchungen zum Ausbildungssystem um die Optimierung der Techniken des Studiums bzw. die Bekämpfung des Analphabetentums, bei den Abhandlungen über die Agrarsituation (Exzessivität der Brachen, Landflucht, Tagelöhnertum)101 um die Steigerung der Lebensmittelerträge oder in den Kritiken zur politischen Ökonomie (über die Schädlichkeit Ders.: (1739): „Honra, y provecho de la Agricultura", in: Teatro critico universal, a.a.O., Bd. 8 (Abhandlung 12), S. 390-426. 101

Die Prosa der spanischen Aufklärung

122

der Korruption, die Ordnung der Bürokratie, die Reduktion der Feiertage etc.)102 und des Rechts (über die Angemessenheit der Strafen, die Gleichheit der Rechtssubjekte, das Gewissen der Richter etc.)103 um den Wohlstand der Nation insgesamt. In diesem Sinne zielen die zahlreichen Ausführungen zu den Vorurteilen, Mystizismen, Legenden, Aberglauben, magischen Handlungen, Geistererscheinungen, Idolatrien, alchimistischen und astrologischen Praktiken etc., die bei Feijoo neben der Medizin der bevorzugte Gegenstand für die Anwendung seiner Methode des empirischen, beweisorientierten, reflexiven Argumentierens sind, vor allem auf den Zweck der Scheidung von Nützlichkeit und Schädlichkeit - einschließlich einer moralischen Abgrenzung von unhinterfragbaren ,Parallelphänomenen' wie den Reliquiensammlungen oder den Heiligen- und Marienerscheinungen - im Sinne des übergeordneten Programms zur Verbesserung der Gesellschaft. Hierzu gehören auch die zum Teil recht vehementen Angriffe auf die gesellschaftspolitischen Positionen des konservativen Klerus wie in den Abhandlungen über die Sinnlosigkeit der Folter, die Schädlichkeit von Almosen oder die Verteidigung der Beerdigung von Selbstmördern.104 Die Tatsache, dass dabei stets die Grundidee des einzelnen, ,normalen' bzw. ,normalisierbaren' Menschen im Zentrum steht, zeigt sich an der Orientierung der Beispiele auf ein (quasi systematisches) Prinzip der universellen Nachvollziehbarkeit von Erfahrung. Sie motiviert auch die (therapeutischen) Ausführungen über die Überwindung von Todesfurcht - die in existentielle Spekulationen über das Jenseits der Welt(en) eingebettet sind - oder zur Linderung von Körper und Geist beeinträchtigenden Symptomen der individuellen Liebesleiden105 (bei gleichzeitigem Ansporn zur Steigerung der Liebe zum Vaterland).

Ders.: (1726): „La Política más fina", in: Ebd., Bd. 1 (Abhandlung 4), S. 75-105. 103 D e r s (1729): „Balanza de Astrea, o recta administración de la lusticia. En Carta de un Togado anciano a un hijo suyo recién elevado a la Toga", in: Ebd v Bd. 3 (Abhandlung 11), S. 248-269. 104 Ders. (1734): „Paradojas políticas, y morales", in: Ebd., Bd. 6 (Abhandlung 1), S. 1-90, hier: S. 47-65, S. 82-90. 105 Ders. (1736): „Causas del Amor", in: Ebd., Bd. 7 (Abhandlung 15), S. 347-395. 102

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

123

Die Funktion der thematischen Vielschichtigkeit der feijooschen Essays ist grundlegender und weitreichender als ihr „musealer Charakter"106 bzw. ihre „panoramatische Verfasstheit",107 die allein für den historischen Überblick über den Zustand der Wissenschaften und die Verbreitung der Irrtümer, Mystiken und Aberglauben zur Zeit der (vermeintlichen) decadencia dienlich sind. Der enzyklopädische Aspekt des Werks gehorcht eher einer gesellschaftlich pragmatischen denn einer methodisch wissenschaftlichen Intention.108 Die analytische Reise durch die Gefilde des ,Wissens' und die Möglichkeiten ihrer Verbreitung avisiert den Fortschritt' der spanischen Gesellschaft auf der Grundlage einer anthropologischen Perfektibilität, an deren Schaltstelle der abstrakte Begriff des Menschen zu finden ist. Die moralische und politische Optimierung des Zusammenseins des Menschen findet ihr Ziel im Begriff der,Nation', dem die pädagogische,Sorge' gilt: „El fin principal a que miro [...] es mostrar a mi Nación cual es la enseñanza, que más le conviene en el presente estado, supuesto tener la suficiente en todo aquello, que pertenece al interés espiritual del alma". 109 Der einzelne Mensch, der durch seine Seele gleichsam automatisch zum potentiellen Objekt des Aufklärungsunternehmens wird, fungiert dabei auch als eine aktive Instanz, insofern jedes in eine bestimmte lokale Tradition eingebettete Individuum durch den Ausdruck seines Sprechens, Denkens oder Meinens zur Komposition des allgemeinen Wissenszusammenhangs der Nation beiträgt. Der ,Irrtum', dem der Einzelne dabei unterliegen kann, ist also nicht prinzipiell auszumerzen, sondern nur dann, wenn er sich als „schädlich" (perjudicial) erweist. Von dieser (methodischen) Unterscheidung zwischen dem vulgo und der voz del pueblo hängt Feijoos dialektisches Denken von Wahrheit und Irrtum ab: Cuando no hay argumento positivo contra las tradiciones [...] dos reglas me parece se deben seguir: una en la Teórica, otra en la Práctica; una dictada por la Crítica, otra por la Prudencia. La primera es suspender el asenso Arenal: „Juicio crítico", a.a.O. (Revista de España 226), S. 199. Reyna Suárez Wilson: „La visión teatral", in: Dies.: „El Teatro crítico universal del Padre Feijoo", in: Universidad Nacional de La Plata (Hg.): Fray Benito Jerónimo Feijoo, a.a.O., S. 129-136, hier: S. 132ff. 106

107

108 Diese „primacía del gesto social por encima de la labor científica" bei Feijoo sieht bereits Eduardo Subirats: La ilustración insuficiente, Madrid 1981, S. 57. 109

Feijoo: „Sobre el adelantamiento de las Ciencias" (CE III, 31), a.a.O., S. 378.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

interno, o prestar un asenso débil, acompañado del recelo de que la ilusión o embuste de algún particular haya dado principio a la opinión común. Puede ser ésta verdadera, y puede ser falsa [...] La segunda es, no turbar al Pueblo en su posesión: ya porque tiene derecho a ella siempre que no puede apurarse la verdad [...] Cuando yo, por más tortura que dé al discurso no pueda pasar de una prudente duda, me la guardaré depositada en la mente, y dejaré al Pueblo en todas aquellas opiniones que, o entretienen su vanidad, o fomentan su devoción. Sólo en caso que su vana creencia le pueda ser por algún camino perjudicial, procuraré apearle de ella mostrándole el motivo de la duda.110

Der problematische und häufig missverstandene Begriff der voz del pueblo hat bei Feijoo nicht nur die Bedeutung eines „Objekts", sondern auch die Funktion eines „Subjekts" der Aufklärung. Des Volkes Stimme ist ein Indikator für die Rückständigkeit, aber auch ein Ausdrucks- und Sprachreservoir des offenen, unabschließbaren Wissens. Die kommunikative' Vermittlung zwischen beiden Instanzen ergibt sich durch die philosophische Idee des Werks. Die „wissende Hand", die dem „Tonfall" der Stimmen Maß gibt (und nicht etwa die Gegenstände der Aussagen determiniert),111 ist das Resultat einer gemeinschaftlichen Interaktion, die durch die variable Anlage der beschriebenen Autor- und Leserfunktionen des Textes dargestellt wird und auf dem Versuchsaufbau des aus sich selbst heraus sprechenden (und sich konzipierenden) rationalen Empirismus beruht. Die Fähigkeiten, die zur Herstellung des Wissens (d.h. zur Überprüfung der Sachverhalte, zur Korrektur der Irrtümer etc.) im Spannungsfeld von „Theorie und Praxis" bzw. „Kritik und Vernunft" benötigt werden, sind von so allgemeiner Natur, dass sie mit der menschlichen Bedingung gleichzusetzen sind: Neben den sekundären, erlernbaren Tugenden (virtudes) des Urteilsvermögens (raciocinio) und (des guten und leichten Umgangs mit) der Erfahrung (experiencia) sind es psychologische, jedem Menschen verfügbare Primäreigenschaften, der Zweifel (duda) und

110 Ders. (1730): „Glorias de España. Primera parte", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 4 (Abhandlung 13), S. 348-399, hier: S. 385f. (TCU1989, S. 189f.). 111 Dies wäre eine Missinterpretation (gemäß dem geläufigen, aber eben nur zum Teil zutreffenden Bild des Lehrers mit gehobenem Zeigefinger) des bereits zitierten Satzes von Feijoo: „Es el pueblo un instrumento de varias voces, que [no] se pondrán por sí mismas en el debido tono, hasta que alguna mano sabia las temple." Ders.: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 2 (TCU 1989, S. 78).

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

125

der Instinkt (instinto), die das „natürliche Denken" ausmachen: „este natural pensamiento, que nos dan nuestros sentidos de lo que nos ha de aprovechar, u ofender".112 Die kommunikative Basis der feijooschen Philosophie der Vielstimmigkeit trägt das gesamte Werk. Sie wird in der ersten Abhandlung „Voz del pueblo" entfaltet. Die Argumentation beruht auf einer Dialektik zwischen zwei Extremen der traditionellen (aus der christlichen Spätantike überlieferten) Definitionen der Stimme des Volkes, die beide nicht zutreffen: 1) „Dios se explica en la voz del pueblo", 113 eine allgemein bekannte, aber „schlecht verstandene Maxime", sowie 2) „el dictamen del vulgo [es la] cosa que dista más de la verdad", eine (ironisch) dem Gegenpapst Johannes XXIII. zugeschriebene Maxime, die die allgemeine Meinung (común consentimiento) der Zeit ausdrückt.114 Die Deutungskorrektur (bzw. die vehemente Widerlegung) der ersten These, die noch vom apologetischen Tonfall des Vorworts geprägt ist, nimmt den größeren Raum an dieser Stelle des Textes ein, was der Interpretation einer aristokratischen Überheblichkeit Feijoos gegenüber dem einfachen Volk Vorschub geleistet haben mag.115 Die Tatsache, dass des Volkes Stimme sich „so häufig irrt" - „tan frecuentemente la vemos puesta de parte del error" 116 - , hat allein die beweisende Funktion einer Antithese mit Blick auf die Maxime von der gottgleichen Weisheit. Es gibt berühmte Beispiele für Irrtümer des Volkes, die aufzuzählen für die Argumentationsfolge gar nicht notwendig wäre (und nur dem stilistischen Motiv der Vermittlung durch die Einprägsamkeit geschuldet ist). Ist etwa der lachende Demokrit verrückt geworden, Ders. (1753): „Que en varias cosas pertenecientes al régimen para conservar, o recobrar la salud, es mejor gobernarse por el instinto, que por el discurso", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4 (Brief 17), S. 203-214, hier: S. 204. 112

Ders.: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 1. Ebd., S. 2. Der ironische Verweis auf den 1410 bis 1415 amtierenden Pisaner Gegenpapst Johannes XXIII. (Baldassare Cossa) markiert die Sentenz mit dem Prinzip des berechtigten Zweifels' an den Aussagen der vermeintlichen Autorität'. 113 114

115 K.-D. Ertler schreibt in seiner Einführung in die spanische Aufklärungsliteratur, Feijoo äußere sich „vehement gegen das einfache Volk". Ertler: Kleine Geschichte, a.a.O., S. 55. Vgl. a. Witthaus: Sozialisation der Kritik, a.a.O., S. 117. Zugleich muss man aber zugestehen, dass kein Autor spanischer Sprache im 18. Jahrhundert mehr Respekt gegenüber dem einfachen Volk empfindet - welches in seinen Texten als Komponente der epistemologischen Konstellation überhaupt zum ersten Mal auftaucht - als der Autor des Teatro crítico universal. 116

Feijoo: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 16 (TCU 1989, S. 92).

Die Prosa der spanischen Aufklärung

126

nur weil im Volk von Abdera jeder so denkt und niemand sein Verhalten versteht? Am Beispiel von Hippokrates, der als einziger die Wahrheit über die Beurteilung Demokrits, d.h. dessen Einstellung der heiteren Gelassenheit, gegen die Massen verteidigt und als Autorität für die Nachwelt verbürgt, folgt die (nicht nur für die antidemokratische Lektüre) folgenreiche Sentenz, dass der Irrtum unabhängig von der Anzahl der Anhänger einer Ansicht ist: „El valor de las opiniones se ha de computar por el peso, no por el número de las almas."117 Die politische Interpretation dieses Arguments bringt jedoch kein überraschendes Ergebnis (und ist eher für die Ideologeme der spanischen FeijooDeutungen im frühen 20. Jahrhundert relevant), denn es ist für einen klerikalen Frühaufklärer wenig erstaunlich, dass er keine Neigung für radikale Ideen wie die Demokratie im zeitgenössischen Sinne eines Rousseau oder Mably verspürt.118 Die Bedeutung der Sentenz resultiert vielmehr aus ihrer Einbettung in die dialektische Wahrheitsphilosophie, die auf der mathematischen Argumentation einer Verhältnismäßigkeit zwischen dem Einen (der Wahrheit) und dem Unendlichen (der Irrtümer) beruht. Feijoo ist wie Bacon der Überzeugung, dass es unabhängig von der Komplexität zu analysierender Sachverhalte stets nur einen Weg zur Wahrheit gibt, wohingegen die Wege des Irrtums unendlich sind: „Sólo de un modo se puede acertar: errar, de infinitos."119 Das prinzipielle (Un-)Verhältnis zwischen beiden Wegen besteht in einer geometrischen Notwendigkeit: „Los conceptos, que el entendimiento forma de las cosas, son como las figuras cuadriláteras, que sólo de un modo pueden ser regulares; pero de innumerables modos pueden ser irregulares".120 Insofern ist die Irrtumsanfälligkeit nicht nur des einfachen Volkes, sondern der Menschen insgesamt ein notwendiges, natürliches Faktum: La naturaleza de las cosas lleva, que en el mundo ocupe mucho mayor país el error, que la verdad [...]. Quien considerare, que para la verdad no hay

117 Ebd., S. 1 (S. 77). Die Quelle ist Seneca (Epistulae morales 29,12): „Scilicet ut malis tibi placere quam populo, ut aestimes iudicia, non numeres". 118 Feijoo hat beide Autoren nachweislich (und im Original) gelesen. Ein Kommentar zu Mablys Observations sur les Romains (1751) findet sich in „Impúgnase un temerario...", a.a.O. (CE IV, 18), S. 217. 119 120

Ders.: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 4. Ebd., S. 3f.

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

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más que una senda, y para el error infinitas, no extrañará que caminando los hombres con tan escasa luz, se descaminen los más.121

So wie sich die Besonderheit - die Ausnahme - der Wahrheit in der infinitesimalen Relation aus der Natürlichkeit des Irrtums ergibt, so repräsentieren die Begriffe des vulgo und der voz del pueblo auf der Seite der Menschen (im anthropologischen Konzept) das Prinzip der Natürlichkeit schlechthin: „Poco se distingue el vulgo de los hombres del vulgo de los átomos." 122 Damit geht auch die Widerlegung bzw. Deutungskorrektur der zweiten These einher, der zufolge nichts weiter von der Wahrheit entfernt sei als des Volkes Stimme. Dieser These kann Feijoo ebenfalls nicht zustimmen: „No puedo considerar al pueblo como Antípoda preciso del hemisferio de la verdad". 123 Die Natürlichkeit der Dialektik von Wahrheit und Irrtum und der rationalen Methodik ihrer (prozessualen) Distinktion führt vielmehr zu dem notwendigen - in Feijoos Vokabular: „gottgegebenen" - Faktum, dass der einfache Mann (die einzelne Stimme des Volkes) sehr wohl die Fähigkeit zur Wahrheit besitzt, nämlich durch seine anthropologische Disposition, die Intuition und den gesunden Menschenverstand, welche er mit allen Menschen (inklusive den Philosophen) teilt. Was dem Volk fehlt, ist allein die Autorität', d.h. die Fähigkeit, den Bestand des Wissens und der Gelehrsamkeit kritisch zu reflektieren. „La voz del pueblo está enteramente desnuda de autoridad, pues tan frecuentemente la vemos puesta de parte del error".124 Während der Perfektibilität des kleinen Mannes - und der natürlichen Grenze seiner Unwissenheit - didaktisch durch die methodische Anleitung zur reflexiven Analyse des reinen Verstandes zu begegnen ist, führt die natürliche Dialektik von Wahrheit und Irrtum zugleich zu der (an einer späteren Stelle des Teatro entwickelten) Schlussfolgerung, dass niemand vor dem Irrtum gefeit ist: La falta de advertencia, o sobra de ignorancia, [...] es en el mundo, mucho mayor de lo que comúnmente se piensa. No sólo los Bárbaros, los estúpidos, la gente del campo, los que no han tenido estudio alguno ignoran, o

121 122 123 124

Ebd., S. 3. Ebd. Ebd., S. 2. Ebd., S. 16.

128

Die Prosa der spanischen Aufklärung

dejan de advertir verdades pertenecientes a la seguridad de su conciencia que muestra la luz de la razón a la primera ojeada; mas aún muchos que tratan con gente docta, muchos que son tenidos por discretos, muchos que revuelven libros, muchos [...] que no sólo los leen, mas también los escriben.125 Von der Tatsache, dass auch die gelehrtesten Wissenschaftler und die weisesten Philosophen in einen Prozess eingebunden sind, der vom Falschen zum Wahren (und vom Nichtwissen zum Wissen) führt, zeugen v.a. die „großen Irrtümer" der Philosophie, wie etwa der Cartesianismus und Materialismus, die Feijoo zufolge nicht nur „schädlich", sondern auch „gefährlich" sind. 126 Anders herum heißt dies aber auch, dass jeder Mensch, insofern er als Teilnehmer in das gemeinschaftliche Verfahren der Wahrheitsfindung, das durch die analytische Reduktion der irrtümlichen Wege funktioniert, eingebettet ist, einen Teil des „voz del pueblo" genannten Begriffskomplexes darstellt. 127 Dies gilt für den Autor selbst ebenso ,natürlich' wie für den gelehrten, kritischen oder wohlgesonnenen Leser. Die Stimme des Volkes ist also weder Trägerin der Wahrheit noch des Irrtums a priori, sondern, gemäß der conclusio der gleichnamigen Abhandlung, die Stimme Gottes. Denn sie bezeichnet die „menschliche Gattung" als Ganzes: „El sentido verdadero de

125 Ders. (1730): „Nuevo caso de conciencia", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 4 (Abhandlung 11), S. 292-303, hier: S. 292. 126 Vgl. Ders. (1760): „Establécese la máxima filosófica de que en las substancias criadas hay medio entre el espíritu, y la materia. Con que se extirpa desde los cimientos el impío dogma de los Filósofos Materialistas", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 5 (Brief 2), S. 91-123. 127 Das Vulgäre (vulgo) des Volkes Stimme ist bei Feijoo frei von jeglicher Konnotation, die im Deutschen das im 18. Jahrhundert bereits kursierende, protomarxistische Wort „Pöbel" bereithält. Wollte man Feijoo aus der Perspektive der deutschen Aufklärung betrachten - was ich hier nicht ausführen kann so ließe sich seine Position vielleicht am besten mit Lessing vergleichen, nicht mit dem Dichter und Dramatiker, sondern mit dem Theoretiker, dem Autor der Hamburgischen Dramaturgie (ästhetische Katharsis-Lehre) und der Erziehung des Menschengeschlechts (religionsphilosophische Ethik). Feijoos „Selbstverständnis als Schriftsteller" lässt sich durch die philosophische Konzeption einer Ethnologie beschreiben, die ästhetisch offener ist als bei Gottsched oder Geliert, aber rationaler und weniger schwärmerisch als bei Herder. Vgl. z.B. Gunter E. Grimm: „Vom poeta doctus zum Volksdichter? Bemerkungen zum Selbstverständnis deutscher Schriftsteller im 18. Jahrhundert", in: Jüttner/Schlobach (Hg.): Europäische Aufklärungen), a.a.O., S. 203-217.

Positionen u n d Kontexte der Prosaliteratur

129

aquella máxima [,1a voz del pueblo es voz de Dios'] es, tomando por voz del pueblo la de todo el género humano."128 2 . 4 . W I S S E N UND EXPERIMENT. D I E QUELLEN DES ESSAYS

Sowohl die kommunikative als auch die konzeptuelle Anlage des Gesamtwerks folgen einer dialektisch-anthropologischen Wahrheitsphilosophie. Die (gottgegebene) Natürlichkeit der (essayistischen) Orientierung des (vernünftigen) Denkens zwischen „revelación" und „demostración" zeichnet eine „mapa intelectual",129 deren subjektive Konstitutionsmomente in Form von anthropologischen und moralischen Dispositionen klar benennbar sind. Der zu optimierende Gesamtbestand des Wissens einer Nation beruht in der feijooschen Versuchsanordnung auf einem analytischen Vergleich bestehender Aussagen über die Einzelbestände dessen, was gewusst wird. Dies erfordert eine besondere Methode der Betrachtung und des Denkens, dessen Voraussetzungen unabhängig von den Institutionen der Gelehrtheit und den sozialen Bedingungen des Zugangs zu den Wissensbeständen sind, nämlich universal postulierbare Kategorien der conditio humana: Neugierde, ein gesunder Menschenverstand, ein guter Wille,130 ein durch Erfahrung geläutertes Fühlen,131 Mut und Vorsicht sowie ein ebenso basales, analytisch anzuleitendes Distinktionsvermögen zwischen „cuestiones de palabra", „cuestiones de hecho" und „cuestiones de concepto".132 So entspricht die Stimme, die als authentischer, mit der Person des Autors übereinstimmender,Erzähler' des Teatro und der Cartas dem Ideal des „hablar claro, y desengañar a todos"133 verschrieben ist, nicht der Person

128

Feijoo: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 19 (TCU 1989, S. 95).

Ders. (1729): Ilustración apologética..., a.a.O., S. 186. Teil dieser intellektuellen Landkarte ist die literarische Landkarte („mapa literario"). Vgl. Ders. (1728): „Mapa intelectual, y cotejo de Naciones", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 2 (Abhandlung 15), S. 299-321, hier: S. 302. 129

130 „No hay hombre de buen entendimiento, que no sea de buena voluntad." Ders.: „Paradojas políticas, y morales" (TCU VI, 1), a.a.O., S. 69.

„El fundamento grande de mi sentir, es la experiencia". Ders.: „Desagravio de la profesión literaria", in: Ebd., Bd. 1 (Abhandlung 7), S. 179-189, hier: S. 180. 131

132

Ardao: Lógica y metafísica, a.a.O., S. 77.

„¿Pues qué se ha de hacer? Fácil es la resolución. Hablar claro, y desengañar a todos." Feijoo: „Balanza de Astrea" (TCU III, 11), a.a.O., S. 254. 133

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eines Universalgelehrten der Hörsäle und Katheder, sondern dem Konzept eines formalen Modells. Die enzyklopädische Mannigfaltigkeit der Beispiele enthält ganz ausdrücklich ein Moment der Willkür, insofern der Angriffspunkt des Modells die möglichst kontextunabhängige Methode ist: eine Anleitung zur intersubjektiven Analyse jeder beliebigen Frage im Bereich des menschlichen Wissens und zur reflexiven Aussonderung der (vielen) Irrtümer auf dem Weg zur (je einen) Wahrheit. Feijoos Modell hat einen theoretischen und einen praktischen Aspekt. Theoretisch beruht es auf einem formalen, antithetischen Argumentationsgerüst, das in ausgewählten meta-analytischen Abhandlungen genauer ausgeführt wird. Praktisch wird es von einem durchgängigen, das Aussonderungsprinzip implementierenden Stil der Antithese (im Satzbau, in der Ordnung der Beispiele, in der Wahl der Bilder) getragen, von dem weiter unten die Rede sein wird. Das Argumentationsgerüst, das als eine mit dem Namen Feijoo verknüpfte Errungenschaft der literarischen Philosophie gelten kann, zeichnet sich dadurch aus, dass es empirisch gestützt, vollkommen rational und mathematisch formalisierbar ist. Jede Frage und jedes Problem wird zwischen jeweils zwei Extremen aufgespannt, die eine Folge von Argumenten niemals erreichen kann und diese somit stets auf sich selbst - und die Dialektik der kleineren Gegensätze - zurückwirft. Der eine Extrempol ist das unerreichbare Ideal einer „universellen Wahrheit", in der jeder Bereich der natürlichen und politischen Wissensdesiderate dem menschlichen Verstand zugänglich (und jeder Irrtum ausgemerzt) wäre, wobei die Stimme des Volkes, als solche der gesamten menschlichen Gattung, das empirisch unmögliche Ergebnis eines „unänime consentimiento de todo el pueblo de Dios" ergäbe.134 Der andere Extrempol ist der für Feijoos Modell der Diskursanalyse unhintergehbare Ausgangspunkt einer negativen (d.h. nicht existierenden) Wahrheit, von der sich jede rationale Argumentation tendenziell zu ,entfernen' hat, um dem positiven Ideal zuzustreben. Feijoo nennt

134 Feijoo: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 18. Die empirische Unmöglichkeit einer solchen „Iglesia universal" (ebd.) entspricht für den Benediktiner allerdings einem Ideal, das auf einer transzendenten Hoffnung beruht - „por la promesa que Cristo [...] hizo de su continua asistencia, y de la del Espíritu Santo" (ebd.) - und das jede auf eine Wahrheit abzielende Argumentation tendenziell anstrebt.

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diesen Pol den „universellen Irrtum".135 Der Error universal beschreibt eine prinzipielle und - als anthropologische Disposition - natürlich gegebene Grenze des menschlichen Verstandes, die auf der grundsätzlichen Unzulänglichkeit des Menschen beruht, die Tragweite des eigenen Denkens richtig einzuschätzen: „Esta es la piedra donde tropiezan todos: [...] nadie se conoce a sí mismo; [...] el error universal es el juicio ventajoso, y no merecido, que todos hacen del propio entendimiento".136 Dieses sokratische Prinzip der Unmöglichkeit (und daraus abgeleiteten ethischen Pflicht) der Selbsterkennung gilt auf unterschiedliche, gemäß der,Intensität' differenzierbare Weise für jeden Menschen, für den Tölpel ebenso wie für den Lehrer oder den Weisen: „Llegando al entendimiento, no hay que pensar, que nadie se conozca. Todos se hacen merced a sí propios, necios, y entendidos, aunque no con igual ceguera".137 Der universelle Irrtum zeichnet den negativen Part der Zusammengehörigkeit aller in der gemeinschaftlichen prozesshaften Dialektik von verdad und entendimiento. Die universelle Wahrheit und der universelle Irrtum befinden sich ursprünglich in Äquidistanz zum jeweiligen Objekt der Untersuchung. Die Argumentationsfolgen sind sodann gemäß der Fortschrittsteleologie des pädagogisch-enzyklopädischen Programms in Richtung des ersten (durch Gottes Gnade transzendent gestützten) Extrempols zu orientieren. Die Einzelbewegungen des Verstandes (auf dem Weg zur Wahrheit) unterliegen zwischen den beiden Polen einer Analyse ihrer kommunikativen Konstitutionsbedingungen, die

135 Ders. (1734): „El error universal", in: Ebd., Bd. 6 (Abhandlung 13), S. 381-402. Mit P. Hazard lässt sich der „universelle Irrtum" - „notre longue erreur" - als ein konzeptuelles Gegenstück zur „critique universelle" betrachten. Paul Hazard (1935): La Crise de la conscience européenne (1680-1715), Paris 1968, Bd. 1, S. 17£f.

Feijoo: „El error universal", a.a.O., S. 383. Ebd. Daraus ergibt sich zugleich Feijoos revolutionäre Ansicht, dass angesichts der Vernunft alle Menschen die gleichen natürlichen Voraussetzungen mitbringen und sich nur durch die (qua Erziehung bereitzustellenden) Mittel des Zugangs zu den Ebenen der praktischen (realen) Wissensanwendung unterscheiden: „[...] se debe considerar, que al entendimiento no le constituye bueno, o malo el saber mucho, o poco. El saber mucho consiste en tener muchas noticias; y el tenerlas depende de adquirirlas. Esto lo logran la buena memoria, la oportunidad, y la aplicación. Por falta de alguna de estas tres circunstancias [...] hay excelentes entendimientos, que son como tablas de hermosa, y bien dispuesta materia para recibir las imágenes de los objetos; pero tablas rasas [...] en quienes nada se ha pintado". Ebd. 136

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ihrerseits rational und gemäß einer „Regia matemática" 138 formalisierbar sind. Die je spezifische Wahrheit, im sehr modernen, proto-wittgensteinschen Sinne der Korrektheit eines ausgesagten Sachverhalts, resultiert im Modell des feijooschen Aussagegerüsts aus der mathematischen Funktion der Wahrscheinlichkeit (verisimilitud), die über die „Fe Humana" genannten, d.h. noch nicht zur Wahrheit gelangten Aussageelemente einer bestimmten Situation des Wissens gelegt werden. Gleich welcher Bereich in Natur, Medizin, Ökonomie, Politik, Recht, Gesellschaft, Geschichte, Kunst, Philosophie, Literatur etc. dabei in Frage steht, immer verfügt das Modell über ein gleiches Gerüst von Grundfragen der analytischen Vorgehensweise: 1) Was wird gesagt? 2) Ist das Gesagte bezweifelbar? Wenn das Gesagte bezweifelbar ist: 3) Wer spricht? Und schließlich, in der vergleichenden Aussonderung, sofern widersprüchliche Aussagen zum gleichen Sachverhalt existieren: 4) Was kann gesagt werden? „Reglar matemáticamente la Fe Humana [...] en orden al conocimiento"139 heißt also stets, ein mehrfaches Verhältnis zu ,berechnen': zwischen a) der Natur einer Fragestellung (in Abhängigkeit vom Grad ihrer Singularität bzw. Außerordentlichkeit), b) ihrer Relevanz (in Abhängigkeit vom Grad der Nützlichkeit einer Antwort auf die Frage für den einzelnen Menschen bzw. die Gesellschaft) und c) der Glaubwürdigkeit (fidedignidad) einer Person oder einer Gruppe von Personen, die sich zu einem in Frage stehenden Problem bereits geäußert haben. Letzteres, die genaue und umsichtige' Untersuchung (examen circunspecto) der Glaubwürdigkeit der am Diskurs beteiligten Subjekte nimmt dabei den größten Raum der im Text modellhaft durchexerzierten Analysen an. Da die menschliche Erfahrung ebenso wie das gesunde Urteilsvermögen, welche die einzigen Voraussetzungen der essayistischen Vorgehensweise sind,140 über die komplexen Zusammenhänge der meisten Sachverhalte des Wissens nicht urteilen kann, richtet sich die methodische Anleitung zur eigenständigen Wahrheitsfindung auf die Kritik der Autorität, die als Archiv der Wissensbestände - und als konzeptuelles Gegenstück zu den Begriffen des Irrtums und des

138 Ders. (1733): „Regia matemática de la Fe Humana", in: Ebd., Bd. 5 (Abhandlung 1), S. 1-32. 139 Ebd., S. 5, S. 22. 140 „Salgo al campo sin más armas que el raciocinio, y la experiencia". Ders.: „Prólogo", in: Ebd., Bd. 2, S. XXXII.

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Glaubens141 - jeder die Untersuchung herausfordernden,Stimme' zugrunde liegt. Kritik der Autorität bedeutet bei Feijoo das analytische Herausfiltern der menschlichen Bedingungen von Aussagen des Wissens. Dazu gehören allgemeine Eigenschaften von Personen, die zum Wissen durch Rede oder überlieferte Texte beitragen, wie das Alter, die soziale Position, der Leumund, die Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet, und zudem spezifische Eigenschaften in der Auseinandersetzung mit bestimmten Sachverhalten wie der Stil (einer Rede oder einer Schrift) und die Einhaltung der Regeln des „guten Willens", d.h. die (unaufgeregte) Objektivität der Argumentation, die Freiheit von persönlichen Angriffen, die Konsistenz der Erklärung etc. Schließlich gehört auch das Verhältnis zwischen diesen subjektiven Eigenschaften und der Natur (bzw. der Relevanz) der Fragestellung, wie die Distanz, das Interesse oder die Nützlichkeit bestimmter Aussagepositionen, zu Feijoos Autoritätskritik. Una noticia extraordinaria y singular necesita de singulares y extraordinarias pruebas. Bastará, pues, una veracidad común, para hacer creer una cosa que nada tenga de especial; mas tratándose de dar asenso a alguna noticia, que por muy especial o prodigiosa hace ardua la creencia, es menester que venga testificada por una veracidad heroica y peregrina.142

Während die Eigenschaften der fidedignidad, deren Kriterien bestreitbar bleiben, an der Grundvorrauseizung des guten Willens gemessen werden müssen,143 gilt es in der Beurteilung des Gesamtzusammenhangs - „[para] juzgar rectamente de las cosas, una vez que se impongan en los términos"144 - , die wissenskonstituierenden Elemente

141 „Llámase Fe Humana aquel asenso que se funda únicamente en la autoridad de los hombres". Ders.: „Regla matemática de la Fe Humana", a.a.O., S. 2.

Ebd., S. 5. „La fidedignidad se juzga frecuentemente sobre unas reglas comunes muy falibles". Ebd., S. 3. Insofern ist auch der vorausgesetzte gute Wille, der am Modell des Edelmannes (hombre de bien) exemplifiziert wird, stets in seiner Extension zu ,messen': „[...] suponiendo ser verdadera la hombría de bien, es menester medirla, y saber qué extensión tiene". Ebd., S. 7. 142

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144 Ders.: „El error universal", a.a.O., S. 387. „Muchas alteraciones porfiadísimas se cortarían felizmente sólo con explicar recíprocamente el arguyente, y el sustentante la significación, que dan a los términos." Ders. (1739): „Abusos de las disputas verbales", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 8 (Abhandlung 1), S. 1-12, hier: S. 7.

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einer Situation so zueinander in Beziehung zu setzen, dass eine Entscheidung über den Wert bzw. das,Gewicht' (peso) einer jeden Aussage ermöglicht wird.145 Das Resultat einer solchen Messung ergibt sich im Hinblick auf die Ordnung des Wissens aus der Berechnung der Distanz der jeweiligen Eigenschaften einer jeden Aussageposition in Bezug zum universellen Irrtum, oder positiv ausgedrückt: aus dem Potential ihrer Annäherung an die universelle Wahrheit, deren anthropologisches Substrat die (ethisch perfektible) Rechtschaffenheit des Urteils (rectitud del juicio) ist.146 So wird am Ende jeder exemplarischen (modellhaften) Abhandlung das Gewicht derjenigen Aussagen aufsummiert, die mit einem bestimmten Recht den Glauben des Volkes sanktionieren und in das Archiv des Wissensbestände eingehen dürfen. Dabei bleibt das entsprechende Urteil der conclusiones stets von der Relevanz einer Frage bzw. der Nützlichkeit einer Antwort für den sozialen Zusammenhang abhängig. Je mehr Menschen von einem Gegenstand unmittelbar betroffen sind, desto deutlicher muss das Gewicht der beglaubigenden Autoritäten erkennbar sein: En estas materias, que son [...] de la jurisdicción de todos los hombres, no hay verdad alguna, que no esté en algún modo estampada en los entendimientos de todos, por lo menos de aquellos, que tienen el judo bien puesto, y son dotados de una buena razón natural.147

In der Kritik ist Feijoos unumstößlicher Glaube an den praktischen Erfolg dieser Vorgehensweise als naiver „Barockismus" abgehandelt worden. Hinter der pedantisch anmutenden Form der peinlich genau „Examinada la fidedignidad, se debe pesar con la irregularidad o inverisimilitud del suceso, para ver quién prepondera a quién; pues no hay hombre alguno que sea infinitamente fidedigno, o cuya fidedignidad sea de infinito peso. Unos lo son más que otros; pero todos en grado determinado. Así, según el mayor o menor grado de fidedignidad, gozan mayores o menores derechos sobre nuestra Fe." Ders.: „Regla matemática de la Fe Humana", a.a.O., S. 2. Im Übrigen gilt, dass auch die Bücher zu den ,Aussagemodalitäten' zählen, deren Autorität zu beurteilen ist, woraus sich die Werteskala der „libros excelentes, libros medianos, y libros ruines" ergibt. Vgl. ders.: „Nuevo caso de conciencia", a.a.O., S. 293. 145

146 „Supuesto [...] que, [...] en el entendimiento hay que considerar muchas facultades distintas: digo, que el error universal no es respectivo a cualquiera de ellas, y mucho menos a todas juntas; sí solo en orden a una, pero la más esencial, que es la rectitud del juicio". Ders.: „El error universal", S. 387. 147 Ebd., S. 389.

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sich wiederholenden „avisos", „blasones" und „clausulas [...] arredondadas con afectación para retintín del oído" 148 ist die eigentliche Originalität von Feijoos Philosophie verkannt worden. In die Ideologie der Antisystematik eingebettet, die sich gegen die dogmatische Scholastik wendet, gehört das Argumentationsgerüst, das als Konzept hinter der Kritik an den Autoritäten steht, auch für die Hagiographen nicht zu den Elementen, die das „authentische Wunder" 149 oder die „zur Ehre des 18. Jahrhunderts gereichenden Auserlesenheit"150 Feijoos ausmachen. In der Tat wird die Stringenz des rationalen Modells durch den Eklektizismus des Stils, der die antisystematische Intention implementiert, verschleiert. So gibt es im ganzen Werk keine einzige Stelle, an der Feijoo die ethischen Prämissen der richtigen Unterscheidung von Glauben und Wissen systematisch' - mit dem Ziel der analytischen Rekapitulation - zusammenträgt. Die einzige Stelle, die einer solchen Zusammenfassung nahekommt,151 ist in Latein geschrieben und wird (auf subtil ironische Weise) dem bayrischen Jesuiten Eusebio Amort (1692-1775) zugewiesen, der die Echtheit der 1686 päpstlich sanktionierten,Privatoffenbarung' von Maria de Jesús de Agreda (Mystica Ciudad de Dios, 1670) in Zweifel zog und dabei eine verallgemeinerbare Regel der,Wissensprüfung' befolgt habe: Nihil temere, sine praevio examine, admittendum est. [...] Dubia Semper, tamquam dubia proponenda, ac recipienda sunt. Ratio est omni Authoritati humanae praeferenda. [...] Omne argumentum probabile sumitur a communiter contingentibus. [...] Plus in Auetore ratio, quam auetoritas valet.

148 Sánchez Agesta: El pensamiento político del despotismo ilustrado, a.a.O., S. 44ff.: „Feijóo con ello sella la tumba de todo un estilo literario de pensamiento político. Después de Feijóo ya no volverá a aparecer este género en la literatura española, si no es como una curiosidad arcaizante o erudita". Vgl. a. Menéndez Pelayo: Historia de los heterodoxos, a.a.O., Bd. 5, S. 88ff. 149 „Resulta pasmoso este auténtico milagro que fue el P. Feijoo [...] su inmensa producción está alumbrada por destellos de inteligencia". Américo Castro (1921): „Algunos aspectos del siglo XVIII (Introducción metódica)", in: Ders.: Españoles al margen, Madrid 1973, S. 43-71, hier: S. 54. 150 „La gran excelencia de Feijoo [...] contribuye a la gloria del siglo XVIII". Alborg: „Feijoo y el nuevo espíritu científico", a.a.O., S. 176. 151 Daher ist es auch nicht korrekt, zu behaupten, dass es überhaupt keine solche Darstellung gäbe: „Feijoo [...] nunca se avino con un plan sistématico de exposición, que facilitara su estudio". Femando Montero Moliner: „Prólogo", in: Cerra Suárez: Las ideas antropológicas, a.a.O., S. 11-13, hier: S. 11.

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Consensus omnium Populorum praesumitur fundari in ratione naturali. [...] Sensus verborum dependet ex uso loquentium. Sensus verborum dubius debet sumi ex contextu. [...] Traditio tamdiu meretur fidem, quamdiu de eius corruptione non habentur positiva argumenta.152 Gegen den Vorwurf des Barockimus - oder der umgekehrten, den Geist Feijoos ebenso verkennenden Behauptung des vorweggenommenen Romantizismus 1 5 3 - lässt sich jedoch die Deutlichkeit der den Stil prägenden Haltung des Schriftstellers ins Feld führen. Zu keiner Zeit vor diesem Höhepunkt der Frühaufklärung ist in Spanien das philosophische Problem der Epistemologie und ihrer Methodik auf solch konsequente Weise in die Hand des Menschen gegeben worden wie in der Kritik Feijoos. Auch ist die zeitspezifische Unterscheidung von buen gusto und gusto del vulgo bei keinem Autor so radikal in Frage gestellt worden. Feijoos Kritik beruht als „juicio recto de lo que se debe afirmar, negar o dudar en una materia" auf verallgemeinerbaren und allgemeinverständlichen Regeln: „Estas, que llaman reglas de Crítica, no son más que unas, que a todo hombre de buen entendimiento dicta su razón natural." 1 5 4 Eine antisystematische Haltung ist außerdem nicht zwangsläufig unmethodisch, wie man mit Rafael Lapesa gegen die Kritik an der Kritik einwenden kann: „El hecho de reducir el acto creador al funcionamiento de las dotes intuitivas no lo despoja por completo de elaboración". 1 5 5 Das Verhältnis zwischen den Gegenständen und der Methode ihrer Darlegung wird bei Feijoo auch auf der Ebene der (impliziten) Rezeptionsanweisungen als Bestandteil der allgemeinen Dialektik in die Verrechnung der Faktoren einer Wissenskonstellation mit einbezogen. Dies hat im Übrigen ein 152 Feijoo: „De la Crítica" (CE II, 18), a.a.O., S. 241f. Feijoo verfügte offenbar über Amorts Schrift De Revelationibus, Visionibus et Apparationibus Privatis Regulae... von 1744. Die Aufmerksamkeit des spanischen Benediktiners erreichte der Äquiprobabilist Amort aufgrund des,Katalogs' seiner Regeln über die Unterscheidung von echten und falschen Privatoffenbarungen, die zwar dem Geist der scholastischen Systematik folgen, aber aufgrund des Versuchs einer logischen Fundierung derselben eine (vorsichtige) Kritik der Orthodoxie zum Ausdruck bringen.

„El discurso de Feijoo [hier ist insbesondere El no sé qué gemeint (s.u.)] es un verdadero manifiesto romántico". Menéndez Pelayo: Historia de las ideas estéticas, a.a.O., Bd. 3, S. 106. 153

Feijoo: „De la Crítica", a.a.O., S. 241. Rafael Lapesa: „Sobre el estilo de Feijoo", in: Ders.: De la edad media a nuestros días. Estudios de historia literaria, Madrid 1967, S. 290-299, hier: S. 292. 154

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Zeitgenosse Feijoos, der Zensor des dritten Bandes des Teatro, Don Pedro de la Torre (seines Zeichens „Colegial del Mayor de San Bartolomé, y Penitenciario de la Santa Iglesia de Oviedo"), schon 1729 gesehen: „El más rudo entiende lo que dice, y el más sutil alaba el modo." 156 Aus dieser Darstellung der Vorgehensweise von Feijoo folgen (zumindest) drei Eigenschaften, die mit Bezug auf die konzeptuelle Verfasstheit des Teatro crítico und der Cartas eruditas festzuhalten sind. Wegweisend für das epistemologische Verhältnis von Literatur und Philosophie sind diese Gründungstexte der spanischen Aufklärung zum einen durch die Freilegung (und unbegrenzte Inklusion) des in der Scholastik jahrhundertelang überirdischen Mächten zugeschriebenen menschlichen Faktors, der sodann als natürlich-anthropologisches Konzept den Folgebegriffen der Empirie, der Rationalität, der Induktion und der (keinesfalls selbstzerstörerischen) Reflexion zugrunde gelegt wird. Der Wagemut des Einzelnen, sich seines Verstandes zu bedienen - ,,camin[ando] sin más luz, que la del propio entendimiento"157 - , ist ein Aufbruch in die Ungewissheit, der allein durch die methodische Einbettung in ein abstraktes Kollektiv zum „sicheren Hafen der Wahrheit"158 führt. Insofern folgt Feijoos „Philosophie des Versuchs" der Gründungsfigur der Moderne, Francis Bacon, dessen Idolenlehre (im Calendar of Popular Errors, ebenfalls als Methode der Aussonderung) der Spanier übernimmt, dessen Festlegung des essentiellen Rechts der Menschen auf Erkenntnis („ut mens suo jure in rerum naturam uti possit") er radikalisiert und dessen Wissensbegriff („the Knowledge of the mutual relations of all the departments of knowledge") er fortschreibt.159 Feijoo geht jedoch insofern über Bacons J56 p e d r o J e la Torre: „Censura", in: Feijoo: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 3, S. XIX-XXI, hier: S. XX. Feijoo (1736): „Prólogo al lector", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 7, S. XLI. Ders.: „Voz del Pueblo", a.a.O., S. 4. 159 Vgl. Francis Bacon (1620): Novum Organum, Aph. 39-44, a.a.O., S. 101-105 (zur Idolenlehre); ders. (1605): The Advancement of Learning, Oxford 2003, S. 100 (zum „Calendar of Popular Errors") sowie ders.: Nova Atlantis, Vorwort (zum Menschenrecht auf Erkenntnis). Feijoos Auseinandersetzung mit dem „gran Canciller" durchzieht das gesamte Werk, ohne dass einzelne Abhandlungen hervorgehoben werden könnten. Weitere Elemente, die der Spanier im Geist des Engländers fortschreibt, sind das Prinzip des durch Neugierde angetriebenen Experiments, die Kompetenzverteilung von Physik und Metaphysik (im Spannungsfeld zwischen der gesunden Religion und 157 158

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„Instauratio magna" hinaus, als er die Produktion des neuen Wissens - die Methodik, Funktionen und Grundlagen der neuen Philosophie der Forschung - nicht auf die (internationale) Gemeinschaft der Wissenschaftler beschränkt, sondern auf die Gemeinschaft der Menschen insgesamt ausweitet. Zum zweiten führt die in den abstrakten Argumentationszusammenhang eingebettete allgemeine Dialektik von Wahrheit und Irrtum zu einer Erneuerung der Figur des Autors (bzw. dessen textuellen Funktionen). Mit dem Souveränitätsverlust der Aussageinstanz im Vergleich zu den Autoritäten des goldenen Jahrhunderts (von Juan Luis Vives bis Gracián) geht auch der Verlust der Möglichkeit einher, die Entscheidungsinstanz für die Wahrheit der Sachverhalte an einem Ort zu bündeln. Die Tatsache, dass bei Feijoo der Weg zur Wahrheit über die Irrtümer führt, impliziert, dass der Zweifel, dessen „Reichweite" er in den „Abusos de las disputas verbales" 160 analysiert, nie ganz ausgeräumt wird. Die Grundsätzlichkeit des Zweifels - dies ist die eigentliche Bedeutung von Feijoos Skeptizismus161 - ist im Gegenteil ein notwendiger Bestandteil der Wahrheitsfindung: „En lo que yo acaso soy singular es en que estoy persuadido a que para lograr la utilidad, importa que todo el mundo conozca la incertidumbre." 162 Jedes Wissen ist dem Irrtum ausgesetzt oder kommt aus ihm hervor. Insofern verfehlt auch die Aufzählung der Fehler, die Feijoo selbst

den Gesetzen der Natur), die Einbettung des Denkens in offene und wechselnde konzeptuelle Zusammenhänge, die Entwicklung einer induktiven Methode sowie der Begriff einer in die Zukunft gerichteten Scientia activa als „lichtbringender" Weg der Verwirklichung und der Koordination zwischen Theorien, Beobachtungen und experimentellen Tätigkeiten. Ansätze eines Vergleichs dieser beiden Begründer der europäischen Moderne finden sich bei Russell Sebold: „Colón, Bacon y la metáfora heroica de Feijoo", in: Josep Roca Pons (Hg.): Homenaje a Don Agapito Rey, Bloomington 1980, S. 335-354. Feijoo: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 8 (Abhandlung 1), S. l l f . Auch die Skepsis ist,graduell' zu messen, um als adäquate Methode einsetzbar zu sein: „Hay tanta latitud en el Escepticismo, y son tan diferentes sus grados, que con este nombre, según la varia extensión que se da a su significado, se designan el error más desatinado, y el modo de filosofar más cuerdo. [...] Escéptico significa lo mismo que Dubitante". Ders.: „Escepticismo filosófico", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 3 (Abhandlung 13), S. 291-347, hier: S. 291. Vgl. a. Cerra Suárez: Las ideas antropológicas, a.a.O., S. 69ff. 160 161

Feijoo: „Respuesta al Doctor D. Martín Martínez", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 2, S. 353-382, hier: S. 356. 162

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unterlaufen sind, den Kern der philosophischen Konzeption des Textes bzw. kann allein dem Zweck der Beschreibung von,Kuriositäten' innerhalb der historischen Verfasstheit eines bestimmten Wissens dienen.163 Gerade Feijoos problematisches Apriori der prinzipiellen Möglichkeit von Wundern, die durch kirchliche Autoritäten sanktioniert und daher mit besonderer Vorsicht (d.h. vorbildlicher Bescheidenheit') dem Prinzip des Zweifels zu unterlegen sind,164 macht auf der anderen Seite deutlich, dass der universelle Irrtum als Motor der Spekulation über das Unentscheidbare kein philosophisches Problem darstellt, sondern allein als Effekt der Nutzen-Schaden-Analyse zu sehen ist. Anstelle der Aufsummierung der Fehler ist es somit zielführender zu fragen, ob und inwiefern Feijoos Irrtümer „fruchtbare Irrtümer" 165 sind bzw. - gemäß dem zeitgenössischen Ausdruck von Sempere y Guarinos - sich in das „nützliche Ferment" (fermentación útil)166 der Werke einspeisen. Zum dritten führen diese Eigenschaften schließlich auch zu der Frage nach der Rezeptionsinstanz des Textes zurück und beschreiben eine spezifische Neuheit in der (spanischen) Geschichte der literarischphilosophischen Konzeption von Leserfiguren. Durch die in den Prólogos eingerichtete experimentelle Implikation' des Lesers in die Dialektik von Wahrheit und Irrtum (und seine kommunikative Affizierung' durch das

163 Marañón (Las ideas biológicas, a.a.O., S. 43ff.) führt eine ganze Reihe von Fehlern auf, denen Feijoo im Bereich der Naturbetrachtung unterliegt: so z.B. der Zweifel an der Existenz von Flusspferden oder die Darstellung der Navigationskunst von Delphinen. Ebenso irrt Feijoo mit seinen Annahmen der Produktion kalten Feuers auf dem Mond, des mikroskopischen Abbilds der Pflanze in ihrem Samen, einer möglichen Vergiftung der Luft durch das Vakuum, einer organischen Verbindung zwischen Darm und Blase, der Existenz durch Geruch tötender Gifte, der Möglichkeit einer Paarung von Frauen mit männlichen Tieren etc. Zu Feijoos Theorie über den Seelenbesitz der Tiere vgl. José Manuel Rodríguez Pardo: El alma de los brutos en el

entorno del Padre Feijoo, O v i e d o 2 0 0 8 . 164 Vgl. z.B. Feijoo (1745): „Hecho, y derecho en la famosa cuestión de las Flores de S. Luis del Monte", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 2 (Brief 29), S. 356-414. Die Annahme, dass schon die bloße Tatsache, dass es der Spanier überhaupt wagt, sanktioniertes Wissen der Kirche in Zweifel zu ziehen, einem Wunder gleichkomme, ist insofern unzutreffend, als der Zweifel auch im katholischen Dogmatismus das,universelle' Gegenstück des Glaubens ist. 165

„Los errores de Feijoo [...] son hijos de la inteligencia creadora". Suárez Wilson:

„El Teatro crítico universal", a.a.O., S. 135f. 166

Sempere y Guarinos: Ensayo de una biblioteca española, a.a.O., S. 24.

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enzyklopädisch-didaktische Projekt) unterliegt die Rezeptionsinstanz ihrerseits einer Differenzierung und entsprechenden Rollenverteilung, die sich durch den jeweiligen Abstand zu jener Idealkonstruktion ergeben, in der die Stimme des Volkes der Stimme Gottes entspräche. Die Multiplikation der Adressaten, die aus der Reduzierung der Anforderungen an die Leserfigur auf die Basis des guten Willens und des (mit Glück, Gedächtnis und Fleiß gepaarten) gesunden Verstandes resultiert, wird durch die Ethik eines Inklusion-Exklusion-Verhältnisses gesteuert, das zugleich diejenigen Elemente aussondert, welche der Kommunikation hindernd im Weg stehen. Dies sind die von Feijoo schon zu Beginn stigmatisierten ,Feinde' des Projekts: der müßige Adelige, der dogmatische Professor, der lernfaule Priester, aber auch die verschiedenen Formen des eingebildeten Wissenschaftlers: escribientes, copistas, tertuliantes etc. Der Widerstand dieser Typen, die sich selbst aus dem kommunikativen Projekt exkludieren, ist ein ethisches Problem, weil sie aufgrund der Überlegenheit ihres sozialen Kapitals eigentlich eine Vermittlerrolle gegenüber dem ungebildeten Volk einnehmen müssten. Allerdings ist der Widerstand in der Praxis leicht zu brechen, weil es im Prinzip genügt, die Typen zu individualisieren, sprich sie als individuelle Leser des Textes zu gewinnen: „Feijóo's missionary aim [is] to bully the lazy into thought".167 Sobald ein Leser gewonnen ist, unterliegt die Kontinuität seiner Partizipation (am Text durch die Lektüre) - analog zur Partizipation des Autors (der das Projekt am Ende dem Leser übergibt) - dem automatisch' sich selbst regulierenden Zwang der gemeinsamen Sache, nämlich des allgemeinen Interesses am Fortschritt des Wissens über den Menschen.168 Die Fortschreibung der baconschen „Revolution der Denkart" (Kant) beruht in literarischer Hinsicht nicht zuletzt auf der Einbettung der Leserfigur in das Konzept seiner voz del pueblo. Die Identifikation mit dem Volk funktioniert nicht wie bei La Bruyère - „Je ne balance pas: je veux être peuple"169 - über McClelland: Benito Jerónimo Feijóo, a.a.O., S. 19. Der Mensch gemäß der Anthopologie Feijoos ist überhaupt nur ein Mensch, insofern er die Frage nach sich selbst als eine gemeinschaftliche (kollektive) stellt: „El vulgo es el pueblo, ese pueblo a quien Feijoo dedica su primer Discurso, no el pueblo infalible de los románticos, ni menos el,pueblo necio' a quien hay que halagar; sino más bien el hombre en tanto que necesita opinar sobre cuestiones comunes". Bueno: „Sobre el concepto de,ensayo'", a.a.O., S. 102. 167 168

169 Jean de La Bruyère (1688): Les Caractères ou les Mœurs de ce siècle („Des grands"), Paris 1962, S. 262.

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die Setzung des Autors, sondern über die literarische Gemeinschaft der Leser, deren größtmögliche Anzahl immer nur ein Teil des Volkes ist. Der Essayismus der pädagogisch-enzyklopädischen Ausrichtung von Feijoos Werk ist aussagekräftig für die wissenschaftshistorische Situation im Spanien der Zeit und zugleich stilprägend für die Entwicklung des philosophischen Denkens sowie die in der Folge sich instituierenden Geistes- und Humanwissenschaften.170 Das größte Verdienst des Autors Feijoo ist jedoch eine wegweisende Konzeption des literarischen Schreibens an den noch offenen diskursiven Schwellen zur Philosophie und zur Wissenschaftsgeschichte, die nicht nur für die Bewegung der spanischen Ilustración selbst, sondern über die Generación del 98 bis heute von Bedeutung ist. Bevor es jedoch nun anschließend darum geht, den poetologischen Geist von Feijoos,Regeln der Literatur' genauer zu beschreiben, seien drei Merkmale der häufig missverstandenen Ideologie des Autors noch einmal zusammenfassend vorgebracht: 1) Feijoo ist der Schöpfer einer neuen Denkweise (Konzeption) literarisch-philosophischer Prosa. Ungenügend ist es, den Autor mit dem Argument des fehlenden Spezialistentums' in einer Wissenschaft allein auf die Figur des,Vermittlers' (divulgador) zu reduzieren.171 In der Auswahl und der Anordnung seiner ,generalistischen' Argumentationsfolgen, die immens große (jedoch abzählbare) Teilmengen aus den zeitgenössischen Enzyklopädien der Erudition ins Feld führen, wird eine spezifische Haltung der Interpretation offenkundig, die in die ,Intrige' des sich selbst überflüssig machenden Wissenschaftserzählers eingebettet ist. Dies lässt sich schon anhand der ,Gewichtung' der verwendeten Quellen erkennen, und zwar sowohl auf Seiten der angeführten Zeitschriften und Wörterbücher v.a. französischer (und damit beargwöhnter) Provenienz als auch auf Seiten der zitierten Autoritäten älterer Zeit, die zumeist zum Zweck ihrer Verteidigung gegen (als ideologisch zu entlarvende) Verurteilungen herangezogen werden.172 Bei ersteren ist

170 Feijoo ist also nicht nur aus dem Grunde als der „fundador de la filosofía de lengua española" (Ardao: Filosofía de lengua española, Montevideo 1963, S. 41) anzusehen, weil er in spanischer Sprache schreibt. 171 „Feijoo est beaucoup mieux qu'un polygraphe". Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. IX. 172 Es nicht notwendig, die Gesamtübersicht der Quellen Feijoos noch einmal zu reproduzieren. Neben den vielen schon genannten Studien unternahm dies zuletzt

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schon die bloße Tatsache, die Werke von Fontenelle - De l'origine des fables (1684), Entretiens sur la pluralité des mondes (1686), Digression sur les anciens et les modernes (1688) - und Pierre Bayle - La France toute catholique sous le règne de Louis-Le-Grand (1685), De la tolérance (1686), Dictionnaire historique et critique 1697-1702 - gegen die vorherrschende Häresieauffassung als Autoritäten der Wissenschaft anzuerkennen, im Spanien des frühen 18. Jahrhunderts ein revolutionärer Akt.173 Wenn sich unter den Bulletins der Akademien und gelehrten Gesellschaften, die in der internationalen Bewegung der Frühaufklärungen den Ton angeben - Le Dictionnaire de l'Académie française, Le Grand Dictionnaire historique, L'Histoire de l'Académie Royale des Sciences, L'Histoire de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Le Dictionnaire des termes des arts et des sciences, Le Journal des Sçavants - ausgerechnet die Mémoires de Trévoux als die am häufigsten verwendeten Quellen Feijoos erweisen, so liegt dies nicht allein am pragmatischen Aspekt der Verfügbarkeit und des Respekts für die sichere (und gemäßigte) Autorität der diese Texte produzierenden Jesuiten (deren Vorherrschaft in wissenschaftlichen Angelegenheiten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch unbestritten ist), sondern auch an der kritischen Intention, die gerade die jesuitische Färbung der Érudits de Trévoux im Spektrum der um Neutralität bemühten Argumentationen ins Visier nimmt.174 Desgleichen kommt mit Bezug

Enrique Rodríguez Cepeda: De Benito Feijoo a Martín Sarmiento. Bibliografía e iconografía crítica de la obra de Feijoo, Lugo 2008. 173 Insbesondere Pierre Bayle ist für Feijoo nicht nur als Autorität für die Notwendigkeit, jedes Wissen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, sondern auch als Pionier der literarischen ,Massenkommunikation' und Verteidiger der République des lettres von größter Bedeutung. Feijoo besaß eine 13-bändige Ausgabe der durch Bayles Dictionnaire historique et critique inspirierten und von Samuel Masson herausgegebenen Histoire critique de la République des lettres (Utrecht 1712-1718), die Delpy (Bibliographie des sources françaises de Feijoo, a.a.O., S. 38) gesehen hat. Die Geistesverwandtschaft mit dem „Schöpfer der historischen ,Akribie'" (Cassirer: Die Philosophie der Aufrdärung, a.a.O., S. 215.) sind in Ansätzen von Charles N. Staubach untersucht worden: „The Influence of Bayle on Feijoo", in: Hispania 22 (Stanford 1939), S. 79-92. Vgl. a. Ignacio Elizalde Armendáriz: „La influencia de Bayle y Fontenelle en Feijoo", in: David Kossoff und José Amor Vázquez (Hg.): Actas del VIII Congreso de la Asociación Internacional de Hispanistas, Madrid 1986, Bd. 1, S. 497-510. 174 Die unterschwellige Auseinandersetzung des Benediktiners mit den Jesuiten, die den Mathematiker Claude François Milliet de Chales, die Logiker Guillaume Hyacinthe Bougeant und Noël Regnault, den Theologen Luis de Losada und vor allem den Bibelübersetzer Dominique Bouhours einbezieht (dessen in La Manière de

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auf das Panoptikon der älteren Autoritäten der Philosophie - für die Antike v.a. Plutarch, Plinius, Titus Livius, Sallust, Tacitus, Seneca, Cicero, Augustinus; für die Moderne (neben den im Anschluss genannten Autoren) v.a. Bembo, Beyerlinck, Boyle, Campanella, Gassendi, Gesner, Kircher, Mejia, Las Casas, Locke, Newton, Suárez, Vives - schon durch die Auswahl der Namen der verteidigende Geist Feijoos gegen bestehende (und im Einzelfall kritisch zu prüfende) Häresieanklagen und Exklusionsmechanismen zum Ausdruck, der zugleich auf die spezifische philosophische Haltung im Kontext der Wertungsanalyse des Autors verweist. Trotz der immer wieder zitierten ,Vorläufer' des Projekts zur „Ausmerzung der Irrtümer im Volk" - so z.B. Cosme de Aldana (Invectiva contra el vulgo y su maledicencia, Madrid 1591), Thomas Browne (Pseudodoxia Epidemica, London 1646), Juan de Zabaleta (Errores celebrados de la Antigüedad, Madrid 1653), oder Claude Buffier (Examen des préjugés vulgaires, pour disposer l'esprit à juger sainement de tout, Paris 1704) - ist Feijoos Konzept der ,Volksaufklärung' der Ausdruck eines originären Denkens. Insofern ist die These von Luis Sánchez Agesta, Feijoo sei ein typischer Denker seiner Zeit,175 dahingehend zu bekräftigen, dass er unter diesen der originellste ist. Feijoos Philosophie des „Versuchs" schreibt sich in die Theorie der Wissenschaft und zugleich in die Tradition der literarischen Prosa-Experimente ein, die in Spanien mit Cervantes' Roman Don Quijote begonnen und mit Graciáns Criticón einen weiteren Höhepunkt erfahrenhat. Seine Weise zu schreiben und das Schreiben zu konzipieren ist - um einen Versuch im Hinblick auf die fünf wichtigsten europäischen Referenzen vorzunehmen - nicht nur eine vorgebliche (sich durch das Zitat autorisierende), sondern auch ganz praktische Fortführung des wissenschaftlichen Kollektivismus Bacons, des universalistischen Toleranzdenkens von Erasmus, des

bien penser dans les ouvrages d'esprit von 1687 vorgenommene Überhöhung der französischen Sprache zum Gegenstand einer Widerlegung wird), ist jedoch ebenso übertrieben dargestellt worden wie die jesuitische , Identität' des wissenschaftlichenzyklopädischen Werks der Equipe de Trévoux insgesamt. Zur ersten Übertreibung vgl. Ceñal: „Fuentes jesuíticas francesas", a.a.O., S. 308ff.; sowie Paul Richard Blum: „Warum lobt Fray Benito Jerónimo Feijoo OSB den Scholastiker Luis de Lossada SJ?" in: Tietz (Hg.): La secularización de la cultura española, a.a.O., S. 15-31; zur letzeren: Alfred R. Desautels: Les mémoires de Trévoux et le mouvement des idées au XVIIIe siècle. 1701-1734, Rom 1956. „[Feijoo es] un típico, quizá el más típico, pensador español de este siglo." Sánchez Agesta: El pensamiento político del despotismo ilustrado, a.a.O., S. 48. 175

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freidenkerischen Moralismus Graciáns, des skeptischen Historismus Bayles und des subjektiven Empirismus Montaignes.176 2) Feijoo ist ein eminent politischer Autor. Die Identität (Haltung, Stil und Vorgehensweise) seines Werks beruht auf einer strengen „adhesión al concepto de necesidad política".177 Seine anthropologisch orientierte Ethik präsentiert - als Resultat der Wahrheitsanalyse im Feld der Politik - (allgemeinverständliche) Notwendigkeiten und Vorschläge zur Umsetzung von sozialpolitischen Reformen, die an den Grundfesten der absolutistischen Gesellschaft rütteln. Feijoos Ideal der „Armonía de las clases sociales", das in der schon seit der Antike bekannten Metapher vom menschlichen Körper verbildlicht wird - in der die Religion die Seele, der Fürst den Kopf, die Regierung das Herz, das Militär die Arme, die Beamten den Magen und die Landarbeiter die Beine der gesunden Gesellschaft verkörpern178 -, tangiert die ,Eingeweide' dieses Gebildes: die politische Verfassung des Staates, das Verhältnis von sozialen Klassen und gesellschaftlichen Funktionen, die Forderung nach einer ,Umverteilung' der ökonomischen Kräfte (Kapital, Arbeitsteilung,

176 Zur Rolle von Gradan als Moralist en vogue zwischen 1680 und 1725 vgl. Hazard: La Crise de la conscience européenne, a.a.O., S. 335ff. Zu Rolle von Erasmus als Modell des ,Essayismus' bei Feijoo vgl. Victoria: Teoría del ensayo, a.a.O., S. 29-34; sowie Mestre Sanchis: „La espiritualidad del Siglo de Oro en los ilustrados españoles", in: Universidad de Oviedo (Hg.): II Simposio sobre el Padre Feijóo y su siglo, Oviedo 1983, S. 363-407, hier: S. 368-374. Die Verhältnis von Feijoo zu Montaigne bleibt noch genauer zu untersuchen. Ansätze finden sich bei López Fanego: „Algunas analogías entre Feijoo y Montaigne", in: Ebd., S. 393-412. Victor Bouillier (La fortune de Montaigne en Italie et en Espagne, Paris 1922) stellt nur fest, dass mit Ausnahme von Quevedo und Feijoo die Essais Montaignes in Spanien überhaupt nur „äußerst wenige Spuren" hinterlassen habe. Trotz der bescheidenen Anzahl der Stellen, an denen der Autor der Essais tatsächlich zitiert wird, gibt es eine ganze Reihe von Parallelen zum ersten,Schriftsteller' der Neuzeit, z.B. im Konzept der Empirie (der Essay als Form, das Wissen als Experiment) und in der stilistischen Technik: die Abfolge von Zitat, Beobachtung und Analyse; die Argumentation über die abwägende Reduktion von Gegensätzen; das Prinzip der Historisierung des Wissens; die Betonung des gesunden Menschenverstands und des Kommunikationsprinzips; der skeptische, auf Reflexion subjektiver Erfahrung beruhende Humanismus; das Ohr für die Weisheiten und Sprichwörter im Volksmund; die Ästhetik der Lektüre zum,persönlichen Gebrauch'; die Ansätze eines kosmopolitischen Menschenbilds etc. 177 Rodríguez Cepeda: De Benito Feijoo a Martín Sarmiento, a.a.O., S. 73. Vgl. a. Sánchez Agesta (El pensamiento político, a.a.O., S. 46): „Feijoo ha cuajado el ensayo como nueva forma literaria de pensamiento político". 178 Feijoo (1739): „Honra, y provecho de la Agricultura", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 8 (Abhandlung 12), S. 390-426, hier: S. 408.

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Landbesitz, Kommunikationsmedien, Zugang zu Bildung und Wissen) und nach einer Grundlegung eines allgemeinen ,Sozialrechts' (mit weitreichenden und sehr detailliert beschriebenen Folgen für das Straf- und Prozessrecht).179 Die passionierte Verteidigung der armen Landarbeiter und Tagelöhner: „yo me lamento de los pobres que trabajan, y hambrean [,..]"180 und der Angriff auf die vermeintlich natürlichen Privilegien des Adels, der sich aus der anthropologischen Neuprägung des humanistischen Ansatzes ergibt: „es verdad que en alguna manera nos ilustra la excelencia de los progenitores; pero nos ilustra como el Sol a la Luna, descubriendo nuestras manchas si degeneramos",181 entsprechen der durch die allgemeine „Erziehung des Menschengeschlechts" zu realisierende Konzeption einer sozialen (Rechts-)Gleichheit der einzelnen Teile des Volks, die weit über den „Geist der Gesetze" eines Montesquieu hinausgeht. Vor dem Gesetz - und also vor Gott - ist bei Feijoo sogar der König in seiner menschlichen Verfasstheit ein schlichtes,Subjekt7: „el Rey es hombre como los demás, hijo del mismo padre común, igual por naturaleza, y sólo desigual en la fortuna".182 Der feijoosche „Sozialismus"183 bzw. der protokommunistische Ansatz seiner Sozialkritik haben in der Kritikgeschichte den Begriff vom spanischen Voltaire' entstehen lassen, der in konservativen Kreisen für das Schreckgespenst des französischen

179 Martínez Risco: Las ideas jurídicas, a.a.O., S. 39ff, S. 53ff. Zur Verknüpfung von (Sozial-)Ethik und Recht bei Feijoo vgl. a. Onofre Francisco Caramés: „Ubicación de un enemigo del error. Verdad y falacia en el Padre Feijoo", in: Universidad Nacional de La Plata (Hg.): Fray Benito Jerónimo Feijoo, a.a.O., S. 19-37, hier: S. 34f.; sowie Maravall (1976): „El espíritu de crítica y el pensamiento social de Feijoo", in: Ders.: Estudios de la historia del pensamiento español, a.a.O., S. 190-212, hier: 203ff. 180 „[...] debiendo con más razón lamentarme de los ricos, que comen, y engullen lo que aquellos trabajan". Feijoo: „Honra, y provecho de la Agricultura", a.a.O., S. 412. 181 Ders.: „Valor de la nobleza, e influjo de la sangre", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 4 (Abhandlung 2), S. 26-44, hier: S. 29. „Un gran bien haría a los Nobles quien pudiese separar la nobleza de la vanidad" (ebd., S. 29). Zur politischen Brisanz der Adelskritik, die sich aus der Anthropologie Feijoos ergibt, s. Cerra Suárez: Las ideas antropológicas, a.a.O., S. 89ff. Vgl. a. Martínez Lois: El padre Feijoo, a.a.O., S. 305. 182 Feijoo (1729): „La ambición en el Solio", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 3 (Abhandlung 12), S. 270-290, hier: S. 286. Vgl. a. die Ausführungen über die psychologischen' Parallelen zwischen Karl XII. von Schweden und Karl dem Großen (Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 1, Brief 29, S. 229-245) bzw. zwischen Ludwig XIV. und Zar Peter I. (ebd., Bd. 3, Brief 19, S. 200-216.) 183

Francisco Eguiagaray: El P. Feijóo y la filosofia de la cultura de su época, Madrid

1964, S. 89.

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Radikalismus steht: „Quien llegue a conocer las ideas de Feijóo sobre el amor patrio y la patria, sin saber en qué cabeza germinaron, de seguro imaginará que pertenecen y corresponden más bien a la testa hirsuta y aborrascada de un revolucionario doctrinal de fines del siglo XVffl". 184 Die als Radikalität wahrgenommene Strenge des sozialen Gemeinschaftsgedankens beruht jedoch nicht auf einer extremistischen, sondern auf einer innovatorischen Sichtweise, die jede Form von extremer Positionierung gerade ausschließt. Das Revolutionäre an Feijoo ist die Radikalität seines Relativismus, der eine Reinterpretation Machiavellis (im Sinne eines pragmatischen Utilitarismus) möglich macht, 185 der in der Lage ist, zur Verteidigung der Begriffe des Vaterlands und der Nation den spanischen Patriotismus (als im Übermaß schädliches Gefühl) anzugreifen,186 das überhöhte Vorbild der Antike in Frage zu stellen,187 die ruhmreiche, die Spanier mit Stolz erfüllende Conquista zu kritisieren188

184 Ramón Pérez de Ayala: „Patriotismo - Feijóo", in: Política y toros. Obras completas, Bd. 12, Madrid 1925, S. 19-50, hier: S. 37. 185 „Las verdaderas artes de mandar, son elegir Ministros sabios, y rectos, premiar méritos, y castigar delitos, velar sobre los intereses públicos, y ser fiel en las promesas." Feijoo: „La Política más fina", a.a.O., S. 100. „Estoy lejos de pensar que Maquiavelo haya empeorado al mundo". Ders.: (1733) „Maquiavelismo de los antiguos", Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 5 (Abhandlung 4), S. 72-102. Vgl. José Antonio González Feijoo: El pensamiento ético-político de B. ]. Feijoo, Oviedo 1991, S. 86-89, S. 98f. Zum Utilitarismus als Telos der europäischen Aufklärung insgesamt (im Sinne einer souveränen Haltung gegenüber dem Begriff des Naturgesetzes) vgl. Gay: The Enlightenment, a.a.O., Bd. 2, S. 459ff. 186 „En caso que por razón del nacimiento contraigamos alguna obligación a la Patria particular, [...] esta deuda es inferior a otras cualesquiera obligaciones cristianas, o políticas". Feijoo: „Amor de la Patria, y pasión nacional", a.a.O., S. 244. (TCU 1989, S. 118). Zu Feijoos „neuem Paradigma der Nation" zwischen „Chauvinismus und Weltbürgertum" sowie „Jenseitsfixierung und Regionalismus" s. Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 142-151. Vgl. a. Isaac González García: „Las ideas políticas y sociales de Feijoo", in: Studium Ovetense 4 (1976), S. 115-138. 187 „¿Qué fue la República Romana? Una gavilla de ladrones, que engrosándose más y más cada día, empezó robando ganados, prosiguió robando poblaciones, y acabó robando Reinos." Ders.: „Glorias de España. Primera parte", a.a.O., S. 360 (TCU 1989, S. 163). Ein im Stil und im Tonfall geradezu äquivalente Formulierung findet sich 20 Jahre später bei Rousseau: „Rome, jadis de Temple de la Vertu, devient le Théâtre du crime, l'opprobre des Nations et le joüet des barbares". Jean-Jacques Rousseau (1750): „Discours sur les sciences et les arts", in: Œuvres complètes, Bd. 3, Paris 1964, S. 1-30, hier: S. 10. 188 »¿Qué es un conquistador sino un azote que la ira divina envía a los Pueblos; una peste animada de su Reino [...]". Feijoo: „La ambición en el Solio", a.a.O., S. 270.

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und in seinem „Vergleich der Nationen", 189 der über die Kontinente Europa, Amerika und Asien (mit der typischen Aussparung Afrikas) führt, Ansätze eines universalen, auf den,Weltfrieden' zulaufenden Kosmopolitismus zu entwickeln, der den Boden für Cadalsos Cartas marruecas bereitet. 3) Die politische Philosophie Feijoos enthält eine Teleologie des geschichtlichen, d.h. von Menschen gemachten - oder im Sinne Vicos: kulturellen - Fortschritts, die trotz der im Text weit verstreuten (rhetorischen) Beteuerungen, solche Gedanken auszusparen, über eindeutige Spuren einer philosophischen Theologie verfügt. Der Versuchsaufbau des allgemeinen Argumentationsrahmens impliziert eine prinzipielle Inklusion aller Diskurse, die Elemente eines Wissens enthalten, dessen Wahrheit der Überprüfung anheimgestellt werden kann. Ebenso prinzipiell entspricht es dem Ziel der Argumentation, auch absolut konträre Positionen miteinander zu konfrontieren bzw.,stückweise', das Gewicht der Autoritäten abstrahierend, in Übereinstimmung zu bringen. Insofern nimmt Feijoo durch seine Eingriffe in das Gefüge der zeitgenössischen „valores en pugna", 1 9 0 der großen Streitfragen um die Begriffe des Kosmopolitismus, des Naturalismus und des Realismus, zwangsläufig Positionen ein, die schon nicht mehr in die klassischen 189 Ders.: „Mapa intelectual, y cotejo de Naciones", a.a.O. (TCU II, 15). Vgl. hierzu: Sánchez Agesta: „El ,Cotejo de naciones' y la igualdad humana en Feijoo", in: Universidad de Oviedo (Hg.): El padre Feijoo y su siglo, a.a.O., Bd. 1, S. 205-218; sowie Antonio Lafuente und Nuria Valverde: „Las políticas del sentido común: Feijoo contra los dislates del rigor", in: Urzainqui (Hg.): Feijoo, hoy, a.a.O., S. 131-157. Historisch gesehen, ist es eine erstaunliche Tatsache, dass die politische Philosophie Feijoos von Seiten des Königtums (im aufflammenden Kampf gegen die jesuitisch dominierte katholische Kirche Spaniens) als Autoritäts- und Herrscherwissen anerkannt worden ist. Eine mögliche Erklärung liegt in der zeitgenössischen Reaktion auf die Abhandlung „Glorias de España" (TCU IV, 13), die im Geist der nach Selbstvertrauen strebenden Zeit und in einem auf Juan Pablo Forner vorausweisenden Stil die Heldentaten der spanischen Eroberer glorifiziert, damit aber gerade im Widerspruch zum Geist des Gesamtswerks steht. „Su exaltado ensayo Glorias de España forma una excepción y casi una contradicción en la estrategia de Feijoo." Clemente Hernando Balmori: „Feijoo, un nacionalista antinacional", in: Universidad Nacional de La Plata (Hg.): Fray Benito Jerónimo Feijoo, a.a.O., S. 59-65, hier: S. 62. Schon der erste deutsche Übersetzer Ludwig Harscher von Almendingen (in: Feijoo: Kritik gemeiner Irrthümer, Gotha 1791, S. 59f.) stellt die Sonderstellung der „Glorias" fest, deren „Apologie der Barbareyen" und „unhistorischsten Darstellungen" er nicht übertrug, um „über diese Unredlichkeit des Betragens [...] den Schriftsteller in der Folge rechtfertigen zu können." 190

Ghiano: „El Padre Feijoo", a.a.O., S. 41.

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Kategorien der drei sich erst herausbildenden Grundüberzeugungen des 18. Jahrhunderts - „pensamiento absolutista tradicional, absolutismo ilustrado y pensamiento liberal"191 - hineinpassen und zugleich einer Vielzahl als häretisch gebranntmarkter Autoren gefährlich nahekommt. In der Kritik wird bis heute die Selbstbeteuerung Feijoos als „católico convencido" 192 für bare Münze genommen bzw. der ,weise' oder, äußerst vorsichtige' Umgang mit der Heiligen Inquisition, deren Repräsentanten zu den Briefpartnern des Benediktiners gehörten, hervorgehoben.193 Festzuhalten bleibt die historische Tatsache, dass die Inquisition in den ca. 6000 Seiten des feijooschen Gesamtwerks überhaupt nur zwei Absätze (welche die Möglichkeit der Versündigung beim Tanz beschrieben) faktisch beanstandet hat und aus der Abhandlung „Importancia de la ciencia física para la moral" (TCU VIII, 11) streichen ließ.194 Nichtsdestotrotz läuft der methodische Skeptizismus Feijoos, der hinter dem Postulat der prinzipiellen Hinterfragbarkeit aller philosophischen Aussagen auch die in diesen (zumeist implizit) vorausgesetzten theologischen Anschauungen mit aufgreift, auf eine (absolut unausgesprochene) Haltung hinaus, die man als „substantiellen Agnostizismus" 195 bezeichnen kann. Genau genommen entspricht der rationalistische Relativismus der metaphysisch zu nennenden Skepsis des Essayisten einer Position, die, als solche ausgesprochen, dem gefürchtetsten Gegner der scholastischen Dogmatik in Spanien nahekäme, nämlichen einem (an Leibniz, Locke oder Voltaire erinnernden) Deismus. Feijoo ist in der Tat ein Deist mit panentheistischen Zügen. Denn Gott (als oberstes Vernunftsprinzip) ist für ihn der absolute, d.h. vollkommene, unvordenkliche und gedanklich uneinholbare Fernández Díaz: España en el siglo XVIII („Introducción"), a.a.O., S. 49. González Feijoo: El pensamiento ético-político, a.a.O., S. 42. „El cristianismo íntegro del P. Feijoo es su rasgo diferencial más profundo frente a los escritores filósofos de allende los Pireneos". Fernando Lázaro Carreter: Significación cultural de Feijóo, Oviedo 1957, S. 23. 193 „En Espagne [...] la crainte de l'Inquisition est le commencement de la sagesse". Sarrailh: L'Espagne éclairée, a.a.O., S. 177. Arturo Ardao (Lógica y metafísica, a.a.O., S. 102ff.) diagnostiziert bei Feijoo einen wahren „temor de la Inquisición". Gemäß Marañón (Las ideas biológicas, a.a.O., S. 39ff.) übt die Inquisition eine „begrenzende Wirkung" auf die Entfaltung der naturwissenschaftlichen Themen im Teatro aus. Zugleich widerlegt Marañón die Behauptung der absoluten Orthodoxie Feijoos in theologischen Fragen, vgl. ebd., S. 69f. 194 Die fehlenden Passagen finden sich bei Caso González und Cerra Suárez: Bibliografía, a.a.O., S. 117ff. Vgl. a. Rodríguez Pardo: El alma de los brutos, a.a.O., S. 31-34. 195 Martínez Lois: El padre Feijoo, a.a.O., S. 265. 191

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Schöpfer allen Seins - „aquel inefable, supremo Ente, que es vida y alma de todo" 196 - , der nach der Schöpfung in dieselbe nicht mehr eingreift und dem Menschen die Aufgabe hinterlässt, der Natürlichkeit' ihrer Gesetze gemäß den beschränkten Bedingungen des menschlichen Verstandes auf die Spur zu kommen. Dadurch entspricht Gott zugleich dem absoluten Subjekt der Metaphysik und einem Objekt der metaphysischen Wissenschaft des Menschen: Esta máxima de que Dios es el que es, que es el ser mismo, que es toda la plenitud del ser, no sólo da a quien lo reflexiona un concepto digno de la Deidad; mas es un principio fecundísimo para deducir de él todas las perfecciones divinas, permitidas a nuestra inteligencia.197

Es gibt bei Feijoo eine (auf den Pantheismus von Malebranche zurück- und auf den Krausismo vorausweisende) panentheistische Ordnung allen Seins in Gott, die aus der Perspektive der Menschen jedoch - aus einer Immanenz, die nur idealiter, aber niemals reell mit der Transzendenz in Eins kommen kann - in einer Ontologie der Mannigfaltigkeit besteht: „El Criador es como un piélago inmenso, interminable del ser, con exclusión absoluta de toda carencia, quien, como incluye en sí toda bondad, asimismo incluye toda entidad".198 Während das Sein selbst - Gott - stets unergründlich (,inefable') bleibt, sind die von ihm abhängigen und auf ihn hinführenden Entfaltungen des Seins über die Analyse ihrer Eigenschaften annäherungsweise, durch historisch-kritische Abwägung, über die gleiche „mathematische Regel" teleologisch bestimmbar wie die Aussagesätze im Gefüge der Fe humana. Der besondere Zug Feijoos besteht hier in einer Versöhnung des alten Wettstreits zwischen der Philosophie und der Theologie um die Hoheit der Interpretation des Seins und der Natur - im dialektischen Spannungsverhältnis von Fe y entendimiento, Gracia y naturaleza, Revelación y demostración - auf der Grundlage einer Verknüpfung mit der neuen, experimentellen (Natur-)Philosophie: „[...] la experimental,

196 Feijoo (1734): „Maravillas de la Naturaleza", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 6 (Abhandlung 6), S. 225-256, hier: S. 252. 197 Ders. (1736): „De lo que conviene quitar y poner en la Lógica y Metafísica", in: Ebd., Bd. 7 (Abhandlung 12), S. 299-307, hier: S. 304.

Ders. (1760): „El Todo, y la Nada, esto es, el Criador, y la Criatura, Dios, y el Hombre", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 5 (Discurso 2), S. 26-65, hier: S. 63. 198

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y verdadera Filosofía conduce al conocimiento de la infinita perfección del Autor de la naturaleza".199 Dieser Anlauf zur Konkretisierung des baconschen Traums von den Wissenschaften, „usando del método, y órgano de Bacon",200 offenbart sein revolutionäres Potential nicht allein aufgrund der (formal notwendigen) Invektiven gegen die Sophismen der ,artifiziellen' scholastischen Logik201 und der aristotelischen Annahme von der Unveränderbarkeit der Welten.202 Er ist vor allem aufgrund der Tatsache revolutionär, dass das alte, jeder transzendenten Einheit des Denkens im Wege stehende Problem der Unvereinbarkeit zwischen der Unendlichkeit Gottes und der Endlichkeit der sterblichen Wesen der Natur, das zuvor in den Pensées Pascals ihren höchsten Ausdruck erfahren hat, bei Feijoo im Begriff des (perfektiblen) Menschen eine Instanz findet, die zwischen Geist und Materie vermitteln kann.203 Verbindet man diese Position mit dem Faktum, dass der Benediktiner die Gesetze der Vermittlung für mathematisch (und damit letztlich ,natürlich') beschreibbar hält und der mathematischen Determination die (nur im Vergleich zu Gott eingeschränkte) Freiheit des menschlichen Subjekts entgegenhält, so ist es äußerst erstaunlich, dass sich innerhalb 199 „[...] El carácter más seguro de la verdadera Filosofía es darse la mano con la Religión". Ders. (1736): „Lo que sobra, y falta en la Física", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 7 (Abhandlung 13), S. 308-337, hier: S. 333. Dies führt Feijoo (trotz der durchgängigen Descartes-Kritik) im gleichen induktiven Zug zur einem (naturwissenschaftlichen Beweis der Existenz Gottes: „Feijoo está postulando al infinito Dios a partir de realidades cuya complejidad es sólo finita". Ezequiel de Olazo: „El Padre Feijoo y su prueba de la existencia de Dios", in: Universidad de Oviedo (Hg.): II Simposio sobre el Padre Feijóo, a.a.O., S. 29-52, hier: S. 47.

Feijoo: „Escepticismo filosófico", a.a.O., S. 346f. Ders.: „Diálogo entre un Dialéctico, y un Crítico", in: „Desenredo de sofismas", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 8 (Abhandlung 2), S. 13-30, hier: S. 21-26. Vgl. a. Juan Manuel Campos Benítez: „La crítica de Benito Jerónimo Feijoo a la lógica", in: Revista de Filosofia 53 (2006), S. 39-58. 202 Ders. (1739): „Corruptibilidad de los cielos", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 8 (Abhandlung 7), S. 178-197. Damit einher gehen die ebenfalls streng anti-aristotelischen Annahmen der Existenz der Leere - vgl. ders. (1733): „Existencia del Vacio", in: Ebd., Bd. 5 (Abhandlung 13), S. 299-313 - und sogar einer mit der modernen Ontologie durchaus kompatiblen Unendlichkeit von leeren Räumen bzw. Mengen: „Qué es la limitación sino carencia, o, por mejor decir, un complejo de innumerables carencias?" Ders.: „El Todo, y la Nada", a.a.O., S. 62. Vgl. a. Ardao: Lógica y metafisica, a.a.O., S. 60-65. 203 o e r s (1760): „Establécese la Máxima Filosófica, de que en las substancias criadas hay medio entre el espíritu, y la materia", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 5 (Brief 2), S. 91-123. 200 201

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der Polemik der Reaktionen auf Feijoo keine katholische Stimme erhebt, die dieses Weltbild als das bezeichnet, was es in Bezug auf seine Zeit ist: eine häretische Philosophie. Die Gründe dafür, dass der Deismus Feijoos (im Gegensatz zu den ihm nachfolgenden Autoren) unerkannt geblieben ist, sind ein interessantes Feld für die Spekulation. Drei Elemente werden mit Sicherheit dazu beigetragen haben: die expliziten und sehr scharfen Angriffe gegen den Atheismus,204 die Betonung des Einklangs von Glaube und Vernunft in der Wunderkritik - ,,justifica[ndo] la creencia en Dios entre los amantes de la naturaleza y la dedicación a la ciencia entre los que aman a Dios" 205 - und vor allem die Aussparung einer Analyse des Erbsündedogmas, die den Autor aufgrund seiner Verteidigung der natürlichen, von Gott gegebenen, aber sozial zu konkretisieren Religion gezwungen hätte, mit den heiligsten der gütig in Ruhe gelassenen Autoritäten in Konflikt zu geraten. 206 In jedem Fall wird in keiner der in Spanien folgenden Strömungen des moderaten, stets in etwas fade Widersprüche verstrickten „cristianismo ilustrado" 207 das Prinzip der Ilustración - im Sinne der ,kritischen Erläuterung' - solcherart auf die Grundfrage der Theologie angewendet werden wie bei Feijoo: „ilustrar, o aclarar más la altísima idea del Divino Ser". 208 Die Kritik findet sich verdichtet in der „Invectiva y demostración contra los Ateístas", in: Ders.: „Maravillas de la Naturaleza", a.a.O., S. 252-256. 205 Olazo: „El Padre Feijoo", a.a.O., S. 52. 206 An der Entscheidung zwischen den Positionen des jede Teleologie verunmöglichenden Sündenfalls und der Fortschrittsmöglichkeit freier Menschen entzündet sich seit dem 16. Jahrhundert immer wieder der unversöhnliche Kampf zwischen den Dogmatikern und den Theisten. Vgl. Cassirer: „Das Dogma der Erbsünde und das Problem der Theodizee", in: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. 143-167. Feijoo hätte durch die bloße Annahme der Möglichkeit einer Falschheit des Erbsünde-Glaubens nicht nur die humanistische (Erasmus), sondern auch die reformatorische Position (Luther) verteidigen müssen. Doch so konsequent wagte Feijoo seinen eigenen Weg nicht zu gehen. 204

Zu den dogmatischen Grenzen des theologischen Aufklärungsdenkens vgl. Smidt: „Luces por la Fe", a.a.O.; Mestre Sanchis: „La actitud religiosa de los católicos ilustrados", in: Guimerá (Hg.): El reformismo borbónico, a.a.O., S. 147-163; sowie Vicente Rodríguez Casado: „El intento español de ilustración cristiana'", in: Estudios Americanos 9 (1955), S. 141-169. Vgl. a. Hazard: La pensée européenne au XVIIIe siècle, a.a.O., S. 117-132. Zur Problematik des Begriffs der „christlichen Philosophie" vgl. Cruz del Pozo: Gassendismo y cartesianismo, a.a.O., S. 123ff. 207

208 „Persuasión al Amor de Dios, fundada en un principio de la más sublime Metafísica, y que es juntamente un altísimo dogma Teológico, revelado en la Sagrada Escritura", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 5 (Discurso 1), S. 1-25, hier: S. 3.

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Die P r o s a d e r spanischen Aufklärung

2 . 5 . D I E REGELN DER LITERATUR. Z U R ERNEUERUNG DER SPANISCHEN PROSA

Feijoo ist der Neuschöpfer der spanischen Prosa im 18. Jahrhundert. Sein Werk ist der Ausdruck einer ästhetischen und poetologischen Leistung, die eine Grundfolie für die Ausdrucksformen und Stilkonzeptionen der nachfolgenden Prosaliteratur geprägt hat. Überhaupt wird die Prosa, die in Spanien seit Graciáns Criticón ( 1 6 5 1 - 1 6 5 7 ) keinen die Kunstform erneuernden Text mehr hervorgebracht hat, erst mit Feijoo für das mit ihm einsetzende Zeitalter der Aufklärung wieder ,hoffähig'. Während das barocke und (neo-)klassizistische Zeitalter die philosophische Betrachtung der Regeln der Literatur den höherwertigen' Gattungen der Poesie und des Theaters auferlegte, markiert der Teatro crítico universal den erneuten Aufbruch in die gefährlichen', da vermeintlich regellosen Gefilde der Prosa. Feijoos Versuch, das philosophische Denken in die literarische Prosa zurückzuholen, steht gleichsam ex nihilo und im bloßen Verweis auf die Modelle der spanischen Klassik ohne zeitgenössische Vorbilder oder Mitstreiter dar. Zugleich ist sein Versuch für das gesamte Jahrhundert grundlegend. Im Konzert der äußeren Kräfte, die in diesem Jahrhundert des Kampfes um die Literatur die Regeln der Kunst beeinflussen, wird keiner der Nachfolger mehr so unbehelligt die Grenzen des Möglichen ausloten wie der vom König per Dekret geschützte, mit den Repräsentanten der Inquisition freundlich korrespondierende und in den Tertulias als Held verehrte Padre Feijoo. Gerade im Vergleich zu Gracián als dem unmittelbaren' Vorgänger (nach welchem die Zeit der Dekadenz üblicherweise mit dem Mantel des Schweigens überbrückt wird) zeigt sich die besondere Bedeutung der Kategorisierung von Feijoos Werk unter der Gattung der literarischen Prosa'. Während sich der Conceptismo des philosophischen Romans bei Gracián durch die ingeniöse, geistesscharfe „Assoziation von Worten und Ideen" auszeichnet, deren (mythologische) Ontologie der Korrespondenzen auf der realen Ebene der politischen Rezeption die Begriffspaare von Erfindungsgeist und Didaktik, Gelehrtheit und persönlichem Stil, desengaño und (satirischer) Gesellschaftsanalyse bereithält,209 so stehen die gleichen Eigenschaften bei 209

Emilio Hidalgo-Sema: „Introducción", in: Baltasar Gracián: El Criticón, Madrid

2007, S. 11-41, hier: S. 19-35. Laut Gracián, der die Frage des Verhältnisses von

Positionen und Kontexte der Prosaliteratur

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Feijoo für die primär philosophische Vorgehensweise eines Textes, der die Möglichkeiten und ,Spielräume' der Literatur (als Technik der Worte-Ideen-Assoziation) aus der Perspektive einer prinzipiellen Gattungsoffenheit wiederholt. In der Situation des sich ab 1725 erneut ausdifferenzierenden Verhältnisses von Literatur und Philosophie, an der Feijoo maßgeblichen Anteil hat, darf das fehlende Vertrauen in den Roman, 210 der mit Torres Villarroel und dem Padre Isla in der unmittelbaren Folge von Feijoo - und auf der Grundlage seiner Wegbereitung - erst wieder für,möglich' gehalten wurde, nicht dazu führen, dem Begründer der spanischen Aufklärung den Status des Schriftstellers und des Künstlers abzusprechen. Dieser findet gerade durch den essayistischen Stil seinen wesentlichen Ausdruck: „El padre Feijóo [es un] artista literario". 211 Die literarische Kunstfertigkeit des Schriftstellers Feijoo, der die Gattungsoffenheit seiner Unternehmung selbst unter dem Begriff der „Literatura mixta" 2 1 2 fasst, hat sowohl eine ästhetische als auch eine

Philosophie und Literatur von beiden Seiten, d.h. in der Zusammenführung beider Gattungen beleuchtet hat - „he procurado juntar lo seco de la filosofía con lo entretenido de la invención" (Gracián: El Criticón, „A quien leyere", ebd., S. 60) ist das Konzept der Agudeza, des (geistes-)scharfen Blicks, vorrangig gegenüber der „variedad de los Estilos". Ders. (1642): Arte de ingenio, Tratado de la Agudeza, Madrid 2010, S. 413-423. 210 Vgl. Lázaro Almanza: „Notas sobre la voz ,novela' en Feijoo y en la literatura de su época", in: Universidad de Oviedo (Hg.): II Simposio, a.a.O., S. 197-203. Zur Entwicklung des Romanbegriffs s. Kap. 4.1. 211 Otero Pedrayo: El padre Feijoo, a.a.O., S. 691. „Le style de Feijoo [...] a une réelle tenue littéraire". Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. 214. Und anders herum gilt, „[que] la pensée scientifique doit, et peut, s'exprimer dans une langue littéraire" (ebd., S. 218). 212 Feijoo (1753): „Respondiendo a una consulta sobre el Proyecto de una Historia General de Ciencias, y Artes", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4 (Brief 10), S. 118-126, hier: S. 123. An dieser Stelle verrät der Autor im Rückblick, dass er die gemischte Literatur, sprich: seine Enzyklopädie der „Discursos varios en todo género de materias", an der Stelle einer Geschichte der Theologie geschrieben habe, die zu verfassen gute Freunde glücklicherweise verhindert hätten: „Yo tuve algunos años há el pensamiento de escribir la Historia de la Teología; pero habiéndolo comunicado a algunas personas, cuyo juicio me era, y es más respetable, me disuadieron de él; representándome, que en España había mucho mayor necesidad de Literatura mixta [...]" Zur ,essayistischen' Qualität des Begriffs vgl. José Luis Varela: „La ,Literatura mixta' como antecedente del ensayo feijoniano", in: Universidad de Oviedo (Hg.): El padre Feijoo y su siglo, a.a.O., Bd. 1, S. 79-88.

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poetologische Komponente. Erstere ist der unmittelbare Ausdruck des literarischen Stils, der das Argumentationsgerüst ebenso wie die exemplarische Durchführung der einzelnen Argumentationsschritte innerhalb der relationalen Gewichtung von Wahrheit und Irrtum trägt. Die experimentelle' Implikation der Leserinstanz, die dem Werk eingeschrieben ist, zeitigt ihren historischen Erfolg aufgrund der perfekten Inswerksetzung einer offenen Kommunikation auf der Grundlage einer möglichst einfachen Sprache, deren Kraft, wie es gemeinhin heißt, sich auch die Gegner nicht entziehen können. „Sus contemporáneos, incluso los adversarios, reconocieron al monje polemista la condición de excellente, de magnífico literato".213 Die Sprache Feijoos beruht auf einer Eleganz der Klarheit: „[Es una] prosa clara y directa, siempre al servicio de la idea".2U Der Stil intendiert ein Sich-selbst-Unsichtbarmachen zum Zwecke der optimalen Kommunikabilität. „El estilo del Padre Feijoo [...] tiene en cuenta el público lector a quien va dirigida con una finalidad concreta".215 Diese letztlich unstrittige Charakterisierung erfüllt zugleich einen logischen Zweck. Die Anlage der rein auf die Sache gerichteten Kommunikation Feijoos überlässt der Gewichtsabschätzung von Aussagen und Argumenten mehr Spielraum, wenn die mathematische Konzeption nicht durch Ungenauigkeiten der Sprache beeinträchtigt wird. Unnötiges Ausschmücken oder (barocke) Überfrachtungen des Stils gehören zur negativen Grundbedingung textueller Werke und sind per se auszuschließen. Insofern verknüpft Feijoo den antiken Topos der (rhetorischen) Zurückhaltung - modestia, im Modus der ,Affektion'216 - methodisch mit einer größtmöglichen Öffnung der Sprache, um ein Höchstmaß von Allgemeinverständlichkeit zu erreichen. Die Offenheit für die Sprache impliziert zugleich eine Erweiterung der eigenen Aufmerksamkeit für die Ausdrücke, welche ihrerseits aus der Sprache (des Volks) an sein ,Ohr/ getragen werden: „Es preciso que prescindiendo de mis opiniones particulares, use del idioma común, y tome las voces como el mundo las entiende".217 Nun behauptet der Autor, der

Marañón: Las ideas biológicas, a.a.O., S. 78. Alvarez de Miranda: „Aproximación al estudio del vocabulario", a.a.O., S. 367, Herv. i. T. 215 Fernández González: Personalidad y estilo, a.a.O., S. 72. 216 Curtius: Europäische Literatur, a.a.O., S. 93ff. 217 Feijoo: „Mapa intelectual", a.a.O. (Ilustración apologética, Abhandlung 31), S. 191. 213 214

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sich mit der stilistischen Verfasstheit (bzw. der Angemessenheit) seines eigenen Textes beschäftigt und dabei ausdrücklich ,selbstreflexiv' agiert, dass sein Stil rein intuitiv, ohne besonderes Studium erworben sei und letztlich überhaupt keiner festen Regel folge: „Digo, que ni he tenido estudio, ni seguido algunas reglas para formar el estilo".218 Die einzige,regellose' Regel des gesunden Verstands beruhe auf einer Erprobung der Verständlichkeit gegenüber sich selbst: „Como posea bien el lenguaje, cualquiera que se explica bien a si mismo alguna cosa, se la explica bien a otro; y no puede explicarla bien a otro, quien no se la explica bien a si mismo". 219 Dieses Prinzip der ,Verständlichkeit des Selbstverständlichen' (im Vollzug des Verstehens) geht mit der philosophischen Grundhaltung von Feijoos Ästhetik einher, die den sprachlichen Ausdruck als ein natürliches Phänomen begreift. Der Kunstcharakter im Allgemeinen und die sprachliche Künstlichkeit im Besonderen korrumpieren das Ideal der Schönheit, die in der Natur am vollkommensten ist. Programmatisch hierfür stehen die genannte Abhandlung „La elocuencia es naturaleza, y no Arte" (CE II, 6) sowie, im gleichen Band, die Abhandlung „De la Critica", in der das auf der stoischen Rhetorik beruhende minimalistische Prinzip der kunstlosen bzw. ungekünstelten eloquentia mit der subjektreduzierenden Funktionsweise der Kritik selbst verschmilzt: „Lo que se llama Critica no es Arte, sino Naturaleza".220 Nun existiert aber die absolute Regellosigkeit auch in der Kunst ebenso wenig wie die Vollständigkeit aller wahren und schönen Sätze. Es besteht eine „Razön del gusto",221 d.h. ein (logischer) Grund für den (guten) Geschmack, und zwar sowohl auf der (kritisch) rezipierenden als auch auf der (essayistisch) produzierenden Ebene eines Werks. Hinweise zur Letzteren werden von Feijoo verschleiert, wenn er die erfolgreiche Imitation der Natürlichkeit, gemäß einer konsequenten Genieästhetik, dem ebenso unschuldigen wie unerklärlichen Talent einer Person zuschreibt, die hinter der Maske eines Autors steht (wobei das Beispiel seiner eigenen Person nicht unberücksichtigt bleibt): „La gala de las expresiones, la agudeza de los conceptos, la hermosura de

Ders.: „La elocuencia es naturaleza, y no Arte" (CE II, 6), a.a.O., S. 44. Ders.: „El error universal", a.a.O., S. 391. 220 Ders.: „De la Critica", a.a.O., S. 241. Vgl. Clyde C. Glasscock: „Feijoo on Liberty in Literary Art", in: Hispania 14 (1931), S. 265-278. 218

219

221

Feijoo (1734): Teatro critico universal, a.a.O., Bd. 6 (Abhandlung 11), S. 149-178.

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las figuras, la majestad de las sentencias, se las ha de hallar cada uno en el fondo del proprio talento."222 Allerdings enthält die Beschreibung dieser Ideologie der genialen Freiheit von den Regeln der Kunst durchaus auch ein Grundgerüst von regulativen Elementen der stilistischen Verfasstheit des sprachlichen Werks, nämlich Aussagen, Konzepte, Figuren und Sätze, deren (regelgeleitete) Funktionsweise im 20. Jahrhundert erforscht worden ist. Feijoos Sätze folgen einem ausgewogenen - dem Stil Rousseaus ähnelnden - Gleichgewicht antithetisch konstruierter Nebensätze, die um eine durch Haupt- oder Fragesätze transportierte These herum angeordnet sind und die abzuwägenden Elemente einer Argumentation (gleich spiralförmigen Schleifen) zur Auflösung tragen.223 Feijoos Figuren - v.a. Vergleiche, Metaphern und Allegorien - dienen dem gemeinsamen Zweck des , flüssigen Transports' der Aussagen und Erklärungen und zeichnen sich dabei durch eine ebenso eingängliche wie ,frappierende' Bildlichkeit aus, die den Leser im Unbewussten trifft und zur Teilnahme am Transport der figürlichen Sprache zwingt, ohne ihm die Freiheit zu nehmen, durch die hohe Variabilität der inhaltlichen Themen gestützt, eine andere Ordnung der Lektüre als die lineare zu wählen.224 Die Übergänge im figürlichen Gefüge des Stils glätten dabei rhetorische Wendungen der die Partizipation einfordernden Offenkundigkeitssuggestion wie: „después de mirar la materia con toda reflexión" - „creo, que los más de los hombres juzgan por digno" - „hablando sin duda en nombre de todos" - „para no dejar duda alguna al más preocupado de la opinión 222 Ders.: „La elocuencia es naturaleza, y no Arte", a.a.O., S. 50. Juan Luis Alborg z.B. folgt hier dem Autor ohne Einschränkung: „Así como no admitía Feijoo ninguna autoridad en la ciencia, tampoco aceptaba reglas estéticas; pensaba que el genio se desarrolla en libertad, y que en la mente del artista hay una luz superior a todas las reglas que se enseñan". Alborg: „Feijoo y el nuevo espíritu científico", a.a.O., S. 173. 223 Zur Beschreibung dieser rhythmischen Analogie (des regulierenden Satzbaus der freien Argumentation) zwischen Feijoo und Rousseau finden sich Ansätze bei

Jefferson Spell: Rousseau in the Spanish World before 1833. A Study in

Franco-Spanish

Literary Relations, Austin 1938, S. 20f. 224 „[La técnica de Feijoo es] de hacer partícipe al lector: se le ofrece la oportunidad de no respetar necesariamente [...] el orden lineal de la lectura, de escoger el momento, el lugar, el punto de la lectura". Manuel Camarero: La prosa de la Ilustración, a.a.O., S. 42. Zum Verhältnis von Theorie und Praxis des feijooschen Stils vgl. a. Di Bernardo: „Acerca de recursos dialécticos, fuentes y procedimientos estilísticos", a.a.O.; Lapesa: „Sobre el estilo de Feijoo", a.a.O.; sowie Samuel Eiján: „Ideas literarias del P. Feijóo", in: Boletín de la Real Academia Gallega XXIII (1943), S. 281-297, XXIV (1944), S. 35-50.

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común" - „con la facilidad de las luces más evidentes" - „coronando la cuestión con un argumento de sumo peso" - „propondré algunas razones, que me hacen fuerza, por la sentencia que les atribuye inteligencia" etc. Schließlich zeichnet sich das Vokabular Feijoos neben den genannten Eigenschaften der wissenschaftlichen Gelehrtheit und der ausgeprägten Vorliebe für Gallizismen und Latinismen durch einen sehr mächtigen Wortschatz aus, der eine Reihe von festen Redewendungen und Neologismen in die spanische Sprache einführt (ähnlich wie Herder oder Goethe im Deutschen), in die entlegensten Spezialterminologien (der Medizin und der Physik ebenso wie der Astrologie und der Hexenkunst) hineinreicht und zugleich ein nicht minder großes Repertoire traditioneller und familiärer Ausdrücke des alltäglichen Lebens (inkl. verschiedener volkssprachlicher Varianten) aufweist. Die Lexik Feijoos entspricht einer Kombinatorik von Begriffen, die (mindestens) fünf grundverschiedenen Sprachniveaus entstammen: 1) „el léxico familiar o doméstico, que se alimenta de lo cotidiano", 2) „la terminología coloquial", 3) „el cultismo", 4) „el lenguaje científico", 5) „el tino galicista y neologista".225 Im Gegensatz zur intuitiven Freiheit der Sprachgestaltung eines discurrir a lo libre offenbart der Text Feijoos eine ausgeprägte „actividad de operar sobre el lenguaje"226. Es ist jedoch ein bemerkenswerter und für den Beginn der spanischen Aufklärung charakteristischer Punkt, dass sich der Diskursbegründer bei aller Offenheit und Selbstreflexivität seiner Argumentation im Punkt der Sprache in (Selbst-)Widersprüche verwickelt. Das Missverhältnis zwischen der Theorie und der Praxis von Feijoos ästhetischer Arbeit an der Sprache spiegelt sich zuvorderst auf der poetologischen Ebene wider. Denn hier kontrastiert die Ideologie der rhetorischen Bescheidenheit und der vermeintlichen Rücknahme des Worts vor dem Sachverhalt auf besondere Weise mit der Vielschichtigkeit 225 José Ignacio Uzquiza González: „Aspectos del léxico de Feijoo", in: Boletín del Instituto de Estudios Asturianos 31 (1977), S. 139-151. 226 Ebd., S. 148. Die lexikalische und tropologische Analyse der Begriffe und Figuren zeigt i.Ü., dass Feijoos Arbeit an der Sprache nicht nur den Leser stützende, die Argumentation erleichternde Wendungen enthält, sondern sich durchaus auch,gewaltbereit' und kampfeslustig im ,Krieg der Geister7 (guerra mental) zeigt: „La propia obra literaria de Feijoo [és] concebida como una milicia", ebd., S. 142. Vgl. a. ders.: „Algunas consideraciones sobre el estilo del P. Feijoo. Imágenes bélicas en la prosa feijoniana", in: Universidad de Oviedo (Hg.): II Simposio, a.a.O., S. 103-109.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

der argumentativen Notwendigkeit, die Sprache selbst als ein analytisches Konzept zu verwenden. In Feijoos unsystematischem System verhält es sich ja insgesamt keinesfalls so, dass das Wort immer hinter das Argument zurücktritt. Im Gegenteil, die Sprache selbst wirkt - in der praktischen Vorwegnahme einer Grundposition der modernen Sprachphilosophie - auf den Gegenstand eines Ausdrucks zurück. Dies gilt insbesondere in den Fällen, da die Differenz bestimmter Ausdrücke oder Sprechweisen Rückschlüsse auf die Gewichtung von Aussagepositionen zulässt, so z.B. in der zentralen Frage nach der Wahrheit (oder den Irrtümern) der Stimme des Volkes, welches nicht nur das Objekt einer um Aufklärung bemühten Wissenschaftssprache ist, sondern auch ein Subjekt, das über die Sprache zum Wissen beiträgt. Die anthropologische Konzeption der Einzelnen, die im Begriff des Volkes zusammenkommen, bringt es mit sich, dass Bestimmungen der historischen oder kulturellen Bedingtheit von (subjektiven) Perspektiven auf Sachverhalte des Wissens überhaupt nur über die Sprache möglich sind. Das prinzipiell unendliche Spektrum der Themen, die Gegenstand von Feijoos panoptischem Beschreibungsversuch der allgemeinen Situation des Wissens - in Spanien und Europa von 1725 bis 1760 - sind, erweist sich an nicht eindeutig lösbaren Punkten notwendig als Resultat einer differentiellen Wahrheitsanalyse, die diesseits der unerreichbaren Gewissheit Gottes nie zu Ende kommt. Abgesehen von unbezweifelbaren Identitätsaussagen sowie unüberprüfbaren subjektiven Aussagen der Empfindung und des Glaubens, deren „Evidenz"227 iri Feijoos Epistemologie en bloc von der Argumentationsstruktur abgetrennt werden, beruhen die eigentlichen Elemente der Analyse auf der polemischen' Konfrontation verschiedener Standpunkte, die in Streitfragen entstehen. Diese sind insbesondere dann interessant (und machen den Erfolg beim zeitgenössischen Leser aus), wenn sie sowohl unlösbar sind als auch eine größtmögliche Zahl von Menschen betreffen, wie etwa die Frage nach der sozialen Verteilung der Reichtümer eines Staats. In den Abwägungsprozessen der differentiellen Gewichtung von Positionen, Perspektiven, Autoritäten etc. haben die sprachlichen Formen der Aussagen eine 227 Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen § 243, Werkausgabe, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1988, S. 356. Vgl. Verf.: „Spiele mit den Worten, aber wisse, was richtig ist! Zum Problem der Evidenz in der Sprachphilosophie", in: Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1 (2009), S. 11-26.

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besondere Funktion für die Analyse, wenn die unterschiedlichen Möglichkeiten, Begriffe zu verstehen und Aussageverhältnisse in einem Problemzusammenhang zu bewerten, ihrerseits eine große Spannbreite ergeben - etwa, gemäß dem Modell Feijoos, wenn es darum geht, zu verstehen, was die Begriffe Staat, Verteilung und Reichtum im Einzelnen bedeuten bzw. wie der soziale Frieden einer Nation im Kontext eines Weltfriedens möglich ist. Ungeachtet der noch unschuldigen Naivität des spanischen Frühaufklärers, der die endgültige Beantwortung dieser Fragen nicht für prinzipiell unmöglich hält, liegt das wegweisende Potential dieses literarischen Konzepts gerade in dem Gewicht, das Feijoo der vergleichenden Sprachanalyse einräumt. Es entspricht dem Geist seiner Wahrheitsanalyse, die Verhältnismäßigkeit von in Frage stehenden Sachverhalten auch über diejenigen Funktionen zu berechnen, die sich aus dem Potential von verschiedenen Ausdrücken, Ausdrucksweisen und Sprachen ergeben. Ausgehend von der Annahme einer Korrespondenz' von Gegenstand und Ausdruck - „cada clase de asuntos tiene sus locuciones correspondientes"228 - , präsentiert Feijoo die Idee eines „Paralelo de las Lenguas", das er nicht nur historisch, anhand des Vergleichs zwischen dem Spanischen und dem Französischen denkt, sondern auch analytisch, als Ausleseprinzip der besten Ausdrucksmöglichkeit, ungeachtet der regional- oder nationalsprachlichen Verankerung eines Wortes oder Satzes: Juzgo, contra el común dictamen, que [...] la propiedad de una voz no es otra cosa, que su específica determinación a significar [un] objeto [determinado]; y como ésta es arbitraria, o dependiente de la libre voluntad de los hombres, supuesto que en una Región esté tal voz determinada a significar tal objeto, tan propia es como otra cualquiera que le signifique en idioma diferente.229

228 Feijoo (1730): „Reflexiones sobre la Historia", in: Teatro critico universal, a.a.O., Bd. 4 (Abhandlung 8), S. 163-246, hier: S. 168. 229 Ders. (1726): „Paralelo de las Lenguas Castellana, y Francesa", in: Ebd., Bd. 1 (Abhandlung 15), S. 309-325, hier: S. 313f. Die philosophische Prämisse dieses Satzes beruht auf einer leibnizianischen Punktabbildungstheorie zwischen Begriffen und Gegenständen sowie Ansätzen einer modernen Theorie der Sprache als autonomes Gebilde von arbiträren Zeichen, wenngleich die Entstehung derselben noch - im Gegensatz zur neueren Theorie in der Folge von Ferdinand de Saussure - voluntaristisch (in der absichtsvollen Formung durch sprechende Subjekte) gedacht wird.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Die politische Brizanz dieses Postulats der linguistischen Zeichenadäquation liegt in der Idee der Gleichwertigkeit der verschiedenen Sprachen: „Todas las lenguas son iguales en cuanto a todas aquellas voces, que específicamente significan determinados objetos".230 Trotz der Unbestimmbarkeit der Definition dessen, was genau ein Objekt7 ist (in der Differenz zwischen Gegenstand und Sachverhalt), besteht bei Feijoo, dem dieses Problem in nuce durchaus bewusst ist, eine Art,Hoffnung' auf die Mathematik, die schon im ersten Band des Teatro zum Ausdruck kommt imd im übrigen Werk punktuell ausformuliert wird. Diese Hoffnung folgt einer Orientierung des Denkens, die von einem eindeutig abbildbaren und reziproken Verhältnis zwischen Wissen und Sprache ausgeht: Während das Wissen in der historischen Uberlieferung durch die „Kombination" sprachlicher Elemente, die aus einem (mündlichen oder schriftlichen) Archiv einer Situation geschöpft werden, diskursiv analysierbar ist, bringt anders herum der Fortschritt des Wissens über die Natur, den Menschen und seine Kultur (unter Einbeziehung einer größtmöglichen Mannigfaltigkeit von Situationen, die diese Begriffe historisch spezifizieren), eine stete Herausforderung an die beschreibende Sprache mit sich, durch vergleichende Analyse der interkulturellen (interregionalen oder internationalen) Ausdrucksmöglichkeiten „neue Begriffe" (nuevas voces) zu schaffen. Nicht allein in der Kunst, sondern in allen wahrheitsfähigen Situationen gilt ein - auch in Termini der modernen Ontologie beschreibbares - Mächtigkeitsverhältnis zwischen prinzipiell unendlichen Reservoirs der Gegenstands- und Bezeichnungskombinationen: „Son infinitas las combinaciones de casos, y circunstancias que piden, ya nuevos preceptos, ya distintas modificaciones, y limitaciones de los ya establecidos".231 Die Grundhaltung, die das aussageanalytische Argumentationsgerüst regiert, führt zu sprachphilosophischen und sprachpolitischen Konsequenzen, die von den Puristen und konservativen Verteidigern der spanischen Sache als abwegig empfunden werden müssen. Dies gilt zuvorderst für das Postulat der Gleichwertigkeit der Sprachen, das aufgrund des konzeptuellen Zusammenhangs als notwendig und unwiderlegbar gesetzt ist. Jede Sprache ist unvollständig und durch historische

Ebd., S. 313. Ders. (1742): „Introducción de nuevas voces", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 1 (Brief 33), S. 265-273, hier: S. 265. Der vollständige Titel dieser Abhandlung lautet: „Defiende el Autor el uso que hace de algunas voces, o peregrinas, o nuevas en el idioma Castellano". 230 231

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Ereignisse zur Selbsterneuerung gezwungen: „No hay idioma alguno, que no necesite del subsidio de otros, porque ninguno tiene voces para todo."232 Somit entspricht es dem Geist guter Wissenschaftlichkeit (als Beitrag zur Wissensvermehrung), wenn eine Sprache im erzwungenen Prozess ihrer Erneuerung auch die Ausdrucksmöglichkeiten benachbarter Sprachen zur Kenntnis nimmt: „Es lícito el uso de voz de idioma extraño, cuando no la hay equivalente en el propio".233 Dieser Grundsatz gilt prinzipiell, sowohl im regionalen Kontext, z.B. zwischen der katalanischen und der kastilischen Sprache, als auch im internationalen Kontext, etwa zwischen dem Spanischen und dem Französischen. Es entspräche dem Wohle eines Volkes - sofern die Vermehrung des Wissens und die Ausmerzung von Vorurteilen als politisch gewünschte Wohltaten akzeptiert werden - , wenn die kulturelle Voreingenommenheit insbesondere gegen die unmittelbaren Nachbarn dem allgemeinen Prinzip einer (auch zum Vorteil des Eigenen gereichenden) Befruchtung des Wissens durch den unvoreingenommen Sprachvergleich weichen würde. Der Vorwurf der Frankophilie gegen den „Afrancesado" Feijoo erweist sich also nur im Sinne eines konservativen Isolationismus als berechtigt, in logischer Hinsicht ist er vollkommen verfehlt. Zum einen liefert die Gleichwertigkeit der Sprachen einen logischen Grund für die Tatsache, dass Feijoo überhaupt die spanische Sprache wählt: „Uno de los motivos que he tenido para escribir en Castellano esta Obra, en cuya prosecución apenas habrá género de literatura, o erudición que no se toque, fue mostrar, que para escribir en todas materias, basta por sí solo nuestro idioma".234 Zum anderen hat auch Feijoos ,Affinitäf zur französischen Sprache analytisch zwingende Gründe, die mit der (wissenschaftlich zur Kenntnis zu nehmenden) Tradition der in Französisch geschriebenen Werke zusammenhängen und erst sekundär mit ästhetischen Vorlieben zu tun haben, die Feijoo mit den Begriffen der „Natürlichkeit" und der (fließenden) „Reibungslosigkeit" des Stils den klassischen französischen

Ebd., S. 267. Ebd., S. 266. Feijoo baut für diese konzeptuell notwendige, aber jeden Castizo provozierende These, eine Brücke zu den Liberalen unter den patriotisch gesinnten Lesern, indem er die Sprachenpolitik des Römischen Reichs als Vorbild heranzieht: „no sólo de los Griegos [...] se socorrían los Romanos en las faltas de su lengua; mas aun de otras Naciones, a quienes miraban como bárbaras" (ebd., S. 268). 232

233

234

Ders.: „Paralelo de las Lenguas", a.a.O., S. 320.

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Autoren zuschreibt.235 Die Unterschiede zwischen den Sprachen sind na türliche Differenzen der Grammatik, der Syntax, der Phonetik etc.236 Somit folgt Feijoo im Vergleich der Sprachen dem Ideal, dass die,Mächtigkeif der französischen Sprache und Literatur - aber auch der englischen oder italienischen - nicht als kulturelle Bedrohimg zu fürchten, sondern als Vergleichsmoment und potentielles Reservoir für die Optimierung der eigenen (spanischen) Sprache und Literatur nutzbar zu machen seien. Die Techniken dieser Optimierung allerdings, die, Erfindung' neuer Begriffe und die Naturalisierung' von Fremdworten, sind hingegen, trotz der Gleichberechtigung, die in der internationalen República de las Letras237 herrschen soll - dies wird die Sprengkraft der ästhetischen Beurteilung in den Ohren der Konservativen ein wenig geschmälert haben - , in jeder Sprache wieder von einzelnen herausragenden Talenten abhängig: „Es a la verdad para muy pocos el inventar voces, o connaturalizar las Extranjeras." 238 Die analytische Funktion, die Feijoo der Sprache einräumt, kommt ebenfalls in den Betrachtungen zum Tragen, die der Autor den textuellen Gattungen widmet. Die Frage der Gattungen, die in verschiedenen Orten des Werks (wenngleich häufig implizit) verhandelt wird, führt in das Herz der literarischen Philosophie Feijoos. Als theoretische Frage tangiert sie weniger die klassische Trias von Epik, Lyrik und

235 „ Aun en aquellos Franceses, que más sublimaron el estilo, como el Arzobispo de Cambray Autor del Telémaco, y Magdalena Scuderi, se ve que el arte está amigablemente unido con la naturaleza". Ebd., S. 314. 236 Ebd., S. 317. In diesen Ansätzen zu einer Philosophie der Philologie kommen weitere sehr moderne, von Martin Sarmiento beeinflusste Anschauungen zum Ausdruck, wie etwa die Annahme einer Geschichte der Etymologie, die Betrachtungen über die Sprache als „lebender Organismus" oder die Verwandtschaft der romanischen Sprachen (mit dem Kastilischen als „Dialekt" des Lateinischen, mit der Zugehörigkeit des Portugiesischen und des Galicischen zur gleichen Sprachfamilie etc.) Vgl. hierzu Fernando Lázaro Carreter: „Los orígenes de las lenguas gallega y portuguesa, según Feijoo y sus polemistas", in: RFE 31 (1947), S. 140-154; ders.: Las ideas lingüísticas en España durante el siglo XVIII, Madrid 1949, S. 47-52; sowie Juan Martínez Ruiz: „Tradición y evolución en las ideas filológicas del P. Feijoo", in: Universidad de Oviedo (Hg.): El padre Feijoo y su siglo, a.a.O., Bd. 3, S. 511-521.

Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 173. Ders.: „Introducción de nuevas voces", a.a.O., S. 271. Vgl. a. ders.: „Paralelo de las Lenguas", a.a.O., S. 316: „[...] los idiomas no son ásperos, o apacibles, sino a proporción que son, o familiares, o extraños. La desigualdad verdadera está en los que los hablan, según su mayor, o menor genio, y habilidad". 237 238

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Dramatik bzw., gemäß der zeitgenössischen Verteilung, von Prosa, Dichtung und Schauspiel. Hier sind die Rollen für Feijoo im Prinzip klar verteilt, weil der Prosa gegenüber der Poesie und dem Theater aufgrund der Regelfreiheit und der (im mathematischen Sinne) größeren Kombinationsmöglichkeit von Zeichen, Sätzen und Begriffen prinzipiell der Vorzug zu geben ist. Die Gattungsfrage wird vielmehr - innerhalb der Prosa - als ein philosophisches Entscheidungsproblem zwischen „Wahrheit und Fiktion" erörtert. Der Begründungszusammenhang ist hier der folgende: Die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Aussagen beruht zwingend auf einer genauen Bestimmung des aussagenden Bezugs zur Wirklichkeit (den Aussage-,Kontexten'). Dabei ist dem historisch geschulten Philologen Feijoo bewusst, dass die Fiktionen bzw. die fiktiven Aussagemodi nicht zwangsläufig mit der ,Lüge/239 zusammenhängen, sondern besonderer Formen der hermeneutischen Lektüre bedürfen, wie etwa der Allegorese, um den übertragenen' Sinn von Aussagen zu erschließen. Hierfür ist es methodisch notwendig, einen „Divorcio de la Historia y la Fábula" zu vollziehen, d.h. die res factae und die res fictae voneinander zu scheiden. In einer ganzen Reihe von Abhandlungen widmet sich Feijoo folglich der Überprüfung von Anzeigen der Fiktionalität, deren Techniken und Bedeutungszusammenhänge sich historisch wandeln und mit zunehmender (zeitlicher oder räumlicher) Entfernung eines Kulturkreises zu immer größeren Verständnisproblemen führen. Feijoo zitiert ausbleibende, eindeutig unzutreffende oder kontrafaktisch verwendete Fiktionalitätsanzeigen wie die gefälschten ,historischen' Quellen des Annius von Viterbo. Er führt aber auch grundsätzliche Unentscheidbarkeiten an, insbesondere zu Beginn der als klassisch anerkannten Überlieferungen, also dem Ort, an dem das Fundament ansetzen sollte: Erzählt Homers Odyssee eine Geschichte oder ein Märchen? Machen die nachträgliche Aufzeichnung und die patristische Autorisie239 Die Lüge ist in Feijoos Gerüst insofern ein zentrales heuristisches Problem, als die Falschheit von Überzeugungen - das Behaupten nicht zutreffender Sachverhalte jenseits der moralphilosophisch zu sanktioniernden Falschaussagen, die auf Absicht gründen, auch auf die missverstandene Überlieferung von allgemein vertrauenswürdigen Autoritäten zurückgeführt werden kann: „Perniciosa es en el mundo aquella máxima trivial de que siempre la mentira es hija de algo; porque autoriza la ficción, atribuyéndola un ilustre nacimiento en la cuna de la verdad." Ders. (1733): „Divorcio de la Historia y la Fábula", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 5 (Abhandlung 8), S. 168-188, hier: S. 168.

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rung aus den sibyllinischen Orakeln eine historische Prophetie? Wenn der goldene Esel des Apuleius eine Metapher ist, kann diese sodann ethisch (oder politisch) in wirklichkeitsrelevante Teile übersetzt werden, wie Augustinus behauptet?240 In diesen klassischen, aber mit Blick auf die Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert diskursiv umkämpften Fragen, ergreift der Benediktiner zumeist Partei, um den Kanon seiner,wichtigen' Autoren zu verteidigen, wobei im Zweifelsfall die hermeneutische Kapazität bestimmter die Überlieferung konstituierender Kommentatoren in Frage gestellt wird. Feijoo lässt aber ebenfalls die Möglichkeit zu, ein Problem der ,Authentizität' offen zu lassen, sofern dies opportun erscheint. Diese Möglichkeit besteht zum Beispiel im Zusammenhang mit der Diskussion des zeitgenössischen Problems der ,Magie' und der ,Wunder', das auf der Skala des Frühaufklärers vom schädlichen, unmittelbar auszumerzenden Aberglauben über die duldbaren, nicht weiter schädlichen Rituale des Volks bis zu den zwar kontraintuitiven, aber autorisierbaren Erscheinungen führt, die mit dem Argument der gesellschaftlichen Nützlichkeit zu stützen sind, wie die (etwas zu oft) wiederkehrende Jungfrau Maria.241 Die rhetorischen Volten, die Feijoo auf seinen Wegen der Entwirrung erzählperspektivischer Anzeigen von ,Geschichten' zwischen allegorischer Fiktionalität und beglaubigter Faktizität schlägt und dabei den Leser und Argumentationsteilnehmer in logische Sackgassen führt, kulminieren letztlich in der starken Uberzeugung von der Unmöglichkeit einer unwiderruflichen Scheidung von fäbula und historia. Dies ist umso bemerkenswerter, als die (leibnizsche, hoffende) Teleologie seines Grundansatzes von der potentiell operationalisierbaren Wahrheit der Aussagen ebenso wie von der eindeutigen Zuweisung von Namen und Dingen ausgehen muss. Jedes überlieferte Wissen wird bis zu einem gewissen Grad durch die Matrix einer mehr oder minder durchsetzten mixtura de realidad Vgl. Ders.: „De la Critica", a.a.O., S. 244ff. Dies ist der Einsatz für die philologische ,Versöhnung' von Mythologie und Heiliger Schrift bei Feijoo: „ Algunas partes de la Historia Mitolögica se explican oportunisimamente por la Sagrada". Ders. (1742): „Origen de la Fäbula en la Historia", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 1 (Brief 42), 319-329, hier: S. 326. Zugleich ist dies aber auch die Grundlage für Feijoos - a priori vorgenommene - Unterscheidung von ,guter' und ,böser' Magie. Vgl. Hans-Joachim Lope: „Feijoos Uso de la mägica und die Steganographia des Trithemius", in: Romanische Forschungen 88 (1976), S. 403-411. 240 241

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gekennzeichnet. Es kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, „que la fábula se fabrica sobre el cimiento de alguna verdad histórica", 242 aber ebensowenig kann die (platonische) Hoffnung eingelöst werden, „que bajo el velo de las Fábulas estuviesen únicamente escondidos documentos, y máximas de la Filosofía Natural".243 Zum Leidwesen der Neoplatoniker ist davon auszugehen, dass die Polis ohne ihre Dichter weder Gedächtnis noch Geschichte besäße: „Toda la Historia antigua fue casi enteramente desfigurada por los Poetas, que hicieron una continua mixtión de sus ficciones con la verdad". 244 Daraus folgt zum einen der für Feijoo kulturtanthropologisch beschreibbare Schluss über die Parallele von Sozial- und Naturgeschichte, deren Gemeinsames darin besteht, dass sie beide über die Fiktion in die (autorisierbare) Überlieferung Eingang finden können: „Las fábulas, que se introducen en la Historia Civil, una vez admitidas, se eternicen en la creencia de los hombres; [...] con las fábulas, que se introdujeron en la Historia Natural, suceda lo mismo".245 Zum anderen hinterlässt das sprachlich bedingte Unschärfeproblem, das die Wahrheit jeder überlieferten Aussage als (annäherungsweise) unerreichbare,Größe' setzt dies ist zugleich das grundsätzliche erkenntniskritische Problem aller Untersuchungen - , positiv die Möglichkeit, die vermeintlichen Gegenbegriffe von razón und autoridad in einem offenen Spannungsverhältnis logisch auszutarieren.246 Schließlich führt diese Neuinterpretation des dialektischen Wechselverhältnisses von Wahrheit und Fiktion im Geist der mathematischen Logik zu einer philosophischen Überlegung mit Bezug auf die Gattungsfrage. Die alten poetologischen und rhetorischen Hierarchien der Antike und die literarisch-philologischen der Renaissance durchbrechend, fasst Feijoo die Differenz der sprachlichen Stile und Ausdrucksmodi als ein heuristisches Problem.247 Wie

Feijoo: „Divorcio de la Historia y la Fábula", a.a.O., S. 168. Ders.: „Origen de la Fábula en la Historia", a.a.O., S. 328. 244 Ders.: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 222. 245 Ders. (1728): „Historia Natural", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 2 (Abhandlung 2), S. 27-69, hier: S. 27. 242 243

Vgl. z.B. die Beweise für die logische Inkonsistenz der „regia, que manda preferir la razón a la autoridad" in: Ders.: „De la Crítica", a.a.O., S. 245ff. 247 Damit vollzieht Feijoo den ,Abschluss' der historischen Entwicklung, die durch die Enzyklopädie beschrieben wird: „On a commencé par l'érudition, continué par les belles-lettres et fini par la philosophie." D'Alembert (1751): Discours préliminaire de l'Encyclopédie, Paris 1966, S. 76. Vgl. Gusdorf: „Les principes de la pensée", a.a.O., S. 151ff. 246

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ist eine möglichst große Übereinstimmung von Wahrheit und (realer, historischer) Faktizität mit den einschränkenden Mitteln der sprachlichen Zeichen und ihrer Bedeutungszusammenhänge zu erreichen? Bemerkenswerter Weise - wir befinden uns mit dem „Divorcio de la Historia y la Fábula" (1733) noch vor dem Beginn der von Reinhart Koselleck ausgewiesenen, die historische Zeiterfahrung in Europa verändernden ,Sattelzeit' - beantwortet der Benediktiner diese Frage durch die Erhebung der Historiographie zur literarischen Gattung par excellence.24S Historiographie, das Schreiben von Geschichte, meint bei Feijoo zunächst ganz allgemein die richtige, d.h. der Realität entsprechende Darstellung faktischer Begebenheiten (an einem bestimmten Ort und zu einer gegebenen Zeit). In der theoretischen Anlage ist sie also, wie die Wahrheit selbst, ein unerreichbares Ideal. „Es muy difícil, o aún imposible de discernir lo verdadero de lo falso por medio de la Historia".249 Dies ist der Grund für die Schwierigkeit' der simplen, wenngleich als solche einfach benennbaren Handlung, Geschichte zu schreiben: „¡Qué arduo es tomar aquel medio preciso que se necesita para la Historia!"250 Es ist ein historisches Gesetz, dass auch die größten Geschichtsschreiber keine vollendeten Resultate der Geschichtsschreibung produzieren. Weder Herodot, Xenophon, Thukydides noch Polybios, Plutarch, Titus Livius, Sallust oder Tacitus entgehen dem Prinzip, mit der Zeit in eine sich ausweitende Spanne von Lob und Kritik zu geraten.251 In der Praxis ist die Historiographie aber somit zugleich ein Prüfstein für die Berechnung der Kräfte, Kapazitäten und Bedingungen einer wahrheitsorientierten Argumentation im Spannungsfeld Zum Begriff der Sattelzeit vgl. Reinhart Koselleck: „Einleitung", in: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. I, Stuttgart 1972, S. XIII-XXVII. Zur historiographischen,Hermeneutik' Feijoos auf der Grundlage des chronologischen Scheidungsproblems von Autorität und Fiktion vgl. Ludwig Schräder: „Feijoo und die Deutung der Mythen", in: Jüttner (Hg.): Spanien und Europa im Zeichen der Aufklärung, Frankfurt a. M. 1991, S. 287-304, hier: S. 294, S. 300ff.; sowie Krauss: „Feijoo, die Satyrn, die Tritonen und die Nereiden", in: Iberoromania 1 (1969), S. 346-348. Zu der ,Berufung' Feijoos zum Historiker und seinem Beitrag zur Wissenschaft der Geschichte vgl. Francisco Javier Fernández Conde: „Feijoo y la ciencia histórica", in: Studium Ovetense 4 (1976), S. 75-113; sowie Ildefonso Gómez: „Feijoo y la historia", in: Yermo VII (1969), S. 43-68. 248

249 250 251

Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 220f. Ebd., S. 167. Ebd., S. 164-167, passim.

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von Erfindungskraft (ingenio) und Wissen (erudición).252 Zum einen kommen unter dem analytischen Oberbegriff,Geschichte' alle möglichen Kenntnisse über die Natur und die Menschen (in ihren Kulturen) zusammen: „Como los sucesos humanos que son el objeto de la Historia, pueden tener respecto a los objetos de cuantas facultades hay, ninguna se hallará cuya noticia no pueda conducir para examinar la verdad de algunos hechos". Und umgekehrt: „Ocurren varios casos, en que el conocimiento de otras facultades descubre la falsedad de algunas relaciones Históricas".253 Die textuelle Gattung, die gesetzmäßig dem Ideal der,realitätskonformen Darstellung faktischer Sachverhalte' nachstrebt, ist ein epistemologischer Katalysator.254 Zudem erweisen sich die Zeit- und Ortsbezüge in ihrer perspektivischen Differenz auf das real stattgefundene Geschehen als die Parameter der Funktionen zur Beglaubigung von Zeugenschaft. Die Verteilung der hermeneutischen,Kapazität' der die ,Faktizität' beschreibenden Subjekte lässt sich gemäß der mathematisch fundierten Anthropologie als das Ergebnis eines kombinatorischen Kalküls beschreiben, das zwischen den Extremen der großen Distanz (mit Neutralitätsgewinn und Wissensverlust) und der unmittelbaren Nähe (mit Wissensgewinn und Neutralitätsverlust) aufgespannt ist.255 Schließlich ist der Stil - bzw. analytisch: der Verwendungsmodus des sprachlichen Ausdrucks - das entscheidende Medium in der heuristischen Vermittlung zwischen der Aussagekraft einer Darstellung und der Faktizität eines Tatbestands. Im Prinzip gilt es für die Beschreibung (als Grundlage der kritischen Bewertung) historischer Begebenheiten, den Modus einer möglichst natürlichen Ubereinstimmung' mit den tatsächlichen Fakten' zu erreichen. Die Wahrheit liegt in der Natur des Menschen, der Sprache und der Geschichte. Folglich Ders.: „Divorcio de la Historia y la Fábula", S. 170, S. 179. 253 D e r s ; „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 243f. Insofern gilt: „Para ser Historiador es menester ser mucho más que Historiador [...]; no puede ser perfecto Historiador el que no estudió otra facultad que la Historia". Ebd., S. 243. 254 Die Metapher des Katalysators transportiert die in der Chemie beheimatete Idee einer „Beschleunigung der Reaktion" bei gleichbleibender Menge der die Differenz erzeugenden Aktivierungsenergie. 255 „Si [la Historia] se escribió muchos siglos después de los sucesos, tiene contra sí la antigüedad que le impide el conocimiento de ellos; y si se escribió viviendo los sujetos de quienes trata, el odio, la envidia, o la adulación es de creer movieron al Escritor a corromper y desfigurar lo verdadero". Ebd., S. 221. 252

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lautet die analytische Forderung an die Sprache in der die Ästhetik und die Poetologie Feijoos verknüpfenden Konsequenz, die Analyse eines „natürlichen Stils" vorzunehmen. Wie logisch begründet und historisch belegt, lässt sich dieses Objekt - ein natürlicher Stil - jedoch weder vollständig herstellen noch beschreiben. Nahe am Ideal finden sich allein die seltenen Ausnahmen der Genialität: „sólo las plumas del Fénix pueden servir para escribir una Historia [...] un excelente Historiador es acaso aún más raro que un gran Poeta". 256 Da also die Extreme auf beiden Seiten des Arguments, nämlich die absolute Ubereinstimmung und die absolute Nichtübereinstimmung zwischen einer realen Begebenheit und ihrem sprachlichen Ausdruck, verschlossen sind, bleibt allein die metasprachliche Analyse gegebener Beispiele aus der historisch überlieferten Praxis stilistischer Techniken bzw. faktischer Sprachverwendungsmodi. Ihr Ziel ist die Aufstellung eines Beschreibungskatalogs zeitübergreifender charakteristischer Merkmale der optimalen, natürlichen Verwendung von Sprache(n) im Allgemeinen und zur Darstellung historischer Sachverhalte (als der literarischen Aufgabe par excellence) im Besonderen. Die Parameter zur Analyse der stilistischen Charakteristika werden ebenfalls in den „Reflexiones sobre la Historia" bestimmt. Ein „mediano estilo, que ni se roza con la plebe, ni con las musas"257 ist annähernd erreichbar, wenn er sich auf einem Weg der gleichmäßig subtrahierten Extremwerte in der Schwebe halten kann. Der Stil als ein dem kritischen Geist und der Nützlichkeit (der gemeinschaftlichen Kommunikation und des Verständnisses) verpflichteter Umgang mit der Sprache muss das Risiko der Exzesse vermeiden. Dies gilt für den „riesgo de la afectación en el estilo", der sowohl auf Seiten des Autors als auch des Lesers (hier zuzüglich des „riesgo, que es el que parezca al Lector afectación la que no lo es") die notwendige subjektive - psychologisch beschreibbare258 - Distanz zur Natur des Gegenstands beeinträchtigt, welche die Bedingung für das adäquate Beschreiben oder Verstehen ist. Und es gilt ebenfalls für den „riesgo del estilo sobresaliente" oder auch „riesgo de la elevación", der den Exzess der subjektiven Affektion

Ebd., S. 163. Ebd., S. 167. 258 Feijoos Darlegung enthält einen „esbozo de explicación causal de la experiencia estética, en términos psicológicos y fisiológicos". José A. Valero: „Las ideas estéticas del Padre Feijoo", in: Ideologies & Literature 3-2 (1988), S. 63-113, hier: S. 63. 256 257

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auf der Ebene der stilistischen Verfasstheit eines Textes mit einem Exzess an,Figürlichkeit' korrespondieren lässt: El riesgo del estilo sobresaliente es, que en v e z de t o m a r la p l u m a hacia la c u m b r e del Olimpo, tuerza el vuelo hacia la del Parnaso; quiero decir, que en v e z d e arribar a la sublimidad p r o p i a d e lo histórico, se extravíe a lo poético. [...] No tengo por tan difícil la sublimidad,

ni en la Oratoria, ni en

la Poesía, como en la Historia; p o r q u e en aquellas la frecuencia d e tropos y figuras

d a p o r sí m i s m a u n a representación magnífica al estilo; en ésta

t o d a la elevación h a n d e costear la viveza d e las expresiones, la natural energía d e las frases, la p r o f u n d i d a d d e los conceptos, la a g u d e z a d e las sentencias, sin g o z a r las libertades que g o z a n el O r a d o r y el Poeta, ya d e que el hipérbole desfigure la verdad, y a d e que el rapto de la

imaginación

se malquiste con la integridad del juicio, ya d e que la elevación d e la p l u m a dificulte en parte alguna a los ignorantes la inteligencia. 2 5 9

In diesen Beschreibungen zum Ideal des natürlichen Stils tritt Feijoos Philosophie der Sprache deutlich hervor. Zunächst ist die Frage nach der Hierarchie der Gattungen klar entschieden. Die sprachlichen Ausdrucksmodi, die sich für eine Philosophie eignen, welche der Wahrheit verpflichtet ist, entstammen eindeutig der Prosa. Allein in der Prosa, in der größtmöglichen Freiheit mit Bezug auf die Zwänge der Figurationsregeln, lässt sich das Verhältnis zwischen der Sprache und den zu versprachlichenden Gegenständen und Sachverhalten als ein erkenntnistheoretisches Problem ausdifferenzieren. Weit davon entfernt, Wahrheit und Dichtung zusammenzudenken, ist die Poesie für Feijoo im Spiel der Figuration verfangen. Die Dichtung findet sich auf der Seite des Exzesses und ist als nicht der Wahrheit verpflichtete Form des Denkens „gegen die Vernunft" gerichtet: „quien quiere que los Poetas sean muy cuerdos, quiere que no haya Poetas. El furor es la alma de la Poesía. El rapto de la mente es el vuelo de la pluma". 260 Die Poesie beraubt buchstäblich den Verstand bzw. führt ihn in einen Exzess jenseits der Wahrheit. Mit Rodríguez Cepeda lässt sich vielleicht

Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 168f. Ders.: „Paralelo de las Lenguas", a.a.O., S. 323. Dieses berühmte Diktum ist der Namensgeber für den poetologischen Essay von Russell Sebold: El rapto de la mente. Poética y poesía dieciochescas, Madrid 1970. 259

260

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sagen, dass Feijoo wenig Verständnis für die Poesie besaß.261 In jedem Fall stellen die (wenigen, verstreuten) poetischen Versuche - Décimas wie die „Avisos a la conciencia en metáfora de relox" und „Desengaño, y conversión de un pecador" - , die der Autor selbst unternommen hat, nicht mehr als Spielereien zum Zeitvertreib dar. 262 Des Weiteren wird die Natürlichkeit des Stils - als Ideal der wahren, mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Sprache - auch in der Praxis mit der besonderen Prosagattung der Historiographie verknüpft, weil in ihr die Grundmomente von Feijoos Projekt der Aufklärung zusammenkommen: „Estudiar Historia, es estudiar las opiniones, los motivos, las pasiones de los hombres; y el fruto debe ser aprender a conocerse a sí mismo, conociendo a los otros; corregirse por los ejemplos, y adquirir experiencia sin riesgo." 263 Die,Erfahrung ohne Risiko' im Sinne eines unmittelbaren Textes der Wirklichkeit, der sich figürlich aufhebt und so die Geschichte mit der Natur im Konzept der reinen Idee ineinssetzt, lässt sich als ein Programm der für das 18. Jahrhundert typischen Vernunftversessenheit lesen: als ein die Romantik provozierendes Projekt, den logos als Sprache mit dem logos als Vernunft in Einklang zu bringen. 264 Auch hier ist der „Feijoo no entendía mucho de poesía". Rodríguez Cepeda: De Benito Feijoo a Martín Sarmiento, a.a.O., S. 8. 262 vgi Poesías varias de Feijoo, Biblioteca Nacional de Madrid, Manuskript 19.318. Die genannten Gedichte finden sich, dem Autor „Don Jerónimo Montenegro (su verdadero Autor)" zugeschrieben, auch als Anhänge am Ende des Briefs „Exortación a un vicioso para la enmienda de la vida", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 4 (Brief 23), S. 311340, hier: S. 328-340. Die jüngsten Versuche in der Kritik, die „importancia de esta faceta de la obra feijoniana" auf die (kritische) Ebene von Feijoos Prosa zu heben, führen ins Leere. Vgl. hier etwa Isabel Visedo Orden: „Aportación al estudio de la lengua poética de Feijoo. Análisis del poema Desengaño y Conversión de un pecador", in: Universidad de Oviedo (Hg.): II Simposio, a.a.O., S. 61-101, hier: S. 101: „El poema de Feijoo [...] con sus reminicencias conceptistas, sus formas cultas, su complejidad textual y sus puntos de contacto con la poesía de la Ilustración, es un claro ejemplo de la conflictividad reinante en la poesía de la primera midad del siglo XVIII". Vgl. a. dies.: Aportación al estudio de la lengua poética en la primera mitad del siglo XVIII, Madrid 1985. Zur Poesie Feijoos vgl. desweiteren: Marcelo Matías: „Feijoo poeta", in: Boletín de la Comisión de Monumentos Históricos y Artísticos de Orense VII (1926), S. 438-444; sowie: Dionisio Gamallo Fierros: „La poesía de Feijoo", in: Boletín de la Biblioteca Menéndez Pelayo 40 (1964), S. 117-165. 261

Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 241. Vgl. Piaton: Politeia 607b. Dass hierbei die Sprache dem Fortschritt des Denkens folgen muss, ist wiederum der logische Grund für Verteidigung der „Aufnahme neuer Wörter" (s.o.). 263 264

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Glaube des Benediktiners im Grundsatz unerschütterlich. Die Erziehung' der Leser und Teilnehmer an der allgemeinen Kommunikation zum Fortschritt des Wissens (und zur Erzeugung bzw. Rezeption von Texten) folgt einer Ethik des einfachen Umgangs mit den Regeln des möglichst natürlichen Stils: „los genios elevados están más expuestos a algunos defectos, que los medianos", „tal vez es más perfección apartarse de las reglas, porque se sigue rumbo superior a los preceptos ordinarios" 265 etc. Schließlich existiert aber bei Feijoo, hier wie in allen ,fruchtbaren' Widersprüchen, auf die ihn die Argumentation führt, zugleich auch die Ausnahme von der Regel. So unerreichbar die Ideale in ihren (immanenten) Extremen sind, so unvorhersehbar sind die Ereignisse, an denen plötzlich, wider alle Erwartung, ethische Zurückhaltung und ästhetisches Regelverständnis die Natürlichkeit - die natürliche Schönheit - einer historischen Erzählung aus dem Exzess eines überbordenden Stils heraus entsteht. „La verdad histórica es muchas veces tan impenetrable, como la filosófica".266 Die allgemeine Skepsis gegenüber den überkommenen Regelsystemen findet mit Blick auf die mathematische Konstruktion der Grenzwertannäherung an die transzendente Unerreichbarkeit einer Perfektion jenseits des menschlichen Verstands ihr entscheidendes Argument. Auf unerklärliche Weise - also durch Gottes Willen - bricht etwas ein, „man weiß nicht was", und stellt die Regel auf den Kopf. Ein literarisches Genie überzeugt durch eine Realisierung jener anderen großen Idee Piatons, nämlich der Schönheit, und zieht die Wahrheit mit auf seine Seite. Plötzlich ist die bodenständige Korrespondenztheorie der Gegenstände und Ausdrücke außer Kraft gesetzt. Es gilt nicht mehr der Satz „cada clase de asuntos tiene sus locuciones correspondientes". Entscheidend für den Ausdruck bestimmter historischer Wahrheiten, vor allem im Bereich der Kunst, sind vielmehr die Höhenflüge des sprachlichen Stils, die ebenfalls unbestimmbar und 265 Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 167f. Feijoos Natürlichkeit und Selbstaufhebung als Antworten auf die „Risiken" des sprachlichen Stils liefern insofern einen frühen Prototyp des „degré zéro de l'écriture" (Roland Barthes über Albert Camus' L'étranger), als dieses Konzept der literarischen Philosophie (das im 20. Jahrhundert über die negative Ontologie eines Mallarmé verfügt) auf die ,Reduktion der Fehler' im ,Verhältnis zwischen der Sprache und der Welt' abzielt. Vgl. Roland Barthes: „L'utopie du langage", in: Ders.: Le degré zéro de l'écriture. Nouveaux essais critiques, Paris 1972, S. 62-65. 266

Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 172.

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zugleich mannigfaltig sind: „Hay para la locución muy diferentes galas, y la pluma se puede elevar por diversos rumbos."267 An dieser Stelle, an der Wahrheit und Schönheit sowie Poetik und Ästhetik in einem ereignishaften Punkt der (deistischen) Naturphilosophie zusammenkommen, prägt Feijoo, einen alten literarischen topos wieder aufnehmend, einen Begriff, der sich im 20. Jahrhundert zu der bekanntesten,Chiffre' seines Werks entwickelt hat: „El no sé qué". 268 Der Begriff des „no sé qué" - lateinisch: „nescio quid", französisch: „je ne sais quoi", italienisch: „non so che" - hat eine lange Tradition in der scholastischen Literatur der romanischen Sprachen als Ausdruck für „das staunende Eingeständnis des Nichtwissens und der Ehrfurcht vor dem Unbegreiflichen am Menschen wie am ästhetischen Gegenstand". 269 Die für Feijoo maßgebliche Referenz in spanischer Sprache ist der 1535 entstandene Diàlogo de la lengua von Juan de Valdés, dessen 1736 erschienener Erstdruck - exakt zu der Zeit, als Feijoo an seinem Essay schreibt - durch den valencianischen Gelehrten Gregorio Mayans vorbereitet wird.270 Bei Feijoo erfährt dieser Unbegreiflichkeitstopos insofern eine

Ebd., S. 169. Feijoo (1734): „El no sé qué", in: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 6 (Abhandlung 12), S. 367-380 (TCU 1989, S. 225-239). Diese Abhandlung ist der einzige Text Feijoos, von dem es eine neuere deutsche Übersetzung gibt: Das „Ich-weiss-nicht-was", aus dem Spanischen von Angelika Klammer, Salzburg 1992. 269 Erich Köhler: „Der Padre Feijóo und das no sé qué", in: Romanistisches Jahrbuch VII (1955-56), S. 272-290, hier: S. 274. Köhler zeichnet in seiner Studie die Vorgeschichte des Begriffs von Cicero über Petrarca, Ficino, Castiglione, Boscán, Juan de Valdés, Garcilaso, Camöes, Juan de la Cruz, Cervantes, Tirso de Molina, Gracián (u.a.) bis ins Spanien des 18. Jahrhunderts (Mayans, Sarmiento, Feijoo) nach. Vgl. a. ders.: „Je ne sais quoi. Ein Kapitel aus der Begriffsgeschichte des Unbegreiflichen", in: Romanistisches Jahrbuch 6 (1953-1954), S. 21-57. Helmut Jacobs fügt neben Bouhours (Entretiens d'Ariste et d'Eugène, La manière de bien penser) auch Luis de León (Exposición del Cantar de los Cantares), Fernando de Herrera (Anotaciones a las obras de Garcilaso), Pacheco (Arte de la pintura), Juan Rufo (Las seiscientas apotegmas), den Padre Nieremberg (Tratado de la hermosura de Dios) sowie Isaac Cardoso (Philosophia libera) an. Jacobs: Schönheit und Geschmack, a.a.O., S. 184-199. Die platonische Grundkonstruktion Feijoos hebt Wolfram Krömer hervor: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik des Neoklassizismus und der Romantik in Spanien, Münster 1968, S. 62ff., S. 123ff. Aus der weitläufigen Literatur über das „no sé qué" bei Feijoo sei im Übrigen nur auf José Valero verwiesen: „Las ideas estéticas del Padre Feijoo", a.a.O., hier: S. 71ff., S. 91-105. 267 268

270 „El no sé qué es muy diferente dessotras partezillas, porque el no sé qué tiene gracia, y muchas vezes se dize a tiempo que significa mucho". Juan de Valdés (1535,1736): Diálogo de la lengua, Madrid 1976, S. 153. Valdés ist im Übrigen Feijoos Referenz für die

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neue Verwendung, als er hier nicht einer absoluten Transzendenz zugeschrieben wird - welcher der Taumel des Erstaunens machtlos gegenübersteht - sondern in das argumentative Gefüge des Grenzwertekalküls eingebettet wird, wobei die Vorstellung des ,gnädigen' Gottes als des die Natur gesetzmäßig bewegenden Bewegers jenseits der límites verbleibt. Unbegreiflich ist der aufzuklärende (auszuleuchtende) Mensch allein in den unerwartbaren Momenten seiner eigenen künstlerischen Schaffenskraft, wenn es trotz der Begrenztheit seiner Fertigkeiten, seines Gefühls und seines Verstandes gelingt, eine naturäquivalente Schönheit herzustellen. Insofern ist die Epiphanie des „no sé qué", die sich vor allem in der Kunst inkl. der,Sprachkunstwerke' ereignet, eine immanente Offenbarung und ein natürliches Mysterium: En muchas producciones, no sólo de la naturaleza, mas aun del arte, encuentran los hombres, fuera de aquellas perfecciones sujetas a su comprehensión, otro género de primor misterioso, que cuanto lisonjea el gusto, atormenta el entendimiento: que palpa el sentido, y no puede descifrar la razón; y así, al querer explicarle, no encontrando voces, ni conceptos, que satisfagan la idea, se dejan caer desalentados en el rudo informe, de que tal cosa tiene un no sé qué, que agrada, que enamora, que hechiza, y no hay que pedirles revelación más clara de este natural misterio.271

Das „no sé qué" hält für den gesamten, das feijoosche Werk umspannenden Versuchsaufbau eine kritische Pointe bereit, weil sich in diesem Begriff die konstitutiven Antinomien, die das Gerüst der Argumentation tragen und deren Energie aufrechterhalten, auf der gefährlichen, den,Verstand raubenden' Ebene der Sprache zusammenfinden. Das erkenntnistheoretische Problem der Dialektik von Wahrheit und Irrtum wird, durch die analoge (ebenfalls irreduzible) Dialektik von Realität und Fiktion gespiegelt, mit dem Beispiel des ,Kunstschönen' in einen Bereich der Ereignishaftigkeit und des Unentscheidbaren geführt, wo die Instrumente des Wertekalküls - v.a. die Historisierung ebenfalls im Diálogo de la lengua ausgeführten Ideen der Gleichwertigkeit der Sprachen und des natürlichen Stils - „El estilo que tengo me es natural, y sin afetación ninguna escrivo como hablo, solamente tengo cuidado de usar de vocablos que sinifiquen bien lo que quiero dezir" (ebd., S. 154f.) - sowie für den Begriff der „República de las Letras", letzterer vermittelt durch Jacinto Segura: Norte Critico con las Reglas mas ciertas para la discreción en la Historia, Valencia 1733, S. 7. 271 Feijoo: „El no sé qué", a.a.O., S. 367 (TCU 1989, S. 225).

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der Autoritäten, die Einhegung der überkommenen Regeln und die Verhältnissetzung von produzierenden und rezipierenden Instanzen des Wissens - durch die Sprache miteinander verschmelzen. Dementsprechend ist der Essay „El no sé qué" selbst auf einem (rhetorischen) Widerspruch aufgebaut, nämlich einer Erklärung des Unerklärbaren, deren kontrafaktisches Moment (inkl. des ironischen Untertons) in der Kritik kaum problematisiert worden ist: „Intentamos en el presente Discurso explicar lo que nadie ha explicado, descifrar ese natural enigma [...] decir lo que es esto, que todo el mundo dice, que no sabe qué es."272 Vorgeblich beruht die Lösung der paradoxen Frage - was es ist, von dem niemand weiß, was es ist - auf dem bekannten Kalkül der Proportionen zwischen den beteiligten Elementen der Situation, welche die Aussage des Ereignisses - von dem niemand weiß, was es ist - in der Form der Ausnahme ästhetisch und poetologisch beschreibbar machen. Feijoo unterscheidet zwischen einfachen Gegenständen (z.B. Ton, Farbe, Stein) und zusammengesetzten Objekten (z.B. Melodie, Gemälde, Bauwerk), denen auf subjektiv ermittelte oder objektiv übermittelte (also irgendwie aktenkundig' gewordene) Weise ein „no sé qué" eigne, und fragt für beide jeweils nach dem Faktum „¿qué?" bzw. nach dem Grund „¿por qué?" der Besonderheit eines als „no sé qué" herausstechenden bzw. in die rationale Ordnung einbrechenden Phänomens.273 Die Differenz zwischen den „objetos simples" und den „objetos compuestos" bestehe zum einen in der Verhältnismäßigkeit der Objekte selbst, wobei die einfachen, in Ermangelung einer Binnendifferenzierung, durch eine „besondere Individualität" (diferencia individual privativa) aus der Typik ihres Gattungsbezugs herausgehoben würden, und die zusammengesetzten im „schönen Zusammenspiel" der Einzelelemente (recíproca proporción, o coaptación, que tienen las partes entre sí), ohne dass diese je ein „no sé qué" besitzen müssten, ihren herausragenden Gesamteindruck erzeugten. Zum anderen bestehe die Differenz zwischen „objetos simples" und „objetos compuestos" im jeweiligen Verhältnis zum wahrnehmenden Subjekt: „[...] el agradar los objetos consiste en tener un género de proporción, y congruencia con la potencia

Ebd., S. 370 (ebd., S. 228). Eine Beschreibung der einzelnen Analyseschritte findet sich bei Jacobs: Schönheit und Geschmack, a.a.O., S. 188ff. 272

273

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que los percibe".274 Das Subjekt stehe wiederum zum „objeto simple" in einer einfachen Beziehung, indem es etwa durch dessen individuelle Besonderheit berührt wird, und zum „objeto compuesto" in einer mannigfaltigen Relation, deren Komponenten des „¿por qué?" bis zu einem gewissen Grad - nämlich jenem, an dem die Überschreitung der Regeln dieselben noch erkennbar lässt - für „compositores de alto numen" 275 erlernbar seien. Die Grenzen des Unerklärlichen sind hier entweder durch den Extremwert der göttlichen „Gnade" (mit Bezug auf die Gegebenheit der einfachen Gegenstände) oder durch den Überschuss der für den menschlichen Verstand nicht mehr berechenbaren „Kombinationsmöglichkeiten" (mit Bezug auf die Wirkung der zusammengesetzten Objekte) gegeben. Die Beispiele, die für diese Demonstration die schlagendste Beweiskraft haben, sind die Schönheit des menschlichen Antlitzes (hermosura de un rostro), durch dessen Augen - wie in der platonischen Ideenlehre - die Seele hervorscheint, und die Vollkommenheit einer Tonfolge (perfección de la entonación) in der Musik,276 deren Komposition - wie im Paradoxon der Wohltemperiertheit nachweisbar ist - sich gerade nicht aus einer exakten mathematischen Regelbefolgung ergibt. Nun führen diese Ausführungen zur Erklärung des Unerklärlichen, wie durch die tautologische Selbstanzeige angekündigt, im Detail zu offenkundig widersprüchlichen Ergebnissen. Es bleibt erstens die Frage ungelöst, ob das „no sé qué" ein Ausnahmephänomen ist oder selbst einer (unerkannten) Regelmäßigkeit folgt. Wie häufig kommt das Phänomen vor? Feijoos Antwort bewegt sich hier zwischen „eigentlich immer und überall" - „si se mira bien, no hay especie alguna de objetos donde no se encuentre este no sé qué"277 - und „fast nie" „rarísima vez se encuentra el no sé qué en objeto, donde no hay algo de composición".278 Zudem erweist sich an den proportionalen Korrespondenzen von Subjekt und Objekt zweitens eine überaus starke Abhängigkeit des Phänomens von den ,Kapazitäten' eines Betrachters: Feijoo: „El no sé qué", a.a.O., S. 371 (TCU 1989, S. 230). Ebd., S. 378 (ebd., S. 237). 276 Zur herausgehobenen Bedeutung, die Feijoo der Musik innerhalb der Künste (insbesondere im Vergleich zur Poesie) zuschreibt, vgl. Antonio Martín Moreno: El Padre Feijoo y las ideologías musicales del XVIII en España, Orense 1976, hier insbes.: S. 80-84, S. 104-121, S. 174-180. 274

275

277 278

Feijoo: „El no sé qué", a.a.O., S. 368 (TCU 1989, S. 227). Ebd., S. 376 (ebd., S. 235).

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„[la] gracia, como todas las demás, que andan rebozadas debajo del manto del no sé qué, es respectiva al genio, imaginación y conocimiento del que la percibe".279 Ohne die Kenntnis und die Imagination eines (genialen) Subjekts könnte die Existenz eines „no sé qué" gar nicht behauptet werden. Drittens ist der Ereignischarakter eines „no sé qué" nicht zwingend mit dem Begriff der Schönheit oder der Erhabenheit verknüpft, sondern lässt sich genauso gut als etwas herausragend Hässliches oder Abstoßendes beschreiben: „No sólo se extiende el no sé qué a los objetos gratos, mas también a los enfadosos".280 Diese Beispiele zeigen, dass es am Ende unmöglich ist, von drei wesentlichen Eigenschaften des Phänomens - seiner Häufigkeit, seiner Bedeutung und seiner Abhängigkeit von der Perspektive des Betrachters - induktiv zu einer Regel zu gelangen, der gemäß das „no sé qué" als „idea clara"281 dem Verstand zugänglich wäre. Die Pointe der kontradiktorischen Argumentationsweise an dieser Stelle besteht nun darin, dass die Auslotung der systematischen Widersprüche im Verhältnis zwischen dem Gegenstand (bzw. dem behaupteten Sachverhalt) eines „no sé qué" und dessen sprachlicher (stilistisch adäquater) Vermittlung zu einer Bestätigung der antisystematischen Grundvoraussetzung innerhalb des formalen Aufbaus der Gesamtargumentation führt. Wie für die Harmonie musikalischer Intervalle ist die „imperfección del sistema" 282 auch für die gute Verfasstheit künstlerischer Repräsentationstechniken im theoretischen Ideal der wirklichkeitsgetreuen Schönheit ein wesentliches Merkmal. Und dies gilt zuvorderst für die sprachlichen Repräsentationstechniken, in denen der (spannungserzeugende) Antagonismus zwischen natürlicher Adäquation und exzessiven Ereignissen der Figuration unmöglich zu regulieren ist: „No hay Geometría para medir, si una metáfora,

Ebd., S. 380 (ebd., S. 239). Ebd., S. 370 (ebd., S. 228). Hier findet sich ein Nukleus der später in der Romantik fortgeschriebenen „Ästhetik des Hässlichen". Feijoo impliziert an dieser Stelle, im Rückgriff auf Aristoteles (Poetik IV), dass die besondere Wirkung eines no sé qué des künstlerischen Stils durch die ,schöne' (d.h. mit der Wirklichkeit übereinstimmende) Darstellung eines (besonders) hässlichen Objekts möglich ist. Zeitgleich versucht i.U. der 12 Jahre jüngere Emanuel Swedenborg einen esoterischen Nachweis der bis dato als contradictio in adjecto begriffenen Behauptung von der Schönheit des Hässlichen. 279

280

281 282

Ebd., S. 372 (ebd., S. 231). Ebd., S. 378 (ebd., S. 237).

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salió ajustada, o no a las reglas."283 Im Kontext der allgemeinen Frage nach dem adäquaten Stil sprachlicher Ausdrücke - und a posteriori der stilistischen Verfasstheit des eigenen Textes - führt der Nachweis dieses prinzipiellen Grenzwertes für die mathematische Gesetzmäßigkeit der rationalen Beschreibung des Wissens über die Funktionen der Sprache somit nicht in eine neue Sackgasse der Argumentation, sondern zu einer (positiven) Relativierung der Ausgangsthese (im Sinne einer Rückführung in die offene Dialektik des Ganzen).284 Muss nämlich die auf Bodennähe orientierte Natürlichkeit des prosaischen Stils im Regelfall von den Flüge(l)n der poetischen Figuration ferngehalten werden, zeigt andersherum die faktische Besonderheit der Regelausnahme - in der Form eines „no sé qué" - , dass es gerade die poetischen Momente sind, die die Prosa (bzw. die Kontinuierlichkeit ihrer Wirkung) aufrecht erhalten. Aufgrund der Verknüpfung der stiltheoretischen Frage mit dem Problem der Erkennung und Herstellung historischer Wirklichkeit ist Feijoo mit einem doppelten Widerspruch konfrontiert: Das Poetische kann die Perfektion der Prosa ebenso zum Ausdruck bringen wie die Fiktion die Perfektion des Faktischen. Die Originalität der Antwort auf diese Parameter des sprachlichen Vermittlungsproblems, die als Ausdruck einer „Krise der (barocken) Epistemologie" 285 bzw. einer „Krise der (veristischen) Imitationslehre" 286 gedeutet worden sind, besteht in der Haltung der essayistischen Vorgehensweise, die den Widersprüchen nicht aus dem Weg geht, sondern sie als konstitutiv für die anthropologische Grundanschauung der philosophischen Ästhetik erachtet. Kein Wesen ist - aufgrund der „janusköpfigen

283 Ders.: „La elocuencia es naturaleza", a.a.O., S. 49. Dieses Argument dient i.U. zugleich als logischer Baustein für die Beweisführung gegen die Willkürlichkeit von Maßnahmen der Zensur: „De aquí la frecuente oposición de opiniones entre los Retóricos facultativos, cuando se trata de censurar alguna pieza de elocuencia." (Ebd.) 284 „Ein Aufklärungsfuror, der die Durchsetzung universaler Werte um jeden Preis betreibt, ist bei Feijoo undenkbar. Lieber registriert er mit der skeptischen Gelassenheit eines Montaigne, dass der Wille zur Veränderung an der Vielgestaltigkeit der Welt und der Macht der Gewohnheit seine Grenzen findet." Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 125. 285 Sebastian Neumeister: „Ähnlichkeit, Sympathie, Liebe. Benito Jerónimo Feijoo und die Krise der barocken Epistemologie", in: Jahrbuch der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaß 1981, Berlin 1982, S. 196-215. 286 Krömer: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik, a.a.O., S. 76ff.

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Perfektibilität"287 - so widersprüchlich wie der Mensch selbst, der zum Subjekt und zum Objekt des philosophischen Versuchs (über die Kunst) gewählt ist. Die „indeterminación de la crítica",288 die Feijoos offenem System vorgehalten wird, ist die Methode, die den Begrenzungen des menschlichen Wissens am ehesten entspricht. Da Feijoo der Ideenlehre Piatons sowie deren Engführung durch Shaftesbury folgt, müssen Wahrheit und Schönheit grundsätzlich übereinstimmen, und zwar sowohl im Fall der natürlichen als auch der menschlichen Kunstwerke. Daher hält der Benediktiner unbeirrt an seinem Glauben fest, dass auch die Ausnahme von der Regel einer rationalen Gesetzmäßigkeit folgt und dass es dem schwachen (wenngleich lernfähigen) Verstand des Menschen nur (noch) nicht gegeben ist, die Gründe für die Legislation vollständig zu durchdringen.289 Am Beispiel der Schönheit der Kunst, die mit der göttlichen Schönheit der Natur wetteifert, zeigt sich dabei am eindrücklichsten, dass das Dilemma der menschlichen Imperfektion - das zugleich den anthropologischen Versuch vorantreibt, sich dem Ideal der Übereinstimmung von Schönheit und Wahrheit anzunähern - in eine Dialektik von Freiheit und Gesetzmäßigkeit aufgespannt werden kann. „Keine unserer Regeln kann das Schöne messen [...]. Insofern aber die Regeln nicht sicher sind und nicht alle Möglichkeiten des Schönen umfassen, hat der Künstler die Freiheit von ihnen." 290 Auf der Ebene der Rezeption bleibt dem Betrachter im Angesicht des immer unergründlich bleibenden Teils des „no sé qué" der Schönheit nur die Freiheit des guten Geschmacks: „el gusto bueno con la bondad que le corresponde" im Spannungsverhältnis von „temperamento" und „aprehensión".291 Auf der Ebene der Produktion erweist sich die Kunst selbst angesichts der intellektuellen Unzulänglichkeit,

Cassirer (1932): Das Problem Jean-Jacques Rousseau, Darmstadt 1975, S. 55. Subirats: La ilustración insuficiente, a.a.O., S. 41. 289 Die Unkenntnis der Gesetzmäßigkeit gilt auch dann, wenn es im Einzelfall einem Genie durch Gefühl, Eingebung oder Gnade gegeben ist, ein Gesetz erfolgreich anzuwenden. 287

288

Krömer: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik, a.a.O., S. 125. Damit wird zugleich deutlich, dass Feijoos Ästhetik in einem wesentlichen Punkt gegen die vorherrschende Regelphilosophie der Zeit gerichtet ist. Dies hat bereits Delpy angemerkt: „En refusant de subordonner l'Art à des règles trop strictes, en refusant de classer et d'étiqueter le Beau, Feijoo réagit contre le goût dominant". Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. 198. 290

291

Feijoo: „Razón del gusto", a.a.O., S. 354f.

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die Ereignisse des „no sé qué" auf ein „corto número de combinaciones" oder gar eine einzige Kombination (etwa die Weltformel) zu reduzieren - „los hombres, reglando inadvertidamente la inmensa amplitud de las ideas divinas por la estrechez de las suyas" in der Praxis als eine Steigerung von Kombinationen der Ausnahme „fuera de las comunes reglas".292 Beide, der Geschmack und die Teleologie der theoretischen Vernunft, die den Ereignissen der Praxis treu verbunden ist, sind Ausdruck jener Kraft der Seele (facultad animástica), die Feijoo dem Begriff des „tino mental" zugeschrieben hat. Die Treffsicherheit' des Geistes, die sich in die Dialektik von Gesetz und Freiheit als eine Verrechnung der Differenz „entre las reglas ordenadas a artificios materiales, y las que dirigen en materias puramente intelectuales" einfügt, ist heuristisch eine Instanz der Vermittlung zwischen Wahrheit und Schönheit, die sich auf der Ebene des Stils abspielt, nämlich in der Form von (theoretischen und praktischen) Entscheidungen zwischen den Grenzwerten von sprachlichen Ausdrucksmodi, an denen die Extreme der Figuration sich in ihr Gegenteil verkehren können: „[...] es también menester el Tino mental para discernir, si el rasgo que tira es conforme, o diforme a las reglas, y ése le falta: juzgará que se eleva al estilo sublime, y caerá en el obscuro, y violento; que forma un hipérbole magnífico, y le sacará monstruoso, &c."293 Die ästhetisch-sprachphilosophischen Überlegungen stehen bei Feijoo im Zentrum der literarischen Praxis. Feijoo ist mit vollem Recht ein „artista literario" zu nennen, weil die theoretische Intention seines Bestimmungsversuchs einer „hermosura, con que el estilo hechiza al entendimiento",294 mit einer praktischen Intention verknüpft wird und auch in der Praxis erst ihren eigentlichen Erfolg findet. Feijoos Werk ist ein literarisches - „en [una] época en que la literatura incluía a la filosofía y aun a la ciencia"295 - , weil es als ein (unabschließbares) Projekt der selbstreflexiven Auslotung sprachlicher Möglichkeitsbedingungen angelegt ist. „Verum quia factum", antwortet der Benediktiner mit Giambattista Vico auf die scholastische Philosophie, deren Wahrheit im

Ders.: „El no sé qué", a.a.O., S. 377f. (TCU 1989, S. 236f.). Die philosophische Intuition, die hier zugrunde liegt, besteht darin, dass die „regia superior" des no sé qué (ebd., S. 378) selbst mannigfaltig ist. 293 Ders.: „La elocuencia es naturaleza", a.a.O., S. 48f. 294 Feijoo: „Paralelo de las Lenguas", a.a.O., S. 314. 295 Ardao: Lógica y metafisica, a.a.O., S. 9. 292

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Sein jenseits der Sprache verankert ist, und transformiert zugleich die philosophische Frage in eine literarische. Zwar lässt sich sagen, dass die fehlende Trennschärfe der (erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts vollzogenen) Unterscheidung zwischen ficción und erudicón (bzw. literatura de creación und literatura de erudición)296 für das enzyklopädische Denken der Aufklärung allgemein charakteristisch ist. Allerdings geht die bei Feijoo beschreibbare Diskursformation in der Praxis bereits weit über die theoretische Hypothese hinaus, die noch bei Luzán sehr vorsichtig formuliert wird: „[...] la ficción, aunque en la apariencia es mentira, se refiere indirectamente a alguna verdad que en sí encierra y esconde".297 Ist als wahr vor allem erkennbar, was von Menschenhand gemacht ist, so gilt dies insbesondere für die Fiktion, die in der Natur kein Vorbild hat. Schließlich folgt die Haltung gegenüber der Gattungsfrage, die in der beschriebenen Zeit die ,heiße' Frage des Literarischen schlechthin repräsentiert, dem Geist der freien Souveränität. Die formale Wahl der Gattung ist für den Ausdruck der „hermosura del animo" absolut gleichwertig: „[...] conforme se tratare el asunto, una misma materia puede ser objeto de unas coplas jocosas; [...] y puede serlo de la más profunda especulación de los Filósofos".298 Insofern ist der Sachverhalt, der in dem Essay „El no sé qué" diskutiert wird, im Prinzip auch in poetischer Form verhandelbar, ein Versuch, den Feijoo in einem Gedicht mit dem bezeichnend unpoetischen Titel „Explicación rigurosamente filosófica de lo que es el no sé qué de la hermosura"299 im Übrigen (zum Zeitvertreib) unternommen hat. Umgekehrt ist die Prosa aber insofern die souveräne Gattung, als sie sich nicht nur am weitesten von willkürlichen Gattungsgrenzen entfernen, sondern auch die Willkürlichkeit der Grenzziehungen in einer unmittelbaren Autor-Leser-Kommunikation

296 Jüttner: „Von der Schwierigkeit, Mythen stillzulegen. Spanische Literatur und Aufklärung in der deutschen Hispanistik", in: Iberoamericana 74 (1999), S. 5-38, hier: S. 28. 297 Luzán (1737): La Poética o reglas de la poesía en general, Madrid 2008, S. 258. Vgl. Kap. 3.2. 298 Feijoo (1742): „Satisfacción a algunos reparos propuestos por un Religioso de otra Orden, Amigo del Autor", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 1 (Brief 32), S. 264. 299 Feijoo: „Explicación rigurosamente filosófica de lo que es el no sé qué de la hermosura", in: Gamallo Fierros: „La poesía de Feijoo", a.a.O., S. 134-141, passim. Über dieses Gedicht, dessen Entstehungszeit unbekannt ist und vollkommen zu Recht vergessen worden ist, lässt sich letztlich - trotz der übertriebenen Einschätzung von Gamallo Fierros: „un texto importantísimo en punto a la transcendencia teórico-estética" (ebd., S. 135) - nicht mehr sagen, als dass die „Thesen grundsätzlich mit [der Abhandlung] El no sé qué übereinstimmen" (Jacobs: Schönheit und Geschmack, a.a.O., S. 193).

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zur Diskussion stellen kann. Deren Telos ist die (schrittweise vollzogene) Annäherung an eine Erklärung des unerklärlichen „no se que". Die Freiheit der Prosa ist bei Feijoo das Motiv und der Antrieb für die ,Essayistik' der literarischen Praxis. Und sie ist die Möglichkeitsbedingung für die reflexive Vorgehensweise, die intersubjektive Befragung der Medialität der Sprache(n),300 inkl. der möglichen Selbstkorrektur301 und der ironischen Unterwanderung302 trügerischer oder (noch) unersichtlicher Gesetze der Bedeutung. Mit Feijoo hält die Möglichkeit einer (philosophischen) Wahrheit des Literarischen Einzug in die spanische Literatur. Seine Prosa ist für die spanische Literatur aller Gattungen so folgenreich, weil seither unwiderruflich der (logische) Satz gilt, „[que] no hay en la Literatura parte alguna que no tenga una extensiön infinita".303

300 „El idioma castellano [es el] vehículo de su pensamiento". Martínez Lois: El padre Feijoo, a.a.O., S. 86. 301 Vgl. etwa den Brief mit dem programmatischen Titel „Reforma el Autor una cita, que hizo en el Tomo IV del Teatro Crítico; y después tuvo motivo para dudar de su legalidad; con cuya ocasión entra en la disputa de cuál sea el contenido esencial de la Poesía", in: Cartas eruditas, y curiosas, a.a.O., Bd. 5 (Brief 19), S. 322-332, in dem just das Ideal der heuristischen Trennung zwischen Fiktion (Lüge) und Poesie (exzessive Figuration) aufgehoben wird: „[...] la ficción se considera inseparable de la Poesía" (ebd. S. 326). 302 Die subtile Ironie Feijoos, die in der Kritik kaum zum Ausdruck kommt (vgl. Elso Di Bernardo: „Acerca de recursos dialécticos, fuentes y procedimientos estilísticos del Padre Feijoo", in: Universidad Nacional de La Plata (Hg.): Fray Benito Jerónimo Feijoo, a.a.O., S. 137-154, hier: S. 141), ist mehr als eine rhetorische Technik (in der Folge Senecas) mit dem Ziel, den Leser zum einverständigen Schmunzeln zu bringen. „L'ironie est une arme très utile dans les combats que Feijoo livre contre les routines, et contre l'exploitation de la crédulité publique." Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. 212. Die Frage der Ironie wird im Folgenden (Kap. 3.4.2 und 4.5) als ein eigenständiges Problem untersucht. 303

Alvarez de Miranda: „Aproximación al estudio del vocabulario", a.a.O., S. 391.

3. DIE EPOCHE DES SCHRIFTSTELLERS TORRES V I L L A R R O E L . ZUR K O N F I G U R A T I O N DER L I T E R A R I S C H E N P R O S A IM K O N T E X T DES (NEO-)KLASSIZISMUS

Die spanische Aufklärung ist auf subtile Weise revolutionär. In diesem Punkt erweist sich ihre Gründungsfigur, der Padre Feijoo, als ein wegweisender Repräsentant. Die Analyse der zentralen Thematiken und methodisch-stilistischen Eigenschaften des feijooschen Werks zeigt die Momente der Begründung einer Diskursformation im Geist der (rationalen) Vorsicht. Trotz der zum Teil recht tiefgreifenden philosophischen Ergebnisse, die an den Säulen der zeitgenössischen sozialen und religiösen Ideengebäude rütteln, entspricht die Anlage von Feijoos Werk - vor allem im Hinblick auf dessen enzyklopädisch-didaktische Intention - einem konstruktivistischen Konzept. Auch die dekonstruktiven Elemente der Kritik, die im Fahrwasser der Anthropologie, des Atomismus oder des Sensualismus dem scholastischen Fundament des klassischen Weltbilds gefährlich erscheinen, beruhen letztlich auf der ungefährlichen Ausdrucksform eines bewahrenden und optimistischen Patriotismus. Verbindet man mit dem Zeitalter der Aufklärung die Namen der Autoren, die ab 1751 für die französische Encyclopédie geschrieben haben, so wird man in den Texten des spanischen Benediktiners den kämpferischen Ton und die Radikalität des Ausdrucks eines Voltaire, Diderot oder Rousseau vermissen. Andererseits wird man der spanischen Bewegung ebenfalls nicht gerecht, wenn man ihre Gründungsfigur mit den deutschen Frühaufklärern Christian Wolff oder Johann Christoph Gottsched vergleicht.

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Möchte man auf dem Paradigma des französisch-deutschen Kulturvergleichs bestehen, ergäbe die anachronistische Paarung aus dem individualistischen Geist und der stilistischen Besonnenheit von Fontenelle mit der anthropologischen Philosophie Johann Gottfried Herders vielleicht das passendste Ergebnis. Feijoos Philosophie der Literatur ist eine bescheidene Revolution im Kontext des spanischen Klassizismus. Die antisystematische Orientierung der durch Feijoo geprägten „Denkform" 1 - als einer Öffnung des Zeitalters - ergibt sich durch den essayistischen Umgang mit den Axiomen der klassischen Philosophie, ohne dass dieselben prinzipiell oder von Grund auf in Frage gestellt würden. Insofern besteht für die spanische Frühaufklärung, die unter dem Namen Feijoo firmiert, eine formale Analogie zum frühneuzeitlichen Humanismus. Die Methode der vernünftigen und unerschrockenen Reflexion, Ordnung, Gewichtung und Diskussion beobachteter oder überlieferter Sachverhalte aus der Natur und der Geschichte (unter vorgeblicher Ausklammerung der Metaphysik) entspricht in der Anlage dem frühneuzeitlichen Versuchsaufbau eines Erasmus, Bacon oder - unter Berücksichtigung der „peculiaridad española" 2 - eines Juan Luis Vives. Allerdings ist die Analogie in der Tat nur formal. Konzeptuell besteht das Verhältnis zwischen Feijoo und Vives, der schon im frühen 16. Jahrhundert die dem Aristoteles a priori zugeschriebene, Autorität' kritisch hinterfragte (und neben pädagogischen Traktaten Leitlinien zur Verbesserung der Lebensverhältnisses im Volk verfasste),3 in der Form einer disjunktiven Synthese' bzw. einer differenzierenden, sich selbst erneuernden Kontinuierlichkeit.

Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. 1. Abellán: „El espíritu del siglo", a.a.O., S. 44. 3 Juan Luis Vives: De ratione studii puerilis (London 1523), De subventione pauperum (Brügge 1526), De tradendis disciplinis (Brügge 1531), De ratio dicendi (Brügge 1532). Vives verteidigt zudem die Vernunftsabhängigkeit des Glaubens: „Nada, en efecto, puede ser grande sin la razón", ders.: Tratado del alma (spanische Fassung), zit. in: Luis Rodríguez Aranda: El desarrollo de la razón en la cultura española, Madrid 1962, S. 45. Zur Grundlage des Epochenvergleichs zwischen Aufklärung und Humanismus vgl. Enno Rudolph: „Einleitung", in: Ders.: (Hg.): Die Renaissance als erste Aufldärung, Bd. 1, Tübingen 1998, S. 1-5, hier: S. 5: „Die Frage ist weniger, ob die Renaissance eine Aufklärungsepoche [...] war. Die Frage ist vielmehr, ob die beiden Aufklärungen - diejenige des 18. Jahrhunderts und diejenige des Renaissancehumanismus - miteinander konkurrieren oder ob sie einander ergänzen." 1

2

Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel

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Der Übergang von der humanistischen Experimentalwissenschaft zum philosophischen Gedankenexperiment der Aufklärung beruht weniger auf einer Neustrukturierung des Argumentationsaufbaus, dessen Elemente bewahrt werden, als auf einem Bedeutungswandel der verwendeten Begriffe: Experiment, Wissen, Mensch, Wahrheit, Sprache. Die philosophische und literarische Leistung des Teatro crítico universal sowie der Cartas eruditas ist im Ergebnis ein Beitrag zur (methodisch angeleiteten) Erneuerung dieser grundlegenden Begriffe. Da diese Leistung im Vergleich zu den blendenden Lumières in sanfterem Licht erscheint, zeigt sich ihre nicht revolutionäre, aber doch reformierende, die Prosa der Ilustración entscheidend prägende Kraft deutlicher, wenn man den Kontext des zeitgenössischen Diskursgefüges des spanischen Neoklassizismus in Betracht zieht. Das Reservoir der Bezeichnungen, die für das komplexe 18. Jahrhundert in der spanischen Literatur gemeinhin zur Verfügung stehen, enthält neben der Ilustración und den Luces die Begriffe des „neoclasicismo" bzw. der „época neoclásica". In den Literaturgeschichtsbüchern wird der Term ,Neoklassizismus' allgemein zur Beschreibung des ,Übergangs' zwischen den Epochen des Barocks und der Romantik verwendet und steht somit häufig analog zu den (ebenfalls transitorischen) Bezeichnungen des,Spätbarocks' oder der,Vorromantik'. Im Besonderen bezeichnet der Begriff Neoklassizismus gerade in Spanien aber auch einen bestimmten Bereich der Kunst und Literatur, der sich durch die ästhetische bzw. poetologische Reflexion der eigenen Hervorbringungspraxis charakterisiert. Im kastilischen Kontext, vor allem Madrid, konzentriert sich die Epoche des neoclasicismo, als deren theoretisches Manifest die Poética von Ignacio de Luzán (1737) angesehen wird,4 vor allem im Zusammenhang der Ausarbeitung von spezifischen Regeln der Literatur. Im katalanischen, genauer: valencianischen Kontext, dessen Repräsentanten - mit Gregorio Mayans y Sisear als Gallionsfigur5 - novatores genannt 4 Russell P. Sebold: „Introducción", in: Ignacio de Luzán: La poética o reglas de la poesía en general, y de sus principales especies, Madrid 2008, S. 11-97. 5 „Al siglo XVIII español [...] pertenece llenamente don Gregorio Mayáns y Sisear, [...] una de las grandes inteligencias de la centuria, aunque poco conocido hoy, realmente, pese a su fama de eruditísimo". Antonio Mestre: Ilustración y reforma de la iglesia: pensamiento político-religioso de Don Gregorio Mayáns y Sisear (1699-1781), Valencia 1968, S. 7. José Antonio Maravall zufolge ist der Begriff ,Novatores' Mitte des 20. Jahrhunderts von François Lopez geprägt worden. Maravall: „Gregorio Mayans y la

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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werden, wird der inhaltliche Schwerpunkt auf wissenschaftstheoretische und epistemologische Fragen ausgeweitet. Die Autoren beider Epochen, die neoclásicos ebenso wie die novatores, zeichnen sich trotz ihrer Namen allerdings nicht durch einen Neuerungswillen aus. Die ,Erneuerer' sind zuvorderst Bewahrer des Alten: „En la historia literaria española, el termino neoclásico deberá interpretarse en su sentido más riguroso: nuevo clasicismo español."6 Der Begriff des ,Neuen', wie auch jener der ,Reform', hat für die spanischen Intellektuellen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts den gefährlichen Beiklang des Umstürzlerischen. Als Charakterisierung einer Gruppe von (schreibenden) Personen dient er einem denunziatorischen Zweck. So suchen sowohl Mayans als auch Luzán in den 1730er Jahren ihre Leser zu gewinnen, indem sie der aufkommenden Gefahr einer Zuschreibung ihrer Werke zu reformatorischen Strömungen explizit entgegentreten. Mayans schreibt in seinem Orador cristiano: „Mi designio, pues, en estos diálogos no es repicar a novedad, la cual suele ser odiosa en las artes ya establecidas y sumamente peligrosa en las cosas que tocan a la religión." Das Neue ist entweder verachtenswert oder gefährlich. Im Fall, dass etwas neu erscheint, findet es seine Versicherung im Alten: „Sólo es mi ánimo repetir cosas, que por antiguas quizá a muchísimos parecerán muy nuevas." 7 Auf ähnliche Weise wendet sich auch Luzán im Vorwort seiner Poética mit einer ,Warnung' an den Leser: „te advierto que no desestimes como novedades las reglas y opiniones que en este tratado propongo; porque, aunque quizá te lo parecerán [...], te aseguro que nada tienen menos que eso", worauf eine analoge Einbettung des Neuen im immer schon

formación del pensamiento político de la Ilustración", in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración. Simposio Internacional en el Bicentenario de la muerte de Gregorio Mayans, Valencia 1981, Bd. 1, S. 43-80, hier: S. 45. Als Vorläufer (bzw. frühe Repräsentanten) lassen sich die drei bekanntesten aus Valencia stammenden Empiristen und Naturphilosophen der Jahrhundertwende anführen: der Philosoph und Mathematiker Tomás Vicente Tosca (1651-1723), der Physiker, Astronom und Ökonom Juan Bautista Corachán (1661-1741) und der Helenist und Archäologe Manuel Martí y Zaragoza (1663-1737). Sebold: El rapto de la mente, a.a.O., S. 55. „Los renovadores defienden unos principios literarios mucho más viejos que los defendidos por sus adversarios conservadores". Checa Beltrán: „La reforma literaria", a.a.O., S. 205f. 6

7 Gregorio Mayans y Sisear (1733): El orador cristiano ideado en tres diálogos, in: Obras completas, hg. v. Antonio Mestre Sanchis, Bd. 2, Valencia 1984, S. 13-164, hier: S. 25.

Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel

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Gewesenen (der Antike) folgt: „pues ha dos mil años que estas mismas reglas, a lo menos en todo lo sustancial y fundamental, ya estaban escritas por Aristóteles".8 Die strikte Verbundenheit der Neoklassizisten mit der spanischen Klassik (also dem Siglo de Oro) erzeugt eine paradoxe Ausgangssituation der literarischen Reform' zur Zeit der Frühaufklärung. Die tatsächliche Erneuerung der Literatur, die sich in den Werken von Feijoo oder Torres Villarroel mit Bedachtsamkeit oder in ironischer Konfrontation ihre Bahnen sucht, wendet sich konzeptuell, trotz einiger thematischer (und rhetorischer) Parallelen, gegen den offiziellen Reformdiskurs, der die Epoche beherrscht und die Literatur nicht erneuert, sondern in den Gesetzen der Alten zu verankern sucht. Der Neoklassizismus, sofern man aus der Vielzahl der ihm zugeschriebenen Autoren ein gemeinsames Konzept herausfiltern kann, ist vielleicht nur in dem Punkt innovativ', dass er eine neue Auslegung der Idee von der spanischen „Dekadenz" präsentiert. Unter Dekadenz verstehen die Neoklassizisten (ebenso wie die Novatores) den drohenden, ggf. noch abwendbaren Zustand des Verfalls der in Spanien geschriebenen Literatur - fiktionaler und nichtfiktionaler Art - im Vergleich zur glorreichen Epoche des Siglo de Oro. Für Autoren wie Blas Antonio Nasarre, Agustín de Montiano, Luis José Velázquez oder Juan José López de Sedano, um nur einige Namen auch aus der zweiten Reihe zu nennen, liegt die Ursache des Verfalls der spanischen Literatur in der Sprache des Barocks, im Culteranismo von Luis de Góngora und dessen Nachahmern, deren enthobener Kunstcharakter die klare Wiedergabe von Gedanken verhindere. Aus dieser Position einer kritischen Neuanknüpfung an den Conceptismo (der Prosa Graciáns) - mit Blick auf den schon seit dem späten 17. Jahrhundert währenden Streit um den unverbesserlichen' Stil Góngoras9 - entwickelt der Neoklassizismus mit den Methoden des 18. Jahrhunderts, vor allem auf der Grundlage Ignacio de Luzán (1737): „AI lector", in: La poética, Madrid 2008, S. 119-121, hier: S. 119. 9 Zur Entwicklung des Gongorismus im 18. Jahrhundert vgl. Nigel Glendinnning: „La fortuna de Góngora en el siglo XVIII", in: RFE 44 (1961), S. 323-349; sowie Jesús Pérez Magallón: „Góngora y su ambigua apropiación en el tiempo de los novatores", in: Criticón 103-104 (2008), S. 119-130. Zur Bedeutung des Begriffs concito - als „imagen sustancial y necesaria al pensamiento" - im 17. Jahrhundert und seiner allmählichen Loslösung vom culteranismo Góngoras vgl. Andrée Collard: Nueva poesía. Conceptismo, culteranismo en la crítica española, Madrid 1967, S. 23-39, S. 113-125. Zur Verteidigung 8

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Die P r o s a der spanischen Aufklärung

der historischen Philologie und der absolutistischen Morallehre, den Versuch einer Rückbesinnung auf die Sprache der Klassik und einer Wiederentdeckung bzw. Wiederaufbereitung der klassischen Werke.10 Mit dem Ziel der Wiedergewinnung kultureller Stärke für die spanische Nation und einer Verteidigung der ,wahren Orthodoxie' gegen die Angriffe der europäischen Nachbarstaaten entstehen auch die beiden bekanntesten Regelwerke der Erneuerung über die Methoden der „rechten Philosophie" (Mayans) oder die Verfassung „guter literarischer Werke" (Luzán). Wenngleich diese beiden Autoren, als intellektuelle Speerspitzen der kastilischen bzw. valencianischen Bewegung, über die dogmatischen Elemente des Neoklassizismus hinausgehen - und daher nicht repräsentativ im Sinne eines normalen Querschnitts sind - , lohnt sich eine Untersuchung ihrer ,Epoche machenden' Ästhetiken, um den Abstand von der Norm zu messen, welchen die Sprache Feijoos sowie die von Torres, Isla und ihrer Nachfolger erreicht haben.

3 . 1 . GESETZESKRAFT UND ERUDITION: GREGORIO M A Y A N S Y SISCAR

Von den beiden genannten Autoren, die zum Vergleich herangezogen werden, ist der Valencianer der bedeutendere, aber auch der schwierigere. Gregorio Mayans y Siscar, bzw. katalanisch: Gregori Mayàns i Sisear, 1699 in Oliva (Valencia) geboren und ebendort 1781 gestorben, ist ein klassischer Universalgelehrter. Einer Familie des Kleinadels entstammend, die im Erbfolgekrieg - wie viele Katalanen - auf der unterlegenen Seite der Österreicher stand, wächst er in Barcelona auf, geht dort in eine jesuitische Lateinschule und studiert anschließend Jura an der Universität von Valencia, wo er 1723, kaum 24 Jahre alt, eine Professur für Justinianisches Recht erlangt. Als Akademiker befasst er sich früh mit dem Problem der Universitätsreform (das durch die Concordia zwischen der Stadt Valencia und dem Jesuitenorden Góngoras im Streit u m den Gongorismus vgl. Robert Jammes: Études sur l'œuvre poétique de Don Luis de Góngora y Argote, Toulouse 1967. 10 Zu den allgemein formulierbaren Eigenschaften der neoklassizistischen Epoche (Gattungsnormen, Schönheits-, Imitations- und Wahrscheinlichkeitstheorien) vgl. auch die kommentierte Anthologie einiger zentraler Texte zur Theorie der spanischen Literatur im 18. Jahrhundert von José Checa Beltrán: Pensamiento literario del siglo XVIII español, Madrid 2004.

Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel

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1728 kaum beigelegt wird) sowie Fragen der Pädagogik,11 die ihn bald über das Feld der Rechtswissenschaft hinaus und in die Philosophie, die Politik- und vor allem die Religionswissenschaft hineinführt, welche für Mayans die Königsdisziplin bleibt. Zu Beginn seiner Karriere von namhaften valencianischen Intellektuellen wie Tomás Vicente Tosca oder Manuel Martí gefördert, erwirbt sich Mayans den Ruf eines ausgezeichneten Spezialisten für Fragen der Philologie (für deren Neubegründung als wissenschaftlicher Disziplin in Spanien sein Name neben dem des Padre Sarmiento steht) und eines Experten für lateinische Texte.12 Er arbeitet als Ubersetzer und Herausgeber der in seiner Zeit kaum mehr zugänglichen Werke von Juan Luis Vives, Diego Saavedra Fajardo, Nicolás Antonio, Juan de Valdés oder Juan de Mariana und schreibt die erste Cervantes-Biographie der spanischen Literaturgeschichte. 1733 wird er nach Madrid berufen und zum königlichen Bibliothekar ernannt, eine für seine historischphilologischen Interessen äußerst förderliche Stellung, die er jedoch, als unermüdlicher Streiter in mannigfaltigen Polemiken mit seinen Zeitgenossen aufgerieben, 1739 wieder aufgibt. Nachdem es ihm trotz prominenter Unterstützung nicht gelungen ist, den Posten des Cronista de Indias zu erlangen, kehrt er nach Oliva zurück und verbringt die folgenden 40 Jahre bis zu seinem Lebensende als freischaffender Intellektueller und privater Korrespondent mit Wissenschaftlern aus ganz Europa. Mayans' Werk ist ebenso umfangreich wie vielschichtig. Immerhin sind die meisten der verstreuten Manuskripte und Briefe inzwischen veröffentlicht und auch die zu Lebzeiten publizierten Texte durch Antonio Mestres langjährige Arbeit der Edition und Kommentierung neu

11 Eine Zusammenfassung der verschiedenen Bereiche seines pädagogischen Projekts zur „Reforma cultural" findet sich in der programmatischen Schrift mit dem Titel Pensamientos literarios (1734), in: Mayans: Obras completas, a.a.O., Bd. 1, S. 237-260. Einige Jahre später veröffentlicht Mayans seine Idea de un nuevo método que se puede

practicar en la enseñanza de las Universidades de España - im Auftrag v o n Manuel de Roda,

Minister Karls III. - auch als (genuines) Informe sobre los Estudios de España (1767). 12 Mayans ist ein Lateingenie. Auf diesem Gebiet erreicht er höchste Meriten und wird immer wieder von offizieller Stelle sollizitiert, so auch als Schreiber der Briefe und Eingaben der Stadt Valencia an den Papst (z.B. 1762 an Clemens XIII.). Dies mag ein Grund für seine ,neo-konservative' Position als Verteidiger des Lateinischen als Leit- und Zielsprache der in anderen Sprachen verfassten Wissenschaften sein.

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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zugänglich gemacht worden.13 Neben der Korrespondenz, den Informes (Auftragsschriften), den Viten (San Gil Abad, Miguel de Cervantes, Nicolás Antonio, Antonio de Solis u.a.) und einer wissenschaftlichen Autobiographie (unter dem hispanisierten Namen seines deutschen Freundes Ioanne Christophoro Strodtman)14 schreibt Mayans in lateinischer und spanischer Sprache (unter bewusster Aussparung des Katalanischen) Abhandlungen über die verschiedensten Themen: über altes und neues Recht, über Grammatik und Rhetorik, über Leben und Werk der Autoren, die er übersetzt oder ediert, über christliche Moral, Bibelgeschichte und Predigttechniken, über Methoden zur Scheidung von wahren und falschen Quellen der christlichen Theologie. Auf die letztgenannten Themen legt Mayans (zunehmend) den Schwerpunkt seiner Arbeiten, die sich als Teile eines,Projektes' im Kampf gegen die kulturelle Dekadenz zusammenfügen: das Projekt einer Auflclärung im Sinne der Verbesserung der historisch-philologischen Möglichkeitsbedingungen für die Geschichte und Philosophie der Religion als der wichtigsten Angelegenheit des Menschen. Mit diesem Zug des konservativen Reformismus' geht Mayans' Herausgebertätigkeit einher, die nicht nur auf Texte der spanischen Klassik zielt, sondern auch auf lateinische Autoren, die zumeist aus (heute kaum noch bekannten) Kirchenvätern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bestehen. Die in den Vorworten mitunter sehr detailliert vorgenommenen Kommentare der verschiedenen Strömungen der katholischen Glaubensauslegung - des Molinismus, des Ultramontanismus oder des in seinen mannigfaltigen kasuistischen und probabilistischen Ausprägungen besonders umstrittenen Jansenismus - , die im Spanien der Zeit Einzug halten, bringen dabei Elemente einer äußerst spezialisierten, auf eine bestimmte Form des spanischen,Urchristentums' rekurrierenden Theologie zum Ausdruck, die ihr Erkenntnisinteresse heute jedoch

13 A. Mestre, wie Mayans aus Oliva stammend, ist der Herausgeber der Werkausgabe: Obras completas (a.a.O.) und zugleich der Autor des nach wie vor bestehenden Grundlagenwerks: Ilustración y reforma de la iglesia (a.a.O.). Hervorzuheben sind auch die Historia, fueros y actitudes políticas: Mayáns y la historiografía del siglo XVIII, Valencia 1970 (insbes. zur Methodologie des mayansianischen Eklektizismus), der „Prólogo" zur Neuausgabe von Mayans (1737): Vida de Miguel de Cervantes Saavedra, Madrid 1972, S. VII-XCIII sowie die jüngste Gesamtbetrachtung Mayans y la España de la Ilustración, Madrid 1990. 14

Gregorii Maiansii Vita, Wolfenbüttel 1756.

Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel

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verloren hat.15 In Anbetracht der thematischen und auch methodologischen Komplexität des Werks - „la metodología de Mayans [...] es la búsqueda de un eclecticismo muy amplio que bien pudiera calificarse de enciclopédico"16 - ist der Vorgang, Mayans als historischen Kontext für andere Autoren zu konturieren, anstatt ihm eine eigene Studie zu widmen, allein durch die Tatsache zu rechtfertigen, dass die genuin literarischen bzw. literaturtheoretischen Aspekte seines Werks nur eine untergeordnete Rolle spielen, nämlich als Hilfswissenschaft' einer Aufklärung, die letztlich auf der Gewährleistung von quellenkritischen Instrumenten zur Ausübung (und Lehre) wahrer Religion beruht. Mayans' Schriften zur Literatur gehören mit Ausnahme der erst 1757 erschienenen Retórica zur frühen Periode seines Werks. Den Anfangspunkt markiert 1725, zeitgleich mit der ersten Schrift Feijoos - ein weiteres Argument für den gesetzten Beginn unserer Epoche der Ilustración - , die in Valencia bei Antonio Bordazar erschienene Oración en alabanza de las eloquentissimas obras de Don Diego Saavedra Fajardo. Hier findet sich, eingebettet in eine Eloge der klassischen Gelehrtensprache am Beispiel des Murcianer Diplomaten und Autors der República literaria (1655), die vielleicht schärfste der frühen Kritiken am (literarischen) Stil des Barocks, der in dieser Zeit - in etymologischer Anlehnung an die ,falsche Perle' (barroco, barrueco) - auch seinen Namen erhält.17 Die Oración en alabanza de Fajardo richtet sich „a los que viven hoi enagenados, gustosamente, con el embeleso falso de una loquacidad inútil hipócritamente suave", also „a los que aman el estilo, que solo brilla, por el exterior artificio, como piedra falsa".18 Das Fundament 15 Zu den (humanistischen) Fundamenten des „abstrakt-theoretischen Christianismus" bei Mayans vgl. Mestre: Ilustración y reforma, a.a.O., S. 451-470. Zu der das spanische Urchristentum begründenden Legende, dass der Apostel Jakobus nach der Himmelfahrt Jesu in Spanien gesiedelt und gepredigt habe, vgl. Claudio Sánchez Albornoz: Orígenes de la nación española, Bd. 2, Oviedo 1974, S. 367-396. Zur Entwicklung des zwischen politischer und religiöser Bewegung pendelnden Jansenismus in Spanien s. Tomsich: El jansenismo en España, a.a.O., S. 30-44. 16 Jesús Gutiérrez: „Tradición y actualidad en la Retórica de Mayans (Prólogo)", in: Mayans: Obras completas, a.a.O., Bd. 3, S. VII-XXV, hier: S. XI. 17 In der Literaturgeschichte wird dieser Text von Mayans als ein zentraler Beitrag zur „implantación del buen gusto neoclásico" - in der Form eines „arrinconamiento del gusto posbarroco" - verzeichnet. Checa Beltrán: „Teoría literaria", in: Aguilar Piñal

(Hg.): Historia literaria de España en el siglo XVIII, M a d r i d 1996, S. 427-511, hier: S. 429. 18

Mayans: Oración en alabanza de las eloquentissimas

obras de Don Diego

Saavedra

Fajardo, Valencia 1725, S. 2. (Variante nach der Version von 1739: „a los que viven hoi

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

dieser Kritik, das der nachträglichen Rechtfertigung des Autors zufolge dem Zweck der Hervorhebung des klassischen Modells und einer Erklärung für die Notwendigkeit dient, das Fach Literaturgeschichte an den spanischen Universitäten einzuführen,19 beruht auf einer Philosophie der Sprache, die für unseren Zusammenhang interessant ist. Sie wird in der Oración que exhorta a seguir la verdadera idea de la Eloquencia Española (Valencia 1727), den Pensamientos literarios (Madrid 1734), den Orígenes de la lengua española sowie der Vida de Miguel de Cervantes (beide Madrid 1737) entwickelt. Der Ansatzpunkt von Mayans' Sprachphilosophie ist die Idee der Optimierung sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten auf der Grundlage einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis. Die stilistischen Unannehmlichkeiten, die „embelesos falsos" und „loquacidades" oder „parlerías inútiles" der barocken Sprache, die nicht nur die Literatur ästhetisch verunstalten, sondern auch die (sprachabhängige) Ausübung, Lehre und Verbreitung der Wissenschaft behindern und damit insbesondere den Vorverurteilungen der zeitgenössischen Naturphilosophien Vorschub leisten (anstatt sie analytisch zu kritisieren), stellen für den Valencianer grundlegende Probleme dar, die allerdings prinzipiell behebbar sind. Es genüge, sowohl für die Qualität der Literatur als auch für die Praktikabilität der Wissenschaften, gleichsam die Zeit etwas zurückzudrehen. Mayans' Versprechen für die Zukunft - seine pädagogische Motivation - beruht auf dem Blick zurück in die Vergangenheit:

gustosamente enagenados con el embeleso falso de una inútil parlería hipócritamente suave [...]". Ders.: Ensayos oratorios, in: Obras completas, a.a.O., Bd. 2, S. 537-564, hier: S. 543). „Por el mismo deseo de introducir en España la historia literaria, años ha que hice [...] unos apuntamientos para formar unos comentarios sobre la República Literaria de don Diego Saavedra [...]", Mayans (1734): Pensamientos literarios, in: Ders.: Obras completas, a.a.O., Bd. 1, S. 237-260, hier: S. 256. Später, nach Mayans' „formación del espíritu crítico" (Mestre: Ilustración y reforma, a.a.O., S. 169), führt er aus, dass sein Verdienst darauf beruhe, die Literaturgeschichte auf ein kritisches Fundament gestellt zu haben: „[...] si el Maestro Alfonso [Garría] Matamoros dio principio en España a la Historia literaria; si don Nicolás Antonio la hizo general; yo he logrado hacerla crítica". Mayans: Brief an den Padre Rávago, Oliva, 10. Februar 1748, zit. in: Gutiérrez: „Tradición y actualidad", a.a.O., S. XVIII. 19

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M i d e s e o h a sido siempre, i es, d e que los h o m b r e s d e letras, assí m u e r t o s c o m o vivos, s e a n c o n o c i d o s ; los u n o s p a r a q u e sus o b r a s se lean i se e s t u dien, los o t r o s p a r a q u e ellos se e s t i m e n i se p r e m i e n , prefiriéndolos a los falsarios i p e r v e r t i d o r e s d e las ciencias. 2 0

Die Herausgebertätigkeit des Aufklärers versteht sich als ein praktischer Beitrag zur Verbesserung einer allgemeinen Kenntnis von Texten. Einem ausgewählten Kreis von Privatpersonen und intellektuellen Einrichtungen werden unzugängliche (vergriffene, nur im Archiv oder als Handschrift verfügbare) Texte für die Lektüre zugänglich gemacht. Diese Form der ,Aufbereitung' von Texten ist eine wissenschaftliche Handlung, die auf Regularien der Auswahl beruht, welche die Frage der kulturpolitischen Machtausübung hinter dem pädagogischen Ziel21 kaum verschleiert. Mayans ,benevolent despotische' Vorstellung eines von ihm selbst geleiteten, generalstabsmäßig organisierten, regionalen (Geheim-)Organs zur Kontrolle der Medien, die zur Bekämpfung der kulturellen Dekadenz verwendet werden, entspricht durchaus der historischen Situation in Valencia der 1740er und 50er Jahre. Mayans' Projekt beruht im Kern auf einer philologischen Praxis der (Wieder-)Herstellung der sprachlichen Verfasstheit älterer Texte, die als Modelle bestimmt werden. Dabei lassen sich zwei grundlegende Aspekte unterscheiden: ein für die Literaturwissenschaft recht innovatives und ein für die literarische Praxis sehr konservatives Konzept der Sprache. Innovativ ist Mayans im Hinblick auf seine rationalistische Neubegründung der philologischen Disziplin. Der Valencianer stellt die Philologie - als Wissenschaft der Textüberlieferung - auf eine Basis, die er „crítica histórica" nennt. Deren Prinzip ist insofern ein rationalistisches (und empiristisches), als die sprachliche Beschaffenheit der Texte die Interpretation ihrer Bedeutung bestimmt, und nicht

20 Mayans: Brief an Rávago, a.a.O., S. XVIII. Diese Mission sieht der Autor im Nachhinein als geglückt an. Es sei ebenfalls sein Verdienst, „aver recogido los más preciosos de los thesoros escondidos en las mejores librerías i archivos de España para comunicarlos a las repúblicas christiana i literaria con gloria de nuestra nación". Ders.: Brief an Andrés Marcos Burriel, Oliva, 9. April 1756, zit. in: Mestre: Ilustración y reforma, a.a.O., S. 167. 21 „Es la letura de los libros malos una de las cosas que corrompen más las costumbres i de todo punto destruyen las repúblicas" Ders.: Vida de Cervantes, a.a.O., S. 20.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

umgekehrt, wie es in der scholastischen Hermeneutik der Fall war. 22 Mayans ist wie Sarmiento und Feijoo ein Verteidiger des Respekts vor dem Alter einer Schrift und der genetischen Entwicklung des überlieferten Textwissens. Die Gesetze der Chronologie und der Genealogie, die Mayans als Methoden der Textaufbereitung und -interpretation entfaltet - von den frühen Vidas (San Gil Abad und San Ildefonso) über die Cartas de Nicolás Antonio und die Cartas morales bis zu den Censuras (España primitiva und Historias fabulosas) - sind in Analogie zur etymologischen und phonetischen Entwicklung der Sprache konzipiert, die in den Oraciones sowie den Orígenes de la lengua española Gegenstand der linguistischen Analyse sind. Beide (teleologisch begründeten) Entwicklungslinien - Sprache und Texte - fügen sich bei Mayans zu einer analytischen' Philosophie der Wahrheit, die auf die kulturelle Überlieferung einer Nation (oder von Nationen im Vergleich) angewendet wird. Sie prägt einen neuen Begriff der Autorität, der im Prinzip nicht mehr (bzw. nur in Ausnahmefällen, aus pragmatischer Rücksicht) den Institutionen zugewiesen, sondern allein wissenschaftlich aus der (Text-)Geschichte zu gewinnen ist. In Mayans' Beschäftigung mit den Uberlieferungen der katholischen Kirche, insbesondere in der Auseinandersetzung um die Biblioteca Hispana des Bibliographen Nicolás Antonio oder auch im Streit u m die Falsos Cronicones und die Authentizität' der christlichen Legenden (Santiago-Mythos, Láminas de Grenada etc.), 23 führt dieser Begriff zwangsläufig auch zu Konflikten mit den

22 Die Rationalisierung der historischen Philologie in Spanien lässt sich an einer Transformation des Umgangs mit alten Texten und insbesondere der Literatur des Mittelalters festmachen. Im Rahmen des Rationalismus des 18. Jahrhunderts wurden diese Texte nicht mehr, wie zuvor Jahrhunderte lang geschehen, an die zeitgenössische Sprache einer Epoche ,angeglichen' (und somit verfälscht, was in vielen Fällen zu unwiederbringlichen Verlusten geführt hat), sondern zum Gegenstand genetischer Recherchen nach den ältesten, ,authentischen' Fassungen, die man sodann - archivarisch - wiederherzustellen suchte. Vgl. Heinrich Bihler: Spanische Versdichtung des

Mittelalters im Lichte der spanischen Kritik der Aufklärung

und Vorromantik, Münster 1957,

S. 8, S. 24ff. An dieser Geburt der neuzeitlichen Philologie sind sowohl Mayans als auch Sarmiento (und mit diesem Feijoo) als erste Helfer beteiligt. 23

Die Gründe der Fälschung der 1595 in Granada gefundenen ,Beweise' für die

Jakobuslegende - Los Fundamentos de la Iglesia, Vida de su maestro Santiago - , die zu den

katholisch sanktionierten Grundfesten des (anti-maurischen) Hispanismus wurden, treten trotz der Bemühungen der frühen Aufklärer Feijoo und Mayans erst durch die Historiographie des 19. Jahrhunderts in die Bücher (und ins Bewusstsein) der spanischen Geschichte ein: S. etwa José Godoy Alcántara (1868): Historia crítica de los falsos cronicones,

Die Epoche des Schriftstellers Torres Villarroel

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(jesuitischen) Trägern der Entscheidung über die Wahrheit der Kirchengeschichte.24 Die ,materialistische' Haltung des kritischen Philologen und Historikers bringt Mayans notgedrungen - sowohl aus Madrid als auch aus Valencia - vehemente Kritik sowie den Ruf eines schlechten Patrioten („antiespañol") und, schlimmer noch, eines Freunds der Jansenisten („filojansenista")25 ein. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass seine Sprachphilosophie durch eine ursprüngliche Gottgegebenheit und den Glauben an eine vorbabelische „lengua primitiva"26 gestützt ist. „Mayans, creyente fervoroso, biógrafo de santos, censor de oratoria sagrada, comentador de los misterios de nuestra fe, adopta con entusiasmo la revelación divina del lenguaje".27 Wenngleich der Dirigismus seines (Text-)Aufklärungsprojekts diktatorische Züge trägt - und Mayans sich bei König Karl ID., dem aufgeklärten Despoten, nicht ohne antijesuitische Anbiederung noch 1766 als Generaldirektor für die kulturelle Erziehung des spanischen Volks anheischig macht28 -, lässt sich in dem konzeptuellen Primat der

Granada 1999, S. 46ff. sowie - zu den falschen Chroniken des Pseudo-Dextro Román de la Higuera - S. 131ff. Zur Auseinandersetzung mit dem Augustiner Enrique Flórez und der España sagrada vgl. Mestre: „Mayáns-Flórez: dos métodos históricos", in: Historia, fueros y actitudes, a.a.O., S. 193-217, sowie die Auszüge aus der Korrespondenz, in: Ebd., S. 552-565. 24 In den publizierten (oder zur Publikation bestimmten) Texten - Orador cristiano, Espejo moral, Acción de Gracias a la Divina Sabiduría, Observaciones al Concordato de 1753 finden sich nur vorsichtige Ansätze einer Applikation historisch-philologischer Regeln auf die Dogmen des katholischen Glaubens. Die philosophischen Konsequenzen werden in der privaten Korrespondenz (mit Burriel, Nebot, Pérez Bayer), die noch einer ausführlichen Analyse harrt, viel deutlicher gezogen. 25 Mestre: Ilustración y reforma, a.a.O., S. 412. 26 „Dichosos [...] aquellos primeros siglos, en que todo el género humano sólo tenía una lengua". Mayans: Orígenes de la lengua española, in: Ders.: Obras completas, a.a.O., Bd. 2, S. 313-419, hier: S. 327. 27 Lázaro Carreter: Las ideas lingüísticas, a.a.O., S. 52. 28 „D. Gregorio Mayans i Sisear puesto a los pies de V. Real y Cathólica Magestad que he procurado toda mi vida cumplir con las obligaciones [...] de un estudioso siempre constante en el trabajo de las letras y con las de fiel vasallo de V. Magestad [...]. He manifestado los Orígenes de la Lengua española, aviendo sido el primero i único que he formado en ella Cánones Etimológicos [...]. Soi el que en Hespaña en el presente siglo he empezado a animar al uso de la Crítica al conocimiento de la historia literaria [...]. Por mí se leen muchas obras de insignes españoles que por su doctrina ilustran todas las ciencias [...]. Todo lo dicho i hecho es mui poco en comparación de lo que puedo hacer si V. Mag. es servido de ello i se digna de oirme referir en su Real presencia los Pensamientos que tengo dignos de la gloria de su Reinado". Mayans: Brief an Karl III.,

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Sprachanalyse das souveräne und den wissenschaftlichen Eklektizismus ordnende Moment von Mayans' Philosophie festmachen. Durch die Loslösung vom scholastischen Autoritätsverständnis verteidigt Mayans das humanistische Erbe der frühen Novatores und die „philosophische Unabhängigkeit" im Sinne der von Vicente Tosca aus den Zwängen der Scholastik errungenen „Freiheit des Denkens".29 Auch gelangt der Valencianer in den linguistischen Untersuchungen zu modernen und recht weitreichenden wissenschaftlichen Positionen, etwa mit seinen Versuchen' zu den Gesetzen der etymologischen und phonetischen Entwicklung, zur (kontextualisierten) Neuanordnung von Begriffen in Wörterbüchern,30 zur genealogischen Qualifikation der (lateinischen, arabischen, hebräischen, keltischen und gotischen) Quellen des Spanischen, zu Sprachverwandtschaften (mit dem Portugiesischen) und Sprachunabhängigkeiten (des Baskischen),31 durch sein Interesse für dialektale Ausdrucksweisen des Volks, seine Sammlung von Sprichwörtern und Liedgut32 oder auch mit seinem Verständnis der Sprache als einer Entität, die durch ihren g e brauch' (durch sprechende Subjekte) qualifiziert wird.33 All dies macht die Sprache, als Gegenstand der historisch linguistischen Wissenschaft, zum 1766, in: Molas Ribalta: „Mayans descrito pol él mismo. Un memorial inédito de 1766", in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración, a.a.O., Bd. 1, S. 123129, hier: S. 126ff. 29 Mayans rezipiert Bacon, Descartes und Boyle über Corachán sowie Gassendi über Martí und verteidigt die Humanisten im Namen seiner Lehrer. Vgl. Mestre: „Gregorio Mayans y Sisear", in: García de la Concha u.a. (Hg.): Historia de la literatura española, a.a.O., Bd. 6, S. 80-90, hier: S. 81 f. Zur Autonomie der Philosophie in Toscas Compendium philosophicum von 1721 (Bd. 1, hg. v. Gregorio Mayans, Valencia 1754), vgl. Maravall: „Notas sobre la libertad de pensamiento", a.a.O., S. 42f. 30 Mayans (1768): „Idea de un diccionario universal egecutada en la jurisprudencia civil", in: Ders.: Obras completas, a.a.O., Bd. 4, S. 539-585. 31 Antonio Tovar: „Mayans y la filología en España en el siglo XVIII", in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración, a.a.O., Bd. 1, S. 379-408, hier: S. 385. Mayans ist der erste Nichtbaske, der die These vom Alter der baskischen Sprache - anlässlich einer Polemik mit Manuel de Larramendi über die (damals) nicht auffindbare baskische Übersetzung des Neuen Testaments von Joanes Leizarraga (1571) - verteidigt. Vgl. ebd., S. 387t. Vgl. Gutiérrez: „Tradición y actualidad", a.a.O., S. XIX. Die Sammlung befindet sich in der Biblioteca-Archivo-Hispano-Mayensiana (BAHM), die Bestandteil der Bibliothek des Real Colegio Seminario del Corpus Christi in Valencia ist. 33 „No es la lengua enspañola la que nos hace falta para hablar con perfección, sino que somos nosotros los que por falta de habilidad faltamos a ella." Mayans: Orígenes de la lengua española, a.a.O., S. 405. 32

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Kernelement der (reformación de los eruditos. „En la base de todo el edificio científico, sosteniendo toda la trabazón pedagógica, Mayans coloca el conocimiento lingüístico".34 Ganz und gar nicht innovativ, vielmehr streng konservativ erweist sich Mayans' Sprachverständnis hingegen im Hinblick auf die ,guten Regeln' der literarischen Praxis. Hier lässt seine Philosophie keine Abweichung von der aristotelisch-scholastischen Regelpoetik zu. Es existiert, a priori und durch die Alten vorgegeben, ein (möglichst nachzuahmender) perfekter Zustand des sprachlichen Ausdrucks von Gedanken. Es gilt der transhistorische Grundsatz: „Pensamientos son los actos de entendimiento, o el conocimiento de las cosas, los quales pueden ser perfetos o imperfetos."35 Die mit der Nachahmung beauftragten Gesetze der Literatur - wie diejenigen der Kunst im Allgemeinen - gehorchen dabei dem Telos der bestmöglichen Repräsentation der Wirklichkeit im Medium der Sprache: „el egercicio del habla, o del lenguage [...] es manifestar las verdades útiles que se saben [...] i combinar las relaciones uniformes del nombre a la cosa significada [...]".36 Auch wenn dies für einen historischen Philologen in Anbetracht des im 18. Jahrhundert schon sehr genau bekannten Fragmentcharakters der (lateinisch vermittelten) Texte des Aristoteles erstaunlich anmutet, gelten für Mayans die Begriffe und Kategorien der aristotelischen Poetik - Imitation, Einheit, Natur etc. - unveränderlich und unhinterfragt im Sinne der (durch Reim und Versmaß gefilterten) Kodifizierung in Horazens Ars poética.37 Dieser Umstand einer unflexiblen, unhistorischen Autoritätshörigkeit gegenüber einem antiken Autor lässt sich durch den im scholastischen Geist verbliebenen Teil von Mayans' Sprachphilosophie erklären, nämlich der streng positivistischen Abbildtheorie. Sie beruht auf der Überzeugung von einer eindeutigen

34 Juan Gutiérrez Cuadrado: „Mayans y la lengua de la ciencia", in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración, a.a.O., Bd. 1, S. 317-346, hier: S. 320. Das Projekt der formación de los eruditos, dessen pädagogische Intention einen starken Gegensatz zur ,Massenaufklärung' von Feijoo bildet, lässt sich z.B. anhand des Briefwechsels zwischen Mayans und Nebot verfolgen: Mariano Peset (Hg.): Gregorio Mayans y Sisear. Epistolario IV, Mayans y Nebot (1735-1742), Valencia 1975. 35 Mayans: Retórica (I, 10: „De la invención de los pensamientos retóricos"), in: Ders.: Obras completas, a.a.O., Bd. 3, S. 87, Herv. i. T.

Ebd. (V, 1: „Origen i progresso natural de los razonamientos"), S. 585f., passim. Das Problem der dogmatischen Aristoteles-Lektüre bremst auf ähnliche Weise auch das poetologische Denken von Luzán (s.u.). 36 37

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und vollständigen Zuschreibung im Verhältnis zwischen den Worten und den Dingen (bzw. den Sätzen und den Sachverhalten): „Para la claridad se requiere que los vocablos sean propios i usados, i perfetamente significativos de ideas claras i distinguidas de las cosas que significan".38 Das Telos der Sprache ist der Ausdruck des Gedankens. Je klarer der Ausdruck ist, so auch die gegen den Barock gerichtete Stilkritik, desto genauer erweist sich die Idee und, per Komposition, das Denken selbst als prinzipiell verständliche Setzung von „sentencias o proposiciones"39. Die „wahre Idee von der spanischen Redekunst" besteht somit in der (präskriptiven) Darlegung von Gesetzen der Grammatik, der Aussprache und der rhetorischen Figuren, deren Konsistenz und (moralischer) Wert auf dem Prinzip der wohlkonstruierten Sprache beruht: „Se inventó el lenguage para representar [...] con la mayor viveza una clarísima idea de lo que la mente esconde". 40 Die Idee zu diesem Prinzip rekurriert bei Mayans jedoch nicht auf die Philosophie von Leibniz, die er trotz seiner Kontakte nach Wolfenbüttel und seiner Korrespondenz mit den deutschen Gelehrten - Curt Alexander von Schönberg, Johann Burckhardt Mencke, Johann Christoph Strodtmann u.a. - wahrscheinlich kaum gekannt hat.41 Sie folgt vielmehr einer juridischen Auslegung und Präjudizierung des Denkens, in dem das (natürliche) Recht als Ausgangspunkt des Rationalismus gilt: „Para Mayans el derecho, como orden social, es un proceso de conocimiento, en el que las leyes de la razón funcionan como teoría de trasmisión de la 38 39 40

Mayans: Retórica (III, 2: „De la claridad"), a.a.O., S. 321, Herv. i. T. Ebd. („Origen i progresso"), S. 586. Mayans: Oración que exhorta a seguir la verdadera idea de la Elocuencia

Española

(Version 1739), in: Ders.: Obras completas, a.a.O., Bd. 2, S. 565-582, hier: S. 569. 41 „Leibnitz [sie] es sutilíssimo". Mayans: Brief an Nebot, 15. Oktober 1740, in: Peset (Hg.): Epistolario IV, a.a.O., S. 271. Vgl. a. Vicent Peset Llorca: Gregori Mayans i la cultura de la il-lustració, Barcelona 1975, S. 452. Die Unkenntnis der Hauptwerke von Leibniz - vielleicht die entscheidende Lücke in Mayans' System der Wissenschaften - zeigt sich auch am Unverständnis, das der Valencianer gegenüber der (in Spanien allgemein kaum rezipierten) Universalsprache entgegenbringt: „No veo lo que es [...]". Mayans: Brief an Bordazar, 17. Januar 1736, zit. in: Gutiérrez Cuadrado: „Mayans y la lengua de la ciencia", a.a.O., S. 335. Zur Korrespondenz zwischen Mayans und den deutschen Gelehrten vgl. Mestre: „Mayans' Beitrag zum deutschen Spanienbild im 18. Jahrhundert", in: Juretschke (Hg.): Zum Spanienbild der Deutschen in der Zeit der Aufklärung, Münster 1997, S. 60-86. Vgl. a. Reimer Eck: „Entstehung und Umfang der spanischen Büchersammlung der Universitätsbibliothek Göttingen", in: Ebd., S. 87-132.

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verdad". 42 Der natürliche (gottgegebene) Grund der Dinge ist für den Valencianer Novator insofern rational, als ihr eindeutiger, wahrheitsgemäßer Ausdruck durch die Sprache naturrechtlich kodifizierbar ist. „Yo no distingo Derecho Natural de Razón Natural, porque todo Derecho ha de ser Racional". 43 Der bewahrende Geist von Mayans' präskriptiver Sprachphilosophie legt aus Gründen einer im Begriff der (klugen) Vorsicht fixierten moralischen Rationalität - „he reducido todos los preceptos de la Retórica a una arte de prudencia civil"44 - der literarischen Praxis so viele Regeln auf, dass das Moment der innovatio praktisch nicht mehr gegeben ist. Die „invención propiamente hablando" ist letztlich nichts anderes als ein (philologisches) „descubrimiento de lo que está oculto".45 Folgerichtig konzipiert Mayans die Literatur als eine,Grammatik' der Sprache: L a g r a m a t í s t i c a , p u e s , o literatura, q u e e s la arte d e f o r m a r letras q u a lesquiera q u e sean, las quales, s e p a r a d a m e n t e i j u n t a s r e p r e s e n t e n c o n d i s t i n c i ó n i sin a m b i g ü e d a d [...] t o d a la d i v e r s i d a d d e las c o m p o s i c i o n e s a r t i c u l a d a s d e q u e c o n s t a n los l e n g u a g e s . 4 6

Aus dieser Konzeption erklärt sich der Einsatz des Gelehrten für die Reinheit (pureza) der „lengua española magestuosa", die von allen Sprachen Europas der lateinischen - „su nobilísima madre" - phonologisch sowie etymologisch am nächsten komme47 und deren (regelgeleitete)

42 Johannes-Michael Scholz: „De camino hacia el templo de la verdad. La crítica de la justicia en el siglo XVIII español", in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración, a.a.O., Bd. 2, S. 573-609, hier: S. 574.

Mayans: Brief an Nebot, 18. Februar 1741, in: Peset (Hg.): Epistolario IV, a.a.O., S. 333. Ders.: Brief an Karl III. (1766), in: Molas Ribalta: „Mayans descrito pol él mismo", a.a.O., S. 127. 43 44

Ders.: Retórica (I, 9: „De la invención retórica en general"), a.a.O., S. 87, Herv. i. T. Ders.: Arte de pintar, in: Obras completas, a.a.O., Bd. 5, S. 143-260, hier: S. 190. Zur rigiden Abbildkonstruktion in Mayans' Sprachphilosophie, die sich zum Geist des Diccionario de Autoridades und der darin gezogenen Parallele der Begriffe letras und ciencias konform verhält, vgl. Pérez Magallón: En torno a las ideas literarias de Mayans, Alicante 1991, S. 77ff. 45 46

47 Mayans: Oración que exhorta a seguir la verdadera idea, a.a.O., S. 568. Zudem hält Mayans die spanische für die erste Sprache, die grundlegende Begriffe für die linguistische Beschreibung des Ursprungs aller neueren europäischen Sprachen zur Verfügung stellt. Vgl. hierzu den Tractatus de Hispana progenie vocis Ur, den Mayans 1754 für die Jenaer Akademie verfasst.

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Verfasstheit im Begriff des ,perfekten Stils' aus dem Kanon der klassischen spanischen Literatur deduzierbar sei. Der Kanon repräsentiert die „abundancia, propiedad, magnificencia, elegancia, i todas las demás bondades del estilo perfeto, prácticamente egecutadas en los escritos de muchíssimos españoles, cuyas obras son mui raras i mui poco leídas".48 So erklärt sich ebenfalls der kulturpolitische Kampf gegen das afrancesamiento, der mit einer auf Juan Pablo Forner vorausweisenden Hartnäckigkeit vorgetragen wird, wobei die Gleichsetzung der kulturellen Dekadenz mit der sprachlichen Überfremdung bei Mayans die Besonderheit aufweist, dass die idealisierte französische Literatur als schlechter Kanon', d.h. als nachträgliche und verfälschende Kompilation ursprünglich spanischer Autoren angegriffen wird: „[...] los franceses han sacado todo el oro que nos venden como propio en sus libros modernos".49 Schließlich erklärt sich aus Mayans' Position auch das zwiespältige Verhältnis des Autors zu den verschiedenen proyectos de diccionario der Real Academia Española oder auch der Academia Valenciana (die er 1742 mitbegründet), ebenso wie zu den Herausgebern der literarisch-kritischen Zeitschriften, insbesondere des Diario de los literatos de España, die an einem analogen Projekt der Aufbereitung von Texten arbeiten. Gegen letztere verstrickt sich der Valencianer aufgrund einer in dieser Zeitschrift erschienenen kritischen Rezension der Orígenes de la lengua española in persönliche Polemiken. Die Differenz zwischen dem philologisch innovativen und literarisch konservativen Konzept der Sprache zeigt die Widersprüchlichkeit der Position von Mayans in der spanischen Aufklärungsliteratur. Es nimmt nicht wunder, dass die Beurteilung seiner historischen Bedeutung nicht entschieden wurde und die Frage, ob der Valencianer nun ein (post-)novator, ein neoclásico oder ein (pre-)ilustrado war, offen geblieben ist. Mayans ist ein Autor, der mit dem Santo Oficio de la Inquisición korrespondiert und dessen Meinung in Streitfragen über die ,Autorität' von Texten (etwa bei der Erstellung der ersten Bände der monumentalen España sagrada) von kirchlichen Würdenträgern eingeholt wird, der aber zugleich als antiklerikaler , Sozialreformer'

48 Ders.: Brief an Ewald von Klopmann, 18. Januar 1755, zit. in: Gutiérrez: „Tradición y actualidad", a.a.O., S. VII.

Ders.: Brief an Blas Jover, 8. Januar 1746, zit. in: Mestre: Ilustración y reforma, a.a.O., S. 359 (Fn. 7). 49

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angegriffen und von einem Autor wie Voltaire (aus der Entfernung) als,freier Denker' eingeschätzt wird.50 An der widersprüchlichen Identität' des Autors lässt sich auch recht deutlich der Unterschied - in der Funktion, im Stil und in der Reichweite - zu Feijoos Aufklärungsprojekt festmachen. Im Gegensatz zur Kritik der Öffnung und der essayistischen, eine größtmögliche Anzahl von Lesern einschließenden Methode der philosophischen Darlegung bei Feijoo, wählt Mayans - der mit Feijoo in den frühen 1730er Jahren über die „reforma de la predicación española" in einen Streit gerät, der sie für immer trennt51 - den Weg des gelehrten Spezialistentums und der exklusiven Kommunikation mit einer ausgewählten Gruppe von Intellektuellen, die entweder in einen Austausch der gegenseitigen Belehrung eintreten oder ggf. ausgeschlossen werden. Mayans' autoritäres Leitwort „ego cum veritate adversus omnes"52 kann mit der Wirksamkeit des bei Feijoo herausgearbeiteten analytischen Wahrheitsbegriffs nicht konkurrieren. „Feijoo conquistó la eficacia que fue negada a Mayans."53 Schließlich spiegelt sich die Widersprüchlichkeit von Mayans auch in der Entwicklung seines Gesamtwerks wider, die sich als eine Bewegung des negativen Fortschritts beschreiben lässt. Die innovatorischen Momente sind, vor allem mit Blick auf die literaturtheoretischen Aspekte, eher dem Frühwerk zuzuschreiben, wohingegen die späteren Werke einem immer konservativeren Geist entsprechen, in dem auch die Enttäuschung über das Scheitern der projizierten (und historisch bald obsolet

50 „Voltaire hombre libero besa las manos del señor el quale merece ser libero assí". Voltaire: Brief an Mayans, 1. April 1762, in: Diputación Provincial de Valencia (Hg.): Mayans y la Ilustración, a.a.O., Bd. 2, Láminas. Zur Korrespondenz mit der Inquisition (z.B. 1743 im Streit um die Censura de Historias Fabulosas sowie 1767 zur Verteidigung des Informe sobre los estudios) vgl. Mestre: Ilustración y reforma, a.a.O., S. 140ff., S. 351ff. Zum „anticlericanismo (regalista)" s. ders.: Historia, fueros y actitudes, a.a.O., S. 370ff. 51 Millares Cario: „Feijoo y Mayans", in: RFE 10 (1923), S. 57-62; sowie Mestre: „Correspondencia Feijóo-Mayáns en el Colegio del Patriarca", in: Anales del Seminario de Valencia IV-8 (1964), S. 147-186. Mayans und die Novatores halten Feijoos,Essayismus' für einen wissenschaftlichen Dilettantismus, den sie durch entsprechende Polemiken bekämpfen. Vgl. hierzu Mestre: Historia, fueros y actitudes, a.a.O., S. 79-87. In späteren Jahren gesteht Mayans Feijoos Erfolg in der Verbreitung des Wissens und der ,Aufklärung' des Volks jedoch ein: „Quien mejor reconoce el valor de Feijoo es el mismo Mayans". Ders.: Despotismo e Ilustración en España, a.a.O., S. 35. 52 53

Maravall: „Notas sobre la libertad de pensamiento", a.a.O., S. 44. Alborg: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. S. 850.

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werdenden) Versöhnung der biblischen, naturrechtlichen und sozialen Absolutismen Ausdruck findet. So ist die Retórica von 1757 zwar das längste, aber wohl auch das folgenloseste der Werke von Mayans, die sich mit Sprache und Literatur beschäftigen. Wie in der Kritik angemerkt worden ist, handelt es sich bei der Retórica gar nicht um eine Rhetorik im eigentlichen Sinne - also um eine (im Spanien der Zeit als fehlend beklagte) Lehre der philosophischen Überzeugungskunst - , sondern eher um einen „Index rhetoricus"ein Wörterbuch mit einer Grammatik, einer Figuren- und Gedächtnislehre sowie einer Beispielsammlung klassischer (antiker und spanischer) Texte,55 deren größtes Verdienst sich vielleicht in der Akkumulation von auf Spanisch wiedergegebenen Zitaten der Bibel erweist, deren Gesamtübersetzung erst wieder im Jahr 1782 erlaubt wurde. Immerhin lassen sich im Zusammenhang mit der Frage nach den Konzepten der literarischen Prosa aus Mayans' Sprachphilosophie zwei Ideen präzisieren, die sich, im Rückgriff auf die frühen Oraciones, in der Retórica finden. Die erste ist ein Beitrag zur abstrakten Bestimmung der Literarität (literariedad)56 von Texten. Die von Mayans gelehrte crítica literaria entscheidet sich methodisch für eine Analyse der ,Texte selbst' und entwirft für deren ,materielle' Untersuchung Kriterien zur Bestimmung von Elementen, die einen gegebenen Text - im Gegensatz zu den (natur ^wissenschaftlichen bzw. juridischen und in Abhängigkeit von den historiographischen - , als einen literarischen' Text kennzeichnen: La narración historial se divide según la causa hacedora i el fin en divina o inspirada, cuyo fin es la religión; i en humana, que se subdivide en literaria, escrita por eruditos críticos, cuyo fin es el conocimiento de los libros para usar bien de ellos; en natural, escrita por los filósofos, cuyo fin es la ciencia, i en civil, escrita por hombres sabios, cuyo término es la prudencia. 57

Mestre: „Presentación", in: Mayans: Obras completas, a.a.O., Bd. 3, S. 6. Schon die Wahrnehmung der Zeitgenossen beruhte auf jener „ventaja de que los ejemplos están sacados de los mejores escritores españoles" (Sempere y Guarinos: Ensayo de una biblioteca española, a.a.O., Bd. 4, S. 29). Vgl. a. Alborg: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 841. 56 Gutiérrez: „Tradición y actualidad", a.a.O., S. VII. 57 Mayans: Retórica (V, 8: „De la historia"), a.a.O., S. 622, Herv. i. T. 54

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Die zweite Idee ist eine Verteidigung der Prosa, die aus dem Konzert der im klassischen Kanon bevorzugten Gattungen der Dichtung und des Dramas hervorgehoben wird. Das Konzept der Prosa - als einer Grundfolie zur Bestimmung der Literarität - ergibt sich in der Retórica implizit, ex negativo, anhand der Auswahl der Modelle aus der klassischen Literatur, die sich beinahe ausschließlich auf Texte beziehen, die nicht zu den (merkwürdig abwesenden) Klassikern der dramatischen und der poetischen Kunst gehören, an denen es in Spanien für einen ehrenvollen Vergleich mit den europäischen Nachbarn nicht gemangelt hätte. Philosophisch wird durch die konzeptuelle Engführung des Kanons der Literatur die Frage der Kunstfertigkeit der Sprache auf den analytischen Formalismus der Unterscheidung von res factae und res fictae zurückgebunden. „Toda fábula es ficción, i toda ficción es narración, o de cosas que no sucedieron pero fueron possibles, o de cosas que ni sucedieron ni fueron possibles."58 Ob Roman, Gedicht oder Theater, das zentrale Problem des Literarischen ist, wie die Retórica neo-aristotelisch ausführt, das fingierte Geschehen (fábula), dessen Darstellung (narración) angemessen sein muss, und zwar moralisch im Sinne der Übereinstimmung mit dem Möglichen und Wünschenswerten (verisimilitud) und sprachlich im Sinne eines mit dem Geschehen übereinstimmenden Ausdrucks (elocución), der sich bei Mayans dadurch auszeichnet, dass er möglichst einfach und u n gekünstelt' sein sollte. Der Stil (estilo) wird also nicht mit Bezug auf die Kriterien der Gattung unterschieden, sondern zuvorderst im Hinblick auf die antiken (bei Cicero kodifizierten) genera elocutionis: humile, medium, sublime... „Assi los prosistas, como los poetas usan de los tres estilos sublime, bajo i mediano, según piden los assuntos de que se trata". 59 Da der Gegenstand der literarischen Analyse auf das Problem der elocutio zugespitzt wird, lassen sich aus der Sicht von Mayans unter der Rhetorik sowohl die Poetik als auch die Ästhetik subsumieren: als Regelwerk (und Beispielsammlung) für die Angemessenheit der sprachlichen Verfasstheit von Gedanken in Korrespondenz zu einer

Ders.: Vida de Cervantes, a.a.O., S. 147. Insofern kann ein Roman leicht in eine Komödie übergehen, ohne dass seine,Gattungskennzeichnung' dadurch tangiert würde: „Que las novelas sean comedias, no es mucho [...]" (ebd.). 59 Ders.: Retórica (III, 20: „De los caracteres de decir i especialmente del magnífico"), a.a.O., S. 530, Herv. i. T. Vgl. hierzu auch Pérez Magallón: En torno a las ideas literarias, a.a.O., S. 139ff. 58

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(nicht näher hinterfragten) Wirklichkeit von natürlichen Sachverhalten und historischen Geschehnissen. Die ,Tugenden' der Darstellung: Gegenstand, Form und Anordnung auf der Seite von inventio und dispositio gehen mit den Tugenden der elocutio - der gut gewählten Lexik oder dem sprachlichen,Schmuck': Einheit, Klarheit, Kürze, Nähe, Lebendigkeit etc. (die im zweiten Buch der Retórica ausgeführt werden) - einher. Auch hier erweist sich Mayans als ein impliziter Verfechter der Prosa. Die Prosa bleibt als Grundfolie der philosophischen Betrachtung übrig, weil die Poesie und das Theater unter der Bürde ihrer Anlage und ihres sprachlichen Schmucks, dessen tradierte Regeln den genannten Tugenden zuwider laufen, beeinträchtigt sind. Trotz der konzeptuellen Ähnlichkeiten, die sich hier im Ansatz erkennen lassen - die Verteidigung der Prosa im Sinne der „größtmöglichen Regelfreiheit" und die Einbettung des Literarischen in ein Entscheidungsproblem zwischen „Wahrheit und Fiktion" - , bleibt Mayans hinter Feijoo, dem praktischen Schöpfer einer neuen Denkweise literarischer Prosa, zurück. Der sprachphilosophische Ansatz des Valencianers hat sein Verdienst vor allem durch seine Anwendung im Bereich anderer Wissenschaften und hier zuerst auf dem Gebiet der Religionsgeschichte. Mayans sucht die wissenschaftliche Literatur vor den Gefahren des ,Fabulierens' zu schützen. Im gleichen Zug - der Reduktion auf ein Verhältnis zu den,realen' Begebenheiten - wird die fiktionale Literatur von der Wahrheit wieder getrennt. Der Möglichkeitsraum der Prosa, deren Öffnung bei Feijoo ausgelöst und fortgeschrieben wird, wird bei Mayans, kaum ist sie als nützliche Methode der Investigation erkannt, sofort wieder geschlossen. Die Widersprüchlichkeit von Mayans' Literaturphilosophie wird schließlich anhand seines (symptomatischen) Verständnisses gegenüber dem Ursprungstext der spanischen Romanliteratur deutlich. Zweifellos gebührt es dem Erudito aus Valencia, zu Beginn der Epoche der Aufklärung den „wahren" Autor des Quijote gegen die Version von Alonso Fernández de Avellaneda verteidigt zu haben, welche 1732 neu ediert und von Theoretikern wie Montiano noch aufgrund der „aventuras [...] muy naturales" und der „rigurosa regla de la verosimilitud"60 gegenüber Cervantes bevorzugt wird. Doch es wäre Mestre: „Prologo", in: Mayans: Vida de Cervantes, a.a.O., S. LIX-LXII. Zur Wiederentdeckung von Cervantes im Spanien der Aufklärung vgl. Gilbert Smith: „El cervantismo en las polémicas literarias del siglo XVIII", in: Manuel Criado de Val (Hg.): 60

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falsch zu sagen, dass Mayans eine regelrechte Theorie des Romans ausgearbeitet hätte oder dass durch die Prosa des Siglo de Oro bei ihm ein moderner ,Architext' entstünde, ,,asigna[ndo] a la picaresca un territorio propio, dotándola de una ascendencia que hacía honrosa [...] a la elegancia literaria de unos textos antiguos"61. Denn Mayans liest Cervantes ä la lettre, als einen historischen Text, der Hinweise auf das Leben des Autors gibt (gleich einem Quellenarchiv für die Vida), der Beschreibungen über die Gesellschaft der Zeit liefert - „sobre la manera de vivir de los estudiantes i soldados, sobre las distinciones que ai de cavalleros i linages, sobre el uso de la poesía, i las dos instrucciones, una política i otra económica [...]"62 - und der auf moralisch vorbildliche Weise vor den Gefahren der Lektüre von (lügenhaften) Ritterromanen warnt. In der Missachtung der zentralen Intention des (wahren) Quijote, nämlich der konsequenten Verschleierung sprachlicher Übergänge zwischen Fiktion und Wirklichkeit, verbindet Mayans die „grandeza del ingenio" und die „maravillosa invención" zu allem Überfluss mit einer „pureza i suavidad de estilo de Miguel de Cervantes Saavedra".63

3 . 2 . Z U R PHILOSOPHIE DES NEOKLASSIZISMUS: IGNACIO DE L U Z Á N

Im Vergleich zu Mayans ist Luzán der weniger komplexe Autor, dessen Werk als Stellvertreter für den „neuen literarischen Geist" 64 des Neoklassizismus leichter zum (antithetischen) Vergleich mit den literarischen Revolutionären' des spanischen 18. Jahrhunderts - Feijoo und Torres Villarroel - herangezogen werden kann. Luzáns Werk ist

Cervantes. Su obra y su mundo, Madrid 1981, S. 1031-1035. Vgl. a. Françoise Etienvre: „De Mayans a Capmany. Lecturas españolas del Quijote en el siglo XVIII", in: Theodor B e r c h e m u n d H u g o Laitenberger (Hg.): Actas del Coloquio Cervantino

(Würzburg

1983),

Münster 1987, S. 27-47; sowie jüngst Klaus-Dieter Ertler: „Die Rezeption des Quijote in den Moralischen Wochenschriften Spaniens", in: Ders. und Andrea Maria Humpl (Hg.): Der widerspenstige

Klassiker. Don Quijote im 18. Jahrhundert,

Frankfurt a. M. 2007,

S. 185-199. Lopez: „La institución de los géneros literarios", a.a.O., S. 491. Mayans: Vida de Cervantes, a.a.O., S. 40. 63 Ebd., S. 19. 64 Alborg: „La Poética de Luzán y el nuevo espíritu literario", in: Ders.: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 206-254. 61

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weniger umfangreich, thematisch homogener und legt einen eindeutigen Schwerpunkt auf den Gegenstand der , schönen' Literatur und ihrer Wissenschaft. Zudem gibt es weder unter den Zeitgenossen noch in der historischen Betrachtung einen Disput über die Frage, welches seiner Werke das bedeutendste ist. Luzäns Hauptwerk ist die 1737 bei Francisco Revilla in Zaragoza erschienene Poètica o Reglas de la poesia en general y de sus principales especies, die 1789 posthum und mit einigen (nicht unproblematischen) Ergänzungen von seinem Sohn Juan Ignacio de Luzän zusammen mit Eugenio de Llaguno y Amirola bei Antonio de Sancha in Madrid neu aufgelegt worden ist.65 Anhand der Poètica, deren Sprachphilosophie uns vor dem Hintergrund der entsprechenden Überlegungen bei Mayans zuvorderst beschäftigen soll, lässt sich auch recht deutlich die Funktion bestimmen, die Luzän in der Geschichte der spanischen Literatur gespielt hat, nämlich als der Autor, der das literarische Regelwerk des Neoklassizismus kodifiziert, die aristotelische Poetik neu rezipiert und die literaturtheoretischen Werke der (weniger ,dekadenten') Nachbarnationen Frankreich und Italien, von Nicolas Boileau bis Lodovico Antonio Muratori, in Spanien bekannt gemacht hat. Ignacio de Luzän Claramunt de Suelves y Gurrea, 1702 als jüngster Sohn einer Familie des aragonesischen Hochadels in Zaragoza geboren, verbringt wie Mayans seine Kindheit im Exil in Barcelona, wohin sein Vater Antonio de Luzän, Gouverneur der Provinz Aragonien, aufgrund der Wirren des Erbfolgekriegs fliehen musste und 1706 starb.66 Als Waise erhält Luzän eine musikalisch orientierte Privaterziehung durch die Großeltern väterlicherseits, bevor er 1715 (mit der Niederlage Kataloniens auf der Seite der Österreicher) zu seinem Onkel José de Luzän

65 Ich verwende im Folgenden die von Russell P. Sebold besorgte Neuausgabe La poètica o reglas de la poesia en general, y de sus principales especies, Madrid 2008, in der alle Unterschiede zwischen den Editionen von 1737 und 1789 detailliert nachgezeichnet und z.T. kommentiert werden. Die entscheidende Referenz in unserem Kontext der Darstellung des Zeitgeistes der (Früh-)Aufklärung ist stets das frühe Original, im Vergleich zu dem die Ausgabe von 1789 einen „abismo, en conceptos, tono y hasta en vocabulario [...]" (Alborg: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 228) schlägt. 66 Die einzige erhaltene Quelle für die Biographie Luzäns stammt aus der Feder seines Sohns luan Ignacio, der seine Memorias de la vida de D. Ignacio de Luzän der Neuausgabe der Poètica von 1789 voranstellt. Sie findet sich auch in BAE 61 (Poetas liricos del siglo XVIII), Madrid 1869, S. 95-105. Eine gute Zusammenfassung liefert McClelland: Ignacio de Luzän, New York 1973, Kap. 1 „Personal History", S. 15-23.

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nach Mallorca geschickt wird, wo er eine jesuitische Schule besucht und bald durch eine herausragende Sprachbegabung auf sich aufmerksam macht. In Begleitung seines Onkels reist er zehn Jahre lang durch Italien, studiert die in der Zeit bekannten Fächer der Humanidades67 in Genua, Mailand und Neapel, wo er bei Giambattista Vico Vorlesungen in Rhetorik und Kulturgeschichte hört und sich mit der Logik des Aristoteles befasst. 1727 promoviert er in Rechtswissenschaften an der Universität von Catania, geht 1729 nach Neapel zurück, um als Administrador im Haus seines Bruders zu wirken, des Conde de Luzán, der Gouverneur des Castel Sant'Elmo ist (auf welchem 1647 der spanische Vizekönig Zuflucht vor den Revolutionären Masaniellos fand). In der Folge wird Luzán immer wieder in den Dienst seiner weit verzweigten Familie genommen - z.B. als Verwalter der Familiengüter in Zaragoza, wo er von 1733 bis 1737 seine Poética schreibt - , sofern er sich nicht selbst Aufgaben als, Sekretär' sucht (die ihm Zeit für das Schreiben lassen), so zuletzt 1747 in der spanischen Botschaft in Paris, wo er 1750 den Duque de Alba nach dessen Abberufung als Botschafter vertritt. Nach der Veröffentlichung der Poética gelangt Luzán zu einigem literarischen Ruhm. Er wird als Kenner der italienischen Literatur 1742 in die Real Academia Española aufgenommen und ist (korrespondierendes) Mitglied einflussreicher Salons und Tertulias in Madrid,68 Barcelona, Neapel, Paris und London. 1754 stirbt er - 52jährig - wahrscheinlich zu früh, um in der Literatur ebenso wie in der Gesellschaft eine eigenständigere Rolle zu finden als diejenige, „Spain's best-known Preceptist"69 zu sein, für die er in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Entsprechend dem Geist der heißen, polemisch umkämpften Philosophie der Aufklärung - „à l'intérieur même de la[quelle] [...] se place une désharmonie essentielle"70 - wird natürlich auch die Leistung dieses (wie beinahe jedes anderen) Autors immer wieder angezweifelt, kritisiert oder angegriffen. Gerade die polyglotte Gelehrtheit und große Kenntnis der fremden Literaturen bringt dem die italieni-

67 Luzäns Ausbildung in Musik, Religion, Recht, Philosophie, Geschichte und Mathematik deckt einen guten Teil des zur damaligen Zeit in Italien geltenden Kanons der Humanwissenschaften ab. 68 Im Jahr 1750 wird Luzân Mitglied der Madrider Academia del Buen Gusto der Marquesa de Sarria, wo er unter dem Pseudonym „El Peregrino" wirkt. 69 McClelland: Ignacio de Luzän, a.a.O., S. 16. 70 Hazard: La Crise de la conscience européenne, a.a.O., S. 302.

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sehe, französische und deutsche Sprache beherrschenden Luzán den erwartbaren, von Polemiken begleiteten Vorwurf der Konservativen ein, nicht nur als afrancesado die spanische Literatur zu vernachlässigen. So entsteht bei den spanischen Literaturhistorikern des späten 18. Jahrhunderts ein Antagonismus in der Beurteilung des Autors und seiner neoklassizistischen Poetik, welcher sich nach dem allgemeinen Erwachen aus der ,großen Verdrängung', der die Epoche insgesamt anheimfällt, im nicht minder ideologisch überlagerten Diskurs des 20. Jahrhunderts fortsetzt. Die eine Seite beruft sich auf den Dichter und Bibliografen Manuel José Quintana, der in seinem (1807 begonnenen) Essay Sobre la poesía castellana del siglo XVIII behauptet, „[que] no es de extrañar que [La poética de Luzán] fuese poco leída entonces y que por de pronto su influjo en los progresos y mejora del arte fuese corto ó mas bien nulo".71 Hieraus ist im 20. Jahrhundert die Schlussfolgerung gezogen worden, „[que] Luzán no fue neoclásico".72 Die andere Seite hält es mit Sempere y Guarinos, dem Autor des Ensayo de una biblioteca española von 1786, der schon in seiner vier Jahre zuvor erschienenen Übersetzung von Muratoris Riflessioni sopra il buon gusto (Venedig 1708) die „excelentes lecciones" Luzáns und den Einfluss der Poética auf die „medios de perfeccionar la poesia"73 hervorhebt. Mit dem (gegen Quintana und Lázaro Carreter) geführten Nachweis zeitgenössischer Stellungnahmen von Nasarre, Montiano, Clavijo y

71 Quintana: „Sobre la poesía castellana del siglo XVIII", in: Obras completas, BAE 19 (1852), S. 145-157, hier: S. 147. 72 Lázaro Carreter: „Ignacio de Luzán y el neoclasicismo", in: Universidad 37 (1960), S. 48-70, hier: S. 70. Einschränkend ist dabei anzumerken, dass derselbe Quintana in der Einleitung zu seiner Anthologie Poesías selectas castellanas von 1807 Luzán einen wesentlichen Anteil' an der,Wiedergeburt' der spanischen Poesie um 1750 zuschreibt: „La principal gloria de esta revolución feliz se debe a D. Ignacio de Luzán". Quintana: Poesías selectas castellanas, desde el tiempo de Juan de Mena hasta nuestros días, Madrid 1807, Bd. 1, S. LXXXIV. 73 Sempere y Guarinos: Discurso sobre el gusto actual de los Españoles en la Literatura, in: Muratori (1708): Reflexiones sobre el buen gusto en las ciencias, y en las artes, Madrid 1782, S. 196-291, hier: S. 230ff. Diese Sichtweise bestätigt im 19. Jahrhundert auch der Herausgeber der Lyrikanthologie der Biblioteca de autores españoles: „Esta Poética fué, en verdad, un fenómeno intelectual lanzado de improviso en medio del cáos tenebroso en que se habian hundido las letras españolas." Leopoldo Augusto de Cueto: „Bosquejo histórico-crítico de la poesía castellana en el siglo XVIII", in: Poetas líricos del siglo XVIII, BAE 61, Madrid 1869, S. V-CCXXXVII, hier: S. LVII.

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Fajardo, Nipho, Urquijo, Tomás de Iriarte, Jovellanos u.a.74 ergibt sich hieraus im 20. Jahrhundert die gegenteilige Position „que no hubo ningún neoclásico [...] que no gozara de la influencia luzanesca". 75 Irgendwo zwischen diesen Positionen befindet sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts der unermüdliche Menéndez Pelayo, der, Luzán just für dessen Konventionalismus und katholische Ethik lobend, hervorzuheben sucht, dass der vermeintliche afrancesado und Italienfreund sehr wohl über profunde Kenntnisse der spanischen Literatur verfügte.76 In unserem Zusammenhang ist Luzán jedoch weniger für die Frage interessant, inwieweit die in der Poética entfaltete Ästhetik von zeitgenössischen Schriftstellern rezipiert oder in literarische Praxis umgesetzt worden ist. Ungeachtet der Tatsache, dass Luzán als (lupenreiner) Neoklassizist gewirkt hat, ist für die Frage der Möglichkeiten und Grenzen literarischer Prosa vielmehr die im 18. Jahrhundert durchaus sehr typische Art und Weise von Bedeutung, in der die Literatur als Kunstform theoretisch konzipiert wird. Dabei ist unstrittig und in der Kritik gut aufgearbeitet, dass die Gesetze, die diese Konzeption prägen - ähnlich wie in Italien, wo Muratori77 für das Gesetzgebungsverfahren sorgt - , auf einer naturalistischen' Neudeutung der durch Horaz überlieferten und von den Franzosen des 17. Jahrhunderts wieder aufgegriffenen Poetik des Aristoteles beruhen. Wie die bildende Kunst, in welcher der Begriff des Neoklassizismus ursprünglich Anwendung fand, ist die Literatur die ,Kunsf bzw. die,Technik' einer zugleich nützlichen und Freude bringenden Nachahmung der natürlichen (gottgegebenen) Dinge und der menschlichen Handlungen zum (kathartischen) Zweck einer Verbesserung der Welt.78 Die „Reform der Dichtkunst" - wobei unter dem

Vgl. Alborg: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 246ff. Sebold: „Introducción", in: Luzán: La poética, a.a.O., S. 79. 76 Menéndez Pelayo: Historia de las ideas estéticas, a.a.O., Bd. 3, S. 115f., S. 215ff. 77 Muratori (1706): Della perfetta Poesia italiana, 2 Bde., Venedig 1748. 78 Zur Ausführung dieser vielleicht kürzestmöglichen Definition des Neoklassizismus in Spanien vgl. Robert Pellissier: „The Reintroduction of the Aristotelian Rules of Criticism in Spain through Luzán's Poética", in: Ders.: The Neo-Classic Movement in Spain during the XVIII Century, Cambridge 1918, S. 23-48; Krömer: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik, a.a.O., S. 64-76, S. 105-110, S. 150-162; oder auch Checa Beltrán: Razones del buen gusto. Poética española del neoclasicismo, Madrid 1998, S. 13-22, S. 113120. Für eine (klassische) Darstellung des italienischen Neoklassizismus vgl. Walter Binni: Classicismo e Neoclassicismo nella letteratura del Settecento, Florenz 1967, hier (mit Blick auf Muratori), S. 87-100, S. 145-208. 74

75

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Begriff Dichtkunst die „schöne Literatur im Allgemeinen" verstanden wird - ist im Neoklassizismus Teil eines allgemeinen teleologischen Reformstrebens mit dem Ziel, für den Menschen Fortschritte auf dem Gebiet der Naturkenntnisse und des politischen Zusammenlebens in der Gesellschaft zu erlangen. Eingebettet in eine Theorie der Übereinstimmung von Schönheit und Wahrheit und im Glauben an ein harmonisches Universum, dessen Erkenntnis die gute Absicht Gottes freilegt, erhält die schöne Literatur die Rolle einer fleißigen und moralisch möglichst tadellosen Hilfskraft innerhalb der Philosophie und mit ihr der übrigen Wissenschaften. Als solche verhält sich die Literatur umso tadelloser, je exakter ihr (fest eingenordeter) Zweck der angenehmen Belehrung das teleologische Ideal der Verbesserung selbst imitieren kann. Luzáns Philosophie der Sprache, die diese Punkte im Wesentlichen teilt - und daher „wenig originell"79 ist - , bildet trotz einiger kleiner Varianten im Detail ein zeittypisches Gerüst der Regulierung literarischer Schöpfungskraft und der Einhegung konzeptueller Entfaltungsmöglichkeit, gegen das die Befreier und heimlichen Anarchisten der Prosa anschreiben müssen. Der Geist der Poética (und der Obras raras) ist, was Luzáns Verständnis der sprachlichen Gesetzeskraft anbetrifft, von einem unerschütterlichen Vertrauen in die klassische Logik des Rationalismus und in das proto-positivistische Telos des Naturalismus geprägt. Literarische Werke - zumindest diejenigen, die sich im Archiv der República de las Letras befinden bzw. (autorisiert) als Quelle in Betracht kommen - stellen wie alle anderen Kunstwerke die Natur als Gottes Werk dar. Damit haben sie den gleichen erkenntniskritischen Zweck wie die Philosophie der Moral, die den allgemeinen diskursiven Zusammenhang im Begriff der Ethik organisiert: „El fin [de la poesía] es el mismo que el de la filosofía moral". 80 Die Darstellung der Natur ist entweder eine ,Nachahmung im Besonderen' (imitación en lo particular) mit Bezug auf einfache Dinge, so wie sie (an sich) sind, oder eine ,Nachahmung im Allgemeinen' (imitación en lo universal) mit Bezug auf komplizierte Dinge, insbesondere die Angelegenheiten der Menschen, so wie sie

79 „Si bien es cierta la falta de originalidad de Luzán [...], hay que resaltar su capacidad para ofrecer una visión clara, sintética y bien ordenada de la teoría literaria clásica". Checa Beltrán: „Teoría literaria", a.a.O., S. 436. 80

Luzán: La poética („Proemio"), a.a.O., S. 147.

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sein sollten. Verknüpft mit dem Credo des utile dulci Horazens 81 ergibt dies die „Definition" der Dichtung als erster, „in Versen gemachter" Stellvertreterin aller Gattungen der Literatur: „Esto supuesto, digo que se podrá definir la poesía, imitación de la naturaleza en lo universal o en lo particular, hecha con versos, para utilidad o para deleite de los hombres, o para uno y otro juntamente." 82 Diese Definition geht sodann in einem allgemeinen Begriff der Literatur (als solcher) auf, die bei Luzán „Poesía en general" 83 genannt wird. Die Begriffe der Freude und der Nützlichkeit, die dem Prinzip der Perfektibilität des Menschen im (unilinearen) Fortschrittsoptimismus entsprechen, markieren die Stelle der kommunikativen Verbindung zwischen dem Kunstwerk und dem Leser, der als Objekt eines pädagogischen Programms avisiert ist. Der Optimismus, mit dem dieses Programm der Erstellung von Gesetzesgrundlagen zur Verfassung und gegenseitigen Optimierung guter literarischer Naturnachahmung auf der einen und moralisch adäquater Kunstrezeption auf der anderen Seite ausgestattet ist, erinnert, jenseits der (gattungsaffinen) Analogie zu Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst, an Lessings Theaterkonzept der „moralischen Anstalt" zur ästhetischen „Erziehung des Menschengeschlechts" 84 :

81 Das Ziel erreicht, wer das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet: „Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci." Horaz: Ars poética, Vers 343. 82 Luzán: La poética (I, 5: „De la esencia y definición de la poesía"), a.a.O., S. 190. 83 „Poema, en rigor, es un término general que comprehende cualquier género de discurso". Luzán: La poética (IV, 1: „De la naturaleza y definición del poema épico"), S. 617. Begriffsgeschichtlich lässt sich Luzán als Etappe einer Entwicklung betrachten, die am Ende des 18. Jahrhunderts zur Ablösung des (von der Poesie als Gattung zu scheidenden) Konzepts der „Poesía en general" durch den Allgemeinbegriff „Literatura" führt. Vgl. Gunia: De la poesía a la literatura, a.a.O., S. 237-253. 84 „Indes steh ich nicht an, zu bekennen, (und sollte ich in diesen erleuchteten Zeiten auch darüber ausgelacht werden!) daß ich [die Poetik des Aristoteles] für ein eben so unfehlbares Werk halte, als die Elemente des Euklides nur immer sind". Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, Zweiter Band, Hundertstes Stück, in: Ders.: Werke, Bd. 4, München 1971, S. 699f. Zur Grundlage der aristotelischen Fixierung des „inneren Wesens der Poesie" als einer „Nachahmung der Natur" in Deutschland vgl. Johann Christoph Gottsched (1730/1743): Versuch einer Critischen Dichtkunst, Berlin/New York 1973, S. 195-223. Im Rückbezug auf Lessing zeigt Johann Gottfried Herder (Briefe zur Beförderung der Humanität, Berlin 1971, Bd. 2, S. 190f.) der moralistischen (Fortschritts-) Ästhetik durch die anthropologische Fundierung ihre Grenzen auf.

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Las buenas letras hacen un buen ciudadano, que apto y dispuesto para recibir en sí todas las demás ciencias y artes y darles un gratísimo sabor [...], no sólo entiende en su felicidad, sino en la de los demás hombres. Buen repúblico, ama y busca la prosperidad de su patria, el bien de su nación.85

Der Aufbau der Poética entspricht in perfekter Weise dem Telos der rationalen Konstruierbarkeit des moralischen Anliegens: einer Erziehung der Menschen durch die Literatur (bzw. die „Poesie im Allgemeinen") und umgekehrt einer Verbesserung der Literatur durch die erzogenen Menschen. Dementsprechend ,organisiert'86 der Text die diskursiven und konzeptuellen Elemente, die er für sein (enges) Verständnis der aristotelischen Gesetze zur Beschreibung von Ursprung und Fortschritt, Verfasstheit und Funktion, Nutzen und Erfolg der verschiedenen Gattungen literarischer Texte benötigt. Die Poética beginnt mit einer Adressierung des Lesers, „lector mío", dessen Topologie - die offene Leserfigur Feijoos kontrastierend - den Prototyp eines unbeweglichen konservativen Gelehrten beschreibt, welcher auch in Zeiten der kritischen Vernunft auf das scholastische Autoritätsprinzip vertrauen darf: Advierte pues, lector mío, que todo lo que yo digo en esta obra acerca de la poesía y de sus reglas, lo fundo en razones evidentes y en la autoridad venerable de los hombres más sabios y afamados en esta materia.87

Nach den üblichen paratextuellen Aprobaciones folgt sodann eine (von jeglicher Problematisierung der Leserinstanz losgelöste) Abhandlung über die Schönheit im Allgemeinen, über den Begriff der Dichtung (poiesis und techne) in der Folge von Aristoteles, über die zeitgenössische Funktion literarischer Texte - „gloria, [...] elocuencia

85 Luzán: „Oración gratulatoria a la Real Academia de la Historia", in: Ders.: Obras raras y desconocidas, Bd. III, Zaragoza 2007, zit. in: Sebold: „Introducción", in: Luzán: La poética, a.a.O., S. 31.

„La Poética de Luzán no tiene propósito creador, sino organizador". José Jurado: „La imitación en la Poética de Luzán", in: La Torre 63 (1969), S. 113-124, hier: S. 115. 87 Luzán: La poética („Al lector"), a.a.O., S. 120. Die geistige Disposition' des angesprochenen Lesers soll hier „con ánimo desapasionado y dispuesto a abrazar la verdad dondequiera que la encuentres" (ebd., S. 121) auf unkritische Weise in die Intention des Textes übergehen. 86

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[...] y buena política"88 - und über die Verfasstheit der literarischen Situation in Spanien. Denn trotz der durch den Barockismus Góngoras und Graciáns ausgelösten „decadencia del buen gusto y buen estilo"89 existierten dort, „por no sé qué culpable descuido",90 keine aktuellen Traktate über die Regeln des guten Geschmacks und der schönen Literatur. Das Fehlen eines „cabal y perfecto tractado de poética"91 bzw. das Auffüllen der durch diese „falta" entstandenen Lücke gilt dem Autor als Rechtfertigung für sein Werk und begründet zugleich die enzyklopädische Akribie, die unter besonderer Berücksichtigung der antiken (griechischen und lateinischen) und modernen (italienischen und französischen) Autoren der Beschreibung historischer Quellen gewidmet ist.92 So werden die klassischen Fragen der Poetik gemäß ihrer normativen Umdeutung - „Herkunft und Entwicklung", „Wesen und Ziele", „Nachahmung und Wahrscheinlichkeit" sowie „Schönheit und Nutzen" - in den vier Büchern jedes Mal neu mit Bezug auf die spezifischen Besonderheiten der verschiedenen (Einzel-)Gattungen „poesía", Ebd. („Proemio"), S. 152. Ebd. (I, 3: „Del origen y progresos de la poesía vulgar"), S. 167. „Añadióse a esto el haber Lorenzo Gracián acreditado para con los españoles tan depravado estilo en su Agudeza y arte de ingenio, como para los italianos Emanuel Tesauro en su Cannocchiale aristotélico. Desde entonces empezó a faltar en España el buen gusto en la poesía y en la elocuencia". Ebd. (I, 2: „Del origen de la poesía vulgar"), S. 162. Mit Bezug auf die Dekandenz des Stils und des Geschmacks gilt für Luzán, „[que] Góngora es el principal culpable en la lírica, y Gracián como teórico". Checa Beltrán: „Teoría literaria", a.a.O., S. 434. 88

89

Luzán: La poética („Proemio"), a.a.O., S. 149. Ebd., S. 152. 92 Über die Gewichtung der Quellen von Luzán ist bis Menéndez Pelayo - im Kontext einer vermeintlichen Überbewertung französischer Referenzen durch den der übergebührlichen Frankophilie verdächtigten Autor - viel Tinte geflossen. Russell Sebold hat 1967 statistisch nachgewiesen, dass die antiken Quellen in der Poética häufiger angeführt werden als die italienischen und diese häufiger als die französischen: „ A Statistical Analysis of the Origins and Nature of Luzán's Ideas on Poetry". In: Hispanic Review 35 (1967), S. 227-251 (vgl. a. ders.: El rapto de la mente, a.a.O., S. 57-97). Für die Ausgabe von 1737 gilt ein Verhältnis von 318 direkten oder indirekten Zitaten (verteilt auf 27 Autoren) aus Quellen der Antike zu 130 Zitaten (auf 28 Autoren) aus italienischen zu 82 Zitaten (auf 13 Autoren) aus französischen Quellen, worauf die spanischen (23/12) und die ,sonstigen modernen' Autoren (13/8) folgen. Eine wichtige Grundlage für diese Untersuchung lieferte Mario Puppo: „Fonti italiane settecentesche della Poética di Luzán", in: Lettere italiane XIV-3 (1962), S. 265-284. 90 91

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Die P r o s a der s p a n i s c h e n A u f k l ä r u n g

„tragedia y comedia" bzw. „poema épico" dargestellt und vor dem Hintergrund ihrer Rezeptionsgeschichte beleuchtet. Die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen werden sodann stets auf den allgemeinen Begriff der Poesía en general zurückgeführt, wobei die folgenden beiden ,Haltungen' des Autors deutlich werden, die in das einhegende Telos seiner regulativen Sprachphilosophie einfließen: 1) Luzán verteidigt im Streit der „antiguos y modernos"93 die Partei der Alten, bzw. in den Parametern der französischen Querelle die Partei Boileaus gegen die von Fontenelle. Dabei beruht das Konzept von Luzáns historischem Modell auf einem linearen Transmissionsprinzip: Von einer perfekten Quelle - „el gran maestro Aristóteles",94 zu deren (transzendenter) Autorität die lateinischen,Nachahmer' (Horaz, Cicero, Dionysios von Halikarnassos, Pseudo-Longinus und Quintilian) beigetragen haben, führt der Weg über das Vergessen des Regelwerks im Mittelalter und der Wiederentdeckung durch die Humanisten der Renaissance (Scaliger, Minturno u.a.) zu einer modernen Interpretation, die von Boileau bis Muratori auf die kompensierende Wiederherstellung der Quelle abzielt. In diesem Modell wird dem potentiell geschlossenen hermeneutischen Zirkel - vom Ursprung zur Gegenwart und wieder zurück - eine teleologische Konzeption zu Grunde gelegt.95 2) Im Fahrwasser der dirigistischen Auslegung der antiken Poetik entsteht eine der „esencia" der Literatur zugeschriebene, ethisch orientierte Erkenntnistheorie. Luzán zufolge besteht die sprachliche Nachahmung der Natur unabhängig von ihrer materiellen Verfasstheit aus einer Verknüpfung - „feliz unión" - von Materie, Form, Idee und Ausdruck: „materia (nueva) [...] pensamientos (ingeniosos) [...] figuras (elegantes) [...] locución (armoniosa)".96 Diese Elemente beschreiben a priori eine im Absoluten fundierte Grundsituation, die über das

93 Ebd. (I, 4: „Reflexiones sobre los antiguos y modernos poetas, y sobre la diferencia entre unos y otros"), S. 181-187. 94

Ebd. („Proemio"), S. 151.

Luzán ist die philologisch problematische Uberlieferungslage der aristotelischen Poetik durchaus bewusst - er erwähnt sie im Gegensatz zu Mayans explizit - , nur erschüttert sie nicht im Geringsten sein Verständnis von der unumstößlichen Autorität, 95

die im Falle von Aristoteles seiner Ansicht nach schlicht noch unumstößlicher wäre, wenn der Text vollständig überliefert worden wäre: „Es verdad que la Poética de Aristóteles pudiera fácilmente obscurecer la gloria de muchas obras modernas, si hubiera llegado a nosotros entera y perfecta, como la escribió su autor". Ebd., S. 148. 96

Ebd. (II, 10: „De la materia y del artificio"), S. 269.

Die E p o c h e des Schriftstellers T o r r e s Villarroel

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Medium der Nachahmung (imitación) die perfekte gottgegebene Natur (als nachzuahmendes Modell) und deren imperfekten menschlichen Ausdruck durch Gedanken (als nachgeahmte Form) in einem Subjekt zusammenführt, das sich aufgrund dieser Imperfektion in der Praxis der Nachahmung anthropologisch fundiert: „No hay otra cosa más natural para el hombre, ni que más le deleite, que la imitación" 97 . Die Absolutheit der Grundsituation erfordert im selben Zug eine Theorie der Gattungsunabhängigkeit des sprachlichen Ausdrucks, der als zusammenhängender Teilkomplex allgemeiner künstlerischer (also nachahmender) Tätigkeit betrachtet wird. Jeder sprachliche Ausdruck, ob es sich nun um poetische, dramatische oder historiographische ,Literatur7 (oder Darbietung) handelt, unterliegt zwar besonderen Regularien der Rhythmik, der Stilistik, der Bildlichkeit, der Perspektivik etc., gehorcht aber insgesamt dem gemeinsamen Geist eines allgemeinen Grundgesetzes der Poesía en generali In Ermangelung einer autonomen Gattungsunterscheidung verlangt diese diskursive Verknüpfung der epistemologischen Grundsituation (Natur - Idee - Sprache - Mensch) bei Luzán eine moralphilosophische Ordnung, die zugleich die Geltung der (religiösen, katholisch geprägten) Fortschrittsteleologie sicherstellt: „Todas las artes [...] están subordinadas [...] a la política, cuyo objeto es el bien público". 99 Das Grundprinzip dieser Ordnung ist unter dem Vorzeichen der rationalistischen Wendung des Fortschrittsdenkens die natürliche Vernunft, welche das Denken - als ideale Form der Naturnachahmung - in der Geborgenheit ihres Ursprungs aufhebt: „todo que se funda en razón es tan antiguo como la razón misma". 100

97

Ebd. (I, 6: „De la imitación"), S. 194.

Dieses (nackte) Gerüst eines autonomen Literaturbegriffs ist der geeignetere Grund, bei Luzán den Ansatz eines liberalen' Geistes auszumachen, als der bloße 98

Umstand, dass er die gesellschaftliche Nützlichkeit einer „lícita y honesta diversión" durch die Literatur anerkennt (vgl. Alborg: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 215). Allerdings wird der Entfaltung dieser Idee aufgrund der Tatsache, dass der moderne Roman (in der Nachfolge der Epik) bei Luzán keine eigene Abhandlung erhält, geschweige denn gemäß einem erkennbaren Konzept der Prosa problematisiert wird, unmittelbar Einhalt geboten. In der Frage der „Gattungen im Einzelnen" ist Luzán noch konservativer und romanfeindlicher als Mayans. 99

Luzán: La poética (I, 9: „Razones y reflexiones varias que prueban deberse admitir

en la poesía una y otra imitación, de lo particular y de lo universal"), a.a.O., S. 204. 100

Ebd. („AI lector"), S. 119.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Aus dem epistemologischen Ansatz Luzâns ergibt sich eine Theorie der Wahrheit, die Literatur und Philosophie ineinander verschmelzen lässt. Diese Theorie beruht auf zwei (ebenfalls aus der klassischen Literatur ererbten) Voraussetzungen, die in der Poética absolute Gültigkeit besitzen. Die erste Voraussetzung ist eine Konjunktion der Begriffe Wahrheit und Schönheit. Die Parallele von Wahrheit und Schönheit - als zwei analogen Ideen des Absoluten - ist eine Engführung der platonischen Ideenlehre, die in der französischen Literatur bei Nicolas Boileau als Direktive festgeschrieben worden ist („Rien n'est beau que le Vrai") und über Jean-Pierre de Crousaz' Abhandlung Traité du beau (Amsterdam 1715) nach Spanien gelangte, wo sie von Mayans ebenso wie von Luzân und den übrigen Neoklassizisten übernommen (und verschieden ausgelegt) worden ist.101 Für den Aragonesen ist die Wahrheit die Möglichkeitsbedingung dafür, dass künstliche Schönheit durch Regelmäßigkeit und Proportionalität im Prozess der Nachahmung in einem Kunstwerk erreicht werden kann: „El fundamento de la belleza poética es la verdad, que de suyo tiene el ser variamente uniforme, regulär y proporcionada".102 Wahrheit und Schönheit kommen - auf dem angestrebten Weg in den Himmel der absoluten Ideen - durch die sprachliche Ordnung des mannigfaltigen Seins zusammen: „Uno de los requisitos de la belleza, o en général o en particular, de la poesia es la unidad, o por mejor decir, la variedad reducida a la unidad". 103 101 „Rien n'est beau que le Vrai. Le Vrai seul est aimable. / Il doit régner par tout, et mesme dans la fable: / De toute fiction l'adroite fausseté / Ne tend qu'à faire aux yeux briller la Vérité." Nicolas Boileau: „Epistre IX", in: Ders.: Œuvres complètes, Paris 1966, S. 133-137, hier: S. 134. Die (erkenntnistheoretische) Verknüpfung zwischen der Literatur und der Philosophie funktioniert in diesem klassischen Paradigma über den (poetischen) Stil: Je einfacher und schöner die Sprache, desto wahrer die Idee: „L'esprit de l'Homme est naturellement plein d'un nombre infini d'idées confuses du Vrai, que souvent il n'entrevoit qu'à demi; et rien ne lui est plus agréable que lorsqu'on luy offre quelqu'une de ces idées bien éclaircie, et mise dans un beau jour." Ders. (1701): „Préface", in: Ebd., S. 1-6, hier: S. 6. Zur Vermittlung des boileauschen Konzepts durch Crousaz vgl. Krömer: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik, a.a.O., 64ff., S. 105ff.

Luzán: La poética (II, 7: „De la belleza en general, y de la belleza de la poesía, y de la verdad"), a.a.O., S. 255. 102

103 Ebd. (III, 5: „De las tres unidades de acción, de tiempo y de lugar"), S. 512. Vgl. Jean-Pierre de Crousaz (1715): Traité du beau, Paris 1985, S. 71: „[...] la Beauté consiste dans des proportions, comme les proportions elles-mêmes roulent sur des variétés reduites à de certaines uniformités". Crousaz schreibt den Ursprung dieser Idee

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Die zweite Voraussetzung für Luzáns Wahrheitsphilosophie ist eine scholastische Korrespondenztheorie der wesentlichen (und numerischen) Übereinstimmung zwischen Worten und Dingen. Luzán unterscheidet nicht zwischen dem Gedanken und dem sprachlichen Ausdruck, ebenso wenig wie zwischen der Idee und dem Begriff. Im Gegensatz zur (induktiven) Philosophie Feijoos gilt der Satz „cada clase de asuntos tiene sus locuciones correspondientes"104 absolut und unhintergehbar, wodurch zugleich das theoretische Problem des Mangels - oder der Überfülle - an sprachlichen Begriffen gegenüber den Dingen der Welt ausgeklammert wird. So ist der Ausdruck eines Sachverhalts, ganz gleich, ob es sich um einen natürlichen Gegenstand oder eine historische Situation handelt, per se eine (sich operativ annähernde) Nachahmung von dessen Wesen und hebt sich potentiell in diesem auf: „La belleza de la copia estriba en la semejanza con su original, y lo artificioso se aprecia más cuanto más se parece a su original".105 Die Wahrheit als solche - hierin wesensgleich mit der Schönheit als solcher - ist stets a priori (durch Gott) vorausgesetzt, sie ist die Perfektion der (nachzuahmenden) Natur, wohingegen die ,reale Wahrheit' ihren Ausdruck in der ,realen Schönheit' der Nachahmung findet, deren ethisch zu regulierende Aufgabe durch die Kunst und insbesondere die poetische Sprache erfüllt wird: „La poesía [...] criada entre filósofos [...] debe su última perfección a aquel raro compuesto de naturaleza y arte que siempre han de darse la mano". 106 Da bei Luzán die Mittel einer Sprache - Zeichen, Worte, Sätze - für den einzelnen Künstler unerschöpflich und im Ganzen (wie die göttliche Perfektion) prinzipiell unerreichbar sind, kann der Schönheitsbegriff der Literatur derart in eine wesensmäßige und eine operative (nachahmende) Komponente aufgeteilt werden, dass das Ideal der Wahrheit mit der gottgegebenen Wirklichkeit verschmilzt: „El fundamento principal de la belleza poética [...] es la verdad, o real, o verosímil y probable".107

i.Ü. Plinuis dem Jüngeren zu, „lorsque dans le Panégyrique de Trajan, il faisait l'éloge d'une égalité ménagée dans la diversité" (ebd., S. 32, Fn. 1). 104 Feijoo: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 168. Vgl. Kap. 2.5. 105 Luzán: La poética (II, 13: „De las imágenes simples y naturales"), a.a.O., S. 283. 106 Ebd. (IV, 12: „De la sentencia y locución"), S. 678f. 107 Ebd. (II, 10: „De la materia y del artificio"), S. 269.

Die P r o s a der s p a n i s c h e n A u f k l ä r u n g

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In diesem moralisch und teleologisch durchrationalisierten Gefüge der Bestimmung von Literatur - der ,Poesie im allgmeinen' - und ihrer Gesetzmäßigkeit hat der Begriff der Wahrheit letztlich nur eine Bedeutung. Die Wahrheit ist das Ideal eines Realen, dem sich die Nachahmung über das Medium der Wahrscheinlichkeit - in Operationen der Ahnlichkeitsoptimierung - anzunähern hat. So nimmt es nicht wunder, dass auch der Begriff der Lüge bei Luzán von einfacher Bedeutung ist. Als Gegenstück und Komplement der Wahrheit hört die Lüge auf den Namen,Fiktion' und ist im Wesen der Literatur verankert: als (immer imperfekte) Nachahmung des Wahren und Schönen durch die Sprache. Die ficción, von Luzán zuweilen auch fábula genannt, ist ein Begriff im Anwendungsbereich der Poesía en general und bezeichnet den Nachahmungsprozess des Literarischen als solchen.108 Das Wesen des Literarischen liegt in dem Faktum, dass etwas durch Sprache - prosaisch, episch, dramatisch oder poetisch - dargestellt wird, wobei das Dargestellte (oder Darzustellende) stets den Status des Wahren (und Schönen) hat, welcher durch die Natur bzw. die ,Realität' vorgegeben ist, und an dem die Fiktion „Teilhabe" gewinnen kann, wenn sie die Lüge ihres Wesens durch die bestmögliche Technik auf die Wahrheit hin orientiert. „En toda especie de poesía se halla mucha parte de la verdad real y existente [...], pero la ficción, aunque en la apariencia es mentira, se refiere a alguna verdad que en sí encierra y esconde".109 Die technischen Unterschiede zwischen den Einzelgattungen sind dabei zweitrangig und zeigen sich erst auf der Ebene der kommunikativen Verknüpfung mit den Rezipienten, die im Theater, im Epos, im Gedicht oder im Traktat auf je unterschiedliche Weise auf das eine zugrunde liegende Telos zugeführt werden müssen. Dieses Telos hängt bei Luzán jedoch immer mit der ethischen (deontologischen) Frage zusammen, wie die Nachahmung am Idealschönen teilhaben' bzw. durch welche (einheitlichen) Regeln die bestmögliche, naturähnlichste Sprache geschaffen werden kann, die ihrem Wesen entspricht, nämlich die Dinge so darzustellen, wie sie sein sollen. Die Philosophie des spanischen Neoklassizismus findet in Luzán einen ihrer strengsten Geister. Für die (benevolenten) Despotisten

108

„Lo que Luzán entiende por ficción es el simple reflejo de una invención lo m á s

aproximada a la realidad posible". Jurado: „La imitación en la Poética", a.a.O., S. 117. 109

S. 258.

Luzán: La poética (II, 8: „De las dos especies de verdad, cierta o probable"), a.a.O.,

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219

unter den Aufklärern liefert die Poética eine perfekte Vorlage für die Einbettung der Frage des Literarischen in den regierungstechnischen Kontext einer dirigistischen Optimierung der Gesellschaft. Der Grundgedanke, der diese Philosophie orientiert und den dogmatischen Reformern (Jovellanos und Forner) zupass kommt, besteht in der kommunikationstheoretischen Maxime, dass die Sprache nichts anderes als ein Vehikel des Denkens sei: „El pensar bien es la primera causa del hablar bien". 1 1 0 Oder im Rückgriff auf Quintilians „Curam verborum, rerum" formuliert: „La primera, la principal y la mayor aplicación se debe a los pensamientos antes que a la locución, y lo que sólo es atención del poeta en las palabras, ha de ser esmero de las cosas". 1 1 1 Der klassische Idealismus dieser Konzeption ist unverkennbar. Sobald der sprachliche Ausdruck die Idee exakt („klar und deutlich") erreicht, hebt er sich in der Idee auf, welche sodann allein als Gegenstand der kommunikativen Vermittlung übrig bleibt. Die Poetik hat ebenso wie die Rhetorik - und hierin analog zu den übrigen Wissenschaften von der Grammatik bis zur Politik - allein die Aufgabe, die Technik einer bestimmten Sprache derart zu optimieren, dass in ihr die reinen Gedanken zum Ausdruck kommen und wahre (bzw. wahre und schöne) Sachverhalte produzieren. Die entsprechenden Gesetze zur Herstellung der Literatur richten sich folgerichtig sowohl an den Produzenten, hier den ,Dichter' (Epiker, Dramatiker oder Traktatschreiber) - „es menester que el poeta cuide [...] de las palabras y de la locución" 1 1 2 - , als auch an den Rezipienten. Beide sind Teil einer allgemeinen Arbeit der literarischen Kommunikation. Ihr Zweck - „iluminar el entendimiento con la luz de lo verdadero e imponerle a lo bueno y a lo justo" 1 1 3 - fordert auf der produktiven Seite die Herstellung der Affektion - „causar en los ánimos de los hombres un efecto muy bueno y muy provechoso" 1 1 4 und auf der rezeptiven Seite die Partizipation - „[para que] el juicio

110

Ders. (1729): Arte de hablar, o sea, Retórica de las conversaciones, Madrid 1991, S. 79.

Ders.: La poética (II, 21: „De la locución poética"), a.a.O., S. 380. Vgl. Quintilian: Institutio oratoria VIII, Proemium: „Similiter illa translucida et versicolor quorundam elocutio res ipsas effeminat, quae ilio verborum habitu vestiantur. Curam ergo verborum, rerum volo esse sollicitudinem." (Cambridge/London 1966, Bd. 3, S. 188.) 112 Luzán: La poética („De la locución poética"), a.a.O., S. 375. 113 Ebd. („Razones y reflexiones varias"), S. 204. 114 Ebd., S. 206. 111

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corrija y modere las reflexiones del ingenio" 115 - an der sich in der sprachlichen Nachahmung aufhebenden Produktion des Wahren und Schönen. Luzán sucht diese Ideen stets in strenger Weise auch auf die eigenen Werke zu applizieren. Sämtliche seiner (literarischen oder theoretischen) Texte verstehen sich als Exekutionen zuvor konzipierter Ideen im adäquaten Ausdruck: „Para hacer perspicua la locución es necesario, primero, concebir bien y con distinción los pensamientos y tenerlos dispuestos con buen orden y método en la mente." 116 Luzáns Literaturphilosophie konzentriert sich in einem Begriff der Konzeption, der vom offenen Konzept eines Cadalso noch weit entfernt ist. „Concebir una idea [...] para ejecutarla y perfeccionarla",117 lautet der Leitspruch in der Selbstanzeige zu den Entstehungsbedingungen der Memorias literarias, in deren zwölftem Kapitel „De la filosofía" der Autor den vereinfachten Aufbau seiner Literaturphilosophie „según una común división" nach den Regeln der Klassik explizit und in der Reihenfolge darlegt. Zuerst stehen „el método y las reglas de pensar [Lógica]"; diese ordnen sodann „los cuerpos y las cosas materiales [Física]", um schließlich zu den „primeros principios y las causas de todas las cosas [Metafísica]" zu gelangen.118 Diese Form des Konzeptualismus, in die sich auch die Übersetzungsleistungen des Autors einreihen, gilt im Prinzip für alle Obras raras ebenso wie für La virtud coronada.119 Luzáns

Ebd. (II, 18), S. 343; „[para que] el juicio arregle las imágenes de la fantasía (con porporción, relación y semejanza) [...]", ebd. (II, 15), S. 311f. 115

116 Ebd. („De la locución poética"), S. 375. Das Planwerk einer literarischen Arbeit ähnelt bei Luzán strukturell - auf der Grundlage der regulativen Rhetorik - dem Plan zur Einrichtung einer Akademie. Vgl. Luzáns Plan de una Academia de Ciencias y Artes, in: Ders.: Obras raras y desconocidas, Bd. I, Zaragoza 1990, S. 139-184. 117 Ders.: (1751): Memorias literarias de París („Introducción a la Obra"), in: Ders.: Obras raras y desconocidas, Bd. IV, Zaragoza 2009, S. 37.

Ebd. („De la filosofía"), S. 158. Das Theaterstück La virtud coronada (1742), das zu Lebzeiten Luzáns unveröffentlicht geblieben ist und nur zur privaten Aufführung in der Casa de Ayuntamiento der aragonesischen Templerstadt Monzón gedacht war (wo Luzán sich zu der Zeit aufhielt), ist ein Konzeptstück par excellence z u r , Anwendung' der Philosophie, welches von der Kritik mit einigem Recht als misslungen charakterisiert worden ist: „Virtue Crowned [...] was a sensation-crowded, heroic drama which broke most of the Rules of Art that [Luzán] had solemnly propounded in the Poetics". McClelland: Ignacio de Luzán, a.a.O., S. 59. Auf den Bruch mit den eigenen Regeln verwies 1789 im Übrigen schon Juan Ignacio de Luzán: „En esta comedia [...] no observó las reglas del arte con aquella 1,8

119

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Werk erweist sich im Kontext der europäischen Literatur als einer der spätesten grundlegenden Wiederherstellungsversuche des Klassizismus (in der Folge von Boileau und Muratori). Zugleich stellt sich für die Situation der spanischen Literatur des Jahres 1737 - die aufgrund der Koinzidenz des zeitgleichen Erscheinens von Luzáns Poética, von Mayans' Orígenes de la lengua española und Vida de Cervantes sowie der ersten Ausgabe des Diario de los literatos de España als „año cero y fundacional [...] para la historia de la crítica literaria"120 bezeichnet wurde - aber insgesamt das Problem, dass die zentrale poetologische Konzeption hinsichtlich der unhinterfragten Autorität des Aristoteles auf einer einengenden Interpretation beruht. Luzán beruft sich auf die aristotelische Definition der Poetik als einer poietischen, hervorbringenden' Wissenschaft (episteme), welche im Gegensatz zu den theoretischen und praktischen Wissenschaften steht und diejenigen Künste (technai) beschreibt, die nachahmenden Charakter besitzen und sich dabei des Mediums der Sprache bedienen. Der Spanier folgt hier der zu Beginn der Pragmatie Peri poietikes ausgegebenen Intention, „von der Dichtkunst selbst und von ihren Gattungen [und] Wirkungen" zu handeln, um zu beschreiben, wie man Handlungen und sprachliche Gegenstände „zusammenfügen muss, wenn die Dichtung gut sein soll".121 Nun interpretiert Luzán diese ,Gesetzesvorgabe' - wie etwas zu geschehen hat, um gut zu sein - in einer dirigistischen und (pseudo-)platonischen Art und Weise. Luzáns Dichter ist ein Handwerker, der durch seine Tätigkeit der Nachexactitud que se debía esperar" (Memorias de la vida, a.a.O., BAE 61, S. 102). Wenngleich man versucht hat, das Stück im Geist einer „imitación universal o fantástica" als zeittypische Barocktragödie zu beschreiben, verdient der Text auf der Ebene der locución kaum mehr Erwähnung als auf der Ebene der concepción. Charakteristisch für den poetologischen Geist ist hier v.a. der Umgang mit der Geschichte, in dem sich die nachahmende Repräsentation' des altorientalischen Stoffs (über die Inthronisierung des unübertrefflich ehrenhaften Perserkönigs Kyros II.) als eine modellhafte Idealisierung des tugendhaften Staats ausweist. „La Historia es más un instrumento que un fin para el poeta, un pretexto, en tanto que proporcionaba hechos y argumentos que reforzaban la verosimilitud". Miguel Figueras Martí: „Introducción", in: Luzán: La virtud coronada, Zaragoza 1995, S. 7-112, hier: S. 25. Zur Gattung der Tragödie' vgl. ebd., S. 69-77, zu Metrik und Versifikation, in der regelmäßigen Verteilung von redondillas, seguidillas und romances (sowie einigen wenigen Aufmerksamkeit erheischenden Variationen) ebd., S. 87-91. 120 121

Lopez: „La institución de los géneros literarios", a.a.O., S. 474. Aristoteles: Poetik 1447a (Stuttgart 1994, S. 5).

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ahmung einer Entelechie (der Verwirklichung von Stoff durch Form) unterliegt und hierin keine andere Entfaltungsmöglichkeit besitzt als das vorherbestimmte Bestreben, sich durch die Trugbilder der Phantasie hin zur großen Idee der,wahren' Wirklichkeit zu orientieren. Dies stellt jedoch eine eigentümliche Umdeutung der von Aristoteles konzipierten Autonomie der poietischen Praxis dar, welche für ihren Status als Wissenschaft im ordnenden Verhältnis zwischen den Worten und den Dingen einen eingrenzbaren „Spielraum zwischen Bindung an die Wirklichkeit und Lösung von der Wirklichkeit"122 zulässt. Zudem beruht die nachgeordnete Unterscheidung der Einzelgattungen bei Luzán auf einer mit Aristoteles nicht zu vereinbarenden Umkehrung des kommunikativen Verhältnisses zwischen dem hervorbringenden und dem rezipierenden Subjekt, dessen kathartische Reaktion erst die Wirkungsweise der spezifischen, im Medium der Sprache erzeugten episteme ermöglicht. Bei Luzán werden die unterschiedlichen Wirkungen nicht durch die verschiedenen Gattungen der Dichtung erzeugt, sondern die Gesetze der Literatur werden umgekehrt in Bezug auf einen (despotisch) vorgefertigten Rezipiententypus in Anschlag gebracht: „[...] partiendo de un tipo de audiencia o lector determinados, [el tratadista neoclásico] decide de la clase de reacción - placer o utilidad - que desea crear en el lector".123 Ahnlich wie in der Folge bei Charles Batteux (Les beauxarts réduits à un même principe, Paris 1746) oder Esteban de Arteaga (La 122 Manfred Fuhrmann: „Nachwort", in: Ebd., S. 144-178, hier: S. 169. Zur Verteidigung Piatons, der die Dichter allein im Kontext einer (althergebrachten, polemischen) Ethik aus der Polis verbannt und im Phaidros 278c zugesteht, dass auch die Schriftsteller und Politker Philosophen sein können (sofern sie dem Wissen verpflichtet sind, „wie sich die Sache in Wahrheit verhält"), vgl. a. ders.: Einfiihrung in die antike Dichtungstheorie, Darmstadt 1973, S. 72-86. Luzáns scholastischer Interpretation gelingt es nicht, sich dem Geist der alten Griechen auch nur anzunähern. Seine Aristotelesinterpretation ähnelt eher dem christlichen Neuplatonismus und dessen Reflexion über die Beziehungen zwischen Gott als dem einzigen originellen Künstler und dem irdischen Künstler, dessen höchstes und durch Progression zu erreichendes Ziel es ist, durch die Nachahmung die bestehende göttliche Schöpfung zu preisen.

Jurado: „La imitación en la Poética", a.a.O., S. 114. „Lo literario, y en general lo artístico, viene dado partiendo del público, de la concepción especial del hombre de gusto del tiempo y en función sólo de él" (ebd., S. 115). Hieran zeigt sich, dass Luzán den aristotelischen Begriff des ,Universellen' missversteht bzw. pseudoplatonisch wendet, insofern die an der literarischen Kommunikation beteiligten Subjekte als bloße Präzepte in die zugrunde liegende Unterscheidung von Wahrheit und Lüge eingebet123

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belleza ideal, Madrid 1789) findet der didaktisch-polizeyliche Ansatz dieses pseudoaristotelischen (und letztlich antiplatonischen) Literaturkonzepts seinen moralischen Ankerpunkt allein in der politischen Ausnutzung einer Schwäche' des Menschen, der sich durch die künstliche Schönheit eingänglicher Verse (in antibarocker Einfachheit) vermeintlich besser erziehen lässt als durch philosophische Traktate. Die Passgenauigkeit der so zurechtgefügten Literaturauffassung in das moralphilosophische Gerüst erweist sich bei Luzán überhaupt als der einzige theoretische,Vorteil' der Dichtung gegenüber den anderen Künsten: De todo esto resulta ser la poesía un arte subordinado a la religión, a la política y a la filosofía moral, pero con tantas ventajas sobre los demás artes, cuantas bastan y aun sobran para que los perfectos poetas puedan con razón gloriarse ufanos de su nobilísima profesión y hacer alarde del sagrado laurel con que los ciñe Apolo sus doctas sienes [...]124

Es ist historisch bemerkenswert und für die Entwicklung der Philosophie der spanischen Aufklärungsliteratur - auf der Grundlage der Prosa - entscheidend, zu welch unterschiedlichen Ergebnissen die Autoren der 1720er und 30er Jahre im Bezug auf den gleichen (überschaubaren) Kanon antiker und moderner Referenzen hinsichtlich der Funktionen und der Tragweite der Literatur gekommen sind. Es besteht zwischen Feijoo und Luzán ein fundamentaler Gegensatz in der Konzeption des Literarischen, der sich als eine Folie für die diskursiven Möglichkeitsbedingungen nachfolgender theoretischer und praktischer Literaturkonzeptionen beschreiben lässt. Feijoo hatte - im Kontext der (historiographischen) Erörterung der Autoritäten - die Frage von „Wahrheit und Fiktion" als ein philosophisches Entscheidungsproblem dargelegt. Sein Ziel war eine Diskussion der Gattungen, die keinem konzeptuellen a priori notwendig vorgefertigter Verfasstheit folgte und dadurch theoretisch zur Möglichkeit einer Wahrheit des Literarischen selbst und praktisch zu einer (Neu-)Öffnung der Grenzen der Prosa führen konnte.125 Luzáns „eclecticismo trimembre (autoridad, razón,

tet sind. „Luzán [...] was narrowing the distinction between particular and universal to the difference between fact and fancy". McClelland: Ignacio de Luzán, a.a.O., S. 103. 124 Luzán: La poética („De la sentencia y locución"), a.a.O., S. 680. 125 Vgl. Kap. 2.5.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

observación)"126 lässt hingegen eine immanente Kraft des Literarischen (etwa aus der Entfaltung von Gattungsbestimmungen) nicht zu. In einem „afán de trascendencia"127 verfangen, verschließt sich das Konzept der neoklassizistischen Reform einer literarischen Eigengesetzlichkeit. Ähnlich wie bei Mayans, dessen konservatives Literaturverständnis sich in den (epistemischen) Kontext der „prudencia civil"128 einschreibt, haben im Neoklassizismus luzánscher Prägung die guten, d.h. vorherbestimmten Regeln der Literatur einen anthropologisch (bzw. psychologisch) mäßigenden, einen gesellschaftlich (bzw. polizeylich) einhegenden und einen moralisch (bzw. teleologisch) präskriptiven Gesetzescharakter.129 „Die spanischen Theoretiker" - die ,Epoche machenden' Ästhetiker Luzán und Mayans insbesondere - „fühlten sich als Diener der Gesellschaft, der sie durch die Reform der Dichtung nützen wollten".130 Für sie bedeutet jede Freiheit, die sich ein Autor gegenüber den Regeln der Literatur (aus dem Geist der staatlichen Ordnung und Verwaltung) herausnimmt, eine Gefahr für das Gesamtprojekt der moralischen Erziehung, das unter dem dirigistischen Begriff der Aufklärung geführt wird. Literarische Freiheit wäre eine Freiheit vom Regelwerk, welches es nicht in Frage zu stellen, sondern zu optimieren Sebold: „Introducción", a.a.O., S. 52. Alborg: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 216. 128 Mayans: Brief an Karl III., a.a.O., S. 127. 129 Biographisch betrachtet, sind auch Luzán und Mayans Gegenspieler. Der Aragonese beteiligt sich in der (unter dem Pseudonym Ignacio Philalethes geschriebenen) Carta latina an der von kastilischer Seite durch Montiano, Nasarre, Juan de Iriarte und anderen vorgetragenen „Kampagne" gegen Mayans (und dessen Orígenes de la lengua española). Vgl. Luzán: „Defensa de España y participación en la campaña contra Gegorio Mayans (Carta latina de Ignacio Philalethes)", in: Obras raras y desconocidas, Bd. I, a.a.O., S. 95-138. Im Gegenzug straft der Valencianer Luzán mit Nichtbeachtung und erwähnt in seiner Retórica die 20 Jahre zuvor erschienene Poética mit keinem Wort. Dennoch sind die (ideologischen) Übereinstimmungen zwischen Luzán und Mayans unbestreitbar. Neben der allgemeinen und übergeordneten despotisch-teleologischen Idee der Aufklärung wären z.B. die gemeinsame ästhetische Position gegen die barocke Verkünstelung (Góngora), der Vorzug der Alten gegenüber den Neuen, die Vorliebe für den buen gusto der spanischen Klassik (den der eine bei Cervantes und der andere bei Calderón festmacht), das Gefühl für die Notwendigkeit der rhetorischen Verbesserung der Predigten in den Kirchen und nicht zuletzt die uneingeschränkte Verteidigung des Adelstandes zu nennen. „La Retórica [de Mayans], junto a La Poética de Luzán, constituyen los pilares del credo literario dieciochesco". Pérez Magallón: En torno a las ideas literarias, a.a.O., S. 102. 126 127

130

Krömer: Zur Weltanschauung, Ästhetik und Poetik, a.a.O., S. 225.

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gilt; und sie entspräche einem radikalen Geist der Neuheit, die nicht mehr allein auf der Wiederentdeckung des Alten beruhte. Die Regeln der Literatur erlauben die Freiheit eines Schriftstellers nur insofern, als diese einer rationalen Gesetzmäßigkeit gehorcht, welche - wie in Popes Essay on Criticism - durch die Natur (der Sache) selbst ,lizensierf wird.131 Aus diesem Grund weitet Luzán den gegen die Poesie und zur Verteidigung der (historiographischen) Prosa verwendeten Satz Feijoos „El furor es la alma de la Poesía"132 auf die Literatur im Allgemeinen aus und setzt gegen die Konzepte des furor und des rapto de la mente, die als negative Exzessbegriffe beibehalten werden, allumfassende, aus dem Geist der „natural simpatía" hervorkommende, den Schreiber, den Leser und den Text aber letztlich erdrückende „reglas para mover los afectos".133 Die neoklassizistischen Regeln der Literatur, die zur Zeit der R e form' von Luzán ebenso wie von Mayans vertreten werden, stellen eine Negativfolie für die kreativen Versuche (ensayos) der literarischen Prosa dar. Die literarische Prosa unternimmt den Versuch, sich aus den Fängen der diskurspolizeylichen Affektkontrolle zu befreien. In der Praxis sucht sie diese Forderung zu erfüllen, indem sie im Rückbezug auf die Königsgattung des Siglo de Oro eine Philosophie des Romans (im Konzept der „narrativen" und „fiktionalen Prosa") entwickelt, die das welterschaffende Potential der subjektiven Sprachgewalt, der ironischen Infragestellung und einer Orientierung des Denkens im Geist der Grenzüberschreitung betont und weiter auslotet. Eine gewisse Subtilität ist hierbei eine besondere Pflicht, insofern die spanische Inquisition - die lebensbedrohliche Behörde der Affektkontrolle - eine literarische Gemeinschaft diesseits der klassischen Regeln allein im

131 „Those Rules of old discover'd, not devis'd, / Are Nature still, but Nature methodiz'd; / Nature, like liberty, is but restrain'd / By the same Laws which first herseif ordain'd. [...] / If, where the Rules not far enough extend, / (Since Rules were made but to promote their End) / Some Lucky License answers to the füll / Th' Intent propos'd, that License is a Rule". Alexander Pope (1711): Essay on Criticism, in: Ders.:

Pastoral Poetry and An Essay on Criticism, L o n d o n / N e w H ä v e n 1961, S. 249, S. 256. Z u r

Verteidigung von Pope gegen die Neoklassizisten vgl. Sebold: El rapto de la mente, a.a.O., S. 46ff. („si se ha descubierto en la Naturaleza cierto número de reglas, pueden descubrirse todavía otras [...]"). Feijoo: „Paralelo de las Lenguas", a.a.O., S. 323 (vgl. Kap. 2.5). Luzán: La poética (II, 5-6: „De la dulzura poética", „Reglas para la dulzura poética, dilucidadas con varios ejemplos"), a.a.O., S. 243, S. 246. 132

133

226

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Modus der heimlichen Komplizenschaft zugelassen hat. Aus diesem Grund nehmen die wahren, gegen die Reform gerichteten Erneuerer der Literatur - von Torres Villarroel bis Cadalso - auf ebenso heimliche Weise auch zentrale Momente der Romantik vorweg. 3.2.1. Agudeza und ingenio zwischen Regel und Eingebung. Exkurs über die Politik der Literaturphilosophie Das frühe 18. Jahrhundert steht in Spanien wie in den anderen Nationen Europas vor dem Problem der konzeptuellen (Neu-)Verknüpfung von Literatur und Philosophie. Beide Formen des Schreibens, die sich in der Folgezeit auch als universitäre Disziplinen neu konstituieren, sind durch die seit Piaton aisthesis genannte Tradition des Okzidents, die Kunst als Form zu denken,134 diskursiv aufeinander verwiesen. Die Töchter, die aus der mythischen Hochzeit Merkurs mit der Philologie hervorgegangen sind (und mit der spätantiken Rhetorik eine erste gemeinsame wissenschaftliche Disziplin begründeten),135 haben sich stets gegenseitig den Spiegel vorgehalten und in einem nie endenden Streit darin befruchtet, je einen spezifischen Weg der Formung von Konzepten und Methoden des Denkens und der Anschauung im Medium der Sprache darzulegen bzw. - seit der neuzeitlichen Entstehung einer entsprechenden kommunikativen Instanz - zur (öffentlichen) Diskussion zu stellen. Aufgrund dieser historisch-diskursiven Verflechtung steht die jenseits aller Gattungsinstitutionalisierungen bestehende Frage, auf welche Weise eine bestimmte Literatur „sich philosophisch denkt", in einer ebenso offenen und spannungsgeladenen begrifflichen Unverfügbarkeit wie die Frage nach dem jeweiligen Konzept des literarischen Ausdrucks einer bestimmten philosophischen Gedankenfolge. Als allgemeine Charakteristik der Epoche lässt sich hierbei festhalten, dass in der Aufklärung der Anfang vom Ende jener Epoche der (inzestuösen) Verbindung zwischen der Literatur

Die Form als (morphologisches) a priori des Denkens und der Kunst ist ein transhistorisches Phänomen welches das 21. Jahrhundert mit Piaton verbindet. Eine Ausnahme bildet vielleicht nur die nicht-morphologische, „fließende" Kunstkonzeption der chinesischen Tradition. Vgl. François Jullien: De l'essence et du nu, Paris 2000, S. 99ff., S. 130ff. 135 Vgl. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, a.a.O., S. 214-217. 134

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und der Philosophie eingeläutet wird,136 zu der sich die philosophischen Denker unter den modernen Dichtern von Stéphane Mallarmé über Samuel Beckett bis Octavio Paz zurücksehnen werden. Für die spanische Epoche lässt sich aufgrund der beschriebenen Kriterien - zumindest im Hinblick auf den Mainstream, zu dem trotz aller polemischen Entgrenzung sowohl Luzán als auch Mayans zu zählen sind - eine spezifische Prägung der Neubestimmung des Verhältnisses von Literatur und Philosophie ausmachen, die auf dem Konzept der ordnenden Regulation beruht. Der neoklassizistische Hang zur normativen Bestimmung der Kunstgesetze bringt in Spanien einen polizeylichen Geist der Gesetze zum Ausdruck. Im Vollzug jener epistemologischen Wende von der scholastischen Kosmologie zur Naturwissenschaft, in der „an [die] Stelle der einen Welt und des einen Seins die Unendlichkeit der Welten [tritt]", entfaltet sich, wie Cassirer beschrieben hat, ein Begriff von der Natur und der Naturerkenntnis, der die Relation zwischen der ,,eigene[n] und [...] selbständigen Wahrheit der Natur" und der diese Wahrheit imitierenden Kunst in ein m a thematisches Verhältnisproblem' überführt.137 Diese Wende ist in Spanien durch ein eigenes Bündnis zwischen dem positivistischen und dem rationalen Geist gekennzeichnet. Die naturalistische Ästhetik, die in der „fría retórica"138 eines Luzán gebunden und ausgebremst wird, transformiert den feingeistigen Konzeptismus der spanischen Klassiker in einen unilinearen und (auto-)inquisitorischen Präzeptismus. In einer Verschmelzung von Wahrheit und Schönheit wird die Kunst auf die einfache Formel eines ethisch sanktionierbaren Nützlichkeitsprinzips gebracht. Die besondere Zuspitzung des Kampfes zwischen den Alten und den Modernen, in der letztere die Rolle der konservativen Verteidiger übernehmen, trifft in Spanien auf ein politisches Umfeld, in dem diskursive und vermeintlich nur theoretische Fragen künstlerischer Nachahmungstechniken unter den Vorbehalt der Gewalt gestellt werden können: „[En España] la ,Querella de los antiguos y modernos' [...] llegó a llamarse guerra civil [...]".139

136 Ygj Macherey: A quoi pense la littérature, a.a.O., S. 9. Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. 37, S. 42. „Das philosophische Denken [der Aufklärung] versucht, in ein und demselben Akt, sich von der Mathematik zu lösen und sich an ihr festzuhalten". Ebd., S. 15. 138 Collard: Nueva poesía: conceptismo, culteranismo, a.a.O., S. 120. 139 Ebd., S. 53, Herv. i. T. 137

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Die rigide Unterscheidung zwischen dem die Natur idealiter imitierenden Regelgehorsam und dem regeldurchbrechenden Freigeist eines vom rapto de la mente bedrohten Schriftstellers - auf welche die Diskurspolizey der Santa Inquisición das Verhältnis von Philosophie und Literatur zu reduzieren sucht - stellt eine konzeptuelle Scheidelinie für die (Selbst-)Bestimmung der literarischen Praxis als autonomem Diskurs dar. Vor dem Hintergrund der neuen Funktionen des Schreibens und der Autorschaft (sowie der Einbettung der entsprechenden Subjekte in ein sozialpolitisches Gefüge) stellt sich die alte Frage von Freiheit und Gesetz auf akute Weise neu. Kann die Wahrheit der Schönheit, wie zu Beginn des Jahrhunderts von Shaftesbury dargelegt, zu einer eigenen „Welt als Kunstwerk"140 führen, die in einer autonomen República de las Letras eine „immanente [ästhetische] Lösung" gegen die diskursive Vormachtstellung der (naturphilosophischen) „Rechts- und Staatsprobleme" bereithält und auf der Seite autonomer Künstlersubjekte „reine [interesselose] Betrachtung und Wohlgefallen"141 ermöglicht? Oder folgt für die Schönheit aus dem Postulat der einen Wahrheit umgekehrt - wie es sich die aufgeklärten Despoten Madrids in den 1760er und 70er Jahren für die von ihnen in Auftrag gegebenen (System-)Traktate wünschen - , dass die ästhetische Theorie und die literarische Praxis, immanenten Gattungsregeln gehorchend, in ein übergeordnetes und politisch zu überwachendes Gefüge der ,Naturerkenntnis' eingebettet werden, deren epistemologisches Primat eindeutig der Polis und nicht den Dichtern gehört? Vor diesem Hintergrund ist die Rückbesinnung eines wirklichen Erneuerers der literarischen Prosa wie Torres Villarroel auf die klassischen Autoren Quevedo und Gracián nicht allein als Versteckspiel eines abtrünnigen Patrioten mit der Zensurbehörde zu verstehen. Für die Künstler der Zeit steht die Frage nach der Selbstbestimmung der Kunst auf dem Spiel. „[...] the beautifying, not the beautified, is the really beautiful". Shaftesbury (1711): The Moralists, a Philosophical Rhapsodie, in: Ders.: Characteristicks ofMen, Manners, Opinions, Times, Basel 1790, Bd. 2, S. 335. Zur Schlüsselfunktion von Shaftesbury als Philosoph der Literatur und als Literat der Philosophie für die Ästhetik des 18. Jahrhunderts s. Wolfram Benda: Der Philosoph als literarischer Künstler. Esoterische und satirische Elemente bei Lord Shaftesbury, unter besonderer Berücksichtigung von Soliloquy, or Advice to an Author, Erlangen/Nürnberg 1982, S. 64-78. Vgl. a. Erwin Wolff: Shaftesbury und seine Bedeutung für die englische Literatur des 18. Jahrhunderts. Der Moralist und die literarische Form. Tübingen 1960. 140

141

Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. 158f.

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Auf der Ebene der literarischen Prosatexte stellt sich die Frage von Freiheit und Gesetz vor allem im zeitgenössischen genieästhetischen Kontext des Verhältnisses von Regel und Eingebung. Wieviel kreative Eigenleistung ist dem Genie und der Einbildungskraft eines Schriftstellers im Hinblick auf eine adäquate, (natur-)gesetzlich zu gewährleistende Vermittlung zwischen der wesensmäßigen (göttlichen) Objektivität und der subjektiven sprachlichen Repräsentation zuzugestehen? Die Tatsache, dass „das Ästhetische seinem Wesen nach ein rein menschliches Phänomen [ist]",142 lässt die Kunst in der Folge der anthropologischen Wende des 18. Jahrhunderts, in dem der Mensch zum Modell für die Enträtselung' des Wesens der Natur und ihrer göttlichen Formel(n) wird, zu einem zentralen Baustein der philosophischen Anthropologie werden. Zugleich führt die wesentliche Unvollkommenheit des Menschen - im Angesicht der (einen) göttlichen Perfektion - zu einem Wahrheitsproblem, das der Eigenmächtigkeit des Schönen inhärent ist. Wie lässt sich ein „Ideal der Inexaktheit",143 zu dem die subjektiven (anthropologischen) Faktoren menschlicher Individuen führen, konsistent denken? Im Kontext der Ästhetikgeschichte des 18. Jahrhunderts, in der die philosophische Frage nach dem Wesen der Literatur auf konstante Weise als eine Frage der Wahrheit im Spannungsfeld von Freiheit und Gesetzlichkeit gefasst worden ist, wird die Besonderheit des spanischen Beitrags zu der Diskussion am Kontrast zwischen den ästhetischen Positionen des Neoklassizismus und der Romantik festgemacht. Mit Bezug auf das Verhältnis von Regel und Eingebung ist das romantische Loblied der „poetas geniales [que] no escriben por ningunas ,reglas', sino sólo por la pura inspiración"144 als der exakte Gegensatz zum neoklassizistischen Traktat über die „leyes severas y necesarias [de la] lógica de la poesía" 145 gefasst worden, deren Geist die Vernunft (juicio) des Dichters zügelt, „para templar el fuego del ingenio en sus reflexiones".146 Es ist das Verdienst Feijoos, in seiner (essayistischen) Ästhetik eine dialektische Ebd., S. 311, Herv. i. T. Ebd., S. 314. 144 Sebold: El rapto de la mente, a.a.O., S. 11. 145 Ebd., S. 18. Sebold greift hier auf eine Formulierung des romantischen (,postneoklassizistischen') Dichter-Mathematikers Alberto Lista (Lecciones de Literatura Española, 1836) zurück. 146 Luzán: La poética (II, 18: „Como el juicio corrija y modere las reflexiones del ingenio"), a.a.O., S. 346. 142

143

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Auflösung des Problems angelegt und seine Zeitgenossen daran erinnert zu haben, „que en la creación poética tienen que colaborar la inspiración y la autocrítica".147 Nun hat die klassische Ästhetik das Genie (ingenium) der Dichter aber keinesfalls ignoriert. Exakt an diesem Punkt schießt der neoklassizistische Moralismus über die ratio der Klassik hinaus. Der schöpferische, für manche zeitgenössische Theologen gefährlich mit dem Schöpfergott konkurrierende Geist der Dichter stellt sowohl in der Antike selbst - bei Horaz148 - als auch im Jahrhundert ihrer Wiederentdeckung - bei Boileau149 - ein wesentliches Element der künstlerischen Praxis dar und tritt mit den philosophischen Gesetzmäßigkeiten der ,Naturnachahmung' sowie den entsprechenden Konzepten für die Entfaltung der gattungsimmanenten Technikvorschriften in ein dialektisches Verhältnis, in dem sich beide Seiten die Waage halten sollen. Die spanische Klassik nimmt wie die übrigen europäischen Renaissance-Epochen an dieser (aristotelischen) Bewegung der Philosophie teil. In Spanien wird der partikulare Part der Welt und Werk schaffenden Kraft innerhalb der sprachbasierten künstlerischen Produktion im Begriff der agudeza diskutiert, der die Epoche des Siglo de Oro umspannt und von Juan de Valdés bis Baltasar Gracián zum kulturellen „patrimonio español"150 gehört. Neben die (regulativen) Gesetze der sprachlichen Verfasstheit literarischer Werke und deren aisthetische Optimierung tritt in den klassischen Texten spanischer Sprache von jeher ein Spektrum von Begriffen der personalisierten Einbildungskraft' (wie sie Hume als ,Grundkraft der Seele' bestimmt hat): das lebhafte Gefühl, die empfängliche Phantasie, die Wachheit des Geistes, die sichere Beurteilung,

147

Sebold: El rapto de la mente, a.a.O., S. 10.

„[...] ingenium cui sit, cui mens divinior atque os / magna sonatorum, des nominis huius honorem [esse poetam]". Horaz: Sermones I, 4, Vers 42ff. (Stuttgart 2002, S. 38). Vgl. a. De arte poetica, V. 409f. (Stuttgart 1997, S. 30): „ego nec Studium sine divite vena, nec rude quid prosit video ingenium" (dies ist der Beleg Cassirers: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. 297). In der Arte poetica heißt es zuvor auch: „non satis est pulchra esse poemata [...]" (V. 99ff., Stuttgart 1997, S. 10). 149 „C'est en vain qu'au Parnasse un téméraire Auteur / Pense de l'Art des Vers atteindre la hauteur: / S'il ne sent point du Ciel l'influence secrète, / Si son Astre en naissant ne l'a formé Poëte", Boileau: L'Art poétique, Chant I, in: Ders.: Œuvres complètes, Paris 1979, S. 157. 150 Collard: Nueva poesia: concertismo, culteranismo, a.a.O., S. 85. 148

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der richtige Geschmack (etc.).151 Aus dieser Tradition des goldenen Jahrhunderts schöpfend, kulminiert der Begriff der agudeza - als „pasto del alma" und „alimento del espíritu" - mit Graciáns Traktat Arte de ingenio (1642) in einer „poética de correspondencia (ingeniosa)", welche die Kunst des perfekten Ausdrucks aus einer entscheidenden Prägung' der literarischen Gesetzmäßigkeit durch den individuellen Geist eines genialen Subjekts heraus entstehen lässt: „Son los Conceptos hijos más del esfuerzo de la mente que del artificio".152 In philosophischer Hinsicht folgt beim letzten spanischen Klassiker daraus das Konzept einer poetischen Praxis, die gegenüber der Natur einen eigenen Seinsstatus errungen hat: „Es el arte complemento de la naturaleza y un otro segundo ser".153 Die ,Rekonfiguration' des Genies im Spanien des 18. Jahrhunderts speist sich notwendigerweise aus den umkämpften Begriffen von ingenio und agudeza. Daher gilt für die konzeptuelle Praxis auch der neuen Literaten, die sich über die Prosa auf die subjektiven Gefilde der immanenten poetischen Freiheit wagen, stets das stilistische Gebot der subtilen Exklusivität. Die Tatsache, dass den literarischen Bewegungen, die das scharfsinnige und eher kluge als gelehrte Ingenium der agudeza in die Philosophie ihrer Literaturkonzeption einbetten, etwas aufrührerisch Solitäres und häretisch Sektenhaftes anhängt, ist

151 vvie A. Collard in ihrer Studie über den Bedeutungswandel der zentralen Eigenschaftsbegriffe des concepto (concetto) - culto, docto, agudo, crítico (etc.) - der erst im 18. Jahrhundert pejorativ gedeuteten Bewegungen des conceptismo und culteranismo gezeigt hat, sind die zentralen Argumente, die die französische Querelle (über die rechte Interpretation der antiken Ästhetik) geprägt haben, in Spanien vielfach schon im 16. und frühen 17. Jahrhundert diskutiert worden, u.a. bei Juan Huarte (Examen de ingenios, 1575) „[quien] funda su valoración de los ingenios sobre el grado inventivo individual", bei Fernando de Herrera (Anotaciones a la poesía de Garcilaso, 1580) „[para quien] los modernos son superiores a los antiguos porque tienen más experiencia de las cosas", bei Juan Díaz Rengifo (eigentlich: Diego García Rengifo: Arte poética española, 1592) - „quien es el primer teórico español que presenta a los modernos de manera sistemática" oder bei Juan de Jáuregui (Discurso poético, 1624) - „[quien] apoya la idea del poeta divinamente inspirado [...] y del concepto como sinónimo de pensamiento", woraus Collard den Schluss zieht, „que los argumentos franceses [de Perrault y Boileau] son tardíos con respecto a Italia y España", vgl. ebd., S. 54f., S. 61 ff., S. 79. 152 Gracián: Arte de ingenio, Tratado de la Agudeza, Madrid 2010, S. 135. Zum gracianschen concepto als „Ausdruck des Ingeniums" vgl. Emilio Hidalgo-Serna: Das ingeniöse Denken bei Baltasar Gracián, München 1985, S. 129ff. 153

Gracián (1651): El Criticón (I, 8: „Las maravillas de Artemia"), a.a.O., S. 169.

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Die P r o s a der spanischen Aufklärung

insofern gar nichts Neues. Sie ist vielmehr ein Faktum, das in Spanien seit Garcilaso de la Vega zum Archiv der Wissensbestände gehört.154 Während die „agudeza sustancial y secreta" bei Juan Boscän (in seiner Übersetzung von Castigliones Libro del cortegiano) als ein Topos gefestigt ist, der zugleich ein Stilkonzept und ein Gebot der Vorsicht für die literarische Praxis markiert, setzt mit dem satirischen Roman bei Cervantes und Quevedo eine neue Bewegung ein, die das im Verlauf der Klassik verfestigte Stigma der Dichter - als „infernal se[c]ta de hombres condenados a perpetuo concepto" 155 - in ein positives Konzept der heimlichen Komplizenschaft zwischen hombres de letras (im Geist einer,Republik' der Prosa) umwandelt. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn Don Francisco de Quevedo als Gewährsmann und Begleiter von Don Diego de Torres in dessen Versuchen der Erneuerung und Befreiung des Konzeptismus aus den Fängen des überregulierten Präzeptismus als ein,Besucher' auftritt.

3 . 3 . D I E TOPOLOGIE DER PROSAFIKTION BEI TORRES VILLARROEL 3.3.1.

Autobiographie als literarischer Selbstversuch

Die Torres Villarroel gewidmeten Elemente dieser Studie - Ensayo und Autobiographie, Erzählung und Traum, Alchimie und Wissenschaft, die Kunst der Ironie - verfolgen das Ziel, die Gattung der Prosa auf dem (Rück-)Weg zum modernen Roman vor dem Hintergrund der epistemologischen Neuerungen und konzeptuellen Möglichkeitsbedingungen

154 Vgl. Collard: Nueva poesía, a.a.O., S. 58, 73ff. Zu den Ursprüngen des privativen' (exkludierenden) Prinzips literarischer Sektenbildung (auf der Grundlage des Quietismus und der Tradition des Minnegesangs) bei Boscán und Garcilaso s. schon Karl Vossler: Poesie der Einsamkeit in Spanien, München 1950, S. 48ff., S. 67ff. Hier liegt i.Ü. eine topologische Folie für die spätere soziale Praxis, über Clubs, Briefkreise, Tertulias oder sonstige (Geheim-)Bünde die literarische Zensur zu umgehen. Z u m Einfluss von Erasmus auf die im 18. Jahrhundert erfolgende Säkularisierung des durch das mittelalterliche Mönchstum und den Mystizismus isolierten Abgeschiedenheitsdiskurses des „geheimen Wissens" s. Bataillon (1937): Érasme et l'Espagne, Genf 1991, Bd. 1, S. 789794. Vgl. a. Christoph Strosetzki: Konversation und Literatur. Zu Regeln der Rhetorik und Rezeption in Spanien und Frankreich, Frankfurt a. M. 1988, S. 31ff.

Francisco de Quevedo: „Premáticas del Desengaño contra los poetas güeros", in: Ders.: Prosa festiva completa, Madrid 1993, S. 184-191, hier: S. 186. 155

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der Aufklärungsphilosophie zu beschreiben. Im Kontext der induktivsensualistischen Tendenz des in der Zeit sich neu formierenden Denkens, das in den Darstellungstechniken der Literatur Niederschlag findet und die Frage nach den Funktionen sprachbasierter Kunstform (als Naturnachahmung) selbstreflexiv mit den Problemen der Fortschrittskritik und der (gesellschaftlichen) Freiheit verknüpft, ist die Herausbildung eines modernen Subjektbegriffs als eines der zentralen und die verschiedenen diskursiven Ebenen verbindenden historischen Phänomene des 18. Jahrhunderts hervorzuheben. Literaturgeschichtlich lässt sich dieses Phänomen anhand der Entstehung einer neuen, der Aufklärung genuin zugehörigen Gattung analysieren, nämlich der (säkularen) Autobiographie. In den meisten europäischen Sprachen werden die ersten modernen Autobiographien dem 18. Jahrhundert zugeschrieben und hier zugleich an die Namen von herausragenden Repräsentanten der Geschichte oder Begründern der modernen Literatur geknüpft, so etwa Giambattista Vico: Vita di Giambattista Vico scritta da se medesimo (1725-1728), JeanJacques Rousseau: Les Confessions (1765-1770) oder Benjamin Franklin: The Autobiography (1771-1790).156 Die spanische Literatur repräsentiert in diesem Feld der Autor Diego de Torres Villarroel. Seine Vida, ascendencia, nacimiento, crianza y aventuras, die in den Jahren 1743,1752 und 1758 erschienen ist, stellt nicht nur die erste Autobiographie eines Schriftstellers in spanischer Sprache dar, sondern erweist sich auch im Hinblick auf die anthropologische Wende der literarischen Aufklärungsphilosophie als ein zentraler Referenztext. Komplementär zu Feijoo ist Torres Villarroel ein Essayist und Diskursbegründer der literarischen Prosa. Während Feijoo über sein enzyklopädisch-didaktisches Projekt der Übertragung einer rationalistischen Philosophie in eine einfache, verständliche Sprache mit einem Massenpublikum kommuniziert, gewinnt der als Schriftsteller beinahe ebenso erfolgreiche Torres sein Publikum mit der entgegengesetzten 156 In Deutschland setzt die Gattung der (literarischen) Autobiographie mit Goethes Dichtung und Wahrheit (1809-1838) erst später ein. Zum Begriff der Autobiographie und dessen Ursprüngen im 18. Jahrhundert vgl. Gusdorf: La découverte de soi, Paris 1948; sowie ders. (1956): „Voraussetzungen und Grenzen der Autobiographie", in: Günter Niggl (Hg.): Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung, Darmstadt 1989, S. 121-147. Vgl. a. Niggl: „Zur Säkularisation der pietistischen Autobiographie im 18. Jahrhundert", in: Ebd., S. 367-391. Zur Situation in Deutschland und der Autobiographie von Goethe vgl. Gregor Misch: Geschichte der Autobiographie, Bd. 4, Frankfurt a. M. 1969, S. 899-906, S. 917-955.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Strategie eines Enchantement des Denkens durch die Eigenkraft der Sprache und einer ,Beseelung' der Philosophie durch die Fabel. Vergleichbar sind beide Autoren neben ihrer Berühmtheit unter den Zeitgenossen aufgrund der Tatsache, dass sie als Prosaschriftsteller, die über lange Jahre vom Beginn der Aufklärungszeit bis in die Epoche des ,absolutismo ilustrado' hinein gewirkt haben, auf jeweils originäre und individuelle Weise das literarische Schreiben als Ausdruck einer (gesellschaftspolitischen Handlung begreifen. Die Inhalte und Techniken der Texte sind allerdings so verschieden, dass der Benediktiner aus Oviedo und der Mathematikprofessor aus Salamanca auch einen starken Gegensatz bilden. Torres dient nicht der Aufklärung des Volkes, sondern macht sich die Unwissenheit und den verbreiteten Durst nach magischem Wissen auf ironische Weise zunutze, indem er Geld durch die Veröffentlichung von Almanachen verdient und zugleich das Konzept seines literarischen Schaffens in der eigentümlichen Epistemologie einer astrologisch-alchimistisch geprägten Mathematik fundiert. 157

157 Insofern ist es nur konsequent, dass auch Torres und Feijoo in der Folge einer (zeittypischen) Polemik über den Status der Astrologie als Wissenschaft, die sie indirekt über den Mediziner Martín Martínez austragen, nie miteinander kommuniziert haben. 1726 beschreibt Feijoo in der Abhandlung „Astrologia judiciaria, y almanaques" im ersten Buch des Teatro crítico universal die astrologischen Jahrbücher als billig, von geringem Wert für Medizin und Landwirtschaft und im Fundament als „apariencia ostentosa, sin substancia alguna" (a.a.O., S. 190). Diesen Angriff verstärkt Martin Martínez in seiner Carta defensiva - den Piscator von Salamanca deutlich avisierend mit der polemischen Zuspitzung „que [n]os tienen engañados estos Piscatores, como si fueran Chinos" (zit. in: Feijoo: Teatro crítico universal, a.a.O., Bd. 2, Anhang, S. 322352, hier: S. 329), worauf Torres noch gleichen Jahr 1726 in seinen Posdatas de Torres a Martínez das Band für immer zerschneidet: „Quando empezö à repartir chiflidos, y mogicones la pesadèz de aquel Reverendo, mortal ö critico, que todo es uno, contra las venialidades Astrológicas, y contra los crímenes lessae humanitatis de la Medicina, callé mi pico, y me entré al vestuario, porque me aconsejo mi buena crianza, que no hai contra un padre razón." Torres Villarroel: Libros en que están reatados diferentes quadernos physicos, médicos, astrologicos, poéticos, morales, y mysticos, 14 Bde., Salamanca 1752, Bd. 10, S. 192-209, hier: S. 194. Im Folgejahr wird der Streit von Martínez noch einmal lanciert, indem er in seinem Juicio Final de la Astrologia (Madrid 1727) nachzuweisen sucht, „que la Astrologia es vana y ridicula en lo natural [...] falsa y peligrosa en lo moral [...] inútil y perjudicial en lo político" (a.a.O.), worauf Torres mit einem Entierro del Juicio Final (in: Libros, a.a.O., Bd. 10, S. 136-191) antwortet, „que la Astrologia es buena y cierta en lo natural [...] verdadera y segura en lo moral [...] y útil y provechosa en lo político", und dem Verteidiger Feijoos schließlich einen Frieden aufzwingt, indem er ihm androht, regelmäßig die Namen der Patienten zu veröffentlichen, die unter

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Torres Villarroel ist ein prototypischer Eklektizist des 18. Jahrhunderts. Sein Konzept der Literatur entwickelt sich in größtmöglicher Freiheit von den Gesetzen der Gattung und in experimenteller, antischolastischer Auseinandersetzung mit den Wissenschaften und der als sprachliche Tätigkeit des Denkens' betrachteten Philosophie. Neben den ,Romanen' und Prosaerzählungen (Visiones y visitas de Torres con Don Francisco de Quevedo por la Corte, Los desahuciados del mundo, Correo del otro mundo, Barca de Aqueronte, El hermitaño y Torres, Anatomía de todo lo visible) und der Autobiographie (Vida), die je für sich genommen in ihrer Zeit ebenso Ausnahmeerscheinungen sind wie Gründungscharakter besitzen, veröffentlicht Torres zwischen 1718 und 1767 weit über 100 Bücher und Opuskeln: die in regelmäßigen Jahresabständen erscheinenden Almanaques, in denen die Beschreibung von Sternenkonstellationen und astronomischen Ereignissen (wie Mond- oder Sonnenfinsternissen) mit gesellschaftskritischen Kommentaren und ,Prognosen' verknüpft sind, sowie Abhandlungen verschiedenster Form und Couleur über die Themen Medizin, Stierkampf, Volksmusik, Erziehung, Armenversorgung, Hexenverfolgung, Landwirtschaft, Geographie, Hydrologie, Meteorologie, Bienenzucht, Erdbeben, Universitätsreform, Linguistik, Heiligenleben, Naturglauben, Todesangstbekämpfung usw. Hinzu kommen noch die frühen Gedichte, die zur privaten Aufführung verfassten Theaterstücke („comedias", „fiestas", „diálogos", „juguetes"), die saínetes, jácaras, bailes und mojigangas, die exemplarischen Viten (Francisca de Santa Teresa, Jerónimo Abarrategui), die Herausgeberschaften (Alvarez de Toledo: Obras poéticas), die Übersetzungen (Robert de Vaugondy: De l'usage des globes), ebenso wie die Briefe, Stellungnahmen und Petitionen (im Kontext seiner Professur in Salamanca).158

seiner Behandlung gestorben sind. Vgl. Torres: Vida, ascendencia, nacimiento, crianza y aventura, Madrid 2005, S. 151f. isa £)j e genaueste Bibliographie von Torres' Werk in 147 Titeln verdanken wir Guy Mercadier: Diego de Torres Villarroel. Masques et miroirs, 3 Bde., Paris 1976, Bd. 2, S. 722746. Mercadiers Arbeit stellt die Grundlage des heutigen Wissens über Torres dar. Der Textkorpus ist von Emilio Martínez Mata (Los Sueños de Diego de Torres Villarroel, Salamanca 1990, S. 155-171) durchgesehen worden und dient auch als Vorlage für die Bibliographie der Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes.

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Von den übrigen Autoren der Aufklärung gemieden oder bekämpft, hat Torres insofern die Rolle eines solitären „Enfant terrible"159 gespielt, als er sämtliche von ihm bedienten Gattungen auf kunstvolle, unerhörte Weise gegen den Strom der (um Definitionen bemühten) Epoche zu einem literarischen Werk verschmolzen hat, das auf dem ebenso unerhörten Projekt einer Selbstbeschreibung als Schriftsteller und (vermeintlichem) Paria der Gesellschaft beruht. Zugleich ist Torres aufgrund der Tatsache in die spanische Literaturgeschichte eingegangen, dass er als einfacher Bürger den sozialen und wirtschaftlichen Erfolg als literarischer Autor gesucht und am Ende auch erlangt hat. Als erster Schriftsteller des Landes veröffentlicht Torres 1752 seine gesammelten Werke unter Verwendung der neuen (in Deutschland entstandenen) Methode der Subskription, wobei als erste Käufer der 14 Bände König Ferdinand VI. und sein Premierminister, der Marqués de la Ensenada, firmieren.160 Die Lebensstationen und biographischen Hintergründe dieser erstaunlichen Karriere vom Buchhändlersohn und literarischen Autodidakten zum modernen Prototyp eines im ökonomischen Sinne professionellen hombre de letras sind aufgrund der Autobiographie, die den eigenen Werdegang und die Abenteuer 7 als Schriftsteller reflektiert, im Prinzip gut dokumentiert und leichter nachzuvollziehen als bei vielen anderen Autoren der Zeit. Allerdings unterliegen auch die historisch-dokumentarischen Elemente der Selbstbeschreibung von Torres, der nicht zu Unrecht als einer der schwierigsten Autoren des 18. Jahrhunderts angesehen wird,161 dem 159 Ertler: Kleine Geschichte, a.a.O., S. 87. Auf ähnliche Weise bezeichnet ihn Tietz als „schillernden Autodidakten". Tietz: „Das 18. Jahrhundert", in: Strosetzki (Hg.): Geschichte der spanischen Literatur, Tübingen 1991, S. 226-280, hier: S. 252. 160 Torres: Libros, a.a.O. Ein vollständiges Faksimile dieser Ausgabe findet sich in der Colección Digital Complutense. In Bd. 1, S. 11-30 (im Original ohne Seitenzahlen) steht die „Lista de las Personas, que por su piedad, su devocion, à su curiosidad han concurrido à subscribirse en estas Obras: Và por el Abecedario, para que se encuentren con mayor facilidad", wobei der König zu Beginn [S. 11] und „El Excmo. Sr. D. Zenon Somodevilla" unter dem Buchstaben Z ganz am Ende [S. 30] genannt werden. Diese Sanktion des ,terriblen' Torres durch Ferdinand VI. geht i.Ü. beinahe zeitgleich mit dem Verbot der Anfechtung von Feijoos Schriften einher (vgl. Kap. 2.2), wodurch beide Neu-Begründer der spanischen Prosa gleichsam als kanonische Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (und der Epoche Karls III.) überliefert werden. 161 „De entre los estudiosos que se han ocupado de la obra de Torres Villarroel [...] son muy pocos los que han valorado su personalidad con un criterio justo". Alborg: „Diego de Torres Villarroel", in: Ders.: Historia de la literatura, a.a.O., Bd. 3, S. 291-362, hier: S. 291.

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im Folgenden näher zu beschreibenden Gesetz einer ebenso radikalen wie umfassenden Fiktionalisierung und sind somit mit analytischer Vorsicht zu betrachten.162 Dies gilt insbesondere für die kühnen Charakteristika und vielseitigen Talente seiner die Schriftstellerei begleitenden ,Berufe' als Mathematiker, Astrologe, Kolporteur, Eremit, Arzt, Tänzer, Schauspieler, Landstreicher, Stierkämpfer, Soldat etc., die gerne auch von der modernen Kritik - unter kostumbristischer Perspektive - wieder aufgenommen werden.163 Don Diego wird 1694 in Salamanca als Zweitältester Sohn des Buchhändlers Pedro de Torres und seiner Frau Manuela Villarroel geboren (und am 18. Juni getauft). Von Büchern umgeben („entre las cortaduras del papel y los rollos del pergamino"),164 wächst er in kleinbürgerlichen und - seit der Frontstellung der Philipp-treuen Stadt gegen die portugiesischen Truppen des Erzherzogs Karl - ökonomisch prekären Verhältnissen auf. Nach den „primeras letras" lernt er Latein bei dem späteren Professor Juan González de Dios, erhält 1706 auf Wunsch des Vaters und in der Hoffnung auf mögliche Pfründe die Tonsur der órdenes minores und geht 1709 mit einem Stipendium (beca) an das Colegio Trilingüe der Universität Salamanca. Dem üblichen Kanon der lateinischen Rhetorik entfliehend, liest Torres spanische Klassiker, darunter vor allem Francisco de Quevedo, der ihn sein Leben lang begleiten wird, macht in der aus Schülern und Studenten bestehende Dichtergruppe Colegio del Cuerno auf sich aufmerksam und beschäftigt sich durch die Lektüre von Christopherus Clavius mit (älteren) Fragen der Mathematik und Astronomie. Nach dem Abschluss der regencia mayor ,flieht' er 1714 aus der Heimat nach Portugal, wo er nicht verifizierbare

162 Die Tatsache, dass die historischen Stationen von Torres' Werdegang weitestgehend fixiert und aus den autofiktionalen Elementen der Vida herausgefiltert worden sind, ist ebenfalls im Wesentlichen auf die Arbeit von Mercadier zurückzuführen: Masques et miroirs, a.a.O., Bd. \, S. 23-262. 163 Vgl. etwa die „Introducción" von Dámaso Chicharro in: Torres: Vida, ascendencia, nacimiento, crianza y aventuras, Madrid 1984, S. 13-80, hier S. 13: „[...] en efecto, el haber sido poeta, médico, catedrático de matemáticas, vendedor ambulante, torero, bailarín, astrólogo, teólogo, clérigo, periodista y un amplio etcétera, da somera idea de la complejidad aparente de este autor". Der jüngste Versuch einer Ordnung der Biographie findet sich bei Emilio Chavarría Vargas: Ascetismo, neoestoicismo y sátira menipea en la

obra de Diego de Torres Villarroel, Málaga 2008, S. 44-74.

Torres: Vida, Barcelona 2005, S. 77. Sofern nicht anders angezeigt, zitiere ich aus dieser Ausgabe. 164

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„aventuras" erlebt, die er in seinen späteren Werken mystifiziert. Zurück in Salamanca, wird er 1715 zum Subdiácono geweiht (eine Laufbahn, die er erst 1745 mit der Priesterweihe vervollständigt), schreibt sich 1717 als Student der kanonischen Rechte ein und liest dilettierend und unsystematisch alles, was ihm über Philosophie, Medizin, Astronomie und Mathematik in die Hände fällt. 1718 publiziert er in Salamanca bei den (mit der Familie verwandten) Erben des Verlegers Gregorio Ortiz Gallardo sein erstes „astrologisches Jahrbuch" Ramillete de los astros und wird für eine vermeintliche Satire über die „Alternativa de cátedras" - durch die ein alter Streit zwischen Dominikanern und Jesuiten über die Besetzung der Philosophielehrstühle in Salamanca (vorübergehend) beigelegt wird - zu einigen Monaten Gefängnis verurteilt. Im Anschluss an eine erste erfolgreiche Selbstverteidigung, in der sich die Anklage als ungerechtfertigt erweist, wird Torres zur E n t schädigung' für kurze Zeit mit dem Amt des Vizerektors der Universität Salamanca 165 betraut, woraufhin er sich mit einem unter unklaren Umständen in Avila erworbenen Titel eines „Bachelor der Medizin" als Dozent für die Vertretung des seit 1706 vakanten Lehrstuhls für Astrologie bewirbt.166 Die Vizerektoren wurden zu der Zeit von der Studentenschaft gestellt. Torres hat das Amt jedoch nur sehr kurze Zeit ausgeübt (vgl. Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 51). Zur Epoche der „decadencia" der ehrwürdigen Universität Salamanca und über den Missbrauch der Titelvergabe an den „universidades menores" (wie Avila) s. Vicente de la Fuente: Historia de las Universidades, Colegios y demás establecimientos de enseñanza en España, Bd. 3, Madrid 1887, S. 203-206, S. 290ff. Vgl. a. Federico Sáinz de Robles: Esquema de una historia de las universidades españolas, Madrid 1944, S. 99-102, S. 199-202. Hier findet sich i.Ü. ein Hinweis auf Torres Villarroel, dem das Verdienst der Mitarbeit an der Retablierung des Fachs Mathematik zugeschrieben wird: „A mediados de la centuria dieciocho, la Universidad inicia un resurgimiento, gracias a los esfuerzos de los catedráticos don Diego de Torres, Tavira y del Padre Bernardo de Zamora, quienes restablecieron los estudios de matemáticas" (ebd., S. 201). 165

Zu den Wissenslücken über die Zeit von 1714 bis 1724 sowie zur Überlieferung der entsprechenden Daten aus dem amtlichen Archiven Salamancas s. neben Mercadier (ebd., S. 22-105) auch die „Apéndices" bei Antonio Garcia Boiza: Don Diego de Torres Villarroel. Ensayo biográfico, Salamanca 1911, S. 159-200. Problematisch ist die Arbeit des letztgenannten Pioniers der Torres-Forschung aufgrund der Tatsache, dass sie, den autofiktionalen Elementen der Vida zu sehr vertrauend, einige Mythen in Biographeme verwandelt. Die einzig überlieferte zeitgenössische Darstellung zur Biographie von Torres aus fremder Feder ist die - dem Anlass angemessen - alle strittigen Fragen umgehende und Torres als „todo el recojido y alegría" beschreibende Oración fúnebre von Cayetano Antonio de Faylde (Salamanca 1774). 166

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Nach zweijähriger Lehrtätigkeit zieht es Torres nach Madrid, wo er einige Zeit in großer Armut verbringt (sofern die Passagen der Hungerbeschreibung nicht zu den Mythen der Vida gehören), bis er in der Condesa de los Arcos eine Gönnerin findet, der er sein zweites Jahrbuch El embajador de Apolo, y Bolante de Mercurio (Salamanca 1721) widmet und in deren Haus er wohnt, um seine Studien der Humanidades fortzusetzen und mit einem Bachelor der Philosophie167 abzuschließen. 1722 macht Torres die Bekanntschaft von Juan de Ariztia, des Herausgebers der Gaceta de Madrid, in dessen Verlag der Almanach für das Jahr 1723 zusammen mit dem Gedichtband Sagradas Flores erscheint. Hier findet sich zum ersten Mal der Name „El Gran Piscator de Salamanca", den Torres in Anlehnung an den im Spanien der Zeit sehr bekannten Mailänder Astrologen „Piscatore Sarrabal" verwendet und der ihn Zeit seines Lebens als eine Art Kampfbegriff begleitet. Torres erstes größeres Prosawerk - in der für ihn typischen Mischung aus Traumerzählung und wissenschaftlicher Abhandlung - , das 1724 in Salamanca erscheint, trägt das Pseudonym im Titel: Viaje fantástico del Gran Piscator de Salamanca. Jornada por uno y otro mundo... Das zweite 1725 ebenfalls in Salamanca erschienene Werk führt das Pseudonym sodann mit dem inzwischen etablierten Namen des Autors auf einer Ebene zusammen: Correo del otro mundo al Gran Piscator de Salamanca. Cartas respondidas a los muertos por el mismo Piscator Don Diego de Torres Villarroel.168 An der Schwelle des neuen Zeitalters, im Jahr 1724, findet auch ein entscheidendes Ereignis statt, das den für die kostumbristische Phänomenologie interessanten autodidaktischen Dichterastrologen vielleicht erst in die Karrierespur eines der großen Autoren der spanischen Literaturgeschichte katapultiert hat. Der Almanach für 1724 erscheint kurz nach der Inthronisierung des 17-jährigen Infanten Luis I. zum König von Spanien am 15. Januar. Einer erstaunlichen Eingebung aus seiner ,Lektüre der Sterne' 167 Joaquín de Entrambasaguas: „Un memorial autobiográfico de Diego de Torres Villarroel". In: Boletín de la Real Academia Española 18 (1931), S. 391-417, hier: S. 398 (ders.: Estudios y ensayos de investigación y crítica, Madrid 1973, S. 435-459, hier: S. 447). 168 j } e r yiujg fantástico wird nicht in die gesammelten Werke' aufgenommen und erscheint in überarbeiteter Fassung 1738 noch einmal unter dem Titel Anatomía de todo lo visible e invisible. Man darf also mit einigem Recht behaupten, dass Torres Villarroel erst mit dem Correo del otro mundo und somit in dem von uns als Beginn der spanischen Aufklärung ausgewiesenen Jahr 1725 als literarischer Autor wirklich in Erscheinung tritt.

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folgend, sagt Torres den baldigen Tod des neuen Herrschers voraus, welcher tatsächlich am 31. August des gleichen Jahres (wie 1711 sein Großvater, Monseigneur Louis de France) einem plötzlichen Pockenleiden erliegt.169 Durch die Transformation dieser prospektiven ,Vision' in eine retrospektiv ,wahre Vorhersage', die eine zentrale Begebenheit der höchsten Politik tangiert, wird der Piscator von Salamanca Diego de Torres Villarroel über Nacht berühmt. Zwar gehört es zu den typischen Schwierigkeiten der Torres-Forschung, dass der Wortlaut dieser Prognose lange Zeit nur indirekt zugänglich war170 - und Es ist bis heute unter den Historikern umstritten, warum der erst 40-jährige Philipp V. für seinen Sohn vom spanischen Thron zurücktrat. Vielleicht versuchte er, in die Nachfolge des französischen Throns zu gelangen, auf den er als Enkel Ludwigs XIV. nach dem Ende der Régence spekulierte. Vgl. Roberto Fernández Díaz: La España moderna, siglo XVIII, a.a.O., Kap. 2: „Una nueva política exterior: La diplomacia de los Pactos de Familia", S. 93-167, hier: S. 98f. Dazu kam es jedoch nicht und Philipp regierte bis 1746 als König von Spanien weiter. Was Torres in Madrid im Hause der Condesa de los Arcos von den Thronfolgegerüchten gehört haben könnte, entzieht sich jeglicher Überprüfung. 169

170 Der Almanach von 1724 galt lange als verschollen, zumal Torres selbst 1752 behauptet, ihn für die Zusammenstellung der Libros nicht wiedergefunden zu haben: „Lo que yo hè escrito, è impresso en orden à Pronosticos, và en éste Extracto, menos quatro de los años de 21, 22, 23, y 24, que no los hè podido encontrar". Torres: „Prologo general (sin perjuicio de los particulares)", in: Ders.: Extracto de los Pronosticos, in: Libros, a.a.O., Bd. 9, o. S. [S. 6], Emilio Martínez Mata hat 1989 in der Biblioteca de Bartolomé March ein Exemplar entdeckt. Das bei Juan de Ariztia erschienene Büchlein mit dem Titel Melodrama astrológica enthält eine Widmung an Juan de Goyeneche (dem Gründer des Madrider Stadtviertels Nuevo Baztán) vom 25. August 1723 und eine Licencia aus Madrid vom 17. März 1724. Vgl. Martínez Mata: „La predicción de la muerte del rey Luis I en un almanaque de Diego de Torres Villarroel", in: Bulletin Hispanique 92-2 (1990), S. 837-845, hier: S. 840f. Der literarische' Teil dieses Textes taucht unter dem gleichen Titel mit veränderter Widmung und aus Gründen, die auch für Martínez Mata unerklärlich sind, in den Libros (a.a.O., Bd. 9, S. 24-49) als ein Almanach von 1726 (also post mortem Luis I) auf. Die einzelnen Predicciones finden sich in dieser späteren Fassung nicht. Insbesondere fehlt die fragliche Passage des „cuarto creciente de agosto" (26. August 1724): „En el salón regio se conferencia, se disputa sobre varias cosas de guerra y política, y origínase una discordia y un desaire cuesta la vida a alguno" mit der pathologischen Präzisierung der „repentina enfermedad de uno de los contrayentes: [...] Muertes de repente que provienen de sofocaciones del corazón y algunas fiebres sinocales con delirio" (Torres: Melodrama astrológica, Madrid 1724, S. 43f., zit. in: Martínez Mata: „La predicción de la muerte", a.a.O., S. 842f.). Die UnUnterscheidbarkeit zwischen Dichtung und Wahrheit ist in jedem Fall ein Charakteristikum aller Torres zugeschriebenen (oder von Torres vollzogenen) Prognosen. Dies gilt auch für die berühmte Vorhersage des Umsturzes der Französischen Monarchie für das Jahr 1790, die

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die Sammlung der Almanaques in der Gesamtausgabe von 1752 erst im Jahre 1725 einsetzt - , doch die allgemeine Verknüpfung, die zwischen dem Namen Torres und der Prognose vom Tod des Königs hergestellt wird, erzeugt eine eigene historische Faktizität. „Le public établit aussitôt une corrélation entre le décès et la prédiction [...]. Diego laisse dire - s'il n'a pas lui-même soufflé ce rapprochement - , prend un air entendu..."171 Die Faktizität des,Almanachereignisses' von 1724 - eine (erzeugte) Koinzidenz von Interpretation und Geschichte - bestimmt von diesem Zeitpunkt an auch die Kommunikationssituation des nun etablierten Autors, und zwar bis zum Ende seines Schaffens im Jahr 1767, als der Torres eigentlich wohlgesonnene Campomanes, Minister Karls III., in der Folge des Motín de Esquilache, dessen Vorhersage dem Salmantiner ebenfalls zugeschrieben worden ist, die Veröffentlichung von prognostischen Jahrbüchern verbietet. Torres wird 1725, was er über vierzig Jahre lang bleibt: ein populärer Autor, der trotz seiner erfolgreichen Bemühungen um Unterstützung des Adels seine Anhängerschaft, seinen Elan und seine moralische Stütze im Volk findet, bei den Kleinbürgern, aber auch bei den „Massen", die des Lesens kaum oder gar nicht mächtig sind und dem von den Aufklärern inkriminierten Aberglauben anhängen. Eingedenk der allgemeinen „Ratlosigkeit der Interpreten",172 die H.-U. Gumbrecht mit gutem Recht in der Torres-Kritik ausgemacht hat, erweist sich die Situation von Torres Villarroel im Hinblick auf die Frage nach der sozialen Funktion seines (autobiographischen) Torres 1756 in Form einer Décima getätigt haben soll, welche aber nur als Apokryph überliefert ist: „Cuando los mil contarás / Con los trescientos doblados / y cincuenta duplicados, / Con los nueve dieces más / Entonces, tú lo verás, / mísera Francia, te espera / tu calamidad postrera / Con tu rey y tu delfín, / y tendrá entonces su fin / tu mayor gloria primera", zit. in: Julio Mathias: Torres Villarroel, su vida, su obra, su tiempo, Madrid 1971, S. 34 (welcher die „predicción [...] tan profética como significativa" ganz selbstverständlich für bare Münze nimmt). Die Quelle der apokryphen Überlieferung ist: Anonym (P. F.): Calamidades de Francia, pronosticadas por el Dr. D. Diego de Torres, Cádiz o.J. (Biblioteca Digital Hispánica). 171 Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 89. (S. 47ff.) „Yo pronostiqué la muerte de el malogrado Luis, y la desgracia fue, que murió". Torres: Entierro del Juicio final, in: Libros, a.a.O., Bd. 10, S. 142. 172 Gumbrecht: „Vida, Ascendencia, Nacimiento, Crianza, y Aventuras de el doctor Don Diego de Torres Villarroel... (an Niklas Luhmann, als Frage)". In: Volker Roloff und Harald Wentzlaff-Eggebert (Hg.): Der spanische Roman vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart/Weimar 1995, S. 157-185, hier: S. 157.

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Schaffens letztlich doch als leicht verständlich: Der Autor steht als sich selbst rechtfertigender Autodidakt in Konfrontation zu den Gelehrten der Frühaufklärung, um deren Anerkennung er heimlich buhlt, und wird zugleich durch einen Kult um seine Person getragen, der vom einfachen Volk ausgeht, mit dem er im Medium der Ironie sympathetisch kommuniziert. In jedem Fall wird die Unterstützung der Menge, die durch die Verkaufszahlen seiner (Jahr-)Bücher belegt wird, den Autor ein Leben lang begleiten. Torres nutzt den Kult für seine Karriere als Schriftsteller und zugleich zwingt ihn der Kult in eine Position der Gegnerschaft zur gelehrten, wissenschaftlichen Aufklärung - und Gegenaufklärung - hinein, die sich trotz der mannigfaltigen (hinter dem literarischen Genie qualitativ zurückbleibenden) Beiträge zu den verschiedensten Fragen zeitgenössischer Naturphilosophie mit der Zeit weiter zementiert. Symptomatisch für diesen Konflikt ist die „historia" seiner Berufung 1726 auf den Lehrstuhl für Mathematik der Universität Salamanca, in deren Verlauf Torres das Recht auf öffentliche Anhörung der Kandidaten durchsetzt und neben ca. 70 stimmberechtigten Graduierten eine noch größere „Menge Neugieriger" an den für sie vollkommen unverständlichen Oposiciones teilnimmt, die gleichsam per Akklamation das Votum für den umstritteneren Kandidaten erzwingt. Wenngleich die Selbstdarstellung der Vida hier (wie stets) überzeichnet ist - und (selbst-)ironisch abgefedert wird - , darf man bis zu einem gewissen Grad davon ausgehen, dass die Berufung von Torres Villarroel zum Professor von „clamor, aplauso, honra y gritería [que] hizo Salamanca por la gran novedad de ver en sus escuelas un maestro rudo, loco, ridiculamente infame, de extraordinario genio y de costumbres sospechosas"173 begleitet wird. In jedem Fall bewegt sich ab diesem Zeitpunkt das abenteuerliche' Leben des vermeintlichen Picaro in den geregelten bürgerlichen Bahnen eines Hochschullehrers,174 der seinen Beruf frei ausüben kann und viel Zeit zum Schreiben sowie für ausgedehnte Reisen in die Haupt-

Torres: Vida, a.a.O., S. 162. 1741 732 wird Torres zum ordentlichen Professor befördert, nachdem er den Grad eines Maestro der Künste erlangt, welchen der Autor quasi usurpatorisch „Doctor" nennt (ein den Fächern Theologie, Medizin und Recht vorbehaltener Titel) und mit großem Pomp öffentlich feiert. Vgl. ebd., S. 166f. „[Es un] doctor que hoy llamaríamos ,honoris causa'". Arturo Berenguer Carisomo: El doctor Diego de Torres Villarroel o el picaro universitario, Buenos Aires 1965, S. 11. 173

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Stadt besitzt.175 Mit Ausnahme des „segundo destierro" in den Jahren 1732 und 1733, wo Torres sich in Folge einer Ehrenangelegenheit, wahrscheinlich eines verbotenen Duells, auf der Flucht in Frankreich und sodann im Exil in Portugal aufhält - was in der Vida noch einmal Stoff für kleine Heldengeschichten bietet - , wird das zwischen Madrid und Salamanca aufgespannte Leben des Schriftstellers trotz der letztlich zeittypischen, immerwährenden Auseinandersetzungen und Polemiken um seine Bücher (inkl. einer geschickten Verteidigung gegen die Zensur) allein durch die schwere Krankheit beeinträchtigt, die ihn 1744 dem Tod nahe bringt und in deren Folge er das Gelübde ablegt, Priester zu werden. In den 1730er und 40er Jahren befindet sich Torres auf dem Höhepunkt seines Ruhms. 1737, dem Jahr seiner Pilgerreise nach Santiago de Compostela, erscheint im Diario de los literatos de España eine Reseña seines Erzählung Los desahuciados del mundo}76 1743 werden die ersten vier „Trozos" seiner Autobiographie veröffentlicht. 1752 erreicht Torres beim König eine Versetzung in den (bezahlten) Ruhestand, nicht ohne dafür zu sorgen, dass ihm sein Neffe Isidoro Ortiz Gallardo y Villarroel auf seinen Lehrstuhl nachfolgt. Mit dem Beginn des aufgeklärten Absolutismus und der Thronbesteigung Karls III., dem er den „Sexto trozo" der Vida widmet, lässt Torres den Zenit seines Schaffens hinter sich. Er kümmert sich um das Armenhospital von Salamanca und die von ihm gestiftete Kapuzinerkapelle, er streitet an der Universität für die Einrichtung einer mathematischen Akademie und schreibt bis zum Verbot der astrologischen Jahrbücher 1767 noch einige „Avisos", „Quadernillos", „Papeles", „Respuestas" und „Epilogadores", ohne jedoch an seine literarischen Erfolge der 1730er In der Vida beschreibt Torres, dass zu seinen Vorlesungen „Massen" von Studenten und freien Hörern gekommen seien, die sich über die Mathematik und die (in die Definition des Lehrstuhls offiziell integrierte) Astrologie hinaus für allgemeine Fragen der Philosophie interessierten (Torres: Vida, a.a.O., S. 162f.). Zugleich ist in den (unvollständigen) Archiven der Universität Salamanca in der Zeit von 1726 bis 1758 aber nur ein einziger, regulär für das Fach Mathematik eingeschriebener Student verzeichnet. Vgl. Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 232, S. 597. Dieser Umstand deutet auf die Marginalität der Mathematik im Wissenschaftskanon der Zeit ebenso hin wie auf die angenehme Möglichkeit des Mathematikprofessors, seine Tätigkeit mit benachbarten wissenschaftlichen und literarischen Interessen zu verbinden. 175

176 Diario de los literatos de España, Bd. 2, Madrid 1737, S. 298-306. Der anonyme Autor (Juan de Iriarte) beginnt seinen Text mit einem Zeugnis vom Bekanntheitsgrad, den Torres inzwischen erlangt hat: „El Autor de esta Obra es tan conocido que aunque se huviera publicado sin su nombre ella bastaba para descubrirle" (ebd., S. 298).

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und 1740er Jahre anknüpfen zu können. Am 19. Juni 1770 stirbt Torres hochbetagt (76-jährig), wohlhabend und am Ende auch von den einflussreichsten Persönlichkeiten der spanischen Gesellschaft verehrt, in seiner vom Duque de Alba zur Verfügung gestellten Wohnung im Palacio de Monterrey zu Salamanca. Die Problematik der Torres-Interpretation, die - wie für die Texte des Siglo 18 üblich - erst im 20. Jahrhundert einsetzt und ab 1975 auf einer umfassenden wissenschaftlichen Basis vorgenommen wird, besteht in der Unbestimmbarkeit (bzw. intendierten Offenheit) der „personalidad literaria"177 des Autors und in dem schwierigen, lange Zeit unerkannten Status der Vida als einer „novela realista fingida".178 Die Vida wird in der Sekundärliteratur zumeist ausschließlich betrachtet, ohne die mindestens ebenso bedeutenden (und kaum weniger autofiktionalen) Prosawerke Correo del otro mundo, Visiones y visitas, El hermitaño, Barca de Aqueronte, Los desahuciados del mundo und Anatomía de todo lo visible zu berücksichtigen. So stellt sie für die Kritik das Problem einer gattungstechnischen Neuerung („innovación genérica")179 dar, die sich auf ebenso originelle wie grenzüberschreitende Weise auf die Traditionen des Picaro-Romans sowie der Adeligen- bzw. Heiligenvita bezieht und im,Epochenübergang' zwischen alten und neuen Formen der philosophisch orientierten Prosaliteratur vermittelt.180 Aufgrund der Eigencharakterisierung, mit welcher der Autor im Rückgriff auf die den gesamten Text durchziehenden Schelmentopologie seine Schrift als „filosofía insolente de un picarón"181 ausweist oder die Umstände seines 177

García Boiza: Don Diego de Torres, a.a.O, S. 120.

178

Sebold: Novela y autobiografìa en la Vida de Torres Villarroel, Barcelona 1975, S.

60. 1975 ist das Jahr der Resurrección der Torres-Forschung. Neben Sebolds Studie erscheinen nahezu zeitgleich die Arbeiten von Eugenio Suárez Galbán: La Vida de Torres Villarroel. Literatura antipicaresca, autobiografìa burguesa,

M a d r i d 1975, die Neuauflage

von Alborg: Historia de la literatura, Bd. 3, a.a.O. und vor allem Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O. Auch die erste deutsche Studie zu Torres erscheint im Jahr des Beginns der Transición: Sabine Kleinhaus: Von der novela picaresca zur bürgerlichen Autobiographie. Studien zur Vida des Tones Villarroel, Meisenheim 1975. Ein Jahr später folgt Ivy Lilian McClelland: Diego de Torres Villarroel, N e w York 1976.

Sebold: Novela y autobiografìa, a.a.O., S. 20. „Para precisar el papel jugado por la Vida de Villarroel en la línea de evolución que lleva hacia la creación de la novela moderna, ha habido que situar aquélla en la encrucijada entre dos géneros literarios, entre formas literarias antiguas y modernas [...] y, finalmente, entre la literatura y la filosofía". Ebd., S. 10. 181 Torres: Vida, a.a.O., S. 51. 179

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Lebens als „picardigüelas [...] al idioma y a la usanza de la picaresca" 182 bezeichnet, sind die Leser des frühen 20. Jahrhunderts der Ansicht gefolgt, dass es bei der Vida um eine Abenteuererzählung bzw. in der inszenierten Figur um ein späten „picaro arquetípico" und damit um eine „supervivencia anacrónica del siglo XVII"183 handele. Wegweisend für diese Sicht ist Joaquín de Entrambasaguas, der die Vida als „última novela picaresca de nuestra literatura" 184 liest. In beinahe wortgleicher Formulierung nimmt A. Valbuena Prat den torresschen Text von 1743 als „última gran novela picaresca en la Península" 185 in den Kanon der spanischen Schelmenromane auf. Auf diese These, mit der Torres in der Romanliteratur des 18. Jahrhunderts verankert und vor dem Padre Isla zugleich als deren frühester Repräsentant von Rang ausgewiesen wird, folgt eine in der Kritik ebenso weit verbreitete Antithese, die Torres' Vida als Prototyp einer „autobiografía burguesa" 186 begreift. Die Interpreten, die diese Sichtweise stützen, präsentieren den Autor als Subjekt einer Selbstbeschreibung, der gemäß den kanonischen Standards der großen Schelmenromane des Siglo de Oro - des Lazarillo de Tormes (1554) und des Guzmán de Alfarache (1599) - keineswegs als gesellschaftlicher Außenseiter und skrupelloser Antiheld zu fassen sei,187 sondern Ebd., S. 94f. Alborg: Historia, a.a.O., S. 307. 184 Entrambasaguas: „Un memorial autobiográfico", a.a.O., S. 396. Vgl. a. Luis Sánchez Granjel (La medicina y los médicos en las obras de Torres Villarroel, Salamanca 1952), der die ,Eskapaden' des Helden der Vida ebenso als „existencia de auténtico picaro" (S. 9) versteht wie er die „doctrina médica" (S. 47ff.) und die „ideas terapéuticas" (S. 65ff.) des Autors als medizinhistorisch einschlägige Beiträge ausweist. Jüngere Verteidiger der Picaro-These sind Mathias (Torres Villarroel, a.a.O., S. 4.) oder auch Henry M. Ettinghausen: „Torres Villarroel's self-portrait: the mask behind the mask", in: Bulletin of Hispanic Studies 55-4 (1978), S. 321-328, hier: S. 326. Schon Juan Valera betrachtet die Vida (subtil) als eine „novela picaresca, sin maldad que mancille la honra del héroe". Juan Valera (1870): „Poetas líricos españoles del siglo XVIII", in: Ders.: Obras completas, Bd. 2, Madrid 1949, S. 395. ]82

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Angel Valbuena Prat: La novela picaresca española, Madrid 1956, S. 78. Marichal: „Torres Villarroel. Autobiografía burguesa al hispánico modo", in: Papeles de Son Armadans 36 (1965), S. 297-306. Vgl. a. Randolph Pope: La autobiografía española hasta Torres Villarroel, Frankfurt a. M./Bern 1974, S. 253-279. 187 Die strukturelle „base común" der novela picaresca unterliegt von kanonischer Seite - im narratologischen Querschnitt zwischen den (Erzähler-)Figuren des Lazarillo und des Guzmán - dem folgenden Katalog von grundlegenden Zugehörigkeitskriterien: „a) la novela picaresca [es] la autobiografía de un desaventurado sin escrúpulos, narrada como 185 186

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vielmehr alle Energie seines autobiographischen (und autofiktionalen) Schreibens auf die Rechtfertigung der bürgerlichen Lebensweise eines Universitätsprofessors verwende: „Torres se diferencia del picaro en que no niega los valores fundamentales humanos y sociales: familia, patria, honor, etc." 188 „Torres [...] se estima hombre normal, por oposición al pícaro". 189 „[Torres se presenta] en actitud antipícara y muy universitario".190 An der Spitze dieser Partei steht E. Suárez Galbán, der eine ganze Monographie allein zu dem Zweck verfasst, die Anti-Picaro-These zu beweisen: „La Vida resultará inconfundiblemente antipicaresca".191 Diese späte, die ausbleibende oder unzureichende Kritik des 18. Jahrhunderts in gewissem Sinne nachholende Auseinandersetzung um den gattungstechnischen und narratologischen Status der Vida enthält wichtige Elemente für die Beschreibung der Konzeption der torresschen écriture. Zugleich ist sie aber auch irreführend, da die einengende Opposition zwischen bürgerlicher Autobiographie' und ,Picaro-Roman' dem literarischen Spiel des gattungsüberschreitenden Zitats, das der bekanntesten Schrift ebenso wie den übrigen Prosatexten des Torres inhärent ist, nicht hinreichend gerecht wird. Dies liegt vor allem daran, dass man die klassische Gattung der Pikareske, die mit Quevedos Buscón bereits sehr weitreichenden, parodistischen bzw. satirischen Öffnungen unterzogen worden ist, keinesfalls in den ethischen Normenkatalog des „desaventurado sin escrúpulos" hineinzwängen muss: „To regard the picaresque as an event of the past only is a pedantic and erroneous view".192 Die literarische Ausdrucksform des Pikarismus ist nicht una sucesión de peripecias [...]; b) la autobiografía [es articulada] mediante el servicio del protagonista a varios amos (como pretexto para la crítica); y c) el relato [se presenta] como explicación de un estado final de deshonor". Lázaro Carreter: „Para una revisión del concepto ,novela picaresca'", in: Carlos Horacio Magis Otón (Hg.): Actas del III Congreso Internacional de Hispanistas, Mexico 1970, S. 27-45, hier: S. 33. Enrique Segura Covarsí: „Ensayo crítico de la obra de Torres Villarroel", in: Cuadernos de Literatura 8 (1950), S. 125-164, hier: S. 151. 188

Chicharro: „Introducción", a.a.O., S. 40. Berenguer Carisomo: El doctor Diego de Torres, a.a.O., S. 24. „Mucho más hay en Torres, si en picaro queremos dejarlo, de Fígaro o Gil Blas que de Lázaro o Guzmán." Ebd., S. 58 189 190

Suárez Galbán: La Vida de Torres Villarroel, a.a.O., S. 23. Claudio Guillén: „Toward a Definition of the Picaresque", in: Ders.: Literature as System. Essays Toward the Theory ofLiterary History, Princeton 1971, S. 71-106, hier: S. 71. Vgl. a. ders.: TheAnatomies ofRoguery: A Comparative Study in the Origins and the Nature of Picaresque Literature, London/New York 1987, S. 377-393. 191

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normativ durch die (sozial- oder ideengeschichtliche) Einhegung von Gattungsmerkmalen zu bestimmen.193 Vielmehr ist die Entwicklung des Romans und der narrativen Prosa in Spanien gerade ein Ergebnis des kreativen Umgangs mit dieser alten Formvorgabe. Insofern schreibt sich das Spiel mit dem Pikarismus bei Torres in einen historischen Grenzüberschreitungsprozess ein, welcher der Gattung selbst inhärent ist. Wohl wird man dem Piscator von Salamanca am besten gerecht, wenn man das Zitat nicht auf die Figur des Picaro bezieht, hinter der sich der Erzähler und Berichterstatter der Ereignisse um die Figur des ,Don Diego de Torres' ironisch versteckt, sondern es der „picaresca intelectual"194 des Autors zuschreibt, welcher in einer „extraña modalidad",195 aber auf sehr kunstvolle Weise die Möglichkeiten der Picaro-Erzählung mit anderen Erzählformen und Gattungsvorgaben verschmelzen lässt. In diesem Sinne ist es auch möglich, den Erzähler der Vida wörtlich zu verstehen: „Paso, entre los que me conocen y me ignoran, me abominan y me saludan, por un Guzmán de Alfarache, un Gregorio Guadaña y un Lázaro de Tormes; y ni soy éste, ni aquél, ni el otro; y por vida mía, que se ha de saber quién soy."196 Diese Auseinandersetzung um den Status der Vida erweist sich an dem Punkt als dem Text am ehesten entsprechend, an dem die Entscheidung für die eine oder andere Position zum Scheitern verurteilt ist. Torres' Text von 1743 ist weder eine reine Autobiographie noch ein reiner Abenteuerroman. Er hält sich in einem (beinahe) äquidistanten Abstand zu diesen beiden, aber auch zu einer ganzen Reihe von anderen Ausdrucksformen und diskursiv sich (re-)formierenden Gattungen, welche die Epoche bereithält. Die Grundidee des Textes beruht auf einer Philosophie der negativen Entscheidung, in der jede mögliche Zugehörigkeit zu einer literarischen Gattung bis zu einem gewissen Grad ironisch angedeutet, zugleich aber stets wieder aufgehoben wird. „No hay fronteras en el género por la enorme variedad de las obras que bajo tal etiqueta se recogen [...]; para llegar a captar el sentido de aquellos libros desiguales y diversos que fundan la picaresca, [poseemos] otro camino que el de escrutar las misteriosas relaciones que los unen con sus autores o con su medio social". Marcel Bataillon: Picaros y picaresca, Madrid 1969, S. 238f. 194 Berenguer Carisomo: El doctor Diego de Torres, a.a.O., S. 18. 195 Segura Covarsí: „Ensayo crítico", a.a.O., S. 143. „Se realiza una deformación infrarrealista, recargando las tintas negras del relato y desfigurando en rasgos caricaturescos la fisonomía y las andanzas de Torres Villarroel." Ebd., S. 150. 196 Torres: Vida, a.a.O., S. 61. 193

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Ohne die Zahl genau angeben zu können, die den Koeffizienten der Multiplikation aller Gattungscharakteristika der torresschen LebensGeschichte bestimmt, ist es (mathematisch) zutreffend, in der Folge der Intuition von J. L. Alborg, der im Text „dos Vidas de Torres"197 gesehen hat, von (ungefähr) „treinta vidas de Torres"198 auszugehen. Um die Funktionsweise dieses Konzepts der aufgespannten, mannigfaltigen Unentscheidbarkeit recht zu ermessen, ist es notwendig, den exklusiven (auf einen Text beschränkten) Streit hinter sich zu lassen und die Vida im Zusammenhang der übrigen (Prosa-)Werke des Torres zu betrachten, deren poetologisches Konzept, narratologische Anlage und sprachliche Verfasstheit in Bezug auf die ,Autobiographie' kaum variieren. Daher wird es im Folgenden darum gehen, die ironische Funktionsweise der Autofiktion innerhalb der Vida zu beschreiben, um sodann die mediale Funktion des polyvalenten Erzählers als Element der das Gesamtwerk umspannenden Kommunikationssituation - im Sinne eines Verhältnisspiels zwischen ebenso mannigfaltigen Autor- und Leserfiguren - darzustellen. Hieraus ergibt sich sodann ein Konzept der literarischen Freiheit von den klassischen Grenzlinien der Fiktionalität und der Historizität, welche die Traumnarrative der Prosaerzählungen regieren. 3.3.2. Erzählstruktur und literarisches Konzept der Vida Die Faszination, die von der Vida des Torres Villarroel für viele Zeitgenossen ebenso wie für die (wenigen) heutigen Leser ausgeht, speist sich zunächst aus dem Klang der Sprache. Der Schriftsteller wird als Meister des klassischen Stils für die Präzision seines Ausdrucks anerkannt: „Torres continúa siendo un escritor castizo muy español, muy clásico - como lo fue Quevedo - , al modo del siglo XVII". 199 Die Klarheit der Sprache, die es ihm erlaubt hat, von einer sehr großen Anzahl von Lesern rezipiert zu werden, geht mit einer stilistischen Variationsfähigkeit einher, die über den „Epochen übergreifenden" Gegensatz

197 Alborg: Historia, a.a.O., S. 292. Vgl. a. Chicharro: „La doble vida del doctor Torres" („Introducción", a.a.O., S. 13-33). 198 Sebold: Novela y autobiografía, a.a.O., S. 67. 199 Mathias: Torres Villarroel, a.a.O., S. 21. Diese Position korrespondiert i.Ü. mit der zeitgenössischen Kritik des Diario de los literatos de España (a.a.O., Bd. 2, S. 299).

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zwischen einer „einfachen Natürlichkeit" und einer „rhetorischen Affektiertheit" (im Medium der Parodie) hinausgeht.200 Dieser Umstand, der am Ende der Untersuchung (als Frage) noch einmal aufgenommen wird, wäre für sich genommen schon eine historische Besonderheit, die als Wendepunkt für die seit Gracián im Medium des gelehrten Conceptismo aufgehobene Prosaliteratur gelten kann. Eine größere historische Bedeutung (und ein Faszinationspotential für die Zeitgenossen) kommt Torres jedoch aufgrund der narratologischen Verfasstheit seines Werkes zu. Das vielseitige, aber nie überkomplexe oder den Leser verprellende Spiel der Inszenierung seiner Erzählfiguren, innerhalb dessen die Vida eine zentrale, die narratologischen Ebenen an einem besonderen Punkt (der aufgehobenen Autor-Erzähler-Identifikation) zusammenführende Rolle einnimmt, stellt das eigentliche literaturgeschichtliche Ereignis dar. Denn hier konstituiert sich ein Autor in einer für die moderne Literatur wegbereitenden Weise als ein unzeitgemäßes' Subjekt, das auf der Grundlage weit verstreuter Gattungen eine Erzählkomposition von unverwechselbarem Ausdruck erzeugt. Die gattungstechnische Komposition der Vida besteht in der (die genannte Kontroverse der Kritik auslösenden) Verknüpfung aus den scheinbar entgegengesetzten Erzählsituationen der (Auto-)Biographie und des Schelmenromans. Beide Situationen werden bereits im Titel aufgerufen, wobei sich die Ironie aus dem Kontrast der sich überlappenden Zusammenstellung ergibt: Vida, ascendencia, nacimiento, crianza, y aventuras de el Doctor Don Diego de Torres Villarroel, Cathedratico de Prima de Mathematicas en la Universidad de Salamanca.m Das (auto-) biographische Element ist eine Neuerung, die sich aus den bestehenden Gattungen der Hagiographie und des Herrscherlobs speist und ihren innovativen (skandalösen) Aspekt aus der Übertragung der klassischen Genealogie auf den Kontext bürgerlicher Lebensverhältnisse zieht. Das pikareske Element ergibt sich aus dem Zitat der Erzählsituation der großen Schelmenromane, deren markantes Merkmal die Präsentation scheinbar chronologisch geordneter - und die ,historischen' Historias ebenfalls zitierender - Lebensberichte durch

„En Torres distinguimos dos variantes estilísticas, que corresponden a dos épocas diferentes: una afectada, un poco retórica [...], rica en palabras castizas un poco rebuscadas; el otro estilo es más sencillo y natural". Segura Covarsí: „Ensayo crítico", a.a.O., S. 159. 201 So lautet der vollständige Titel der in Madrid gedruckten Erstausgabe von 1743. 200

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fiktive Ich-Erzähler ist: La vida de Lazarillo de Tormes y de sus fortunas y adversidades, La vida del Picaro Guzmân de Alfarache, Historia de la vida del B uscon, llamado Don Pablos etc.202 Aus der Verknüpfung beider Elemente resultiert die Erzählsituation eines Lebensberichts in der Selbstdarstellung eines Ich-Erzählers, die in einem Modus operiert, als ob es sich um die Abenteuer einer Romanfigur handelte. Dieser Modus wird als Strukturprinzip der Vida durchgehalten, da die Identifikation von Autor und Ich-Erzähler situativ im Verlauf der Erzählung ebenso häufig nahe gelegt und bestätigt wie konterkariert und in Frage gestellt wird. Der Text funktioniert über die Inszenierung eines Kippspiels zwischen „la vida que gozo y la Vida que escribo", 203 wobei sich die das Spiel aufrechterhaltene Spannung aus der Frage speist: „Qui est je ?"204 Die Erzählsituation der Vida ist insofern eine besondere (und historisch absolut originelle), als die möglichen Wege der Identifikation der ins Werk gesetzten Figur namens Don Diego de Torres mit dem gleichnamigen Autor zwischen den Kriterien der ,Autobiographie' und der ,Autofiktion'2()5 - und dies weit vor der Zeit, für die diese Kriterien definiert sind - in der Schwebe gehalten werden. Dabei ist das Spiel der Indétermination, der konträren und inkompatiblen Selbstcharakterisierung als Erzähler zwischen den Gattungen, anders als der Gattungsstreit in der Kritik vermuten ließe, von Anfang an im Text

202 „The picaresque novel is a pseudoautobiography". Guillén: „Toward a Definition of the Picaresque", a.a.O., S. 81. Von Interesse für die Verteidiger der Picaro-These bei Torres Villarroel wäre i.Ü. auch der Bezug auf den weniger bekannten Roman von Alonzo de Castillo Solörzano: Aventuras del bachiller Trapaza (1637), dessen fiktive IchErzählung - in einer gleichsam spiegelverkehrten Herangehensweise - autobiographische Züge des (im Universitätsmilieu befindlichen) Autors enthält. 203 Torres: Vida, a.a.O., S. 48. 204 Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 7. „Dans l'univers littéraire imaginé par Torres Villarroel, règne un je omniprésent. [...] Je miroite sans cesse entre l'imaginaire et l'histoire, il est tantôt celui d'un narrateur-héros d'aventures fantastiques, tantôt celui d'un auteur qui raconte sa vie, et parfois la frontière reste floue entre le vécu et le rêvé." Ebd. 205 V. Colonna kreiert den Begriff „Autofiction" zur Beschreibung einer „pratique littéraire méconnue, par laquelle un écrivain se transforme en personnage imaginaire". Vincent Colonna: L'autofiction. Essai sur lafictionnalisation de soi en littérature, Paris 1989, S. 3. Zu den Merkmalen dieser Praxis gehört ein Bruch mit dem auf situativer Identität zwischen Autor und Erzähler beruhenden „pacte autobiographique" (Philippe Lejeune: Le pacte autobiographique, Paris 1975, S. 15) bzw. eine Nichteinhaltung der „identité narrative", deren Funktionsmerkmal die „adhésion sérieuse de l'auteur à un récit dont il assume la véracité" ist (Gérard Genette: Fiction et diction, Paris 1991, S. 85).

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ausgewiesen. Schon im ersten überleitenden Paratext (nach den in den modernen Ausgaben ausgesparten Licencias), einer „Dedicatoria" an die Duquesa de Alba, erweist sich der Kontrast aus den vermeintlichen „culpables quietudes y [...] melancólicas desaventuras de mi miserable vida" und den „patrocinio, honor y seguridades", die der Schreiber „en el delicioso sagrado"206 der Widmungsträgerin zu erlangen hofft, als ein offenkundiges Spiel mit den kommunikativen Instanzen der bekannten literarischen Textformen. Im „Prólogo al lector", der von einer „Introducción" flankiert ist, welche den Leser einlädt, den Autor auf einer nachbetrachtenden Reise durch die Stationen eines Schriftstellerlebens zu begleiten, wird das Prinzip der Indifferenz zwischen Wahrheit und Fiktion explizit gemacht. Das Spiel beginnt mit einer Authentizitätsanzeige, deren Aussage darin besteht, dem Leser Recht zu geben, wenn er behauptet, dass der Autor lügt: Tú dirás (como si lo oyera), luego que agarres en tu mano este papel, que en Torres no es virtud, humildad ni entretenimiento escribir su vida, sino desvergüenza pura, truhanada sólida y filosofía insolente de un picarón, que ha hecho negocio en burlarse de sí mismo, y gracia estar haciendo zumba y gresca de todas las gentes del mundo. Y yo diré que tienes razón, como soy cristiano.207

Innerhalb der behaupteten Lüge erweist sich die Wahrheit der Aussage über das Einverständnis einer Komplizenschaft. Der so engagierte Leser wird zu einem ,Vertrauten' des Autors gemacht.208 Der Autor adressiert den Leser über die Vermittlung eines Ich-Erzählers, zu dem durch diesen Vorgang der paratextuellen Situierung (per Vorwort und Einleitung) eine subtile, die Namensidentität durchkreuzende Distanz geschaffen wird, und sucht ihn im Ausdruck einer „piain bluntness" oder „crafty straightforwardness"209 für sein ,Bekenntnis' einer auf der Bereitschaft zur Lüge basierenden Wahrheit zu gewinnen: „Mira, hombre, yo te digo la verdad: [...] reconoce que das con un Torres: Vida, a.a.O., S. 47f. Ebd., S. 51. 208 Dies ist der besondere „ahinco del escritor en declararse igual a cuantos lo leen", den Jorge Luis Borges bei Torres hervorhebt. Borges: „Torres Villarroel", in: Proa 1 (Buenos Aires 1924), zit. in: Mercadier: „Introducción biográfica y crítica", in: Torres: Vida, ascendencia, nacimiento, crianza y aventuras, Madrid 1980, S. 9-41, hier: S. 30. 206 207

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McClelland: Diego de Torres, a.a.O., S. 26f.

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bergante que desde ahora se empieza a reír de las alabanzas [...]".210 Das Grundmoment dieses Bekenntnisses, das auf die Situation einer Beichte vor dem Priester anspielt (dessen Absolution erwartet werden kann), beschreibt einen zentralen Beweggrund für den Herstellungsprozess des Textes, welcher in der Tat, gemessen an den immanenten Kriterien literarischer Intention, absolut unaussprechbar ist: „Dirás [...] que porque no se me olvide ganar dinero, he salido con la invención de venderme la vida. Y yo diré que me haga buen provecho [,..]" 2n Dieses literarische Motiv des ,Literaturschaffens als Broterwerb', dessen (Neu-)Erfinder Torres ist - im Rückgriff auf das Vorbild Quevedo und unter den Bedingungen der Verbürgerlichung der Gesellschaft - , zieht sich leitmotivisch durch die Vida und die übrigen Texte.212 Es besiegelt in der hyperbolischen, den Verkauf der Seele oder den Verrat des Selbst konnotierenden Provokation eines Bruchs mit den ästhetischen und ökonomischen Normen der Literatur213 den eigentümlichen Vertrag zwischen Autor und Leser. Die Bedingung für deren erfolgreiche Kommunikation (als textuelle Figuren) liegt in der Annahme einer grundlegenden Unannehmlichkeit, nämlich in der Akzeptanz einer zwiespältigen, selbstaufhebenden Aussage der vermittelnden Erzählerfigur, die ihre Glaubwürdigkeit aus der Tatsache eines Bekenntnisses zieht, das durch seine Ungeheuerlichkeit Wahrhaftigkeit

Torres: Vida, a.a.O., S. 53. Ebd., S. 52. Und der Autor fährt fort, indem er jeglichen Leser, der diese Beichte nicht akzeptieren möchte, dem Henker überantwortet: „[...] y si te parece mal que yo gane mi vida con mi Vida, ahórcate, que a mí se me da muy poco la tuya". 210 211

212 „Yo soy autor de doce libros, y todos los he escrito con el ansia de ganar dinero para mantenerme." Ebd., S. 80. Der früheste Ausdruck des Motivs findet sich in der Erstausgabe des Correo del otro mundo (Salamanca 1725): „Yo escribo porque no tengo dinero ni donde sacarlo para vestirme", zit. in: Mercadier: „Introducción biográfica y crítica", a.a.O., S. 26.

Mit Rücksicht auf Autoren wie Lope de Vega, die schon im 17. Jahrhundert ihre Texte verkauften und die Autorschaft auch als eine Form ökonomischer Selbstbehauptung begriffen - sowie eingedenk der Position von Saavedra Fajardo, der in seiner República literaria diesen Vorgang anprangerte - , liegt die torressche Herausforderung an das vom adeligen Ehrenkodex geprägte Selbstverständnis des (selbstlosen) künstlerischen Schaffens weniger in der Transformation des literarischen Texts in einen Verkaufsgegenstand als in der Tatsache, das schriftstellerische Schaffen überhaupt als ,Arbeit' zu begreifen. Vgl. Strosetzki: Literatur als Beruf. Zum Selbstverständnis gelehrter und schriftstellerischer Existenz im spanischen Siglo de Oro, Düsseldorf 1987, S. 14ff, S. 146f. 213

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beansprucht - siehe, lieber Leser, was ich dir beichte - und zugleich gerade dadurch wieder in Zweifel gezogen werden muss. Die Beichte des Don Diego de Torres vollzieht sich zwischen unvollständiger Lüge und unaussprechlicher Wahrheit. Das Vorwort und die Einleitung der Vida legen so die Basis für eine (experimentelle) Selbstbeschreibung eines zwischen Autobiographie und Autofiktion aufgespaltenen Ichs, das mit gleichem Recht und gleicher Überzeugungskraft von sich behaupten kann: „Yo soy un mal hombre" und: „Soy hombre claro y verdadero" 214 . Um die narratologische Konsistenz dieser Ich-Figur zu bewahren, werden ihr auf der Ebene des Ausdrucks (des Tonfalls und der stilistischen Verfasstheit ihrer Sprache) ebenso wie auf der Ebene des Inhalts (ihres sozialen Handelns und ihrer psychologischen Eigenschaften) weitere Antinomien zugeschrieben, die ihrerseits, jede für sich, in einer kunstvollen Schwebe gehalten werden. Zu den Antinomien, die auf beiden Ebenen zum Tragen kommen, gehört das bei Torres zwischen den extremen Polen der Selbstbeschimpfung und des Eigenlobs aufgespannte Auto(r)portrait. Auf der Seite des „mal hombre" spricht eine zwischen Beschämung und Selbstaggression pendelnde Figur, die sich als abstoßend und unumgänglich beschreibt - „malo, revoltoso y atrevido [...] un vulgar ingenio, desnudo de la enseñanza [...], [similar a] la cara del marmarracho que se imprime en la primera hoja de mis almanaques" 215 - und mit der Rolle des Taugenichts und Verlierers kokettiert - „un mucho holgazán [...] un perdulario incorregible" 216 - , dessen unwürdiges Leben aufzuschreiben im Übrigen überhaupt vermessen sei: „Mi vida, ni en su vida ni en su muerte, merece más honras ni más epitafios que el olvidio y el silencio." 217 Diese Formen der entehrenden Selbstbeschimpfung, der „self-uglification" 218 und Eigenbloßstellung als Verrat an den Tugenden des ehrenhaften Künstlers stellen eine ironische Umkehr der historischen Biographie ebenso wie des (im 17. Jahrhundert zum Torres: Vida, a.a.O., S. 57, S. 64. Ebd., S. 86, S. 92, S. 115. 216 Ebd., S. 58. 217 „[...] para nada me importa que se sepa que yo he estado en el mundo". Ebd., S. 55. Auch dieser Topos durchzieht den ganzen Text: „Yo estoy bien seguro que es una culpable majadería poner en crónica las sandezes de un sujeto tan vulgar", ebd., S. 60. Im ironischen Überschwang grenzt die Selbstkasteiung zuweilen sogar an Häresie: „Por la gracia de Dios espero temporales los castigos", ebd., S. 56. 218 McClelland: Diego de Torres, a.a.O., S. 49. 214

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Topos geronnenen) Prinzips des Picaro dar, ein faktisch antisoziales Handeln durch die Zuschreibung einer Ehrenlogik zu legitimieren.219 Auf der anderen Seite, jener des (vermeintlichen) „hombre claro y verdadero", spricht im Gegensatz dazu eine zwischen Selbstbewusstsein und Selbstüberschätzung schwankende Figur, die eine „pintura [...] galana, vistosa y posible"220 zeichnet, sich als stattlich, attraktiv und von feingeistigem Umgang darstellt - „un hombrón alto, [...] rubio, con [...] catadura de alemán [...] los labios frescos [...] los dientes, cabales, bien cultivados [...] felizmente gustoso entre toda especie, sexo y destino de personas"221 - und die Rolle des vielseitigen Lebenskünstlers beansprucht, um sie - im Verlauf der ,Abenteuer' seines Lebens, „escondiendo] el hediondo nombre de astrólogo con el apreciable apellido de catedrático"222 - in derjenigen des moralisch integren Aufklärers aufgehen zu lassen. In der Selbstbeschreibung dieses Teils der Figur wird die besondere intellektuelle und imaginative Eignung für den Beruf des Schriftstellers und Mathematikers betont: „Mi ingenio [...] tiene bastante claridad, mañosa penetración y una aptitud generalmente proporcionada al conocimiento de lo liberal y lo mecánico".223 Auf dieser Seite erfährt der Leser auch die (im Modus der Apologie vorgetragenen) Motive für die Niederschrift des Selbstportraits - „para demostrar la inocencia de algunos pasos y acciones de mi vida, que andaban historiados por cronistas desafectos y mentirosos"224 - , die vordergründig und nachvollziehbar auf eine Rechtfertigung und Korrektur von realen, persönlich erlebten Daten zielen: „Deseo que en la muerte ninguno me ponga ni me añada más de lo que yo dejare declarado que es mío".225 219 Die pikareske Perspektive von unten' lässt sich ihrerseits als eine „Travestie der christlichen Lebensbeichte" betrachten. H. R. Jauss zufolge beruht sie auf einer „neuen Fiktion, die in der Ich-Form der Konfession selbst angelegt ist: im Paradoxon des bußfertigen Schelmen, der sich scheinbar zu den Sünden seines eigenen Lebens bekennt, in Wirklichkeit aber nur der Welt der Anderen den Spiegel vorhält". Jauss: „Ursprung und Bedeutung der Ich-Form im Lazarillo de Tormes", in: Romanistisches Jahrbuch 8 (1957), S. 290-311, hier: S. 310.

Torres: Vida, a.a.O., S. 116. Ebd., S. 113, S. 117. 222 Ebd., S. 155. 223 Ebd., S. 125. 224 Ebd., S. 217. 225 Ebd., S. 63. Diese (vorgebliche) Intention motiviert auch bestimmte Lücken des Berichts, die aus ,Rücksicht' auf noch lebende Zeitzeugen vorgenommen werden, welche wiederum als Garanten für die Authentizität des Berichteten bemüht werden: 220 221

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Die i m Verlauf der E r z ä h l u n g n ä h e r b e s t i m m t e n A d r e s s a t e n der r e c h t f e r t i g e n d e n , s e l b s t v e r t e i d i g e n d e n H a l t u n g sind g e m ä ß d e r Selbsta n z e i g e z u n ä c h s t die K o l l e g e n d e r U n i v e r s i t ä t 2 2 6 u n d d e r Schriftstellerzunft, w o b e i d e n a n d e n P o l e m i k e n d e r 1 7 2 0 e r J a h r e beteiligten A u t o r e n a u s g e w o g e n e r e E n t g e g n u n g e n z u g e d a c h t w e r d e n als d e n „ p r e s u m i d o s c o r a j u d o s , q u e d e s d e s u s tertulias m e a r r o j a n c a r t a s sin firmas, a p e s t a d a s d e t o r p e z a s , incivilidades y r a b i a d e s c o m u n a l [...] / / . 2 2 7 Jenseits d e r p r o f e s s i o n e l l e n K o n t e x t e w i r d aber v o r a l l e m die M e n g e d e r a n o n y m e n Leser adressiert u n d mit d e m kunstvoll gefertigten A r g u m e n t einer zwiespältigen Berufung auf anerkannte Autoritäten der Zeit gewonnen: „ n u n c a m e h a c a s t i g a d o e n p ú b l i c o ni e n s e c r e t o n i n g ú n c a t e d r á t i c o , d o c t o r , r e l i g i o s o g r a v e , e s c o l a r m o d e s t o , r e p ú b l i c o d e c e n t e , ni h o m b r e alguno de opinión y enseñanza".228 V o n der Tugend der Bescheidenheit w e n i g b e r ü h r t , findet sich in d e r die S e l b s t a n k l a g e u n t e r l a u f e n d e n F a cette d e s E i g e n l o b s a u c h eine z ü g e l l o s e T r a n s f o r m a t i o n d e s Ichs in eine g a n z eigene Autorität: Tengo el gozo admirable de ver que saben ellos [mis mayores émulos, contrarios y enemigos] que soy, en esta Universidad y en todas las de España, el doctor más rico, el más famoso, el más libre, el más extravagante, el más requebrado de las primeras jerarquías y vulgaridades de este siglo, el más contento con su fortuna, el menos importuno, el menos misterioso [...] 229 „Omito el referir y particularizar [...], por no recordar, con las relaciones, los sentimientos y los enojos de muchos, que hoy viven" (ebd., S. 98). 226 „El segundo motivo que me provoca a poner patentes los disparatorios de mi vida, es para que de ellos coja noticias ciertas y asunto verdadero el orador que haya de predicar mis honras a los doctores del reverente claustro de mi Universidad." Ebd., S. 63. 227 „[...] pero, gracias a Dios, las trago con serenidad envidiable". Ebd., S. 209. Eine ähnliche Stelle findet sich kurz zuvor, am Anfang des Quinto trozo: „Cuando me puse a escribir los pasados trozos de mi Vida llevaba conmigo dos intenciones principales [...] La primera fue estorbar a un tropel de ingenios hambreones [...] La segunda, desmentir con mis verdades las acusaciones, las bastardes novelas y los cuentos mentirosos que se voceaban de mí en las cocinas, calles y tabernas, entresacadas de quinientos pliegos de maldiciones y sátiras que corren a cuatro pies por el mundo, impresas sin licencia de Dios ni del Rey". Ebd., S. 202. Ebd., S. 204f. Ebd., S. 268. Es gehört allerdings zu den stilistischen Eigenarten des Torres, dass auch die positiven Übertreibungen sogleich mit ihrem Gegenteil konfrontiert werden. So mündet die Passage dieser ,historischen' Selbstauszeichnung ebenfalls im desengaño: „Antes de muerto, y muchas centurias después de difunto, he de ser citado por 228

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Der hyperbolische Charakter dieser Selbstdarstellung müsste einen Kritiker, der hier die (moralisch zweifelhafte) Apologetik einer bürgerlichen Autobiographie erkennen möchte, misstrauisch machen.230 Aus dem Zusammenhang des Textes zeigt sich, dass das (autobiographische Moment nur ein Zitat der Gattung darstellt, die auf eine analoge und in gleichem Maße ironisch gewendete Weise angeführt wird wie jene des Picaro.231 Die sich jeweils übertrieben selbst lobende oder beschimpfende Figur ist so angelegt, dass die Frage, welches ihr wahres Gesicht sei, nicht beantwortet werden kann. „Pues, para que sea verdad cuanto se vea en esta historia (que hoy tiene tantos testigos como vivientes), pondré en este pedazo de mi Vida la verdadera facha",232 behauptet der Erzähler zu Beginn des Trozo tercero. Aber auch das physische Portrait, das Torres von ,Torres' zeichnet (und dem den Einband der Vida wie aller übrigen Bücher schmückenden dibujo zugleich ähnelt und nicht ähnelt), entspricht exakt den genannten Gegensätzen der moralischen Charakterisierung. Die „chichones, tiznes, mugres y légañas", die sein Antlitz verunstalten - „las más son sobrepuestas y mentirosas"233 - , erweisen sich im Kontrast zur „pintura galana" in einer ebensolchen ostentativen Inkompatibilität wie das im Bekenntnis der Lüge beruhende Unverhältnis des , gelehrten Taugenichtses' oder des faulenzenden Vielschreibers' auf der Ebene der Charaktereigenschaften. Letztlich sind alle Eigenschaften der Erzählerfigur - auf den Ebenen der äußeren Erscheinung, der Handlung hombre insigne y, como quien no dice nada, autor de libros, habiendo sido en todos los pedazos de mi vida un ignorante holgazán sin sujeción y sin escuela". Ebd., S. 269. 230 Die „indecisión del narrador", die auch E. Suárez Galbán, der vehementeste Verfechter der These von der bürgerlichen Biographie, gesehen hat, zeigt, dass man gerade nicht auf eine „trascendencia autobiográfica a la luz de la estructura apologética-jactanciosa" schließen kann. Suárez Galbán: „Función autobiográfica de la lectura oral en la Vida de Torres Villarroel", in: Archivum 46-47 (1997), S. 487-499, hier: S. 490f.

Die bloße Tatsache, die Gattung der (Auto-)Biographie zu zitieren, bringt es mit sich, auf einen Diskurs der Rechtfertigung anzuspielen. Der „apologetische Charakter" ist seit der Apologie des Sokrates eine wesentliche Eigenschaft der in die Gattung der historischen Autobiographie einmündenden ,Standortbestimmungen' literarischer (und philosophischer) Selbstbeschreibung. Vgl. M. Fuhrmann: „Rechtfertigung durch Identität. Über eine Wurzel des Autobiographischen", in: Odo Marquard und Karlheinz Stierle: Identität. Poetik und Hermeneutik VIII, München 1979, S. 685-690. Auf diesen Punkt wies schon Gumbrecht („Vida", a.a.O., S. 160) hin. 231

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Torres: Vida, a.a.O., S. 112.

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Ebd., S. 111.

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und der Sprache - in einer solchen Weise offen und unentscheidbar gehalten, dass sie am ehesten den chamäleonhaften Transformationen des ,Helden' entsprechen, die in den abenteuerlichen', den realitätskompatiblen Bericht unterbrechenden Mikroerzählungen ins Werk gesetzt sind. Als Überlebenskünstler und Eremit oder auf der Flucht vor der Polizei wird ,Torres' eine ebenso große Rollenvielfalt abverlangt wie als Stückeschreiber und Schauspieler in der Gesellschaft, für deren Unterhaltung er sorgt: „Disfrazábame treinta veces en una noche, ya de vieja, de borracho, de amolador francés, de sastre, de sacristán, de sopón [...J".234 Lassen sich diese Gegensätze auf konsistentere Weise denken, als in der vorgeblichen Fremdvorstellung des Autors als einer „Mischgeburt aus der Kaste der Hexenmeister"?235 Erweist sich der Autor aufgrund der doppelten Exzessivität seines hyperbolischen Stils als ein (perverser) Exhibitionist vor wandelndem Publikum?236 Oder gleicht Torres seiner Figur in der Form, dass er einen literarischen „Diavolo a Madrid"237 des 18. Jahrhunderts darstellt? Mit Blick auf das Problem der Hybridität (der Figur und des Stils) ist von Seiten der Kritik eingewendet worden, dass Torres als Schriftsteller gescheitert sei, weil er sich nicht zwischen den verfügbaren literarischen Gattungen entscheiden konnte und somit seinen Gegenstand nicht zureichend definiert habe.238 Dagegen wäre

234 Ebd., S. 96. In diesem Sinne wird auch die Vorgeschichte des ,Helden', die „Ascendencia de don Diego de Torres", im Modus eines ironisch unterlaufenen Bekenntnisses vorgebracht, wobei die bescheidene Abstammung der „picaros parientes" durch die Heldengeschichte des ökonomisch um das Überleben kämpfenden Bürgertums kompensiert wird - „Todos hemos sido hombres ruines, pero hombres de bien" - , nicht ohne auch diese Kompensation wiederum als Fantasma (eines zerrissenen Autors) zu entlarven: „Un cristiano viejo, sano, robusto, lego y de buen humor es el que debe desear para abuelo el hombre denengañado de estos fantasmas de soberbia; que sea procurador, agujetero o boticario, todo es droga." Ebd., S. 76.

„Creo que a mí me han imaginado por un engendro mixto de la casta de los diablos y los brujos", ebd., S. 191. 236 „Torres Villarroel es un exhibicionista nato". Felipe Pedraza Jiménez und Milagros Rodríguez Cáceres: Manual de literatura española, Bd. 5, Pamplona 1981, S. 98. 237 Mario Di Pinto: „Scienza e superstizione in Torres Villarroel", in: Filología e Letteratura 8-2 (1962), S. 198-224, hier: S. 198. 238 Am deutlichsten sticht hier die Stimme von G. Marañón heraus, der, die besonnene Prosa Feijoos eindeutig bevorzugend, Torres Villarroel für einen „famosísimo tunante, embaucador y mentiroso" und „escritor sin responsabilidad" erachtet. Marañón: „Nuestro siglo XVni y las Academias", in: Ders.: Vida e historia, Madrid 1968, S. 40-71, hier: S. 58. 235

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einzuwenden, dass die Kunstfertigkeit und die literarische Originalität von Torres gerade in der virtuosen Melange bestehen, aus der heraus der Text sich als autonom zu konturieren sucht. Möchte man auf dieser Ebene des Verhältnisses zwischen der Vida und dem Leben des Autors bleiben, ließen sich die verschiedenen Zitate, die dem Leser stets angezeigt werden, als ein Ausweis dieser Fähigkeit des Schriftstellers deuten und somit mit der (doppelten) Intention der „vindicación y justificación polémica de su persona y obra literaria"239 in Zusammenhang bringen. Ebenso ließe sich die generische „mixtificación" der Erzählerfigur in einen Kommunikationskontext einfügen, der den Leser im Modus einer modernen Interpretation von Lope de Vegas engañar con la verdad einbezieht: „amontonar contradicciones y distraerse con el pretexto de analizar y resolver el problema; desorientar al lector para buscarse compañía en la angustia".240 Der Leser ist hier, als Mensch angesprochen, zugleich eingeladen, eine anthropologische (proto-existentialistische, auf Miguel de Unamuno vorausweisende) Erfahrung zu teilen, indem er mit dem Autor und dem Erzähler (sowie jedem möglichen Individuum) in der Annahme einer Grundaussage zusammenkommt: „Tengo conciencia de mi existir sólo en tanto contradicción [...] Lo único que puedo con certeza contar de mí son las contradicciones que pasan por mi ser".241 Nun besteht aber auch die Möglichkeit, die Konsistenz der Antagonismen im narratologischen Kippspiel zwischen „vida gozada" und „Vida escrita" (und deren kontextuellen Implikationen des Verhältnisses von Leben und Werk) auf textimmanente Weise zu deuten. Dies kann gemäß den Vorgaben des Textes auf zwei Ebenen geschehen: einmal auf der Ebene des erzählten Geschehens, in der die Ich-Figur Eine Aufarbeitung der überwiegend negativ gefärbten Torres-Kritik (vor und nach 1975) liefert Manuel María Pérez López: „Para una revisión de Torres Villarroel", in: Ders. und Martínez Mata (Hg.): Revisión de Torres Villarroel, Salamanca 1998, S. 13-36. „Torres ha sido víctima, con lamentable frecuencia, de valoraciones superficiales e injustas, de interpretaciones reduccionistas que desvirtúan o mutilan su complejidad" (ebd., S. 14). 239 Alborg: Historia, a.a.O., S. 308. Die Erklärung für die Selbstbeschimpung wäre sodann, „[que Torres] se sirve de la bufonada y el autodesprecio como defensa" (ebd., S. 316). Vor dem Hintergrund eines „conflito social [...] [que] está fundido estrechamente con su papel como escritor, popular, independiente, libre, portador de un nuevo concepto profesional" ergäbe sich letztlich eine „confesión sincera [sin ergos ni tópicos] de su personalidad y su concepto sobre los hombres y las cosas". Ebd., S. 322.

Sebold: Novela y autobiografía, a.a.O., S. 136. Ders.: „Introducción", in: Torres: Visiones y visitas, Madrid 1966, S. IX-XCVIII, hier: S. XXV. 240 241

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eine bündelnde Eigenschaft innehat, und einmal auf der Ebene der mise en abyme einer besonderen Kommunikation zwischen Autor und Leser, die uns von der Vida weg und in den größeren Kontext des Gesamtwerks hineinführt. Auf der Ebene des Geschehens lassen sich die gegensätzlichen Charakteristika, die zu besitzen der Erzähler von sich behauptet, dann in ,konsistenter' Form als zusammengehörig auf die Erzählsituation übertragen, wenn man davon ausgeht, dass die Figur „verrückt" ist. Genau diese Möglichkeit legt Torres auf ebenso prominente Weise nahe wie die (genealogische) Herkunft aus dem Pikarismus. Der Topos der Verrücktheit (locura) taucht zunächst als Element im Repertoire der Selbstbeschimpfung auf, als Kennzeichnung einer (vermeintlichen) Unzurechnungsfähigkeit, die dem Zweck dient, einerseits die ironische Distanz zwischen der Erzählung und dem Erzähler aufrechtzuerhalten und andererseits - im Modus der Autobiographie - ein Verständnis für die Abenteuerlichkeit des unbotmäßigen „maestro rudo, loco, ridiculamente infame, de extraordinario genio" 242 auf dem Lehrstuhl der Universität Salamanca zu erzeugen. Des Weiteren findet sich das Epitheton ,verrückt' (loco) - das in der adjektivischen Form am häufigsten gebraucht wird - als ein spielerisches Element im Kontext der Verwandlungskünste der Figur, die „auf Reisen",243 in Situationen der ,Flucht' oder zu Zwecken des divertimiento so tut, als ob sie verrückt sei: „[...] volvíme loco rematado y festivo, pero nada perjudicial".244 Die Erklärung hierfür, die ein intuitives Verständnis für ein Sprechen über die locura ermöglicht und zugleich ironisch wieder untergräbt, beruht auf dem Prinzip der geteilten Erfahrung. Jeder Mensch ist (potentiell) von Verrücktheit geschlagen und ist (vielleicht) in der Lage, mit ihr zu spielen: „Todos somos locos [...]: los unos por adentro y los otros por afuera".245 Torres: Vida, a.a.O., S. 162. „El yo más experimental del poeta se pone [...] de manifiesto en [las] composiciones en las que Torres hace relación de sus viajes". Renata González Verdasco: „El yo en la poesía de Diego de Torres Villarroel", in: Estudios dieciochistas (Oviedo 1995), Bd. 1, S. 413-420, hier: S. 418. 244 Torres: Vida, a.a.O., S. 136. 245 Ebd., S. 137. In diesem Sinne ist die (inszenierte) Ironie auch eine (romanhafte) Form von „Selbstaufhebung der Subjektivität". Denn die Ironie begreift „den Dämon im Subjekt als metasubjektive Wesenheit". Lukács (1920): Die Theorie des Romans. Ein 242

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geschichtsphilosophischer

Versuch über die Formen der großen Epik, M ü n c h e n 1994, S. 81.

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Schließlich ist die Verrücktheit aber auch der Gegenstand einer in den Text eingebetteten (proto-)wissenschaftlichen investigación. Auf dieser Ebene wird die Ich-Erzählerfigur im pathologischen Sinne als ein Patient präsentiert, der sich in eine Selbstanalyse begibt.246 Zwischen sehr luziden Momenten der Beobachtung und Phasen der Überwältigung durch die ,Krankheit' schwankend, gibt es Momente, an denen ,Torres' auf naive Weise seinen Zustand beschreibt: „en un mismo día me siento con inclinación a llorar y a reír [...], y siempre ignoro la causa de estas contrariedades. A esta alternativa de movimientos contrarios he oído llamar locura".247 An anderen Stellen wiederum erweist er sich - auf der Grundlage seiner (abenteuerlichen) Erfahrung als praktizierender Arzt in Portugal, unter dessen Behandlung im Übrigen (im Gegensatz zu Martínez) niemand gestorben sei - durchaus als genauer Beobachter von Symptomen einer enfermedad mental. Die „repetidas exaltaciones del ánimo" 248 und die Sprünge seiner „antojadiza imaginación"249 werden, gerade in der Auseinandersetzung mit den die Vida bevölkernden Ärztefiguren, die neben den Rechtsdienern und den Literaturkritikern zu den beliebtesten Feindbildern von Torres' Satire gehören, nicht nur als allgemeine (und die Unkenntnis der Mediziner beklagende) „hipocondría" und „pasión del alma" beschrieben, sondern auch durch eine recht präzise Befundbeschreibung als „melancolía morbo" 250 diagnostiziert. Die Differenzierung zwischen der Ausprägung (bzw. der Phase) eines „maniático triste y mesurado"

246 Die Selbstanalyse wird von Sigmund Freud als zentrales Element der modernen Psychologie beschrieben. Sie beruht auf dem (auto-)biographischen Moment der Kindheitserinnerung, die durch Traumerzählungen strukturiert wird und zeigt in ihrer Durchführung zugleich eine Grenzlinie zwischen der Normalität und der Pathologie des (Ich-)Erzählers an: „Meine Selbstanalyse, deren Notwendigkeit mir bald einleuchtete, habe ich mit Hilfe einer Serie von eigenen Träumen durchgeführt, die mich durch alle Begebenheiten meiner Kinderjahre führten, und ich bin noch heute der Meinung, daß bei einem guten Träumer und nicht allzu abnormen Menschen diese Analyse genügen kann". Sigmund Freud (1914): Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, in: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 10, Frankfurt a. M. 1946, S. 59. Vgl. Laplanche/Pontalis (1967): Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1972, S. 461. 247 Torres: Vida, a.a.O., S. 116. „[...] salga del hígado, del bazo o del corazón, yo tengo ira, miedo, piedad, alegría, tristeza, largueza, furia [...]" (ebd.). 248 Ebd. 249 Ebd., S. 127. 250 Ebd., S. 233.

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und eines „delirante de gresca y tararira",251 wobei der letztgenannte Typus dem Patienten und Selbstanalytiker eher zuzukommen scheint, sowie die teils satirischen, teils komischen Episoden der entsprechenden „Verrücktheitsberichte" (cuentos de locura oder auch sueños, s. u.) zeugen hier, 150 Jahre vor Sigmund Freud, von der Geschichte einer sehr frühen Psychopathologie der manischen Depression. Aufgrund der pathologischen Symptomatiken, für deren Beschreibung dem Autor Torres das langjährige Medizinstudium sicher zugutekam,252 ist die Vida als klinischer Text lesbar. Schritte in diese Richtung hat R. P. Sebold unternommen, der die widersprüchlichen Selbstangaben der Figur als ein „ser híbrido entre ahorcado y fraile" interpretiert und in ein „Esquema de contradicciones" auf der Ebene des intentionalen Bezugs zwischen Autor und Text überträgt: „1) Quiero epitafio. No quiero epitafio. 2) Quiero que se guarde buena memoria de mí. Quiero que se me olvide. 3) Quiero purgarme el alma con esta Vida. Quiero ganarme dinero con ella [...]".253 Bei Gumbrecht, der die Vida nach textuellen „Objektivationen von Verhaltenssequenzen" untersucht (ebenfalls mit dem Ziel eines ,,geschichtswissenschaftliche[n] Verstehen[s] des Lebens von Torres Villarroel"), findet sich ein ganz ähnliches „nach Gegensatzpaaren geordnete[s]" Schema: „Besitz- und Erfolgsstreben vs. Askese; Verstellung (engaño) vs. Aufrichtigkeit; Abgeklärtheit (desengaño) vs. Angst; Euphorie vs. Dysphorie". 254 Die analytische Kraft dieser schematischen Struktur der sich gegenseitig in Anspruch nehmenden euphorischen und disphorischen Momente 251 Ebd., S. 137. Angulo Egea erklärt den Begriff tararira als „alegría con bulla y voces" (Fn. 247). 252 vvie gut Torres über den zeitgenössischen psychopathologischen Diskurs Bescheid wusste, zeigt sich u.a. daran, dass er Thomas Willis kannte, den Begründer der „Anatomie des Nervensystems" und frühen Vorgänger der Psychosomatik (Pathologiae cerebri, et nervosi generis specimen, Oxford 1667). Torres zitiert Willis im Correo del otro mundo (in der Antwort des Piscator de Salamanca an Hippokrates), Madrid 2000, S. 149 sowie in der (im gleichen Jahr wie die Vida veröffentlichten) Barca de Aqueronte, Madrid 1968, S. 44. 253 Sebold: „Introducción", in: Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. XXIVf. Auch McClelland analysiert den Gegensatz zwischen „hysterical hilarity" und „guilt complex" als eine Symptomatik des Autors Torres, die im Zusammenhang mit dessen sozialer Situation zu sehen sei: „Observers of Torres' nervous alternations of moods [...] must take into account the strain he feit under the all-seeing eye of a relatively small Community". McClelland: Diego de Torres, a.a.O., S. 64. 254

Gumbrecht: „Vida", a.a.O., S. 159, S. 171.

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kommt allerdings ebenfalls dann am besten zur Geltung, wenn man auf der Ebene der Figur ansetzt und sie in den Kontext der übrigen Widersprüche und Grenzlinien zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Apologie und Selbstinszenierung, zwischen Picaro und Universitätsprofessor etc. einbettet. Die Textintention kommt zuvorderst im Zitat der psychopathologischen Rede zum Ausdruck,255 das letztlich in einer ebenso ironischen Weise angeführt wird wie die zitierten literarischen, mathematischen, astrologischen, moralphilosophischen, theologischen und sonstigen Gattungen und Diskurselemente, die in der Vida (wie in den anderen Werken) zusammengefügt sind. So weitreichend Torres' Kenntnisse vom Zusammenhang der psychischen und somatischen Zustände seiner Figur auch sind, so bemerkenswert seine Intuition von den offenen (dynamischen) Übergängen des Normalen und des Pathologischen ist - „todos somos locos, grado más o menos" 256 - , die übergreifende literarische Funktion dieser diskursiven Elemente erweist sich dort, wo die Ironie des Zitatcharakters durch die Komposition offenkundig wird. Dies geschieht zum Beispiel in der langen Krankheitserzählung des Quinto trozo (1750), deren erste Funktion die (wiederholte) Auseinandersetzung mit den der satirischen Kritik unterworfenen Ärzten ist und in der zugleich die Überlappungen von psychischen und somatischen ,Störungen' in einem nomenklatorischen Patchwork zusammenkommen, welches die Ironie in die Sarkasmus kippen lässt: De cada vez que me visitaban, discurrían un nuevo nombre con que bautizaban mi mal y su ignorancia. [...] Muchas veces la oí llamar hipocondría, otras coágulo en la sangre, bubas, ictericia, pasión del alma, melancolía

255 Das Zitat der psychopathologischen Rede ist strukturell auch im Zusammenhang mit dem Zitat des autobiographischen Diskurses zu sehen. Krankheitsberichte gehören in allen Zeiten zu den häufigsten Themen von Memoiren und Biographien. Sie lassen sich topologisch, wie Luis Fernández Cifuentes geschrieben hat, als ein „avatar biográfico trascendental" begreifen. Die Ironie des Zitats bei Torres zeigt sich sodann in der Durchkreuzung der Logik dieser Topologie, insofern die Erzählung normalerweise von dem (erfüllten oder nicht erfüllten) Wunsch nach der Genesung eines Kranken gesteuert ist. „Torres, por el contrario, intenta subrayar lo que su enfermedad tiene, literalmente, de pérdida del conocimiento de sí". Luis Fernández Cifuentes: „Enfermedad y autobiografía: sobre la experiencia de la individualidad'", in: Revista de Estudios Hispánicos 31 (1997), S. 271-294, hier: S. 273, S. 275. 256

Torres: Vida, a.a.O., 116.

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morbo, obstrucciones, brujas, hechizos, amores y demonios; y yo -¡tan salvaje crédulo!- aguanté todas las perrerías que se hacen con los ictéricos, los hipocondríacos, los coagulados, los obstruidos y los endemoniados; porque igualmente me conjuraban y rebutían de brebajes y, con tanta frecuencia andaba sobre mí el hisopo y los exorcismos como los jeringazos y las emplastadaduras.257

Sind die Worte nur Schall und Rauch, die Namen eine hyperbolische Akkumulation der spontanen Einfälle eines „escritor protomentecato",258 der zum Zwecke der Subsistenz gezwungen ist, „Seiten vollzuschreiben" (llenar papeles)? Unter den vielen Stellen, die in den verschiedenen Modi der distanzierenden Perspektivierung - zwischen Sarkasmus und ernsthafter autoanalytischer Sorge - den Topos der locura aufrufen, erweist sich auf der Ebene der Figur die folgende Selbstbeobachtung als die exakteste: „A mi parecer soy medianamente loco".259 Die Erzählerfigur wird so inszeniert, dass sie von sich selbst behaupten kann, sie sei dem Anschein nach ,halb verrückt', und wird mit den entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet, dies beinahe entscheiden zu können. Dieser Schein trügt die Figur ebenso wenig wie die Ironie ihrer Anlage. Halb verrückt ist,Torres' insofern, als die Aussageebenen, die gemäß den „series de paradoxes"260 - Euphorie vs. Dysphorie, Schauspielerei vs. Selbstverteidigung, Picaro vs. Bürger etc. - entweder einer negativen (distanzierenden) oder positiven (identifizierenden) Logik folgen, im Modus der schematischen und durch die hyperbolischen Gegensatzpaare implementierten contradicciones in einer unentscheidbaren Schwebe gehalten werden. Zwischen der histrionischen Pathologie, der exzentrischen Theatralik und der spielerischen Souveränität stellt die locura - für jede Serie auf halbem Wege - eine bündelnde, die Gegensätze auf die Figur projizierende' (Meta-)Eigenschaft dar. Wenn nun aber das entscheidende Prinzip dieser Meta-Charakterologie die omnipräsente Ironie ist, dann ist es notwendig, jenseits der Figur eine weitere textuelle Instanz anzunehmen, die für die Verteilung der einzelnen Elemente zuständig ist und die topoi der Ebd., S. 232f. „Soy Escritor Proto-mentecato, y Archi-salvaje". Torres: Juicio nacido en la casa de la locura (Almanach des Jahres 1728), Vorwort („ A la caterva de lectores pios, o alazanes [...]"), in: Ders.: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 67. 257 258

Ders.: Vida, a.a.O., S. 58. 260 Deieuze: Logique du sens, Paris 1969, passim. 259

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locura in das übergreifende Spiel der Indifferenzierung zwischen Wahrheit und Fiktion einbettet. Dies ist die zweite Möglichkeit, die Konsistenz der Antagonismen des untersuchten narratologischen Kippspiels auf textimmanente Weise zu deuten. Sie führt uns auf die Ebene der mise en abyme einer Instanz (der unmittelbaren Kommunikation zwischen Autor und Leser), in der die literarischen Manöver der Erzählung selbst inszeniert werden. 261 3.3.3. Kunst des Vorworts. Die Pointe der Vida Alle literarischen Texte von Torres und auch alle übrigen (proto-) wissenschaftlichen, ethischen, politischen und theologischen Texte, sofern zwischen diesen, entgegen der expliziten Intention, ein Gattungsgegensatz ausgemacht werden soll, zeichnen sich durch die Inszenierung verschiedener Perspektiven auf ein erzähltes Geschehen aus. Mit dieser Prozedur, die darauf abzielt, den Entstehungs- und Herstellungsprozess eines literarischen Werks durch eine (oder mehrere) übergeordnete Ebene(n) der Kommentierung in dasselbe einzubetten, schreibt sich Torres in die spanische Tradition des „Literaturromans" ein, als dessen Begründer Miguel de Cervantes gilt.262 Der besondere Ort, an dem die Techniken der metatextuellen (Eigen-)Reflexion und Distanznahme eingesetzt und offenkundig gemacht werden, ist bei Torres ebenso wie bei Cervantes und Quevedo der prölogo. Der Salmantiner hat das einführende Vorwort, die im Modus der (provozierenden) Intimität gehaltene „Erklärung an den Leser", zu einer eigenen Kunstgattung (in der Gattung) erhoben und

261 Der Begriff der „mise en abyme" eines Romans im Roman geht zurück auf André Gide (1893): Journal 1887-1925, Paris 1996, S. 170: „[...] en une œuvre d'art on trouve ainsi transposé, à l'échelle des personnages, le sujet même de cet œuvre". Vgl. Lucien Dällenbach (1977): Le récit spéculaire. Essai sur la mise en abyme. Paris 2002, S. 18: „Est mise en abyme toute enclave entretenant une relation de similitude avec l'œuvre qui la contient". Der Zweck solcher Verdopplungs- oder Spiegelstrukturen ist zumeist, wie bei Torres Villarroel, eine poetologische Selbstreflexion, die wiederum auch als ein „Reflex auf die pragmatische Dimension der dargestellten Geschichte inszeniert sein" kann. Vgl. Rainer Zaisers Studie über die Anfänge der mise en abyme in der italienischen Tradition (Boiardo, Bembo, Tasso): Inszenierte Poetik. Metatextualität als Selbstreflexion von Dichtung in der italienischen Literatur der frühen Neuzeit, Münster 2009, S. 37. 262

Krauss (1966): Cervantes und seine Zeit, Berlin 1990, S. 119-132.

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in einer Weise ausgebaut, die in der spanischen Literatur ihresgleichen sucht.263 Jeder Text folgt einem Schema der Annäherung an den jeweiligen Gegenstand. Sei eseinebiographischgefärbteReiseerzählung, ein Traum aus dem Reich der Toten, ein kostumbristisches Gesellschaftsportrait oder eine ethische Überlegung über die Natürlichkeit des Lebens, jedem Text werden zumeist mehrere „Vorwort" und/oder „Einleitung" (inkl. mannigfaltiger ironischer Detailcharakterisierungen) genannte Metatexte vorangestellt, die über die Grenzen der Einzelwerke hinaus aufeinander verweisen und (ab den 1730er Jahren) sogar durchnummeriert werden.264 Zumeist geschieht diese Annäherung auf der Ebene einer (vertraglichen) Verständigung zwischen dem Leser und dem Autor, von der aus ersterer, der trotz der immerwährenden Ironie in ein eindeutig bestimmtes Spiel (der Inklusion/Exklusion) mit der intimidad des Textes einbezogen bleibt, zu einer weiteren Ebene geführt wird, auf der eine Figur mit Namen ,Torres' auftaucht, die ebenfalls ,Ich' sagt und bestimmte Binnenstränge der Erzählung übernimmt. So entsteht eine Doppelbödigkeit der Erzählung, vor der aus, je nach der Konstellation dieses ,Ich' in Bezug auf das so situierte Geschehen, weitere Ebenen etwa durch Rückblenden, Einschübe oder wörtliche Rede eröffnet werden, in denen ,Torres' als angesprochene, zur Rede gestellte oder sonst sollizitierte Figur in Handlungen und Aussagen verstrickt ist, die aus einer mehr oder weniger großen Distanz an das entsprechende Hauptthema der ersten Ebene anknüpfen. Die Abfolge und Überlappung der Erzählebenen, die im Übrigen formal auf der strukturellen Unterteilung der Almanaques aufbaut - in denen auf die Beschreibung einer Sternenkonstellation und der zu erwartenden planetarischen Ereignisse auf verschiedene Ebenen verteilte Erläuterungen und Interpretationen folgen - , gewinnt (wie im „Ningún otro escritor, en toda nuestra historia literaria, ha cultivado el prólogo con la tenacidad de Torres". Alborg: Historia, a.a.O., S. 345. 264 Das,Vorwort' (oder besser: das,Angebot von Faustschlägen in allen Varianten an der Stelle desselben') zum Quinto trozo der Vida, das 1752 entstanden ist, stellt ein schönes Beispiel für die stilistische Verdichtung dieser Elemente dar. Es heißt „Sartenazo con hijos, porque lleva sus arremetimientos, moquetes y sorna virones de prólogo; mosqueo ochenta y cinco, particular y general, hacia los cigarrones porfiados que no cesan de dar zumbidos a mis orejas y encontrones a mis costillares; y, finalmente, aparejo que debe echarse encima el lector antes de meterse en el berenjenal de esta historia, para resistir el turbión de mis aventuras y sucesos [...]". Torres: Vida, a.a.O., S. 199. 263

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anschließenden Kapitel gezeigt wird) insbesondere in den Sueños eine besondere, die Grenzen von Traum und Wirklichkeit überschreibende Komplexität. Nun ist die Anlage der hierarchisch ineinander übergehenden Erzählebenen, die sich bei Torres nicht nur auf die Prologe beschränken, sondern stets in das Geschehen der ,Hauptteile' hineinspielen, gerade in der Vida am wenigsten deutlich ausgeprägt. Insbesondere in den ersten vier Trozos von 1743, deren Erzähler im Vorwort eindeutig mit der autobiographischen Intention verknüpft wird (wenngleich mit pikaresken Vorzeichen), scheint es keine Differenz zwischen dem „hombre Torres" und dem „yo funcional, primera persona en la narración"265 zu geben. Wenn es sie gibt, so ist sie nur rückwirkend aus den mises en abyme der letzten beiden Trozos oder implizit aus dem Kontext der übrigen Werke zu erschließen. Ohne den Blick auf das Gesamtwerk - dies ist ein grundlegendes Problem der ausschließlich auf die Vida konzentrierten Kritik - erweist sich ein bestimmter Aspekt dieses Textes als geradezu unverständlich: Im Mosaik der mannigfaltigen Gattungszitate ist eine narratologische Distanz zwischen den gleichnamigen' Erzählinstanzen stets mit angelegt. So wie die Romane, Traumerzählungen oder Almanaques verschiedene Elemente einer „autobiographie permanente" 266 ergeben, ist die eigentliche' Autobiographie - bis zu einem gewissen Grad - ebenfalls ein Roman. Dieser Roman ist jedoch kein Picaro-Roman, sondern ein Literaturroman. In der Vida inszeniert der Autor Torres, die Picaro-Typologie ironisch anspielend, die Figur namens ,Torres' als „hombre de novela": als romanschreibende Figur im Roman, deren Entwicklung wiederum, im ironischen Modus der Apologie aufgefangen, den abenteuerlichen' Umständen auf der Ebene des Geschehens zugeschrieben wird: La pobreza, la mocedad, lo desentonado de mi aprensión, lo ridículo de mi estudio, mis almanaques, mis coplas y mis enemigos me han hecho 265 Pérez López: „Introducción", in: Torres: Los desahuciados del mundo y de la gloría, Madrid 1979, S. 9-49, hier: S. 33.

Mercadier: „Diego de Torres Villarroel, 1694-1770: Une autobiographie permanente", in: Claudette Delhez-Sarlet und Maurizio Catará (Hg.): Individualisme et autobiographie en Occident, Brüssel 1983, S. 127-141. „[Torres] no cesó nunca de ,contarse'". Ders.: „Introducción biográfica y crítica", a.a.O., S. 9. Vgl. a. Sebold: „Toda la obra de Torres Villarroel es en el fondo autobiográfica" („Introducción", in: Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. XXI). 266

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hombre de novela, un estudiantón extravagante y un escolar entre brujo y astrólogo [...]• Los tontos que pican en eruditos me sacan y me meten en sus conversaciones, y en los estrados y las cocinas [...] me pegan un par de aventuras descomunales; y por mi desgracia y por su gusto, ando entre las gentes hecho un mamarracho, cubierto con el sayo que se les antoja [...] 267

Jenseits des Erklärungsmusters der übertriebenen (sarkastischen) ,Selbstbeschimpfung' lassen sich diese Angaben auch so verstehen, dass sie ironische Charakterisierungen einer ,fremden', vom „yo funcional" losgelösten (Roman-)Figur darstellen.268 Eine Facette des Ichs in dem komplexen, desorientierenden Spiel des Torres - „Qui est je ?" - ist so gestaltet, als ob es sich um eine dritte Person handelte. An bestimmten Stellen des Textes nimmt ein „yo" die Position eines beliebigen (Roman-)Helden ein und wird so ausgeschmückt, dass es romantypisch erscheint und auf diese Weise den Leser - sowie das „yo" des Autors auf der ersten Ebene - zum Lachen bringen soll: „por encubrir con un desprecio fingido y negociante mi entonada soberbia, por burlarme sin escrúpulo [...] de algunos envidiosos carcomidos; y por reírme, finalmente, de mí propio".269 Diese Stellen lassen sich aufgrund der (im Vergleich zu den anderen Texten) simplen übergeordneten Erzählstruktur der Vida - eines Autors, der sein Leben als Schriftsteller erzählt - nur erkennen, wenn man sie im Lichte einer Inszenierung betrachtet, die den Topos der selbstbetrachtenden Herstellung eines Literaturromans zitiert. Am deutlichsten werden sie (mit Blick auf die Vida) in den Einleitungen der Trozos von 1752 und 1758, in denen sich die Distanz zwischen Torres und ,Torres' - vorgeblich aufgrund einer mit zunehmendem Alter eingeschränkten Perspektive - durch die Erzeugung einer Erzählsituation vergrößert, die den Herstellungsprozess der autobiographischen Verteidigungsschrift selbst als ein trickreiches und verfälschendes Verfahren ausweist: „ahora que está el discurso menos abotargado y aturdido [...] trocando por reales verdaderos los falsos chanflones [...]".2?0 Torres: Vida, a.a.O., S. 60f. „Diego, au cœur de sa création littéraire, invente un espace où évolue son propre personnage, indépendamment du projet autobiographique". Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 265. 269 Torres: Vida, a.a.O., S. 111. 270 Ebd., S. 199f. Schon hier, 175 Jahre vor Gides Les Faux-monnayeurs, findet sich die ,Literaturroman'-Technik der mise an abyme mit der Herstellung von Falschmünzen („falsos chanflones") verknüpft. 267 268

268

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Auf dieser Ebene der ironisch abgefederten mise en abyme sieht man einen Autor, der sich selbst -,Torres' - durch die Brille des,eigenen' Textes kaum noch wiedererkennt: „Acuerdo que dejé los trozos y los demás ajuares de mi vitalidad enteros y verdaderos [...] en los cincuenta y tres del pico; y desde aquel minuto [...] no he querido meterme en averiguar por dónde han andado mis zancarrones y mis lomos".271 Im Angesicht der knöchrigen Lenden, die der (die Abenteuer der Jugendzeit betonenden) Heldeninszenierung nicht mehr entsprechen können, wird auch die apologetische Intention obsolet, so dass die „tempestades que se levantan del cenagal de mi fantasía a corromper mis repertorios"272 nach einer Kompensation im Medium der literarischen Fiktion verlangen. Die entsprechende Verfahrensweise, die darauf hinausläuft, einen „mythe personnel"273 zu kreieren, wird sodann - im Modus des Bekenntnisses - auch dem Leser zur Nachahmung empfohlen, wodurch zugleich, auf halben Wege zwischen burla und locura, eine ebenso brisante wie ernst gemeinte Position des politischen Universalismus zum Ausdruck kommt: „cada pobre puede hacer de su vida un sayo".274 Die Literarisierung des ,Selbst' ist ein Element des narratologischen Kippspiels zwischen „vida gozada" und „Vida escrita" und trägt über das ,Bekenntnis der Lüge' zur wechselseitigen Überschreitung der Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion bei. Insofern zielt die bemerkenswerte „autoironia"275 des Torres nur zum Teil auf ,ihn selbsf. Die allgegenwärtige „postura irónica, burlesca, con perfiles de caricatura",276 die dem Autor zugeschrieben wird, trifft - in der generischen Schwebe zwischen (Auto-)Biographie und (Literatur-)Roman - die Figur,Torres' ja auch insofern, als diese im Spiel der Erzählebenen zuweilen als eine von der Ebene des Autors möglichst weit entfernt liegende vorgestellt wird.277 Versteht man jedoch den „hombre de novela" auf diese Weise

Ebd., S. 279. Ebd., S. 200. 273 Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 378. 274 Torres: Vida, a.a.O., S. 200. 275 p é r e z López: „Introducción", in: Torres: Correo del otro mundo, Madrid 2000, S. 9-95, hier: S. 34. Auch wenn man die Figur des Momo in Graciáns Criticón (II, 11) anführen kann, gibt es wahrscheinlich keinen Autor, der vor Torres auf eine ähnlich aggressive Weise satirische Figuren der Selbstironie geschaffen hat. 271

272

Segura Covarsi: „Ensayo crítico", a.a.O., S. 130. Das Spiel der narratologischen Ebenen innerhalb der Literarisierung des Selbst ist (ebenso wie die vorgebliche Verteidigung gegen die Lügen der Anderen) i.U. ein 276 277

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als Romanfigur (im Roman), erklären sich auch die autofiktionalen Elemente, die mit Bezug auf das ,gelebte Leben' des Autors als „Schwindeleien" ausgemacht worden sind: so etwa die Tatsache, dass die Familie Torres Villarroel neun Kinder hatte278 und nicht 18 (eine simple Verdopplung der Anzahl, die der Dramatisierung der beschriebenen Armut dient), dass die literarischen Eskapaden des Colegio del Cuerno in die Zeit des Trilingüe fallen279 und nicht in die des Universitätsstudiums (eine Verschiebung des Kontexts, die eine Aufwertung der hier entstandenen poesías bezweckt), oder dass ,Don Diego de Torres' der Autor apokrypher Texte des Don Francisco de Quevedo gewesen sei,280 wofür es (bis heute) keinen Beweis gibt. All diese Beispiele lassen sich als Elemente einer Arbeit am Stil analysieren, als metaphorische Transformationen oder metonymische Verschiebungen, die der sprachliche Ausdruck der (narrativen) Topologie der Verstellung ist, über deren Sprünge der Leser stets Bescheid wissen kann (sofern er sich auf das Spiel einlässt) und durch die er nur zum Schein desorientiert wird. „No fui bueno, pero a ratos disimulaba mis malicias."281 In Anbetracht der ironisch in Anspruch genommenen „moderación humilde [...] que se debe observar en las alabanzas propias" 282 unterliegt die Interpretation der Vida als bürgerliche Autobiographie der „extrema locura de fiar de mí" und verfehlt

Moment, das auch Rousseau in den Confessions und (expliziter) in Rousseau juge de Jean-Jacques auszeichnet, wobei die psychoanalytische Qualität der Selbstuntersuchung des Franzosen sicher differenzierter ausfällt als beim Spanier. Vgl. etwa Lejeune: Je est un autre. L'autobiographie, de la littérature aux médias, Paris 1980, S. 55-58 oder Wolfgang Lidie: Das multiple Ausgrenzung

Subjekt.

Der historische

in autobiographischen

Wandel von Identität

und

psychosozialer

Schriften von Jean-Jacques Rousseau, Gustave

Flaubert

und Michel Leiris, Freiburg 1982, S. 83-94. Dass es allerdings nicht abwegig ist, Torres und Rousseau als Autobiographen „frente al lenguaje" miteinander zu vergleichen, zeigt Angel G. Loureiro: „Autobiografía del otro (Rousseau, Torres Villarroel, Juan Goytisolo)", in: Siglo XX 9-1/2 (1991/1992), S. 71-94, hier: S. 81-85. Vgl. Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 25. Ebd., S. 34. 280 Ebd., S. 438, S. 637. Vgl. a. Garcia Boiza: Don Diego de Tones, a.a.O, S. 116. 281 Torres: Vida, a.a.O., S. 110. Auf der Ebene des Geschehens spielt hier auch das Schema der, Fremd Verantwortung' hinein (etwa die Auslösung von Schüben der locura aufgrund der Interaktion mit anderen), das sich im Sinne der Unschuld einer (in den Fängen ihres Autors befindlichen) literarischen Figur verstehen lässt: „Pasaron por mí estos otros sucesos (que es preciso callar) [...]", ebd., S. 151. 282 Ebd., S. 160. 278

279

270

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ein wesentliches Moment der literarischen Verfasstheit des Textes: „Yo marché con mi locura a cuestas a pensar a otros delirios". 283 Die eigentliche Apologetik der Vida, sofern man eine solche in ihr entdecken und die Instanz des Autors in den Blick nehmen möchte, beruht auf ihrer sprachlichen Verfasstheit, auf der literarischen Entscheidungsgewalt über die Fiktion.

3 . 4 . D I E V I S I O N DES T O R R E S . L I T E R A T U R ZWISCHEN T R A U M E R Z Ä H L U N G UND S P R A C H E X P E R I M E N T

3.4.1. Die Libros als Gesamtkunstwerk: Topologie, Narratologie, Poetologie Für einen zeitgenössischen Leser, zu dessen Zeitvertreib die Lektüre astrologischer Jahrbücher gehört und dem die Bestseller des anspruchsvollsten Autors dieser Gattung wohl vertraut sind, ist es vermutlich einfacher gewesen, die Vida des Diego de Torres als einen literarischen Text zu verstehen - was sie ,zur Hälfte' ist - , als für den heutigen Kritiker, der den Text als isoliertes Ereignis in der Literaturgeschichte zu fassen sucht. Zumindest ermöglichte es die editorische Situation der torresschen Werke in den 40er und 50er Jahren des 18. Jahrhunderts, die Vida im Kontext der übrigen Bücher des Salmantiners wahrzunehmen. 284 In der 1752 veröffentlichten, aber

283 Ebd., S. 136, S. 138. „Así lo debe creer el lector, porque así lo creo yo y así lo juro, y vamos adelante [...]" (ebd., S. 245). 284 Zur Zeit der Torres-Renaissance um 1975 waren neben der Vida - und abgesehen von den (marginalen) Saínetes in der Edition von José Hesse (Madrid 1969) - überhaupt nur die Visiones y visitas (hg. v. R. Sebold, Madrid 1966) und die Barca de Aqueronte (hg. v. G. Mercadier, Paris 1969) in modernen Ausgaben zugänglich. Letztere erschien in der autorisierten Fassung zusammen mit dem Correo del otro mundo und vier weiteren kleineren Texten zwar auch 1968 in Madrid (hg. v. F. Sáinz de Robles), allerdings in einer bibliophilen Ausgabe „fuera de comercio". Seither gab es, was für die Situation der wissenschaftlichen Torres-Interpretation bezeichnend ist, sieben Neuauflagen der Vida - insgesamt folgten auf die Ausgabe von Frederico de Onis (Madrid 1912) 16 verschiedene Ausgaben bis 2005 - , wohingegen das übrige Prosawerk, wenn überhaupt, nur ganz vereinzelt neu ediert wurde. Neben den Folgeauflagen der Visiones y visitas sind El hermitaño y Torres (in: Recitarios astrológico y alquimia), Madrid 1977), Los desahuciados del mundo y de la gloria (Madrid 1979) und Correo del otro mundo (zusammen mit Sacudimiento de mentecatos, Madrid 2000 bzw. mit Viaje fantástico und Montante cristiano y político, Salamanca 2005) in modernen, kommentierten Ausgaben erschienen. Eine erneute Torres-Renaissance ist

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schon weit früher - wahrscheinlich mit der Transformation des Viaje fantástico in die Anatomía de todo lo visible e invisible (1738) - konzipierten Zusammenstellung des Gesamtwerks285 nimmt die Vida im 14. und letzten Band der Libros en que están reatados diferentes quadernos physicos, médicos, astrologicos, poéticos, morales, y mysticos (que años pasados dio al publico en producciones pequeñas el Doctor Don Diego de Torres Villarroel) eine abschließende, die anderen Werke gleichsam konkludierende Stellung ein. Voran stehen ihr in der Reihenfolge der Bände die Anatomía (I), die Sueños morales (II, inkl. Visiones y visitas), Los desahuciados (III), die Vida natural (IV, gefolgt von Texten zur Medizin), Tratado de los temblores (V, gefolgt von Texten zur Naturwissenschaft und anderen Themen), El hermitaño (VI), die Sammlung der Gedichte und Theaterstücke Juguetes de Talía (VII-VIII), die Extractos de los pronósticos (IX-X, 1725-1753, inkl. „Textos polémicos") sowie die Vidas ejemplares (XI-XIII, letztere inkl. Cátedra de morir). Anhand der Struktur dieser Komposition wird deutlich, welche Texte Torres selbst für die wichtigsten gehalten hat, und dass er seine Schriften - mit Ausnahme der,Spielereien' in den Gefilden der Poesie und des Dramas - nicht nach Gattungskriterien, sondern nach thematischen Schwerpunkten (gepaart mit der Chronologie ihrer Redaktion) geordnet hat. Die Struktur der Reihung zeigt aber auch, dass die Vida zwar ein wichtiges und stilistisch herausragendes (den Autor und das literarische Konzept verteidigendes), aber doch nur ein Element eines vielschichtigen Werkes ist. Das Gesamtwerk - die 14 Bände der torresschen Libros - zeichnet ein gemeinsames, verschiedenste Elemente einschließendes Konzept eines größeren Experimentes aus, das über die in der Vida zitierten Diskurse hinausweist. Ihre zentralen (poetologischen, narratologischen und stilistischen) Eigenschaften sind die folgenden: Das poetologische Prinzip des Experiments ist der Versuch einer umfassenden Transformation und Indijferenzierung textueller Gattungen - der,Wissenschaft' und der Literatur 7 - , in der auch eine vielschichtige und fantasiereiche „actitud de burla o rebeldía hacia los libros" 286 zum Ausdruck kommt.

seit kurzem, da das Gesamtwerk in der von Torres selbst besorgten Fassung von 1752 (Libros, a.a.O.) vollständig im Internet zugänglich ist (Colección Digital Complutense), aber immerhin möglich. Vgl. Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 152f. Margarita O'Byrne Curtís: „Entre el deber y el placer. La función del libro en Cadalso y Torres Villarroel", in: Dieciocho 20-1 (1997), S. 25-41, hier: S. 29. Bei Torres 285 286

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Die narratologische Anlage beruht auf dem geschilderten Prinzip der sich überlappenden hierarchischen Ebenen, die durch eine ebenso fantasiereiche Vielzahl von Verschleierungs- oder Entrückungstechniken der Aussage - durch Traum, Verrücktheit, indirekter Rede usw. - ein offenes Aussagegefüge erzeugt, das eine radikale (aber offenbar kaum wahrgenommene) Gesellschaftskritik ermöglicht. Die stilistische Verfasstheit der unverwechselbaren Sprache zeugt schließlich von einem Kombinationsreichtum sprachlicher Register und einer Fähigkeit der Kreation traumhafter (monströser) Bilder, die in der spanischen Literatur (mit Ausnahme von Quevedo) vielleicht unübertroffen ist,287 deren überbordender, hyperbolischer Charakter aber dem (besonnenen) Geist der Aufklärung kaum entspricht. Alle drei genannten Eigenschaften kommen in jener weiteren Besonderheit des Werks zusammen, die darin besteht, dass es sich bei dem literarischen Experiment um ein Selbstexperiment handelt. Die tentative ,Autoanalyse' des Torres erweist sich im Kontext der anthropologischen Wende des 18. Jahrhunderts und der sich neu konturierenden,Identität7 des Individuums und des Subjekts als ein originelles philosophisches Konzept einer Literatur, deren (immanente) Ästhetik sich als „ein rein menschliches Phänomen"288 versteht. Die literarische Inszenierung des ,Selbsf beruht bei Torres auf der Inswerksetzung eines beispielhaften Prototypen des ,normalen Menschen', der in verschiedensten (wissenschaftlichen und literarischen) Diskursen experimentell verankert wird, um als Spielball eines möglichst offenen Aussagegefüges zu wirken. Die autobiographische Intention ist dabei nur eine von vielen, die diesem gibt es eine Form der ,Bücherbeschimpfung', die durch den Modus der (eigenen oder allgemeinen) Verrücktheit abgefedert ist: „Yo confieso que para mí perdieron el crédito y la estimación los libros después que vi que se vendían y apreciaban los míos, siendo hechuras de un hombre loco". Torres: Vida, a.a.O., S. 81. 287 „La capacidad simbólica del arte expresionista de Villarroel es extraordinaria; [...] no tiene semejante en ningún otro escritor, español al menos, y difícilmente se encontraría un equivalente plástico ni en las mayores audacias de Goya". Alborg: Historia, a.a.O., S. 335. Im Übrigen lässt sich nachweisen, dass einige Traumsequenzen aus den Caprichos von Francisco de Goya durch Torres Villarroel beeinflusst worden sind. Vgl. Paul Ilie: „Dream Cognition and the Spanish Enlightenment: ludging Torres Villarroel", in: Modern Language Notes 101-2 (1986), S. 270-297, hier: S. 287ff. Vgl. a. Jacobs: El sueño de la razón. El Capricho 43 de Goya en el arte visual, la literatura y la música, Madrid/Frankfurt a. M. 2011, S. 255-260 („Las visiones oníricas de Diego de Torres Villarroel como fuentes de inspiración para Goya"). 288

Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung, a.a.O., S. 311.

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projizierten Selbst, also dem Schriftsteller mit Namen forres', zugeschrieben wird. Die Tatsache, dass das „yo" der den Text regierenden Erzählerinstanz in der Vida nicht immer - und vielleicht gerade nur anlässlich von Anfällen der locura - mit dem „yo" der inszenierten Schriftstellerfigur übereinstimmt, zeigt sich vor allem darin, dass die ,Torres' genannte Figur, unabhängig von den thematischen Schwerpunkten und (formalen) Gattungskennzeichen in nahezu allen Texten des Autors auftaucht: in den Traumerzählungen und thematischen Abhandlungen ebenso wie in den Almanachen, den Theaterstücken und sogar in den Gedichten.289 Die formale Zusammengehörigkeit der verschiedenen Texte zeigt sich zunächst anhand der immer gleich bleibenden (und nur durch die Anzahl sowie die ironische Namensgebung variierten) Grundstruktur „Su obra poética responde también [al] deseo de »contarse'." González Verdasco: „El yo en la poesía de Diego de Torres Villarroel", a.a.O., S. 413. In den beiden (in dieser Untersuchung nicht berücksichtigten) Gattungen der Poesie und des Theaters ist das Spiel der Distanzierung zwischen den homonymen Instanzen allerdings weniger ausgeprägt als in der Prosa, so dass man behaupten kann: „El y o textual, del poema, se presenta coincidente con el yo extraliterario de Torres Villarroel [...], porque suele ser un personaje del que se cuentan pequeños ,trozos' de vida". Ebd. Dennoch haben die Varias poesías, lyricas y cómicas, die in den zwei Bänden der Juguetes de Thalia als (der Muse entsprechende) „entretenimientos de el numen" zusammengefasst sind, trotz ihres vielleicht nachrangigen Werts für den Autor - „traté quedarme loco libre", Torres: „Prologo que se podia escusar", in: Libros, a.a.O., Bd. 7, S. 6-8, hier: S. 7 - eine größere Bedeutung als bislang angenommen wird. Dies gilt sowohl in stilistischer Hinsicht die Bandbreite der coplas, villacicos, seguidillas, redondillas, zarzuelas (inkl. saínetes und bailes) beherrscht Torres ebenso eindrucksvoll wie die sonetas - als auch mit Blick auf die thematische Vielfalt: Neben den scherzhaften Spottgedichten auf die Universität („en assumpto de Academia", ebd., S. 179) und den Jahresfeiern, die befreundeten Adeligen gewidmet sind und in denen ,Torres' als Schauspieler und Regisseur auftritt (vgl. etwa die Fiesta cómica für Joseph de Herrera, in: Ebd., Bd. 8, S. 283-302 oder den Juicio de Paris, y robo de Elena, ebd., S. 198-235, hier inkl. einer Perspektive des ,Theaters im Theater'), finden sich auch philosophische und gesellschaftskritische Themen, die in die Prosatexte hineinwirken (oder aus diesen entnommen sind). Als Beispiel seien die „Sonetos morales a varios assumptos" genannt, unter denen sich folgende (die entsprechenden Textfunktionen beschreibende) Titel finden: Habla con Don Francisco en las Satyras ä los Cornudos (ebd., Bd. 7, S. 19), Dice lo poco que debe al Mundo (ebd., S. 21) oder Parcialidad en la carrera de las Letras (ebd., S. 28). Die ersten Verse des Sonetts Define la confusion, y vicios de las Cortes lauten wie folgt: „Muías, Médicos, Sastres, y Letrados / corriendo por las calles ä millones, / Duques, Lacayos, Damas, y Soplones, / todos sin distinción arrebujados: / Gran chusma de hidalguillos tolerados, / cuyo examen lo hicieron los doblones [...]" (ebd., S. 9). 289

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einer Unterteilung in Widmung, Vorwort, Einführung und Hauptteil, welcher sodann durch unterschiedlich benannte ,Einschübe' unterbrochen wird und auf den am Ende eine (nicht immer angekündigte) Conclusio folgt. Die Hauptteile sind, sofern es die Länge des entsprechenden Textes zulässt, ihrerseits noch einmal in bestimmte Abfolgen' unterteilt, die durch das jeweils behandelte Thema bestimmt werden. Hierbei sind die Prosaerzählungen der ersten Bände der Libros formgebend, wie Torres im Prologo general von 1752 ausführt: Las separaciones, que se hacen, para que respire el Lector, y para hermosura de la Obra, no van como ordinariamente se vén en los demás Authores [...]: En éste libro [Anathomia de todo lo visible, e invisible] van por Jornadas; en los Desauciados de el Mundo, y de la Gloria por Camas; en las Visiones con Quevedo por Visitas; en la Barca de Aqueronte por Juicios; y assi variamente, porque he querido, que tengan ésta extravagancia mis tomos [,..]. 290

Die ,Extravaganz' genannte Ordnung lässt sich formal als ein Prinzip beschreiben, das auf der Literarisierung eines (proto-)wissenschaftlichen Diskurses beruht. Wie Torres weiter ausführt, sind die formgebenden Binnenstrukturierungen der Prosaerzählungen ihrerseits 290 Torres (1752): „Prologo general, sin perjuicio de los particulares, que contienen las piezas de estos tomos", in: Libros, a.a.O., Bd. 1, o. S. [S. 37-48, hier: S. 46] (vgl. Mercadier: Textos autobiográficos, a.a.O., S. 142-149). Dieser ,Meta-Prólogo' - im Untertitel: „El saldrá largo, porque tengo mucho que decir; pero donde lo quiera dexar el Lector, será el fin del Prologo" - fügt sich i.Ü. in das alle Prólogos prägende Spiel mit der eigenen,Überflüssigkeit' nahtlos ein: „En los muchos Prologos de mis desmembrados papeles hallarás confessadas mis necedades, y mis atrevimientos; [...] pero ahora en éste Prologo general, como confession, me he de sacudir de todos mis remordimientos, y [...] hé de descubrirte los malos principios, los delinquentes pensamientos, y las perversas palabras de estas Obras, para que las absuelvas, ö castigues, según te aconseje tu piedad, tu rigor, ö tu prudencia" ebd. [S. 38f.] Gerade hierdurch enthält das durch die Schonungslosigkeit getarnte ,Bekenntnis' aber auch (aus der Selbstironie herauszufilternde) Hinweise auf die konzeptuelle Verfasstheit und sprachliche Verfahrensweisen des Werks: ,,[B]urlon de mi, y de ellos [mis enemigos eruditos], sali vertiendo por el Mundo remiendos de Bravo, farrapos de Platón, retales de Larraga, pingajos de Bercolten, y otras piezas, que son la capa de pobre de estos tomos [...]. De frases baxas, de términos vulgares, de hispanismos chavacanos, y de expressiones rudas hallarás una gran copia en cada pliego. De sententias, authoridades, y elecciones de doctrinas, y sistemas encontrarás tan poco, que apenas podrás detener la consideración". Ebd. [S. 43, S. 45],

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fantastische' Transformationen struktureller Textvorgaben, die aus der (semi-)professionellen Arbeit der Almanaques angefallen sind. Aus der Pflichtaufgabe der Jahrbücher, die, abschätzig auch Kaiendarios genannt, zahlenmäßig den Hauptteil seiner Textproduktion ausmachen, zieht Torres, in der Verknüpfung einer amtlichen Notwendigkeit mit einer ökonomischen Strategie, seine künstlerische Inspiration'. Als Professor für Mathematik - und hierzu gehört in Salamanca die Astronomie, die in der Zeit nominell noch kaum von der Astrologie geschieden wird - ist Torres verpflichtet, in regelmäßigen Abständen akademische Veröffentlichungen vorzulegen. Als solche präsentiert er die Almanaques, von denen zwischen den Jahren 1725 und 1770, wie Torres akribisch (und selbstironisch) nachhält, trotz Exil, Krankheit oder sonstiger (vorgeblicher) Hinderungsgründe, kein einziges fehlt. Insofern lässt sich die ,kleine' Literatur dieser populären Textform als nucleus des torresschen Schreibens betrachten. Durch den publizistischen Erfolg bestärkt, wandelt sich der (proto-)wissenschaftliche Charakter der astronomisch-astrologischen Abhandlungen, der sich im Modus der Satire zunehmend loslöst, in eine künstlerische Form. Am Ende - in den 1760er Jahren, in denen Torres nicht anderes mehr schreibt - verschmelzen die Opuscula des Piscator de Salamanca gar mit dem in ihrem Versiegen noch selbstironisch begleiteten literarischen Schaffen. Dieser Prozess der Entstehung einer literarischen Ordnung aus dem Geist des Almanachs ist jedoch ausschließlich ein formaler Prozess.291 291 Es ist ein Gemeinplatz der Torreskritik (vor und nach 1975), den Autor aufgrund der Tatsache, dass er sich mit einer solch rückständigen, unaufgeklärten Populärwissenschaft wie der Astrologie überhaupt beschäftigt hat, aus dem Kanon der großen Literatur auszuschließen. Noch Pérez López konstatiert - in der Revision de Tones Villarroel (1998) - eine „sorprendente dignificación literaria de aquel género deleznable" („Introducción", in: Torres: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 27). Vgl. a. ders.: „Superstición popular y paraliteratura en el siglo XVIII. La ambigüedad burlesca del ,Gran Piscator' de Salamanca", in: Revista de Estudios 43 (1999), S. 251-272. In wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht ist allerdings anzumerken, dass die Astrologie in der Tradition der europäischen Neuzeit lange Zeit keine okkulte Pseudowissenschaft war, sondern erst durch die neuen epistemologischen Grenzziehungen im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einer solchen geworden ist. Wissenschaftler wie Erasmus von Rotterdam oder Francis Bacon haben in ihrer Zeit die Sterndeutung ganz selbstverständlich als einen Teil der Astronomie betrachtet. Zur Verbreitung der Astrologie in der klassischen spanischen Literatur vgl. Antonio Hurtado Torres: La astrologia en la literatura del Siglo de Oro, Alicante 1984 sowie Víctor Infantes: „Fortuna y literatura. Oráculos poéticos y tratadillos de adivinación por las letras españolas", in: Bulletin

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Wie Torres den eigentlichen' Teil seiner Pronósticos, die Beschreibung der Sternenereignisse und deren (im Prinzip für die Medizin und die Landwirtschaft nützliche) Deutung, verstanden wissen will, wird er nicht müde, an jeder erdenklichen Stelle zu betonen. Die Inhalte seien,Kleinigkeiten', die jeder Beliebige mit Zugang zu astronomischen Kalenderdaten zusammenfügen könnte. Ihre Interpretationen stellen naive Spielereien dar, die Anlass für hyperbolische Selbstdekonstruktionen geben, in welche auch die Selbstinszenierungen als Alchimist und (schwarzer) Magier hineinspielen: De la facultad, que cogi para ocupacion, y comercio con que ganar la vida, solo agarré en la tienda de un vejestorio Computista unos arrapiezos miserables, y raidos de Astronomía, con los que malvesti la farandula de mis Kaiendarios.292 Die Astrologie liefert „desinteresados y sencillos sistemas", die umso leichter auch Namen wie „treta ridicula", „embeleco peligroso" oder „desastrado y pordiosero embuste" 2 9 3 annehmen können. Zumeist einfach „hechizos", „necedades" oder „locuras" genannt, ist die antiaufklärerische Intention der Pronósticos in der Ironie selbst eindeutig formuliert: „Con [...] el ruido de mis roncos Kaiendarios conseguimos Hispanique 92-1 (1990), S. 355-382. In die Literatur von Torres geht die Astrologie als eine von fünf, Archetypen' ein: „Torres [...] confronta su actividad y sus ideas con cinco arquetipos [...]: la astrología, la medicina, las leyes, la filosofía, la moral". Pérez López: „Introducción", a.a.O., S. 25. „Torres [...] captó la amplitud y el potencial del género y los explotó como caja de resonancia". Iris M. Zavala: „Utopía y astrología en la literatura popular del setecientos. Los almanaques de Torres Villarroel", in: NRFH 33 (1984), S. 196-212, hier: S. 201. In literaturgeschichtlicher Hinsicht liegt die Bedeutung von Torres Villarroel daher v.a. in der Tatsache begründet, dass der Autor als eine treibende Kraft der diskursiven ,Mutation' dieser Gattung in der Epoche ihrer wissenschaftlichen Rationalisierung gewirkt hat. Zum historischen Prozess dieser (in Frankreich bereits mit Rabelais einsetzenden) Diskursverlagerung vgl. Geneviève Bollème: Les almanachs populaires aux XVIIe et XVIIIe siècles, Paris 1969, S. 17-21; sowie Hans-Jürgen Lüsebrink: „L'almanach. Structures et évolutions d'un type d'imprimé populaire en Europe et dans les Amériques", in: Jacques Michon und Jean-Yves Mollier (Hg.): Les mutations du livre et de l'édition dans le monde du XVIIIe siècle à l'an 2000, Saint-Nicolas 2001, S. 432-441, hier: S. 436ff. Torres: „Prologo general", in: Libros, a.a.O., Bd. 1 [S. 39]. Ders.: Ventajas de la Repostería (Pronostico, que sirvió el año de 1752), Widmung an Bartolomé Sánchez de Valencia (Minister des Königs, Direktor der Rentas Generales), in: Libros, a.a.O., Bd. 10, S. 105 (Mercadier: Textos autobiográficos, a.a.O., S. 139). 292

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despertar ä la Hespaña de la modorra en que yacía",294 wobei im Modus der aufgedeckten Ironie' die Aussage äquivalent bleibt: „AI son de la burla, que he hecho de mis Pronosticos estoi bailando toda mi vida". 295 Und der Auftrag an den Leser ist ebenso deutlich: „De los hechizos te has de burlar mas que de todo".296 Der Akt der Literarisierung der Almanaques wird in den Libros dadurch vollzogen, dass die technischen Teile der Astrologie schlicht entfallen und die Extractos der Bände IX und X nur noch aus der Sammlung der „Dedicatorias, Prologos, invenciones en verso, y prossa de dichos Pronosticos" bestehen. Damit werden die übrig gebliebenen Einzelteile zugleich transformiert, d.h. als Elemente der fortlaufenden Vorworte, Versspiele oder (kostumbristischen) Erzählungen, unter denen Texte wie Los ciegos de Madrid (1732), El mesón de Santaré (1735), La librería del rey y los corbatones (1742), La boda de aldeanos (1743), Los niños de la doctrina (1746) nicht nur von kulturgeschichtlichem Interesse sind,297 der Grundstruktur des Gesamtwerks neu zugeschrieben. Fasst man alle Prosatexte als zusammengehörig, so zeigen sich in der Binnendifferenzierung der (mit Blick auf die Gattungen indifferenzierenden) Intention des Werks die konzeptuellen Einsätze oder ,Orte des Autors' Torres Villarroel. Das Spiel der TextLeser-Kommunikation, zu dem die „Prólogos" und „Introducciones (al año)" der Almanaques einen gehörigen Teil beitragen, ist eines der charakteristischen Momente, an dem die theoretische Anlage, die Erzählkunst und der Stil deutlich und unverwechselbar zu Tage treten. Die Binnenstruktur aus Widmungen, Vorworten und Einleitungen gehört ebenso zu den Grundeigenschaften der torresschen Texte wie die 294

Ders.: „Prologo general", a.a.O. [S. 42],

295

Ders.: Noticias alegres, y festivas, de las rafagas de luz, que se vieron la noche 16. de

Diciembre de 1737, sobre el Orizonte de Madrid, „ L o que pronostico", in: Libros, a.a.O., Bd.

5, S. 82 (Mercadier: Textos autobiográficos, a.a.O., S. 90). 296 Ders. (1730): Vida natural, y catholica (unzensierte Fassung), „Remedios universales sthoicos, y christianos, para lograr la serenidad en el animo", Madrid 1730, S. 6-15, hier: S. 13. 297 Alle (hier in modernisierter Schreibweise) zitierten Almanaques finden sich in: Libros, a.a.O., Bd. 9-10. Von den späteren (zum Teil seinem Neffen Isodoro diktierten und vielleicht auch von diesem mit verfassten) „tratadillos", die in Einzelwerken nach 1752 erschienen sind, sind z.B. auch La casa del ensayo de las comedias (1755), Los peones de la obra del Real Palacio (1758), Los manchegos de la cárcel de Villa (1759) oder Los traperos de Madrid (1760)

lesenswert, insofern sie an die früheren Texte thematisch anknüpfen, wobei die Titel als Appellative der nach 1743 wieder vorsichtiger werdenden Sozialkritik fungieren.

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stereotype, jedes Titelblatt zierende Nennung des „Doctor Don Diego de Torres Villarroel" (inkl. der Autoritätsbezeugung des Professors für Mathematik), welcher den entsprechenden Text in verschiedener Weise ,verfasst', ,überliefert7 oder ,einem Traum entrissen' hat. Die autobiographischen Elemente, die dem anhand der Vida beschriebenen Schema der Rechtfertigung' für die schlechte Literatur7 folgen - und Gründe der materiellen Notwendigkeit, der wissenschaftlichen Rückständigkeit in Spanien, der Verteidigung gegen Polemiken etc. anführen - , sind dabei zum größten Teil in den Widmungen zu finden, die zugleich die (wahrscheinlich vollzählige) Gruppe der den Autor trotz allem unterstützenden Persönlichkeiten aus der Politik, der Gesellschaft und der Kirche präsentieren. Die Prólogos und Introducciones sind sodann die Orte, an denen die Auto(r)fiktion und das narratologische Spiel der Perspektiven, die in den jeweiligen Text hineinführen, mit einem besonderen Spiel der Adressierung und Bestimmung des Lesers verknüpft werden. Ihre Funktion als herausgehobene und orientierende Texte (im Text) findet sich ebenfalls im Meta-Prólogo der Libros verankert: Solo te pido, que si determinares ä leer algún obrage de estos, leas antes el Prologo, pues en él te doi el motivo de escribir, y otras advertencias con que te aproveches, me disculpes, y se te haga menos empalagosa la lección.298

Die Frage, für welchen Leser Torres schreibt, ist stets mit dem Hinweis auf die Variabilität und Kompossibilität des „estilo jocoso" aufgegriffen worden. Die ,Menge' der Leser, deren faktische Größe sich aus den ungenauen Verkaufszahlen der Bücher nur erahnen lässt, sei eine heterogene Gruppe - aus der Elite und dem Volk - von durchschnittlicher bis geringer kultureller Bildung, die durch Torres' wissenschaftlichen Eklektizismus,299 seine „erudición [...] fragmentaria y mal dirigida"300, gleichsam betört werde und die Negativfolie einer Torres: „Prologo general", a.a.O. [S. 48]. Berenguer Carisomo: El doctor Diego de Torres, a.a.O., S. 24: „[la] nueva actividad de su ecléctico dinamismo [...]". 300 Alborg: Historia, a.a.O., S. 327. Vgl. a. McClelland: Diego de Torres, a.a.O., S. 131: „Torres [...] perfectly represent[s] the academic vulgo, that muddled, ill-informed, herd mind [...] denounced by Feijoo". Viel Mühe, bei Torres einen „atraso de las ideas científicas" nachzuweisen, hat (die Ironie der entsprechenden Passagen häufig nicht anerkennend) R. Sebold aufgebracht: „Introducción", in: Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. XXXIV-LX. 298

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(satirischen) Pseudo-Aufklärung darstelle. Nun ist aber die Figur des Lesers, die Torres als Instanz seiner Texte erzeugt, mehr als der Ausdruck einer halbpathologischen Vulgo-Satire, die mit einer schauspielerischen ,Öffentlichkeitsobsession'301 gepaart ist. Die Exklusivität des Vertrags, der im frühen Werk installiert und über beinahe 50 Jahre der Publikationstätigkeit fortgeführt wird, beruht vielmehr auf der (immanent) literarischen, an die Tradition des Literaturromans anknüpfenden Konzeption einer Lesergemeinschaft, die aus der Elite der Schriftsteller gebildet wird. Die erste Adresse der Rezeptionsinstanz eines jeden Textes ist der ideale Leser. Dieser wird von Torres „lector de mi alma" oder schlicht „lector amigo"302 geheißen und ist - ähnlich wie bei Feijoo - prinzipiell auf einen größtmöglichen Einschluss ausgelegt: „AI lector, sea quien fuere", lautet die häufigste Formel im Gefüge der Variationen, an deren Ende häufig auch ein versöhnliches „Adiós, amigo" folgt. Der hier durchaus intendierte „afán democrático de llegar al pueblo"303 wird bei Torres jedoch nicht wie bei Feijoo mit der autonomen Ratio eines (didaktisch-enzyklopädischen) Aufklärungsprojekts unterlegt, sondern auf der Grundlage des literarischen Spiels mit den ironischen Zitaten überlieferter Topoi ausdifferenziert. Der erste Topos, der ironisch zitiert wird, ist das vorausgesetzte Einverständnis zwischen Autor und Leser selbst, das hier auf absolut originelle Weise in einen ökonomisch verankerten „social contract"304 umgedeutet wird: „Anímate a comprar las cartas, para que yo pueda cumplirte lo que ofresco,305 heißt es im Correo exemplarisch. Die Text-Leser-Interaktion wird als eine Art bezahlte Briefkorrespondenz eingerichtet, ein Tauschgeschäft, bei dem beide Vertragspartner mit gleicher Münze liefern müssen: „Si no cambiamos con igualdad tus cuartos por mis libros, cesará nuestra amistad

301 „His Life, in part, is the work of one unashamedly obsessed with presence of an audience". McClelland: Diego de Torres, a.a.O., S. 22. Die „Quevedian technique of bewildering an enemy by providing him with more ammunition than he knows how to use" (ebd., S. 49), die McClelland beobachtet, fließt allerdings als stilistische Folie in die Autor-Leser-Kommunikation mit ein. 302 Torres (1725): Correo del otro mundo, Madrid 2000, S. 99. 303 Abellán: „El espíritu del siglo", a.a.O., S. 65. Vgl. Kap. 2.2.1. 304 Coughlin: „On the Concept of Virtue", a.a.O., S. 89. 305 Torres: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 101.

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y correspondencia".306 Der zweite Topos, der in dieses Vertragsgeschäft eingebettet ist, ist die schematische Unterteilung in Freund und Feind. Er besteht in einem Zitat bzw. einer fortschreibenden Transformation der bei Cervantes (bzw. in Frankreich bei Rabelais und Montaigne) einsetzenden Dekonstruktion der antiken Figur des ,geneigten Lesers'.307 So finden sich bei Torres stets (mindestens) zwei Leserinstanzen, die als topologische Reihen in den durchnummerierten Prólogos abwechselnd oder im unmittelbaren Kontrast (in den Büchern, die zwei Vorworte haben) adressiert werden. Die eine Instanz ist Objekt des Schemas „Prólogo a los lectores honrados, corteses, y piadosos",308 die andere ist Ziel des „Prólogo a los impertinentes enfadosos"309 oder gesteigert: „a los insolentes, bergantes, picaros, tontos, mormuradores de cuanto no saben hacer, prólogo malo, pero mejor que ellos merecen".310 Die Zweiteilung der „lectores de Torres" ist (auto-)biographisch lesbar, insofern die „impertinentes enfadosos" als die Kritiker der Schriften und der Philosophie des Piscators von Salamanca identifiziert werden - „que ahun porfían en apesadumbrar mis Papeles, y mi Persona" 311 - , wofür die frühen Polemiken gegen (den stillschweigend als „el médico" adressierten) Martín Martínez ein historisches Modell darstellen. Auch wird dem ,geneigten' Leser (per Identifikation) die Möglichkeit gegeben, seinen Einsatz durch den Kauf der Bücher erfüllend, an der Beschimpfung des nicht geneigten Lesers zu partizipieren und zugleich in den satirischen Abgesang auf die mit aufgerufenen Typen der schlechten Ärzte, korrupten Anwälte, 306 Ebd. In diesem Formalismus ist mit der quantifizierbaren ,Wertschätzung' in Form einer (beiderseitigen) Überprüfung, ob die Bücher ,teuer genug' sind, zugleich auch der Weg einer möglichen Vertragsaufkündigung vorgezeichnet. 307 „Desocupado lector, sin juramento me podrás creer [...]". Cervantes: Don Quijote, Vorwort. Das klassische Verständnis des geneigten Lesers wird - als verteidigter Topos - im aufgeklärten Absolutismus jedoch wieder die Oberhand gewinnen, wo Prólogos verfasst werden, die die Schule von Cervantes bis Torres ignorieren. S. Friedrich Niewöhner: „Amoldamiento y altivez, o el lector debe ser el rey", in: Reyes Mate und Friedrich Niewöhner (Hg.): La Ilustración en España y Alemania, Barcelona 1989, S. 13-23.

Torres: La librería del rey (Almanach für 1742), in: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 271. Ders.: El coche de la diligencia (Almanach für 1744), in: Ebd., S. 299. Die ,Abwechslung' wird hier durch eine Überbrückung eingehalten, insofern der Almanach für 1743 einen „Prólogo a todo el género humano" enthält. Ders.: La boda de aldeanos, in: Ebd., S. 282. 308

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Ders.: Visiones y visitas (Vorwort der „Segundas visitas"), a.a.O., S. 103. Ders.: El coche de la diligencia, a.a.O., S. 299.

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unwissenden Wissenschaftler etc. einzustimmen. 312 Allerdings erweisen sich sowohl die Huldigung als auch die Beschimpfung der Leser - ebenso wie die vermeintliche Übereinkunft durch Käuflichkeit - in der Gesamtsicht zuvorderst als ein literarisches Spiel der stilistischen Bearbeitung von zu Chiffren transformierter Topoi traditioneller Leseradressen.313 Dies zeigt sich in den sprachspielerischen Varianten der Bezeichnung beider Parteien, die vom historischen Kontext des „Lebens von Torres Villarroel" vollkommen losgelöst sind. Das bloße Freund-Feind-Schema ist Anlass für den Einsatz des stilistischen Spiels der hyperbolischen Gegensätze und bietet Raum für Überschneidungen, die in einer dreifachen Struktur wie etwa im Prolog „A los lectores crédulos, mentecatos, y malignos" 314 zusammengefasst und zugespitzt werden. Die Gegenteilpaare der Form „A todo lector u oyente, bueno o malo" 315 können sich - in der Form von métaphores filées - verselbständigen: „A todo lector yente, viniente, piante y mamante" 316 (als Wortspiel mit dem Sprichwort), „AI lector como Dios me lo enviare [...], justo o pecador, sano o moribundo, que no soy asqueroso de cuerpos ni conciencias ajenas" 317 (ais Pastiche auf Quevedo), „A los lectores regañones o apacibles, curiosos o puercos, dulces o amargos, píos, alazanes o tordillos, vengan como quisieren, que yo no distingo de colores" 318 (als freie Variation des gleichen Pastiche) oder auch, nach dem Muster der ebenfalls seit Quevedo prominenten Metapher der Kulinarik: „A la caterva de lectores píos o alazanes, burdos o merinos, crudos o asados, dulces o acedos, podridos 312 Vgl. Paul-Jacques Guinard: „Remarques sur ,lindo' et ,petimetre' chez Torres Villarroel", in: Georges Duby u.a. (Hg.): Les cultures ibériques en devenir. Essais publiés en hommage ä la mémoire de Marcel Bataillon, Paris 1979, S. 217-224. 313 Das hervorstechende Modell ist Torres' großes Vorbild Francisco de Quevedo, der seine Prólogos bereits durch ironische antithetische ,Leseradressen' betitelte: „AI lector, como Dios me lo deparare, candido o pupúreo, pío o cruel, benigno o sin sarna". Quevedo: El mundo por de dentro, in: Ders.: Los sueños, Madrid 1998, S. 177. Zur Vorgeschichte der spanischen Prólogo-Tradition vgl. Alberto Porqueras Mayo: El prólogo como género literario. Su estudio en el Siglo de Oro español, Madrid 1957, S. 33-43.

Torres: Los ciegos de Madrid, in: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 133. Ders.: El mundi novi (Almanach für 1730), Widmung an Juan de Salazar („Ladron de Guevara"), in: Ebd., S. 98 (der Titel spielt auf die gleichnamige Mojiganga von Francisco de Avellaneda an). 314

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Ders.: Delirios astrológicos (Almanach für 1733), Vorwort, in: Ebd., S. 148.

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Ders.: Visiones y visitas (Vorwort der „Primeras visitas"), a.a.O., S. 9. Ders.: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 103.

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o sanos, romos o agudos, que de todo matalotaje somos cocineros los que escribimos". 319 Die ironische Distanzierung trifft nicht unmittelbar den Leser, sei er Freund oder Feind, sondern vor allem das Konzept der Leseradresse. Diese (Meta-)Distanz zu einer Textfigur, die zugleich - wie die ,Torres'Figur - als allgegenwärtige und die Möglichkeit der Kommunikation bedingende Instanz in allen Texten des Werks eingerichtet ist, beruht in der Konsequenz auf einer besonderen Form von Exklusivität. Denn stets findet sich jenseits der topologischen Maskerade insofern eine übergeordnete Leseradresse, als Torres sich den idealen Leser als eine Gemeinschaft der Schriftsteller vorstellt oder zur Bildung einer solchen aufruft: „Amigos escritores, estimémonos más y creamos que [...] nos son inútiles todos los lectores del mundo. [...] Echemos enhoramala a todo lector, sea el que fuere."320 Diese ironische Verabschiedung des Lesers - „¿Que es lo que sucede entre los que leen y escriben, afeitándose unos a otros?"321 - ist zugleich die Verteidigung einer Literatur, die sich von den Polemiken der Meinung freimacht: „No siempre hemos de estar los Escribientes debaxo de el gusto de los Lectores".322 Der Appell bedeutet jedoch nicht, dass die Gemeinschaft der Schriftsteller - als eine,kommende' - der Öffentlichkeit prinzipiell verschlossen wäre: „El Público (Señores mios) es la primera, y mas desnuda Comunidad de el Mundo". 323

319 Ders.: Juicio nacido en la casa de la locura (Almanach für 1728), Vorwort, in: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 67 (Mercadier: Textos autobiográficos, a.a.O., S. 51). 320 Ders.: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 104. Die Vorstellung des Ideallesers als einer Schriftstellergemeinschaft kommt auch anhand der metaliterarischen Hinweise zur Herstellungstechnik gut verkäuflicher Texte zum Ausdruck, die Torres eventuellen Gesinnungsgenossen (im Medium der ironischen Gattungsbloßstellung) präsentiert, wie etwa in seinem Arte de hacer Kaiendarios de veras, y Prognosticos de burlas (Sevilla 1738). 321

Ders.: Visiones y visitas, a.a.O., S. 11.

Ders.: „Prologo general", a.a.O. [S. 45]. Ders.: Noticia de las virtudes medicinales de la Fuente del Caño, Widmung an die Real Junta Practica-Médica de Nuestra Señora de la Esperanza de Madrid („También es carta con sus humos de Prologo"), in: Libros, a.a.O., Bd. 5, S. 292. 322

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Der Leser ist zwar als Topos niemand, als Teilnehmer der (literarischen) Text-Leser-Interaktion aber potentiell viele: „Tú no eres nadie y eres muchos". 324 Um als adressierter (Ideal-)Leser hier für eine angemessene Rückkopplung des Textverarbeitungsprozesses325 zu sorgen, genügt es, die (öffentliche) Kommunikation im Geist des Schriftstellers zu denken und - heute wie damals - sich als Adressat des „Prólogo a todo el género humano" 326 wiederzufinden. Dabei sind die im Subtext vorausgesetzten Anforderungen in der Praxis der Lektüre letztlich nicht schwer zu erfüllen. Denn auf der Reise durch die verschiedenen Ebenen des literarischen Spiels - Ausdruck, Figürlichkeit und Narratologie - begleitet Torres die Leser seiner Traktate und Traumerzählungen in den meisten Fällen als ein aufmerksamer Führer. 3.4.2. Die Philosophie der Sueños. Traumdeutung als ironische Sozialkritik In Korrespondenz zur Anlage der torresschen Leserinstanz steht die geschilderte Hierarchie der Ebenen, über welche die Figur mit Namen ,Torres' an ein bestimmtes Geschehen herangeführt und als Vermittler des entsprechenden Gegenstands einer Abhandlung oder Erzählung eingesetzt wird. Die Gegenstände der meisten Texte hängen von einer bestimmten Form der ,Überlieferung' ab, wobei die Herkunft dieser Überlieferung zumeist in einem Jenseits verortet wird, zu dem der (bzw. die) Ich-Erzähler - ebenso wie der (bzw. die) Leser - an verschiedenen Übergängen gleichsam als Abspaltungen ihrer selbst erst Zugang finden müssen. In den (Roman-)Erzählungen funktioniert dieser rite de passage stets über die Konfrontation von Traum und Wirklichkeit. In der einfachsten Form erzählt Torres nach einem zu Beginn angekündigten oder am Ende offenbarten Erwachen von einem Traum, in dem,Torres' widerfahren ist, was im Text folgt. Am eindrücklichsten findet dieses Schema in den Visiones y visitas Anwendung, in denen der geträumte Spaziergang mit Francisco de Quevedo durch die Straßen von Madrid Anlass für eine ausführliche

324 Ders. (1743): „Memorial del Doctor Don Diego de Torres al Santo Tribunal de la Inquisición" (Vida natural, y catholica, zensierte Fassung), zit. in: Mercadier: Textos autobiográficos, a.a.O., S. 117-120, hier: S. 120. 325 Vgl. Iser: Der Akt des Lesens, a.a.O., S. 257, S. 262ff. 326 Torres: La boda de aldeanos, a.a.O., S. 282 (Mercadier: Textos autobiográficos, S. 112).

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kostumbristische Satire über den kulturellen Niedergang Spaniens gibt.327 Der Übergang in die Welt des Traums - „a la héctica llama de un viudo candil [...] acostada el alma, y ligados los sentidos a escondidas de las potencias" - führt über verschiedene Phasen des (Halb-) Schlafs, bis es in einer derselben möglich scheint, den Traum anzurufen - „sin susto de cosa de esta vida, llamé al sueño" - , welcher sich dann aber doch aus einer tieferen Phase „en el éxtasis del sueño" Bahn bricht. In diesem Moment dringt eine Stimme „entre aullido y tiple desagradablemente desentonada" in das Ohr des Träumers ein, „que me repitió tres o cuatro veces el campanudo apellido de Torres, Torres",32* woraufhin dieser glaubt, das Folgende im Wachzustand erlebt zu haben. Ein ähnliches Verfahren findet sich in Los desahuciados del mundo, wo der Erzähler „sobre los pajizos céspedes del sucio Zurguén, negro borrón del purísimo cristal del Tormes" in einen Halbschlaf fällt: „deseoso de sorber algún viento que [...] serenase el tumultoso círculo que produjo en mi sangre la imaginada fatiga de conducirme a su ribera"329. Im anschließenden Traum, der hier ein Albtraum ist, begegnet,Torres' dem Teufel, welchen er auf einem Spaziergang durch die Spitäler und Siechhäuser Salamancas begleitet. Dieses Setting ist sodann der Schauplatz für eine,hyperreale' und in ihrer Drastik kaum zu überbietende Schilderung der Leiden und Symptome verschiedener „Sterbenskranker", die nach Krankheitsbildern geordnet (gleich einem medizinischen Handbuch), detailgenau geschildert und in narrativen Schleifen von gnadenloser Regelmäßigkeit mit der Feststellung des Todes abschlössen werden.330

327 Dies geschieht nicht, ohne dass dem Leser im Vorwort („AI lector como Dios me lo enviare") die entsprechende Vertragsgrundlage, nämlich der ,Verkauf' des Traums als Geschichte, gebühren angekündigt wird: „A mí, pues, se me ha plantado en el escaparate de los sesos vender mis sueños [...]. Desde hoy empiezo a soñar. Ten paciencia, o ahórcate". Ders.: Visiones y visitas, a.a.O., S. 10.

Ebd. („Preámbulo al sueño"), S. 14ff., S. 18. Ders.: Los desahuciados del mundo y de la gloria, Madrid 1979, S. 64. 330 Die Krankheitsfälle reichen vom „tísico profano" über den „apopléptico", den „gálico", den Patienten der „cólera morbo" sowie die Psychosomatiken - „el frenético", „el nefrético" (Sala de hombres), „la histérica", „la héctica" (Sala de mujeres) - bis zur „epiléptica" und dem „aborto". Die vordergründigen Funktionen dieser ,Erzählung', die sich in deskriptive, explikative, narrative und moralisierende Elemente unterteilen lassen, hat Pérez López in der Einleitung (ebd., S. 35-43) beschrieben. 328 329

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In der Barca de Aqueronte wiederum wird das Schema der ,aus dem Traum übertragenen' Erzählung gemäß der Vorlage aus den Visiones vorausgesetzt bzw. durch die einleitenden Titel „Introducción al sueño" und „Sueño" zitiert.331 Der träumende, nicht namentlich genannte, aber als „señor astrólogo" apostrophierte ,Torres' stellt zu Beginn nur eine bestimmte Übertragungsleistung aus dem Jenseits fest: „ Algún demonio incubo empreña a la diabla de mi fantasía, pues la hace parir tamañas monstruosidades!" und präsentiert einige theoretische Überlegungen über den Zusammenhang zwischen Traum und Einbildungskraft: „Yo estudié en ella que los sueños nacen de la revoltosa agitación de los humores y espíritus animales que residen en el cerebro".332 Daraufhin trifft ,Torres' wieder auf einen Teufel, der diesmal nach dem (schon von Quevedo karikierten) Vorbild der scholastischen Theologie als ein persönlicher' auftritt und den Träumenden zu einer Bootsfahrt über den aus dem Zurguén per Traumverschiebung sich formierenden Acheron - einem der fünf Flüsse der Unterwelt333 - ins Reich der Toten mitnimmt. Dort ist er Zeuge einer diabolischen Inszenierung des „Jüngsten Gerichtes", an deren Ende er als „escritor de libros inútiles y mordaces invectivas"334 zur ewigen Verdammnis verurteilt wird. Das gleiche Schicksal wie ,Torres' erleiden eine große Menge anderer ,toter' Figuren, die von ebenso vielen (persönlichen) Teufeln begleitet, von der „Barca" in einen „salon espaciosísimo" vor das

Ders.: Barca de Aqueronte, Madrid 1968, S. 28, S. 32. Das Vorwort „Sirva o no sirva, lease o no se lea, este es el prólogo" (ebd., S. 27f.) wird in dieser Erzählung (einen verfestigten Topos der torresschen Autoironie anspielend) auf den kurzen Hinweis reduziert, dass es nicht nötig sei, „crisis y exámen de mi pensamiento, de mi locucion, de mi idea, o de los demás defectos de la obra" vorzunehmen. 331

332 Ebd., S. 28f. Die etwas eigentümliche, halb klassische Orthografie stammt von F. Sáinz de Robles. 333 Vgl. Dante Alighieri: Divina Commedia, Inferno III, V. 76-78: „Le cose ti fier conté / quando noi fermerem Ii nostri passi / su la trista riviera d'Acheronte" (Florenz 1994, Bd. 2, S. 48). Das Schicksal der Passanten entspricht bei Torres i.Ü. der Verwünschung, die bei Dante vom Fährmann Charon ausgesprochen wird: „Guai a voi, anime prave! / Non isperate mai veder lo cielo: / i' vegno per menarvi a l'altra riva / ne le tenebre etterne". (V. 84-87, ebd., S. 49). 334 Torres: Barca de Aqueronte, a.a.O., S. 98. Die erschwerenden Umstände werden zu Anfang bei der Anklage benannt: „mi diablo [...] presentándome [...] dijo: este muerto lanza fué un perdulario y bribón entre las gentes [...] sin atención a su empleo, sin estudio de la moral cristiana, ni temor de esta infernal chancillería". Ebd., S. 35. Das Modell dieses Traums ist Quevedos Sueño del Juicio Final.

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„Tribunal de Pluton" geführt werden, wo „debajo de un dosel horriblemente magestuoso" für jeden Einzelnen ein Schuldregister verlesen wird, worauf nach (sozialen) Gruppen geordnete Massenverurteilungen folgen. „Aquí no hay redención para alguno, todas las puertas ya están cerradas para siempre." 335 Die vier Juicios, aus denen die Erzählung besteht, führen das kostumbristische Panorama der üblichen Feindbilder vor, die in der Barca bereits (per Zitat des Zitats) zu einer eigenen Topologie geschrumpft sind: 1) die Ärzte („los empíricos empastadores, curanderos y otros bribones [...]"), 2) die Anwälte und Gerichtsdiener („los escribanos, soplones, cuadrilleros, ministros y otra chusma inferior"), 3) die Frauen („las linajudas, petimetras, oigazanas, escandalosas [...] y otras sabandijas mugeriles"), 4) die,eigene' Gruppe der Künstler und Sonderlinge („músicos, poetas, danzantes, ermitaños, alquimistas [...] y otros").336 Der Schwerpunkt liegt hier weniger in dem satirischen Zitat selbst als in der visuellen Anordnung der fantastischen Massenszenen, deren literarische Besonderheit in der Ekphrasis des Triptychons „Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch zu suchen ist.337 Dass die literarische Transformation dieser ,Vision' in der Barca aufgrund der Verdichtung der zitierten Topoi und ihrer beinahe kinematographischen Bewegung eine eigene stilistische Qualität erlangt, sei mit der folgenden , Szenerie' des Schuldspruchs der Schriftsteller belegt: Tomando a callar, se desprendió del segundo ingerto de condenados y corchetes un demonio espinaca, longoruto, mocoso, capón y perdulario, lleno de garrapatas y chinches, que chilló los desórdenes de la maldita carnerada en funesta solfa [...]. Escupió este con ira y furor implacable Ebd., S. 37f. Ebd., S. 38, S. 48, S. 60, S. 87. Es versteht sich, dass diese Gruppen schon bei Quevedo als „klischeehafte Standes- und Charaktertypen" fungieren und ironisch zitierte Chiffren sind. Vgl. Ilse Nolting-Hauff: Vision, Satire und Pointe in Quevedos Sueños, München 1968, S. 15. 335 336

337 Sebold analysiert diese „intención pictórica" der torresschen Stils als ein „deseo de horrorizar con la imagen". Im Bezug auf Hieronymus Bosch übertrifft der Salmantiner dabei sein eigenes Vorbild. „Torres Villarroel se acerca mucho más que Quevedo al sombrío expresionismo del pintor holandés, merced a la ingeniosa técnica descriptiva que utiliza en las Visiones". Sebold: „Introducción", in: Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. LXXI-XCI. Die „visión del pecado a lo Hieronymus Bosch", die auch in der Barca zu finden ist, nimmt den kritischen Geist des niederländischen Malers und Freidenkers in Anspruch. Vgl. a. Mathias: Torres Villarroel, a.a.O., S. 23f.

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los defectos de aquella porcada, y según pude entender de su espinoso y fierisimo entono, era un burujón de filosofes cocineros, físicos follones, galanes de la piedra, bruzos del fuego, borrachos de la codicia y pellejos hinchados de su soberbia, órganos del embuste, engendros de la patraña y maldita veleta del Ínteres. [...] Mirando estaba yo este formidable espectáculo poseido de la admiración y del susto [...] cuando escuché las ásperas y temerosas voces de salgan los escritores de libros inútiles y mordaces invectivas. A este grito desapacible volvieron con impaciente y rabiosa puntualidad los demonios esvirros a revolver el monton de los finados [...] cuando se tiró a mí con increíble velocidad un diablo rebollo y derrenegado, con diez anchos de espetera en lugar de uñas, poblada la maldita colambre de espigones de cerda escarapelado de crines, barreñon de labios, ahito de quijadas, escabroso de rostro, lleno de trompicones, riscos ensenadas, madrigueras y lomos; vomitando por los ojos canículas y calenturas, vertiendo rescoldos y espumarajos, y respirando furias y suegras [...]338 Das Erwachen, das an dieser Stelle,Torres' wie dem Leser vergönnt ist, führt zurück auf die Ebene der Erzählung des Traums. Diesseits der hyperbolischen Markierungen ist der Ubergang von der Wirklichkeit in den (Alb-)Traum und zurück in der Barca ebenso einfach angelegt wie in den Visiones y visitas und den Desahuciados. Das zitierte Schema selbst ist ein sehr alter Topos der europäischen Literatur, das in die Antike bis zu Homer zurückreicht 339 und bei Dante oder Erasmus ebenso verankert ist wie in der neuzeitlichen Utopie und der Schäferdichtung (als den Vorläufern des Schelmenromans und der Sozialsatire). 340 Bei den Alten wie bei den Modernen eröffnet der Traum die Möglichkeit einer „échappée vers l'imaginaire" - w o die Gesetze (der Ästhetik und der Polizei) außer Kraft gesetzt sind - , wobei in der modernen Variante der Moment des Umschlagens von der Traumerzählung in den

Torres: Barca de Aqueronte, a.a.O., S. 94, S. 97f. „Doch nun höre du diesen Traum, und gib mir die Deutung [...]" Homer: Odyssee 19, V. 535. Vgl. Marion Giebel: (Hg.): Träume in der Antike, Stuttgart 2006, S. 9f., S. 17ff. Der Unterschied, der in der christlichen Kunst und Literatur des Mittelalters zwischen Traum und Vision gemacht worden ist (vgl. zuletzt David Ganz: Medien der Offenbarung: Visionsdarstellungen im Mittelalter, Berlin 2008, S. 106ff.), wird bei Torres in der Tradition des Siglo de Oro nivelliert. 340 Zur spanischen Genealogie s. Teresa Gómez Trueba: El sueño literario en España. Consolidación y desarrollo del género, Madrid 1999, S. 50-82 (hier zu Torres Villarroel: S. 130-141). 338

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Trauminhalt gerne mit einer „frange d'incertitude, entre l'apparence et la réalité"341 versehen wird. Das Vorbild für Torres' Verknüpfung von Traum und Jenseitsreise sind eindeutig die Sueños von Quevedo, für die Barca insbesondere der Sueño del Infierno (Las zahúrdas de Plutón), der Sueño de la Muerte und der Discurso de todos los diablos. Doch auch Cervantes (El licenciado vidriera, Don Quijote) wird im Text angeführt,342 ebenso wie Athanasius Kircher (Itinerarium exstaticum, Iter extaticum secundum) und Pedro Calderón de la Barca (La vida es sueño). Daher kann man mit gutem Recht sagen, dass die Sueños - ebenso wie der Serientitel Sueños morales (der in den Libros nicht mehr beibehalten wird) - ein „concept-word borrowed by Torres"343 sei. Der Zweck der Anleihe besteht aber nicht allein darin, die literarische Rechtfertigung für einen Ausflug ins Imaginäre zu bemühen, wie es der modellhaften Verwendung des Topos entspräche, nämlich „to suggest an acceptable vehicle for visions".344 Die Traumzitate der Älteren sind vielmehr Teil eines übergeordneten Spiels der verdichtenden Komposition intertextueller Elemente im Sinne des Literaturromans. Dass dabei auch die Schwellen des Ubergangs von Traum und Wirklichkeit, deren nicht zureichende Konturierung in der klassischen Zeit Anlass für die sanktionierbare (Selbst-)Zensur war, am Ende ebenfalls ironisch gebrochen werden, zeigen die folgenden Varianten der ,Traumdeutung' in den Visiones y visitas: „cuando, a mi parecer, el discurso estaba más despapilado, viene el sueño y [...] da un soplo a la luz de la razón; [...] ahora que sé que no duermo y que ciertamente estoy dictando lo que soñé entonces, estoy por jurar que fue más visto que soñado" 345 - sowie in der Barca: „Estos, amigo mió, es verdad que son sueños; pero no es sueño, que son verdades [...] La muerte es sueño, y también es sueño la vida". 346 Nun entspricht es dem literaturkritischen Geist des torresschen Werks, dass der Autor, der mit dem Satz „estoy muy mal con los 341 342 343 344

Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 268, S. 276. Torres: Barca de Aqueronte, a.a.O., S. 55. McClelland: Diego de Torres, a.a.O., S. 93. Ebd.

345 Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. 16f. „Aunque el sueño es muerte, era para mí entonces el dormir media vida" (ebd., S. 15f.) 346 Ders.: Barca de Aqueronte, a.a.O., S. 99f. „Lo que me consuela es, que como bien y aunque sueño locuras, es cierto que estoy durmiendo mientras estoy soñando" (ebd., S. 30).

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escritores de este mi siglo; pues no inventan"347 ästhetische Position bezieht, sich nicht mit dem (transformierenden) Zitat in der simplen Form des narratologischen Übergangs von der Wirklichkeit in den Traum (und zurück) begnügt, sondern auch Wege im Geist seiner Gattungsphilosophie sucht, um die Topologie der literarischen Traumwirklichkeit mit anderen Techniken der Fiktionsbezüglichkeit und der Aussagevariabilität zu verknüpfen. In der erzählerischen Anlage ist hier der (1725 entstandene und 1743 überarbeitete) Correo del otro mundo am interessantesten, in dem der Sueño mit den Formvorgaben der gelehrten Dialogliteratur und des Briefromans versponnen wird ,348 Der traumhafte Teil dieser Erzählung beruht, wie erst im Erwachen der Schlussszene deutlich wird - „suspenso y fuera de mí estaba padeciendo las molestas suspensiones de mi fantasía [...] cuando [...] desperté en mi cama fatigado, la ropa en el suelo"349 - , auf der doppelten Rahmenstruktur einer Traumerzählung innerhalb eines Traums.,Torres' träumt davon, wie er von einem Traum, der ihn in das Reich der UnUnterscheidbarkeit zwischen Lebenden und Toten führt - „¡malísimo debo ser, cuando me persiguen los vivos y los muertos!"350 - durch die Ankunft eines Freundes, welcher ihn ob seines verängstigen Zustands zunächst nicht erkennt - „tú no eres aquel Torres que yo conocí en Salamanca"351 ,erwachf („bebiendo yo y rodándome el") und dem Freund sodann berichtet, dass ihn zuvor (im ersten Traum) eine teuflische, aber mit mythisch-astrologischen Insignien des Himmels ausgestattete Gestalt352 aufgesucht und einen Stapel „Briefe aus dem Jenseits" übergeben habe. Die Briefe, die sich zum (geträumten) Entsetzen beider Protagonisten nicht als „petardo de algún alegróte" erweisen, stammen

Ders.: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 127. In der Fassung von 1725 wird die Gattung' der Traumerzählung einleitend nicht erwähnt. Dies geschieht jedoch 1743 im hinzugefügten ,zweiten' Vorwort „A los lectores regañones o apacibles [...]", deren letzter Satz ankündigt: „El Sueño es el que sigue; y yo, el que siempre; y lo dicho, dicho". Ebd., S. 105. Der darauf folgende „Discurso" der alten Fassung wird dabei in „Sueño e introducción todo junto, y murmúrelo quien quisiere" (ebd., S. 106) umbenannt. 347

348

Ebd., S. 190f. Ebd., S. 106. 351 Ebd., S. 112. 352 „La cabeza era de Aries, el ceño de Tauro, las narices de Cáncer, la boca de Escorpión; y todo él Virgo, pues nadie sino otro diablo nefando se atrevería a su maldita traza." Ebd., S. 111. 349 350

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von drei illustren Persönlichkeiten der Vergangenheit - Aristoteles, Hippokrates von Kos und dem römischen Juristen Papinian - sowie von Torres' Vorgänger, dem „gran Piscator Sarrabal de Milán", und einem anonymen „muerto místico". Alle fünf Briefe werden in der Folge von ,Torres' und seinem befreundeten Gast gelesen, im Dialog kommentiert und beantwortet, wobei auf jede Antwort wieder eine Diskussion folgt, bevor am Ende noch einmal der Briefträger aus dem Jenseits erscheint - diesmal im ebenso irdischen wie grotesken Aspekt einer „cara en triángulo, que parecía aceitera al revés o manga de colar bebidas"353 - und die geschriebenen Antworten mitnimmt, nicht ohne die beiden Diskutanten für das mitgehörte Gespräch zu verfluchen, woraufhin auch der Traum vom Traum mit dem Erwachen endet und in einer abschließenden Leseradresse für kurios und aufschreibenswert befunden wird. Die Auswahl der Absender der „misivas" beruht auf dem Prinzip der kritischen Selbstreflexion, das Torres im Correo auf eigentümliche Weise mit der dialogischen Form der Briefkorrespondenz verknüpft.354 Im charakteristischen Modus der ironischen Autopolemik kommen hier die Repräsentanten derjenigen Wissenschaften und Personengruppen zu Wort, die Gegenstand der satirischen Angriffe des „gran Piscator de Salamanca" sind. Papinian verteidigt die Anwälte, die Richter und die Wissenschaft des Rechts; Hippokrates nimmt die Medizin und die Gemeinschaft der Ärzte in Schutz; der Mystiker bezichtigt Torres der mangelnden Gottesfurcht und ungenügender Sorge um die Seele; der Piscator Sarrabal bemängelt die unzureichende Qualität und die poetische Zweckentfremdung der torresschen Pronósticos. Allein Aristoteles - „el varón de los siglos"355 - ist insofern eine Ausnahme, als er berichtet, dass ihm im Totenreich zu Ohren gekommen sei, ein Astrologe aus Salamanca polemisiere gegen seine Philosophie, was aus Gründen der Vernunft jedoch wenig glaubhaft sei.356 All diese Korrespondenten', denen in mehr oder weniger freundlich formulierten und um Ausflüchte (der Ebd., S. 189. Die generische Inventio wird dem Leser - anstelle einer Rechtfertigung - schonungslos' angekündigt: „Ahora se me ha puesto en la cabeza fingir que los muertos me escriben y yo les respondo sobre algunos asuntos facultativos". Ebd., S. 105 („ A los lectores regañones o apacibles [...]"). 355 Ebd., S. 174. 356 „He oído en estas cavernas vagas noticias de que vuestra merced habla mal de mí y de mi filosofía. No lo creo porque le considero hombre entendido". Ebd., S. 170. 353 354

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Notwendigkeit, der Armut etc.) nicht verlegenen Antworten mit Bezug auf die inkriminierten Sachverhalte stets Recht gegeben wird, kommen in einem zentralen Kritikpunkt zusammen, der den literarischen Stil der torreschen Texte betrifft. Es ist ein Ausdruck der ebenso luziden wie ironischen Selbstkritik des Autors, dass die den figürlichen Autoritäten zugeschriebene Anklage auf die „mala compañía de las musas" abzielt. Dies sind vor allem die hyperbolische Verwendung der Metaphern, die grotesk überzeichnete (Natur-)Beschreibung und das eklektische Zitat: Vuestra merced satiriza con sobrado desuello e indiscreta resolución lo sagrado de las ciencias [...]; para llenar cuatro pliegos de papel, anda mendigando coplas o ideas [...]; no ha dejado mecánica ni arte liberal de quien no se haya burlado en su indiscreto, mordaz y satírico prólogo [...] ¡olvide métaforas y coplas!357

Die Stildiskussion, die in dieser (transzendenten) von geträumten Dialogen unterbrochenen Briefkorrespondenz geführt wird, steht im Kontext der aufkommenden neoklassizistischen Ästhetik, deren antikonzeptistischem Gebot der einfachen und,unbekleideten' Sprache (unter möglichst geringfügiger Verwendung der Metapher) Torres exakt und in dreister Absicht zuwiderläuft. Das Problem der Sprache der Literatur ist daher auch der zentrale Gegenstand des Correo. Zwar finden sich in den Antworten des ,Torres' (autokorrektive) Hinweise auf die epistemologische Positionierung des Autors Torres in Fragen der Medizin und des Rechts - wie etwa das Prinzip der Historisierung der Wissenschaften: „debemos enfermar de otra suerte, porque las curaciones son distintas" oder: „las leyes las hicieron hombres que, los más, se condenaron".358 Zudem finden sich in den Dialogen mit dem Freund mancherlei autobiographisch deutbare Aussagen, die ähnlich jenen in El hermitaño y Jorres als Korrektiv für die autofiktionalen Passagen der

Dies bestätigt ,Torres' in einem Kommentar an den Freund, der ihn im Traum begleitet: „Sabe mi alma que nunca me aparté de lo que leí en Aristóteles". Ebd., S. 174. 357 Ebd., S. 121ff. Einige Varianten der Kritik nehmen auch die Form einer (insbes. Sarrabal und Papinian in den Mund gelegten) Beschimpfung an: „son cuentecitos para las cárceles [...]; su estilo es bueno para entremeses y su prosa para entre niños de la doctrina, porque escribe con poquísimo donaire, sin erudición ni autoridad". Ebd., S. 122, S. 160. 358 Ebd., S. 148, S. 165.

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Vida dienen können.359 Doch die tragenden Konzepte der torresschen Philosophie kommen dort zum Ausdruck, wo die präsentierten Fragmente der Wissenschaften in einer ästhetischen Theorie gebündelt werden. So ist etwa die Verteidigung der Metapher („la metáfora es un galán vestido de la obra") in das Experimentierfeld eines (anthropologischen) Individualitätsbegriffs eingebettet - „no tengo cosa más propia ni mía que mi voluntad, conque es razón que yo la mande" - , welcher in ethischer Hinsicht Züge des Stoizismus annimmt: „yo me he de divertir y pasar con gusto el tiempo que me falta hasta que me llamen de arriba". 360 Zugleich wird im Rückgriff auf den authentischen Aristoteles „[quien] no escog[ió] patria, ni religión"361 Anspruch auf die politische Tragweite eines offenkundig massenkompatiblen Schreibens erhoben: „Mi profesión es la política; [y] esta es ciencia de todos". 362 In der ästhetischen Praxis wird diese Bündelung im Correo neben den 359 Die Erzählung El hermitaño y Torres (in: Reátanos astrológico y alquímico, a.a.O., S. 113-219) stellt strukturell eine Art Querschnitt aus den Desahuciados und dem Correo dar, wobei der dialogische Aspekt, der ,Torres' und den befreundeten Einsiedler anlässlich einer Durchsicht der Werke des Torres - „No hay duda [...] que tus Obras tienen necesidad de mucho castigo [...] que en las más de ellas reina la libertad" (ebd., S. 157) - in einen kritischen Austausch über die gesamte „República de las facultades libres o mecánicas" (ebd., S. 178) führt, hier ohne ein jenseitiges' Element auskommt. Die korrigierten' autobiographischen Passagen betreffen insbesondere die Episoden der Studienjahre und der beiden destierros, die hier anders (nachvollziehbarer) geschildert werden als in der Vida. Das Schema der Entschuldigung und (ironischen) Selbstrechtfertigung für die Fehler der Texte bleibt jedoch stets unverändert: „La necesidad ha tenido mucha influencia en esta parte; porque yo estaba hambriento y desnudo, con que no trataba de enseñar sino de comer" (ebd., S. 158). „Pues la velocidad de mi fantasía, lo travieso de mi inclinación, la corta estancia en mi patria y el odio continuado a la universidad [...] me traían al retortero la razón". Ders.: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 142.

Ebd., S. 118, S. 127ff„ passim. Ebd., S. 173. Die Kunde, die Torres von der schwierigen Überlieferungslage des Aristoteles gibt (die in der Zeit als ein kritisches Argument gegen die scholastische Autorität verwendet wurde), ist i.Ü. alles andere als naiv. Er lässt den griechischen Philosophen schreiben: „Cuando me trajo la muerte a este camero ocultó y guardó mis escritos Teofrasto; [...] estuvieron ocultas hasta que Lucio Sylla, dictador, compró estas librerías, y para coordinarlas y colocarlas se las dio a Tyrannion, gramático, y este las trasladó mal y de mala manera. Y como faltó mi voz corrieron sin aprecio, por la dificultad de los sentidos, hasta que Alejandro Afrodisiense escribió los comentos". Ebd., S. 171. Vgl. hierzu Pierre Thillet: „Alexandre d'Aphrodise et la poésie" in: Jürgen Wiesner (Hg.): Aristoteles. Kommentierung, Überlieferung, Nachleben, Berlin/New York 1987, S. 107-119. 360 361

362

Torres: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 166.

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semantisch-syntaktischen Elementen des für Torres typischen „material expresivo"363 durch die narratologische Verdichtung und die ironische Unterwanderung des Gelehrtendialogs sowie des (zeitgenössischen) „pacto epistolar"364 der Briefromane transportiert. In absurden ,Anreden' wie „no tengo la menor queja de que vuestra osatura me trate mal en su carta [...]", „solo a la discreción de vuestra defuntez, muy señor muerto [...]", „he leído con toda veneración la discreta nota de vuestra inmortalidad [.,.]"365 oder Schlussformeln wie „de la oscuridad de mi eterna noche [...]", „de esta bóveda, tiniebla eterna donde me oscurezco [...]//36é etc. versteckt sich eine ganz eigene philosophische These über die Indifferenz von Leben und Tod im Angesicht der kurzen Ewigkeit literarischer Ereignisse: „Perdonen los señores muertos, que esta vez han andado demasiadamente vivos. Si a sus mercedes se les hacen los momentos eternidades, acá en nuestra vida son sueños las duraciones."367 Aufgrund des Tonfalls, der über die Anlage der literarischen Philosopheme herrscht, lassen sich die Orte des Autors - im Dispositiv der Traumerzählung, die sich als topologisches Narrativ auch auf die übrigen Texte entweder explizit oder implizit erstreckt368 - in einer Martínez Mata: Los Sueños de Diego de Torres, a.a.O., S. 99. Guillén: „El pacto epistolar. Las cartas como ficciones", in: Revista de Occidente 197 (1997), S. 76-98, hier: S. 86-89. 365 Torres: Correo del otro mundo, S. 127, S. 146, S. 176. 366 Ebd., S. 141, S. 173. 367 Ebd., S. 106. Die theologiekritische Ironie dieser Konfrontation von Unmöglichkeiten besteht in der Behauptung, dass die Fehler und Eitelkeiten der Menschen im Jenseits unverändert fortbestehen: „Hasta en las sepulturas conservan los hombres las manías de vivos". Ebd., S. 134. 368 So wie die Erzählungen wissenschaftliche Abhandlungen (der Medizin, der Astronomie, der Ethik etc.) ,enthalten', rekurrieren auch die als Abhandlungen ausgewiesenen Texte häufig auf einen ,Traum', aus dem der entsprechende Gegenstand ,gezogen' sei - vgl. etwa den Montante cristiano y político (1726) die Cátedra de morir (1726) oder auch den Médico para el bolsillo (1737). Andere Texte bestehen insgesamt, weit radikaler und die ,Topoi' des sueño und der locura miteinander verknüpfend, aus einer literarischen Dekonstruktion der Gattung der gelehrten Abhandlung. Hierfür ist El gallo español (Madrid 1725) ein besonderes Beispiel. Dieser kuriose Text antwortet' auf eine Ausschreibung der Pariser Académie des sciences zur Auszeichnung von Traktaten über die Berechnung des Längengrads, d.h. er geht auf die Frage „por qué el gallo canta a las doce de la noche en Portugal y, llevado a Francia, canta a las mismas doce, siendo así que hay una hora de diferencia" (gemäß der Übersetzung der Gaceta de Madrid) mit einer Satire über die Glücklichkeit spanischer Hähne und Hühner 363 364

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allgemeinen Haltung der Dekonstruktion festmachen. Die aggressive Satire der literarischen Typen, Gattungen und Narrative nimmt Züge der Persiflage und der Groteske an, die wenig Raum für die besonnene Präsentation von positiven Ergebnissen des Denkens lassen.369 Die (beinahe) jeden Gegenstand in Frage stellende Überzeichnung des Stils ist in ihrer Radikalität eine Vorläuferin des literarischen Konzepts von Lautréamonts Chants de Maldoror (1869). Selbst die eindeutigen und expliziten (als solche in der Zeit rezipierten) Traktatelemente - etwa solche, die auf gesundem Menschenverstand basierende Rezepte der natürlichen Medizin oder des glücklichen Lebenswandels behandeln (siehe etwa die „Medicina segura para mantener menos enferma la organización de el cuerpo, y assegurar al alma la eterna salud")370 - müssen aufgrund der provozierenden Adressen (zur Unterstützung der Armen), der laientheologischen Heilsversprechen und der letztlich immer im Hintergrund waltenden Ironie als radikal aufklärerisch eingestuft werden. Daher ist es auch sinnlos (und in historischer Hinsicht anachronistisch), dem Autor fragmentarische Kenntnisse und eklektizistische Bearbeitungen der Wissenschaft und der Philosophie vorzuwerfen, geschweige denn eine - für einen Rebellen selbstverständliche - Unwilligkeit, zum konstruktiven (dirigistischen) Projekt der Ilustración beizutragen.371 Torres steht insofern komplementär zu Feijoo, als bei ihm nicht die konzeptuellen Spielräume der vernunftbasierten kriti-

(inkl. einer Physiologie des Eierlegens) ein, ohne die Frage des Längengrads auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Die Abhandlung über den „spanischen Hahn" ist i.U. der einzige Beleg für eine zeitgenössische französische Torres-Rezeption. Die Jury der Académie, bestehend u.a. aus dem Abbé Bignon und Fontenelle, stellt die inhaltliche Nichtigkeit der Abhandlung fest, ist aber von deren Stil so überzeugt, dass sie dem Autor ein außerordentliches Preisgeld von 500 Livres (in Silber) ausstellen lässt. Vgl. Mercadier: Masques et miroirs, a.a.O., S. 83f., S. 556f. 369 Torres' „contribution to the history of aesthetic ideas" besteht, wie man mit P. Die sagen kann, im Prinzip der „intensification of grotesque forms". Paul Ilie: „Grotesque Portraits in Torres Villarroel", in: Bulletin ofHispanic Studies 45-1 (1968), S. 16-37, hier: S. 16f.

Dies ist der Untertitel der Vida natural, y catholica (a.a.O.). Ein Text wie El hermitaño y Torres (a.a.O.) zeigt i.Ü. sehr deutlich, dass Torres nicht nur seinen Aristoteles, sondern auch Bacon, Descartes, Malebranche und Pierre Bayle gründlich studiert hat und neben den spanischen Klassikern von Vives bis Gracián auch auf seine Zeitgenossen Tosca und Feijoo einzugehen weiß. Trotz der dem Stil geschuldeten Verkürzung lässt sich die literarische Verwendung der Philosopheme so beschreiben, dass Torres als ein „Aristoteliker der Wissenschaft" und „Baconianer der Literatur" agiert. Vgl. Sebold: Novela y autobiografía, a.a.O., S. 34f., S. 81. 370 371

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sehen Rede ausgelotet, sondern im Gegenteil die Grenzen derselben einem fortwährenden Experiment über die Reichweiten sprachlicher Ausdruckskraft unterzogen werden.

3 . 5 . REALISTISCHE SATIRE UND POLITIK DER SPRACHSPIELE. T O R R E S UND DIE INQUISITION

Wenn es im Ansatz eine Intention der Aufklärung in der Form des desengaño bei Torres gibt, etwa im Sinn der Bestärkung der individuellen Vernunft (gegen den unkritischen Autoritätsglauben) oder der Verteidigung der Armen (gegen die Willkür der Justiz und der Medizin), so hat doch die Arbeit der Sprache von Anfang an (seit 1725) eine vorrangige Bedeutung in seinem Werk eingenommen.372 Der spezifische Stil der torresschen Literatur, welcher am Beispiel der Sueños von E. Martínez Mata einer linguistischen Analyse unterzogen worden ist, fungiert zum einen als ein exakt konzipiertes Trägermedium für die in den Erzählungen aus dem Jenseits (oder dem ,verrückten' Diesseits) zum Ausdruck gebrachten antithetischen Konstruktionen. Die Häufigkeit und Insistenz der einzelnen „procedimientos expresivos" auf der semantischen („dilogía" - „paradoja" - „metábasis"), auf der syntaktischen („concatenación" - „acumulación" - „paralelismo") und auf der phonetischen Ebene („paronomasia", „antanaclasis", „retruécano")373 zeigen, dass die Varianten der hyperbolischen Antithese das bevorzugte Mittel zur ironischen Fügung (und Aufhebung) von Widersprüchen und Antagonismen ist. Zum anderen erweist sich die Arbeit am Stil aber auch als eine Technik der Verklammerung von Realismus und Satire. Während die Narrative der Verrücktheit, des Traums und der ,gespaltenen' Erzählerpersönlichkeit(en) auf die Distanzierung oder Verschleierung von Aussagepositionen abzielen, folgt das stilistische Konzept bei Torres zugleich auch einer Annäherung an den (historisierbaren) realistischen Hintergrund der im Medium der Satire kritisierten Gegenstände.

372

Aus diesem Grund werden auch die Unterteilungen der sueños morales in the-

m a t i s c h e K o m p o n e n t e n wie sueños

filosóficos,

sueños

médicos

o d e r sueños

místicos

im Entstehungsprozess des unter einem literarischen Ordnungsprinzip stehenden Gesamtwerks wieder aufgehoben. 373 Vgl. Martínez Mata: Los Sueños de Diego de Torres, a.a.O., S. 111-143.

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Das innovatorische Prinzip der realistischen Satire' zeigt sich am besten anhand der Visiones y Visitas, die auch in stilistischer Hinsicht eine besondere Hommage an Quevedo darstellen. Die drei geträumten Spaziergänge von ,Torres' und „Quevedo de mi alma" durch Madrid (Villa y Corte) funktionieren über das Zitat und die radikalisierende Transformation eines beinahe vollständigen Repertoires der charakteristischen literarischen Techniken der Sueños von 1627. Hierzu zählen das Prinzip des „Sueño als Pseudoerzählung" (als „kommentierte Vision", „Totengespräch" oder „Traum-Exordium"), die durch die Satire angegriffenen Typen und Personen (Ärzte, Anwälte, falsche Adelige, Kleriker, Frauen, Eheleute etc.), der Moralismus des Weltgerichts (inkl. Hölle und Verdammnis), die „jenseitige Situationskomik", aber auch die sprachlichen Techniken der Satire wie die Hyberbolik (durch Verdichtung oder Verallgemeinerung), Wortspiel und Pointe, die Verwendung von Neologismen und familiärer Sprachebenen sowie die „ArgotKarikatur".374 In technischer Hinsicht ist der „devoto de Quevedo"375 aus Salamanca, dies mussten auch seine Zeitgenossen und seine Gegner anerkennen, dem großen Satiriker des Siglo de Oro so nahe gekommen wie kein anderer Autor: „Lo que tenemos por cierto es, que ninguno de nuestros Nacionales se ha llegado tan cerca del famoso Quevedo."376 Die satirische Tragweite der verwendeten Techniken geht bei Torres sogar über das Original hinaus. Während die satirische Distanznahme bei Quevedo zumeist in einer übergeordneten Allegorie aufgefangen wird und La Hipocrisía, El Desengaño, La Necedad (etc.) als Idealbilder und allegorische Personen in den Sueños auftreten - wodurch auch eine Absicherung gegen die Inquisition im Fahrwasser des Moralismus vorgenommen wird - , fehlt diese allegorische Komponente 100 Jahre

374 Vgl. Nolting-Hauff: Vision, Satire und Pointe, a.a.O., S. 12, S. 47, S. 66-74, S. 109120, S. 150-160, S. 176. Die Literatur zu Quevedo und seiner Sprache ist immens. Mit Blick auf die von Torres transponierten' Techniken des „género acumulativo", der „depuración de la agudeza" und der „juguetes de ingenio" sei allein auf Maxime Chevalier: Quevedo y su tiempo. La agudeza verbal, Barcelona 1992, S. 78t., S. 156ff., S. 208ff. verwiesen und hinsichtlich der Quevedos Buscón strukturierenden „three levels of fiction" (Figur - Erzähler - Autor) auf Paul Julian Smith: Quevedo: El Buscón, London 1991, S. 48-58. 375 Entrambasaguas: „Puntualizando un dato en la biografía de Torres Villarroel", in: Miscelánea erudita, Serie 1, Madrid 1957, S. 35-37, hier: S. 35.

Juan de Iriarte: „Reseña de Los desahuciados del mundo", in: Diario de los literatos de España, a.a.O., S. 299. 376

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später bei Torres vollkommen.377 In der Anlage hypostasiert und in der Sprache radikalisiert, zielt die torressche Satire stärker auf die entsprechenden Eigenschaften (der Dummheit, Boshaftigkeit, Korruption etc.), die in lebenden zeitgenössischen Figuren verankert sind. So präsentieren die visionären Besuche der Häuser, Straßen und Plätze von Madrid ein kostumbristisches Panorama, dessen (übertriebene) Darstellung der kulturellen Decadencia so drastisch ausfällt wie vielleicht in keinem spanischsprachigen Text zuvor.378 Das Prinzip der Zuspitzung des literarischen Modells Quevedo lässt sich auf drei verschiedenen Ebenen festmachen: 1) Zunächst wird das Repertoire der Figuren, welche im 17. Jahrhundert die Sueños des verstorbenen Besuchers bevölkerten, in den Visiones um bestimmte Typen erweitert, die sich in die Reihe der gesellschaftskritischen Darstellungen von physischer und moralischer Verwahrlosung einfügen. Neben den üblichen ,einfachen Leuten' - Handwerkern, Trödlern, Mönchen, Schauspielern, Dieben, Bettlern - , die im Zusammenhang eines Lebens in Armut und Willkür variantenreich dargestellt werden, finden sich bei Torres auch Figuren, die in ihrer schieren Existenz auf gefährliche Weise anstößig sind, wie zerlumpte Soldaten, siechende Kranke und männliche Prostituierte. Die einzig verbleibende Schutzmaßnahme' zum Zweck der Distanzierung von diesen in lebensnahe Umgebungen eingebetteten Personen ist in Ermangelung der moralischen Allegorie die Verlagerung der Deskription auf die physischen Aspekte der Körper und Gesichter. Die Reihe der „grotesken Portraits",379 mit denen jede einzelne „visita" in den Visiones eröffnet wird und den Begleiter aus dem Goldenen Jahrhundert jedes Mal in eine Mischung aus ehrlichem Entsetzen und amüsiertem Staunen versetzt, ist ein sich nach und nach verselbständigendes Spiel der übertriebenen Karikatur, des phantastischen Stils und der sprachlichen (semantisch-syntaktischen) 377 „Torres no nos presentará un recorrido alegórico como Quevedo". Martínez Mata: Los Sueños de Diego de Torres, a.a.O., S. 51. 378 „Las Visiones, desbordantes, sobrecargadas de excentricidades y excesos [...], son un libro único, una cantera de lenguaje, un prodigio de desparpajo, un derroche de ingenio y de intención". Alborg: Historia, a.a.O., S. 335. 379 P. Ilie beschreibt treffend die „orgiastic quality" dieser Portraits und sucht ihre Ursache in „Torres' morbid interest in spectacle [...], his tendency to see society as the drunken parody of a once-rational body [...], his half-ribald, half-repugnant pleasure in the phenomenon of flesh [...]". Ilie: „Grotesque Portraits in Torres Villarroel", a.a.O., S. 22ff.

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Entgrenzung, das die Qualität (proto-)surrealistischer Bilder eines Lautréamont oder Andre Breton erreicht. Hiervon mögen die folgenden beiden Beispiele einen Eindruck geben: a) der verwahrloste Soldat (militar andrajoso) „Trepamos toda la calle [...] cuando dimos de ojos con un perillán vitela, limado de carnes, el pellejo vestido a raíz de la osatura, caudaloso de zancas, con una carrera de pescuezo, alma de callejón, espíritu en garrocha, pasante de cordel y aprendiz de línea; echaba por piernas dos listones de hueso más seguidos que el Alcorán; cara buida y amolada en necesidad; más angosto que el camino de la virtud, más hambriento que un noviciado", 380 b) der Strichjunge (petimetre - lindo - mozo puta) „Con su maleta de tafetán a las ancas del pescuezo, venía por este camino un mozo puta, amolado en hembra, lamido de gambas, muy bruñidas las enaguas de las manos; más soplado que orejas de juez, más limpio que bolsa de poeta, más almidonado que roquete de sacristán de monjas y más anharinado que rata de molino; hambriento de bigotes, estofado de barbas, echados en almíbar los mofletes; tan ahorcado del corbatín, que se le asomaba el bazo a la vista, imprimiendo un costurón tan bermejo en los párpados, que los ojos parecían siesos".381

Die besondere Kunst von Torres besteht darin, dass er diese Bilder - auch unter Beifügung von Begriffen, die aus dem Kontext der selbstreflexiven Beschreibung des Textherstellungsprozesses entstammen in wenigen Strichen zeichnen kann: „Era el mercader de libros garrafal de narices, frondoso de cejas, con cagalutas de lagañoso y prólogos de calvo", oder: „Era el [cocinero] salvaje muy pleonasmo de cabeza, llevando sobre un cuello ganapán un protocimborrio [...] sus ojos tan alegres, que en sus movimientos se escuchaban folias y fadangos", oder Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. 28. „Extraña figura -dijo Quevedo". Ebd., S. 30. Ebd., S. 72. „Dime, Torres -dijo Quevedo- ¿qué mozo es éste y otros mil vagabundos que he visto rodar por esa Corte?" Ebd., S. 73. Neben den physischen Erscheinungen sind auch die Beschreibungen der Übergänge in den Traum Gegenstand der surrealistischen' Sprachkunst. Hierfür sei nur ein Beispiel aus dem zweiten Traum angeführt: „Molido [...] como si me hubieran echado un compás de acebuche sobre los lomos, y ya ocupada la cavidad del celebro de materia fumosa, a pesar del bataneo de las tablas y la tiranía de los vuelcos, a la dulce violencia de los arrullos y la sabrosa pesadez de los vapores se derribaron las pestañas, se tumbó el juicio, se remató el sentimiento, huyó la razón, y yo quedé como un bruto en los brazos del sueño." Ebd., S. 108. 380 381

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auch: „Estaban [los músicos] dando solfas de murmuración a cuantos veían y descompasadamente hiriendo con la lengua, no la opinión, sino las figuras de los que pasaban por la calle [...]; todos eran jorobados de ijares, y enseñaban unas muescas por los lomos, más hundidas que alma de condenado".382 Die ins Groteske gesteigerte Karikatur der klassischen Portraittechnik, dessen formale Topologie und Reihenfolge der Beschreibung - Gesicht, Augen, Bart, Zähne (gefolgt von Bauch und Gliedmaßen) - von Quevedo übernommen ist,383 und punktuell aus dem Bildmaterial des Hieronymus Bosch angereichert ist, erzeugt jedoch stets nur kurz aufblitzende Kleinkunstwerke (im Kunstwerk). Jenseits dieser Momente des autonomen Sprachspiels sticht der Realismus der Umgebung umso deutlicher hervor, dessen geradezu medizinischer Naturalismus nicht weniger schockierend' wirken soll, wie die folgende Passage der (vermeintlichen) moralischen Entrüstung über die Arbeit der Geburtshelfer im Armenhospiz belegt: - ¿En qué angustia consideras al prójimo -dijo Quevedo-, [...] es la ira de la tempestad, o el espíritu de la fornicación? - Cuasi lo mismo -le respondí-; porque esos que van arrastrados de aquel coche son vendimiadores de vientres, pasteleros de úteros, segadores de menstruos, hurones de pocilgas humanas y buzos de orines, que empujando vaginas y haciendo allá a las tubas falopianas, entran a chapuzo por los que se anegan en la profundidad de los ríñones.384

2) Eine weitere Ebene der Zuspitzung des literarischen Modells besteht in der mit der Erweiterung des Figurenarsenals einhergehenden Steigerung der verwendeten Sprachniveaus. Während in Quevedos Konfrontation der Stile die Karikatur der einfachen Sprache(n) des Volks ,nur' in der wörtlichen Rede der die Traumerzählung (oder den Picaro-Roman) bevölkernden Figuren zum Ausdruck kommt, zeichnet sich Torres' Sprache durch eine Transposition der familiären und dialektalen Sprechweisen aus der direkten Figurenrede in den beschreibenden Text aus. Hierdurch erzeugt der Autor seiEbd., S. 35f„ S. 120, S. 90. Auch unmittelbare (visuelle) Anleihen unternimmt die stilistische QuevedoHommage. Ein zentrales Beispiel ist die Vida, in der das - gefälschte - Selbstportrait des ,Torres' den entsprechenden Zügen des Licenciado Cabra aus Quevedos Buscón angeglichen wird. Vgl. Ettinghausen: „Torres Villarroel's self-portrait", a.a.O., S. 322. 382

383

384

Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. 58f.

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nen eignen, typischen Prosastil, der sich als ein „prodigio de riqueza verbal [y] de esfuerzo estilístico" beschreiben lässt: „no sólo parece tener a su disposición todo el léxico de los clásicos, sino el habla de la calle, y una asombrosa agudeza para la innovación lingüística que le permite lanzar neologismos [...] y traslaciones de sentido de sorprendente originalidad".385 Ohne dass die fast immer verbleibende Möglichkeit einer Entschlüsselung dieser Sprachspiele das Band mit dem Leser ganz zerschneidet - der entsprechende Ansporn auch des heutigen Philologen wird in den allermeisten Fällen belohnt - , beruht das Konzept dieser vom kostumbristischen Geschehen ablenkenden ,Kunstpausen' auf einer eigentümlichen Synästhesie von Bildlichkeit, Klang und Rhythmus, die teilweise an die Grenze des erfolgreichen Verständnisspiels führt. Mit Bezug auf die Variabilität der literarisch verarbeiteten Sprachregister besteht die historische Besonderheit des torresschen Stils zudem in der Verwendung nicht nur der (für den Picaro üblichen) „vulgarismos" und des „léxico de germania", 386 sondern auch von „dialectismos" der lokalen Mundart aus der Region Salamanca. Worte wie „bandujo" (Tiermagen), „ligrimo" (Gemüsekopf) oder „hambreón" (Hungerleider),387 die ohne besondere Erklärung eingeführt, aber auf subtile Weise in Konzeptbegriffe (zum Beispiel in der hier aufgerufenen Isotopie zur Erzeugung einer Atmosphäre des Hungers) verwandelt werden, zeugen von einer sehr modernen Form der regionalistischen Sprach- und Sittenbeschreibung.388 Zugleich trägt das neue Sprachmaterial zu einer Umformung oder gar 385 Alborg: Historia, a.a.O., S. 318, S. 335. „The style of the Visiones y visitas is unparalleled in the complexity, ränge, and obscurity of its lexicon [...] The book is permeated with words rarely seen in literature". Die: „Grotesque Portraits in Torres Villarroel", a.a.O., S. 29. 386 Beispiele hierfür sind bei Torres vorkommende Begriffe wie „bribia" (Wortwitz), „bufaire" (Spion), „estafa" (Schutzgeld), „jaque" (Zuhälter), „penca" (Peitschenhieb), „pobreta" (Prostituierte) etc. Vgl. Martínez Mata: Los Sueños de Diego de Torres, a.a.O., S. 105f. (mit Bezug auf José Luis Alonso Hernández: Léxico del marginalismo del Siglo de Oro, Salamanca 1977). 387 Ebd., S. 107f. Die linguistische Quelle ist José de Lamano y Beneite: El dialecto vulgar salmantino, Salamanca 1915. 388 In der Kurzerzählung Historia de historias von 1726 (in: Barca de Aqueronte, a.a.O., S. 217-236) treibt Torres, Quevedos Cuento de cuentos (in: Prosa festiva, a.a.O., S. 389-411) ,imitierend', die Ausstellung der „maneras de hablar vulgares" auf experimentelle Weise auf die Spitze. Die Erzählung der äußerst banalen Amourette einer (,geschorenen') Figur namens Sebastian Chamoso, deren Details für das Verständnis des Geschehens absolut unerheblich sind, besteht hier in der simplen Aufreihung

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Umkehrung des Prinzips der „asociación ingeniosa entre palabras e ideas" des klassischen Konzeptismus bei: „la complejidad, amplitud y oscuridad de su léxico [...] hacen pensar en el conceptismo, pero al revés del tradicional, basado en latinismos y cultismos, es éste un conceptismo del s lang".389 3) Schließlich beruht die allgemeine konzeptuelle Orientierung der Auslotung und Ausweitung der Grenzen literarischer Ausdrucksmöglichkeiten - in der Kombination aus einer Verdichtung sprachlicher Register und narrativer Topoi mit einer die Aussagegefüge stets unterschwellig korrumpierenden Ironie - bei Torres Villarroel auf einer Philosophie, die trotz der ins Jenseits gerückten Kommunikationsumgebungen und der immerwährenden Ablenkung durch fabulöse Spiele mit der immanenten Eigenkraft der Sprache deutlich realistische bzw. ,naturalistische' Züge trägt. Der frühen Maxime „la filosofía no es otra cosa que un conocimiento de las cosas naturales",390 die 1724 im Modus des Bekenntnisses sueño filosófico betitelt wird, bleibt Torres durch eine Haltung treu, die ihn zu einem politischen Schriftsteller und Feind der die zeitgenössische Naturphilosophie bekämpfenden Institutionen macht. Vor allem die Radikalität des sozialkritischen Engagements kommt durch die Hyperbolik des Stils auf eine zugleich distanzierte und gesteigerte Art und Weise zum Ausdruck. Die Monstrosität im Aspekt der ,ausgemergelten', verwahrlosten', ,kranken' oder hungernden' Typen - der ,,demonio[s] en hábito de hombre[s]"391 - zielt auf die natürliche Beschreibung der realen Lebensumstände von einfachen Menschen im Kontext der Dekadenz (wobei die schräg gesetzten Eigenschaftsworte in der Zeit als ästhetische Kampfbegriffe zu verstehen sind). Der literarische Aspekt der torresschen Naturphilosophie besteht in einer Realitätsbehauptung der spanischen Dekadenz, die, von den Spielen der Stilkarikatur umgeben, in einer von den späteren Aufklärern kaum mehr erreichten Unmittelbarkeit zum Ausdruck kommt: marginaler und lokaler Redeweisen (ohne dass hier ein anderes Konzept als die reine Exposition erkennbar wäre). Vgl. Alan Soons: „The Fiction of a Time of Dearth: Historia de historias", in: Annali dell'Instituto Universitario Orientale 18 (1976), S. 145-150. 389 Alborg: Historia, a.a.O., S. 337, Herv. i. T. Ilie beschreibt Torres' „peculiar conceptismo all his own" als einen „reverse Gothicism", als eine Mischung aus „infratranscendent argot" und „hidden roots of a cultist slang". Ilie: „Grotesque Portraits in Torres Villarroel", a.a.O., S. 29. 390 Torres (1724): Viaje fantástico, in: Ders.: Sueños 1, Salamanca 2005, S. 56. 391 Ders.: Visiones y visitas, a.a.O., S. 41.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung Ningún siglo ha rebosado más embustes [...] Mal haya el siglo en que es política la necedad y condición de bien criado la ignorancia [...] En otro tiempo era la lección el pan de cada día [...] Hoy se nos sale la vida por los agujeros de la hambre. Mal haya la edad tan bruta, siglo irracional [...].392

Die Gründe für die Anklage werden, in der indirekten Rede der geträumten Figuren kaum verhohlen, ebenso klar benannt wie die Symptome der behaupteten Dekadenz. Die „incultura y negligencia de las almas de esta infeliz edad", die „corrupción de las costumbres de tu siglo" (aus der Sicht Quevedos) oder die „barbaridad [a que] ha llegado el presente siglo"393 wird auch am verwahrlosten Zustand der spanischen Universitäten festgemacht (an welchem der Mathematiker Prof. Torres Mitschuld trägt) - „los viajes a la universidad son huelga, perdición de los días y el dinero"394 - sowie an der (für die Schriftsteller schmerzhaften) Ignoranz und Verkümmerung der zeitgenössischen Literatur: „Eso de poetas grandes no es fruta de este siglo [...]. Las festivas pimientas [...] ya no hay quien las guste".395 Die Dekadenz der Philosophie ist in die Kritik der Wissenschaft und der Literatur auf analoge Weise eingebettet: „Los españoles siempre fueron los micos de la especie: todo lo quieren imitar, viven con los ojos antojadizos y los gustos avarientos; y sin consultar a la razón".396 Die Ursachen der in dieser (nackten) Form kaum mehr klassisch zu nennenden Ebd., S. 31, S. 36f. Ebd., S. 35, S. 96, S. 183. 394 Ebd., S. 180. „Todos estudian en parecer lo que no son" (ebd., S. 31). Die Tatsache, dass Torres die Misere der Universität (neben Salamanca) am Real Seminario de Nobles exemplifiziert (2. Spaziergang, 11. Besuch, ebd., S. 174-184) ist ein klarer Angriff gegen die Jesuiten. 395 Ebd., S. 82. Im 4. Besuch „Las librerías y libros nuevos" werden ,Torres' und Quevedo Zeugen, wie nach einem langen Tag ein einziger Kunde den ärmlichen Buchladen an der Calle Real de la Almudena (heute: Calle Mayor) besucht und ein Kochbuch (Arte de cocina) erwirbt. Daraufhin ruft Quevedo aus: „¡Oh siglo infeliz! [...] Miren qué libros de filosofía moral buscan los hombres para enriquecer el juicio [...]". Ebd., S. 39. Torres antwortet hierauf autoironisch im oben zitierten Vorwort des Almanaque für das gleiche Jahr: „Somos cocineros los que escribimos". Ders.: Juicio nacido en la casa de la locura, a.a.O., S. 67. 396 Ders.: Visiones y visitas, S. 60f. Und auch die Philosophie wird in Torres' Küche natürlich in den Töpfen der Selbstironie verrührt: „Yo me vi de bruces al bufete, engullendo tajadas de indivisibles tarazones de átomos, pistos de materia prima y substancias de accidentes, guisadas en un Platón rancio por un cocinero de este siglo". Ebd., S. 109. 392

393

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Kritikpunkte liegen für Torres in einer allgemeinen Erstarrung der (gesellschafts-)politischen Situation, die Gegenstand einer geradezu unerhörten Systemkritik ist: La ira de la ambición, la vanidad de las pandectas, el derecho de las gentes, y el tuerto de los diablos, han hecho tan desigual partija de los bienes comunes naturales, que entre quatro Monarcas, diez Principes, veinte Duques, y catorce Hidalgos han partido toda la tierra, y ä los demás, que alentamos en el Mundo politico, no nos han dexado suelo, que pisar, ni fruto, que comer: con que en algún modo estamos precisados a hurtar, y mentir, para sacarles algo [,..]397

Welcher spanische Aufklärer der 1770er, 80er und 90er Jahre wagt in einer solchen Deutlichkeit einen solch radikalen Ausdruck der in den 1750er Jahren (nördlich der Pyrenäen) von J.-J. Rousseau ausformulierten radikalen Sozialökonomie wie Torres Villarroel im Jahre 1730? Die rationale, physiokratische Philosophie der (national-) ökonomischen Position - „lícitas son las ganancias cuando se aventuran los caudales y cuando hay calma en los lucros" - hat schon in der Satire der Visiones y visitas das Potential eines Aufrufs zum gewaltsamen Aufstand der Armen und Rechtlosen: „que vista el hombre honrado la lana del país, y beba el vino de su tierra; que al picaro se le modere en el gasto de las granas y sedas, y se le quemen los pelos postizos".398 Vor diesem Hintergrund erscheint auch die kostumbristische Beschreibung der sozialen Dekadenz in ihrer hyperbolischen Zuspitzung vor dem Jüngsten Gericht der Barca de Aqueronte in mehr als einem visionären, ikonographisch-apokalyptischen Licht. Die politische Intention der Anklage einer „infame desigualdad del nacimiento" markiert am deutlichsten der (in der publizierten Fassung von 1743 nicht mehr enthaltene, aber um 1731 als Autograph verbreitete) Juicio „De los Condes, Duques, Marqueses, Señores hidalgos y otros fantasmas espetados, haitos y hambreones que vivieron apestando y corrompiendo el mundo".399 In dieser Fassung können weder die Aspekte der apokalyptischen Vision (nach Hieronymus Bosch) noch die 397 Ders.: El mundi novi („Prologo christiano, y verdadero"), in: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 101. Eine beinahe wortgleiche Passage der ersten Fassung der Vida natural ist 1743 Anlass des Eingriffs der Inquisition (s.u.). 398 Torres: Visiones y visitas, a.a.O., S. 124, S. 128. 399 Ders [1731]: Barca de Aqueronte (Autograph des Autors), Paris 1969, S. 216-264.

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sprachspielerische Verfremdung den prinzipiellen Beweggrund der Anklage verbergen: Para finalizar el juizio de estos fantasmas hediondos, se siguió un Diablo barbirraido y remellado con un morral de culebrones por caueza [...]. Ensartáronse en esta Procesión otros Botargas de la Nobleza, Micos de la Alcurnia, sombras de la caualleria, escuchapedos de la Excelencia, tropezones de Antesala, estantiguas de coches y sillas de manos, Demandadores de Gauinete y Arrieros de colas y faramendos f...]400

Die politische Haltung, die hinter den sprachspielerischen Karikaturen der (verschiedenen Fassungen der) Barca, der Visiones, der Desahuciados und des Correo ebenso wie in der Vida natural deutlich wird, zeigt, dass Torres nicht nur die (subtilere) Adelskritik der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gegen Luxus und Müßiggang401 vorwegnimmt, sondern auch in eine radikale Theorie der ökonomischen Umverteilung transformiert. Die Elemente dieser Theorie mögen kursorisch, eklektizistisch, im Stil verborgen und ab 1743 per Autozensur korrigiert sein: das Wagnis bestimmter ,unzeitgemäßer' Gedanken macht Torres Villarroel nichtdestotrotz zu einem Vorläufer Rousseaus, welcher die folgende Betrachtung 20 Jahre später auf Französisch formuliert: „Los Principes se formaron de los tiranos que hicieron esclavas las Repúblicas [...]; con violencia escandalosa tomaron possesion de aquel suelo que Dios, y la naturaleza havian repartido ä cada racional".402 Gemäß der genannten Maxime „la política

400 Ebd., S. 252, S. 256. Zu den Eigenheiten der torresschen Orthographie (und Handschrift) in diesem zuvor unveröffentlichten Text vgl. Mercadier: „Introduction", in: Ebd., S. 9-46, hier: S. 14-22. 401 Zur ,Topik' der Adelskritik im Siglo XVIII vgl. Domínguez Ortiz: Sociedad y Estado, a.a.O., S. 345-358. 402 Torres: Vida natural, y catholica (unzensierte Fassung), „Capitulo especial, y motivo de la obra", a.a.O. [S. XV]. „II nous semble entendre la grande voix de J.-J. Rousseau reconstituer le processus d'avertissement de l'homme". Mercadier: „Introduction", a.a.O., S. 40f. Vgl. den 2. Teil des Discours sur l'origine et les fondements de l'inégalité: „Le premier qui ayant enclos un terrain, s'avisa de dire, ceci est à moi, et trouva des gens assés simples pour le croire, fut le vrai fondateur de la société civile. [...] Gardez-vous d'écouter cet imposteur; Vous êtes perdus, si vous oubliez que les fruits sont à tous, et que la Terre n'est à personne." Rousseau: Œuvres complètes, Bd. 3, Paris 1964, S. 164.

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[...] es la ciencia de todos" 403 zeichnet Torres im Verborgenen seiner literarischen Kunst Ansätze einer „utopía popular",404 die vom Geist einer Rechtfertigung der Illegalität des zu Diebstahl und Lüge - „para sacarles algo" - gezwungenen einfachen Volks zeugt. Philosophisch wird diese politische Verteidigung des Volks, die weit mehr als die Inszenierung einer (auf den alten Ehrbegriff verpflichteten) PicaroFigur ist, durch die nicht minder radikale Auffassung von einer absoluten Gleichheit der,Individuen' gestützt: „El Principe, el Duque, el Señor, ni el Monarca no esta dotado de mejores sentidos, de mas alma ni de mas puntual organización: a todos nos cubre una especie, un genero, y una diferencia".405 Zu allem Überfluss enthält diese Verteidigungslinie des Individuums gegen die Institutionen nicht nur eine rationalistische, antiautoritäre Philosophie, sondern konsequenter Weise auch Elemente einer „natürlichen" (naturalistischen) Theologie. In die politische Dekadenzanklage ist eine (ebenso verborgene wie gut erkennbare) Kritik an der Institution der Kirche eingeflochten. Auch sie setzt bereits in den Visiones an: „Los padres de esta sagrada Religión no se diferencian sino es en las estaturas; en lo demás son tan unos, que no los puede distinguir el cuidado más atento".406 Diese Kritik stützt sich auf das Argument einer urchristlichen (kommunistischen) Gemeinschaft der Nächsten, deren Grundzüge in den in Spanien institutionalisierten Theologien verloren worden seien, und zwar aufgrund der „falta de fe y el poco respeto a Dios que hay en España, siendo por el monstruoso tedio que conspira este linaje de soberbios contra la honra de su prójimo".407 Dahinter verbirgt sich, wie in der ersten Fassung der Vida natural von 1730 wiederum am unverhohlensten ausgeführt wird, die von Seiten der katholischen Kirche streng verbotene Maxime der unmittelbaren Religionsausübung, die im Prinzip keine den Glauben auslegenden Stellvertreter mehr benötigt: „La Theologia con que subió ä ser Prebendado un Sacristan, por qué no la puedes tu aprender? 403 Torres: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 166. Diese Maxime erweist sich somit auch als die dringlichere gegenüber der vorgeblichen Aufgabe der „Visitas con Don Francisco de Quevedo", die im zweiten Vorwort des Correo („A los lectores regañones [...]") nachträglich als „descubr[ir] la caca de tus costumbres" (ebd., S. 104) abgetan wird. 404 Zavala: „Utopía y astrología", a.a.O., S. 205. 405 Torres: Vida natural, y catholica, „Capitulo especial", a.a.O. [S. XV], 406 Ders.: Visiones y visitas, a.a.O., S. 177. 407 Ebd., S. 149.

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[...] Obedeciendo à Dios, y à los avisos de la razón natural, vivimos con excelente quietud, porque son los consejeros que nunca pueden engañarse, ni engañarnos".408 Es nimmt nicht wunder, dass die Inquisition hier zum Eingriff gezwungen wird. Die Parallele, die an dieser Stelle der ersten Fassung der Vida natural zwischen der natürlichen Vernunft, dem politischen Egalitarismus und dem Laienpriestertum gezogen wird, erscheint in einem (stilistischen) Zusammenhang, der es geradezu darauf anlegt, auf hyperbolische Weise Provokationen gegen die moralischen Dogmen des Papsttums und des Jesuitismus zu akkumulieren. Direkt im Anschluss führt Torres seine (von der Inquisition ebenfalls kassierte) natürliche Sexuallehre' aus, die auf das Prinzip einer körperlichen Liebe hinausläuft, die, sofern in Maßen betrieben, als der menschlichen Gesundheit förderlich betrachtet wird.409 Die Ansammlung der provokativen Sätze wird sodann durch eine (wenngleich den thetischen Charakter der voranstehenden Philosopheme auch wieder in Frage stellende) Anleihe an Francisco Sánchez (Quod nihil scitur, 1581) mit einem Versuch der stilitischen Annäherung an den Nihilismus abgeschlossen: No es bueno todo lo que se lee en los libros, no es verdad todo lo que nos dicta el Doctor, y lo que aprendemos no es todo util [...]. En el reyno del hombre, todos ignoramos lo que passa. En la región del Cielo, sospecherà mejor el que tuviere mas firme la Fè, que los sylogismos.410 Insofern beruht das Bekenntnis, das Torres 1743 im dritten Trozo seiner Vida abgibt, auf keiner Verstellung, sondern ist durchaus für ,bare 408 Ders.: Vida natural, y catholica, „Capitulo especial", a.a.O. [S. XVII, S. XXIff.] „On songe irrésistiblement à Rousseau, mais non plus à travers le Discours sur l'inégalité: cette fois [...] c'est le Vicaire Savoyard qui apparaît comme un frère spirituel de Diego". Mercadier: „Diego de Torres Villarroel aux prises avec l'Inquisition (1743)", in: Université de Provence (Hg.): Mélanges à la mémoire d'André Joucla-Ruau, Paris 1978, Bd. 1, S. 315-324, hier: S. 322. 409 „El uso legitimo, y discreto de la venus, es una expurgacion muy dulce, y saludable à los cuerpos [...]. La venus ni se ha de solicitar demasiado, ni se ha de temer con cobardia". Torres: Vida natural, y catholica, a.a.O., S. 35, S. 48. Die Provokation besteht hier vor allem darin, dass Torres darauf verzichtet, die Ehe als den legitimen Rahmen für den Vollzug der Geschlechtsakte anzuführen. Vgl. Mercadier: „Diego de Torres Villarroel aux prises avec l'Inquisition", a.a.O., S. 320. 410 Torres: Vida natural, y catholica, „Capitulo especial", a.a.O. [S. XXf.].

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Münze' zu nehmen: „Me arrojé a escribir en las materias más sagradas y más peligrosas".411 Es ist hingegen allerdings erstaunlich, dass das Santo Oficio nicht gleich das gesamte torressche Werk verboten hat. An häretischen Elementen der sensualistischen Naturphilosophie, der Anstiftung zum politischen Aufruhr, der Verunglimpfung staatlicher und kirchlicher Institutionen, der Geschichtsfälschung, der Beschäftigung mit gefährlichen Pseudowissenschaften oder auch nur der kleinbürgerlichen Anmaßung hätte es im weiten Gefüge des experimentellen „preexistencialismo literario"412 von Torres Villarroel nicht gemangelt. Die gleichbleibende, ironisch dekonstruierende Haltung, die außer den immanenten künstlerischen Prinzipien der sprachlichen ,Einkleidung' im Übrigen keinerlei Entwicklung im Gegenstandsbereich der Kritik aufweist - bei Torres scheint es in den (sterbenskranken) Bedingungen des Lebens aus der Perspektive der diabolischen Träume zwischen den Jahren 1725 und 1760 wenig Unterschied zu geben - , gilt in den meisten Büchern auf eine ähnliche, radikale Weise. Der einzige, tatsächlich erfolgte Eingriff von 1743 bietet hingegen einen Einblick in die Vorgehensweise der Institution. Die Zensur betrifft ausschließlich eine Auswahl von Formulierungen der Vida natural y católica von 1730, ohne dass ähnlich lautende Passagen in anderen Werken beanstandet worden wären, und sie erfolgt 13 Jahre nach der ursprünglich mit allen Lizenzen ausgestatteten Publikation aufgrund einer (wahrscheinlich aus Motiven einer jesuitischen Intrige erfolgten) Anzeige aus Valladolid.413 Zugleich macht die Reaktion des Schriftstellers auf die Verurteilung durch die Inquisition in prägnanter Weise deutlich, wie in Torres' literarischem Werk die politische Haltung, das philosophische Konzept und die Selbstinszenierung als Autor - im Spiel der Sprachen, Topoi und Erzählkonstellationen - ein eigentümliches Gesamtkunstwerk ergeben. Nach der öffentlichen Bekanntgabe des Verdikts bringt Torres innerhalb weniger Wochen die Publikation 411 Ders.: Vida, a.a.O., S. 126. In der (verstellenden) Autofiktion wird dieses Bekenntnis sodann per mea culpa in eine Rechtfertigung umgeformt: „Doy gracias a Dios que, habiendo sido tan loco [...], no me despeñaron mis atrevimientos en las desgraciadas honduras de la infidelidad, la ignorancia o el extravío de los preceptos de Dios, de las ordenanzas del rey y de los establecimientos de la política y la naturaleza" (ebd.). 412 Chicharro: „Introducción", a.a.O., S. 60. 413 Vgl. Mercadier: „Diego de Torres Villarroel aux prises avec l'Inquisition", a.a.O., S. 322f.

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einer Neuauflage der Vida natural auf den Weg, streicht oder verändert ausnahmslos alle beanstandeten Stellen (ohne die analogen Stellen in den anderen Werken zu berühren) und verfasst ein Memorial al Santo Tribunal de la Inquisición, den er zusammen mit einem Manifiesto „que tiene la piel de prólogo" dem neuen Text voranstellt. In dem Memorial holt er zu einem (übertrieben) eloquenten mea culpa aus, das den Geist der heiligen Zensur zum Wohle der Literatur in höchsten Tönen lobt und für den Beistand zur Reinigung seines Gewissens und seiner Seele dankt: ,,suplica[ndo] a V. A. [...] que mire por la honra de un pobre católico, tan insignemente amante de la Fe y de la Religión de Cristo, que sólo el ansia celosa y ardentísimo amor a su culto [...] pudo ponerle en las angustias de algún error [,..]".414 Im anschließenden Manifiesto bedankt sich Torres sodann beim Leser für dessen Wachsamkeit (also implizit für die Denunziation), gelobt Besserung für die Zukunft - „te prometo que desde hoy me dedico a examinar rigorosamente todas mis obras" - und ruft ihn, nicht ohne den Modus der Beschimpfung anzuspielen, zu noch größerer Wachsamkeit auf: „has de saber que a creer y a sujeción a lo que manda la Iglesia mi madre, a humildad y resignación en los castigos y decretos de sus rectísimos Inquisidores, te desafio a ti y a todo el mundo".415 Der Stolz des Schriftstellers über die ökonomisch dem Traumverkäufer keinesfalls abträgliche Sanktion - „digno de ser teológicamente censurado" - und die Übertreibung der zur Schau gestellten Beflissenheit,416 die in diesen Passagen zum Ausdruck kommen, werden neun Jahre später im fünften Trozo der Vida sodann in einer b e schichte' verarbeitet. Diese lässt - aus der gewonnenen Einsicht in das Gesamtwerk - keinen Zweifel daran, dass auch die Rekonversion nur

414 Torres: „Memorial del Doctor Don Diego de Torres al Santo Tribunal de la Inquisición" (zit. in: Mercadier: Textos autobiográficos, a.a.O., S. 118).

Ebd., S. 119f. Diese ironische und doch effektive Verschiebung der Verantwortung des Geschriebenen auf den kommunikativ eingebundenen Leser ist die letzte Etappe im Lauf der Verwandlungen innerhalb der torresschen Topologie der Leserbeschimpfung. Auf der Punkt gebracht wird sie in der Formel „Dios te perdone los desatinos, que me has hecho escribir [...]". Torres: „Prologo a todo el genero humano", in: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 283. 415

416 „He obedecido con tan resignada puntualidad y alegría esta corrección, que además de las dicciones y sílabas que me volvió borradas el Santo Tribunal, he rebanado párrafos enteros, y muchas palabras y renglones". Ders.: „Memorial del Doctor Don Diego de Torres ", a.a.O., S. 118.

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die ironische, zwischen Traum und (halber) Verrücktheit des ,Torres' aufgehobene Zurschaustellung eines obrigkeitshörigen Einlenkens ist: Yo entraba a cumplir con el precepto de la misa en una de las iglesias de Madrid; y cuando quise doblar las rodillas para hacer la reverencia y postración que se acostumbra entre nosotros, me arrebataron la acción y los oídos las voces de un predicador que desde el pulpito estaba leyendo, en un edicto del Santo Tribunal, la condenación [...] de un cuaderno intitulado Vida natural y católica. [...] Tan brumado como si saliera de una batalla, de lidiar con [...] horribles imaginaciones, llegué a mi cuarto y, cogiéndome a solas, empecé a tentarme lo católico, y me sentí, gracias a Dios, entero y verdadero profesor de la ley de Jesucristo en todas mis coyunturas. Alboroté nuevamente a mi linaje, revolví a mis vivos y difuntos [...] y viéndome libre de malas razas, de delitos y fealdades propias y ajenos, me afirmé con resolución en que yo no podía ser notado más que de bobo o ignorante, y en esta credulidad hallé el desahogo de la mayor parte de mis congojas.417

In der Praxis gelingt es Torres, die (lebensbedrohliche) Zensurbehörde durch einen dem inquisitorischen Geist entsprechenden Formalismus zu besänftigen. Mit der Behauptung der Reinheit seiner spanisch-katholischen Rasse, die kein jüdisches oder (moz-)arabisches Blut beeinträchtigt, stellt sich der Autor als ein naiver Geist dar, dem der,Irrtum' in religiösen Angelegenheiten als natürliche und als solche (per Bekenntnis) zu verzeihende Eigenschaft aneignet. Zugleich kann man guten Gewissens behaupten, dass der Autor sein Gesuch um Absolution offenkundig' ebenso wenig ernst meint wie die hyperbolische Darstellung seiner Krankheit, seiner Boshaftigkeit oder seiner der vermeintlichen Armut geschuldeten Gaunerei. Das Versprechen der Konformität wird in einen literarischen Topos transformiert und wie die anderen persönlichen oder metaliterarischen Elemente in das Geflecht der exakt auf halbem Wege zwischen Autofiktion und Autobiographie aufgespannten historias eingebaut. Mit Bezug auf das „Verstehen des Lebens von Torres Villarroel"418 ist der (historisch) erfolgreiche Umgang mit der Inquisition exakt so zu bewerten wie die zu Zwecken der Selbst417 Torres: Vida, a.a.O., S. 222H. Es folgt, analog zum Manifest von 1743, das Gelöbnis des Einkehr: „Ahora deseo con ansia que mis producciones sufran y se mejoren con sus avisos, porque éste es el único medio de hacer felices mis pensamientos y tareas" (ebd., S. 225). 418 Gumbrecht: „Vida", a.a.O., S. 159.

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rechtfertigung nahegelegte Möglichkeit der adeligen Genealogie „con quatro dedos de enjundia de Christiano Viejo sobre el corazon",419 die dem sozialen Selbstbild der sympathetischen, wenngleich im Medium der Groteske versteckten Identifikation mit der bürgerlichen Klasse eindeutig widerspricht. In literarischer Hinsicht schreibt sich diese letzte Widersprüchlichkeit - des Textes und der Interpretation - in das gattungsoffene Gefüge des mit Fiktionsbezüglichkeiten und Aussagevariabilitäten spielenden Literaturromans ein. Die (proto-freudianische) Verknüpfung von Traum und Selbstanalyse speist das theologische Element der autobiographischen „contradicciones simultáneas"420 in die experimentelle Transformation der Verhältnisse zwischen Sprache(n) und Empirie ein.421 In der stilistischen Alchimie der torresschen Prosa gehen die Politik und die Religion im Konzert der (halben) Unfassbarkeiten auf, deren grundlegendes Leitmotiv in der Frage besteht, wie weit die Ironie gehen kann, ohne sich als literarische Trope selbst aufzuheben. In dieser Hinsicht ist eine Korrektur, von welcher Seite auch immer, niemals ausgeschlossen: „No es obra segura la que no está bien reparada".422

419 „Mi Padre Pedro de Torres, es un Castellano de Salamanca [...]; me parece que es Hidalo, porque he visto algunos rollos de papel sellado, que pasta la polilla en sus navetas. Noble? No lo dudo [...]" Torres: Melodrama astrológica, in: Libros, a.a.O., Bd. 9, S. 24-49, hier: S. 25f. Vor dem Hintergrund der Adelskritik der Visiones, der Vida natural und der Barca, lässt sich die Behauptung des höfischen Geistes - „Yo he sido un leal Vasallo, y honrado Hespañol, que ha venerado a V. Magestad con imponderable passion" (ebd., S. 27) - allerdings auch als eine ebensolche Kritik im Modus der (vorgetäuschten) Selbstanklage verstehen: „Mezclado entre los duques y los arcedianos, ninguno me distinguirá de ellos, ni le pasará por la imaginación que soy astrólogo ni que soy el Torres que anda en esos libros siendo la irrisión y el mojarrilla de las gentes." Ders.: Vida, a.a.O., S. 114.

Chicharro: „Introducción", a.a.O., S. 65 Ohne sich dessen (voll) bewusst zu sein, ist Torres' pseudo-wissenschaftliche, sprachalchimistische Verwendung der Mathematik Abbild eines Teils der zeitgenössischen „Paradoxie der ontologischen Aufwertung des Empirischen" (Kondylis: Die Außlärung, a.a.O., S. 98). Für einen modernen Begriff der Sprachalchimie vgl. Jacques Bouveresse: La parole malheureuse. De l'alchimie linguistique ä la grammaire philosophique, Paris 1971, S. 25-32. 420 421

Torres: Sacudimiento de mentecatos („AI amigo que le envió la censura del Gallo español"), in: Ders.: Correo del otro mundo, a.a.O., S. 209. 422

4.

ZUR AUTONOMIE DES ROMANS IM S P A N N U N G S F E L D DES ABSOLUTISMO

ILUSTRADO.

DIE L I T E R A R I S C H E P H I L O S O P H I E DER PROSA BEI F R A N C I S C O DE ISLA: FRAY

GERUNDIO

DE

CAMPAZAS

4 . 1 . N A C H A H M U N G BIS ZUR I N E X I S T E N Z . Z U M B E G R I F F D E R

NOVELA

IM 1 8 . JAHRHUNDERT

Die Philosophie des Essays, die bei Feijoo zum Ausdruck kommt, und das Konzept des literarischen Kunstwerks von Torres Villarroel bieten als konstruktive und dekonstruktive Aspekte der gleichen, auf verschiedenen Ebenen sich orientierenden Fügung von Zeitkritik und individuellem Stil eine perfekte historische Voraussetzung für die Entwicklung derjenigen Prosagattung, die sich in der französischen und englischen Literatur als das zentrale Medium des Aufklärungsdenkens herausgebildet hat: des Romans. Trotz der idealen Möglichkeitsbedingung hat sich allerdings genau diese Entwicklung in Spanien nur auf subtile Weise realisiert. In den größeren Literaturen Europas ist der mit den älteren Gattungen des Theaters und der Poesie konkurrierende Roman - sein „abstrakter Grundzug [...], das Prozeßartige seines Wesens [...], die Ironie als Formprinzip" 1 - Ausdruck

1

Lukács: Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 60f.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

des experimentellen, regelbefreienden und selbstkonstitutiven Geistes der ,Sattelzeit'. In Frankreich, vor allem bei Montesquieu, Lesage, Voltaire, Rousseau, Diderot, Laclos, Sade, aber auch bei kleineren Autoren lässt sich der Roman in einer (geschichts-)philosophischen Perspektive als „Abbild", „motivgebende Struktur" und „Voraussetzung" einer positiven Transformation der in die Krise geratenen „teleologischen Weltdeutung" beschreiben.2 Von dieser großen Bewegung ist in Spanien jedoch kaum etwas zu erkennen. Südlich der Pyrenäen hält sich die sprichwörtlich gewordene Charakterisierung des 18. Jahrhunderts als einer „Epoche ohne Roman" 3 . Dies bedeutet zwar nicht, wie man bis in die 1960er Jahre noch angenommen hat, dass die spanische Literatur der Aufklärungszeit überhaupt keine Texte gekannt, d.h. produziert oder rezipiert hätte, die auch nach Kriterien des 20. Jahrhunderts als „novelas" zu bezeichnen wären. Allerdings gestaltet sich die „Suche nach einem Roman", der ein,genuin' spanischer ist und also nicht aus den benachbarten Traditionen (französischer und italienischer Sprache) übersetzt oder imitiert worden ist, in dieser Epoche als ein schwieriges Unterfangen.4 Hundert Jahre nach Cervantes beginnt ein Jahrhundert, in dem die Schöpfer der „novela original española" 5 an einer Hand abzuzählen sind. Es ist ein unbestreitbares Faktum, dass mit Ausnahme der großen Namen Torres, Isla und Cadalso - sowie einiger kleinerer gegen Ende des Jahrhunderts wie Montengón, Martínez Colomer oder Luis Gutiérrez - kein spanischer Autor des 18. Jahrhunderts in die Geschichte der literarischen Gattung eingegangen ist, die heute als die wichtigste angesehen wird: „En el XVIII español se produjo una ruptura, más o menos total, con un pasado momificado". 6

2 Vgl. Rudolf Behrens: Umstrittene Theodizee, erzählte Kontingenz. Die Krise teleologischer Weltdeutung und der französische Roman (1670 -1770), Tübingen 1994, S. 5-35. 3 Tietz: „Die Aufklärung in Spanien - eine Epoche ohne Roman?", in: Poetica 18 (1986), S. 51-74. 4 Vgl. Friedrich Wolfzettel: „Auf der Suche nach einem spanischen' Roman", in: Ders.: Der spanische Roman von der Aufklärung bis zur frühen Moderne. Nation und Identität, Basel 1999, S. 13-30. 5 6

Reginald F. Brown: La novela espanola 1700-1850, Madrid 1953, S. 10. Ignacio Ferreras: La novela en el siglo XVIII, Madrid 1987, S. 12.

Zur Autonomie des Romans

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Nun ist die Kritik, die in der Literaturwissenschaft an den Mängeln oder der „defizienten Modernität"7 des vermeintlichen Siglo de transición vorgebracht wird, aufgrund der kulturell und ideengeschichtlich erklärbaren Geringschätzung der spanischen Aufklärung insgesamt mit einiger Vorsicht zu betrachten. Die kanonische Inexistenzerklärung trifft ja nicht allein den Roman, sondern alle Gattungen und Formen des literarischen Ausdrucks der Zeit: „Para un historiador de la Literatura setecentista [...], la poesía dieciochesca carece de importancia, el teatro está en plena confusión y la novela no existe".8 Im Hinblick auf den Roman kann sich die gelehrte Position hier jedoch auf die Sprache der Zahlen stützen. Die erste (und seither nur geringfügig erweiterte) Bibliographie spanischer „Prosafiktionen" von Reginald Brown aus dem Jahr 1953 verzeichnet trotz der sehr offenen und „pragmatisch" angewendeten Auswahlkriterien für die Zeit von 1700 bis 1800 nur etwa 100 Einträge.9 Dies ist zweifellos „eine äußerst geringe Zahl, verglichen mit den 300 Romanen, die im deutschen Sprachgebiet allein im Jahr 1785 veröffentlicht wurden".10 Und sie steht in einem bemerkenswerten Kontrast zu dem (sozialhistorisch und anthropologisch beschreibbaren) Bedürfnis sowie der tatsächlichen, auch in Spanien sich bürgerlich behauptenden Nachfrage nach den „Welten des Romans" und deren „Ethik der schöpferischen Subjektivität", die seit

Wolfzettel: Der spanische Roman, a.a.O., S. 16. Ferreras: La novela en el siglo XVIII, a.a.O., S. 11. 9 Brown erfasst „todas aquellas obras de autores españoles residentes dentro o fuera de España (descontando a los de las Repúblicas americanas), escritas en prosa, en español o en otro idioma, aparecidas entre 1700 y 1850, que tienen carácter de ,historia ficticia' de cierta extensión, y fueron destinadas al entretenimiento de un numeroso público de lectores" (La novela española, a.a.O., S. 14). Die meisten der insgesamt ca. 500 Einträge betreffen die Zeit von 1810 bis 1850. In der Zeit davor sind die Kriterien so weich, dass auch Texte wie die Vida des Torres und die Noches lúgubres von Cadalso unter den Begriff „novela" fallen. Zur Erweiterung dieses,Kanons' vgl. Ferreras: La novela en el siglo XVIII, a.a.O. sowie Alvarez Barrientos: La novela del siglo XVIII, a.a.O. Einige seltene Texte (unter Berücksichtigung der pädagogischen Literatur) führt Paula de Demerson an: Esbozo de biblioteca de la juventud ilustrada (1704-1808), Oviedo 1976. Eine Auswahl von zeittypischen Novela-Sammlungen findet sich in der Bibliographie von Carnero: „El remedio de la melancolía y entretenimiento de las náyades. Narrativa, miscelánea cultural y juegos de sociedad en las colecciones españoles de fines del XVIII y principios del XIX", in: Femando García Lara (Hg.): Actas del I Congreso Internacional sobre Novela del Siglo XVIII, Almería 1998, S. 25-52, hier: S. 43-48. 7

8

10

Tietz: „Das 18. Jahrhundert", a.a.O., S. 251.

Die Prosa der spanischen Aufklärung

314

Cervantes einem prosaischen Paradigma der Weltdeutung anhängen, in welchem „die Seele schmäler ist als die Außenwelt".11 Anhand der Editionsgeschichte des 18. Jahrhunderts, die seit den 1990er Jahren durch die Arbeiten von F. Aguilar Piñal und J. Alvarez Barrientos als gut erforscht gelten kann, lassen sich die folgenden allgemeinen Charakteristika des (faktisch bestehenden bzw. ideologisch zugeschriebenen) NichtVerhältnisses zwischen dem Zeitalter der Aufklärung und der werdenden literarischen Königsgattung festhalten: 1) Die ausbleibende Produktion der novelas originales españolas wird zunächst durch Neuauflagen von Texten aus dem 17. Jahrhundert kompensiert. Auch in der ,dunklen' Epoche zu Beginn des 18. Jahrhunderts werden Romane gelesen, wenngleich diese nicht im „Geist der Zeit" entstanden sind, sondern denselben aus einem verblichenen Kanon von Autoren wie Maria de Zayas y Sotomayor, Gonzalo de Céspedes y Meneses, Juan Pérez de Montalbán, Cristóbal Lozano oder Alonso de Castillo Solórzano transportieren sollen.12 Auffällig bei dieser Auswahl, die von den genannten Autoren nur die kleineren „exemplarischen" Werke reproduziert und komplexe Werke wie zum Beispiel die Varia fortuna del soldado Píndaro (Céspedes y Meneses) ignoriert -, 1 3 ist die eigentümliche Beschränkung auf diejenigen Texte, deren ,Exemplarität' sich im moralischen Sinne einer Fügung der Begriffe utilidad und sensibilidad bestmöglich als ,Erbaulichkeit' interpretieren lässt. Hierfür eignen sich die das goldene Jahrhundert prägenden, unüberschaubaren und rebellischen Gattungen der novela picaresca und der novela bizantina ganz offenbar nicht.14 Vielmehr erfahren die größten Prosaerzählungen, die der Verdrängungsbewegung trotzen, wie Cervantes' Don Quijote (33 Neuauflagen), Graciáns Criticón (18 Neuauflagen), der Lazarillo de Tormes (10 Neuauflagen),

Lukács: Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 73, S. 83. Vgl. die „reediciones fechadas" bei Ferreras: La novela en el siglo XVIII, a.a.O., S. 81f. S. auch Álvarez Barrientos: La novela del siglo XVIII, a.a.O., S. 39-42. 13 Ahnliches geschieht auch mit Cervantes, dessen angesehenstes Werk trotz der mannigfaltigen Qui/ofe-Adaptionen im 18. Jahrhundert die Novelas ejemplares waren. Erst ab 1780 mit der Quyofe-Ausagbe der Real Academia durch Vicente de los Ríos ändert sich die Cervantes-Rezeption. Vgl. Tietz: „Der Don Quijote und der Aufklärungsdiskurs", in: Strosetzki (Hg.): Miguel de Cervantes' Don Quijote. Explizite und implizite Diskurse im Don Quijote, Berlin 2005, S. 273-299, hier: S. 273-277. 11

12

„La novela de estructura abierta, la verdadera novela y que tenía más porvenir, fue sistemáticamente olvidada por el siglo XVIII". Ferreras: La novela, a.a.O., S. 19. 14

Zur Autonomie des Romans

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Mateo Alemáns Guzmán de Alfarache (8 Neuauflagen) sowie Quevedos Sueños und El Buscón (jeweils 6 Neuauflagen im 18. Jahrhundert) „Kürzungen", „Übersetzungen" oder sonstige textuelle Umformungen, die sie zum Teil bis zur Unkenntlichkeit entstellen. 2) Die Inexistenz (bzw. die Seltenheit) der novela española original lässt sich anhand einer langen, das gesamte Jahrhundert durchziehenden literarischen Bewegung der transformierenden „Nachahmung" oder „Fortsetzung" älterer Werke ermessen. 15 Zu den (in Auflagen gemessen) erfolgreichsten imitadores und continuadores von Cervantes, des am häufigsten gearbeiteten' Autors, gehören zum Beispiel Werke wie La nueva Cariclea (1722) von Fernando Castillejo (in Form einer ,Neuübersetzung' Heliodors), Historia de las cuevas de Salamanca (1733) von Francisco Botello, El Alcides de la Mancha (anonym, 1750), Don Quixote de la Manchuela (1767) von Donato Arenzana, Historia del más famoso escudero Sancho Panza von Pedro Gatell (1793) oder Los enamorados o Galatea y sus bodas (1798) des im Hauptwerk Versmaß und Reim bevorzugenden „Dichter-Philosophen" Cándido María Trigueros. 16 Dem Geist dieser Werke entsprechen auch die Fortsetzungen anderer klassischer Texte sowie die Übersetzungen aus dem Französischen (und über das Französische aus dem Englischen), die ebenfalls einen 15 Die strukturelle Variabilität der textuellen Transformationsarbeit im 18. Jahrhundert zeigt sich schon anhand der verschiedenen Kategorien von „Formen", die eine „Ubersetzung" ins Spanische annehmen kann: abreviación, acumulación, compilación, actualización, nacionalización, restitución (wie bei Islas Verarbeitung des Gil Blas), recreación, traducción (im heutigen Sinne des Worts), continuación, paráfrasis etc. Inmaculada Urzainqui: „Hacia una tipología de la traducción en el siglo XVIII. Los horizontes del traductor", in: María Luisa Donaire und Francisco Lafarga (Hg.): Traducción y adaptación cultural: España-Francia, Oviedo 1991, S. 623-638. 16 Ergänzend wären auch Manuel del Pozo: Saynete nuevo (1769), Juan Beltrán: La acción de gracias a Doña Paludesia (1780), Juan Francisco de la Jara: Adiciones a la Historia del Ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha (1786), Pedro Centeno: Apéndice á la primera salida de Don Quixote el Escolástico (1789) oder Alonso Ribero: Historia fabulosa del distinguido caballero Don Pelayo Infanzón de la Vega, Quixote de la Cantabria (1792-1800) zu nennen. Für alle genannten Imitationen' gilt die allgemeine Regel: „Cuanto más cerca está un autor, en esta época, de la pura ortodoxia [neojclasicista, tanto más propenso lo veremos en interpretar torcidamente la obra de Cervantes." José F. Montesinos: Introducción a una historia de la novela en España en el siglo XIX, Madrid 1972, S. 37. Zur eigentümlichen Stellung des (von Pablo de Olavide beeinflussten) Prosawerks von Trigueros im Kontext seiner,aufgeklärt-klassizistischen' Poesie, vgl. Aguilar Piñal: Un escritor ilustrado: Cándido María Trigueros, Madrid 1987, S. 247ff.; sowie ders.: „La poesía filosófica de Cándido M. Trigueros", in: Revista de literatura 43, Nr. 85 (1981), S. 19-36.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

eingeschränkten, die großen Autoren des Jahrhunderts ignorierenden Kanon bilden.17 Hinzu kommen die Imitationen bestimmter Gattungsformen wie der novela histórica (bzw. bizantina ,lighf): Historia de Liseno y Fenisa (Francisco de Párraga, 1701), Historia verdadera y estraña del conde Fernán González (Hilario Santos Alonso, 1750), La verdadera historia de Inés de Castro (Bernardo de Calzada, 1791) oder der novela pastoril („de varia lección"): Voz de la Naturaleza (Ignacio García Malo, 178788), El engaño feliz (Mariano Madramany y Calatayud, 1795), ohne die gängigen und recht verbreiteten Ausprägungen der novela costumbrista („avant la lettre") wie Virtud al uso y mística a la moda (Fulgencio Afán de Ribera, 1729), Morir viviendo en la aldea, y vivir muriendo en la Corte (Antonio Muñoz, 1737), Copias de petimetre (Alvarez Bracamonte, 1762) oder der novela popular des viel gelesenen Autors Santos Alonso (Colección de varias historias, 1767-1768) unberücksichtigt zu lassen. All diese genannten Werke, die zuvorderst von historischem Interesse sind, lassen sich, ohne ihnen durch die Beschränkung auf das Zitat Unrecht zu tun, mehr oder weniger übereinstimmend dadurch beschreiben, dass sie die großen Formvorlagen der Klassiker (und insbesondere jene des Begründers des Literaturromans) gemäß einer zeittypischen ethisch-dirigistischen Programmatik umdeuten. Die Reduktion der großen spanischen (Erzähl-)Tradition der Prosafiktion auf den moralischen Rigorismus und den katholischen Exemplarismus des „didactismo" - unter Aussparung des berühmtesten Teils dieser Tradition, nämlich des Picaro-Romans - beschreibt das Diskursgefüge einer im Korrektiv der,Nachahmung' gefangenen Ästhetik. Ab der Mitte des Jahrhunderts wird diese Ästhetik in das allgemeine Erziehungsprogramm des absolutismo ilustrado eingebettet - sofern die Texte nicht vorn vornherein im Geist desselben entstanden oder in Auftrag gegeben worden sind - und in den Medien der literarischen Populärkultur wie etwa der „literatura

17 Zu den bekanntesten französischen Romanautoren der Epoche, die (zumeist am Ende des Jahrhunderts) ins Spanische übersetzt worden sind, gehören Fénelon, Prévost, Saint-Pierre, Lesage und Laclos. Im Übrigen bevorzugt das spanische Verlagswesen Autoren wie Baculard d'Arnaud, Ducray-Duminil, Marmontel, Volney sowie die Damen Scudéry, Leprince de Beaumont, Tencin, Genlis und Riccoboni. Vgl. Guillermo Carnero: „La novela española del siglo XVIII: estado de la cuestión (1985-1995)", in: Anales de literatura española 11 (1995), S. 11-43, hier: S. 18, S. 23ff. S. auch Montesinos:

Introducción a una historia de la novela, a.a.O., S. 20-25.

Zur Autonomie des Romans

317

de cordel" 18 implementiert. Erst ab den 1780er Jahren lässt sich in Spanien unter dem Begriff der (kostumbristischen) novela sentimental eine eigenständige Gruppe von „renovadores de la novela" beobachten, zu deren wichtigsten Repräsentanten Montengón, Martínez Colomer, José Mor de Fuentes (mit La Serafina von 1798) und Luis Gutiérrez gezählt werden, letzterer mit dem das Jahrhundert gleichsam abschließenden', ebenso radikalen wie lange Zeit verbotenen Kurzroman Cornelia Bororquia (ca. 1800). Die politischen Turbulenzen, die sodann in den Spanischen Unabhängigkeitskrieg (1808-1814) einmünden, lassen diese Bewegung jedoch, wie die Literaturhistoriker übereinstimmend festhalten, kaum zur Entfaltung kommen. 19

18 Die „literatura de cordel" (auch „pliegos sueltos" genannt) ist eine seit dem 16. Jahrhundert bekannte einfache Form der Verbreitung von Büchern ,am Bändchen' in geringer materieller Qualität, die im 18. und 19. Jahrhundert sehr verbreitet war. Enthielten sie zu Anfang v.a. Spruchsammlungen eines (reduzierten) katholischen Katechismus', erweiterte sich die Auswahl im Kontext der Aufklärung auf verschiedenste Gattungen von Erbauungsliteratur, Lebenshilfen oder (stets stark verkürzten) Ausschnitten bekannter Autoren des Theaters, der Dichtung oder der Prosa. Einen Überblick über die historische Entwicklung geben Joaquín Marco: Literatura popular en España en los siglos XVIII y XIX, Madrid 1977 und Francisco Mendoza Díaz-Maroto: Panorama de la literatura de cordel española, Madrid 2000. Zum Problem der Definition ,populärer Literatur' in Spanien vgl. María Garcia de Enterria: Literaturas marginadas, Madrid 1983, S. 21-28. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts - im Kontext der aufkommenden, in Spanien mit der Generation von 1898 verknüpften ethnographischen Wissenschaft - die explizit für die pliegos sueltos produzierten literarischen Ausdrucksformen ins Zentrum eines (den Geist der Populärkultur zum Ausdruck bringenden) literaturhistorischen Interesses rückten, zeigt sich heute, dass die Industrie dieser Bändchen im 18. Jahrhundert v.a. dem regulativen Konzept eines ausgewählten, insbesondere auf die Sexualmoral ausgerichteten Erziehungsprogramms entspricht. „La ,literatura de cordel' es una literatura más bien ,popularizada' que de origen estrictamente ,popular"'. Julio Caro Baroja: Ensayo sobre la literatura de cordel, Barcelona 1988, S. 533.

Zu den „renovadores de la novela" am Ende des 18. Jahrhunderts sind auch Fernando Gutiérrez de Vegas, Gaspar Zavala y Zamora, Diego Rejón y Lucas, Francisco de Tójar, Pablo de Olavide (unter dem Pseudonym Atanasio Céspedes y Monroy) sowie Antonio Marqués y Espejo zu zählen. Zur kurzen „Epoche" der renovadores vgl. Ferreras: La novela, a.a.O., S. 47ff., S. 59-73. Vgl. auch Teresa Barjau Condomines: La novela en España en el siglo XVIII. Teoría y evolución de un género, Barcelona 1992, Bd. 2, S. 534-626. Gemäß Álvarez Barrientos (La novela, a.a.O., S. 384-388) befindet sich die „Erneuerungsbewegung" des spanischen Romans zur Jahrhundertwende „in der Schwebe", bis José Marchena (Lecciones de filosofia moral y elocuencia, 1820) und Gómez Hermosilla (Arte de hablar en prosa y verso, 1826) das Konzept des „morali19

318

Die Prosa der spanischen Aufklärung

3) Das NichtVerhältnis zwischen der Aufklärungsepoche und der (entstehenden) literarischen Königsgattung lässt sich in Spanien schließlich am Begriff der novela und am Wandel des durch ihn bezeichneten analytischen Gegenstands festmachen. Die Schwierigkeit, die Philosophie der Prosa gemäß unserer heutigen Theorie als autonome und selbstreflexive Praxis einer textuellen Deutung gesellschaftlicher Realität zu begreifen, besteht darin, dass die offene, induktive und experimentelle Ästhetik des „Romans" erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts (wieder) als eine solche verstanden und gewürdigt worden ist. Begriffsgeschichtlich betrachtet, ist zwar der Gegenstand des modernen Romans im Siglo de Oro entstanden, nicht aber der heute üblich gewordene Gebrauch des Wortes „novela" (mit der entsprechenden Unterteilung in novela picaresca, caballeresca, bizantina, histórica, pastoril, de aventura etc.). Während Cervantes den Don Quijote in klassischer Manier noch als „Historia" ausweist und an diesem Begriff das Spiel der Verschleierung mit den Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit festmacht, wird die Verknüpfung dieses Gründungstextes mit dem Begriff „novela" erst bei Cadalso und dessen Nachfolgern vollzogen.20 Cervantes hingegen ist der erste Autor, der den Begriff (wie er im Vorwort der Novelas ejemplares nicht ohne Stolz behauptet)21 überhaupt als ein spanisches (und nicht italienisches) Wort gebraucht und damit zugleich die analog zur italienischen Tradition gedachte Bedeutung als,kurzes Prosastück' im Sinne der,erbaulichen Spielerei' ins Lexikon des Kastilischen einführt.22 Als literarischer Gegenbegriff zur Historia fungiert in der Zeit von Cervantes bis Cadalso der Begriff „romance" (ital. „romanzo"), der seit dem Mittelalter die Bedeutung

sehen Realismus" wieder aufnehmen und weiterführen. Zur Vorläuferschaft der „novela sentimental" für den costumbrismo des 19. Jahrhunderts vgl. auch Montesinos: Costumbrismo y novela. Ensayo sobre el redescubrimiento de la realidad española, Madrid 1983, S. 11-18. 20 „Pocos autores verán en el Quijote una novela, pocos la llamarán así: Cadalso, Forner, Lampillas y Marchena". Álvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 179. 21 „Yo soy el primero que he novelado en lengua castellana". Cervantes: „Prólogo al lector", in: Ders.: Novelas ejemplares, Bd. 1, Madrid 2005, S. 52. 22 Krauss: „Zur Bezeichnungsgeschichte des spanischen Worts novela", in: Ders.: Cervantes und seine Zeit, a.a.O., S. 294-307, hier: S. 298. Zu den ersten Autoren, die im 18. Jahrhundert den Begriff „novela" (im Übergang zur modernen Bedeutung) anführen, gehört Francisco Sánchez Asensio: Divertimiento del ocio, y Novela de las novelas, Madrid 1728.

Zur Autonomie des Romans

319

von „Dichtung in (nicht-lateinischer) Vulgärsprache" trägt und im Siglo de Oro auch zur Kennzeichnung des italienischen, französischen und schließlich spanischen „Epos" im alten Wortsinn der ,Sage' bzw. der,Verserzählung' dient.23 Der Begriff „novela" setzt sich insofern erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch, als er in der Zeit von ca. 1680 bis 1750 gleich mehrere negativ konnotierte Bedeutungen hinter sich lassen muss. Hierzu gehört zum einen das genannte „kurze literarische Prosastück", dessen „exemplarische Intention" eine Zugehörigkeit zum (neo-)klassischen Kanon der großen Gattungen explizit ausschließt. Hierzu gehört aber auch die nicht minder kurze ,Prosaliteratur', die im neuen Medium der prensa periódica entsteht und aus der Sicht der (international) gebildeten Künstler und Intellektuellen - analog zur novela ejemplar und zur poesía popular - in dem Ruf steht, zwar eine pädagogisch sinnvolle Technik der Massenkommunikation darzustellen, aber auch einer niederen, für die gelehrte Kritik nicht weiter erwähnenswerten Gattung anzugehören. So wie die Journalisten des 18. Jahrhunderts „novelistas" genannt werden,24 ist „novela" (analog zum französischen Wort „nouvelle") der Ausdruck für ein in der Presse, im Brief oder in der Tertulia kolportiertes fait divers. Aus diesem Grund findet sich - etwa bei Nipho, dem schaffensfreudigsten der journalistischen Prosateure - der Begriff „novelero" als Bezeichnung für den Sammler von „textos sueltos" oder „bagatelas", die ungeachtet der Form und des zeitlichen, kulturellen oder konzeptuellen Entstehungskontextes zusammengetragen werden.25 Schließlich ist die negative Konnotation des 23 Vgl. Ludwig Pfandl: „Das spanische Wort Romance. Grundzüge einer Begriffsgeschichte", in: Investigaciones lingüísticas 2 (1934), S. 242-264 (zit. in: Krauss: „Zur Bezeichnungsgeschichte", a.a.O., S. 305). 24 „Periodistas y novelistas caminan sendas paralelas en la historia literaria europea [...] En el español del siglo XVIII,novelista' se aplicó indistintamente a periodistas y escritores de novela". Alvarez Barrientos: „Novela", in: Aguilar Piñal (Hg.): Historia literaria de España, a.a.O., S. 235-283, hier: S. 237. 25 Vgl. etwa Niphos unter dem Pseudonym Antonio Ruiz y Miñondo veröffentlich-

ter Novelero de los estrados, y tertulias, y Diario universal de las bagatelas, M a d r i d 1764 (der

verschiedene Texte anderer Autoren wie etwa von Marmontel [in freier Übersetzung] oder Matías de los Reyes enthält). In der Bedeutung einer „Bagatelle", die sich in die Sammlung von formal zusammengewürfelten Misceláneas perfekt einfügen lässt, ist der Begriff „novela" auch noch am Ende des Jahrhunderts anzutreffen, etwa bei Pedro Maria Olive: Las Noches de invierno, o Biblioteca escogida de historias, anécdotas, cuentos, chistes y agudezas, fábulas y ficciones [...], 8 Bde., Madrid 1796-1797.

novelas,

Die Prosa der spanischen Aufklärung

320

spanischen Romanbegriffs auch durch den etymologisch verwandten Begriff des ,Neuen' zu erklären, welcher schon bei Mayans und Luzán aufgrund des gefährlichen' Beiklangs schlecht beleumundet war.26 Die allgemeine Geringschätzung, die bei den unterschiedlichsten Autoren des 18. Jahrhunderts in der Verwendung des Begriffs „nueva literatura" mitschwingt, kann auch aus dem Grunde in eine „novelofobia oficial en la España dieciochesca"27 umschlagen, dass der Inbegriff des Neuen - die „neue Literatur" und die „neue Philosophie" - Gegenstände französischer Provenienz bezeichnet.28 Die verschiedenen Ursachen, die für die weit verbreitete und lang andauernde Ablehnung des Romanbegriffs in Spanien bestehen, haben W. Krauss zu der Mutmaßung veranlasst, dass gerade diese Ablehnung zu seiner endgültigen Durchsetzung geführt hat: „Ausschlaggebend ist für die Verallgemeinerung des Terminus [novela], dass die Feinde der Prosafiktion ihn als Sammelbezeichnung despektierlich aufgreifen".29 Doch nicht nur der Begriff, sondern auch der Sachverhalt, der mit dem Begriff gemeint ist, muss aus einem Geflecht ideologischer Widerstände freigelegt werden. Das größte Problem, dem der Roman in der Epoche des Neoklassizismus begegnet, beruht auf der wesentlichen Eigenschaft seiner sprachlichen Verfasstheit als Prosatext (von einer gewissen Extension). Im gesamten Zeitraum von Graciáns Criticón bis zu den,Romanen' (avant la lettre) von Torres Villarroel - dies ist ein kaum von der Hand zu weisendes Argument der Dekadenzanklage - ist in Spanien kein bedeutender und zugleich originärer fiktionaler Prosatext erschienen.30 Im Anschluss an dieses historische Vakuum und in Folge der kulturkritischen (und nicht literarischen) Lektüre,

26 Vgl. Kap. 3.1. Zur Semantik des Begriffs vgl. a. Alvarez de Miranda: Palabras e ideas, a.a.O., S. 629-644 („Novator y otros parientes léxicos de nuevo. La exaltación del invento"). Zur „compleja trayectoria" der Novela - „otra rama de la misma familia léxica" - s. ebd., S. 636ff. 27 Tietz: „El proceso de secularización y la problemática de la novela en el siglo XVIII", in: Ders./Briesemeister (Hg.): La secularización de la cultura española, a.a.O., S. 227-246, hier: S. 229.

„La idea que muchos tenían de que la novela no era un género español [...] dificulta[ba] su desarrollo en nuestro país". Alvarez Barrientos: „Novela", a.a.O., S. 237. 28

Krauss: „Zur Bezeichnungsgeschichte", in: Cervantes und seine Zeit, a.a.O., S. 302. Gleiches gilt allerdings auch für die nicht-fiktionalen Prosatexte, die erst mit den novatores und Feijoo wieder Bedeutung erlangen. 29 30

Z u r Autonomie des Romans

321

die Cervantes und den „Historia"-Schreibern des Siglo de Oro durch die gelehrten Philologen Mayans, Sarmiento u.a. entgegengebracht wird - zeichnet sich der neoklassizistische Präzeptismus dadurch aus, dass er der literarischen Prosa zunächst keine Beachtung schenkt.31 Bis etwa 1750 taucht die Prosa in den Regelbüchern über die Ästhetik der schönen Literatur überhaupt nicht auf: weder die „kürzere", die als niederes Amüsement angesehen wird, noch die „längere", die als faktisch inexistent und - mit Blick auf den klassischen Geschichtsbegriff - als aporetisch gilt: „La prosa parece entenderse entonces más como vehículo de ideas que como forma literaria o artística".32 Die schöne und nützliche Sprachkunst kann - im Gegensatz zur kritischen Sprache über die Kunst - aus der Sicht eines Luzán, Montiano oder López de Sedaño nur in Versen geschrieben sein oder den klassischen Gattungen des Epos, der Tragödie und der Komödie angehören. Die „Definition" des Romanbegriffs, die im vierten Band des Diccionario de autoridades von 1734 gegeben wird, bringt den in der frühen Epoche bestehenden Zweifel über die Fähigkeit der Prosa zum Ausdruck, als ,Fiktion' etwas anderes zu transportieren als wahre oder zumindest wahrscheinliche ,Geschichte'. Und so sucht sie die ungehörige Existenz der neuen Gattung mit dem Wahrscheinlichkeitsgebot der klassischen Poetik in die Schranken zu weisen. Die „Novela" (mit Akzent geschrieben), heißt es dort, sei „Historia fingida y texida de los casos que comunmente suceden, ö son verisímiles". Im gleichen Zug wird betont, dass der Begriff ein Synonym für die Lüge sei: „[...] se toma asimismo por ficción ö mentira en qualquier materia" (wobei die Lüge auch eine listige sein kann, wie etwa am gelehrten Beispiel von Garcilasos Historia de la Florida ausgeführt wird).33 Anhand der analytischen Hilfsbegriffe „historia fingida" oder „narración fingida"34 wird das Konzept deutlich, auf dessen Grundlage So gewährt Luzán in seiner Poética von 1737 der Gattung des Romans keinerlei technische Analyse (vgl. Kap. 3.2). Auch verwendet er den Begriff allein negativ, etwa im Sinne von „novelas contrarias a la historia" (bei Ariost) oder „novelas en acción" (als Qualifizierung einer schlechten Tragödie). Luzán: La poética, a.a.O., S. 263, S. 462. 31

32

Alvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 11, S. 31.

„Echaron nueva por los Indios que el Gobernador estaba mejor de salud, y con esta novéla subieron en sus caballos". Real Academia Española: Diccionario de autoridades IV (1734), a.a.O., S. 683. 33

Dies sind die zentralen Begriffe der Literaturkonzeption von Mayans: „De la narración fingida", in: Ders.: Retórica, a.a.O., S. 258ff., S. 278 (vgl. Kap. 3.1). 34

Die Prosa der spanischen Aufklärung

322

der Roman als literarische Gattung abgelehnt und den dekadenten Epochen von vulgärem Geschmack zugeschrieben wird. Der Roman bzw. die ,fingierte Prosaerzählung' wird als ein hybrider Auswuchs gesehen, der sich zwischen den Gattungen der Geschichtsschreibung und der (schönen) Dichtung befindet und daher für die Apologeten der klassischen Regeln formal inkonsistent ist. Die daraus folgende aporetische (Selbst-)Konzeption derjenigen Autoren, die sich im Geist des Neoklassizismus dennoch auf den verschlungenen Pfaden der zu übersetzenden oder zu transformierenden Romanproduktion befinden, bringt Álvarez Barrientos konzise auf den Punkt: „No extraña que los que se dedicaran a un género híbrido, mesclado de historia y de poesía, en cuanto que creación, procuraran alejar de sí el fantasma de la novela - aunque fuera ese el género praticado [...]".3S Zugleich wird in der behelfsmäßigen „Novela"-Definition des Diccionario de autoridades die Art und Weise vorgezeichnet, wie die Neoklassizisten und - ab der Epoche des aufgeklärten Despotismus unter Karl III. - die von Staats wegen mit der Literaturkritik beauftragten eruditos ilustrados mit dem Hybrid umgehen werden. Mit dem Ziel, das im Laufe des Jahrhunderts immer weniger ignorierbare (in England und Frankreich immer erfolgreichere) Gattungsphänomen für die ethischen Zwecke des Präzeptismus einzufangen, wird der Versuch unternommen, die novela als eine „variante en prosa de géneros canonizados" 36 zu fassen. Unter Berücksichtigung der Gattungslogik der aristotelischen Poetik (in der strengen neoklassizistischen Auslegung) eignet sich für eine solche Analogie zunächst die mit den niederen Angelegenheiten einfacher Menschen befasste Komödie - wohingegen die mit den erhabenen Angelegenheiten der Götter und Heroen befasste Tragödie aus diesem Grund gerade nicht in Frage kommt.37 So entwickelt sich der Vergleich zwischen novela und comedia in den 1760er und 1770er Jahren zu einem Gegenstand der aufgeklärten Literaturkritik und Literaturgeschichtsschreibung - wie etwa bei Nipho, Alvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 27. Carnero: „La novela española", a.a.O., S. 22 37 Die Anregung für diesen ,präzeptistischen' Gattungsvergleich zwischen Roman und Komödie stammt ebenfalls vom Autor des „Novela"-Eintrags im Diccionario de autoridades (a.a.O., Bd. IV, S. 683), welcher (stillschweigend) Lope de Vegas Vorwort zu La desdicha por la honra zitiert: „Yo he pensado que tienen las novélas los mismos preceptos que las comedias, cuyo fin es haber dado su Autor contento y gusto al Pueblo, aunque 35 36

se ahorque el arte".

Zur Autonomie des Romans

323

der mit Blick auf Samuel Johnsons Zeitschrift The Rambler die „neue Literatur" aus England beschreibt: „Para formar con regularidad una novela se han de observar por primer precepto la economía y disposición que requiere la perfecta comedia".38 Tomás de Iriarte sucht in der (satirisch inszenierten) Poetologie seiner Literatos en cuaresma von 1773 den Roman und die Komödie gar in einer Art kinetischen Analogie als einen unmittelbaren' und einen nachträglichen' Modus des gleichen Vorgangs der Darstellung von Menschen in ihrer Umwelt miteinander zu verschmelzen: „La comedia [...] representa los sucesos puestos en acción; y la novela los ofrece en relación".39 Der Komödienvergleich ist ein wichtiger konzeptueller Schritt auf dem Weg zur Auslegung des Romans als autonomer Gattung mit eigenen ästhetischen Gesetzen. Denn die Komödie, die schon im 17. Jahrhundert nach eigenen Kriterien beurteilt wurde, ist die erste klassische Gattung, die in der spanischen Literaturgeschichtsschreibung, welche sich im 18. Jahrhundert unter den verschärften Bedingungen diskurspolizeylicher Regelauslegung zur Wissenschaft entwickelt, aus dem (wetteifernden) Vergleich mit der Antike herausgehoben wird.40 Zugleich erweisen sich aber für die Poetologen im Zeitalter des Neoklassizimus die gattungsspezifischen Unterschiede zwischen der Komödie und dem Roman - der Zusammenhang von

38 Nipho: Novelero de los estrados, a.a.O., S. 253 (zit. in: Álvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 107). 39 Tomás de Iriarte (1773): Los literatos en cuaresma, Madrid/Oviedo 2005, S. 179. Noch am Ende der Epoche, als der Roman 1799 in Spanien einem (kaum wirksamen) Verbot unterlegt wird, findet sich in den Regelwerken die (inzwischen zum Topos geronnene) Analogie von Roman und Komödie. Vgl. Alvarez Barrientos: „Más sobre teoría de la novela", in: La novela, a.a.O., S. 101-109. Vgl. a. Maria Josefa Alonso Seoane: „Teatro y novela en el último período de la Ilustración", in: Josep Maria Sala Valldaura (Hg.): El teatro español del siglo XVIII, Lleida 1996, Bd. 1, S. 11-31.

Der Anlass für diese Hinwendung zu einer „Historisierung" und „Relativierung" literarischer Beurteilungskriterien ist das erfolgreiche und publikumswirksame, aber (aus neoklassizistischer Sicht geradezu anarchisch) regellose Theater von Lope de Vega, welcher trotzdem - aus patriotischen Gründen - als ein spanischer „Nationalautor" gegen italienische und französische Dekadenzvorwürfe verteidigt wird: „Der Fall der comedia ist der einzige in der gesamten Literaturgeschichtsschreibung Spaniens [vor 1700], wo ein Einschnitt in der geschichtsphilosophischen Begründung vom Wandel in literarischen Dingen von einer vorherrschenden literarischen Praxis bedingt ist." Frank Baasner: Literaturgeschichtsschreibung in Spanien von den Anfängen bis 1868, Frankfurt a. M. 1995, S. 43ff„ S. 80. 40

324

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Ort, Zeit und Handlungsverlauf, die Konzeption der Charaktere und deren Bezug zur Umwelt, die Sprache (insbesondere das Verhältnis von beschreibender und direkter Rede) - gerade in Hinsicht auf die immer strenger gefassten Präzepte der literarischen Regelauslegung als so wenig vereinbar, dass sich der Vergleich zwangsläufig auf das verbleibende Element des klassischen Kanons verlagert.41 Bis zu einer Definition des Romans auf der Grundlage des Epos - „la novela es épica en prosa" 42 - , die aus der Sicht einiger Autoren (für José F. Montesinos insbesondere) am Ende der konzeptuellen Entwicklung des 18. Jahrhunderts in festere Formen gegossen wird, vergeht jedoch eine längere Phase der Herausbildung und Abwägung antagonistischer Auffassungen und Theorien, die letztlich so lange andauert, bis die endlich anerkannte und sogleich verbotene Gattung des Romans um 1800 in die romantische Epoche übergeht. Auf der Grundlage der französischen Theorie des 17. Jahrhunderts, vor allem Boileaus L'Art poétique (1674) und Le Bossus Traité du poëme épique (1693) - die von den polyglotten spanischen Gelehrten schon vor den (spät erfolgten) Übersetzungen rezipiert worden sind43 - , bildet sich mit den novatores und Luzán zunächst der Standpunkt einer absoluten Unvereinbarkeit zwischen der niederen (per se nichtliterarischen) Prosa und des zur höchsten Gattung erklärten „poema épico" heraus. Die allgemeine Definition des Epos als „imitación [perfecta] de una acción sola, entera, verdadera, verisímil, ilustre, feliz [hecha con estilo magnífico], la qual excita á los grandes personages, y los persuade á la práctica de la virtudes heroycas" 44 bringt jene Wertschätzung zum Ausdruck, die noch in den späten Jahren des 18. Jahr„La novela, entre filósofos, no podía ser sino enseñanza directa o indirecta [...]; o bien narración irónica [...] Para salvar de derecho la novela, se había tratado de asimilarla al poema épico". Montesinos: Introducción a una historia de la novela, a.a.O., S. 7f. 42 Ebd., S. 8. 43 Zur keineswegs geradlinigen Entwicklung der Epos-Theorie in der spanischen Ilustración von Rapin, Boileau und Le Bossu über Jouvency, Burriel und Luzán bis N. 41

Philoaletheias vgl. Michael Neriich: Untersuchungen

zur Theorie des klassizistischen

Epos

in Spanien (1700-1850), Paris/Genf 1964, S. 19-49. 44

Santos Diez González: Instituciones poéticas, con un discurso preliminar en defensa de

la poesia, Madrid 1793, S. 40. Der Wortlaut beruht auf der Übersetzung von Jouvency (1718,1726): Institutiones Poeticae, Madrid 1788, S. 249 (zit. in: Neriich: Untersuchungen, a.a.O., S. 31). Im angeführten Zitat ist er durch die [in eckige Klammern gesetzten] Passagen bei Juan Cayetano Losada (1794): Elementos de Poética, Madrid 1815, S. 104 ergänzt.

Zur Autonomie des Romans

325

hunderts bei Jovellanos und Juan Andrés so klingt wie 50 Jahre zuvor bei Charles Batteux. 45 Die Wende zur ,epischen' Romantheorie setzt ab jenem Moment ein, da Fénelons,Roman' Les aventures de Télémaque von 1699, der auch in Spanien - wenngleich vor der literalen Übersetzung von Covarrubias 1797 nur in verschiedenen gekürzten oder geänderten Fassungen - verbreitet ist, durch den Chevalier Ramsay und die ihn rezipierenden spanischen Philologen zum „modernen Epos" par excellence erklärt wird. 46 Fénelons ,ungehörige' Gattungsbezeichnung „poème épique en prose" und die Wiedergabe einer Episode der Odyssee in verslosem, dem Ideal der Einfachheit verpflichteten Vernakular hat bei den Präzeptisten in Spanien wahrscheinlich deshalb eine besondere Wirkung entfalten können, weil in diesem (pseudo-)historischen und zugleich utopischen Roman das Moment der moralischen Erziehung im Vordergrund steht.47 Zu didaktischen Zwecken - ad usum Delphini (Louis de France) - verfasst, wird in Fénelons Télémaque das hinter der mythischen Erzählung kaum verborgene Idealbild eines guten Königs und einer gesitteten, toleranten sowie ökonomisch und völkerkundlich aufgeklärten Herrschaft gezeichnet, dessen vermittelnde Hauptfigur, der Erzieher mit Namen Mentor - welcher gemäß der Mythe

45 „La obra clásica de la Poesía, la más alta empresa que puede imaginar el numen poético [...] es el poema épico". Juan Andrés (1784): Origen, progresos y estado actual de toda la literatura, Bd. 2, Madrid 2000, S. 95. Vgl. hierzu die Formulierung von Jovellanos (Curso de humanidades castellanas, in: Obras, BAE 46, S. 142): „Es ya umversalmente reconocido que el poema épico es el más noble de todos"; sowie die spanische Fassung von Blairs Lecciones sobre la retórica y las Bellas Letras, Bd. 4 (1804), S. 69: „Está umversalmente reconocido que el poema épico es el más noble de todos los poemas, y el más difícil en su ejecución". Bei Batteux lautet der Passus: „L'Epopée est le plus grand ouvrage que puisse entreprendre l'esprit humain". Batteux: Les beaux-arts réduits à un même principe, in: Principes de la littérature, Paris 1774, Bd. 1, S. 273 (Nachdruck: Genf 1967, S. 76). 46 Andrew Michael Ramsay: „Discours sur la poésie épique, et de l'excellence du poème de Télémaque", in: Fénelon (1699): Les aventures de Télémaque, Paris 1717, Bd. 1, o. S. Die spanische Übersetzung dieses Textes erfolgt 1756 von José Linares y Montefrío unter dem Titel: Discurso apologético sobre el poema épico, excelencias del poema de Telémaco, é impugnación de la llave que corre con el título de Llave del Telémaco. 47 „Le Télémaque [...] est un livre singulier, qui tient à la fois du roman et du poème [...]. Il semble que l'auteur ait voulu traiter le roman comme Monsieur de Meaux [i.e. Bossuet] avait traité l'histoire, en lui donnant une dignité et des charmes inconnus, et surtout en tirant de ces fictions une morale utile au genre humain". Voltaire: Le Siècle de Louis XIV, in: Ders.: Œuvres historiques, Paris 1957, S. 1008.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

die verkleidete Göttin Athene ist - eine nicht nur König Ludwig XIV. in Aufregung versetzende, sondern auch in den Geist der spanischen Aufklärung transformierbare Kritik am klassischen (französischen) Absolutismus enthält. Mit dem Streit um Fénelon wird - wie ein Jahrhundert zuvor im Streit um Lope de Vega - ein literaturgeschichtliches Faktum geschaffen, um das auch die Vertreter der Ilustración, die auf dem Kunstprinzip der in Versen geschriebenen Sprache beharren, nicht herumkommen. Den Aufklärern bleibt allerdings der Ausweg, die Flucht nach vorn anzutreten und im Fahrwasser der Spanienverteidigung über Cervantes eine Vorläuferschaft zu den französischen Romanciers herzustellen. Hierdurch wird am Ende der Epoche der Roman „unter apologetischen Gesichtspunkten [...] als spezifisch spanische Leistung im Zusammenhang der europäischen Literatur" 48 dann an die Spitze der Gattungshierarchie gehoben. Die „Einbindung des Romans in ein sonst klassizistisches poetologisches Programm" 49 ergibt sich bei den unmittelbaren Nachfolgern (bzw. der zweiten Generation) der Präzeptisten aus einer Umkehrung der Beurteilungskriterien gegenüber den Kunstformen der Literatursprache. Am deutlichsten wird dieser Wandel durch jene Romandefinition markiert, die in Anlehnung an die Kriterien des Epos durch Kriterien der (zuvor ausgeschlossenen) Komödie und der Tragödie erweitert wird. Am Ende der Aufklärungsepoche vereinigt der Roman geradezu alle formalen Eigenschaften der Literatur: „La novela, historia ficticia, o romanesca, es una narración fingida de diversas aventuras maravillosas, amorosas, jocosas, agradables, patéticas, cómicas y aun trágicas [...] escritas en prosa, con arte, para la diversión e instrucción de los lectores".50 Wird die Prosa eines nicht-historiographischen Texts zu Beginn des Jahrhunderts der literarischen Wertschätzung überhaupt als unwürdig erachtet, wird sie am Ende desselben als die technisch schwierigste und damit anspruchsvollste aller Gattungen hervorgehoben. 1786 schreibt Antonio de Capmany in der Einleitung zu seiner 5-bändigen Geschichte der spanischen Literatur: „He venido a cono-

Baasner: Literaturgeschichtsschreibung in Spanien, a.a.O., S. 57. Ebd., S. 209. 50 Batteux (in der Übersetzung von Agustín García de Arrieta): Principios filosóficos de la literatura, Bd. 9, Madrid 1805, S. 119f. Mit der Bestimmung „en prosa, con arte" wird Lopes „gusto al Pueblo, aunque se ahorque el arte" gattungsgeschichtlich und rezeptionshistorisch aufgehoben. 48

49

Zur Autonomie des Romans

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cer que la prosa, que a primera vista parece el género de composición más fácil porque es el más natural y común, es generalmente el más difícil"51. Wenige Jahre später verteidigt Antonio Marqués y Espejo seinen „philosophischen", im Geist der Utopie verfassten Roman Viage de un filósofo a Selenópolis (1804) mit dem gleichen Argument, welches um die Volte erweitert ist, dass die Schwierigkeit der Prosa gerade in der Verfasstheit einer Sprache liege, die nicht mit den immanenten Regeln der Kunst, sondern zuvorderst mit der Wirklichkeit konfrontiert sei: „En la prosa lo esencial es el fondo de las cosas, en el verso lo es el estilo. Se necesita, pues, más talento y pensamientos en la prosa que en el verso". 52 Aus dem Genie der alten agudeza, die ihre Kraft aus der Kunst des po(i)etischen Sprachstils schöpft, wird im Post-Präzeptismus eine Übersetzungsleistung mit Bezug auf die epische Qualität einer (moralisch mehr oder weniger korrekt) dargestellten Wirklichkeit. Die Gründe für den konzeptuellen Wandel - für die anfängliche Ablehnung ebenso wie für das späte Loblied - des Romans sind in der Philosophie zu finden. Der Wandel der Gattungshierarchie beruht im Kern auf einer philosophischen Auseinandersetzung um das Konzept der (fiktiven) Nachahmung.53 In Analogie zum Wandel des Begriffs der Literatur im Allgemeinen geht es bei der Frage nach den Konzeptionsmöglichkeiten des Romans - als Form der literarischen Prosa - in der Epoche der spanischen Aufklärung hierbei um eine ethische, eine politische und eine theologische Bestimmung ästhetischer Funktionen. Fasst man den Zweck literarischer Praxis präzeptistisch als eine „Orientierung" des Denkens und des Handelns individueller Rezipienten - Leserinnen 51

C a p m a n y : Teatro histórico-crítico de la elocuencia española, Bd. 1, „Discurso prelimi-

nar", Madrid 1786, S. I-CXXII, hier: S. VlIIf. 52

Antonio Marqués y Espejo: Viage de un filósofo a Selenópolis, corte desconocida de los

habitantes de la Tierra, Madrid 1804, S. 55. 53 Dies gilt i.Ü. unabhängig vom Begriff des Romans, der sich in philosophischer Hinsicht ja auch schon viel früher aus den Fängen der epischen Dichtung herauslösen lässt. So ist für R. Curtius das Epos bereits seit Dictys und Dares „Prosaroman geworden". Curtius: Europäische Literatur, a.a.O., S. 183. E. Auerbach (Mimesis, a.a.O., S. 28ff., S. 33) qualifiziert gar den Satyricon des Titus Petronius aus dem 1. Jh. (anhand der Cena Trimalchionis) als „Roman", welcher „der modernen Vorstellung von realistischer Darstellungsweise" nahekommt. Eine strukturelle (überzeitliche) Analogie zwischen Roman und Epopöe - mit unterschiedlichen geschichtsphilosophischen Prämissen des künstlerischen Blicks auf das Leben und die sich säkularisierende soziale Welt - beschreiben i. Ü. Lukács (Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 31f.) sowie Michail Bachtin:

Esthétique et théorie du roman, Paris 1987, S. 291ff.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

und Leser - , im Geist eines planvollen pädagogischen Programms zur (sozialökonomischen) Optimierung einer Gesellschaft, so folgt die ästhetische Funktion der Literatur einer philosophischen Direktive, deren Intention darauf beruht, gattungskonstitutive Momente der (Regel-) Freiheit, der Originalität oder der (subjektiven) Autonomie einzudämmen bzw. gar auszumerzen.54 Der Prozess, dem die absolutistische Philosophie angesichts der sich trotz aller Gesetzestexte, Zensuren und Verbote durchsetzenden Prosaliteratur unterzogen wird, betrifft eine Infragestellung des klassischen (bzw. neo-klassizistischen) Ideals der Schönheit, eine Überwindung der Unvereinbarkeit von (historischer) Wahrheit und Erfindung sowie eine Transformation der Bedeutung von agudeza und ingenio. Vor dem Hintergrund naturalistischer, sensualistischer und anthropologischer Tendenzen des philosophischen Denkens muss die Ästhetik des absolutismo ilustrado die alte Frage nach der Freiheit der Dichtung neu beantworten. Im gleichen Zug entwickelt sich die Anerkennung der (für die Romantik zentralen) Tatsache, dass die Gegenstände erzählter Ereignisse - ob nun epischer, dramatischer oder komischer Natur - absolut und vollständig der Imagination eines Dichters entspringen können.55 Diese Entwicklung ist letztlich eine Folge aus den theoretischen Errungenschaften der essayistischen, sprach- und geschichtsanalytischen Philosophie Feijoos und aus der praktischen Erweiterung der Grenzen der Prosa durch die ironisch-alchimistische Autoanalyse der Literatur bei Torres Villarroel. Der philosophische Wandel der ästhetischen Anschauung lässt sich anhand der Bedeutungsverschiebungen des epochalen - die zeitgenössischen Begriffe von Regel, Freiheit, Einbildung und Autonomie

54 Das Konfliktpotential dieses (revolutionären) Wandels der Literaturkonzeption zeigt sich nicht zuletzt an der Bedeutungsverschiebung, die eben diese Begriffe Originalität und Autonomie - im 18. Jahrhundert erfahren haben. Vgl. Álvarez de Miranda: Palabras e ideas, a.a.O., S. 321-333. 55 Die Tatsache, dass ein konservativer (jesuitischer) Historiker wie Juan Francisco Masdeu zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Imagination des Dichters wie selbstverständlich als autonome Eigenschaft verteidigt (vgl. Neriich: Untersuchungen, a.a.O., S. 45), markiert den vollzogenen Umschwung der ästhetischen Philosophie: „La ruina de Troya, ó La conquista de la América [...]: semejantes sucesos históricos, y otros tanbien de pura invención, pero verosímiles, son objetos dignísimos de un Poema heroico". Masdeu (1801): Arte de poética fácil, Girona 1826, S. 179, Herv. i. T.

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beherrschenden - Imitationsbegriffs nachweisen.56 Im Bann des Präzeptismus, der eine (ethische) Übereinstimmung zwischen den Begriffen der inventio und der imitatio zu erzeugen sucht, bezieht sich der Begriff der Nachahmung im Zusammenhang einer (eingeschränkt) platonischen Interpretation der aristotelischen Poetik (unter Aussparung des Prinzips der aemulatio) auf die feststehenden Vorgaben klassischer, d.h. antiker Regeln der Verfasstheit sprachbasierter Kunstformen. Bei der Frage der Nachahmung geht es in der Epoche des absolutismo ilustrado zum einen um die Entscheidung, wer nachahmen darf, d.h. welcher Autor in die Lage versetzt, beauftragt oder (nach inquisitorischer Kontrolle) mit der Erlaubnis ausgestattet wird, Gegenstände der Geschichte oder der sozialen Welt durch Sprache darzustellen'. Dabei sind die Fragen nach der Identität dieser Gegenstände ebenso wie nach der Intention der Darstellung (im dirigistischen Kontext einer allgemeinen Erziehung der zu optimierenden Gesellschaft) in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden. Zum anderen wird der Nachahmungsbegriff in ästhetischer Hinsicht auf die nachzuahmenden Formen überlieferter und zu Vorbildern kanonisierter Modelle bezogen.57 Die Dichter, Dramatiker oder Epiker stellen ihr Ingenium optimalerweise - im Angesicht einer stets unergründlichen und als Modell prinzipiell unübertrefflichen natürlichen Wirklichkeit (als Schöpfung Gottes) - in den Dienst einer Abbildung überkommener Formen von künstlerischer Naturnachahmung (im Gegensatz zur Nachahmung der Natur selbst).58 56 Vgl. Alvarez Barrientos: „Del pasado al presente. Sobre el cambio del concepto de imitación en el siglo XVIII español", in: NRFH 38 (1990), S. 219-245.

„Imitación era el resultado de copiar un modelo literario antiguo, avalado por la tradición". Álvarez Barrientos: „Del pasado al presente", a.a.O., S. 222. Daraus folgt mit Bezug auf die (dirigistische) Philosophie der Kunstformen der (kategorische) Imperativ des „plegarse al género" (ebd.), welcher ebenso für Dichter wie Meléndez Valdés oder Alvarez de Cienfuegos und Theaterautoren wie Jovellanos oder Fernández de Moratin gültig bleibt (bzw. nur im Medium äußerster Subtilität transformiert wird). Vgl. etwa Moratins perfekt klassizistische Position des aufgeklärten Theaterautors: „Lo que se llama inventar en las artes no es otra cosa que imitar lo que existe en la naturaleza, o en las obras de los hombres que la imitaron ya." Moratín: Teatro completo, Barcelona 1970, Bd. 1, S. 232. Zur romantischen Transformation der klassischen Ästhetik s. in der Folge José Marchena: Lecciones de Filosofía moral y Elocuencia, Bordeaux 1820 sowie José Gómez Hermosilla: Arte de hablar en prosa y verso, Madrid 1826. 57

58 „El poeta tiene que consultar los mejores ejemplos que conozca con el fin de ofrecer la imagen más perfecta de lo que imita, no lo que ve." Álvarez Barrientos: „Del pasado al presente", a.a.O., S. 222.

330

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Der Wandel der ästhetischen Anschauung des Imitationsbegriffs ist das Resultat einer neu entstehenden philosophischen Theorie der Literatur. Die im 18. Jahrhundert sich vollziehende Veränderung der Naturkonzeption - von einem übergeordneten Raum der kosmologischen Teleologie hin zu einem Gegenstand der empirischen Beobachtung - trifft auf eine sich (in den Formen des Essays oder des Experiments) autonomisierende, subjektivierende und darin reflexiv werdende Praxis der Literatur. Beide sind in einer Art doppeltem Befreiungskampf engagiert, der sich zum einen auf das Verhältnis zwischen den Dingen der Natur und ihrer sprachlichen Darstellung bezieht, wobei sich die Fiktion gegen den Angriff der Lüge behauptet, 59 und zum anderen auf die sprachliche Verfasstheit selbst, wobei sich die Prosa gegen die vermeintliche, von den Orthodoxen gefürchtete Regelfreiheit bewahren muss. 60 Das philosophische Problem besteht darin, „en prosa" eine Welt darzustellen, deren Sprache trotzdem „con arte"61 (also keineswegs regellos) verfasst ist. Die,Kunst der Prosa' im Roman führt sowohl theoretisch als auch praktisch zu einer Transformation des Nachahmungsbegriffs, insofern die Verknüpfung zwischen der (künstlerischen) Sprache und der (natürlichen) Wirklichkeit unmittelbar gefasst - bzw. in ihrer Vermitteltheit durch die Modelle der Alten angefochten - wird. Der Roman ist im späten 18. Jahrhun-

59 „Die Tradition unserer Dichtungstheorie seit der Antike läßt sich unter dem Gesamttitel einer Auseinandersetzung mit dem antiken Satz, daß die Dichter lügen, verstehen." Blumenberg (1964): „Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans", in: Jauss (Hg.) (1969): Nachahmung und Illusion. Poetik und Hermeneutik I, München 1983, S. 9-27, hier: S. 9. Vgl. a. Jauss (1982): Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1991, S. 294: „Der literarhistorische Rückblick ergibt, daß für die älteren Literaturen der europäischen Tradition von einer anfänglichen Nichtunterscheidung zwischen Fiktion und Realität, für die Moderne von ihrer etablierten, in mannigfaltiger Hinsicht durchgespielten Trennung auszugehen ist."

Die im Spanien der Zeit noch weit verbreitete und von Seiten der konservativen Orthodoxie vielfach erzeugte Angst vor der Denkfreiheit beruht im Kern auf der Idee, die ,Gefahren' einer Infragestellung der Heiligen Schrift (bzw. der die Interpretationshoheit beanspruchenden Institutionen), die aus einer nicht autorisierten (induktiven) philosophischen Praxis entstehen könnten, im Keim zu ersticken. Vgl. etwa die prototypisch pointierte Position von Pedro de Calatayud: „La libertad nimia, y afectada licencia en muchos Politicos, y Críticos, picados de el espiritu de la curiosidad, ä excitar questiones, poner dudas, escudriñar, y opinar en materia de Fe, se ha de temer, y huir quanto es possible." Pedro de Calatayud: El magisterio de la Fé y de la Razón, Sevilla 1761, S. 32. 60

61

Batteux (in der Fassung von Arrieta): Principios filosóficos, a.a.O., Bd. 9, S. 120.

Z u r Autonomie des Romans

331

dert in Spanien wie im übrigen Europa auf formale Weise mit einer realistischen Perspektive verknüpft (gegen die er dann im Medium der Satire anschreiben kann). Er konzipiert sich unmittelbar als „praktisches Wissen von der Welt",62 er entdeckt die Gesellschaft' - die als sozialwissenschaftliches Konzept in der Folge von Jeremy Bentham allmählich ausgeprägt wird - als eine „neue unbekannte Figur" 63 und sein „Gegenstand" ist „das Leben" bzw. „das empirische Ich". 64 Die politischen Initiativen, die diskursiv umkämpfte, aber unaufhaltsam sich vollziehende Befreiung von den klassischen Regeln in geordnete Bahnen einer aufgeklärten Literaturtheorie zu lenken, lassen sich in Spanien - ab den 1770er Jahren - im Konzept des „moralischen Realismus" bündeln. Wenn der Realismus auf der Hinwendung zur Darstellung der (sozialen) Natur „tal como es" beruht und damit auch das wenig modellhafte Leben einfacher Menschen in der sie umgebenden Wirklichkeit,imitiert', so obliegt es einer der Ästhetik vorgeordneten bzw. in dieselbe implementierten Moral, die Hoffnung auf die R e paratur' faktisch nicht zu leugnender sozialer Not (auf dem Lande und in der Stadt) als Direktive auszugeben. Hierfür dient in der Theorie an erster Stelle die ethisch gewendete Inanspruchnahme des alten Begriffs der verisimilitud (oder verosimilitud),65 mit dem die Zurschaustellung auch polizeilich unangenehmer Wahrheiten der ,Realität' in einer Logik der ,Angemessenheit' - jede Person nach ihrem Stand und ihrer

„La novela se dirige principalmente al conocimiento práctico del mundo [...] La literatura cambia su objeto de imitación, centrándose en lo que estaba alrededor del hombre, en la materia realista". Alvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 97, S. 389. 62

63 Ders.: „Del pasado al presente", a.a.O., S. 227. Vgl. a. José Escobar Arronis: „La mimesis costumbrista", in: Romance Quarterly XXXV (1988), S. 261-270, hier: S. 262f.: „La transformación del concepto de imitación en la estética del XVIII corresponde históricamente a un determinado cambio social e ideológico". Es entsteht eine „nueva concepción de mimesis en forma costumbrista", das heißt: „lo local y temporalmente limitado va a reconocerse como objeto de imitación poética."

Lukács: Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 38. „Será [la materia] verisímil, si atendidas las circunstancias de la persona, lugar y tiempo fuere creíble". Diez González: Instituciones poéticas, a.a.O., S. 69. Im Übrigen gilt (1793) für die hohe Epopeia das gleiche Gesetz wie für das dramatische Gedicht: „En ser Imitación conviene con toda especie de Poesía [...]: las acciones humanas son la materia próxima y primaria de la Poesía". Ebd., S. 41, Herv. i. T. In dieser Regelauslegung ist der alte Dreischritt von Mayans - „la narración debe ser clara para que se entienda; verosímil para que se crea; virtuosa o bien acostumbrada" (Mayans: Retórica, a.a.O., S. 252) zu Ungunsten der modellhaften Schicklichkeit überwunden. 64

65

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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Möglichkeit - aufgefangen werden soll, nicht ohne die Anforderungen an die Katharsis der zu kontrollierenden Leser mit dem Ziel einer pädagogischen Distanzierung entsprechend aufzurüsten. Hierfür dient des Weiteren, mit Bezug auf die (kriegerische) Querella de los antiguos y modernos, eine auf patriotische Argumente gestützte Verteidigung der Partei der Alten, die nur in sehr wenigen Fällen prinzipiell, dann aber - wie bei N. Philoaletheias - auf radikale Weise in Frage gestellt wird.66 Auf der praktischen Ebene wird dieses Gefüge zudem durch eine Traktatliteratur gestützt, die sich wissenschaftlich (historisch-kritisch) zuvorderst auf die Dichtung und ordnungspolitisch (reformatorisch) auf das Theater konzentriert, wohingegen 1799 der lange vernachlässigte Roman von staatlicher Seite zu einer Zeit mit einem „allgemeinen Publikationsverbot"67 belegt wird, als die Büchse der Pandora bereits geöffnet und das Kind der Reform längst in den Brunnen gefallen ist. Schließlich sind alle genannten Elemente der historischen Herausbildung der Prosa im Zusammenhang der philosophischen, ästhetischen und politischen Entwicklungen - mit und ohne die (ihrerseits diskursiv aufgeladene) Gattungsbezeichnung ,novela' - auch im Kontext eines grundlegenden Wandels der Weltanschauung zu sehen, welcher aus Sicht der katholischen (d.h. nicht jansenistischen) Theologie mit einigem Recht als grundlegende Erschütterung wahrgenommen werden kann. Die natürliche Repräsentation des packten' sozialen Lebens in einer Sprache der Prosa stellt nicht nur ein technisches Problem des moralisch umkämpften Realismus dar, sondern beschreibt auch ein spezifisches Moment des Prozesses der Säkularisierung im 18. Jahrhundert.68 Die neoklassizistische Position „Yo me atrevo a decir, que nada es más inútil o acaso más pernicioso para formar el gusto que la lectura de los Poetas antiguos, y de la Poética de Aristóteles." N. Philoaletheias: Reflexiones sobre la poesía, Madrid 1787, S. 77f. Philoaletheias stützt sich auf Voltaires im Essai sur la poésie épique (1733) vorgebrachtes Argument, dass zu Beginn der Poesie - bei Homer - keine Gattungsdifferenzen bestanden hätten. Vgl. Neriich: Untersuchungen, a.a.O., S. 47f. Die Entdeckung der Reflexiones, deren Autor (hinter dem ,wahrheitsliebenden' Pseudonym) bis heute unerkannt ist, gebührt José Luis Cano: Heterodoxos y prerrománticos, Madrid/Gijón 1975, S. 252-279. 66

Zum ebenso drakonischen wie illusorischen Wortlaut dieser Providencia vom 27. Mai 1799 - „[de] impedir por punto general la impresión de toda novela nacional o europea" vgl. Lucienne Domergue: „Ilustración y novela en la España de Carlos IV", in: Iglesias (Hg.): Homenaje a José Antonio Maravall, a.a.O., Bd. 1, S. 483-498, hier: S. 490f. 68 Zum Begriff der Säkularisierung (der Moral) im Kontext der realistischen Romanliteratur - ein „Novum der spanischen Literatur" - vgl. Tietz: „Das 18. 67

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der regelgeleiteten Orientierung ästhetischer Gesetze fußt in ihrem theoretischen Fundament auf einem Telos der Optimierung, das ohne einen starken Transzendenzbegriff nicht denkbar ist. Hier liefert die Metaphysik der mittelalterlichen Scholastik (von Augustinus bis Pico della Mirandola) den katholischen Aufklärern Spaniens das Argument einer transzendenten Instanz, die von außen und in umfassender Weise auf alle Dinge der Natur einwirkt, jede Situation des Denkens auf eine übergeordnete Meta-Ordnung hin ausrichtet und in der christlichen Tradition zudem den großen Vorteil besitzt, mit ,Gott' einen univoken Namen zu besitzen. Dieser theologisch wertvolle (unendliche) Punkt der „Transzendenz als Transzendenz aller Transzendenzen", 69 von der jede Ordnung ausgeht und auf den (im Zusammenfall von Anfang und Ende) jede Ordnung hinstrebt, ermöglicht es dem dirigistischen Ordnungspositivismus des aufgeklärten Präzeptismus, die Gerichtetheit von Veränderung oder Optimierung theoretisch zu rechtfertigen. Dieser Punkt wird jedoch auf gefährliche Weise in Frage gestellt, sobald den Dingen der Natur oder gar den Menschen - und sei es nur im atomistischen Detail - innere (autonome) Kräfte zugedacht und per Imitation bestärkt werden, die nicht mehr mit Gottes Hilfe von außen ,dirigierbar' sind. Die Auffassung einer (Roman-)Prosa, deren Literarizität sich experimentell aus sich selbst heraus als eine autonome Form des Wissens oder Methode der Philosophie konzipiert, ist gleichbedeutend mit der reellen Bedrohung des Denkens im Geist jener ,naiven' Moraltheologie, die Spinozas Gedanken der natura naturans fürchtet (wie der Teufel das Weihwasser) und die das widersprüchliche 18. Jahrhundert ebenso prägt, wie - nördlich der Pyrenäen - die politische Revolution.70

Jahrhundert", a.a.O., S. 254; sowie ders.: „El proceso de secularización", a.a.O. Vgl. a. Alvarez Barrientos: „Novela", a.a.O., S. 237: „por las novelas se filtraban novedades en materia de relaciones sociales, nuevas ideas y actitudes vitales, políticas, literarias y religiosas que contribuían a la secularización de la sociedad"; sowie Wolfzettel: Der spanische Roman, a.a.O., S. 13: „Der neuen Konzeption des Ich [zwischen Spätaufklärung und Frühromantik] entspricht eine neue Auffassung des Verhältnisses von Ich und Gesellschaft und eine neue Erfahrung der Kontingenz in der Zeit". 69 Karl Jaspers (1947): Von der Wahrheit. Philosophische Logik I, München 1991, S. 108ff. 70 Der Säkularisierungsprozess tritt nicht nur in der Folge der Inquisitionsgeschichte, sondern auch im Zuge der die spanische Dichtungstheorie des 17. Jahrhunderts prägenden „theozentrischen Metaphysik der Künste" (Curtius: Europäische Literatur, a.a.O., S. 529, S. 541ff.) im 18. Jahrhundert mit besonderer Schärfe auf. Zur

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Die Metaphysik der Transzendenz verliert auch in der spanischen Aufklärung, wie ungefähr zeitgleich in den übrigen europäischen Philosophien, ihre Monopolstellung für die Absicherung der Weltdeutung im Allgemeinen und der imaginären Welten im Besonderen. Auch in Spanien entwickelt sich die Prosa im Medium des Romans zu einer immanenten, postmetaphysischen, auf das Soziale ausgerichteten Philosophie. Allerdings ist die Form der Prosa, die unter dem Menetekel des Romans als „transzendentale Obdachlosigkeit" oder Ausdruck einer „Verlassenheit der Welt von Gott"71 gefürchtet und entsprechend inkriminiert wird, aufgrund der diskursiven Konstellation, in die sie eingebettet ist, zu einem subtileren und zugleich selteneren Ausdruck gezwungen, als dies etwa die historische Situation in Frankreich ermöglicht hat.72

4 . 2 . POLITISCHE F U N K T I O N E N UND DISKURSIVE U M G E B U N G E N . Z U R SITUATION DER LITERARISCHEN P R O S A IN DER E P O C H E DER ,DIRIGIERTEN' K U N S T

Die Philosophie der spanischsprachigen Prosa verzeichnet in der Epoche Karls III. ihren Extensionsgewinn zur Zeit eines umfassenden poKonfrontation des metaphysischen Transzendenzbegriffs mit der säkularen Logik der aufgeklärten Dialektik, vgl. Verf.: „Die Ordnung der Literatur und das Paradigma der Metaphysik. Eine Betrachtung der Säkularisierungsthese aus der Perspektive der spanischen Aufklärimg", in: Stephan Dreischer u.a. (Hg.): Jenseits der Geltung. Konkurrierende Transzendenzbehauptungen von der Antike bis zur Gegenwart, Berlin 2012, S. 330-344. 71 Lukâcs: Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 23f., S. 93. „Der Roman ist die Epopöe eines Zeitalters, für das die extensive Totalität des Lebens nicht mehr sinnfällig gegeben ist, für das die Lebensimmanenz zum Problem geworden ist [...]" Ebd., S. 44. 72 Der Marquis de Sade fasst seine „Philosophie des Romans" im Jahre 1788 auf eine Weise zusammen, die auch in Spanien so formulierbar wäre: „Le Roman étant, s'il est possible de s'exprimer ainsi, le tableau des mœurs séculaires, est aussi essentiel que l'histoire, au philosophe qui veut connaître l'homme". Sade (1800): Idée sur les romans, Paris 1878 (Genf 1967), S. 34, Herv. i. T. Unmöglich ist hingegen die Erwartung, die radikal-realistische Darstellung der Gründe, die in der Intention der für die Romanverfolgung verantwortlichen Institutionen verborgen sind, auf analoge Weise in spanischer Sprache zu lesen: „Nous devons ce me semble répondre à la perpétuelle objection de quelques esprits atrabilaires, qui, pour se donner le vernis d'une morale, dont souvent leur cœur est bien loin, ne cesse de vous dire: A quoi servent les romans? A quoi ils servent, hommes hypocrites et pervers; car vous seuls faites cette ridicule question; ils servent à vous peindre, et à vous peindre tels que vous êtes [...]" Ebd.

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litischen und gesellschaftlichen Umbruchs. Einerseits fußt sie auf den Bedingungen und Errungenschaften der literarischen Produktion zur Zeit der Frühaufklärung - der Epoche Feijoos und Torres Villarroels - , andererseits ist sie von diesen zugleich aber auch abgeschnitten. Feijoo ist als offiziell verankerte Referenz in der Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgegenwärtig, Torres als versteckte Referenz der (in ihrer Anzahl überschaubaren) einflussreichen Prosateure stets spürbar. Die besondere Haltung der frühen Autoren als ( P r o s a s c h r i f t steller, die ungeachtet der sehr unterschiedlichen Antworten in ihrem experimentellen und (radikal-)individualistischen Umgang mit der alten (hier an die Spitze der philosophischen Wertigkeit gestellten) Frage „Was ist Literatur?" vergleichbar sind, erweist sich unter den diskursiven Bedingungen des absolutismo ilustrado jedoch trotz (oder gerade aufgrund) des Fortschritts der aufgeklärten Ideen als ein seltenes Phänomen. Im Bereich der literarischen Prosa wird eine solch umfassende Ausprägung der Position des hombre de letras im Sinne des autonomen Künstlers und freischaffenden Autors auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts (bei erheblich höherer literarischer Produktion insgesamt) nur in Ausnahmefällen erreicht. Diese Ausnahmen sind zuvorderst Francisco de Isla, der mit dem Fray Gerundio in den Jahren 1758 und 1768 den vielleicht einzigen genuinen Aufklärungsroman verfasst, und José de Cadalso, der in den Jahren von 1768 bis 1774 ein gattungsübergreifendes Gesamtwerk auf der Grundlage einer Philosophie der Prosa geschaffen hat, das mit dem Briefroman Cartas marruecas einen (sprachphilosophischen) Schlüsseltext besitzt. Diese beiden Autoren sind es auch, die zusammen mit den Vorläufern der ersten Hälfte des Jahrhunderts und einigen Repräsentanten der klassischen Gattungen - wie Jovellanos und Nicolás Fernández de Moratín (im Theater) oder Tomás de Iriarte und Juan Meléndez Valdés (in der Dichtung) - als Ereignisse der spanischen Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts ihrer Wiederentdeckung durch die Generation 1898 überantwortet werden.73

73 Die kanonische Beschränkung auf eine kleine Zahl großer Autoren ist weder als ein Argument für die spanische Dekadenz noch als Ergebnis eines (dirigistischen) Ausschlussverfahrens zu verstehen. Gerade in der Frage nach den (Gattungs-)Grenzen der Literatur zeigt sich, dass die Ausprägung der Prosaphilosophie von der Peripherie der República de las Letras ausgeht. So gehen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ja auch Autoren in die Literaturgeschichte ein - wie etwa Francisco Mariano Nipho, Pablo de Olavide, Juan Pablo Forner oder der Autor der utopischen Erzählung Sinapia -, die

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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Zur Verteidigung dieser These - d. h. der Erhebung der genannten Autoren zu (paradigmatischen) Exempeln - sind angesichts der Zäsuren im Übergang von der Früh- zur Spätaufklärung einige der in der Einleitung angeführten Kontexte der Prosaphilosophie (als Gegenstände inhaltlicher Darstellung bzw. als deren diskursive Möglichkeitsbedingungen) noch einmal zu problematisieren. Hierzu gehören neben den literaturtheoretischen und begriffsgeschichtlichen Entwicklungen diejenigen Aspekte des „Sozialsystems Literatur"/ 4 welche die formale Ausprägung der Prosa in der Epoche Karls III. beeinflussen. Dies sind 1) die diskursiven Umgebungen der Prosa in der Traktatund Briefliteratur, in den beginnenden Geistes- und Humanwissenschaften sowie der Historiographie; 2) die sozialen Umgebungen der öffentlichen' Vermittlung von Literatur durch das Zeitungswesen und die Academias; 3) die politischen Umgebungen der Kontrolle von Autoren, Texten und Lesern in den Medien des Auftrags und der Zensur. All diese Aspekte, deren Modi und Zugehörigkeiten - insbesondere vor dem Hintergrund der in dieser Zeit sich (neu) konstituierenden Begriffe des Diskurses, der Gesellschaft und des Politischen - kaum voneinander zu trennen sind, stellen prägende Faktoren für die Ausbildung stilistischer und narratologischer Merkmale der literarischen Texte dar. Sie beschreiben ein Gefüge aus literarischen Produktionsund Rezeptionsbedingungen im Spannungsbogen zwischen reflexiver Autonomie und kritischer Fremdbezüglichkeit sowie politischen, weltanschaulichen und theologischen Intentionen der Funktionalisierung von Literatur. Zunächst ereignen sich in der Geschichte des absolutismo ilustrado (1759-1789) zwei politische Zäsuren, die zu gesellschaftlichen Veränderungen in der intellektuellen Landschaft der spanischen Städte, insbesondere Madrids sowie ihrer treibenden Akteure führen. Zu Ostern des Jahres 1766 kommt es nach dem Madrider Hutaufstand (Motín de Esquiladle) - der größten Erhebung des Volks in der Zeitspanne von 1759 bis 180875 - zu einer folgenreichen Umbildung der Regierung.

mit Blick auf die technische Entwicklung der Prosa weniger genuin literarische, denn kulturelle (Mittler-) Funktionen ausüben. 74

Schmidt: Die Selbstorganisation

des Sozialsystems Literatur im 18. Jahrhundert,

a.a.O.

Kleinere (lokal begrenzte) motines ereignen sich 1773 in Barcelona (gegen das reclutamiento por quintas), 1792 in Valencia (Hätz auf die französischen Händler) oder 1804 in der Provinz Bizkaia (Zamacolada-Bewegung). Die ökonomischen und kulturellen 75

Zur Autonomie des Romans

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Mit der Abdankung des sizilianischen Kriegs- und Wirtschaftsministers Leopoldo de Gregorio, Markgraf von Squillace (der 1763 mit der Durchführung der Sozialreformen nach italienischem Vorbild beauftragt war), wird der Graf von Aranda zum Präsidenten des Consejo de Castilla ernannt, der eine kleine ,Dynastie' von (begrenzt) säkularen und um (dirigierte) Aufklärung bemühten Staatspolitikern begündet mit den Ratspräsidenten Campomanes und Floridabianca als prägenden Repräsentanten - , in deren Folge auch eine ganze Reihe der zu Renommee gelangenden Schriftsteller wie Jovellanos, Cabarrús, Forner und Meléndez Valdés mit Regierungsaufgaben betraut werden. 76 In der unmittelbaren Konsequenz dieses Ereignisses kommt es 1767 zur Enteignung und Ausweisung der Jesuiten, die vor allem ein (politisch intendiertes) Vakuum im Bereich der Schul- und Universitätsausbildung schafft.77 Daraufhin avanciert die allgemeine und angewandte Pädagogik - v.a. in den zeittypischen Bereichen der Ökonomie, des Ingenieurwesens, der Agrarwissenschaft und der Medizin - zu einem

Ursachen des Motín von 1766 - insbesondere die Brotkrise und das auslösende Verbot der traditionellen spanischen Kleidung (sombrero redondo y capa larga), mit dem eine schlecht verstandene Maßnahme zur Verbrechensbekämpfung (an der Spitze eines das Volk überfordernden Reformwerks) in eine als fremdbestimmte Herrschaftswillkür empfundene Provokation umschlägt - sind vielfach aufgearbeitet und dargestellt worden, so etwa bei Constando Eguía Ruiz: Los jesuítas y el motín de Esquiladle, Madrid 1947; Rodríguez Casado: La política y los políticos en tiempos de Carlos III, Madrid 1962, S. 130-168; Pierre Vilar: „El motín de Esquilache y la crisis del Antiguo Régimen", in: Revista de Occidente 108 (1972), S. 199-249; Laura Rodríguez Díaz: Reforma e Ilustración en la España del siglo XVIII, Madrid 1975, S. 223-300; Fernández Díaz: La España moderna, a.a.O., S. 794-805 oder jüngst bei José Miguel López García: El motín contra Esquilache. Crisis y protesta popular en el Madrid del siglo XVIII, Madrid 2006. 76 Dies bedeutet nicht, dass die Regierungen der 1770er und 1780er Jahre unter dem Einfluss der Intellektuellen liberaler geworden wären als zu Zeiten des (jungen) Marqués de la Ensenada. Nach einer kurzen Zeit der „Euphorie" (1759 bis 1766), die auf die Ankunft Karls III. aus Neapel folgt, trägt die Einbindung der Aufklärer in die Politik vielmehr zur Schwächung der oppositionellen Diskurse bei, die zuvor ihre Nischen (teilweise) in den Tertulias und der freien Presse gefunden hatten, um spätestens ab 1778, mit dem Beginn der Prozesse gegen Pablo de Olavide, einen Kurs der zunehmenden Meinungskontrolle und deutlichen Repression einzuläuten, welcher in den Jahren nach 1788 mit der Thronbesteigung Karls IV. und der Regierung von Manuel Godoy weiter verstärkt wird. 77 „Ce coup de force prive, dans ime vingtaine de villes - les plus importantes - les meilleurs collèges et le Séminaire des Nobles de Madrid, de presque tous leurs professeurs". Sarrailh: L'Espagne éclairée, a.a.O., S. 194.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

der wichtigsten Themen der politisch motivierten Traktatliteratur und bietet in der Folgezeit Anlass für die fortgesetzte Auseinandersetzung zwischen den Ideologien des orthodox papsttreuen und des patriotisch königstreuen,Katholizismus'. 78 Die von den aufgeklärten Regierungen vollzogenen gesetzlichen Eingriffe in die Literatur - das Verbot der autos sacramentales (1765), das Verbot der „pronósticos y romances" (1767), das Verbot der politischen Satiren (1778) und der entremeses (in den Pausen der Theateraufführungen, 1780), die allgemeine Zensur der Presse (in mehreren Etappen bis 1791), das Verbot der novelas (1799) sowie die stetige Erweiterung und Professionalisierung der politischen Abteilung der Literaturzensurbehörde (bis 1805) - bilden konsequente Etappen einer Bewegung ab, die trotz der Sprunghaftigkeit der programmatischen Inhalte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf eine stetige Verknappung der (immanenten) Ressourcen der Literatur im Allgemeinen sowie der literarischen Prosa im Besonderen hinauslaufen.79 Von staatlicher Seite wird die Prosa durch die intellektuellen Angestellten der República de las Letras in Formen ,amtlichen Schreibens' veranlagt und kanalisiert: in informes, memorias, discursos, ensayos, relaciones, viajes etc., in welchen der Stil und der buen gusto (in Maßen) brillieren dür78 Zum Charakter des politischen und sozialen Umbruchs sowie den kulturellen Konsequenzen der Expulsión der Jesuiten vgl. Tietz / Briesemeister (Hg.): Los jesuítas españoles expulsos. Su imagen y su contribución al saber sobre el mundo hispánico en la Europa del siglo XVIII, Frankfurt a. M. 2001, hier v.a.: José Andrés Gallego: „1767: Por qué los jesuitos", S. 77-102; Lucienne Domergue: „Les jésuites espagnoles écrivains et l'appareil d'Etat (1767-1808)" S. 265-294; sowie Rolf Reichardt: „L'imaginaire social des jésuites bannis et expulsés (1758-1773). Aux origines de la polarisation idéologique entre Lumières et Anti-Lumières", S. 473-500. Den Werdegang der Jesuiten nach der Expulsion, insbesondere deren Verankerung in der Kultur Italiens (sowie der überseeischen Vizekönigreiche) beschreibt Batllori: La cultura hispano-italiana de los jesuítas expulsos: españoles, hispanoamericanos, filipinos, 1767-1814, Madrid 1966.

Die staatlichen Maßnahmen zur politischen Beaufsichtigung der Literatur beginnen schon in den 1750er Jahren, mit der Ausweitung des Gesetzes zur zentralen Kontrolle aller zum Druck bestimmten Schriften (15.12.1749) und der Neudefinition der Funktionen der Jueces de imprenta in 19 Punkten (27.11.1752, als Gesetz erlassen am 27. 07. 1754). Zur Entwicklung der spanischen Literaturpolitik von 1750 bis 1788 vgl. Lucienne Domergue: Censure et lumières dans l'Espagne de Charles III, Paris 1982, hier mit Blick auf den Motín de Esquilache: S. 45-62 und zur Expulsión der Jesuiten: S. 63-79. Die Quelle für den Wortlaut der einzelnen Vorschriften (im Überblick ebd., S. 197-200) ist die Novísima Recopilación de las leyes de España, Bd. VIII: De las ciencias, artes y oficios, Madrid 1805. 79

Zur Autonomie des Romans

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fen, die aber stets dem absolutistischen und theologisch orientierten Gebot der utilidad unterstellt sind. „Resulta algo complicado definir, en un siglo con tanto sentido utilitario extendido entre los intelectuales, qué puede entenderse por prosa literaria".30 Für die schreibenden Minister und (Staats-)Anwälte dient die Literatur einem ihr äußerlichen Zweck, nämlich der Erzeugung und Umsetzung von Ideen der sozialen, ökonomischen und kulturellen ,Optimierung' der Nation. Hierfür werden die literarischen Werke nicht nur inhaltlich kontrolliert, sondern durch rahmende Kommunikationsvorgaben, etwa in Form von Ausschreibungen, Wettbewerben und Reiseanleitungen 81 auch formal geprägt. So ist es möglich geworden, dass zu den herausragenden stilistischen Leistungen der spanischen Aufklärungsliteratur in Auftrag gegebene ökonomische Traktate - Capmanys Discurso económico-político (1778) - , Polemiken zur Verteidigung der spanischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte - Forners Oración apologética por la España y su mérito literario (1786) - ebenso wie Abhandlungen über Landwirtschaft gezählt werden: Jovellanos' Informe sobre la Ley Agraria (1795). Hier liegt aber auch eine Ursache für die Beschränkung der Kommunikationswege der autonomen literarischen Prosa, die zugleich dadurch verschärft wird, dass sich die offiziellen Diskurse darüber, was Literatur ist, auf die (regelgeleiteten) Gattungen der Dichtung und des Theaters kaprizieren. 82

Fernández Díaz: La España moderna, a.a.O., S. 999, Herv. i. T. Dies ist die Kehrseite der umfassenden „reordenación de las prosas no artísticas" (Aullón de Haro: Los géneros didácticos y ensayísticos, a.a.O., S. 13), die das spanische 18. Jahrhundert kennzeichnet. 81 Das prototypische Beispiel für eine Spanienreise mit dem Regierungsauftrag einer möglichst umfänglichen Datensammlung für die ökonomische und kulturelle ,Land Vermessung' ist der 19-bändige Viaje de España, die Antonio Ponz in seiner Funktion als „Secretario de Su Majestad y de la Real Academia de San Fernando" zwischen 1772 und 1787 unternommen und angefertigt hat. Zur Korrespondenz zwischen Ponz und Jovellanos vgl. die Obras des letztgenannten (BAE 50, S. 271-311). Zur Philosophie der Nützlichkeit des „viaje ilustrado" vgl. Gaspar Gómez de la Serna: Los viajeros de la Ilustración, Madrid 1974, S. 71-106. 80

82 Insbesondere das Theater scheint auch aufgrund der Dirigierbarkeit seiner performativen Aspekte, d.h. der möglichen Einflussnahme auf die (sich professionalisierenden) Schauspieler, Autoren und Intendanten sowie der Überwachung von (sich individualisierenden) Zuschauern an besonderen Spielorten, die im 18. Jahrhundert an festen Orten fixiert werden, für eine Umwandlung in „moralische Anstalten" geeignet. Zudem lassen sich die Spielpläne mit Auftragsstücken füllen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass die dirigistischen Pläne die Wirklichkeit (der Theaterzuschauer) - außer

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Zur Zeit der spanischen Aufklärung treten die staatlichen Institutionen - in vorgeblicher Koalition mit und faktischer, sich zunehmend verschärfender Konkurrenz zu den kirchlichen Institutionen - als Akteure im Sozialsystem Literatur auf. Der Staat beeinflusst und verändert die Texte, die in der República de las Letras zirkulieren, er fördert, bremst oder bestraft die Schriftsteller, die im Medium eines überwachten Verlagswesens in Kommunikation mit einer unter Beobachtung stehenden literarischen Gemeinschaft treten. Er sucht durch erzieherische, bildungsreformatorische Maßnahmen den Kreis der potentiellen Leserschaft von ,ernstzunehmender' Literatur zu prägen, welcher sich aus dem überschaubaren Sozialgefüge der „letrados, funcionarios de estado, clérigos, nobles, profesionales, burócratas" rekrutiert, auf dem die zeittypische Bandbreite der tatsächlichen Leser der Literatur - „lectores concretos"83 - beruht. Er bestimmt die übergeordneten Funktionen, denen die Literatur dienen soll, und beteiligt sich praktisch und institutionell - durch in Auftrag gegebene philologische Untersuchungen (mit dem Ziel der Hervorhebung der spanischen Tradition) ebenso wie durch gesteuerte Satiren auf die (französischen) Charakteristika nicht genehmer Texte und Autoren84 - an der Beantwortung der philosophischen Frage, „was" Literatur sei. Und er greift insofern in den (intertextuellen) Haushalt der immanenten Möglichkeitsbedingungen literarischer Produktion ein, als er in Form von landesweiten - den Resonanzraum der spanischen Nation mit ermöglichenden - polizeylich-inquisitorischen Maßnahmen

vielleicht in einigen Stücken von Jovellanos - nicht treffen, so dass der erfolgreichste und in das Schema der ,bürgerlichen Aufklärung' am besten passende Theaterautor Leandro Fernández de Moratín (gemäß dem „Discurso preliminar a las comedias", in: Obras, BAE 2, S. 307-325, hier: S. 320ff.) zu dem Schluss kommt, dass das Volk durch das Theater nicht erziehbar sei. „Was auf der Bühne Erfolg hat, hat seinen Sitz im Leben". Peter Jehle: Zivile Helden. Theaterverhältnisse und kulturelle Hegemonie in der französischen und spanischen Aufldärung, Hamburg 2010, S. 190. Zu Jehles umfassender Darstellung vgl. a. Verf.: „Das Theater als Sonderfall der Aufklärung", in: Iberoromania 71-72 (2011), S. 71-78. Iris M. Zavala: Lecturas y lectores del discurso narrativo dieciochesco, Amsterdam 1987, S. 11. 83

84 Im Kontext des 1778 gesetzlich verankerten Verbots des Abdrucks politischer Satiren erweisen sich die (von Menéndez Pelayo als herausragende Werke der Zeit gelobten) literaturpolitischen Satiren von Fernández de Moratín (La derrota de los pedantes, 1789) und Fomer (Exequias de la lengua castellana, 1793) als gesteuerte Angriffe auf die bestehende (vermeintlich frankophile) Literatur.

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die Zirkulation ausländischer, insbesondere französischer Texte beschränkt.85 All diese Vorgänge und Handlungen von staatlicher Seite entsprechen einer außerliterarischen Intention, die unter dem Begriff,Aufklärung' dirigierbare Literaturpolitik versteht. Im besonderen Geflecht der verschiedenen vom Staat und/oder von der Kirche abhängigen bzw. mit ihnen konkurrierenden' Institutionen des Sozialsystems - wie etwa den Academias, Colegios und Sociedades - werden die konkreten Bedingungen der Literaturproduktion ebenso wie das Leben und der Werdegang von Schriftstellern gelenkt. Die Wirkungsweise dieser Lenkung lässt sich aber auch innerliterarisch an den textuellen und paratextuellen Strategien des Umgangs mit der Zensur festmachen, die für jeden Schriftsteller der Zeit formal erwartbar und potentiell bedrohlich ist. Ein prägnantes Beispiel in der Zeit der Frühaufklärung ist das in Kap. 3.5 beschriebene Spiel mit der (jesuitischen) Zensur in den Texten von Torres Villarroel. Auf einer formalen Ebene literarischer Intentionalität - der „prosa narrativa" insbesondere - lassen sich allgemeine (textuelle) Charakteristika eines „lector privilegiado de la Inquisición"86 bestimmen. Ein solcher Leser ist im dirigistischen und präzeptiven Ideal ein „hombre racional: interesado en el patriotismo, el vasallaje, la secularización, la crítica de la vanidad, el progreso de la filosofía, y el bien común".87 In der Praxis kommt dieses Ideal häufig nur indirekt - etwa in der narratologischen Anlage oder der paratextuellen Präsentation - dadurch zum Ausdruck, dass die Textkommunikation 85 Das (1478 von den Katholischen Königen gegründete) Tribunal del Santo Oficio ist im 18. Jahrhundert - just bis in das ,Schicksalsjahr' 1767 - jesuitisch geprägt. In der Kulturpolitik, d.h. der Indizierung von Büchern, treffen sich nach 1767 die royalistischen und die katholischen Kräfte der Inquisition in keinem Punkt besser als in der Abwehr der französischen philosophes, die Kirche und Staat gleichermaßen bedrohlich erscheinen. So wird bis 1789 besonderes Augenmerk auf alle in Spanien auftauchenden Texte der französischen Enzyklopädisten gelegt und insbesondere auf J.-J. Rousseau, der bereits 1764 mit einem Generalverbot belegt wird. Vgl. Defoumeaux: „La procédure inquisitoriale au XVIIIe siècle", in: Ders.: L'Inquisition espagnole et les livres français, a.a.O., S. 35-55. Ein „Catalogue des livres français condamnés (1747-1807)" findet sich ebd., S. 167-205. Zur besonderen Beziehung der spanischen Literatur-Feldjäger zu Jean-Jacques und dessen Lesern vgl. Spell: Rousseau in the Spanish World, a.a.O., passim; sowie Domergue: Tres calas en la censura dieciochesca (Cadalso, Rousseau, Prensa periódica), Toulouse 1981, S. 41-67. 86 87

Zavala: Lecturas y lectores, a.a.O., S. 15, S. 42f. Ebd., S. 14.

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der stillschweigenden Obedienz bestimmter Regeln des Anstands (decencia moral) und des Glaubens (pureza de lafe) unterworfen ist. Die Vorlage für die literarische Codierung dieser Regeln liefert die Inquisition durch die Sprache ihrer Indices und (langatmig) kommentierten Verbots- oder Erlaubnisschreiben, die im negativen Fall öffentlich bekannt gemacht und im positiven Fall den gedruckten Büchern vorangestellt werden. Dadurch entsteht ein bestimmtes Repertoire an Begriffen oder Schlagwörtern' für unbestimmte Ideenzusammenhänge - also etwa als „atheistisch", „vulgär" oder „obszön" qualifizierte Gegenstände und Sachverhalte - , die jedem Schriftsteller, der das Tribunal um die Druckerlaubnis eines Textes ersucht (und in diesem Prozess dem Status quo eines jeweils vorherrschenden lenguaje autoritario ausgeliefert ist), allein im Medium äußerster Subtilität zur Verfügung stehen.88 Auf diese Weise werden literarische Texte in der negativen Dialektik eines Kippspiels zwischen diskursiven Vermeidungsvorgaben und textuellen Antworten im Modus von,Sprachversteckspielen' lesbar. Gerade die satirischen und kostumbristischen Modi der literarischen Prosa, deren (als französisch inkriminierte) Gattungszuschreibungen wie „novela racionalista", „novela filosöfica", „novela realista" oder „novela libertina" per se zum Schlagwortregister der Zensur gehören, geraten leicht in existenzbedrohende Bereiche - durch Druckverbot, Indizierung oder auch Zerstörung von Büchern und Manuskripten - , sobald sie im Kontext theologisch, politisch oder moralisch repressiver Diskurse an den (immanenten) Kern ihrer Nachahmungstätigkeit stoßen.89 Hier liegt ein tiefer Grund für die Knappheit der spanischen Prosa, aber zugleich - im Erfolgsfall - auch für deren seltene, da möglichst subtilen Sprachspielen unterlegte stilistische Qualität. Neben den beschränkenden Kräften verfügt das Sozialsystem der Aufklärungsliteratur aber auch über vermittelnde Faktoren. Dem privilegierten Leser der Zensur steht ein Leser entgegen, der sich in den Feldern der öffentlichen Kommunikation herausbildet. Die Formen

„El lector privilegiado de la Inquisición introdujo zonas de sombras en la serie literaria, obligando a una especie de secreto entre cómplices, a desarrollar estrategias textuales encaminadas a crear lazos ocultos [...] sólo comprensibles para los iniciados." Ebd., S. 18. 88

„La crainte de l'Inquisition est le commencement de la sagesse". Sarrailh: L'Espagne éclairée, a.a.O., S. 177. 89

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der ,Vergesellschaftung', die der Diskurs über Literatur und Wissenschaft - seit Feijoos Teatro crítico universal - im wachsenden Resonanzraum einer sich emanzipierenden Leserschaft annimmt und die Autorität der Gelehrten mit dem Menschenverstand' der (größeren) Menge konfrontiert, sind für die literarischen Texte ebenso prägend wie die staatlichen ,Verfassungen' und Regelwerke.90 Zu den Instanzen, die diese Form der Vermittlung und Verbreitung von Literatur maßgeblich getragen haben, gehören zwei typische Medienverbünde, die sich im 18. Jahrhundert ausgeprägt haben: die Presse und die Tertulia. Der Begriff tertulia - zu Deutsch (und in Ermangelung eines eigenen Worts): der,Salon' oder der ,Club' - bezeichnet die bekannte Form der mehr oder weniger informellen Zusammenkunft einer intellektuellen Gesellschaft,91 die im Spanien des 18. Jahrhunderts ein ebenso typisches Phänomen ist wie in Italien, England und Frankreich, deren berühmteste Salons littéraires (für die auch das Wort „société" reserviert wird) auf das 17. Jahrhundert zurückgehen. Während die Quellen für das Jahr 1702 die Gründung der ersten bedeutenden Tertulia (des Conde de Cervellón) in Valencia belegen - an der mit Martí, Corachán, Tosca und Miñana die führenden Gelehrten der Stadt teilgenommen haben -, 9 2 werden die bekanntesten Tertulias in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gegründet: die Academia del Buen Gusto (Marquesa de Sarria, 1749-51), die Tertulia de Campomanes (Madrid 1760), die Tertulia de Olavide (Sevilla 1768) oder die Tertulia de la Fonda de San Sebastián (Madrid 1770). Die Tertulia ist von A. Geiz als „Produktions- und Rezeptionsstätte neuer Formen von Kunst und Literatur" ebenso wie als

90 Diesen Aspekt hat man in der Hispanistik erst seit den 1980er Jahren gesehen und zunehmend starkgemacht. Hierfür war es notwendig, dass sich die neuere (kulturwissenschaftliche) Theorie ihrerseits von den Klassikern - R. Herr und J. Sarrailh - bis zu einem gewissen Grad freispricht: „La tesis defendida por Jean Sarrailh según la cual la Ilustración española aparece reducida a la obra de los ministros de Carlos III, falsea y desenfoca la evolución intelectual que tiene lugar en España durante la primera mitad del siglo XVIII". Sánchez Blanco: La Prosa del siglo XVIII, Madrid/Gijón 1991, S. 127. 91 „La junta voluntaria, ö congresso de hombres discretos, para discurrir en alguna materia [...]. Se llama también la junta de amigos, y familiares para conversación, juego, y otras diversiones honestas". Real Academia Española: Diccionario de autoridades VI (1739), a.a.O., S. 261. 92

Aguilar Piñal: La España del absolutismo ilustrado, a.a.O., S. 148ff.

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intertextuell (und intermedial) geprägte Form von „informeller Soziabilität" bzw. „gesellschaftlicher Praxis" 93 als kulturwissenschaftliches Konzept starkgemacht worden. Der Grund dafür liegt darin, dass die Tertulia einen breiten und im Vergleich zu den institutionellen Colegios und Sociedades weniger formalisierten Kommunikationsrahmen für die Rezeption literarischer Texte, den kreativen (oder auch polemischen) Austausch zwischen Schriftstellern und eine allgemeine Verbreitung und Vertiefung kulturellen Wissens bietet.94 Der Kommunikationsrahmen der Tertulias ist insofern von Bedeutung, als er als Vorläuferform für andere Verbreitungsmedien gilt - insbesondere die Anfänge des Journalismus - und dabei ebenso zum Gegenstand literarischer Darstellung wird wie zum Modell bzw. zum „Versuchslabor" bestimmter Ausprägungen der stilistischen Form, etwa des Briefromans oder, als Untergattungen des Essays, der informes, discursos, correos, proyectos, apuntos, notas, variedades etc., deren Gattungsform im Zeichen des Essays steht und das Charakteristikum des (interkommunikativen) Versuchs bzw. der Probe entsprechend beibehält oder zitiert. Es ist also durchaus sinnvoll, von einer spezifischen Form der „prosa de las tertulias"95 auszugehen. Diese Prosa entspricht dem experimentellen, interaktiven, in der Spannung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit ausgeprägten Stil einer literarischen Praxis, die intertextuell und reflexiv konzipiert und auf einen gesellschaftskritischen Realismus fokussiert ist. Ohne die Tertulias als verbreitetes kulturelles Phänomen (von denen nur die wenigen Genannten landesweite Bedeutung erlangt haben) analytisch zu überschätzen, lässt sich mit Blick auf das zu erläuternde diskurskritische Konzept der literarischen Prosa bei Isla und Cadalso sagen, dass die Prosa der literarischen Gemeinschaften eine konstitutive Rolle im „axiologischen Wandel"96 der diskursiven Bedingungen spielt, auf denen die zeitgenössische República de las Letras beruht. Die kulturellen Elemente, die aus dem Geist der Tertulia auf die Geiz: Tertulia, a.a.O., S. 14, S. 19f. A. Geiz zufolge fungiert die Tertulia als „Rahmen narrativer Entwicklung" (S. 21), als „Beobachtung der Selbstbeobachtung der spanischen Gesellschaft" (S. 28), als „Markplatz [der Meinungen und Ideen]" (S. 65), als „Umschlagplatz des Neuen" (S. 57), als „Indikator gesellschaftlicher Umbruchprozesse" (S. 91), als „Erkenntnis- und Soziabilitätsideal" (S. 118), als „Raum diskursiver Freiheit" (S. 197) und letztlich gar als „gesellschaftliche Utopie" (S. 248). 95 Sánchez Blanco: La Prosa del siglo XVIII, a.a.O., S. 151. 96 Aguilar Piñal: „La Ilustración española", a.a.O., S. 22. 93

94

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Schreibpraxis und das Rezeptionsverhalten einwirken - also Anteil an der Herstellung eines „neuen Lesers" bzw. eines neuen Umgangs mit der Literatur haben - , beschreiben eine Kommunikationsstruktur, die analog zu und in Abhängigkeit von den Strukturen der staatlichen Literaturpolitik zu betrachten sind. Wo die Direktiven der aufgeklärten Kontrollinstanzen im Exzess beschränkend wirken, wirken die Tertulias und privaten ,Akademien', die besonders zur Zeit des absolutismo ilustrado in allen Provinzen des Landes wie Pilze aus dem Boden schießen, nicht nur verstärkend und verbreitend, sondern auch - mit dem Diktat der Menge und dem Lärm der Marktplätze (die den Spionen der Polizei im Übrigen nicht unbekannt sind) - als banalisierende Kraft einer Austreibung des Geistes aus der Literatur.97 Insofern bewegt sich die literarische Prosa der autonomen Schriftsteller in einem medialen Gefüge zwischen den Polen der Ausweitung und der Beschränkung und im (konzeptuellen und diskursiven) Wechselverhältnis zwischen Individualität und Kollektivität, Regel und Freiheit, Kritik und Formalismus, Essayismus und Dogmatik, Versteckspiel und Öffentlichkeit etc., in denen das 18. Jahrhundert den Wandel seiner ästhetischen Maßstäbe (nach-)vollzieht und die Kunst zum Ausdruck eines bestimmten Zeitgeistes wird. Auf der Ebene der medialen Vermittlung (von inhaltlichen Gegenständen und diskursiven Konstituenten der Literatur) spielt der Journalismus als einer der „Channels of Enlightenment"98 eine ganz ähnliche Rolle wie die Tertulia. Die periodische Presse, die als medientechnische Erneuerung - aus dem Geist der Flugschriften und mit dem Fortschritt der Drucktechnik sowie der Papierherstellung in Holland, Belgien, Deutschland, Frankreich und England schon im frühen 17. Jahrhunderts entstanden ist,99 hält in Spanien als die „in Westeuropa letztgeborene"100 erst im 18. Jahrhundert Einzug und entwickelt sich zeitgleich (bzw. im Zusammenhang) mit dem beschriebenen Wandel der Öffentlichkeit. Abgesehen von der 1661 erstmals als 97 „¿A qué fin [frecuentar las tertulias]?". Cadalso: Cartas marruecas, a.a.O., S. 230. Zur Topologie der kostumbristischen Kritik bei Cadalso, in der die Tertulia letztlich auf ein banales Phänomen der Massenkultur zurückgeführt wird, s. Kap. 5.3. 98

Herr: The Eighteenth-Century Revolution, a.a.O., S. 154.

Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, Köln/Weimar/ Wien 2008, S. 40-77. 100 Tietz: „Die spanische Presse im Zeitalter der Aufklärung", in: Hans-Wolf Jäger (Hg.):,Öffentlichkeit' im 18. ]ahrhundert, Göttingen 1997, S. 229-267, hier: S. 265. 99

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„Boletín oficial del Estado" erscheinenden Gaceta de Madrid, die eher einer Verlautbarung der öffentlichen Hand - also der Regierung des Königs - als einem Organ der öffentlichen Meinung entspricht,101 setzt das spanische Pressewesen im eigentlichen Sinne (als private, nichtstaatliche Unternehmung) erst mit dem Erscheinen des von Francisco Xavier de la Huerta, Juan Martínez Salafranca und Leopoldo Jerónimo Puig herausgegebenen,Gelehrtenjournals' Diario de los literatos de España im Jahr 1737 ein.102 Auf diesen verspäteten Anfang' folgt eine intensive Phase der Gründung von literarischen und/oder wissenschaftlichen Zeitschriften und Besprechungsorganen (ohne Vollzug der Gattungsunterscheidung), die im Verlauf des Jahrhunderts in eine mehr oder weniger konfliktreiche und durch die Vergabe der Drucklizenzen kanalisierte Konkurrenz zu den staatlichen Presseorganen treten. Hierzu gehören in der frühen Phase, um nur die wichtigsten zu nennen, der Mercurio literario (1739-40, hg. v. Antonio María Herrero und José Lorenzo de Arenas), die Discursos mercuriales económico-político (1752-56, hg. v. Juan Enrique de Graef), der Diario noticioso, erudito y comercial, público y económico (1758, hg. v. Nipho), der Cajón de sastre (1760, hg. v. Nipho) sowie El Pensador (1762-67, hg. v. José Clavijo y Fajardo). In der späten Phase des Aufklärungsjournalismus ragen der Correo literario de Europa (1781-87, wahrscheinlich hg. v. Francisco Antonio de Escartín), El Censor (1781-88, hg. v. Luis Carmelo y Heredia und Luis Pereira Castrigo), El Corresponsal del Censor (1786-87 hg. v. Manuel Rubín de Celis), El Apologista universal (1786-88, hg. v. Pedro Centeno und Joaquín Ezquerra), El Correo de Madrid (1786-91, hg. v. Antonio de Manegat und Antonio de Arribas), El Observador (1787, hg. Der Begriff gaceta (von italienisch: gazzetta, zu deutsch: die ,kleine Elster') ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch synonym zu den Begriffen „relación" oder „aviso" zu verstehen. „Jusqu'au dernier tiers du règne de Philippe V, l'Espagne n'a guère connu, en fait de presse, que des journaux d'information, hebdomadaires ou mensuels, et contrôlés par les pouvoirs publics." Guinard: La presse espagnole de 1737 à 1791, a.a.O., S. 111. Vgl. a. Henry F. Schulte: „The Nipho Years", in: Ders.: The Spanish Press (1470-1966). Print, Power, and Politics, Urbana/Chicago/London 1968, S. 91-115. 101

102 Vgl. Jtittner: „Vorwort", in: Ders. (Hg.): Anfänge des Wissenschaftsjournalismus in Spanien, Frankfurt a. M. 2008, S. VII-XI; sowie Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 153-184. Das Kompendium der Artikel des Diario de los literatos de España, 7 Bde., Madrid (Juan Muñoz) 1737-1742, ist in einer von Jesús Miguel Ruiz Veintemilla besorgten und mit einer Einleitung versehenen Faksimile-Ausgabe verfügbar. Ein Inventar der Themen liefert Jüttner (Hg.): Diario de los literatos de España (1737-1742): índices (onomástico, toponímico y de obras), Frankfurt a. M. 2008.

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v. José Marchena), El Semanario erudito (1787-91, hg. v. Antonio Valladares de Sotomayor) sowie der Diario de las Musas (1790-91, hg. v. Luciano Cornelia) heraus. 103 All diese Zeitschriften fungieren im Sozialsystem der Literatur als ,,Katalysator[en] für die neue Form der kommunikationsspezifischen Aufbereitung von Wissen" 104 und bezeugen den historischen Prozess der Entstehung von „Repräsentanten] einer vierten Gewalt: der öffentlichen Meinung". 105 Zugleich sind die im 18. Jahrhundert schon häufig in Buchform gesammelten Ausgaben eine Fundgrube für die Bestände des im Spanien der Zeit verbreiteten, übersetzten oder (kritisch) kommentierten Wissens aus dem französischen, englischen und italienischen Ausland 106 ebenso wie für die Themen und , Gemeinplätze', über die in den verschiedenen Phasen der Epoche öffentlich gesprochen wird: Erziehung, Gesundheit, Mode, Moral (in der früheren Phase), bzw. Technik, Armut, Gesellschaft, Kirche (in der späteren). 107 Schließlich ist die journalistische Prosa auch aus dem Grund eine besondere diskursive Umgebung für die literarische Prosa, dass sich die genannten Zeitschriften in der Hauptsache wissenschaftlichen bzw. literarischphilosophischen Gegenständen widmen (oder andere Gegenstände Ein vollständiger Katalog aller Monats- und Wochenschriften sowie (ab 1758) der Tageszeitungen des spanischen 18. Jahrhunderts findet sich bei Guinard: La presse espagnole, a.a.O., S. 527-531. 104 Ertler: „Der Konflikt der Diskurse im Diario de los literatos", in: Jüttner (Hg.): Anfange des Wissenschaftsjournalismus, a.a.O., S. 1-21, hier: S. 3. 105 Tietz: „Die spanische Presse", a.a.O., S. 246. Dabei bleibt einschränkend festzuhalten, dass die spanische Presse (im Verlauf der Epoche zunehmend) „eine gelenkte und von den Regierenden instrumentalisierte Presse" ist: „Ihre Leser bestanden in erster Linie aus jenen Vertretern im Klerus, im Adel, in der Beamtenschaft und im Bereich des Handels, die sich zu einer maßvollen Modernisierung des Landes bekannten und die weitgehend in das bestehende System integriert waren". Ebd., S. 234. 106 viele Artikel der spanischen Zeitschriften bestehen aus (transformierenden) Übersetzungen von Zeitschriftenartikel aus Frankreich: v.a. dem Journal des Sfavants (1665-1733), den Mémoires de Trévoux (1701-1767) und dem Journal encyclopédique (17561794); aus England: v.a. The Guardian (1709), The Tatler (1709-1711) und The Spectator (1711-1712); sowie aus Italien: v.a. dem Giornale dei letterati d'ltalia (1710-1740). Vgl. Guinard: La presse espagnole, a.a.O., passim, S. 531. lo? pü r w Krauss (Die Aufklärung in Spanien, a.a.O.) gehören die Zeitschriften - insbesondere jene von Nipho - zu den wichtigsten Quellen für die historische Kontextualisierung des literarischen ,Kostumbrismus'. Zum methodischen Problem der Benennung und Hierarchisierung der Themen s. Guinard: La presse espagnole, a.a.O., S. 367-378, S. 491-500. 103

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als solche präsentieren) und zuweilen gar auf die Funktion eines Rezensionsorgans für literarische Publikationen beschränkt sind. Zu keiner Zeit hat die Literatur, in Form von Textpräsentationen und (kritischer) Besprechungen, eine so große Rolle im Journalismus gespielt wie im 18. Jahrhundert. Wie sehr aber das frühe Pressewesen selbst auch eine literarische Schreibpraxis darstellen kann, zeigt sich anhand der funktionalen und diskursiven Überschneidungen von einigen zeittypischen Publikationsprojekten, die im Selbstverständnis jener periodistas verfasst sind, die sich zugleich als hombres de letras verstehen. Damit ist neben José Clavijo y Fajardo zuvorderst der berüchtigste und umtriebigste Journalist der spanischen Aufklärung aufgerufen: Francisco Mariano Nipho. 4.2.1. Nipho. Literarischer Journalismus und philosophischer Kostumbrismus Obgleich Nipho schon von den zeitgenössischen Kommentatoren als ein frömmelnder Geist, streitbarer Zeitgenosse und schlechter Schriftsteller gescholten wird - „¡oh pestilente Nipho!" 108 - , lässt sich der „polifacetismo"109 dieses Journalisten als ein zeittypisches und zugleich herausragendes essayistisches Projekt anführen. Als Vielschreiber (polígrafo) und Arbeiter' der Literatur ist Nipho mit Feijoo verglichen worden110 und mit Torres vergleichbar. Er verdient insofern seinen Eintrag in die Literaturgeschichte, als er mit insgesamt 16 Zeitschriften der Unternehmer, Herausgeber und häufig auch alleinige Schreiber von etwa der Hälfte aller journalistischen Projekte der Zeit war.111 Neben dem genannten Caxón de Sastre und dem Diario noticioso 108

Leandro Fernández de Moratín: „Romance a una dama que le pidió versos"

(Obras, B A E 2, S. 601), zit. in: Enciso Recio: Niphü y el periodismo español, a.a.O., S. 22.

Eigenschaften wie „famélico, tabernario, pestilente, extravagante" resultieren aus den polémicas, die Nipho mit den scharfziingigsten der zeitgenössischen Prosateure ausgefochten hat, neben Moratín v.a. Romea y Tapia, Ramón de la Cruz und Forner. Hieran schließen sich die Nipho-Kommentare bei Menéndez y Pelayo sowie Cotarelo y Mori - „coplero infeliz y prosista aplebeyado" (zit. in: Ebd., S. 35) - nahtlos an. 109 Sánchez Blanco: La Prosa del siglo XVIII, a.a.O., S. 142. 110 Entrambasaguas: „Algunas noticias relativas a Don Francisco Mariano Nipho", in: RFE 28 (1944), S. 357-377, hier: S. 357. 111 In Madrid, der Hauptstadt der Presse, existieren zwischen 1737 und 1748 sieben Zeitschriften. Diese Zahl steigt zwischen 1755 und 1770 auf 30 und zwischen 1778 und 1791 auf 31 Zeitschriften (ohne Berücksichtigung der Einzelauflagen). Die übrigen

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- der 1758 gegründeten ersten Tageszeitung des Landes (die bis 1825 als Diario de Madrid fortbesteht) - sind unter Niphos Zeitschriften die Estafeta de Londres (1762), der Diario estrangero (1763), der Correo general de Europa (1763), der Correo general de España (1770-71) sowie (womöglich) der Duende Especulativo sobre la Vida Civil (1761) hervorzuheben.112 Auch wenn keine dieser Zeitschriften qualitativ an die „phases brillantes de la presse espagnole"113 heranreichen mag - womit der Diario de los literatos de España und die herausragenden Zeiten des Pensador und des Censor gemeint sind - , so repräsentieren sie doch auf prototypische Weise nicht nur die spezifischen Umstände des spanischen Pressewesens (und die Schwierigkeiten individueller literarischer Unternehmungen in Konkurrenz zu den staatlich geförderten Printmedien), sondern auch den diskursiven Charakter eines groß angelegten öffentlichen Kommunikationsprojekts der Aufklärung: „Crítico, erudito, irónico, comentarista, informador, según los casos, [...] Nipho ha manejado la pluma con una noble intención tradicional [...]. Como un magnífico divulgador [ha podido ser un] puente entre la élite y la masa" 114 Die Themen, die in den verschiedenen Zeitschriften Niphos unter den unterschiedlichsten Rubriken als Übersetzungen, Berichte, Kommentare, Diskussionen, Analysen etc. (von variabler Extension) behandelt werden, bilden ein kaum systematisierbares Potpourri aus politischer Philosophie, Jurisprudenz, Ökonomie, heiliger Schrift, Kirchengeschichte, (polemischer) Theologie, (christlicher) Moral, NaStandorte Sevilla (4 Zeitschriften zwischen 1737 und 1791), Barcelona (4), Granada (4), Málaga (3), Cádiz (2), Zaragoza (2), Valencia, Cartagena, Valladolid, Palma de Mallorca und La Laguna de Tenerife (je 1) sind im Vergleich zu Madrid nicht nur zahlenmäßig zu vernachlässigen. Zur geographischen Verteilung der Zeitschriften über die Epoche vgl. Guinard: La presse espagnole, a.a.O., S. 517ff., S. 523. 112 Das Problem der ungewissen Autorschaft beruht auf der zeittypischen Verwendung von Pseudonymen, von denen Nipho besonders ausgiebig Gebrauch gemacht hat. Gesichert erscheint die Verwendung der Namen Antonio Ruiz Miñondo, Mariano de la Giga, Manuel Ruiz de Uribe, Cándido Bonifacio de Vera, Silvestre Campesino, Escenófilo Ortomeno, Joseph de Serna und Francisco de Godoy. Vgl. Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 145f. Der Name Juan Antonio Mercadàl, Herausgeber des Duende especulativo, erscheint hingegen fraglich. Vgl. Ertler: „El Duende Especulativo sobre la Vida Civil en la red europea de los espectadores", in: Cuadernos

Ilustración y Romanticismo 16 (2010), online (14 S.) [S. 2ff.]. 113 114

Guinard: La presse espagnole, a.a.O., S. 517. Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 179, S. 187, S. 333.

de

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turrecht, öffentlichem Recht, Logik, Metaphysik, Literaturgeschichte, Musik, Grammatik, Geometrie, Physik, Chemie, Medizin, Botanik, Mineralogie, Landwirtschaft etc. Hinzu kommen „Miszellen", Nachrichten über andere Zeitschriften, Empfehlungen zur Kleidungsmode oder Werbungsannoncen.115 Mit Bezug auf die Bedingungen der (ästhetischen) Philosophie besteht der Aspekt der divulgación hier in einem für die 1760er Jahre gängigen Repertoire von zumeist konservativen Überzeugungen und Intentionen. Dies sind zuvorderst: die Bezeichnung der wirtschaftlichen und sozialpolitischen males españoles („desarreglo de la economía, descuido de la enseñanza, escaso nivel cultural, mala distribución de la riqueza"), die Klage über die dieselben begründenden Eigenschaften der raza española („escasa laboriosidad, falta de espíritu práctico, genialidad mal entendida, individualismo, pereza, abulia del patriciado"),116 die Verteidigung der alten spanischen Kultur gegen eine europäische decadencia, die im afrancesamiento und in der anglomania zu suchen sei (inkl. des Angriffs auf die Autoren Diderot, Helvétius, Rousseau und Voltaire),117 sozialpolitische Überlegungen zur Aufgabenteilung der Gesellschaft zwischen den „cuatro hijos útiles de un reino: labrador, artesano, comerciante y sabio",118 zur optimalen ,Komposition' des Rechts (aus Naturrecht, Zivilrecht und „derecho divino") als Voraussetzung für die „sociabilidad" der Menschen119 und des politischen Systems „[para ]un gobierno mixto de monarquía, aristocracia y democracia, de modo que parte de la legislatura se corresponda y contrabalance mutuamente". 120 115 Ebd., S. 223-231. Die hier mit Blick auf den Diario estrangero zusammengestellten Themen kommen auch in den übrigen Zeitschriften vor und variieren allein hinsichtlich ihrer Gewichtung in Abhängigkeit von der jeweiligen thematischen Orientierung. 116 Ebd., S. 77f. Diese Punkte werden im Correo general de España, in der Estafeta de Londres ebenso wie im Diario estrangero programmatisch ausgeführt. 117 „Nadie duda que los españoles nacieron para pensar [...] y los extrangeros para hacer". Nipho: Correo general de España, Nr. 17 (1770), S. 226.

Ebd., „Plan de la obra", S. XI. Ders.: Varios discursos elocuentes, y políticos, Madrid 1755, S. 9f. 120 Ders. (1762): Estafeta de Londres, Madrid 1786, S. 57. Zudem geht Nipho als ,Verfechter' ökonomischer (aus Merkantilismus und Physiokratie zusammengefügter) Positionen hervor, etwa mit seinen Forderungen nach einer Angleichung der Binnenzölle, einer Umstrukturierung der Landwirtschaft oder seinem Verständnis der „Arbeit" als Bedingung des „Glücks" (vgl. Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 57, S. 112ff.). Und schließlich gilt Nipho mit seiner Position der prinzipiellen Vereinbarkeit von Glauben und Naturwissenschaft - „el amor de Dios puede seguirse 118

119

Zur Autonomie des Romans

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Die Philosophie Niphos ist in dem Maße (proto-)essayistisch, dass all die genannten Ideen und Elemente vollkommen unsystematisch bleiben. Daher reichen sie auch nicht an die Treffsicherheit' des Prosakonzepts von Feijoos Werk heran. Trotz der thematischen Analogie und der Ähnlichkeit der „pädagogischen" Intention, an einem übergreifenden Plan razonado de educación pública mitzuarbeiten, stellen sie durch ihren Zitatcharakter und ihren Eklektizismus auch einen Gegenpol zu den durchstrukturierten Informes der politischen (Auftrags-) Schriftsteller Campomanes, Capmany oder Jovellanos dar. Zudem ist Niphos Zeitungsprosa unspezifisch, weil sie kein differenziertes Leserkonzept entwickelt: [Pretendo] complacer y servir a todos: al pobre, sin hacer ascos de su miseria; al rico, sin buscar interés en su jerarquía; al discreto, sin querer hacerle amigo para que me honre con su alabanza; al necio, sin pretender que me estime desalumbrado por el engañoso lustre de sus apariencias; a la dama sin haber formado concepto de que sea mi medianera [...]121

Dennoch ist das Werk des ersten literarischen Journalisten', das sich aus der Gattung der Zeitungsliteratur herauskristallisiert, für den diskursiven Zusammenhang der Herausbildung und Autonomisierung der literarischen Prosa ein bedeutender Intertext. Das Werk dient als Speichermedium und Zitatreservoir für die Bestände des allgemein verbreiteten oder - über die französischen Journaux, Gazettes und Mémoires - aus dem Ausland nach Spanien gelangenden Wissens.122 a través de la Naturaleza" - auch als ein Repräsentant des cristianismo ilustrado (im Sinne von Teófanes Egido). 121 Nipho: Diario noticioso, Nr. 1 (1. Februar 1758), zit. in: Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 168. 122 Zu den Quellen Niphos zählen neben Addisons Specatator v.a. die französischen Verbreitungsmedien, die ihrerseits auf den Kriterien der Selektion, Aufbereitung und Übersetzung gelehrter Wissensbestände beruhen (oder schon im frühen 18. Jahrhundert beruht haben): Journal des Sçavants, Mémoires de Trévoux, Mercure de France, Journal économique,

Nouvelliste

du Parnasse, Gazette littéraire de l'Europe

etc. Z u d e m

kommt Nipho das Verdienst zu, die Werke ökonomischer und politischer Theoretiker wie Victor Riquetti de Mirabeau (L'ami des hommes, Philosophie rurale), Jakob Friedrich von Bielfeld (Instituciones políticas), Johann Heinrich Gottlob von Justi (Grundsätze der Policey-Wissenschaft) oder Henri Louis Duhamel du Monceau (Eléments d'agriculture) bekannt gemacht zu haben. Vgl. Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 116, 219f. Zum Einfluss des (durch Johann Gottlieb Heinecke und Joaquín Marin Mendoza ver-

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Von Bedeutung sind auch die Techniken der Ermittlung und analytischen Darstellung des Wissens, die im Zuge der Spezialisierung der Zeitschriftenprojekte auf experimentelle Weise entwickelt werden und zur Anwendung kommen. So unternimmt Nipho im Correo general de España den Versuch, die formalen Techniken der thematischen Komposition (Auswahl, Gewichtung, Relationierung, Distanzierung, Übersetzung etc.), die sein Spanienprojekt mit den Reformintentionen wissenschaftlicher oder literarischer Texte teilt, durch „Umfragen" (interrogatorios) zu kanalisieren. Mit dieser medienspezifischen, später von den Sozialwissenschaften weiterentwickelten Technik, die hier entweder prätentiös „a todos los jefes y ministros de justicia y gobierno" oder schlicht „a todos los eruditos y curiosos bien intencionados de España" 123 adressiert ist, wird die Fiktion eines öffentlichen Gemeinschaftstextes aufrechterhalten, dessen Anlage - „para la formación de la obra que se propone" - einer planbaren und in diesem Plan optimierbaren Realität entspricht. Die Tatsache, dass die Fiktion bei Nipho negiert wird und allein stilistisch implementiert ist, trägt zum „Unterhaltungswert" seines Didaktizismus bei.124 Andererseits zeugt die detaillierte Begutachtung der Sorgen und Nöte des Landes (und die Inspektion der entsprechenden Institutionen des Wissens), die in den interrogatorios theoretisch vollzogen wird, jedoch auch vom Geist eines Realismus, der insofern am säkularen Aufklärungsprozess teilhat, als er dem Telos einer reinen Nachahmung verschrieben ist. So suggeriert der Text seine potentielle Realisierung: Sind erst die Wissenschaften aktualisiert, die Äcker verteilt, die Brachen bepflanzt, die Wege gezeichnet, die Rohstoffe gezählt, die Zölle gesenkt, die Impfstoffe beworben, die Schulen gebaut, der Luxus eingeschränkt, die Ernährung gesund (etc.), dann wird der Plan des „glückseligen Staats"

mittelten) deutschsprachigen Naturrechtstheorie vgl. Sánchez Blanco: „El Barón de Bielfeld. Absolutismo prusiano y absolutismo español", in: Briesemeister/WentzlaffEggebert

(Hg.): Von

Spanien

nach

Deutschland

und

Weimar-Jena.

Verdichtung

der

Kulturbeziehungen in der Goethezeit, Heidelberg 2003, S. 17-34. 123 Vgl. Enciso Recio: Nipho y el periodismo, a.a.O., S. 385-397 („Apéndice II"). 124 Das Prinzip der didaktischen Unterhaltung' schreibt den Journalisten in den übergreifenden Säkularisierungsprozess der (literarischen) Prosa ein: „Con Nipho, nos hallamos ante un cambio en la valoración de la literatura de entretenimiento [...]; en ese didacticismo hay mucho ya de secularización, de moral entendida como norma de conducta, de virtud entendida como utilidad social". Álvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 112.

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- ähnlich wie in Jovellanos' optimistischen Texten - gleichsam automatisch durch die Wirklichkeit eingeholt. Die Geschichte der spanischen Presse zeigt im Übrigen, wie sich in der späteren „radikalen Phase"125 des Aufklärungsjournalismus die Techniken zur,Darstellung der Wirklichkeit7 mehr und mehr den Beschreibungstechniken der fiktionalen Prosa angleichen. Die kostumbristischen Bilder, die Luis Cañuelo und Luis Pereira (als anonyme Autoren) zu Beginn der 1780er Jahre im Censor von der Madrider Gesellschaft zeichnen, entsprechen formal der Gattung der Nouvelle - im Sinn einer Sammlung von discursos genannten zwanglosen, unterhaltenden und auf ein breites Publikum ausgerichteten Kurzgeschichten.126 Der Stil dieser Texte, an deren Bereitstellung (ebenfalls anonym) Jovellanos und Meléndez Valdés - mit Varianten in Versform wie den Sátiras a Arnesto oder La despedida del anciano - beteiligt sind, erreicht zuweilen die Qualität subtiler Gesellschaftssatiren, deren „Regeln des guten Gelingens" in der Zeitschrift selbst offen gelegt werden.127 Im Stil einer zwanglosen Gelegenheitsprosa verborgen, gelingt es den Autoren des Censor sogar, radikale Positionen zu sensiblen Themen wie der Abschaffung der Folter, der Begrenzung des Privateigentums, der Freiheit des Glaubens oder den Exzess des Despotismus zu verbreiten und dabei Passagen verbotener Autoren wie Montesquieus De l'esprit des lois (1748) oder Rousseaus Discours sur l'origine et les fondements de l'inégalité parmi les hommes (1755) zu zitieren. Als „parfait spectateur"128 Sánchez Blanco: La Prosa del siglo XVIII, a.a.O., S. 199-209 („La prensa de la Ilustración radical"). 126 Die Sammlungen der Ausgaben des Censor sowie des Pensador gleichen den Druckwerken in Romanform (etwa dem Fray Gerundio) schon auf der formalen (paratextuellen) Ebene - wie Format, Titelei, Lizenzen, Vorworte, Inhaltsangaben, Kapitelüberschriften (etc.) - bis ins Detail. 127 Cañuelo und Luis Pereira skizzieren eine Art „déontologie du journaliste", wie Guinard schreibt. Die Nr. 8 [Bd. 1, S. 120] etwa verteidigt „les vertus de la satire, arme délicate à manier, mais qui, entre les mains de l'honnête homme soucieux d'éviter la calomnie, porte plus loin et frappe plus fort que le meilleur sermon". Die Nr. 137 [Bd. 8, S 83] beschreibt die Bedingungen, die erfüllt werden müssten, damit ein literarischer (Prosa-) Text ein großes Publikum erreichen könne: „être bref, se renouveler constamment, sans pour autant altérer le ton et le caractère de la publication" (etc.). Vgl. Guinard: La presse espagnole, a.a.O., S. 298. 125

128 Ebd., S. 297. Der Censor ist Guinard zufolge in einem doppelten Sinne ein „perfekter Zuschauer": als Beobachter der Gesellschaft im Geist des kritischen Realismus und als originelle Nachahmung des englischen Spectator. In diesem Punkt geht die

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

der spanischen Gesellschaft gerät die auf solche Weise dem kritischen Realismus verschriebene Zeitschrift am Ende jedoch zunehmend ins Visier der Inquisition und läutet mit ihrem Ende (1788) zugleich auch den allgemeinen Niedergang des spanischen Journalismus als Kanal und Gattung der Aufklärung an. Im Ausklang der Epoche erscheint zur (erfolglosen) Verteidigung des Censor in Madrid von Mai 1786 bis Juni 1788 die Zeitschrift El Corresponsal del Censor, die unter den Bedingungen einer immer stärker kontrollierten Öffentlichkeit dem Realismus zunehmend entsagt und am Ende im Medium der (nicht mehr subtilen, sondern konfrontativen) Satire aufgeht. Die Darstellungstechnik des anonymen Autors des Corresponsal, Rubín de Celis, beruht vor allem auf der Verwendung von „Leserbriefen" (cartas),129 deren fingierte Urheber - hinter denen konservative Gegner und impugnadores des Censor avisiert werden - durch die satirische ,Selbstdarstellung' der Lächerlichkeit preisgegeben werden. 130 Auf ähnliche Weise entsteht aus dem Geist der Polemik auch der auf Forners Oración apologética abzielende Apologista Universal von Pedro Centeno und Joaquín Ezquerra. Diese Zeitschrift geht den eingeschlagenen Weg vom engagierten Realismus zur Satire Zeitschrift auch über den früheren Pensador hinaus, dessen Unternehmer Clavijo y Fajardo sich (nach der Intrige seiner Verlobung mit der Tochter von Beaumarchais) zunehmend zu einem staatstragenden und wenig kritischen „type même du fonctionnaire-homme de lettres ilustrado" (ebd., S. 99) verwandelt hat. Zum Verhältnis des Censor zum Spectator vgl. a. Ertler: Tugend und Vernunft in der Presse der spanischen Aufklärung: El Censor, Tübingen 2004, S. 14, S. 40f. Zum Konzept der,zuschauenden Beobachtung' vgl. Urzainqui: „Autocreacion y formas autobiográficas en la prensa crítica del siglo XVIII", in: Anales de la literatura española 11 (1995), S. 193-226. Hier stellt Urzainqui mit den (fiktiven) Selbstdarstellungen der (anonymen) Autoren ein weiteres Moment der Verwandtschaft zwischen literarischer und journalistischer Texterzeugung in der Epoche heraus. 129 Der Censor, in dem die ersten beiden Kapitel der verlorenen Cartas turcas von Meléndez Valdés abgedruckt werden, ist damit zugleich ein „Zeuge" für die Herausbildung des „Briefs" als Element einer literarischen Gattung, die in Spanien mit Cadalsos - im Correo de Madrid 1789 erstveröffentlichten - Roman Cartas marruecas ihren Höhepunkt findet. Vgl. Philip Deacon: „Las perdidas Cartas turcas de Meléndez Valdés", in: Bulletin Hispanique 83, (1981), S. 447-462. 130 Eine Neuausgabe der Briefe - inkl. eines „Diálogo céltico transpirenaico e hiperbóreo entre El Corresponsal del Censor y su maestro de latinidad" (1786) - findet sich mit einer kritischen Einleitung bei Klaus-Dieter Ertler, Renate Hodab und Inmaculada Urzainqui (Hg.): Manuel Rubin de Celis. El Corresponsal del Censor. Madrid/Frankfurt a. M. 2009.

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insofern konsequent zu Ende, als mit den Küchenrezepten, Geisterbeschreibungen und Verteidigungen des Aberglaubens, die hier ein Autor mit dem karnevalesken Namen Policarpo Chinchilla Galiano präsentiert, in der Hauptsache eine sich selbst dekonstruierenden Persiflage übrig bleibt. Das Medium der,Zeitung' ist in eine historische Parallele zur Gattung des Romans zu setzten, da beide im Kontext einer gemeinsamen Diskursformation entstehen, versuchsweise den Weg des aufgeklärten, säkularen Realismus einschlagen und am Ende der Aufklärungsepoche selbst zu ihrem (vorübergehenden) Niedergang beitragen, indem sie die Form der konfrontativen politischen Satire annehmen und sich damit der Verfolgung durch die Inquisition und die staatliche Diskurspolizei aussetzen. In dieser Parallele fungiert das Gattungsproblem der Satire, das im Zusammenhang mit der bei Torres Villarroel in der realistischen Satire' der Visiones y Visitas virulent gewordenen Frage nach den Grenzen des literarischen Realismus steht,131 als theoretisches Distinktionsprinzip der Prosa. In der im 18. Jahrhundert behaupteten Analogie zwischen der Freiheit der literarischen Regeln (unter den Vorzeichen der proklamierten Herrschaft der Poesie und des Theaters über die Literatur) und der Freiheit gegenüber den Normen des Sozialen (die im Sinne der staatlichen Optimierung geregelt sind) verweist der Kostumbrismus - als ein in Spanien seit der Neubegründung der Prosa durch Cervantes gültiges Prinzip des Wechselverhältnisses von Literatur und sozialer Welt - auf das philosophische Problem der Nachahmung von Wirklichkeit durch Sprache. In der Zeit zwischen 1760 und 1790 steht die (formal ähnlich gewordene) Zeitungsliteratur vor der gleichen Frage wie der Roman: Welche ,Spielräume' bleiben in der Darstellung der sozialen Welt und ihrer Akteure zwischen den Polen der ironischen Distanz und der didaktischen Imitation für die Formen der Selbstregulierung literarischer Praxis? Die Eigengesetzlichkeit der Prosa beruht auf einer Neuorientierung der klassischen Begriffe von dispositio - inventio - intellectio und zeichnet eine Scheidelinie zwischen den Aufklärern und den freien 131 Im satirischen Kostumbrismus bei Torres übernimmt die ironische Distanznahme des literarischen Stils die Funktion, die Intensität der realistischen Schilderung des Figurenarsenals - der Armen, des ,Pöbels' und anderer der ,nicht zählbarer' Subjekte - , die Anlass für die inquisitorischen Reaktionen gibt, zu filtern. Vgl. Kap. 3.4.2.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Philosophen unter den Literaten des 18. Jahrhunderts. Die literarische Prosa der Aufklärungsepoche ist somit innerhalb einer Bewegung zwischen den folgenden potentiellen Extrempunkten konturierbar: Auf der einen Seite läuft die literarische Prosa Gefahr, in der amtlichen Prosa der Aufklärungstraktate und Informes aufzugehen, wie dies etwa bei den zeitgenössischen Utopien (insbesondere der Sinapia) der Fall ist. 132 Dies käme einer Austreibung des kreativen Moments aus dem Essay gleich. Auf der anderen Seite könnte sie entweder in die bloße Satire oder in die Banalität der Folklore übergehen, welche als Bestandteil der „bürgerlichen Komödie" und unter dem Leitmotiv der „nützlichen Unterhaltung" das kritische Engagement zum Verschwinden brächten. Insofern bewegt sich der Spielraum der literarischen Prosa stets in der beschriebenen Umgebung der verschiedenen Faktoren und Kräfte des Sozialsystems als eine Folge von Momenten zwischen der Individualität und der Öffentlichkeit, dem Versteckspiel und der Kontrolle, dem Engagement und der Popularisierung, der Regel und der Freiheit, dem Auftrag und der Zensur,

132 Die Gattung der Utopie (in der von Thomas Morus begründeten Tradition) wird in der spanischen Aufklärung zuvorderst durch die Descripción de la Sinapia, Península en la Tierra Austral repräsentiert und in der Folge von Texten wie dem Tratado sobre la Monarquía Colombina (anonym, 1790), der Eudamonopeia (Joaquín Traggia, 1796), dem Viage de un filósofo a Selenópolis (Antonio Marqués y Espejo, 1804) sowie einigen Romanpassagen bei Rejón y Lucas und Montengón (Eusebio, Mirtilo) aufgenommen bzw. variiert. Vgl. Guinard: „Les utopies en Espagne au XVIIIe siècle", in: Albert Dérozier (Hg.): Recherches sur le roman historique en Europe, Paris 1977, S. 171-202. Die erst im 20. Jahrhundert wiederentdeckte Sinapia - der Name ist ein Anagramm von (H)ispania - , deren Autor unbekannt geblieben ist, kommt der klassischen Gattung formal am nächsten. Pseudepigraphisch dem niederländischen Seefahrer und Entdecker Abel Tasman zugeschrieben, entwirft diese „antitopia" das Bild einer „idealen Gesellschaft" an einem Ort, deren geographische Koordinaten spiegelverkehrt zu jenen der spanischen Halbinsel auf der Südhalbkugel angesiedelt sind. An Francis Bacons Nova Atlantis angelehnt - vor allem die „Lichthändler" (mercaderes de luz) tauchen als Minister der Sozialgesetzgebung auf (wenngleich die übrigen baconschen Interpretes Naturae fehlen) - , aber auch in Anlehnung an Tommaso Campanellas Civitas Solis stellt die Gesellschaft der Sinapia mit ihren geometrisch angeordneten Nachbarschaften, ihren durchgeplanten und perfekt überwachten Gemeinschaftsaktionen (in arbeitsteilender Selbstversorgung) und ihrer besonderen Berücksichtigung einer gut katholischen (leicht jansenistisch angehauchten) Pädagogik in der Umgangssprache ein literarisches Abbild des despotisch-aufgeklärten Reformprogramms in Reinkultur dar. Als programmatische „constelación de esperanzas para la España ilustrada" konzipiert, könnte dieser Text aus der Feder „del mismo Campomanes" stammen. Vgl. Miguel Avilés Fernández: Sinapia: una utopía española del Siglo de las Luces, Madrid 1976, S. 24, S. 54-65.

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dem Modell und der Häresie, dem Konzept und der Improvisation sowie der Theorie und der Praxis. 133 Mit Blick auf das Konzert der Gattungen steht die literarische Prosa - als autokonstitutive Gattung - in einem imitierenden, transformierenden oder dekonstruierenden Verhältnis zu bestehenden Diskursen mit den entsprechenden formalen und (sozial-)politischen Vorgaben. Unter den verschiedenen Formen der ,Sorge um Spanien', die in der prosa política, der prosa científica, der prosa reformista, der prosa apologética, der prosa periódica oder auch der prosa de las tertulias134 zum Ausdruck kommen - und Gegenstand literarischer Reflexion werden - , muss die literarische Prosa ihren eigenen Weg finden. Islas Fray Gerundio, der vielleicht

133 Letztlich ist das praktische Unternehmertum (ohne Text) in dieser Konstellation der Aufklärung, in der das Verhältnis von Theorie und Praxis zu den Konstituenten der Diskursformation gehört, ebenfalls ein ,Intertexf für die (politisch engagierte) Literatur. Eine der interessantesten und einflussreichsten Persönlichkeiten auf dieser Ebene ist Pablo de Olavide. Abgesehen von (unter dem Pseudonym Atanasio Céspedes y Monroy verfassten) Gelegenheitsschriften und seinem zu Zwecken der Rückkehr aus dem französischen Exil geschriebenen Alterswerk Evangelio en triunfo (1797) geht Olavide letztlich nur als Autor des Informe sobre la Ley Agraria (1767) hervor, welcher zur zentralen Quelle des gleichnamigen Werks von Jovellanos wird. Dennoch gilt der ,Autor' als einer der wichtigsten spanischen Aufklärer. Sein ,Werk' ist eines der Praxis, das in seiner Tätigkeit als Ökonom (in seiner Geburtsstadt Lima), als Direktor des Real Hospicio de San Fernando, als Volksvertreter (diputado y personero del común) in Madrid, als Staatbeamter (corregidor) in Sevilla und vor allem in seinem Projekt der Kolonisierung der Sierra Nevada zum Ausdruck kommt. Die letztgenannte Unternehmung, eines der größten Besiedlungsprojekte in der jüngeren europäischen Geschichte, macht Olavide über die Grenzen hinaus bekannt. Über einen Zeitraum von zehn Jahren (von 1768 bis 1777) bietet die Ansiedlung von über 6.000 Kolonisatoren', d.h. Bauern aus verschiedenen Gegenden Nordeuropas (insbesondere Deutschlands), in einer unwirtlichen Gegend der Sierra Nevada ein immenses Experimentierfeld für die Anwendungsmöglichkeiten der sozialpolitischen Aufklärungstheoreme über die Lebensweise einer perfekten Gesellschaft (im Einklang mit der Natur): Anpflanzungstechniken, Kommunikationswege, Arbeitsteilung, Freizeit, Religion [etc.] werden bei Olavide weniger theoretisch beschrieben, denn in der Praxis erprobt. Die praktischen (ab 1776 ausufernden und von politischen Angriffen begleiteten) Probleme der Sierra Nevada sind i.Ü. Anlass für die Verfolgung und spektakuläre Verurteilung Olavides durch die Inquisition im Jahre 1778. Als formell gebrandmarkter Häretiker führt ihn der Weg ins Exil nach Paris, wo er die Anerkennung der „philosophes" genießt und zum aktiven Zeugen der Französischen Revolution wird, bevor er ,geläuterf nach Spanien zurückkehrt. Auf eindrückliche Weise wird die Geschichte dieser „bewegten Biographie" von Marcelin Defourneaux erzählt: Pablo de Olavide ou /'Afrancesado (1725-1803), Paris 1959. 134

Vgl. Sánchez Blanco: La Prosa del siglo XVIII, a.a.O., S. 149ff.

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einzige genuine Roman der spanischen Aufklärung, ist hier mit einem der prominentesten und gefährlichsten Gegner der interdiskursiven Auseinandersetzung konfrontiert: der Oratoria sagrada.

4 . 3 . RHETORIK DES ABSURDEN. D E R FRAY GERUNDIO ALS ROMAN DER AUFKLÄRUNG

4.3.1. Francisco de Isla, ein Romancier im Geist der Homiletik Die Frage der „geistlichen Beredsamkeit" ist in Spanien von Alters her und stärker als in den übrigen Ländern Europas (Italien eingeschlossen) ein in wissenschaftlichen und theologischen Kreisen heiß diskutiertes Problem. Seit dem frühen 16. Jahrhundert besteht ein institutionelles und analytisches Verhältnis zwischen den Disziplinen der Rhetorik (als antiker Wissenschaft) und der Predigt (als Technik der Verlautbarung des Evangeliums) zum Zweck der autoritätsgestützten Bewahrung der Dogmen des rechten Glaubens. Während das wissenschaftliche Ideal der Predigtkunst zunächst auf einer Rhetorik der klaren und affektfreien Einfachheit (im Geist der göttlichen Offenbarung) beruht,135 gerät die Gattung der oratoria sagrada, die sich im 17. Jahrhundert institutionell ausdifferenziert, in das Fahrwasser kulteranistischer und konzeptistischer Strömungen der barocken Poetik. Berühmte Prediger und Autoren wie Hortensio Félix Paravicino oder Antonio Vieira - in deren Philosophie die rhetorische Wissenschaft überhaupt nur dem Zweck der geistlichen Beredsamkeit dient - prägen auf unnachahmliche Weise einen manieristischen, ebenso gelehrten wie feingeistigen Stil einer über die Kanzel verbreiteten Sprache und Literatur. Dies führt im Zuge der Didaktisierung der Priesterausbildung ab der Als einer der diskursbegründenden Texte gilt der Diálogo de Mercurio y Carón von Alfonso de Valdés (dem Bruder von Juan de Valdés) aus dem Jahr 1528. Z u den Autoren, die der „edad heroica" der oratoria sagrada zuzurechnen sind, gehören in der Folge v.a. Juan de Avila, Tomás de Villanueva, Pedro de Alcántara, Alonso de Orozco, Francisco de Borja sowie Luis de Granada. Vgl. Joël Saugnieux: Les jansénistes et le renouveau de la prédication dans l'Espagne de la seconde moitié du XVIIIe siècle, Lyon 1976, S. 39-77. Vgl. a. Miguel Herrero García: „Ensayo histórico sobre la oratoria sagrada española de los siglos XVI y XVII", in: Ders.: Sermonario clásico, Madrid/Buenos Aires 1942, S. VII-LXXXIX; sowie Félix Herrero Salgado: „Introducción", in: Ders.: Aportación bibliográfica a la oratoria sagrada española, Madrid 1971, S. 5-27. 135

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zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu dem Problem, dass die komplexer werdenden Modelle, die zur Nachahmung in die theologische Didaktik einfließen, in der Praxis von vielen Predigern nicht mehr verstanden und zunehmend auf , dekadente' Weise imitiert werden. Gegen diese Kultur der losgelösten, an Manierismen überfrachteten Kanzelsprache richtet sich eine mit Baltasar Gracián einsetzende Neuformierung der philosophia Christiana - in Analogie zur alten augustinischen doctrina Christiana - , in der das Verhältnis von menschlicher Redekunst und göttlicher Offenbarung theologisch neu orientiert und in der Folge durch theoretische „Traktate über geistliche Beredsamkeit" sowie praktische „Sammlungen predikabler Konzepte" (conceptos predicables) flankiert wird.136 Auf diese Weise wird die „Reform" der oratoria sagrada im 18. Jahrhundert zu einem zentralen Gegenstand des katholischen (Gegen-)Aufklärungsdiskurses, an dem - in Auseinandersetzung mit französischen Reformern wie Esprit Fléchier, JeanBaptiste Massillon oder Louis Bourdaloue (durch die auch wichtige Elemente des Streits zwischen Jansenisten und Jesuiten nach Spanien getragen werden) - viele Intellektuelle von Rang partizipieren. Der Padre Isla steht somit in einer Tradition spanischer Predigttheorie, die von Mayans und Agustín de Castejón über Antonio Codorniu, Felipe Bertrán und José Climent bis Francisco Gregorio de Salas, Pedro Antonio Sánchez und Forner führt.137 Der Jesuit José Francisco de Isla ist - wie sein Gegenspieler Mayans - ein typischer Repräsentant jener konservativen und zugleich fortschrittsorientierten Fraktion der spanischen Aufklärung, die der 136 Vgl. Anneliese Raetz: Francisco José de Isla. Der Mensch - Der Reformer - Der Kritiker, Köln 1970, S. 119f., S. 158f. Diese Dissertation, die erste deutschsprachige Auseinandersetzung mit dem Padre Isla im 20. Jahrhundert, legt den Schwerpunkt auf die in Isias Werk explizierten Quellen zur Vorgeschichte der oratoria sagrada. Zur Resonanz des Predigers Paravicino in Madrid (der Jahre 1617 bis 1633) s. ebd., S. 124130. Zu Graciáns Predigtlehre im Kontext seines Arte de ingenio s. ebd., S. 149-158. 137 Die wichtigsten Beiträge der genannten Autoren zur Frage der (postbarocken) Sakralrhetorik sind die folgenden: Agustín de Castejón: Sermones varios, Madrid 1738; Antonio Codorniu: El predicador evangélico, Girona 1740; José Climent (1740-1748): Pláticas dominicales, Madrid 1793; Felipe Bertrán (1764): Sobre el digno ejercicio de la predicación (in: Colección de cartas -pastorales y edictos, Madrid 1783); Francisco de Salas: Compendio práctico del pùlpito, Madrid 1771; Pedro Antonio Sánchez: Discurso sobre la Elocuencia sagrada en España, Madrid 1778. Die verschiedenen Positionen der spanischsprachigen Predigttheorie des 18. Jahrhunderts analysiert Saugnieux: Les jansénistes et le renouveau de la prédication, a.a.O., S. 79-107, S. 137-146, S. 197-229.

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intellektuelle (Klein-)Adel darstellt. 1703 in Vidanes (León) geboren, verbringt Isla seine Kindheit in Valderas, einer der sieben sagenumwobenen (den urspanischen Mythos der Region Castilla y León begründenden) Villas der Region Tierra de Campos, die im frühen Mittelalter als eine der ersten von den Westgoten besiedelt wurde und w o - 10 km von Valderas entfernt - auch Fray Gerundio de Campazas beheimatet ist.138 Nach den primeras letras bei den Karmeliten erwirbt der junge Isla laut zeitgenössischen Quellen bereits im Alter von elf Jahren den Grad eines „Bachiller en Leyes" 139 - was mit der besonderen Frühreife des brillanten Intellektuellen ebenso zusammenhängen mag wie mit einer „lamentable decadencia de las universidades [...] y de las escuelas secundarias". 1 4 0 1719 tritt er in den Jesuitenorden ein, besucht das Colegio in Santiago de Compostela, studiert von 1724 bis 1728 Theologie am Colegio del Espíritu Santo von Salamanca, wo er von Luis de Losada gefördert und mit Übersetzungsarbeiten betraut wird. 141 Zum Priester 138 Eine kulturgeographische Skizze der Region zur Zeit Isias liefert Laureano Rubio Pérez: „La tierra del Padre Isla. Entre el Régimen Colectivista de la montaña leonesa y el difícil equilibrio de Tierra de Campos. Estructuras rurales y sociedad tradicional en el siglo XVIII", in: José Enrique Martínez Fernández und Natalia Alvarez Méndez (Hg.): El mundo del Padre Isla, León 2005, S. 243-269. 139 Die früheste Quelle ist der (unter dem Pseudonym José Ignacio de Salas schreibende) Jesuit Juan José Tolrá, der sich auf Erzählungen des Autors und von dessen Schwester María Francisca de Isla y Losada beruft. Die hagiographische Rhetorik lässt die ,Daten' dieser Biographie allerdings in einem eigentümlichen Licht erscheinen: „Desde su mas tierna niñez empezó á brillar la quasi monstruosa claridad, penetración y amplitud de sus potencias [...]; desdeñándose de los juegos y diversiones pueriles, no interrumpía sus funciones diarias con otro exercicio que el de leer y estudiar la Filosofía". Juan José Tolrá: Compendio histórico de la vida, carácter moral y literario del célebre P. José Francisco de Isla, Madrid 1803, S. 4f. Weitere Quellen sind - neben Islas Cartas familiares (Madrid 1785-1789) - auch der „Prólogo para una nueva edición de Fray Gerundio" von Leandro Fernández de Moratín (in: Ders.: Obras postumas, Madrid 1868, Bd. 3, S. 200-211) sowie die „Noticia de la vida y obras del Padre Isla" von Pedro Felipe Monlau (in: Isla: Obras escogidas, BAE 15, Madrid 1850, S. I-XXXVII). Vgl. a. Bernard Gaudeau: Les prêcheurs burlesques en Espagne au XVIIIe siècle. Étude sur le P. Isla, Paris 1891, erster Teil, S. 3-173; sowie Constancio Eguía Ruiz: „Postrimerías y muerte del P. Isla en Bolonia", in: Razón y Fe 430/432 (1932/1933), S. 305-321/S. 41-61.

Sebold: „Introducción", in: Isla: Fray Gerundio, Madrid 1969, Bd. 1, S. IX-XCVIII, hier: S. XXV. 141 Isla ist nicht nur der Übersetzer von Lesages Gil Blas de Santillane. Die früh begonnene Tätigkeit, die ihn sein ganzes Leben hindurch begleitet, zielt auf eine ganze Reihe vor allem historischer und spiritueller Werke französischer Jesuiten wie Esprit Fléchier (1679): Historia del Emperador Theodosio el Grande (Madrid 1731); Jean-Baptiste 140

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geweiht, arbeitet Isla zwischen 1732 und 1750 als Prediger sowie Professor für Theologie an verschiedenen Colegios und Universitäten in Segovia, Medina del Campo, Santiago de Compostela, Pamplona und San Sebastián. Er wird Präfekt der Congregación de la Buena Muerte in Valladolid 1750 und der Congregación de los Caballeros in Salamanca 1751. Er lehnt ein durch den Marqués de la Ensenada vermitteltes Angebot ab, Beichtvater der Königin zu werden, und zieht sich 1754 nach Villagarcia de Campos zurück, um sich der Niederschrift des Fray Gerundio zu widmen. Nach dem großen Publikumserfolg des ersten Teils seines Hauptwerks wird Isla zu einer Person von öffentlichem Interesse und gleichsam über Nacht zu einem der bekanntesten Autoren der Epoche. So hätte er 1767, im Zuge der Verbannung der Jesuiten, aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und hochrangiger Freunde bei Hof nicht ins Exil gehen müssen. Trotzdem entscheidet er sich aus Solidarität mit seinem Orden für den beschwerlichen Weg über Korsika nach Italien und gelangt 1768 nach Bologna, wo er in den Häusern befreundeter Adeliger (der Grafen Grassi und Tedeschi) wohnt, sich in seinen späten Schriften vor allem der Verteidigung der Societas Jesu widmet und 1781 am Ende einer „vida turbulenta"142 stirbt. Heute ist der Name José Francisco de Isla - neben der posthum erschienenen Übersetzung des Gil Blas de Santillane - mit der Autorschaft eines einzigen Textes verknüpft, dessen Titel in der spanischen Sprache sprichwörtlich geworden ist: Historia del famoso predicador Fray Gerundio de Campazas, alias Zotes.143 Das Buch erscheint 1758 unter dem Duchesne (1743): Compendio de la historia de España (Antwerpen 1754); Pierre François de Charlevoix (1756): Historia del Paraguay (Manuskript) sowie das monumentale Año cristiano, o ejercicios de piedad para todos los días del año in 12 Bänden von Jean Croiset (Salamanca 1753-1773, Madrid 1791). Luis de Losada, Autor einiger für den Jesuitismus einschlägiger Cursus Philosophici (Salamanca 1724-1735), trägt i.Ü. auch zu Isias literarischer Entwicklung bei, indem er zusammen mit ihm die Festschrift La juventud triunfante (Salamanca 1727) im Modus einer „galanten Satire" verfasst. Ebenso bringt Losada den späteren Autor des Fray Gerundio schon in der 1730er Jahren auf die Idee einer „Satire in Romanform" über die Missstände der geistlichen Beredsamkeit. Dies berichtet Isla in einem Brief an Montiano aus dem Jahr 1758, zit. in: Samuel Gili Gaya: „Contribución a la bibliografia del P. Isla", in: RFE 10 (1923), S. 65-70, hier: S. 69. 142 José Maria Rodríguez Méndez: „Fray Gerundio o la inteligencia ,camelística'", in: Ders.: Ensayo sobre la inteligencia' española, Barcelona 1972, S. 57-95, hier: S. 89. 143 Das Adjektiv „gerundiano" - im Sinne von »geschwollen' (hinchado) oder,lächerlich' (ridículo) mit Bezug auf den sprachlichen Stil - hat Eingang in die Wörterbücher der spanischen Sprache gefunden. Sofern nicht anders angegeben, wird im Folgenden

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Decknamen (eines befreundeten Landpfarrers) Francisco Lobön de Salazar bei Gabriel Ramirez in Madrid und wird 1768 an unbekanntem Ort und ohne Autorangabe durch ein „tomo segundo" fortgesetzt.144 Der Fray Gerundio stellt in zweifacher Hinsicht ein Ereignis der spanischen Literaturgeschichte dar. Zum einen gehört er - neben der Vida des Torres und den Cartas eruditas von Feijoo - zu den meistgelesenen Büchern des 18. Jahrhunderts überhaupt.145 Innerhalb weniger Tage nach dem mit langem Vorlauf angekündigten Erscheinen am 23. Februar 1758 ist die (ungewöhnlich hohe) Erstauflage von 1500 Exemplaren ausverkauft. Nicht nur die Regierung und die prominenten Intellektuellen der Zeit - darunter Feijoo, Sarmiento und Mayans auch der Papst und der König gehören zu den ersten Lesern, wie Isla im Mai 1758 an seine Schwester schreibt.146 Zum anderen ist der Fray Gerundio jenes Buch, welches, von Seiten der verschiedensten religiösen Institutionen angeklagt, wohl am schnellsten durch die Inquisition verfolgt und auch verboten wird. Schon drei Wochen nach der Veröffentlichung, am 14. März 1758, wird die Neuauflage des ersten Teils „hasta nueva orden" untersagt. Zwei Jahre später, nach akribischer Untersuchung aller Anklagepunkte durch die Kommission des Santo Oficio, erfolgt am 11. Mai 1762 per Erlass (edicto) ein allgemeines Verbot der Lektüre, Verbreitung und Kommentierung „en pro y en contra de dicha Historia".147

nach der Ausgabe von Enrique Rodríguez Cepeda zitiert: José Francisco de Isla: Historia del famoso predicador Fray Gerundio de Campazas, alias Zotes, M a d r i d 1995. Auf

diese Ausgabe bezieht sich das verwendete Kürzel FG (mit Angabe der Seitenzahl nach dem Komma). 144 Die Ausgabe von 1770 trägt die fiktive, ironisch selbstreferentielle Verlagsangabe „En Campazas, ä costa de los Heredores de Fray Gerundio". Zur komplexen internationalen Editionsgeschichte des Fray Gerundio in den (mindestens) 14 Auflagen von 1758 bis zur Ausgabe von Pedro Felipe Monlau (BAE 15, Madrid 1850) vgl. Rodríguez Cepeda: „Introducción", in: Ebd., S. 13-125, hier: S. 81-112. 145 Rodríguez Cepeda (ebd., S. 39) vermutet gar, dass er das meistgelesene Buch war. 146

Isla: Cartas familiares, in: Ders.: Obras escogidas, a.a.O., S. 471, S. 477.

Vgl. Sebold: „Introducción", a.a.O., S. XXXVII; sowie Alborg: „El Padre Isla", in: Ders.: Historia, a.a.O., S. 256-291, hier: S. 270. Abfolge und Wortlaut der Urteile der Inquisition gegen „Lobon de Salazar (Lic. D. Franc.)" sind in dem vom Inquisidor General Agustín Rubín de Ceballos herausgegebenen Indice último de los libros prohibidos y mandados expurgar (Madrid 1790, S. 162) verzeichnet. Der vollständige (als Manuskript in der Real Academia de la Historia befindliche) Expediente sobre la obra 147

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Der ereignisträchtige Skandal der Publikation entspricht einer expliziten und wohlkalkulierten Provokation von Seiten des Autors. Die philosophische, d.h. in diesem Kontext theologisch-pädagogische Textintention wird mit verschiedenen »Vorsichtsmaßnahmen' im „Prólogo con morrión" (zu Deutsch: ,Vorwort mit Eisenhelm')148 auf ausführliche Weise „inszeniert" und erläutert. Der Fray Gerundio möchte als das Konzeptkunstwerk eines Schriftstellers aufgefasst und gelesen werden - „Yo le concebí, yo le parí, yo le ordené" (FG, 189) - , der einen (göttlichen und von Staats wegen autorisierten) Auftrag besitzt und einen ebenso klaren wie unbescheidenen Plan verfolgt. Es gilt, mit der Figur des Fray Gerundio de Campazas einen „Don Quijote de los Predicadores" zu erschaffen, der dazu dient, mit den Mitteln des Romans - „los artífices de novelas útiles" (FG, 190) - der zeitgenössischen,Unsitte' der barocken Kanzelsprache einen Spiegel vorzuhalten und die geistliche Beredsamkeit bzw. die Predigtkunst zu reformieren: „El fin único de esta obra [es] desterrar del pùlpito español los intolerables abusos que se han introducido en él" (FG, 195).149 Die Behauptung und die Einlösung dieses für die Konzeption eines Romans recht eindimensionalen Zwecks verweisen zum einen auf die besondere Poetik des Fray Gerundio, die sich an den diskursiven Übergängen zwischen theoretischer und narrativer Prosa und in der konkreten Auseinandersetzung mit einem abstrakten Gegenstand ausdifferenziert. Zum anderen markieren sie den Kulminationspunkt einer individuellen ästhetischen Entwicklung, die in die Frühzeit der spanischen Aufklärung zurückreicht und unter den zeitgenössischen Bedingungen der Diskursformation eine absolut einzigartige Form findet. Isias Werk ist das Resultat der langjährigen ,essayistischen' Ausprägung einer Haltung als Schriftsteller in den gattungsoffenen Umgebungen der zeitgenössischen Literatur. Der Anfang dieses Ausprägungsversuchs führt in die (in Kap. 2.2 beschriebene) kommunikative de fray Gerundio mit den (erhaltenen) Anklagen und Uberprüfungsprotokollen ist bei Gaudeau (Les prêcheurs, a.a.O., S. 483-510) wiedergegeben. 148 FG, 189-231. „Morion" (chemisch: eine Quarz-Art) ist auch im Deutschen die Bezeichnungeines im Militärwesen desiò. Jahrhunderts bekannten„Eisenschutzhelms". 149 Dieser Plan wird schon in den Kommentaren, die den Text seit seiner Entstehung begleiten, wie etwa im Brief an Leopoldo Jerónimo Puig vom 20. 9.1752, deutlich: „[es] para desterrar del mundo español, haciéndolos ridículos, á tantos charlatanes con licencia del ordinario, como infestan y apestan nuestros púlpitos". Isla: Cartas familiares, Bd. 5, Madrid 1789, S. 87 (Obras escogidas, a.a.O., S. 561).

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Streitkultur der 1720er und 30er Jahre zurück. Hier unternimmt Isla als junger, unter Pseudonym schreibender Autor Eingriffe in die von Feijoo, Sarmiento, Martínez, Mayans und anderen geführte Debatte um die Rolle, die die Wissenschaft der Medizin in der Auseinandersetzung zwischen scholastischen und empiristischen Ausrichtungen des Denkens und um den Begriff vom (gesunden) Menschen spielt. Texte wie die Glosas interlineales a las Posdatas de Torres, die 1726 unter dem Pseudonym Pedro Fernández „en defensa del doctor Martínez y del Teatro Crítico Universal" erschienen sind,150 und die Cartas de Juan dé la Encina von 1732 treffen den polemischen Ton der Zeit und zeugen von einer frühen Positionierung im Feld der Literatur. Inhaltliche Grundzüge einer jesuitisch verankerten und zugleich rationalistischen, an Gemeinsinn und desengaño del pueblo orientierten Philosophie kommen hier ebenso zum Ausdruck wie strategische Entscheidungen im polyphonen Spiel der Autoritäten.151 So führt die Verteidigung von Feijoo und Martínez etwa zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Mayans, der ebenso wie Torres ein ideologischer Gegner Isias bleibt und auch zur Zielscheibe der Satire im Fray Gerundio wird. Zugleich findet der Autor schon in dieser Zeit den besonderen Gegenstand seines Reformansatzes in der philosophisch-philologischen Reflexion des alten barocken Streits um die Provenienz, die Bedeutung und das Ziel der oratoria sagrada. Zwischen 1729, dem Entstehungsjahr der frühen Schrift Crisis de los predicadores y de los sermones, und der Veröffentlichung des Fray Gerundio schreibt Isla eine Vielzahl weiterer predigttheoretischer Schriften, die erst posthum - zusammen mit den zu Lebzeiten nicht zur Publikation autorisierten Predigten - in der sechsbändigen Sammlung Sermones morales (Madrid 1792-1793) veröffentlicht werden. Zugleich begleitet der Autor sein Aufklärungsprojekt und seine praktische Arbeit als Lehrer und Prediger durch Ausflüge in die Gefilde der ,schönen' Literatur. Neben den satirischen Situationsbeschreibungen, die Isla über Jahre ansammelt 150 Die Autorschaft des in Salamanca (ohne Verlagsangabe) erschienenen Drucks - einer Antwort auf Torres Villarroel: Posdatas de Torres a Martínez (a.a.O.) - ist nicht abschließend beweisbar. Die Zuschreibung wird jedoch bereits im 18. Jahrhundert durch

den Einbezug der Glosas in die Colección de papeles crítico-apologéticos

(Madrid 1787)

vollzogen. 151 Zu den Elementen des ironischen Stils in Isias Frühwerk s. Rafael Cabañas Alamán: „La sátira en Cartas de Juan de Encina", in: Martínez Fernández und Alvarez Méndez (Hg.): El mundo del Padre Isla, a.a.O., S. 335-350.

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und in den Fray Gerundio einfließen lässt, sowie „Gelegenheitsgedichten" (coplas oder décimas), von denen einige in den Obras escogidas abgedruckt sind, findet mit dem 1746 in Pamplona gedruckten Auftragswerk Triunfo del amor y de la lealtad auch ein längerer Text den Weg an die Öffentlichkeit.152 Auf diese Weise durchläuft das Konzept des Fray Gerundio eine mehrere Jahrzehnte andauernde, von vorbereitenden Versuchen begleitete Reifezeit,153 bevor Isla den Text in einer Spanne von etwa vier Jahren niederschreibt und ein weiteres Jahr in die von einflussreichen Persönlichkeiten - wie José de Rada y Aguirre, Miguel de Medina, dem Marqués de la Ensenada u.a. - gestützte, mit insgesamt sieben aprobaciones versehene Publikation investiert, ohne dass dadurch die nachfolgende Anklage der Inquisition vermieden worden wäre.154 In diesem Prozess - einer individuellen ästhetischen Formation vor dem Hintergrund einer diskursiven Gemengelage - lassen sich historische Gründe für die 152 Isla: Triunfo del amor y de la lealtad. Día grande de Navarra, en la festiva, pronta, gloriosa aclamación del serenísimo católico rey don Fernando II de Navarra y VI de Castilla, Pamplona 1746 (Madrid 1804). Dieses frühe literarische Werk ist insofern bemerkenswert, als es von der Diputación Provincial in Navarra anlässlich eines Besuchs Königs Ferdinand VI. in Pamplona in Auftrag gegeben und im „estilo culto" verfasst ist, gerade darin aber den Anlass für satirische Auslassungen und ironische Distanznahmen insbesondere gegenüber den Mythisierungen und Selbstüberhöhungen der Geschichte Navarras findet - wie etwa der Tatsache, dass Ferdinand VI. in Navarra „Ferdinand II." genannt wird, um zum Ausdruck zu bringen, dass das kleine bis 1702 autonome (Vize-) Königreich seit dem „katholischen" König Ferdinand keinen kastilischen Monarchen dieses Namens anerkennt. Die Auftraggeber bemerken die Satire erst nach dem Druck und verzichten auf die Forderung, das Buch zurückzuziehen, durch den Widerstand des Autors, der darauf hinweist, dass sie sich dadurch der Lächerlichkeit preisgäben. Diese kleine Episode (die bei Gaudeau: Les prêcheurs burlesques, a.a.O., S. 61-66 sowie Sebold: „Introducción", a.a.O., S. XXXIIIff. nacherzählt wird) zeigt zum einen die Subtilität des ironischen Stils, die Isla in diesem frühen Versuch der Vermischung von „Historia" und „Fiktion" bereits erreicht, und zum anderen den „ingenio del Padre Isla, que no solamente tuvo habilidad para escribirlo, sino para hacer que los mismos a quienes se satirizaba le dieran las gracias, y acordaran su impresión". Sempere y Guarinos: Ensayo de una biblioteca, a.a.O., Bd. 3, S. 124. 153 „Isla se acerca a la novela desde un género, el satírico, que había ejercitado ya antes [...], es decir, que se dedica a la novela desde una perspectiva que le permite estar seguro y utilizar cómoda, y novelescamente, los recursos de la sátira". Alvarez Barrientos: „José Francisco de Isla y la novela", in: La novela, a.a.O., S. 81-100, hier: S. 82. 154 Isla versucht vergeblich, vom Marqués de la Ensenada einen Regierungsauftrag' für die Niederschrift des Fray Gerundio zu erhalten. Die Pläne, sein Buch dem Königspaar, dem Generalinquisitor oder dem Erzbischof von Zaragoza zu widmen, scheitern ebenfalls. Vgl. Raetz: Francisco José de Isla, a.a.O., S. 205f.

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Einzigartigkeit festmachen, die der Text in formaler Hinsicht darstellt. Während die Zeitgenossen im Fray Gerundio entweder einen „romance burlesco"155 oder eine „obra de excelente crítica"156 gesehen haben, geht die Literaturwissenschaft heute davon aus, „que en el Gerundio existe una parte novelesco-satírica y otra didáctica".157 Die Frage der Gattungszugehörigkeit des Romans ist einer der zentralen Gegenstände, mit denen sich die Interpretation - vom inquisitorischen Tribunal, über die polemische Anfechtung und die hagiographische Apologie bis zur wissenschaftlichen Untersuchung - auseinanderzusetzen hat.158 Die Vorgabe des Textes ist eine Selbstbezeichnung, die durch den auktorialen Erzähler - in der Person eines fingierten Autors und im Gerüst einer omnipräsenten Ironie - vorgenommen wird: Der Fray Gerundio, so heißt es im „Prólogo con morrión", sei ein „libro [...] escrito en prosa lisa y llana", das sich nicht das Recht herausnehmen dürfe, „[de] sentarse en el banco elevado y aforrado en terciopelo carmesí de los poemas épicos" (FG, 192). Er müsse insofern an einer Richtschnur gemessen werden, deren bescheidenes Telos (im Sinne eines ästhetischen Modells ebenso wie einer historischen Entwicklung) „nicht mehr sei als ein Roman": „a lo más [...] es una desdichada novela" (FG, 194). Im Zusammenhang mit der zuvor formulierten didaktischen Intention stellt der Text die Frage nach der eigenen Identität, ohne sie zu beantworten: Handelt es sich um ein homiletisches Reformtraktat oder einen literarischen Versuch auf dem Weg zum autonomen Roman?159 Auf diese unentschiedene Textvorgabe antwortet die Rezeption aus einer Spannbreite verschiedener Auffassungen heraus in Auseinandersetzung mit dem möglichen Anteil der Ironie an der sprachlichen Verfasstheit des Textes. Die einen sehen die Historia de Fray Gerundio in der mit Cervantes einsetzenden Tradition der Romanliteratur als „el libro más revolucionario de la época".160 Die anderen betrach-

Juan Andrés: Origen, progresos y estado actual, a.a.O., Bd. 4, S. 499. Fernández de Moratín: Obras postumas, a.a.O., Bd. 3, S. 200. 157 Alborg: Historia, a.a.O., S. 277. 158 Alborg schlägt in seiner Darstellung die folgende Kompromissformel vor: „más que una novela, es una requisitoria satírico-doctrinal en forma ligeramente novelada" (ebd., S. 278). 155 156

159 Die These, dass der Fray Gerundio aus ,zwei Büchern in einem' bestehe, ist zuerst im 19. Jahrhundert formuliert worden: „II y a au moins deux livres dans l'ouvrage d'Isla. C'est d'abord, si l'on veut, une rhétorique ecclésiastique, et puis c'est un roman". Gaudeau: Les prêcheurs burlesques, a.a.O., S. 261. 160

Rodríguez Cepeda: De Benito Feijoo a Martín Sarmiento, a.a.O., S. 35.

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ten den ,romanesken' Teil des Textes ebenso wie die bildliche Sprache und den ironischen Stil als bloß schmückendes Beiwerk einer zugrunde liegenden, seriösen Reformintention.161 Die Elemente der narratologischen und stilistischen Verfasstheit des Fray Gerundio, die im Folgenden zum Zweck der Überprüfung des vorgeblichen poetologischen Konzepts zusammengestellt werden, erheben nicht den Anspruch, eine Entscheidung in der historischen Beurteilung des Autors oder des tatsächlichen Erfolgs der intendierten sakralrhetorischen Erneuerung in Romanform herbeizuführen.162 Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Philosophie des jesuitischen Intellektuellen diesseits des gepanzerten Rüstzeugs, das um den narrativen Teil seines Werks gespannt ist, mit der behaupteten reformatorischen Intention übereinstimmt und zugleich der Persönlichkeit des gewordenen Schriftstellers entspricht, die zwischen „ascetismo y mundanidad" aufgespannt ist.163 Unstrittig erscheint jedenfalls: 1) dass der Fray Gerundio als ideologisch orientierte Streitschrift das Ziel verfolgt, Kritik an der falschen Frömmigkeit zu üben und einen zeitgemäßen

161 „El Gerundio está muy lejos de ser una obra puramente imaginativa, [...] sus páginas sólo tienen de novela la estructura (una estructura [...] muy deslavazada y sui generis, tendente a imitar el modelo cervantino y las ideas de Aristóteles y de Luzán)". Jurado: „Introducción", in: Isla: Apología por la Historia de Fray Gerundio, Madrid 1989, S. 5-27, hier: S. 5f. Für den Theologiehistoriker J. Saugnieux stellt es z.B. gar kein Problem dar, den Fray Gerundio neben den Sermones morales des gleichen Autors unter der bibliographischen Rubrik „Sermons et autres oeuvres des prédicateurs célébres" zu fassen. Saugnieux: Les jansénistes, a.a.O., S. 406, S. 409. 162 Auch zu diesem Punkt existieren sehr unterschiedliche Sichtweisen. So sieht z.B. Rodríguez Cepeda eine ebenso positive wie unmittelbare Wirkung des Fray Gerundio auf die Homiletik der Zeit: „El libro de Isla cambió y purgó inmediatamente a la sociedad culta española, interesó enormemente como ,novela' y como testimonio de un abuso social, la predicación y la censura del sistema de educación." Rodríguez Cepeda: „Introducción", a.a.O., S. 51. R. Sebold spricht dem Roman hingegen jegliche homiletische Charakteristik überhaupt ab: „Se ha dicho a menudo que en el Gerundio se desarrolla, paralelamente con la novela, un tratado de oratoria sagrada. Pero no hay tal cosa. En realidad, no se propone ningún método positivo de componer sermones". Sebold: „Introducción", a.a.O., S. LV.

„Los escrúpulos del padre Isla derivan de la dificultad de armonizar la caridad propia del sacerdote con la técnica crítica característica de la literatura dieciochesca" (ebd., S. IX, S. XI). Vgl. a. Alborg: „El satírico que escribió el Fray Gerundio arribaba al género [...] en virtud de un proceso coherente exigido por lo más genuino de su personalidad: una personalidad de la que brotaba la ironía como fuente propia" (Historia, a.a.O., S. 266). 163

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Katholizismus im Einklang mit den Errungenschaften der Epoche herbeizuführen; 2) dass die Satire als Form und die darin „angewandte" Ironie (Stil-)Mittel zum Zweck der Aufrüttelung der Leser bzw. der Erzeugung einer rezeptiven Disposition darstellen, die den Ansatz der Reform erleichtern soll; 3) dass darin die Position eines Neoklassizismus der „gesteuerten Textwirkung" und der „Reform von oben" zum Ausdruck kommt, die zugleich auf einem für das 18. Jahrhundert prototypischen Verständnis von Cervantes' Don Quijote als einer die ,Unsitte' des Ritterromans ausmerzenden Satire beruht: Hasta que Miguel de Cervantes salió con su incomparable Historia de Don Quijote de la Mancha no se desterró de España el extravagante gusto a historias y aventuras romanescas, que embaucaban inutilísimamente a innumerables lectores, quitándoles el tiempo y el gusto para leer otros libros que los instruyesen [...]. Pues, ¿por qué no podré esperar yo que sea tan dichosa la Historia de fray Gerundio de Campazas c o m o lo fue la d e D o n

Quijote de la Mancha, y más siendo la materia de orden tan superior, y los inconvenientes que se pretenden desterrar de tanto mayor bulto, gravedad y peso? (FG, 214)164

Zugleich kommt aber jenseits der vorgeblichen Textintention und der narrativen Einbettung des Autors (hinter der Maske der Erzählerfigur Lobón de Salazar) in die normative, moralisch-dirigistische Ideologie der Aufklärungsepoche eine ästhetische Praxis zum Ausdruck, die implizit an die Tradition des Literaturromans anknüpft, die heute mit dem Namen Cervantes verbunden ist. Der Fray Gerundio enthält eine vom Vorwort bis zur abschließenden Fiktionalitätsanzeige aufrechterhaltene mise en abyme des eigenen Entstehungsprozesses inkl. einer Gattungsreflexion über das Verhältnis von Fiktionalität und Geschichtlichkeit sowie die Grenzen der ,Literarizität'. Die Tatsache, dass diese Elemente in ein stetes ironisches Spiel eingebunden sind, das kaum aufzulösen ist und die Frage nach den Bedingungen des 164 Zu Isias aufklärungstypischer (und mit der Position von Mayans konformer) Cervantes-Lektüre vgl. Rodríguez Cepeda: „Por una parte, Isla ,imita' a Cervantes en aspectos de la composición del Quijote; por otra, intenta calar en el gesto satírico de la novela cervantina" („Introducción", a.a.O., S. 48); sowie Sebold: „Concibiendo su personaje a base de la idea del Quijote como mera sátira, Isla tiene que privar a fray Gerundio [...] justamente de aquella característica quijotesca que para el Siglo de las Luces hacía sinónimos quijote y capricho: la locura" („Introducción", a.a.O., S. LXVII).

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zeitgenössischen Romans gemäß der Tradition des Desengaño - als Dialektik zwischen Aufklärung und Täuschung - aufwirft,165 deutet darauf hin, dass der Fray Gerundio mehr ist als eine ereignishafte Ausnahme in der historischen Narration von der Unmöglichkeit der spanischen novela ilustrada. 4.3.2. Der Fray Gerundio als satirischer Literaturroman Der Padre Isla schreibt den von Feijoo und Torres Villarroel begründeten Diskurs der autonomen literarischen Prosa unter verschärften - die Regeln der oratoria sagrada als ein handicap aufgreifenden166 - Bedingungen fort. Auf einer ersten Ebene, die predigttheoretisch genannt werden kann, ist auf hervorstechende Weise die negative Ästhetik einer systematischen und hypertrophen Dekonstruktion einer herrschenden rhetorischen Praxis verankert. Auf einer zweiten Ebene lässt sich jedoch eine - durch den gefährlichen Gegenstand in den Hintergrund gerückte - kostumbristische (säkulare) Erzählung ausmachen, die eine Untersuchung und nachahmende Darstellung der Lebensbedingungen ländlicher Gemeinschaften unternimmt. Vor dem Hintergrund der entsprechenden Überlegungen zur Erziehung und Verbesserung der sozialen Rahmenbedingungen führt diese Erzählung schließlich zu einer dritten Ebene, die in einer selbstreflexiven ,Inspektion' der philosophischen Komponenten und theoretischen Bedingungen literarischer Prosa besteht. Diese Ebene tritt durch die mise en abyme der Herstellungsgeschichte des Romans zutage. Zunächst stellt sich das erzählte Geschehen des Fray Gerundio auf recht einfache Weise dar. Trotz der Länge, die analog zum Don Quijote

165 Zur etymologischen Janusköpfigkeit des Wortes „Desengaño" zwischen Enttäuschung' und ,Aufdeckung' - vgl. Hansgerd Schulte: El desengaño. Wort und

Thema in der spanischen Literatur des Goldenen Zeitalters, M ü n c h e n 1969, S. 13-20. Z u r

Dialektik von Ironie und desengaño bei Isla vgl. Helmut Hatzfeld: „Humor der getarnten Aufklärung in O Hissope u n d Fray Gerundio",

in: Aufsätze zur

portugiesischen

Kulturgeschichte 12 (1975), S. 55-69. 166 £)j e Einschränkung des Sprachmaterials unter dem Begriff des „Handicaps" ist im 20. Jh. vom französischen Nouveau roman - etwa Georges Pérec: La Disparition (Paris 1969) - als Ansporn des literarischen Kreationsprozesses programmatisch formuliert worden. Zur Veranlagung des literarischen Handicaps als kultureller Kampfbegriff der kleinen Literaturen (die noch dabei sind, ihre Spuren in den jeweiligen Kanon hineinzutragen) vgl. Verf.: Die Orte des kreolischen Autors, Bielefeld 2005, S. 37, S. 185ff.

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gemessen ist/ 6 7 trotz des auf die Tradition des Picaro-Romans verweisenden Titels - inklusive der vielen ironischen, Erwartungen setzenden und enttäuschenden Kapitelüberschriften - sowie der genealogisch verankerten und chronologisch nacherzählten Lebensgeschichte des Titelhelden ist Islas novela keinesfalls so komplex wie der Formvorgänger des Siglo de Oro. Gerundio ist der Sohn des einfältigen und gutmütigen Bauern Antón Zotes, der sich in seinem Heimatdorf Campazas (Tierra de Campos) als „el rico del lugar" 168 hervorgetan hat, und dessen Frau Caíanla Rebollo, die in der einzigen, ebenso provokanten wie subtil angedeuteten erotischen Szene des Buchs eines Palmdonnerstags in der Folge einer dörflichen ,Selbstgeißelungsprozession mit Zuschauerinnen' zusammenkommen: No se le ocultaba al bellaco de Antón esta inclinación de las mozas de su tierra, y así salió de disciplinante el Jueves Santo [...]. A la legua le conoció Catanla Rebollo (que éste era el nombre de la doncella su vecina y su condiscípula de escuela) [...]. No le quitaba ojo en toda la procesión; y él, que lo conocía muy bien, tenía gran cuidado de cruzar de cuando en cuando los brazos, encorvar un poco el cuerpo y apretar las espaldas, para que exprimiesen la sangre, haciendo de camino un par de arrumacos con el caperuz [...]. Al fin, como Antón Zotes se desangraba tanto, llegó el caso de que uno de los mayordomos de la Cruz, que gobernaba la procesión, le dijese que se fuese a curar. Catanla se fue tras él y, como vecina, se entró en su casa, donde ya estaba prevenido el vino con romero, sal y estopas, que es todo el aparato de estas curaciones. [...] Lo que pasó entre los dos no se sabe; sólo consta de los anales de aquel tiempo que [...] al fin y postre se casaron. (FG, 252f.)

167 Auch die Aufteilung in zwei Bände, die in einem Abstand von zehn Jahren veröffentlich werden, unterstreicht die im „Prólogo" des Fray Gerundio geäußerte Vorliebe für die Formvorlage des Don Quijote. Im Übrigen diskutiert der Autor per Brief mit befreundeten Intellektuellen über den Namen der Titelfigur, für die er zunächst die Varianten „Fray Quijote" oder „Fray Toribio" vorsieht. Isla: Cartas inéditas, Madrid 1957, S. 175.

168 D e r Wohlstand ist im Maßstab der einfachen sozialen Provenienz gemessen. Wie es im mit „Patria, nacimiento y primera educación de Fray Gerundio" betitelten ersten Kapitel heißt, gilt der Vater als reich, „porque tenía dos pares de bueyes de labranza, una yegua torda, dos carros, un pollino rucio, zancudo, de pujanza y andador, para ir a los mercados; un hato de ovejas, la mitad parideras y la otra mitad machorras; y se distinguía su casa entre todas las del lugar en ser la única que tenía tejas" (FG, 237).

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Der Frucht dieses Aktes der Nächstenliebe wird aufgrund übergroßer Elternfürsorge ein einzigartiger' Name geben - „Gerundio se ha de llamar [...] porque Gerundio es hombre sengular, y eso busco para m'hijo" (FG, 256)169 - und sie wird im Gefühl der katholischen Ehrfurcht und mit heimlicher Hoffnung auf eine bescheidene Präbende für die klerikale Laufbahn bestimmt. Es folgt die Schilderung der ebenso bescheidenen Ausbildung Gerundios durch den Lateinlehrer Taranilla (auch Zancas-Largas genannt) - „[un] dómine que atolondró a toda la tierra de Campos con su latín crespo y enrevesado" (FG, 240), dessen sprachdidaktischer Auffassung gemäß „el latín siempre ha de ser de boato, altísono, enrevesado e inconstruible" (FG, 307)170 - und durch den Spanischlehrer, einen hinkenden Namenlosen, der, „el cojo de Villaornate" genannt, als Schüler eines „maestro Socaliñas" vorgestellt wird und sich als Erfinder eigener Gesetze der Rechtschreibung mit ausgeprägtem Hang zu imaginärer Etymologie auszeichnet.171 In dieser , sprachkritischen' Umgebung, an der auch der Dorfpfarrer und der Pate des Helden, „un capellán licenciado Quijano de Perote", teilhaben, erweist sich der junge Gerundio als besonders begabt und wird durch die Intervention eines wandernden Laienpredigers in das Kloster eines nicht genannten Ordens „no muy distante de Campazas" (FG, 338) geschickt, wo er ein Noviziat durchläuft und - „sin entender palabra de ella" (FG, 352) - Philosophie studiert.

169 Erklärt wird der Name auch mit dem Stolz, den Vater Antón durch gute Leistung in seiner bescheidenen Lateinausbildung beim grammatischen Thema des Gerundiums erlangt habe: „porque m'acuerdo bien que, cuando estudiaba con los teatinos de Villagarcia, por un gerundio gané seis puntos para la banda" (ebd.). Der erfolgreiche, sprichwörtlich werdende Kunstgriff dieser Namensgebung beruht also gleichsam auf einer Personalisierung der allgemeinen Verlaufsform, nicht ohne die rudimentären Grammatikkenntnisse im ländlichen Castilla y León zu beklagen.

Der distanzierende Kommentar des Erzählers wird im (Erfüllung versprechenden) Titel des 8. Kapitels deutlich: „Sale Gerundio de la escuela del dómine, hecho un horroroso latino" (FG, 272). 171 Die Komik der ,vemakularkostumbristischen' Szene zu Beginn des Romans beruht auf der Konfrontation lokaler Sprechweisen mit rationalen Ideen einer Rechtschreibreform, deren Durchführung - etwa in der eineindeutigen Zuordnung von Graphemen und Phonemen - gleichzeitig ad absurdum und zu Ansätzen einer sprachphilosophischen Reflexion geführt wird, z.B. „El ombre ke kiera escribir coretamen170

te, uya qanto pudiere de escribir akellas letras ke no se egspresan en la pronunciación;

porke es

desonra de la pluma, ke debe ser buena ija de la lengua, no aprender lo ke la enseña su madre,

etc." (FG, 267).

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Die philosophisch-theologische ,Ausbildung', die durch den Lehrer „Fray Toribio, lector de artes" (FG, 343) auf nicht weniger extravagante Weise als jene der Sprachlehrer erfolgt und die linguistische Verwirrung des Schülers in die Bahnen absurder Syllogismen leitet,172 fixiert den Rahmen der romanhaften Handlung, die sich in der Folge auf den „unwahrscheinlichen" Werdegang der Hauptfigur zum Prediger beschränkt. Bis zum Ende des ersten Teils handeln die verbleibenden knapp 300 Seiten - mit Ausnahme einiger Studentenstreiche und kleinerer Abenteuer, die in den Mauern eines Klosters möglich sind geradezu ausschließlich von den Inhalten und der praktizierten Lehre dieser theoretisch und didaktisch defizitären, in jeder Hinsicht zu wünschen übrig lassenden Priesterausbildung im ländlichen Kastilien der 1750er Jahre. Gerundio, zuweilen vom Erzähler verniedlichend auch Gerundico oder Gerundillo genannt, wird als gewitzter Jüngling mit angenehmem Äußeren dargestellt, der über ein gewisses Charisma, Selbstsicherheit und eine sonore Stimme (also die Voraussetzungen einer natürlichen' Redegewandtheit) verfügt, zugleich aber als eitel und faul beschrieben wird. Gerundio ist für das Verständnis von theoretischen Problemen der Theologie ebenso ungeeignet wie für den Beruf des Priesters, den er nur aus Gründen des sozialen Prestiges und des finanziellen Auskommens ergreifen will. In dieser Konstellation wird Gerundio zum Spielball verschiedener Einflüsse, die der Erklärung des Prólogo zufolge schematisch in positive und negative Kräfte geschieden und auf entsprechend angelegte Nebenfiguren verteilt sind. Zu den positiven Kräften - im Sinne einer vernünftigen, zielorientierten und den barocken Predigtstil bekämpfenden Priesterausbildung - , die auf die Hauptfigur einzuwirken versuchen, gehört der als „prudente y piadoso" (FG, 337) charakterisierte Padre Provincial, der Leiter des Klosters und Die Darstellung der,Methode' des Philosophielehrers wird stilistisch durch eine hyperbolische Reihung ins Absurde führender Eigenschaftsbegriffe implementiert: „[El padre lector Fray Toribio] tenía atestada la cabeza de apelaciones, ampliaciones, alienaciones, equipolencias, reducciones, y de todo lo más inútil y más ridículo que se enseña en las súmulas [...]. Ejercitábase él, y hada que sus discípulos se ejercitasen, en componer contradictorias, contrarias, subcontrarias y subalternas, en todo género de proposiciones: en las categóricas, en las hipotéticas, en las simples, en las complejas, en las necesarias, en las contingentes y en las de imposible, gastando meses enteros en estas bagatelas impertinentísimas" (FG, 344). „Por eso era gusto oírle las ideas confusas, embrolladas y ridiculas" (FG, 352). 172

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der (ungenannten) Ordensprovinz, der sich auf väterliche Weise des Schülers annimmt und dessen Unzulänglichkeit stets mit Nachsicht und zu großer Hoffnung auf Besserung behandelt. Flankiert wird diese Figur durch den Pater Prudencio - „este padre grave, y le cuadraba bien el nombre; porque era hombre prudente, sabio, más que regularmente erudito, de genio muy apacible, aunque demasiadamente bondadoso" (FG, 471) - , der Gerundio, von dessen rhetorischen Eskapaden entsetzt, ebenfalls auf den rechten Pfad der guten Lehre zurückbringen möchte. Der negative Einfluss wird neben verschiedenen kleineren Figuren vor allem durch Fray Blas ausgeübt, den „predicador mayor" des Klosters, der, mit pejorativen Attributen überhäuft, als eine Art Mephistopheles der theologischen Didaktik dargestellt wird - „[el] pájaro de pájaros, el non prus hurta [sie!] de los púlpitos" (FG, 358) 173 - und der die Technik eines Predigtstils perfektioniert hat, „[en que] no había ni migaja de juicio, ni asomo de sindéresis, ni gota de ingenio, ni sombra de meollo, ni pizca de entendimiento" (FG, 356). 174

173 Herv. i. T. Diese Charakterisierung wird durch den „censor de los sermones" vorgebracht, eine Funktion, die in Campazas durch den ansässigen Schumacher ausgeübt wird: „un [...] truhán de profesión y eterno decidor, a quien llamaban en el pueblo el azote de los predicadores, porque en materia de sermones su voto era el decisivo" (FG, 357). Der Name Fray Blas ist an den Namen des Titelhelden aus Lesages Roman Gil Blas de Santillane angelehnt, mit dessen ,Rück'-Ubersetzimg sich der Schriftsteller am Ende seiner Karriere beschäftigt. 174 Fray Blas, das Modell des ,gerundianischen' Predigers, wird in der für Isias Stil typischen Technik der dichten bildlichen Beschreibung als eine ebenso dreiste wie charismatische, mit schauspielerischem Talent und vorgetäuschter Bildung ausgestattete Figur im besten (wenngleich für Christus totbringenden) Alter skizziert: „Hallábase el padre predicador mayor en lo más florido de la edad, esto es, en los treinta y tres años cabales. Su estatura procerosa, robusta y corpulenta; miembros bien repartidos y asaz simétricos y proporcionados; muy derecho de andadura, algo salido de panza; cuellierguido, su cerquillo copetudo y estudiosamente arremolinado; hábitos siempre limpios y muy prolijos de pliegues, zapato ajustado, y sobre todo su solideo de seda, hecho de aguja, con muchas y muy graciosas labores, elevándose en el centro una borlita muy airosa; obra toda de ciertas beatas, que se desvivían por su padre predicador. En conclusión, él era mozo galán, y juntándose a todo esto una voz clara y sonora, algo de ceceo, gracia especial para contar un cuentecillo, talento conocido para remedar, despejo en las acciones, popularidad en las modales, boato en el estilo y osadía en los pensamientos, sin olvidarse jamás de sembrar sus sermones de chistes, gracias, refranes y frases de chimenea, encajadas con grande donosura, no sólo se arrastraba los concursos, sino que se llevaba de calles los estrados." (FG, 355)

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Die Kommunikation zwischen diesen Figuren - die wörtliche Rede hat im Roman einen ebenso großen Anteil wie die Beschreibungen des (stets auktorialen) Erzählers - dreht sich mit Ausnahme der komischen Einlagen, die zumeist mit kulinarischen Genüssen zu tun haben, immer u m das gleiche Thema. Der teuflische Fray Blas flüstert dem gelehrigen Fray Gerundio ein, was die gutmütigen Padres Provincial und Prudencio vergeblich zu verhindern suchen: die Möglichkeit, ohne jegliches Studium der Philosophie und der Theologie zum Priester geweiht zu werden und unter Aneignung eines geringfügigen Repertoires an rhetorischen und schauspielerischen Techniken als „predicador sabatino" (FG, 470) ein einträgliches Dasein zu finden. Hierfür finden sich in der Praxis der (hyperbolisch) beschriebenen Wirklichkeit - eines an religiösen Festtagen übervollen Kalenders, der das ländliche Leben strukturiert und viele Anlässe für die Berufsausübung einer großen Masse von Klerikern bietet175 - ebenso viele ,Beispiele' und ,Modelle' wie in der Theorie der zeitgenössischen homiletischen Traktate und Predigtsammlungen, die im Roman zum Gegenstand der kritischen Lektüre werden. Die Erfahrung des Erfolgs gibt den Figuren Recht. Mit äußerst rudimentären Bibelkenntnissen und einigen basalen Hilfsmitteln wie Wörterbüchern, Konkordanzen und Spruchsammlungen ausgestattet, gelingt es Gerundio, durch seinen Geschmack an der sinnlosen Rede, sein Talent für schauspielerische Einlagen und per Akklamation des beeindruckten Volks die Probezeit zu bestehen. Der erste Teil des Fray Gerundio endet nach der Weihe des Unwürdigen, die unter der (bald vergessenen) Auflage einer Vormundschaft vollzogen wird, mit einer ersten triumphalen Predigt als Priester (sacerdote de misa) in seinem Heimatdorf. Der zweite Teil des Romans vervollständigt die gleichbleibende Darstellung durch die Wiederholung eines analogen Erzählschemas. Gerundio, der in der Hierarchie der Prediger schnell aufsteigt, erhält drei weitere Gelegenheiten zur Darbietung seiner Kunst vor großem Publikum. Für die verschiedenen Anlässe verfeinert er unter der Anleitung von Fray Blas seine (anti-)rhetorische Technik und wird auf ausführliche Weise bei der Vorbereitung - dem ,Wälzen' (revolver)

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Aus heutiger Sicht ist schon die Beschreibung der schieren Menge von im geistlichen Stand lebenden und arbeitenden Personen und der „densa atmósfera clerical que se cernía sobre la España del siglo XVIII" einer der grundlegenden Effekte der kostumbristischen Darstellung „[a] fuerte propensión realista" (Alborg: Historia, a.a.O., S. 271, S. 279) des Padre Isla.

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unadäquater Bücher und anderer Hilfsmittel - beschrieben. Nach den „sensationellen" Erfolgen der ersten beiden Predigten, die dazu führen, dass die an Extravaganz kaum zu überbietenden Worte Gerundios aufgeschrieben und gedruckt werden - wodurch der Antiheld selbst zum sprichwörtlichen Exempel wird - , kommt der letzte Auftritt anlässlich der Karwoche in einem Dorf mit Namen Pero Rubio am Ende des Romans jedoch nicht mehr zur Ausführung. Hier wird das erzählte Geschehen „por el más estraño suceso que acaeció al autor" (FG, 895) unterbrochen, um die im Prólogo aufgespannte Rahmenerzählung über die Bedeutung und den Fiktionscharakter der Geschichte durch eine finale mise en abyme der (fantastischen) Herstellungsbedingungen des Romans abzuschließen. Mit Bezug auf die (spärliche) Handlung übernehmen die einleitenden Paratexte des Fray Gerundio die Aufgabe der didaktischen Bestimmung der hermeneutischen Vorgaben, die das Verständnis der Figuren und der Handlung orientieren sollen. Zunächst wird in der Widmung „AI público" der Leser als überpersonale, universell inkludierende Kategorie adressiert und in der Anrede „poderosísimo señor" (FG, 129) personalisiert.176 Jeder diesem Ideal nicht entsprechende Leser wird durch den „Prólogo con morrión" in einer aggressiven Weise, in der auch das ,komplizenhafte' Einverständnis über die satirische, ironisch-kritische Position des Erzählers verankert wird, zurückgewiesen: „Paréceme que ya me has entendido lo que te quiero decir", heißt es im siebten Absatz des Vorworts, „pero si todavía no has caido en cuenta, no doy dos cuartos por tu entendimiento, y vamos a otra cosa" (FG, 194). Übrig bleibt eine Leserfigur, die auf einem proto-kantianischen Begriff der Öffentlichkeit als „Gemeinschaft der Gelehrten" 177 beruht und sodann als Adressat des 176 Im Gegensatz zu Feijoo (vgl. Kap. 2.2.1) wird das Spiel mit der Leserfigur bei Isla nicht weiter ausdifferenziert. Die näheren Bestimmungen, die im Verlauf des Texts der Leseranrede beigefügt werden, sind letztlich nicht mehr als ironische Variationen des klassischen und neoklassizistischen Topos' des geneigten, verständigen, abwägenden, frommen und gebildeten Lesers. Vgl. D. Briesemeister: „La aventura de leer en Fray Gerundio", in: Iberorromania 23 (1986), S. 125-148, hier: S. 131f. Zur Charakterisierung von Isias Leser als Mischform zwischen „lector común" und „lector culto" s. Susan M. Smith: „El Morrión del padre Isla. La dedicatoria y el prólogo de Fray Gerundio, in: Dieciocho, 18 (1995), S. 91-102, hier: S. 95ff.

Kant: Was ist Aufldärung?, a.a.O., S. 23f. Nur vereinzelt und mit entsprechender Ankündigung wird von der Adresse des wissenden Lesers Abstand genommen, so 177

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Text-Leser-Vertrags angeschrieben wird, welchen das Vorwort mit der ,Schutzhelmfunktion' weiter ausführt. Die stützenden Elemente dieses Vertrags, die zur Kommunikation des „fin único de esta obra" (FG, 195) - also der Reform der geistlichen Beredsamkeit im Medium der Satire - notwendig sind, haben allesamt verteidigenden Charakter und präsentieren eine Art Romantheorie in nuce, die auf die von Luzán transportierten Modelle des ästhetischen Neoklassizismus rekurriert. So werden zwei mögliche Einwände des Lesers, d.h. der mächtigen, unterschwellig mit der Inquisition verbundenen Öffentlichkeit, antizipiert und ausgeräumt: 1) die Frage nach der „Wahrscheinlichkeit" des Geschehens und 2) der an die Zerstörungskraft der Satire gerichtete Vorwurf des (exzessiv) verwendeten Stilmittels der Ironie. 1) Die Terme „verisímil", „verisimilitud" und „inverisimilitud" gehören zu den strukturierenden Kernbegriffen des Prólogo con morrión wie auch des Romans insgesamt. Die Frage der Wahrscheinlichkeit, die in der zeitgenössischen Gattungstheorie das Kernproblem der literarischen Nachahmung darstellt, wird im Fray Gerundio aufgerufen, um eine grundlegende Distanznahme des Erzählers in Bezug auf die Erzählung zu ermöglichen. Das Konzept der narratologischen Anlage wird von einer These getragen, die über die Funktion der Hauptfigur formuliert wird. Gerundio ist eine unwahrscheinliche Figur: „no ha habido tal fray Gerundio en el mundo [...] con este nombre y apellido, ni es versosímil que jamás le haiga" (FG, 190). Diese Unwahrscheinlichkeit wird durch den extravaganten Namen transportiert: „El nombre de Gerundio [es] nombre ridículo, nombre bufón, nombre truhanesco!" (FG, 195).178 Er rundet die Unwahrscheinlichkeitsbehauptung durch

etwa, wenn der Erzähler in erzieherischer Absicht den kleinen Mann des Volkes mit einbezieht: „ahora hablo por ahí con un labrador de pestorejo, hombre sano y que sabe leer casi de corrida" (FG, 195). Zumeist funktioniert die Komplizenschaft, die für die satirische Distanznahme gegenüber der inkriminierten Diskurse und der dieselben verschuldenden Ausbildungsinstitutionen vonnöten ist, aber über den Prototyp des (belesenen) Intellektuellen: „Solamente los que hubieren leído las obras, y tuvieren presente sus autores, podrán saber sobre quien recae la conversación" (FG, 200). 178 Im zweiten Teil des Romans (Buch IV, Kap. 5) werden die Umstände der Namensgebung in der Episode einer Taufparodie mit wahrscheinlichem' Weingelage vervollständigt, wenn Gerundio „en la mesa de Antón Zotes" den zusätzlichen Namen „Fray Supino" erhält (vgl. FG, 652ff.) Diese Steigerung vom Gerundium zum Supinum „lo último adonde puede llegar todo verbo" - erweist sich insofern als ebenso passende

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eine Fiktionsanzeige ab, die wiederum als vorgefertigter Baustein des Konzeptgefüges gerechtfertigt wird: „Predicadores Gerundios [...] los hay y los habrá como así, si Dios no lo remedia." (FG, 190, Herv. i. T.) Die Figur ist also kein repräsentatives Beispiel im Sinne der besonnenen (adäquaten), Abbildung' eines zu kritisierenden Umstands der ,Wirklichkeit', sondern entspricht im Modus des „als ob" einer (explizit überzeichneten) Typisierung als Antiheld: „Falta a mi obra [...] el héroe, [...] faltan las calidades indispensables para entrar en el orden del heroísmo" (FG, 192). 179 Was die Figur Gerundio für den Erzähler darstellt, betont die Ansammlung der Attribute über deutlich: „[es] un padrecito rechoncho, atusado y vivaracho [...] el dechado más ridículo que se puede imaginar para mover a la fuga y a la abominación" (FG, 189f„ 193). 180 Die Akkumulation der negativen Eigenschaften folgt dem Modell der abschreckenden Katharsis gemäß der aristotelischen Poetik, die durch „la insigne Poética de don Ignacio de Luzán" (FG, 206) vermittelt ist. Die Figur ist insofern ein ,Anti-Modell', als sie alle möglichen negativen Eigenschaften, die dem hintergründigen Diskurs der Sakralrhetorik entnommen werden können, gemeinsam verkörpert. Der Erzähler

Charakterisierung der Funktion, die die Figur im Roman spielt, als das Adjektiv „supino" im Spanischen auf den verbreiteten Ausdruck „ignorancia supina" hinweist. 179 Diese Selbstqualifizierung, die auf die klassischen Parameter der Gattungsfrage (novela oder poema épico) gemünzt ist, lässt sich in moderne Parameter überführen. Die intendierte „Konstruktion" des Antihelden - „[no habra] razón divina ni humana para que mi imaginativa no se divierta en fabricarse un padrecito" (FG, 189) - macht den Fray Gerundio ais „un bildungsroman antipedagógico" lesbar. José María Pozuelo Yvancos: „La parodia como sátira. El P. Isla", in: Martínez Fernández und Álvarez Méndez (Hg.): El mundo del Padre Isla, a.a.O., S. 503-517, hier: S. 506. Der Werdegang der Figur entspricht somit einer „involución de la novela de aprendizaje". Jorge Chen Sham: Fray Gerundio de Campazas o la corrupción del lenguaje. Sátira y escamoteo autorial, San José 1999, S. 157. 180 Die Betonung der (möglichen) Tatsache, dass es gerundianische Prediger „con fray y sin él" (FG, 194) gebe, bemüht einen Nebenschauplatz der Verteidigung. Dem Vorwurf, hinter der Bezeichnung „Fray", die bei den Jesuiten unüblich ist (vgl. Alborg: Historia, a.a.O., S. 270), könne sich ein besonderer Hochmut gegenüber den nichtjesuitischen Orden verbergen, begegnet der Erzähler mit dem (Wahrscheinlichkeits-) Argument der größeren Zahl: „No me negarás que es mucho mayor el número de los predicadores que se honran con el nobilísimo, santísimo y venerabilísimo distintivo de fray, que el de los que se reconocen con el título de padre o con el epíteto de don [...]; toda la diferencia está en el número, y no en la sustancia" (FG, 194f.)

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verbildlicht dieses (exzessiv) kompositorische Prinzip mit einer antiken, Pythagoras zugeschriebenen Mythe: Había en Atenas un célebre músico [...] [que] para enseñar la música a sus discípulos [...] juntaba cuidadosamente las voces más desentonadas, más ásperas, más carraspeñas, más becerriles y más descompuestas de toda la república. Hacíalas cantar en presencia de sus escolares, encargando mucho a éstos que observasen cuidadosamente el chirrión desapacible de las unas, el taladrante chillido de las otras, el insufrible desentono de éstas y los intolerables galopeos, brincos, corcovos y corvetas de las otras. Vuelto después a sus discípulos, los decía con mucho cariño y apacibilidad: „Hijos, en haciendo todo lo contrario de lo que hacen éstos, cantaréis divinamente." (FG, 193)181

Das Prinzip des ,negativen Ideals' als Gefüge abschreckender Beispiele, das dem philosophischen Modell des Satirekonzepts - als überzeichnete Wirklichkeitsimitation - entspricht, prägt die Typisierung der Hauptperson des Fray Gerundio. Gerundi(c)o ist ein unspezifisches und unrealistisches Exemplum, eine kompositorische Versuchsfigur. Die ,lebendige' Seite des konstruierten Antihelden reduziert sich auf die Eigenschaft seiner Unschuld, die mitleiderregend wirken und im Verlauf des Romans auch das satirische Moment seiner Charakterisierung abfedern soll. Der „pobre fray Gerundio" (FG, 204) kann nichts dafür, dass er zu Zwecken konzipiert ist, die außerhalb seiner Entwicklung liegen. Seine Fehler, die durch das negative Modell verlangt werden, sind nicht bösartig: „La candidez de fray Gerundio [...] no era malicia, sino pura inocencia y una mera simplicísima intrepidez" (FG, 468). Sie entsprechen keiner intrinsischen Charaktereigenschaft, sondern sind äußeren Umständen - der schlechten Erziehung, der stupiden Umgebung etc. - geschuldet: „Su desgracia fue que siempre le deparó la suerte maestros estrafalarios y estrambóticos" (FG, 272). Auf diese Weise erhält die Person eine Schlüssigkeit, die auf keiner figürlichen (psychologischen), sondern auf einer textuellen (narratologischen) Ebene zu suchen ist. 181 Die Ironie der (Gattungs-)Bezeichnung dieser Mythe als „erudicioncilla" (ebd.) bezieht sich weniger auf das Modell selbst als auf den Glauben an eine per se gültige und ohne den gesunden Verstand transportierte Autorität, wozu auch das gespielte Vergessen des Autornamens beiträgt: „Llámale Pitágoras, si te pareciere que es cuestión de nombre" (ebd.).

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An die Stelle der fehlenden Wahrscheinlichkeit wird die logische Kohärenz einer Funktion gesetzt, welche die Figur über ihre Geschichte hinaus auf die übergeordnete Ebene des philosophischen Traktats verweist. Insofern entbehrt auch die unwahrscheinlichste Eigenschaft, die Gerundio in seiner ausgezeichneten Unfähigkeit zum Studium der Philosophie und Theologie besitzt, nämlich sein (beinahe) automatisches Gedächtnis, nicht der erzählerischen Kohärenz. Der angehende Priester merkt sich die Lehrsätze seiner unfähigen Lehrer und akkumuliert in seinen Predigten die Sentenzen der barocken Quellen und Spruchbücher auf eine Weise, die selbst den teuflischen Hochstapler Fray Blas in Erstaunen versetzt. Dies geschieht jedoch allein zu dem Zweck, die in satirischer Absicht inkriminierten Techniken der „Lektüre ohne Textverständnis" und der sinnlosen Komposition von Textbausteinen hervorzuheben, die ihrerseits - gemäß der intendierten Übereinkunft mit dem Leser - die zeitgenössische Wirklichkeit der geistlichen Beredsamkeit abbilden. Daher kann der Erzähler in aller gespielten Unschuld auch behaupten, dass sich seine Erzählstrategie an den klassischen Regeln orientiere: Pues, ¿qué hice yo? No más que lo que hacen los artífices de novelas útiles y de poemas épicos instructivos. Propónense un héroe, o verdadero o fingido, para hacerle un perfecto modelo, o de las armas, o de las letras, o de la política, o de las virtudes morales, que de las evangélicas hartos tenemos, si los queremos imitar. [...] Aplícanselo a él con inventiva, con proporción y con gracia, fingiendo los lances, pasos y sucesos que juzgan más naturales para encadenar la historia con las hazañas y las hazañas con la historia, y cátate aquí un poema épico, en prosa o verso, que no hay más que pedir. (FG, 190f.)

2) Der zweite Einwand des Lesers, der im Prólogo antizipiert (und im Roman weiter entwickelt) wird, ist die ebenso schwerwiegende Frage nach dem Status der Satire und dem Anwendungsbereich der Ironie.182 In heiligen Angelegenheiten hat seit dem Mittelalter ex officio 182 Das Problem der Ironie ist der Hauptangriffspunkt jener Kleriker - wie Fray Pablo de la Concepción (Generalsuperior der unbeschuhten Karmeliter), Dr. Cristóbal Manuel Jiménez (Mercedarier und Professor für Theologie in Alcalá), Fray Manuel de Pinillos (Prior des Augustinerklosters San Felipe el Real in Madrid) und anderer weniger prominenter Kirchenmänner (vgl. Jurado: „Introducción", in: Isla: Apología, a.a.O.,

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die Ernsthaftigkeit ihren Platz. Jede Form des Spotts (burla) über die Kirche oder den Klerus wird in der europäischen Literatur - von den mittelalterlichen Fabliaux et contes über Erasmus von Rotterdam bis Quevedo - mit Macht in das Gewand der Häresie gezwängt. Ebenso kann die Ironie als Trope, die im Kontext der antiken und vor allem der mittelalterlichen Rhetorik stets auf das philosophische Fundament der uneindeutigen, also a -priori „nicht wahren" Rede gestellt worden ist, aus der Sicht der scholastischen Theologie keine Anwendung finden. In der theologischen Hermeneutik geht es vor allem um die Wahrheit der Schriftauslegung - und die überaus ernsthafte Bekämpfung von häretischen Gegenpositionen - , so dass die Ironie den prägenden Kräften im Diskurs der Sakralrhetorik zwangsläufig als ein Stilmittel des Teufels erscheinen muss. Dies ist auch der Grund dafür, dass der ,Schutzhelm', mit dem sich der Erzähler in den Kampf der wohlkalkulierten Überschreitung begibt, wohlweislich aus starkem Eisen gefertigt ist. Die Verteidigungsrede über den Einsatz der „sátira" (FG, 197) - als (literarischer) Gattung und (stilistischer) Technik - , deren gemeinsamer Verwendungszweck analog zur Komödie mit „corregir las extravagancias y exotiqueces [...], haciendo visible [...] su ridiculez" (ebd.) beschrieben wird, wappnet sich zu Beginn mit einem doppelten Verweis auf die Tradition. Zum einen existiere eine Überfülle an seriösen Traktaten, die seit längerer Zeit mit dem gebotenen Ernst, aber offenkundig erfolglos gegen das Übel der barocken Sakralrhetorik ankämpften: „Desde que hubo malos predicadores, hubo hombres celosos que declamaron contra ellos. Pero, ¡con qué seriedad! ¡Con qué peso!" (FG, 208) Warum solle also nicht ein Versuch der Erneuerung im Modus des Spiels und der Heiterkeit gewagt werden, solange die mit der Gattung der Satire im Prinzip vereinbare Intention einer Verbesserung der Wirklichkeit - „corregir las extravagancias y exotiqueces" - gewahrt bleibe?183 Zum anderen S. 8f.) - , die als Ankläger des Romans vor dem Supremo consejo der Inquisition wirken. „Critican a Isla por usar como medio correctivo la ironía, no utilizada por Jesucristo".

Sebold:

„Introducción", a.a.O., S. XXXVIII. 183 Die Voraussetzung für den Erfolg dieser Verteidigungsstrategie beruht allein auf der Tatsache, dass die,Wirklichkeit', hier also der Zustand der Sakralrhetorik, übereinstimmend als ein verbesserungswürdiges ,Übel' angesehen wird: „Supongamos que el pùlpito esté en España, y también en otras partes, tan estragado y tan corrompido como da a entender esta maldita obra [...]" (FG, 207), heißt es zunächst im Modus der Hypothese, nicht ohne das Ergebnis sodann in aller Deutlichkeit festzuhalten: „Los

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existiere die Satire (wie auch die Parodie) als eine uralte, bis in die Antike zurückreichende Technik literarischer Darstellung, die ihren,ehrenwerten', d.h. auf der antiken Katharsis beruhenden (und neoklassizistisch im Sinne der sozialen Optimierung interpretierten) Zweck in den verschiedensten Bereichen der Ethik oder der Politik gefunden habe.184 Zur Stützung dieses Arguments werden - von Horaz, Juvenal und Terenz über Erasmus, Cervantes und Molière bis zu Boileau (FG, 197ff.)185 verschiedene Autoritäten sowohl der Satire als auch der Komödie ins Feld geführt, mit deren Hilfe die technische Frage aus dem Zusammenhang der Gattungsproblematik herausgehoben und philosophisch als ein spielerischer Aussagemodus mit Wirklichkeitsanspruch gefasst wird. Die fehlende Ernsthaftigkeit des satirischen Ausdrucks wird an die ernsthafte Intention adäquater Imitation geknüpft, in der das technische Mittel der überzeichnenden Darstellung keine andere Aufgabe hat, als deutlich zu machen, dass es die Wirklichkeit selbst ist, aus der die Karikatur besteht: „En vez de predicadores, tenemos rábulas, charlatanes, papagayos, delirantes, vocingleros" (FG, 216). Auf diese Weise wird ein Konzept der Ironie verankert, durch das die ausgewiesene Intention - „desterrar [los abusos] del pùlpito español" - eine literaseudopredicadores, vont leur train, como dicen nuestros vecinos [...]; el mal cunde, la peste se dilata, y el estrago es cada día mayor" (FG, 212). Der „lector avinagrado", der mit dieser Auffassung von der Wahrheit nicht übereinstimmt, schließt sich (gemäß der Prämisse des Text-Leser-Vertrags) selbst als Adressat der Rede aus: „¿Parécete justo que en una materia de tanta importancia me acomode yo con tan bárbara doctrina? Vete a pasear, que no te puedo servir" (FG, 213). 184 Das Argument der universalen Anwendbarkeit der Satire (unter Einschluss der religiösen Themen) rekurriert auf den Begriff der „sátira menipea", deren Namensgeber Menippos von Gadara im dritten vorchristlichen Jahrhundert die Gattung der „Scherzhaften Götterbriefe" erfand. Zur Entwicklung der spanischen Satire im Barockzeitalter (unter dem besonderen Einfluss von Quevedo) vgl. Antonio Romero González: La satira menipea en España, 1600-1699, New York 1991, S. 93-130. Zur Reichweite der Satire als Grundbegriff der (nicht nur nachahmenden) Literatur im Kontext der „Kritik geistiger Missbräuche" (insbesondere in der „Gelehrtenrepublik") vgl. Werner von Koppenfels: Der andere Blick oder das Vermächtnis des Menippos. Paradoxe Perspektiven in der europäischen Literatur, München 2007, S. 18ff., S. 199-218. 185 £) e r gelehrte Einbezug der Satires von Nicolas Boileau und der darin befindlichen „Discours sur la satire" führt die apologetische Strategie vor Augen, die darin besteht, die Konjunktion von „unaufrichtiger Rede" und „ernstgemeinter Kritik" in der klassischen Ästhetik zu verankern. Zum Ironieverständnis der französischen Klassik s. Alvin Eustis: Molière as Ironie Contemplator, Den Haag 1973, S. 13-17; sowie Robert T. Corum: Reading Boileau. An Integrative Study ofthe Early Satires, Lafayette 1998, S. 1-7.

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turtheoretische Facette erhält. Denn die auf ein ausgewiesenes Übel fokussierte Darstellung, die in der Hauptsache aus einer Ansammlung von zitierten - die Wirklichkeit auf sich selbst beziehenden - Dokumenten besteht, versteht sich als eine getreue ,Nachahmung der Natur7 im aristotelischen Sinn.186 Die darin verankerte Rechtfertigung der Ironie beruht nicht auf einer Kategorie des Gegenteils (der Lüge oder der falsifizierenden Imitation), sondern auf einer Philosophie der Umkehrung. Im Gegensatz zur (klassischen) Komik, die in der Darstellung der verkehrten Welt besteht, sucht Isias Satire die auf den Kopf gestellte Wirklichkeit auf die Füße zurückzuholen bzw. die ins Wanken geratene Kultur seiner Epoche zu ,heilen'. Die Islasche Satire, die Parodie der Sakralrhetorik, ist nicht komisch, sondern „serio y grave" (FG, 207). Das Unterfangen der ironischen Umkehrung bleibt bei aller Rechtfertigung der adäquaten Nachahmung vor allem aufgrund der Tatsache schwerwiegend', dass der hauptsächliche Gegenstand, auf den die Darstellung der durch extensive Ausstellung zu korrigierenden Wirklichkeit konzentriert wird, ein heiliger ist.187 In der denunzierenden Haltung gegenüber handwerklichen, menschengemachten Fehlern in einem Diskurs, der sich jenseits aller Kunstfertigkeit als transzendentes Medium der Worte Gottes versteht, bleibt das literarische Experiment der Gefahr ausgesetzt, „[de] hacer burla del estado religioso" (FG, 195). Und hierfür droht, wie der Erzähler über den jungen Fray Gerundio sagt, nicht ohne auf die Furcht des Autors anzuspielen, die Strafe der „excomunión que el sagrado Concilio de Trento tiene fulminada contra los que abusan de la Sagrada Escritura para liviandades, sátiras, chan186 o i e „delicadísima sátira", die den Auswuchs der Realität so darzustellen sucht, wie er ist, erhält auf diese Weise die Funktion einer „medicina intelectual": „para desterrar del mundo esta epidemia" (FG, 209) und „para curar las dolencias del espíritu" (FG, 212). Inwiefern diese (weniger kathartische denn kurierende) Funktion jedoch eher eine platonische als eine aristotelische zu nennen wäre, ließe sich mit Jacques Derrida („La pharmacie de Piaton", in: Ders.: La dissémination, Paris 1993, S. 77-213) ausführen. 187 Ein Hauptargument der inquisitorischen Anklage gegen den Fray Gerundio besteht darin, dass der Autor überhaupt so etwas wie eine „parodia sacra" konzipiert und in einer „amplitud interdiscursiva de sermones, oraciones, habla popular, sentencias, géneros orales bajos" Diskurselemente zusammenführt, die aus der Sicht eines konservativen Klerikers der Zeit keine Berührungspunkte besitzen sollten. Vgl. Zavala: „Isla, la parodia sacra y la cultura de la risa", in: Tietz/Briesemeister (Hg.): La secularización de la cultura española, a.a.O., S. 287-299, hier: S. 287f.

Z u r A u t o n o m i e des R o m a n s

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zonetas y chocarrerías" (FG, 258). Die Rechtfertigung des Angriffs auf die genannte „Unkultur" kann noch so behütet sein - und die Verteidigungsrede auch nach dem Erscheinen des Romans noch so ausführlich erläutert werden188 das exzessive Spiel mit den predigttheoretischen und -praktischen Quellen, die sich durch das dokumentarische Zitat selbst der Lächerlichkeit preisgeben, bleibt ein Wagnis, auf dessen Unterstützung durch den Leser der Erzähler nur wetten kann.

4 . 4 . D E R ROMAN ALS ZITATVERFAHREN. INTERTEXTUALITÄT UND INTERDISKURSIVITÄT IM FRAY

GERUNDIO

In der Kritik wurde die Frage gestellt, aus welchem Grund dieser Text, der aus vielen gelehrten Zitaten und detaillierten Erörterungen über technische Fragen der Theologie besteht, einen solch großen Erfolg bei der zeitgenössischen Leserschaft erlangen konnte: „¿Porqué tanto éxito? [...] Es fatigosa y muy lenta su estructura, tediosas y repetitivas la larga serie de conversaciones casi siempre sobre el mismo tema". 189 Einer der wesentlichen Gründe für den bemerkenswerten Umstand, dass der Fray Gerundio zu seiner Zeit ein populärer Roman war und heute von Spezialisten als schwierig eingestuft wird, besteht in der Anspielung auf einen allgemein bekannten Diskurs, der heute in Vergessenheit geraten ist. Die Tatsache, dass der Text hauptsächlich aus diskursiven Versatzstücken homiletischer Traktate sowie verschiedenster (gehörter oder gelesener) Predigtausschnitte besteht, musste im 20. Jahrhundert erst (wieder-)entdeckt werden, wobei mit Sicherheit nicht In den „Cartas apologéticas", insbesondere den Briefen an Juan Manuel de Santander y Zorrilla - seines Zeichens oberster Bibliothekar der Real Biblioteca und Autor der ausführlichsten „Carta de aprobación" des Fray Gerundio (FG, 162-184), der Isla (wahrscheinlich mit Billigung des Santo Officio) über den Inhalt der Anklagen gegen ihn informiert hat (vgl. Jurado: „Introducción", a.a.O., S. l l f . ) - , wird die Satireverteidigung mit dem Argument genau dieser Unterscheidung fortgeführt: „Hacer burla de los malos Predicadores" soll nicht heißen „hacer burla del Sagrado Misterio de la Predicación [instituida por Cristo N. Señor]". Isla: Apología por la Historia de Fray Gerundio, a.a.O., S. 34. Es überrascht allerdings nicht, dass dieses Argument ebenso wenig auf offizielles Verständnis gestoßen ist wie jenes andere, demnach im ernsten Witz der Satire (als ironische Umkehrung) die eigentliche Wahrheit liegen könne: „¿Qué impedimiento ay para que entre las mayores burlas no se escondan las mayores veras?" Ebd., S. 38. 188

189

Pozuelo Yvancos: „La parodia como sátira", a.a.O., S. 508.

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mehr alle Referenzen erkennbar sind.190 Für die Leser und Hörer der Zeit hatten die Anleihen an die omnipräsente Sprache einer allgegenwärtigen Liturgie hingegen einen hohen Wiedererkennungswert und werden auch als Karikatur bestens verständlich gewesen sein. Neben den bekannten Elementen des klassischen Gottesdiensts - Gebet, Lesung, Verkündigung, Gesang, Abendmahl (inkl. der entsprechenden Gesten und Symbolhandlungen) - werden in Isias Roman auch eine Reihe von heute kaum mehr praktizierten Glaubensakten zum Gegenstand der Darstellung. Den Zyklus des Kirchenjahrs aus Advent, Weihnachten, Fastenzeit, Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt(en) etc., der im 18. Jahrhundert die gelebte Zeit eines jeden Menschen strukturierte, begleitet eine Vielzahl von kleineren liturgischen Handlungen, in denen stets die Predigt (sermón) als gesprochenes heiliges Wort im Vordergrund steht. Heiligenfeste, Weihen, Dank- und Bittgebete, Selig- und Heiligsprechungen, Gedenkfeiern, Ehrungen, Gelübde, Stiftungseinrichtungen, Geschenkübergaben, Kriegszüge, Geburtstage von Fürsten und Patronen, Beerdigungen u.v.a. ergeben eine unerschöpfliche Ansammlung von „Anlässen" (circunstancias) klerikaler Wortintervention, die sich (im Zuge der Priesterausbildung) zu bestimmten Untergattungen der „Predigt" ausdifferenziert haben. Zu den kleineren Typen, die im Fray Gerundio zitiert werden, gehören etwa „sermones de refectorio, sabatinos, de votos de villa, de octava, de canonización, de rogativas, de disciplinantes, de honras, de cabos de año, de confalón [...]".'191 Hinzu kommen weitere, mehr oder weniger ausgefallene Typen, die auf das theologische Wissen des jesuitischen Schreibers rekurrieren, wie die sermones „de la Santísima Trinidad" (FG, 372), „de la Concepción (FG, 383), „de la Pasión de la Virgen" (FG, 524), „de las lágrimas de la Magdalena" (FG, 506), „del Sacramento" (FG, 584), 190 Vgl. Jurado: „Introducción", in: Isla: Fray Gerundio, Madrid 1992, S. 7-62, hier: S. 18-31; sowie ders.: „El Fray Gerundio y la oratoria sagrada barroca", in: Edad de Oro 8 (1989), S. 97-105. „Es imposible enumerar la cantidad y la variedad de esta demanda [...] que tiene que entrar, y se suele olvidar, a la hora de medir los mecanismos de la economía clerical". Teófanes Egido: „Los sermones gerundianos", in: Martínez Fernández und Alvarez Méndez (Hg.): El mundo del Padre Isla, a.a.O., S. 83-102, hier: S. 84. 191 Egido: „Los sermones gerundianos", a.a.O., S. 84. „El sermón, en efecto, puede verse como artículo de primera necesidad e inevitable en la percepción festiva del tiempo en sus ritmos anuales [...]; cualquier celebración [es] inconcebible sin el ingrediente sustantivo del sermón" (ebd.).

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„de la Purificación" (FG, 585), „del Demonio Mudo" (FG, 753), „del Descendimiento" (FG, 886), „del Buen Ladrón" (FG, 892) etc. In Anlehnung und Variation ergeben sich daraus sermones, deren Anlässe' parodistische Transformationen der klassischen Typen darstellen und dadurch die Funktion einer Bloßstellung der inkriminierten „charlatanes", „delirantes" und „vocingleros" (FG, 216) einnehmen. Zur Verdeutlichung des gerundianischen Stils werden den sermones imaginäre Gattungsnamen auf der Grundlage bloßstellender Eigenschaftsworte zugeschrieben: Gerundios Predigten erweisen sich z.B. als „desbaratado sermón [...] dificultoso [de] definir lo que fue" (FG, 671f.), ais „sermón tejido de jeroglíficos" (FG, 762), ais „sermón [...] contra los oficiales de pluma" (FG, 887), ais „sermón burlesco, atestado de todas las bufonadas posibles" (FG, 890) oder als „no sé qué sermón que predicó satirizando a otro de su paño" (FG, 652) etc.192 Im Gegensatz zu den damaligen Lesern, die das stilistische Patchwork hyperbolischer Epitheta für sich genommen schon als eine parodistische Form der „Predicación contra los predicadores" (FG, 501) goutiert und darüber gelacht haben mögen, erscheint dem heutigen Leser die überzeichnende Willkür des vermeintlich ordnungslosen stilistischen Arrangements befremdlich. Es geht Isla offenkundig nur um das Spiel immer neuer Ausschmückungen eines negativen Modells und um die satirische Darstellung ,möglichst schlechter Beispiele', ohne zugleich positive Anstöße für die geforderte Reform der Homiletik anzubringen.193 Auch aus dem Geflecht der zitierten Autoren der (Predigt-)Theorie ist keine konstruktive Position Isias deduzierbar. Die positiven Referenzen, die dem Leser schon allein im Prólogo (wie später den ungezogenen Zöglingen Fray Blas und Fray Gerundio) als Modelle anempfohlen werden, zeichnen sich durch eine starke Diskrepanz aus. Mit Claudio Aquaviva (1543-

192 In Analogie hierzu steht auch die Apuntamientos sobre los vicios del estilo (FG, 594-606) genannte Klageschrift' gegen den „geschwollenen Stil" (estilo hinchado, estilo cacocelo, estilo parentirso etc.), deren Lektüre Fray Gerundio (kurzzeitig) in einen selbstreflexiven Schockzustand versetzt. 193 „Le livre du P. Isla ne propose aucune méthode pour composer les sermons, aucune théorie nouvelle, aucune conception originale de la rhétorique. Il n'offre qu'une critique purement négative [...]. Tout dans son livre, dénote un esprit naturellement éclectique et, disons-le, superficiel. Il loue pêle-mêle Bourdaloue, Fléchier et Massillon, il recommande Fénelon et Fleury, mais il ne connaît pas Bossuet". Saugnieux: Les jansénistes, a.a.O., S. 130. „[Es] un sincretismo sin adscripción concreto a un corriente". Pozuelo Yvancos: „La parodia como sátira", a.a.O., S. 509.

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1615), Nicolas Caussin (1583-1651), Antonio Vieira (1608-1697), Louis Bourdaloue (1632-1702), Esprit Fléchier (1632-1710), Claude Fleury (16401723), Blaise Gisbert (1657-1731), Jean-Baptiste Massillon (1663-1742) u.a. werden homiletische Positionen - mit einer gewissen Bevorzugung von Jesuiten französischer Sprache - aus drei Jahrhunderten herangeführt, die zudem (ganz neoklassizistisch) mit einer Reihe von säkularen Autoren von Demosthenes, Cicero und Quintilian über Boileau bis Luzán vermengt werden. Mit Bezug auf die Sakralrhetorik lassen sich die Positionen dieser Autoren auf keinen anderen gemeinsamen Nenner bringen als auf eine basale Ethik der Zurückgenommenheit oder der ungekünstelten Vernunft, die auch der Gegenstand der (ungehörten) Lehre der behutsamen Padres Provincial und Prudencio ist. In der Kritik ist der Versuch unternommen worden, die rhetorische Ethik des Padre Isla zu differenzieren und positiv als eine Form des Proto-Jansenismus zu beschreiben.194 Als Elemente für die jansenistische Position werden (ähnlich wie bei Jovellanos) eine Bereitschaft zur Reform der kirchlichen Institutionen, ein recht freies hermeneutische Verhältnis zur Bibel, eine gewisse Nähe zur Sprache des Volks und ein frankophiler Internationalismus festgemacht,195 wohingegen der konservative Rigorismus - etwa in der Auffassung einer geistlichen' Nähe der Predigt zu Verkündigung, Offenbarung und Menschwerdung Gottes - bei Isla ebenfalls bis zu einem gewissen Grad anzutreffen ist.196 Interessant erscheint der Jansenismus Isias vor allem in der Verknüpfung mit einer historischen Freiheitsidee, der zufolge die Institutionalisierung und die Professionalisierung der Sakralrhetorik zu einer Entmilitarisierung des mittelalterlichen Missionsgedankens

194 Vgl. etwa José Luis Abellán: „El jansenismo español y la renovación de la predicación en el P. Isla", in: Revista de la Universidad Complutense 1 (1981), S. 30-41. 195 „On ne trouve parmi eux [les jansénistes] que des grammairiens, des biographes, des traducteurs, des polémistes éternels [...] pas un mathématicien, pas un astronome, pas un physiciens, pas un poète [...]". Joseph de Maistre: De l'Eglise gallicane, Lyon 1820, zit. in: Saugnieux: Les jansénistes, a.a.O., S. 11.

Vgl. ebd., S. 22ff. „La prédication se définit d'abord par son objet qui est de proclamer la parole de Dieu, [...] le but de la prédication est un but sacré: la rencontre de l'âme avec Dieu", ebd., S. 24, S. 37. Zur Bestimmung des Predigers bei Saint-Cyran s. Sainte-Beuve: Port-Royal (Bd. 1, Paris 1953, S. 449): „La prédication n'est pas moins un mystère terrible que l'Eucharistie [...]; le bon prédicateur n'est ni docteur ni théologien, il doit être un apôtre et un prophète", zit. in: Ebd., S. 12. 196

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geführt hätten. 197 Insofern steht es für den Autor des Fray Gerundio auch außer Frage, dass die Rhetorik als technische Kunstfertigkeit (von älterer Tradition als die Kirche) in unterstützender und sogar optimierender Weise auf die /Technik' des Predigens einwirken kann. Da aus der Sicht der (augustinisch-thomistischen) Scholastik die ,Gattung' der Predigt hingegen ohne jegliche Technik als Ausdruck des Heiligen Geistes zu verstehen ist, der in vollkommener Reinheit aus dem Mund eines Priesters strömt, birgt die Position Isias einigen Sprengstoff. Der Eisenhelm, den Isla zum Schutz seines rhetorischen' Traktats schmiedet, dient also auch dazu, die (konzeptuelle) Tatsache zu kaschieren, dass er überhaupt „die geistliche Beredsamkeit für eine literarische Gattung [hält]". 198 Allerdings ist auch im Spanien der 1750er Jahre für die Auffassung, dass das zu offenbarende Wort Gottes auf dem Weg über die Zunge eines Verkünders grammatischen und stilistischen Regeln folgt, niemand mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. 199

197 „La predicación religiosa fue, durante los siglos XVI y XVII, [...] un motor fundamental, para mover a las masas a empresas bélicas [...]. Al declinar el siglo XVII fue convirtiéndose paulatinamente en una ,profesión'. [...] La predicación se iría haciendo más intelectual a costa de perder fogosidad". Rodríguez Méndez: „Fray Gerundio o la inteligencia „camelistica"', in: Ders.: Ensayo sobre la inteligencia' española, a.a.O., S. 59. 198 Raetz: Francisco José de Isla, a.a.O., S. 103. 199 So ist die (ebenfalls gegen den culteranismo gerichtete) Position in Mayans' Orador cristiano von 1733 deutlich konservativer als bei Isla. Der Kampf gegen die barocken Metaphern beruht beim Valencianer auf dem Argument der (einhegenden) Zurückweisung der Stilistik insgesamt: „[Selon la perspective de Mayans,] vouloir trancher du grammairien, du dialecticien, du poète, c'est pour le prédicateur renoncer à être apôtre, et remplacer l'inspiration de Dieu par un verbage trop humain". Mercedes Blanco: „Ambiguïtés d'une réforme. La critique de la prédication conceptiste au XVIIIe siècle", in: Mélanges de la Casa de Velázquez 24 (1988), S. 153-175, hier: S. 156. Diese Haltung ist in der paulinischen Tradition verankert, die im Gegensatz zur augustinischen Tradition in heiligen Angelegenheiten den Verzicht auf die geschmückte Rede zum Gebot des geistlichen Sprachgebrauchs erhebt. Vgl. Paulus (1. Korinther 1,17): „Christus hat mich gesandt, [...] das Evangelium zu predigen, nicht mit klugen Worten, auf dass nicht das Kreuz Christi zunichte werde". Doch spätestens mit dem Predicador evangélico von Codorniu (Girona 1740) bahnt sich auch in Spanien eine Position ihren Weg, die in der Form eines „método de predicar la palabra de Dios con arte y espíritu" einen theoretischen Einklang zwischen dem Geist Gottes und der Kunst des Worts zu erreichen sucht. Zwei Jahre vor dem Fray Gerundio erscheint Codomius (dem Apostel Paulus gewidmete) Práctica de la palabra de Dios (Barcelona 1756). Zum Jansenismus Codornius vgl. Saugnieux: Les jansénistes, a.a.O., S. 91-95.

Die Prosa der spanischen Aufklärung

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Entscheidend für die Satire des Fray Gerundio, die die gängigen Streitfragen der Zeit über Theorie, Didaktik und Praxis der Priesterausbildung und des Predigttums anschneidet (ohne systematisch auf sie einzugehen), sind nicht die positiven, sondern die negativen Modelle. Die Diskussion der theologischen Probleme, die mit der potestas praedicandi und ihrer (profanen) Geschichtlichkeit zusammenhängen - insbesondere mit dem Verhältnis zwischen der transzendenten, zeitlosen Wahrheit der Heiligen Schrift und der zeitlichen, kulturabhängigen Sprache ihrer fehlbaren Kommentatoren - , haben nur einen Zweck. Es geht darum, die Darstellung eines bestimmten Zustands sakralrhetorischer Praxis, also grosso modo die barocken Auswüchse der „oratoria culterana",200 auf jenen Punkt hin zuzuspitzen, dass die sprachliche Kommunikation zwischen Gott und den Menschen in den christlichen Gemeinden aus dem Gleichgewicht geraten sei. Isla setzt auf akribische Weise alles daran, zu ,beweisen', dass die satirische Übertreibung in der fiktiven Figur des Fray Gerundio auf dem realen Kern einer in den Kirchen und auf den Plätzen der Zeit zu hörenden „oratoria rebuscada, efectista e ininteligible"201 basiert. Aus der Vielzahl der mehr oder weniger versteckten Referenzen, die sich auf das genannte Panorama der Predigtliteratur beziehen, werden zwei,Quellen' besonders hervorgehoben, die sich dem Bericht des Erzählers zufolge zur Ausschmückung des negativen Modells als geradezu unerschöpflich erweisen. Dies sind zum einen, mit Blick auf die Theorie, das homiletische Trakat Verdadeiro metodo de estudar des portugiesischen Theologieprofessors Luis Antonio Verney202 - „el Barbadiño, a quien se le quita el sagrado disfraz de que indignamente se vistió" (FG, 200) - und zum anderen, mit Blick auf die Praxis, die gesammelten Predigten des spanischen Südamerika-Missionars Francisco de Soto y Marne. Der vollständige Titel 200 201 202

Jurado: „Introducción", in: Isla: Fray Gerundio, a.a.O., S. 22. Abellán: „El jansenismo español", a.a.O., S. 40. Luís Antonio Verney: Verdadeiro metodo de estudar: para ser util à República,

Igreja: proporcionado

ao estilo, e necesidade

de Portugal,

e à

Neapel 1746. Die spanische

Fassung von José Maimó y Ribes, Autor einer Defensa del Barbadiño en obsequio de la verdad (Madrid 1758), erscheint in 5 Bänden zeitgleich mit der Niederschrift des zweiten Teils des Fray Gerundio in Madrid bei Joaquín Ibarra (1760-1768). Die Verfolgung des Verdadeiro metodo durch die Inquisition erleichtert die Satire auf das Hauptwerk des seit 1746 nach Italien geflohenen und seither dort wirkenden portugiesischen , Aufklärers'.

Zur Autonomie des Romans

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dieser kurz Florilogio sacro genannten Predigtsammlung ist für sich genommen schon ein bezeichnender Nachweis für die rhetorischen Auswüchse des spätbarocken Pseudo-Kulteranismus, der die Kanzelsprache der Zeit befallen hat: Florilogio Sacro. Que en el Celestial Ameno Frondoso Parnasso de la Iglesia, Riega (Mysticas Flores) la Aganipe Sagrada Fuente de Gracia, y Gloria. Christo: Con cuya Afluencia Divina, Incrementada la Excelsa Palma Mariana, (Triumphante a Privilegios de Gracia) se Corona de victoriosa Gloria: Dividido en Discursos Panegyricos, Anagogicos, Tropologicos, y Alegóricos: Fundamentados en la Sagrada Escriptura: Roborados con la Authoridad de Santos Padres, y Exegeticos, particularissimos discursos de los principales Expositores: Y Exornados con Copiosa Erudición Sacra, y Prophana en Ideas, Problemas, Hieroglificos, Philosophicas sentencias, selectissimas humanidades.203 Soto y Marne, ein Franziskaner, Aufklärungsgegner und Anfechter von Feijoos Teatro crítico universal (vgl. Kap. 2.2), ist - wie der Portugiese Verney - ein einfacher Gegner, gegen den sich das avisierte (um Aufklärung bemühte, national gesinnte, gemäßigt liberale, fortschrittsorientierte etc.) „Publikum" leicht einnehmen lässt. Sotos Werk ist ein überdeutliches Symptom für den Zustand einer schon seit Feijoo und Mayans (1725) als „dekadent" empfundenen, aber u m 1755 offenbar alltäglich gewordenen Situation, auf die viele andere Bücher der Epoche genauso gut hinweisen könnten. 204 Die goldenen Zeiten der Predigtkunst eines Paravicino sowie der homiletischen Theorie eines Gracián sind vergangen und die großen Klassiker, die

Salamanca 1738. Dieses in der Druckerei von Antonio Villarroel y Torres erschienene Buch ist auch in druckgraphischer Hinsicht typisch für den späten Barock. Es verfügt über unterschiedliche Schriftarten, symbolische Zeichnungen aus Buchstabenformationen, hervorstechende Initialen, exzessive Akzentsetzungen sowie unzählige lateinische Bibelstellen in Form Seitenrandbemerkungen. 204 Zahlreiche Beispiele von Autoren, die sich als „predicadores barrocos decadentes" oder ex post als „predicadores gerundísimos" bezeichnen lassen - wie etwa Francisco de la Lanza, Antonio López de Cotilla, Gabriel de Cintruénigo, Ignacio Ariño, Jorge de Santa Rosa de Viterbo oder Bartolomé Riera (um nur einige Namen zu nennen) - führt Jurado an: „Introducción", in: Isla: Fray Gerundio, a.a.O., S. 26-29. Viele Einzelnachweise der von Isla (offen oder versteckt) zitierten Autoren finden sich 203

in dem - mit Herrero Salgados Aportación bibliográfica a la oratoria sagrada (a.a.O.) abge-

glichenen - Fußnotenapparat dieser Ausgabe. Vgl. im Anhang die Liste der „sermones identificados" (S. 953) und der „predicadores citados" (S. 964f.).

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

sprachlich über sich hinauswuchsen, um für den Geist Gottes besser empfänglich zu sein, wurden durch schlechte Nachahmer ersetzt, die an die Erudition und das Genie (die für die komplizierten Gefüge des Konzeptismus und des Kulteranismus notwendig sind) nicht heranreichen. Hierin ergänzt der von Isla in Anspruch genommene common sense gegen Ende des Regnums Ferdinand VI. die profane Dekadenzkritik an der literarischen Sprache des Gongorismus, die schon zu Beginn des Jahrhunderts einsetzt. 205 So ist die Kritik, die Isla an den „aberrantes conceptos" und den „violencias exageradas de fondo y forma" 2 0 6 der barocken Kanzelsprache übt - und für die Soto y Marne als pars pro toto herhalten muss - , selbst in der Schärfe des Tonfalls keinesfalls revolutionär. Neu ist nicht die Kritik als solche, sondern die literarische Technik, die im Wesentlichen darauf beruht, den Text des Gegners „wirklichkeitsgetreu" zu zitieren und ihn gerade dadurch bloßzustellen. 207 Der Florilogio sacro wird auf zwei Ebenen zum Spielball der Satire. Zum einen ist er ein Intertext, der als reale Quelle der fiktiven Predigten dient, welche der Antiheld,konzipiert' und zum Leidwesen seiner Lehrer (und zur pädagogischen Abschreckung des Lesers) in die Praxis umsetzt. Zum anderen ist der Florilogio auf der Ebene des Gesche205 Vgl. Kap. 3, Einleitung. Der Beginn der (konservativen) sakralrhetorischen Barockkritik in Spanien lässt sich auf ca. 1720 datieren, als Francisco Valero y Losa, Erzbischof von Toledo, die Carta pastoral acerca de la ignorancia de las verdades cristianas veröffentlicht. Vgl. Jurado: „Introducción", a.a.O., S. 30f. Wie laut der Ruf des barocken Predigtstils schon in dieser Zeit aus den Kirchen Spaniens schallt, zeigt i.Ü. das Breve Gravissimum praedicandi, das Papst Benedikt XIII. 1728 an die spanischen Bischöfe richtet und darin die Einhaltung des Bescheidenheitsgebots für Priester und eine gründlichere Lektüre der Schriften einfordert. 206 Ebd., S. 23. Über die „Qualität" der (spät-)barocken Kanzelsprache scheint i.Ü. bis ins 20. Jahrhundert hinein auch in konservativen Kreisen Einigkeit zu herrschen. S. etwa Menéndez Pelayo (Historia de las ideas estéticas, a.a.O., Bd. 3, S. 271): „Todos los vicios de la decadencia literaria, el culteranismo, el conceptismo, el equivoquismo, la erudición indigesta y de aparato, las metáforas descomunales, los vanos alardes de sutileza, se habían concentrado en el púlpito [...]"; oder auch Félix Olmedo („Decadencia de la oratoria sagrada en el siglo XVII", in: Razón y Fe 46 (1916), S. 310-321, S. 494-507, hier: S. 319): „Casi todos los sermones que se publicaron desde Paravicino hasta la aparición del Fray Gerundio son un cúmulo de necedades increíbles, verdadera literatura de manicomio". 207 „La cita es el procedimiento técnico de la parodia en Fray Gerundio [...], la cita es la acción en marcha". Briesemeister: „La aventura de leer en Fray Gerundio", a.a.O., S. 137,139, Herv. i. T.

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hens ein Objekt der Intrige, das in verschiedenen (komischen) Situationen laut vorgelesen wird und zum Anlass (pseudo-)didaktischer Streitigkeiten wird. So sind die Parodien auf den absurd anmutenden Stil der gerundianischen Predigten, die ohne „migaja de juicio", „asomo de sindéresis" und „gota de ingenio" etc. (FG, 356) auskommen, zum großen Teil wörtliche oder nur leicht variierte Textübernahmen von Soto y Marne. Die Auswahl der „circunstancias" etwa, die der „mal dimoño" (FG, 487) Fray Blas in seiner Didaktik vornimmt, fließen direkt aus dem Florilogio in den teuflischen Lehrplan ein: Si quieres tú dar en el chiste de los asuntos, no tienes más que imitar los del celebérrimo Florilogio sacro, que debe ser tu pauta para todo. Allí encontrarás los siguientes: Gozo del padecer en el padecer del gozar, a los dolores gozosos de la Virgen; Real estado de la razón contra la quimérica razón de estado, Viernes de Enemigos; Luz de las tinieblas en las tinieblas de la luz, al Santísimo Sacramento; Dicha de la desgracia en la desgracia de la dicha, al entierro de los huesos de los difuntos; y así de casi todos los asuntos de aquel nunca bastantemente alabado ingenio y verdaderamente monstruo de predicadores. (FG, 507)208

Als dem Antihelden das Buch zum ersten Mal in die Hände fällt, gerät er wie durch eine wundersame Erscheinung in Verzückung: „Por un gran rato quedó atónito el bueno del provincial, no sabiendo lo que le pasaba y pareciéndole que con efecto era sueño lo que le sucedía" (FG, 465). Der „pasmoso Florilogio" (FG, 610) bleibt für Fray Gerundio zeit seines Lebens ein „riquísimo tesoro" (FG, 610), aus dem er die Themen seiner Predigten bezieht und von dem er sich stilistisch inspirieren lässt. Noch als erfolgreicher Prediger verkündet er stolz und in aller Einfältigkeit das Geheimnis seines pragmatischen Studiums: „Sermonarios no he leído sino el Florilogio" (FG, 732). Mit dem Ziel, die Beziehung zwischen dem (fiktiven) Prinzip der gerundianischen Predigt und dem (realen) Intertext zu festigen, wird die Parodie eines heiligen Gelübdes eingeflochten, in der Gerundio seinem Mentor Fray Blas das Versprechen abgibt, keinem anderen Götzen zu huldigen als der Bibel unter den schlechten Predigtsammlungen: „Hago voto de venerar profundamente todo cuanto lea en el Florilogio, por más que

Die Titel der Predigten entsprechen im Wortlaut den Sermones 27-29 und 31 von Soto y Marne: Florilogio sacro, a.a.O., S. 250, S. 260, S. 271, S. 290. 208

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

yo no lo entienda, y aunque así a primera vista me parezca contrario a toda razón" (FG, 777). Die Distanz, die der Erzähler in der Darstellung dieser Beziehung einnimmt, wird stets übergebührlich betont. U m keinen Zweifel an der „suma ridiculez" (FG, 672) von Gerundios Vorgehensweise und seiner Quelle aufkommen zu lassen, wird die satirisch überzeichnete Buchbeschimpfung durch die auf dem Ethos der einfachen Sprache beruhenden Belehrungen des Padre Prudencio flankiert: No quiero decirte nada del estilo pueril, atolondrado, necio y pedantesco, porque es perder la obra y el aceite. Fray Blas y ese maldito Florilogio, que debiera quemarse en una hoguera, te tienen infatuado el gusto y todo conocimiento de lo que es idioma castellano puro, castizo y verdadero. El que usas en el púlpito ni es romance, ni es latín, ni es griego, ni es hebreo, ni sé lo que en suma es. Dime, pecador, ¿por qué no predicas como hablas? (FG, 571) Im Verlauf des Romans entwickelt sich der Name „el Florilogio" - auf die gleiche Weise wie „el Barbadiño" - zu einer Chiffre, die schon für einen komischen Effekt sorgt, wenn sie nur genannt wird. Als Intertexte dienen beide Antimodelle dazu, die in ihnen zitierten Autoren - die unwürdigen Quellen der unwürdigen Quelle - im gleichen Atemzug mit Verney und Soto y Marne als „eiusdem farinae" (FG, 201) zu verunglimpfen. 209 Zugleich werden sowohl das theoretische Traktat,

209 Dies bringt den Erzähler immer wieder dazu, Serien von Personennamen parodistisch aneinanderzureihen. Gemäß dem manichäistischen Schema der klaren Scheidung von Gut und Böse sind dies entweder solche Autoren, die „im gleichen Mehl gebacken" sind wie Verney und Soto y Marne (also von diesen zitiert werden), oder solche, die als Gegenmodelle zum Zweck ihrer ,Widerlegung' angeführt werden. Zuweilen werden beide Serien auch miteinander vermengt. Gerundios (nicht gehaltene) Osterpredigt am Ende des Romans bietet hierfür nur ein Beispiel unter vielen: „No olvidó las repetidas citas de Polibio, Pausanias, Alejandro (Natal), Eliano, Plutarco, Celio, Suetonio, Beyerlinck, Esparciano, Macrino, Novarino, Apiano, Diodoro Sículo y Herodoto, todos de la misma manera y por el mismísimo orden que los cita el Florilogio" (FG, 805). Wie um dieses Spiel der Namen selbst ad absurdum zu führen, werden manche der (positiven oder negativen) Modelle auch von reinen Lautmalereien begleitet, so z.B. bei den fiktiven Autoren, die als Autoritäten für die Etymologie des Dorfnamens Campazas herhalten: „Antón Borrego, Blas Chamorro, Domingo Ovejero y Pascual Cebollón" (FG, 236). Fantastische Titelnamen, insbesondere auf Latein - wie z.B. die Schrift „Sapientiae Océano, Virtutum omnium Äbysso, Charismatum Encyclopaediae,

Zur Autonomie des Romans

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der Metodo de estudar, als auch die praktische Vorlage inhaltlich bis ins Detail ausgeschlachtet, um in aller Ausführlichkeit die einzelnen Bestandteile und Techniken schlechter Predigtkunst' vorzuführen. Die „ridiculas reglas para predicar" (FG, 502), die Fray Blas im zweiten Kapitel des dritten Buchs „methodisch" zusammenstellt, stellen eine akribische Erläuterung bzw. Illustration der genannten Bücher dar. Die Einwände gegen den barocken Stil, die in der Anordnung dieser Regeln zum Ausdruck kommen, entsprechen dabei im Übrigen recht genau den Hauptanklagepunkten des jansenistischen Programms.210 Die erste Regel des Fray Blas zur Herstellung einer gerundianischen Predigt besteht - für das inhaltliche ,Grundgerüsf - in Blancos Punkt „emploi surabondant des sources littéraires", also in der Auswahl möglichst zahlreicher, gelehrt erscheinender und urlzusammenhängender Zitate aus profanen Quellen, die, zumeist durch Klangähnlichkeiten oder schlecht verstandene lateinische Begriffe, in einen willkürlichen Zusammenhang mit der Bibel gebracht werden. Um ein solches „fárrago" oder „hacinamiento pueril de citas, textos, autoridades y lugares de todas especies, traídos sin método, sin juicio, sin elección, sin oportunidad, y las más veces por pura asonancia" (FG, 465) zu bewerkstelligen, kann Gerundio auf die bei Soto y Marne angegebenen Quellen vertrauen oder gleich das Modell des Florilogio kopieren: Todo buen predicador ha de tener en la celda, o a lo menos en la librería del convento, los libros siguientes: Biblia, Concordancias; Poliantea, o el Theatrum

vitae humanae de Beyerlinck; Teatro de los dioses, los Fastos de Masculo, o el Calendario étnico de Mafejan; la Mitología de Natal Comité, Aulo Gelio, el Mundo simbólico de Picinelo y, sobre todo, los poetas Virgilio, Ovidio, Marcial, Catulo y Horacio. De sermonarios no ha menester más que el Prudentiae Miraculo, Charitatis Portento, Miserationum

Thaumaturgo,

Spiranti Polyanteae,

Bibliothecae Deambulanti, Ecclesiae Tytani, Insularum Mytrae, Hesperiaeque totius fulgentis-

simo Phosphoro" (FG, 302) - , runden den Reigen ab. 2io £ ) e r gegen Verney und Soto y Marne gerichtete „examen des défauts dénoncés" basiert in der Hauptsache auf den folgenden vier Anklagepunkten: 1) „citer des textes de l'Ecriture en faisant fi de leurs sens", 2) „faire de l'exorde (salutación) un tissu d'allusions aux circonstances concrètes de la performance oratoire", 3) „le recours à une version grossière du procédé de suspension [i.e. de créer chez l'auditeur une attente anxieuse] [...] par proclamation de propositions scabreuses", und schließlich 4) „un emploi surabondant des sources littéraires profanes". Mercedes Blanco: „Ambiguïtés d'une réforme", a.a.O., S. 163ff. Zum jansenistischen Charakter dieser Punkte vgl. Saugnieux: Les jansénistes, a.a.O., S. 79ff.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung Florilogio sacro, cuyo autor ya sabes quién es, porque en ése solo tiene una India. (FG, 504) 211 D i e z w e i t e R e g e l b e s t e h t in e i n e r n a i v e n , A u s l e g u n g ' d e r Schrift

u n d d e r t h e o l o g i s c h e n K o m m e n t a r e , die o h n e j e g l i c h e s S c h r i f t v e r s t ä n d n i s v o r g e n o m m e n w e r d e n soll ( „ c i t e r d e s t e x t e s d e l ' E c r i t u r e e n f a i s a n t fi d e l e u r s s e n s " ) : Cuando quieras apoyar algún concepto o pensamientillo tuyo con autoridad de algún Santo Padre, di que así lo dijo el Águila de los Doctores, así la Boca de Oro, así el Panal de Milán, así el Oráculo de Seleucia. Y pon en boca de San Agustín, de San Juan Crisòstomo, de San Ambrosio o de San Basilio lo que te pareciere [...]. Por lo que toca a los expositores, no hagas caso de ellos, y expon tú la Escritura c o m o te diere la gana, o como te viniere más a cuento; porque tanta autoridad tienes tú c o m o ellos para interpretarla. (FG, 504) D i e dritte R e g e l b e s t e h t in e i n e r m ö g l i c h s t a b s t r u s e n V e r k n ü p f u n g d e s l i t u r g i s c h e n ' Teils e i n e r P r e d i g t m i t i h r e n ä u ß e r e n

Anlässen

(„faire d e l ' e x o r d e u n tissu d ' a l l u s i o n s a u x c i r c o n s t a n c e s c o n c r è t e s d e la p e r f o r m a n c e o r a t o i r e " ) : „ E l t í t u l o o a s u n t o d e l s e r m ó n s e a s i e m p r e d e chiste, o p o r lo r e t u m b a n t e , o p o r lo c ó m i c o , o p o r lo f a c u l t a t i v o , o p o r a l g ú n r e t r u e c a n i l l o " (FG, 5 0 5 ) . 2 1 2 D i e v i e r t e R e g e l s c h r e i b t e i n e In der Ausgabe von Jurado (inkl. einer Erläuterung der Quellenangaben): S. 484. Die Parodie über die einzelnen Bausteine einer Predigt, in der die Erweiterung dieser Regel kulminiert, zeigt nicht nur die profunde Kenntnis des Autors auf diesem Spezialgebiet pädagogischer Streitfragen, sondern bietet ihrerseits auch ,Anlass' für ein Feuerwerk von Wort-Ideen-Assoziationen im barocken Stil: „Fray Blas [...] añadió que todavía tenía que darle otras reglas muy importantes acerca de las partes más esenciales de que se compone un sermón, como de las entradillas, o de los arranques, de las circunstancias en la salutación, que, diga nuestro padre, ni un capítulo entero de padres nuestros, lo que se les antojare, son la cosa más necesaria, la más oportuna, la más ingeniosa y la que más acredita a un predicador; del elogio de los otros predicadores, en funciones de octava o fiestas de canonización, cuando han precedido o se han de subseguir otros sermones; del modo de disponer y de guisar estos elogios; de la clave para encontrar en la Sagrada Escritura y en las letras profanas el nombre o el oficio de los mayordomos, y muchas veces todo junto; del uso de la mitología, de las fábulas, de los emblemas y de los poetas antiguos, cosa que ameniza infinitamente una oración; de los asuntos figurados o metafóricos, tomándolos, ya de los planetas, ya de los metales, ya de las plantas, ya de los brutos, ya de los peces, ya de las aves, como, verbigracia: llamar a Cristo en el Sacramento el Sol sin Ocaso, o el Sol que nunca se pone; a San Juan Crisòstomo el Potosí 211 212

Zur Autonomie des Romans

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Sprache vor, die vor niederen Provokationen nicht zurückschreckt („proclamation de propositions scabreuses") und die zudem möglichst unverständlich, gestelzt und in ebenso schlechtem Latein wie französisiertem Spanisch gehalten ist, mit dem Ziel, die fragwürdigen Inhalte zu kaschieren: Sea siempre el estilo crespo, hinchado, erizado de latín o de griego, altisonante y, si pudiere ser, cadencioso. Huye cuanto pudieres de voces vulgares y comunes, aunque sean propias; porque si el predicador habla desde más alto y en voz alta, es razón que también sean altas las expresiones. Insigne modelo tienes en el autor del famoso Florilogio, y sólo con estudiar bien sus frases harás un estilo que aturrulle y atolondre a tus auditorios. Al silencio llámale taciturnidades del labio-, al alabar, panegirizar, al ver, atingencia visual de los objetos; nunca digas habitación, que lo dice cualquier payo, di habitáculo y déjalo por mi cuenta; existir es vulgaridad, existencial naturaleza es cosa grande. (FG, 508) Die theologischen Einlassungen, zu denen die satirische Zurschaustellung des gerundianischen Predigtstils führt, stellen ein literarisches Wagnis dar (für das der Autor sanktioniert worden ist). Die Sprache des Fray Gerundio zeichnet sich immer wieder durch eine Art „wortverliebtes Abgleiten in die Zonen der Häresie" 2 1 3 aus. Vor allem die Möglichkeitsräume, die sich aus dem Umschlagen der satirischen Ironie in einen alles zerstörenden und auch die Position des Erzählers auflösenden Sarkasmus ergeben - „Viva el Florilogio, y muérase la peste" (FG, 836) - , bergen die Gefahr einer autonomen und ungezügelten hermeneutischen Praxis, die heilige und profane Schriften auf einer

de la Iglesia, aludiendo a las minas del Potosí, y a que Crisóstomo quiere decir Boca de Oro; a Santo Domingo la Canícula en su tiempo, con alusión al perro que le figuró en el seno materno, y a que la fiesta del santo se celebra en la canícula; a Santa Rosa de Lima la Rosa de la Pasión; a San Francisco Javier el Heleutropio sagrado, o el divino Girasol, porque siguió con sus pasos al planeta que, dicen, sigue esta planta con su vista; y así de los demás." (FG, 515) 213 Gumbrecht: Eine Geschichte, a.a.O., S. 519. Zu einem solchen Abgleiten gehört z.B. auch die Position der vermeintlichen (und durchaus gefährlichen) überkonfessionellen Toleranz, die gleich zu Beginn des Prólogo im Ausdruck der Überschwänglichkeit entsteht, wenn es eigentlich nur darum geht, die Friedfertigkeit des Erzählers zu betonen: „Si supiera yo que había en el mundo quien me excediese en la cordial, en la profunda, en la reverente veneración que profeso a todas las religiones que hay en la Iglesia de Dios, sin distinción de institutos, de colores ni de vestido [...]" (FG, 196).

Die P r o s a der spanischen Aufklärung

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Ebene (der unlauteren Kommunikation) zusammenführt.214 Mit Bezug auf die Frage nach der Philosophie der Prosa, die bei Isla zum Ausdruck kommt, ist es jedoch entscheidend zu sehen, dass die diskursive Konfrontation zwischen dem „romance burlesco" (Juan Andrés) oder der „obra de excelente crítica" (Fernández de Moratín) in beide Richtungen verläuft. Der (satirische) Roman dient dem homiletischen Traktat in der didaktischen Intention der heilversprechenden Exposition eines epidemischen Anti-Modells. Die Homiletik wiederum ist die Hintergrundfolie nicht nur für das Reservoir der Begriffe und Situationen, aus denen die Welt der Figuren zusammengefügt ist, sondern stellt auch den intertextuellen und interdiskursiven Bezug für die stilistische und narratologische Verfasstheit des Textes dar. Insofern kann man mit einigem Recht behaupten, dass der Fray Gerundio Elemente des Literaturromans (aus der Tradition des Cervantes) verarbeitet.215 Diese sucht er, wie nun abschließend kurz gezeigt werden soll, ebenfalls ironisch zu dekonstruieren.

4 . 5 . D I E GRENZEN DER IRONISCHEN SPRACHE. Z U R M/S E EN ABYME ALS PARODIE

Das Schicksal, das der Florilogio sacro in Isias Roman erfährt, ist ein besonders exponiertes Beispiel für das allgemeine Verfahren des Umgangs mit Texten in diesem Text. Das „Abenteuer", den Fray Gerundio zu lesen, besteht vor allem auch in dem Umstand, dass die Handlung 214 „La novela se entronca con la tradición lurianesca, la sátira anticlerical erasmista y la sátira de costumbres". Zavala: „Isla, la parodia sacra y la cultura de la risa", a.a.O., S. 297. In der Inszenierung der Antihelden Fray Gerundio und Fray Blas lässt sich der Text als eine Art homiletische Pikareske begreifen: „Fray Blas es un picaro redomado que vive de la predicación con la misma desvergüenza y desfachatez que cualquiera de sus antecedores más acreditados, sólo que con artes y bellaquerías adecuadas a su ministerio". Alborg: Historia, a.a.O., S. 283. „Con Fray Gerundio se renueva una forma de hacer literatura". Álvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 85. „Isla [es] el Swift español". Rodríguez Cepeda: „Introducción", a.a.O., S. 27.

„Fray Gerundio is a novel about the power of language [...]. [There is] a central narrative tensión between the desire to correct deviations from rhetorical tradition and the desire to inscribe them; between the desire to preserve the corpus of rhetorical tradition and the desire to transform the visible signs of this body". Rebecca Haidt: Seduction and Sacrilege. Rhetorical Power in Fray Gerundio de Campazas, Lewisburg/ London 2002, S. 18. 215

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des Lesens selbst auf der Ebene des Geschehens eine zentrale Rolle spielt. Der Text verankert die stilistische Figur einer multiplen „lectura novelada" und inszeniert darin, wie D. Briesemeister schreibt, eine Art „Battie of the Books".216 So tauchen in der Geschichte neben der genannten Enzyklopädie der zitierten oder im Zitat parodistisch variierten Werke eine Reihe unbetitelter Texte in Form von unspezifischen „Papieren" auf, mit denen sich die Protagonisten (mehr oder weniger genau) lesend beschäftigen: „Papelitos [...] carteles, folletos, libretes, gacetas, pronósticos, calendarios, diccionarios, florilogios [...] manuales, compendios, sermonarios, súmulas, tratadillos, mamotretos, epítomes, sinopsis"217 und andere Formen von (Pseudo)-Referenzen beschreiben einen intertextuellen Raum, in dem die Prediger auf ihrer Suche nach Stoff desorientiert werden. Die inszenierte Lektüre folgt einem chaotischen Prinzip. Fray Gerundio liest die Texte nicht wirklich, sondern „blättert" (hojea) sie zumeist nur durch und klaubt, mit seinem automatischen Gedächtnis ausgestattet, disparate Elemente verschiedenster, absolut inkompatibler Provenienzen zusammen und mischt sie zu einem ,Brei' (papilla), den man kaum mehr Text nennen kann. „El sermón que Gerundio está escribiendo resulta ser un calco de su lectura caótica".218 Insofern ist die Handlung des (Anti-)Helden das getreue Abbild für die kritisierte Haupteigenschaft der unter Anklage stehenden Epoche, also für die Oberflächlichkeit und das unzureichende Studium, die der barocken oratoria culterana zugeschrieben werden. Zugleich wird aber die exzessive Sprache der gerundianischen Predigten, die auf diese Weise inszeniert wird, über die zitierten Texte auch in den zitierenden Text transportiert. Die Sprache des Fray Gerundio - sei es nun im homiletischen oder im romanhaften Teil (die letztlich kaum voneinander getrennt werden können) - zeichnet sich ihrerseits durch einen Stil aus, dessen Charakteristika just durch die geschilderten Verfahren der Textherstellung, die auf der Ebene der

Briesemeister: „La aventura de leer en Fray Gerundio", a.a.O., S. 125, S. 128. „Pocas obras de la literatura española muestran una tan profunda preocupación por el libro y la lectura". Ebd., S. 147. 217 Ebd., S. 128f. 218 Ebd., S. 138. „El protagonista es [...] la defiguración caricaturesca de lo que debiera ser un hombre vocado ex officio al servicio de la palabra" (ebd., S. 125). 216

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Figuren vorgeführt werden, geprägt sind.219 Um die provokative These der gattungstechnischen Ähnlichkeit zwischen der „Predigt" und der „Dichtung" auf der Ebene des Stils zu implementieren,220 finden sich in den Beschreibungen des Erzählers die gleichen „equívocos y retruécanos, [...] paradojas, antítesis, hipérbatones y paralelismos"221 oder „juegos de palabra, [...] grotescas comparaciones, retorcimientos de sentido" 222 (etc.) wie in den dargestellten Sprachhandlungen der (schlecht) lesenden und schreibenden Protagonisten. Zudem sucht Isias Sprache dadurch komische Effekte zu erzielen, dass antagonistische Sprachniveaus - vor allem die theologische Fachterminologie auf der einen und die einfache, fehlerbehaftete Sprache der Bauern auf der anderen Seite - im satirischen Potpourri, das die Frage nach der Verfasstheit der „sermons conceptistes" ironisch in einen „contexte d'isolement provincial et de dénuement rustique"223 einschreibt, miteinander verschmolzen werden. Auf der Ebene der Sprache geht Isias Text das größte Wagnis ein. Mit dem Ziel einer Angleichung (oder gegenseitigen Bekräftigung) zwischen dargestelltem Inhalt und darstellender Sprache wird die ironische Darstellung selbst ironisiert. Im Dialog zwischen den Welten - dem „mundo de la sensatez, el buen gusto y el sentido común" und dem „mundo de lo absurdo y los despropósitos"224 - , der im Fray Gerundio aufgespannt wird, gerät die vermittelnde Position des Erzählers, der sich auf die unterschiedlichsten Wege der bloßstellenden Distanzierung begibt, zunehmend in einen Prozess der Selbstauflösung. In diesem Zusammenhang erhält das Zitat, das sich als die grundlegende literarische Technik der Isiaschen Parodie erweist, die besondere Funktion eines InDie homiletischen Forderungen, die gemäß der neutralen Formulierung z.B. in Francisco de Salas' Compendio práctico (a.a.O.) an den guten Predigtstil gestellt werden - „ne pas être trop prolixe, [...] ne pas faire trop de citations, [...] ne pas introduire de disputes scholastiques, [...], parler dans un castillan limpio y sencillo, [...] éviter les sujets scabreux ou extravagants" etc. (Saugnieux: Les jansénistes, a.a.O., S. 98f., passim) - , ließen sich kritisch auf Islas Text selbst anwenden. In der ästhetischen Praxis widerspricht der Fray Gerundio also der in Anspruch genommenen ästhetischen Theorie: „Lo irregular, lo desordenado y desproporcionado no puede jamás ser agradable ni hermoso en el estado natural de las cosas". Luzán: La poética (II, 7: „De la belleza en general"), a.a.O., S. 253. 219

„Para ser buen predicador no es menester más que ser buen representante" (FG, 362). Sebold: „Introducción", a.a.O., S. XLVIf. 222 Jurado: „Introducción", a.a.O., S. 23. 223 Blanco: „Ambiguïtés d'une réforme", a.a.O., S. 173. 224 Alvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 86. 220 221

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der-Schwebe-Haltens zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit bzw. - gemäß der neoklassizistischen Poetik - zwischen Wahrheit und Lüge. In der Umgebung der großen Menge faktischer oder fiktiver Intertexte wird jedes Element des erzählten Geschehens und der stilistischen Implementierung unter den Verdacht bzw. den Schutzhelm des (parodierten) Zitats gestellt. Die verschiedenen Szenen, die in der willkürlich anmutenden Form von „farsas en un acto"225 aneinandergereiht werden, erhalten so die Kohärenz einer besonderen Form der Selbstdarstellung. Der Roman inszeniert sich so, als ob er ein Roman wäre. Und damit setzt er sich in die Parallele zum homiletischen Diskurs, der seinerseits so inszeniert wird, als ob er durch die Zurschaustellung reformiert werden könnte. Auf diese Weise stellt der Modus der ironischen mise en abyme eine konzeptuelle Schaltstelle auch der narratologischen Elemente dar, die für die Distanz zwischen dem Erzählten und dem Erzähler sorgen. Zu diesen Momenten der Distanzierung gehört zunächst das Versteckspiel zwischen dem Autor und dem Erzähler. Die (Selbst-)Ironie dieses Spiels besteht darin, dass die real existierende Person Lobón de Salazar, dessen Eigenschaften als bescheidener Landpfarrer - „el hombre más pacífico del miando" (FG, 198), „un pobre clérigo de misa y olla" (FG, 230) - im Roman verankert werden, um dem Leser als „guía útil y creíble" zu dienen, einen starken Gegensatz zur Persönlichkeit des Padre Isla darstellt.226 Des Weiteren gehört zu den Momenten der Distanzierung das

Edith Helman: „El padre Isla y Goya", in: Dies.: Jovellanos y Goya, Madrid 1970, S. 201-217, hier: S. 205. 225

226 „El narrador Lobón [...] es muy opuesto en personalidad al Padre Isla y a los jesuítas, aristócratas con conciencia de superioridad intelectual". Smith: „El morrión del Padre Isla", a.a.O., S. 92. In diesem Punkt der sozialen Niedrigstellung trifft sich die Verschleierungstaktik mit der Selbstironie. Isla verfolgt das Spiel der „Autorfiktion" i.Ü. auch jenseits des Fray Gerundio, wenn er als Verteidiger des „armen" Lobón de Salazar gegen die Anklage der Inquisition auftritt - wie in den Briefen an Manuel de Santander - und dabei zugleich schriftliche Spuren hinterlässt, die den berechtigten Verdacht der Autorschaft von seiner Person ablenken sollen: „Supuesto que el Delator abla conmigo, pues en su inteligencia yo soi el Autor del Fr. Gerundio; y supuesto que este cargo, por las vozes con que le explica, debe ser de alguna cosa feissima y torpissima, protesto, y en caso necesario juro por todo lo mas Sagrado de el Cielo y de la tierra, que no solo no supe, ni conocí el mal sentido de aquellas palabras, sino que no hago memoria de averias oido en toda mi vida aplicar en mal sentido [...]" Isla: Apología por la Historia de Fray Gerundio, a.a.O., S. 123. Schließlich gehören zu diesem Versteckspiel auch die ironischen Kurzsatiren in Gedichtform, die Isla selbst gegen den Fray Gerundio schreibt, wie etwa „AI ente sin sustancia, al átomo bullicioso (etc.)" oder

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Spiel der deiktischen Verschleierung zwischen realen und fiktiven Situationen in Raum und Zeit. Im Gegensatz zum subtileren Spiel mit der Identität des Erzählers dient dieses Spiel der Offenlegung des ironischen Fundaments der Erzählung, mit dem der Leser immer wieder explizit an die tropologisch kaum fixierbare Grenze zwischen res factae und res fictae geführt wird. Der Rahmen wird nach dem Prólogo im ersten Kapitel des ersten Buchs gesetzt, wenn das reale Dörfchen Campazas mit einer fiktiven Kulturgeographie ausgestattet wird, die es in eine (erwartbare) Negativdifferenz zu den Städten Madrid, Paris, London, Konstantinopel, Prag, Berlin, Dresden und Rom (in dieser Reihenfolge) stellt (FG, 235Í.).227 Im Rekurs auf nicht existierende Literatur und mit der häufig wiederholten, aus der Historiographie entlehnten Formulierung, dass über eine entsprechende Passage „mehrere Versionen" existierten, wird dieser Rahmen auch immer dann mit aufgerufen, wenn realistische, detailgetreue Beschreibungen der Umgebungen, in denen sich die Figuren bewegen - insbesondere der Interieurs, mit besonderer Vorliebe für exorbitante Mahlzeiten, die immer wieder Gelegenheit zum Ausdruck des kostumbristischen Interesses des Autors geben228 -, von der vorgeblichen didaktischen Intention ablenken und eigene Mikroerzählungen in der Erzählung ergeben. Schließlich entsteht die Distanz auch durch die ironischen Brüche mit dem im Prólogo eingerichteten Text-Leser-Vertrag, mit denen der Erzähler den Leser in einen Metadiskurs über die formalen Eigenschaften des zu lesenden Textes verwickelt und den Blick insbesondere auf die nummerierten Absätze oder die Kapitelüberschriften229 lenkt, welche die in sie gesetzten Erwartungen stets,enttäuschen'. die „Décimas de un cocinero de cierta religión contra Fray Gerundio", in: Ders.: Obras escogidas, a.a.O., S. 393-402. 227 „The narrator has a penchant for presenting fiction as historical truth in a transparently absurd manner". John Polt: „The Ironie Narrator in the Novel: Isla", in: Studies in Eighteenth-Century Culture 9 (1979), S. 371-385, hier: S. 378. Vgl. a. ders.: „La ironía narrativa del padre Isla", in: Caso González (Hg.): Ilustración y neoclasicismo, Barcelona 1983, S. 304-311, hier: S. 305. 228 Vgl. hierzu schon Ralph Steele Boggs: „Folklore Elements in Fray Gerundio", in: Hispanic Review 4 (1936), S. 159-169. Eine Studie zum ,Kostumbrismus' Isias (mit besonderer Berücksichtigung der Beschreibung von Kleidung, Hygiene und Mobilar) findet sich bei Máximo García Fernández: „Cultura material en la Castilla rural gerundiana: ,matalotaje y argamandijos'", in: Martínez Fernández und Alvarez Méndez (Hg.): El mundo del Padre Isla, a.a.O., S. 131-150.

Die meisten Kapitelüberschriften verweisen weniger auf die in den Kapiteln verhandelten Sachverhalte, sondern erzeugen eine Selbstreferentialität, die zur eigenen 229

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Die Philosophie der Prosa, die der ironischen Dekonstruktion zugrunde liegt, beruht auf der Idee, dass die fehlenden Regeln der Prosa willkürlich ersetzbar sind: Sobre que hasta ahora no se ha publicado alguna pragmática sanción que dé reglas fijas, ciertas y universales para el amojonamiento, término, límites ni cotos de los párrafos, capítulos ni libros; pues hasta en las lindes de los puntos, que son más necesarias para que no haiga pleitos en la jurisdicción e inteligencia de las cláusulas, sabe Dios y todo el mundo los trabajos que hay, por no haberse recibido alguna ley obligatoria que ligue y cause entero perjuicio a los escritores y a los escribientes; como esta costumbre de la división de capítulos y libros, dicen que se ha introducido en el mundo literario para que descansen y tomen huelgo así los que escriben como los que leen, en asegurando yo que no me cansé hasta que dejé a fray Gerundio, no sólo con el título de predicador sabatino, sino con los primeros crepúsculos de la instrucción del padre maestro Prudencio, paréceme que, por lo que a mí toca, tapé la boca al crítico reparador. (FG, 487f.)

Dies sind viele Worte, um zu sagen, dass der Autor eines Textes über die Macht verfügt, denselben rhythmisch zu strukturieren. Die Schwierigkeit des Textes besteht letztlich darin, dass die verschiedenen Distanzierungen auf äußerst heterogene Weise wie in einem Flickenteppich nebeneinander stehen. Die dekonstruierende Behauptung der absoluten Freiheit von „reglas fijas" der Romanliteratur ist in kein Prosakonzept eingebettet, das in irgendeiner Weise konstruktiv fassbar wäre. Es gehört zur Brachialität der Isiaschen (Selbst-)Ironie, eine unmotiviert anmutende (Auto-)Dekonstruktion zu betreiben. So werden die ironischen Gattungszuschreibungen der gerundianischen Geschichte - zwischen „leyenda" (FG, 443), „fábula ridicula (FG, 567) und „circunstanciada historia" (FG, 644, Herv. i. T.) - immer wieder durch Qualifizierungen aus dem Bereich der Satire konterkarriert: „Pero, ¡chufletas! Pero, ¡bufonadas! Pero, ¡chocarrerías!" (FG, 209) etc. Die Experimente mit dem Material der Sprache(n), die sich in den

Uberflüssigkeit beiträgt. Isla schreibt Capítulos „En que, sin acabar lo que prometió el primero, se trata de otra cosa" (FG, 243), „En que se parte el capítulo [anterior], porque ya va largo" (FG, 272), „En que se trata de lo que él mismo dirá" (FG, 328), „En que se parte el capítulo pasado, porque ha crecido más de lo que se pensó" (FG, 403) etc. Auch im Text wird das Schema aufgenommen (z.B.): „Pues que se m e vengan ahora a hacerm e cargo de que no cumplo lo que ofrezco en mis capítulos." (FG, 311)

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Neologismen, Gallizismen, Latinismen, Regionalismen230 ebenso wie in der imaginären Orthographie oder den fantastischen Grammatikund Sprachfehlern231 der einfältigen Figuren ihren Ausdruck bahnen, vervollständigen das Panorama der Sprachsituationen, die nicht nur auf der Ebene der Figuren dann am natürlichsten' dargestellt erscheinen, wenn die Notwendigkeit des Bedeutungsverständnisses dispensiert wird: „Lléveme el diablo si yo sé lo que quise decir. Sólo sé que la cláusula es retumbante, y que en sonando bien a los oídos no hay que pedirla más" (FG, 459). Islas Fray Gerundio ist das groß angelegte Experiment, eine interdiskursive Relation zwischen der „predicación" und der „novela" herzustellen und auf allen Ebenen der literarischen Prosa - der Stilistik, der Narratologie und der (philosophischen) Gattungskonzeption - in einer künstlichen Schwebe zu halten. Damit repräsentiert der Roman eine typische Konstellation der spanischen Aufklärungsprosa an der Schwelle zum Übergang in die Spätphase. Gerade die Unentschiedenheit des Verhältnisses zwischen dem destruktiven Moment der Isiaschen Kunst, der alles in Frage stellenden Ironie, und dem konstruktiven Moment, der übergreifenden didaktischen Intention, spiegelt ein zentrales Moment des selbstreflexiven Prozesses wider, in dem sich die (seltene) zeitgenössische novela ilustrada befindet. Die Frage,

230 Vgl. die Liste der „rusticismos y leonesismos" im Anhang der Ausgabe von Jurado, a.a.O., S. 955. 231 „Tenga su eternidad güeñas tardes, endísimo padre fray maestro, y güen provecho haga su esencia. Prega a Dios que todo se le convierta en unjundia [...] A la salud de su trinidad muy raborenda; y también a la de mi padre perdicador fray Bras, que es la frol de los perdicadores de chapa" (FG, 491). Am gelungensten erscheint die Ironie des linguistischen Kostumbrismus an den Stellen, wo mit Regionalismen und Latinismen vermengte Sprachfehler in die Rede über die Inadäquatheit der Sprache einfließen. Als ein Beispiel von vielen sei die Szene genannt, in der die Unfähigkeit des Sprachlehrers „el cojo de Villaornate" vorgeführt wird: „Déjelo, señor; aquello era Gabilonia: más de una hora estuvimos pairando mano a mano, y a cada palabra que yo le decía, luego me sacaba un rimero de textos en latín, que no parecía sino que los traía en el balsopeto de una enguarina muy larga que tenía puesta. Por fin y por postre, el cojo de Villaornate bien puede ser el tuautem de los maestros de escuela; pero en linia de preceptor, el dómine de Villamandos es el per omnia saecula saeculorum, y mientras Campos sea Campos no habrá quien le desquite. [...] El paralelo no podía ser más justo; porque si el cultísimo cojo tenía una innata propensión a todo lo extravagante en orden a la ortografía y a la propiedad de la lengua castellana, el latinísimo dómine no podía tener gusto más estrafalario en todo lo que tocaba a la latinidad" (FG, 289f.)

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die sich an den Fray Gerundio als deren prototypischen Repräsentanten stellt, beruht auf der Kohäsion einer gattungsübergreifenden Praxis des Schreibens, die sich im interdiskursiven Gefilde solcherart bewegt, dass selbst die primären Techniken der Referenzialität - das Zitat aus anderen Texten und Diskursen - zu einem ironischen Akt wird. Wo beginnen die Grenzen der Ironie, hinter denen die Bloßstellung des Anderen auf die bloßstellende Intention zurückfällt? Strukturell bewegt sich die parodistische mise en abyme des Fray Gerundio in den ruhigen Bahnen eines einfachen Handlungsmodells. Insbesondere der zweite Teil ist durch einen linearen Erzählrhythmus getragen, durch den die metaliterarischen Eskapaden des Erzählers in der monotonen Wiederholung eines Schemas aus Predigtvorbereitung, Predigt und Reaktionen auf die Predigt eingefangen werden. Wenn der Anti-Held am Ende des Romans seine letzte (österliche) Predigt vorbereitet, die zu halten - zur Freude der nicht müde werdenden rhetorischen Mahner - ihm nicht mehr vergönnt ist, hat es den Anschein, als ob das Patchwork der sich gegenseitig ausschließenden und an parodistischer Absurdität einander überbietenden Diskursfragmente zur Normalität geworden ist, die auch den Leser kaum mehr herausfordert. In der Verstetigung der hyperbolischen Autodekonstruktion erscheint es jedenfalls folgerichtig, dass sich Fray Gerundio für seine finale Intervention in den Gefilden der geistlichen Beredsamkeit von einem Text (unbekannter Provenienz) inspiriert, dessen Titel auf dem Weg der bekannten Übertreibungen eine letzte Spitze zu erklimmen sucht: Solemnes Cultos, Obsequiosos Aplausos, Aclamaciones Festivas, Demostraciones del más fino Amor, que a sus fidelísimos Acates, Templos Vivos de la Caridad, Seutipiubsores [sie!], Cosmiclimatas, Bracamanes, Oficinas de las maravillas divinas, Prodigios de Milagros, Milagros de Prodigios, Crisoprasos de la Gracia, Agapetas de Corazones [...] etc. (FG, 870) 2 3 2

232 Diese letzte Klimax vor dem Abbruch der Geschichte sucht der Autor im drittletzten Kapitel auch in typographischer Hinsicht besonders hervorzuheben, indem er den einzelnen Begriffen, aus denen der Titel zusammengesetzt ist, mit pseudoklassifikatorischen Gedächtnisstützen in Gedichtsform versieht (welche das Formprinzip des Lexikons parodieren): „Yo creí que sabía algo de composiciones locas, disparatadas, ridiculas; y tenía mi poco de vanidad de que las que había encomendado a la memoria eran originales. Pero todas ellas no valen un pito en comparación de estas dos décimas" (FG, 872f.).

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Nach der Komposition der vielleicht absurdesten aller Predigten, der als „instrucción [...] a los reverendos predicadores" ausgewiesenen „Semana Santa de Pero Rubio" (FG, 886), bricht die Geschichte plötzlich ab. Wie um den Leser vor der ultimativen Steigerung der Lächerlichkeit zu schonen, wird das Werk, wie es in der Überschrift des letzten Kapitels heißt, durch eine seltsame Begebenheit, die dem Autor zugestoßen sei, unterbrochen: „Interrúmpese la obra por el más estraño suceso que acaeció al autor" (FG, 895). Im Rückgriff auf die im Prólogo aufgespannte Rahmenerzählung „aquí llegaba dichosamente la pluma, volando con gustosa rapidez por la región de la historia, en alas (a nuestro modo de entender) de la verdad más acendrada" (ebd.) - und im Übergang auf eine übergeordnete Erzählinstanz folgt eine finale Volte, die das ganze Gefüge der in der Schwebe gehaltenen Gegensätze aus Geschichte und Legende, Fiktion und Wirklichkeit, Roman lind Traktat, Imagination und Exposition, Autorität und ironischem Zitat (etc.) noch einmal untergräbt. Das ,Ereignis' - „el acaecimiento [...] más exótico, triste, melancólico, funesto [...] que podía caber en la humana imaginación [y que] nos obligó a cortar los vuelos a la pluma" (ebd.) -besteht darin, dass in Analogie zu Cervantes' Figur des Cide Hamete Benengeli im Don Quijote Isla in der Figur des Isaac Ibrahim Abusemblat eine Art deus ex machina auftreten lässt, der die mise en abyme der Herstellungsbedingungen des Romans in einen letzten fantastischen Rahmen überführt, damit aber auch die letzten verbliebenen Orientierungspunkte der narratologischen Verankerung zerstört. Abusemblat, seines Zeichens „coepiscopo del Gran Cairo" (FG, 900),233 wird als ein armenischer Gentleman und Spezialist für orientalische Sprachen vorgestellt - „un hombre de aspecto venerable, de estatura heroica, con barba prolongada y rubia, ojos modestos pero vivos, color blanco, y vestido enteramente a la turca" (FG, 898) - , der in einem koptischen Kloster in Ägypten „cuatro grandes cajones" mit Schriften gefunden habe, welche den Titel „Memorias para la historia de un famoso predicador español" in arabischer Schrift trügen. Mit diesen Schriften im Gepäck habe sich der Gelehrte auf einer Weltreise befunden, während der er zufällig Station in Barcial de la Loma (einem kastilischen Dorf ca. 30 km südöstlich von Campazas) gemacht habe, wo er mit dem 233 Zur „dignidad inventada y fantástica" der Bezeichnung coepiscopo s. Briesemeister: „La palabra alude en una figura etimológica a la maniobra de este truhán que sólo echa una mirada sobre los papeles (episkopein), pero no es lector o inspector diligente ni fidedigno" („La aventura de leer en Fray Gerundio", a.a.O., S. 126, Fn. 3).

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Erzähler zusammengetroffen sei. Dieser habe Abusemblat sodann mit dem Archiv seiner Quellen zur Geschichte des Fray Gerundio - d.h. einer „prodigiosa multitud de manuscritos, documentos, memorias, instrumentos que creíamos originales [...] y [...] que juzgábamos conducente para conseguir las más puntuales noticias históricas, genealógicas, críticas y exóticas, las cuales sirviesen de verdaderos materiales a nuestra obra" (FG, 896) - versorgt und um eine Übersetzung der fremdsprachlichen Teile gebeten. In Rekurs auf den Topos der „Herausgeberfiktion" - die sich im 18. Jahrhundert von Montesquieus Lettres persanes bis Cadalso Cartas marruecas als Charakteristikum des Briefromans etabliert234 - wird hier nicht nur ein zusätzliches Moment der narratologischen Entschuldung des Autors verankert, sondern der Text selbst auch in eine weite (raumzeitliche) Ferne gerückt. Es ,erweisf sich nämlich, dass die Historia del famoso predicador Fray Gerundio, so wie sie dem Leser vorliege, die Übersetzung einer Kompilation aus Textversatzstücken hebräischer, kaldäischer, syrischer, armenischer, koptischer, arabischer, persischer und griechischer Sprache darstelle. Die Originale reichten in die heroische Zeit der „antigua lengua española" zurück und spiegelten somit ein Geschehen wieder, dass sich noch vor der „invasión y entrada de los sarracenos" (FG, 897) - also im frühen Mittelalter - abgespielt habe. Mit dieser nachträglichen Zerstörung jedes zeitlichen Bezugs zur Gegenwart des Textes, durch die auch dem kostumbristischen Zweck der Satire die Grundlage entzogen wird, lässt es Isla jedoch nicht bewenden. Nach dem Abschluss der Übersetzungen Abusemblats taucht in der Person eines „inglés de autoridad [...] catedrático de lenguas orientales en la Universidad de Oxford" (FG, 901 f 3 5 eine letzte

234 Durch die Herausgeberfiktion verschleiert ein Autor seine Urheberschaft, indem er vorgibt, nur der Herausgeber und/oder der Übersetzer seines Textes zu sein. Dadurch „ereignet sich die Paradoxie, dass das Erzählen zustande kommt, indem sich der Autor entzieht". Hans Rudolf Picard: Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman des achtzehnten Jahrhunderts, Heidelberg 1971, S. 11. Vgl. Kap. 5.3. 235 Auf Anraten seines Mentors Francisco Javier Idiáquez, bis 1767 Provinzial der Jesuiten in Kastilien, ersetzt Isla in seinem Manuskript diese Figur des protestantischen Engländers - „salvo la religión protestante que profesaba, en lo demás parecía hombre de honor" (FG, 901) - durch einen „caballero de Madrid [...] que era académico, no sólo de las Academias de Madrid, sino de otras muy principales de la Europa" (Ed. Jurado, a.a.O., S. 928f., Fn. 43f.). Die modernen Fassungen des Fray Gerundio greifen wieder auf die ursprüngliche, vom Autor präferierte Version zurück. Zu den Motiven dieser

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Figur auf, die den Erzählrahmen noch weiter ins Fantastische rückt und, gleichsam als teuflischer Satellit des deus ex machina, für eine weitere „funestísima catástrofe" sorgt. Auf der Durchreise nach Portugal trifft „el milord inglés" (FG, 910) auf den Erzähler, der ihn als Gast aufnimmt und im Gegenzug bittet, die von Abusemblat angefertigte Übersetzung anhand der zugrunde liegenden Quellen noch einmal zu überprüfen. Das Ergebnis der sechstägigen Überprüfung ist eindeutig: „el supuesto coepíscopo debía de ser un picarón" (FG, 903). In den,Quellen' sei zwar von einem „predicador extravagante y ridículo" (FG, 904) die Rede, aber keine einzige der angegebenen Referenzen auf Raum, Zeit oder Personennamen stimme mit der,Wirklichkeif übereiri. Die Übersetzung sei keine Übersetzung, sondern ein in die Gefilde des Traums entrückter Text, der nur potentiell „HISTORIA «QUE PUDO SER» DEL FAMOSO PREDICADOR FRAY GERUNDIO DE CAMPAZAS" (FG, 910) heißen dürfe: Señor cura, [...] creyendo vuestra merced de buena fe que ha trabajado una historia exacta, verdadera, puntual y fiel [...], ha gastado el calor intelectual en disponer la relación más falsa, más embustera, más fingida y más infiel que podía caber en humana fantasía. Si, como vuestra merced la llama historia, la llamara novela, en mi dictamen no se había escrito cosa mejor, ni de más gracia, ni de mayor utilidad. Tan provechosa sería para muchos de nuestros predicantes de la Iglesia Anglicana, como para muchos predicadores de la Romana; pero habiéndola vuestra merced intitulado historia, no me permite mi sinceridad engañarle [...]. Nada tiene de historia, porque toda ella es una pura ficción. (FG, 902f.)

„Überarbeitung" und Islas (schon 1757 brieflich angekündigten) Identifikation der letzten im Fray Gerundio auftretenden (Intellektuellen-)Figur mit Agustín de Montiano vgl. Jurado: „La refundición final en el Fray Gerundio de Campazas", in: Boletín de la Real Academia Española 61 (1981) S. 123-140.

5. DER ROMAN ALS SPRACHUND SUBJEKTPHILOSOPHIE. G A T T U N G S S P I E L R Á U M E BEI JOSÉ C A D A L S O : LOS ERUDITOS A LA VIOLETA U N D CARTAS MARRUECAS

Die von Francisco de Isla an die República de las Letras gestellte Frage besteht in einem grundlegenden selbstreflexiven Aspekt. Sie zielt auf die konzeptuellen Möglichkeitsbedingungen und die narratologischen Grenzen der Literatur im zeitgenössischen Medium der Prosaerzählung. In Auseinandersetzung mit dem prominentesten, einflussreichsten und gefährlichsten' nichtliterarischen Diskurs, über den die Wissenschaft der Zeit verfügt, lotet der Autor des Fray Gerundio das Potential interdiskursiver Strategien aus, durch die ein genuin fiktionales Narrativ auf ein nichtfiktionales diskursives Feld ein- bzw. von diesem auf das literarische Schreiben zurückzuwirken kann. Zugleich bemisst er die Kraft eines literarischen Prosa-Stils, der das reflexiv ausgestellte Narrativ der Fiktionalisierung im Rekurs auf die (menippeische) Satire an die topologischen Grenzen jener literarischen Techniken führt, die der neoklassizistisch dominierten Epoche für das Versteckspiel mit der ,unwahren Rede' und der Distanzierung zwischen Erzähler und Erzählung zur Verfügung stehen.

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Auf diese Weise verknüpft der Autor - weniger in der Form einer „Diskursbegründung" denn einer „Reflexionsschwelle" 1 - die in seiner Zeit vorfindlichen Fermente der Satire, des kostumbristischen Realismus und des (didaktisch orientierten) wissenschaftlichen Traktats zu einem „unglückseligen Roman" (novela desdichada). Das Telos dieses Romans ist in einer Maschinerie hyperbolischer Zitate eingebettet - welche die originellste Verfahrensweise des Schriftstellers Isla ist - und beruht auf einer prinzipiellen Parodie aller verfügbaren Topoi der philosophischen Antithese. Damit berührt Isla auch das Problem der Extreme „sinnvoller" und „ernstgemeinter" Rede überhaupt. Bis wohin kann der Roman gehen - in dieser für die Gattung so problematischen Epoche - , wenn er sich selbst noch ernst nehmen bzw. die Bedingungen seiner Möglichkeit anerkennen will? Wie weit lässt sich der Geist der (Regel-)Freiheit in die Sprache treiben, ohne unter eine „pragmática sanción" zu fallen, „que dé reglas fijas, ciertas y universales para el amojonamiento [...] de los párrafos" (FG, 487)1 Historisch betrachtet, ist der Fray Gerundio repräsentativ für die eigentümliche Situation der novela in der Epoche der spanischen Aufklärung. Als Scharnier in einer interdiskursiven Konstellation und als mediales Ereignis mit großem Publikum zeigt Isias Roman die diskursiven Grenzen auf, die der Prosa im Konzert der literarischen Gattungen der Ilustración gesetzt sind. Die zwei Seelen, die satirische und die heilsdidaktische, die in diesem Buch ihren Kampf des Menippos mit der Homiletik ausfechten, finden keinen Sieger. Doch durch die Unentschiedenheit, die den Möglichkeitsraum eines autonomen Prosastils konturiert, werden zugleich die Leitlinien jenes typischen Antagonismus zwischen der literarischen und der wissenschaftlichen Prosa austariert, der in der Spätaufklärung zumeist zu einer Entscheidung zu Ungunsten Ersterer führt. Im Angesicht der persistenten Überlegenheitsideologie, mit der das Drama und die Dichtung (sowie das alte Epos in Versform) von Staats wegen gestützt werden, zeigt sich, dass die literarische Prosa („von einer gewissen Extension") stets in die Position der stützenden Mittlerschaft für übergeordnete Diskurse der,ernsten' Wissenschaft zurückgedrängt wird. Die Zurückdrängungsbewegung der Literatur gilt auf der einen Seite für die konstruktive Form der stützenden Mittlerschaft im Sinne Foucault: L'archéologie du savoir, a.a.O., S. 53f. sowie ders. (1969): „Qu'est-ce qu'un auteur?", in: Ders.: Dits et écrits I, Paris 2001, S. 817-849, hier: S. 830f. 1

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der elocuencia,2 die am prägnantesten von den Traktaten des Jovellanos repräsentiert wird. In der Haltung dieses Schriftstellers - der den literarischen Wert eines bürgerlichen Dramas im Übrigen ebenfalls höher einschätzt als den eines Romans - ist die Arbeit am Stil letztlich nicht mehr als eine schmückende, im besten Fall den (gelehrten) Leser überzeugende Sprachhandlung, deren Konzept auf einer Philosophie des positiven Transports von Ideen (zur Verbesserung der Gesellschaft) beruht.3 Auf der anderen Seite gilt die Zurückdrängung der Literatur in eine Rolle der wissenschaftlichen Dienstbarkeit auch für die dekonstruktive Form der Satire, die nach dem generellen Verbot der Gattung von 1778 in den (anti-)philosophischen Polemiken von Forner wiederaufgenommen und in eine Form der Auftragsliteratur transformiert wird, die trotz des (gelehrten) Rekurses auf Menippos nichts Menippeisches mehr an sich hat.4 Schließlich findet der Kostumbrismus, der auf den Stationen der 2 „Eloquencia" ist dem Diccionario de Autoridades zufolge als „perfecto modo u arte de hablar" definiert, das „con elegancia" auf ein „artificio de los colores rhetóricos" zurückgreift: Real Academia Española: Diccionario de autoridades III (1732), a.a.O., S. 378. Damit bezieht sich der Begriff laut Urzainqui in besonderer Weise auf die „prosa de intención literaria". Urzainqui: „La construcción de la historia de la literatura en el siglo XVIII", in: Tschilschke/Gelz (Hg.): Literatura - cultura - media - lengua, a.a.O, S. 47-63, hier: S. 55. 3 Insofern ist es kein Widerspruch, zu behaupten, dass das wichtigste Prosawerk von Jovellanos - jenes Werk, in dem der Autor seinen Prosastil in herausragender Weise profiliert - der Informe sobre la Ley Agraria ist. Über den (verdrängten) Stil der Literatur bei Jovellanos vgl. Manchal: „La originalidad histórica de Jovellanos", in: Ders.: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 199-214; Juan Antonio Cabezas: Jovellanos. El fracaso de la Ilustración, Madrid 1985, S. 85-108; sowie Jiittner: „Das Goldene Zeitalter als Zukunft. Die Autonomieerklärung des Individuums im Werk des Spätaufklärers Jovellanos", in: Karl Hölz u.a. (Hg.): Sinn und Sinnverständnis. Festschrift für Ludwig Schräder, Berlin 1997, S. 64-86. Vgl. a. José Santos: El discurso dieciochesco español. Pensamiento y paradoja en Jovellanos, Cadalso y Forner, Lewiston u.a. 2002, S. 17-55. 4 Vgl. insbesondere die „sátira menipea" genannten Exequias de la lengua castellana von 1793, die das „literarische Testament" Forners darstellen (und die frühe Akademieschrift Sátira contra los vicios introducidos en la poesía castellana von 1782 fortführen). Vgl. François Lopez: Juan Pablo Forner et la crise de la conscience espagnole au XVIIIe siècle, Bordeaux 1976, Appendice I, S. 583-615. Forner ist insofern ein Essayist, als seine Prosa insgesamt „entre los polos simétricos y extremos de la apología y la sátira" (Aullón de Haro: Los géneros didácticos, a.a.O., S. 58) pendelt. Dennoch gilt für den Regenten und Regierungen stets dienlichen Traditionalisten und Polemiker, dass der Stil - „el modo de escribir" (ob Vers oder Prosa) - immer hinter die Idee (des gesellschaftlichen Konservatismus und des „Preservativo contra el ateísmo") gestellt wird. So ist der „Geschichtsphilosoph" Forner auch eher ein „Pedant der Historiographie"

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sich transformierenden Prosatechniken sowohl zum Gegenstand der Satire als auch des Traktates wird, erst dann im Roman sein genuines Ausdrucksmedium, als die endlich akzeptierte Gattung mit Montengón und Luis Gutiérrez schon eindeutig romantische Züge trägt. Ebenso wie Feijoo und Torres Villarroel - „los dos extremos del desbordamiento literario" 5 - stellt Isla also eine Etappe im historischen Prozess der Auslotung, Besetzung und Verteidigung von autonomen Räumen des literarischen Ausdrucks dar. Alle drei Prosa-Autoren prägen durch ihre Haltungen als Schriftsteller und ihre Arbeit am Stil ein bestimmtes Moment dieser in ständiger (Re-)Formation befindlichen Autonomieentwicklung. Die literarische Prosa der späten Aufklärungsepoche konstituiert sich im Rekurs auf bestimmte Elemente des autoritätskritischen Wissensexperiments (Feijoo), des selbstreflexiven Kunstwerks (Torres) oder des interdiskursiven Zitatengefüges (Isla), die in den ,Kanälen' der die Literatur transportierenden oder beschränkenden Kommunikationsmedien interagieren bzw. gegenseitig zum Verschwinden gebracht werden. Der Autor, der die meisten Elemente dieser drei radikalen' Prosakonzepte der Epoche aufnimmt und sie zu einem eigenen Prosa-Kunstwerk im Geist des modernen Briefromans transformiert, ist José Cadalso. Die herausgehobene Stellung dieses Autors als der bedeutendste literarische Prosa-Schriftsteller der Spätaufklärung rechtfertigt den Umstand, unsere Studie in seinem Werk aufgehen zu lassen.

5 . 1 . D I E A N F Ä N G E CADALSOS AM SCHEIDEWEG DER L I T E R A T U R . K U N S T UND M O R A L IM G E I S T DES PATRIOTISMUS

Cadalso ist ein Autor, der sich - als typischer Repräsentant seiner Epoche - in allen verfügbaren Gattungen der Zeit versucht: von der Abhandlung und der Autobiographie über die Tragödie, die Komödie, die Satire, das Gedicht, den gelehrten Brief und die kurze Prosa-Erzählung bis hin zum Roman. Zudem ist er aber auch derjenige Schriftsteller der zweiten Hälfte im Sinne einer Überhöhung des Spanischen (Jesús Alvarez Gómez: Juan Pablo Forner (1756-1797).

Preceptista y filósofo de la historia, 1971, S. 3 6 9 - 3 8 4 ) b z w . ein „traditionnaliste

[...] [qui a] manqué son rendez-vous avec l'Histoire". Lopez: Juan Pablo Forner, a.a.O., S. 38, S. 565. 5 Manchal: „Cadalso: el estilo de un ,hombre de bien'", in: Ders.: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 185-197, hier: S. 188.

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des 18. Jahrhunderts, der das Konzept und den Stil seines literarischen Ausdrucks - gerade vor dem Hintergrund einer praktischen Erfahrung mit den verschiedensten Stilen und Ausdruckstechniken - in der (extensionalen) literarischen Prosa konzentriert. Darin unterscheidet er sich von den übrigen Autoren der Zeit - wie Jovellanos, Iriarte, Fernández de Moratin und Meléndez Valdés auf der einen Seite, deren Schwerpunkt in den Gattungen der Poesie und des Theaters liegt, oder Capmany, Cabarrús, García de la Huerta und Ramón de la Cruz auf der anderen Seite, die ihre Bestimmung in der wissenschaftlichen und politischen Prosa oder anderer kleinerer Gattungen (wie der Fabel oder dem saínete) suchen. Die literarische Prosa ist für Cadalso der Inbegriff für die Freiheit jener Kunst, deren Material die Sprache ist. Auch wenn die Schaffensphase des Autors insgesamt nur ein knappes Jahrzehnt (von 1768 bis ca. 1778) andauert, lässt sich in der Entwicklung des Werks eine eindeutige Hinwendung zur Prosa beobachten. Die Arbeit an der Gattung des (klassizistischen) Dramas währt nur bis zum Misserfolg seiner „originalspanischen Tragödie" Don Sancho García beim Publikum des Madrider Coliseo de la Cruz 1771, worin auch der Anlass für die erste satirische Prosaschrift zu sehen ist.6 Die Poesie ist die Gattung von Cadalsos 1773 unter dem Titel Ocios de mi juventud veröffentlichtem Frühwerk. Sie hat ab 1772, wenngleich viele seiner Zeitgenossen Cadalso vor allem als (anakreontischen) Dichter wahrgenommen haben,7 zuvorderst die Funktion, die Prosa - insbesondere diejenige der Cartas íntimas - gelegentlich' zu begleiten bzw. zu reflektieren. Auch ohne die Kenntnis der wahrscheinlich für immer verlorenen Texte, die 1775 auf dem Transport zu Meléndez Valdés abhandengekommen sind,8 lässt sich behaupten, dass das mit

6 Die beiden übrigen Dramen Cadalsos waren lange Zeit nur als Titel bekannt: La Numantina und Solaya o los circasianos. Während das erste Drama von unbekanntem Entstehungsdatum ist und als verschollen gilt, ist das zweite 1770 mit zahlreichen Änderungsauflagen von der Heiligen Inquisition belegt worden, die der Autor jedoch nicht weiter verfolgt hat. 1982 veröffentlicht Aguilar Piñal eine in der Universitätsbibliothek von Sevilla befindliche Abschrift dieses Stücks, das sich im Stil neoklassizistisch, aber zugleich in seiner ,Kosmovision' avantgardistisch, also „discordante con los ideales propuestos por el neoclasicismo" präsentiert. Vgl. Aguilar Piñal: „Introducción biográfica y crítica", in: Cadalso: Solaya o los circasianos, Madrid 1982, S. 7-44, hier: S. 43f. 7 8

Vgl. Joaquín Arce: La poesía del siglo ilustrado, Madrid 1981, S. 197-202. Durch Cadalsos Brief an Meléndez Valdés aus dem Jahr 1775 (zit. in: Cadalso:

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der Gelehrtensatire Los eruditos a la violeta einsetzende Prosawerk nach dem philosophischen Dialog der Noches lúgubres folgerichtig im Roman Cartas marruecas kulminiert. Cadalsos Prosa ist zwischen den Polen des kritischen Essays und der kostumbristischen Satire aufgespannt. In ihr kommt, auf der Grundlage einer (neo-)stoischen Ethik eine gesellschaftspolitische Philosophie zum Ausdruck, die ein originelles, Feijoos Teatro crítico universal fortschreibendes kritisch-patriotisches Spanienbild zeichnet. Einfühlsame und ,engagierte' Beschreibungen des Lebens einfacher Leute finden sich in ihr ebenso wie intensive theoretische Überlegungen über naturwissenschaftliche, juridische, theologische und (im weitesten Sinne) kulturökonomische Themen der zeitgenössischen Sorge um Spanien, die in einem vergleichenden, internationalen Rahmen reflektiert werden. Zugleich nimmt Cadalso Feijoos Prinzip der „literatura mixta" 9 zum Anlass für eine sprachphilosophische Reflexion des sich autonomisierenden Regulativs literarischer Prosa im Konzert der sich formierenden wissenschaftlichen Diskurse. Zwischen den Polen des didaktisch-moralischen Realismus und eines präromantischen, auf die eigene „fama postuma" bedachten Kunstwerks (um der Kunst willen) schreibt Cadalso das Torressche und Islasche Projekt des mit

Escritos autobiográficos y epistolario, London 1979, S. 102f.) ist bekannt, dass sich unter den verlorenen Schriften neben dem Drama La Numantina auch ein Compendio de arte poética, eine weitere Prosasatire mit dem Titel La linterna mágica und eine (wahrscheinlich über die erhaltenen autobiographischen Apuntaciones hinausgehende) Autobiographie Memoria de los acontecimientos

más particulares de mi vida befunden haben müssen. Aus

dem erhaltenen Teil der Memoria lässt sich zudem erkennen, dass Cadalso Ende der 1760er Jahre eine Novelle im Stil von Voltaires Candide mit dem Titel Observaciones de un Oficial holandés en el nuevamente descubierto Reino de Feliztá (vgl. ebd., S. 103) verfasst

hat. Schließlich lässt sich durch den genannten (1960 in der Zeitschrift Hispanófila, Nr. 10, S. 36ff. erstmalig abgedruckten) Brief an Meléndez Valdés die Autorschaft des von Mercadier 1970 publizierten Manuskripts Defensa de la nación española contra la carta

persiana LXXVIII de Montesquieu erkennen. Zur Bibliographie der Originalschriften Cadalsos vgl. das Grundlagenwerk der Cadalso-Forschung von Nigel Glendinning: Vida y obra de Cadalso, M a d r i d 1962, S. 22ff.

Cadalso spielt auf Feijoos Prosakonzept im sechsten Brief der Cartas marruecas (von Gazel an Ben-Beley) an: „En otros tiempos, allá cuando me imaginaba que era útil y glorioso dejar fama en el mundo, trabajé una obra sobre varias partes de la literatura". Cadalso: Cartas marruecas. Noches lúgubres, Madrid 2005, S. 168. „Beaucoup d'idées dont on fait honneur à Cadalso, se trouvent déjà chez Feijoo." Delpy: Feijoo et l'esprit européen, a.a.O., S. 386f. Zu Feijoos Begriff der „literatura mixta" vgl. Kap. 2.5. 9

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fiktiven (Selbst-)Bezüglichkeiten spielenden Literaturromans fort. Mit Blick auf die Bedeutung der literarischen Prosa Cadalsos ist die diesem Kapitel zugrunde liegende These so gesehen nicht mehr als die Erweiterung einer Intuition, die Manuel José Quintana schon 1807 (wenngleich auf die Anakreontik gemünzt) über Cadalso geäußert hatte: „En este escritor festivo [...] se terminan los ensayos y esfuerzos [del siglo XVIII] para restablecer el arte".10 Kein Schriftsteller der spanischen Aufklärungsepoche ist so umfassend und zugleich so kontrovers beurteilt worden wie José Cadalso. Wie Hans-Joachim Lope schreibt, ist der Autor „abwechselnd als Aufklärer, Romantiker, Kosmopolit, Europäer, Nationalist, Afrancesado, Bürgerlich-Liberaler oder Sozialkritiker im Sinne der Generation von 1898 in Anspruch genommen worden".11 Schon unter den Zeitgenossen Cadalsos finden sich die unterschiedlichsten Positionen, die sich zwischen der Glorifizierung - als Neoklassizist, als Sozialreformer oder als Militärstratege - auf der einen Seite und der Verunglimpfung - als Häretiker oder Imitator der Franzosen und Engländer (Montesquieu und Edward Young) - auf der anderen Seite bewegen.12 In der gelehrten Kritik des 19. Jahrhunderts von Gómez Hermosilla bis Menéndez Pelayo überwiegt eine Ablehnung des Autors als „antiespanol", was noch Unamuno zu der Ansicht führt, bei Cadalso handele es sich um

Quintana: „Introducción", in: Ders.: Poesías selectas castellanas, a.a.O., Bd l v S. XIILXXXV, hier: S. LXXXV. 11 Hans-Joachim Lope: Die Cartas marruecas von José Cadalso. Eine Untersuchung 10

zur spanischen

Literatur

des 18. Jahrhunderts,

Frankfurt a. M. 1973, Vorbemerkung.

Eine Ubersicht in deutscher Sprache zu den Schwerpunkten der jüngeren CadalsoForschung findet sich bei Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 271ff. 12 Verehrt wird Cadalso v.a. von den Mitgliedern der Tertulia de la Fonda de San Sebastián, an deren Begründung der Autor unter dem Dichternamen Dalmiro beteiligt war. Die Dichter Meléndez Valdés, Tomás de Iriarte und José Iglesias de la Casa verstehen Cadalso als ihren Lehrer und Meister. Die gelehrte Eloge Cadalsos als eines neoklassizistischen ,Retters' der spanischen Sprache hält sich bis zur Ausgabe der Obras von 1818: „Después de Don Ignacio Luzán, que con su Poética señaló el camino, y con sus obras propias dió un egemplo del buen gusto en nuestra poesía, pocos han tenido mayor influjo en tan feliz revolución como Don José Cadalso". Martín Fernández de Navarrete: „Prólogo", in: Obras de Don José Cadahalso, Madrid 1818, Bd. 1, S. I-XX, hier: S. II. Zu den Anfängen der Cadalso-Rezeption vgl. Glendinning: Vida y obra, a.a.O., S. 11-22; Dupuis/Glendinning: „Prólogo", in: Cadalso: Cartas marruecas, London 1966, S. VII-LIV, hier: S. VII-X; sowie Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 5-12.

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ein „Fossil"13 der spanischen Literatur. Zeitgleich erheben jedoch die Romantiker den früh verstorbenen Patrioten, der sich, vielfach mit dem Schicksal hadernd, für sein Vaterland geopfert habe, zur mythischen Gründerfigur ihrer Bewegung. Eine grobe Leitlinie der historischen Entwicklung dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen lässt sich insofern zeichnen, als jede Epoche ein bestimmtes Werk Cadalsos bevorzugt rezipiert. Gilt Cadalso im 18. Jahrhundert vor allem als der Autor der Ocios und der Eruditos a la violeta, assoziiert man seinen Namen im 19. Jahrhundert zuvorderst mit den Noches lúgubres und im 20. mit den Cartas marruecas.14 Die Neuausgabe der Cartas von 1917, in deren Vorwort Azorin den „reflexiv-patriotischen" Autor zum literarischen Repräsentanten der spanischen Aufklärung schlechthin erhebt,15 löst zugleich eine Renaissance der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Cadalso aus, innerhalb derer er auch in Deutschland (zusammen mit Feijoo und Jovellanos) schon früh zu einem kanonischen' Autor avanciert.16 Eine der Ursachen für die vielschichtige und widersprüchliche Beurteilung Cadalsos liegt in der Biographie des Autors, die nicht allein aufgrund der widrigen Quellenlage Anlass für kritische Spekulationen ebenso wie für mythisierende Überhöhungen gegeben hat. In gewisser Hinsicht ist Cadalso ein (vom Schicksal) verhinderter Autor, der aufgrund der interkulturellen Prägung sein Werk in einer europäischen

13 „Para fósil, ahí está José de Cadalso, de cuya existencia histórica no [...] pienso tomarme el trabajo de asegurarme". Miguel de Unamuno: „Sobre la erudición y la crítica", in: Ders.: Ensayos, Bd. 6, Madrid 1918, S. 99 (zit. in: Dupuis/Glendinning: „Prólogo", a.a.O., S. IX). 14 Vgl. June K. Edwards: Tres imágenes de José Cadalso: el crítico, el moralista, el creador, Sevilla 1976, S. 10. 15 „Cadalso es [...] uno de los espíritus más representativos de nuestro siglo XVIII [...]. Cadalso inaugura lo que podemos llamar patriotismo reflexivo". Azorín: „Prólogo", in: Cadalso: Cartas marruecas, Madrid 1917, S. 7-13, hier: S. 8f., Herv. i. T. An dieser Stelle hört man zugleich ein Echo auf die seit der Generation von 1898 erneut entflammte Diskussion um den Patriotismus als Paradigma der Fokalisierung theoretischer Literaturbetrachtung. 16 1937 widmet Werner Mulertt „dem lieben Kreise der Tiroler Freunde" eine Abhandlung mit dem Titel: Die Stellung der „Marokkanischen Briefe" innerhalb der Aufklärungsliteratur. Beitrag zum Verständnis der Schriften José Cadalsos. 1938 erscheint in St. Gallen die an der Universität Zürich verteidigte Dissertation von Annelies Güntzel: Die Cartas Marruecas des Don José de Cadalso. Ein spanisches Werk des 18. Jahrhunderts.

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Perspektive orientiert und sich damit zugleich den Blick eines f r e m den' auf die spanischen Angelegenheiten bewahrt. José de Cadalso y Vázquez wird am 8. Oktober 1741 als erster Sohn einer wohlhabenden Familie des Kleinadels in Cádiz geboren.17 Der Vater, José María de Cadalso y Vizcarra, ist als Geschäftsmann im Amerikahandel tätig und befindet sich zur Zeit der Geburt seines Sohns in Neuspanien (Mexiko). Seine Mutter, Josefa Vázquez y Andrade, stirbt 1743 bei der Geburt eines weiteren Kindes, woraufhin der spätere Autor in der Obhut seines Onkels, des Jesuiten Mateo Vázquez, erzogen wird. Im Alter von neun Jahren geht Cadalso zusammen mit seinem Vater, den er 1750 wahrscheinlich zum ersten Mal gesehen hat, nach Paris, wo er das renommierte Collège Louis le Grand besucht. 1755 folgt er dem Vater nach England und 1757 noch einmal nach Paris, bevor er 1758, nach 8 Jahren der Abwesenheit, ins Heimatland zurückkehrt, um bis 1760 seine Studien am Real Seminario de Nobles in Madrid abzuschließen. Perfekt dreisprachig und an herausragenden jesuitischen Institutionen Europas ausgebildet, beginnt Cadalso 1761 - nach einer weiteren Europareise (über Barcelona, Lyon, Paris und London) und mit dem Antritt seiner Erbschaft aus dem väterlichen Vermögen - als ,Marin von Welt' seine Karriere der armas y letras.18 Aus der Zeit von 1762 bis 1768, dem Jahr von Cadalsos Eintritt in die literarische Öffentlichkeit, ist über das Leben des Autors wenig mehr bekannt als die Abfolge von „mesa, juego, amores y alguna lectura", 19 die im erhaltenen Teil der Memoria evoziert werden. Insbesondere 17 Die biographischen Beschreibungen vor 1979 (dem Erscheinen der kritischen Ausgabe der Escritos autobiográficos) sind häufig fehlerhaft und beruhen auf Spekulationen, die seither z.T. korrigiert werden konnten. So steht z.B. in vielen frühen Texten, dass Cadalso einen älteren Bruder gehabt habe (Ignacio María de Cadalso, der jedoch nur ein Cousin väterlicherseits ist). Zugleich verfügen die genannten Escritos autobiográficos - die seit 1979 mit einem kritischen Apparat, aber dennoch unvollständig und nur im Zustand von „apuntaciones" vorliegen - (im Ansatz ähnlich wie in Torres' ,Selbstanalyse') über eine gewisse dichterische Freiheit. So liest man z.B. zu Beginn von Cadalsos Memoria, dass die Mutter während der eigenen Geburt gestorben sei (und nicht zwei Jahre später, wie es tatsächlich der Fall war): „Nací a mi tiempo, regular, muriendo mi madre del parto." Cadalso: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 5. 18 „Lengua, costumbres, traje, todo era nuevo para un muchacho que había salido niño de España, y volvía a ella con todo el desenfreno de un francés, y toda la aspereza de un inglés." Ebd., S. 7. In Cadalsos „Epitaphium" heißt es i.Ü., er habe auf seinen Reisen auch „Italiam, Germaniam, Bataviam" gesehen (ebd., S. 111). 19 Ebd., S. 10.

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die Umstände seiner Anfänge als Dichter - geschweige als Prosateur „aplicado a la erudición" 20 - bleiben unklar. Neben den Namen einiger berühmter Persönlichkeiten, in deren Gesellschaft sich der Tertuliante Cadalso befand - die Grafen Aranda und O'Reilly, die Herzoginnen Escalona und Benavente, der Jesuit Isidro López, der junge Jovellanos - gelten nur die groben Daten seiner militärischen Karriere als gesichert. Am 4. September 1762 tritt Cadalso als Kadett ins Regiment der Caballería de Borbón ein. 1764 kauft er den Grad eines Capitán und befehligt (sowie finanziert) ein Eskadron von 50 Reitern, mit denen er sich in verschiedenen Gegenden Spaniens und Portugals aufhält (bzw. in Feldzüge des Siebenjährigen Kriegs und dessen Folgen verwickelt wird). Obwohl er 1766 in den renommierten Santiago-Orden aufgenommen wird, erfolgen die Schritte seiner Beförderung zu höheren Offiziersdienstgraden - aus Gründen, die offenkundig auch mit seiner literarischen Tätigkeit zusammenhängen 21 - jedoch nur langsam. Erst 1776 wird er „por su antigüedad [...] y habilidad en manejo de papeles" 22 zum Sargento Mayor ernannt. 1777 erfolgt die Beförderung zum Teniente Coronel (in der Funktion eines Comandante de Escadrón) und im Januar 1781, wenige Monate vor seinem Tod im militärischen Einsatz während der Großen Belagerung von Gibraltar (1779-1783), schließlich zum Coronel.23

20 So lautet eine Beschreibung des Offiziers Cadalso durch einen Vorgesetzten aus dem Jahr 1767 (Archivo General de Simancas, Guerra Moderna, 1153, zit. in: Glendinning: Vida y obra, a.a.O., S. 119, Fn. 74). 21 In der „Continuación desde septiembre de 1774" der Memoria findet sich mit der Evokation des Umstands, dass der Autor sich (wiederholt) geweigert haben könnte, Offizierslehrgänge in der Provinz zu absolvieren, ein möglicher Grund für die verlangsamte Karriere: „[...] mi Inspector [estaba] muy mal conmigo, por haberme ya negado a ir a la Academia Militar de Avila". Cadalso: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 23. Mehrfach scheint Cadalso auch mit dem Gedanken gespielt zu haben, den Soldatenberuf aufzugeben. Diesen Schritt hat er - trotz entsprechender Ankündigungen in der Memoria - jedoch nie vollzogen: „acabándome de hacer cargo de que no está la Corte, ni el Ejército, para hacer fortuna, pedí mi retiro [...]" (ebd.).

AGS, Guerra Moderna, 1165 (zit. in: Ebd., S. 24, Fn. 75). Die Bezeichnungen entsprechen den heute üblichen Stabsoffiziersdienstgraden Mayor, Oberstleutnant und Oberst. Gemäß den Worten des befehlshabenden Generals Martin Alvarez de Sotomayor in einem Brief an Floridabianca vom 28. 02.1782 (AHN, Estado, 4235) starb der Autor während einer Aufklärungsmission am 26.02.1782 durch einen „golpe de un casco de granada en la cabeza". Eine bittere Pointe des militärischen Schicksals von Cadalso besteht darin, dass der Kampf um Gibraltar, in dem er 22

23

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Im Einklang mit der Archivlage, die uns die Aufenthaltsorte Cadalsos nur im Zusammenhang mit den militärischen Angelegenheiten urkundlich verbürgt, schafft der stichpunktartige Charakter der Memorias ein Ungleichverhältnis an Informationen, die wir aus erster Hand über die Ereignisse auf der Seite der armas im Vergleich zu jenen auf der Seite der letras besitzen. Man kann nur erahnen, dass der Autor - der einem ethischen Ideal der „hombría de bien" verpflichtet ist - beide Seiten als miteinander in Relation stehende Facetten einer gemeinsamen moralischen und künstlerischen Lebensführung angesehen hat. Er konzipiert für sich eine gesellschaftliche Position als ein schreibender (Militär-)Stratege bzw. umgekehrt als ein Offizier der Literatur (der am Ende auf verlorenem Posten steht). Über die einzelnen Entwicklungsstufen der literarischen Formation erfährt man in den Apuntaciones der verkappten Autobiographie, die der Autor womöglich als eine Vida nach dem Modell von Torres Villarroel auszugestalten beabsichtigte,24 kaum mehr als die Anspielungen auf einen (geheimen) Zusammenhang zwischen bestimmten persönlichen

sein Leben ließ, aufgrund der waffentechnischen Unterlegenheit der Spanier in einer wenig ehrenvollen Taktik der (von englischen Schiffen immer wieder unterbrochenen) Einkesselung bestand - mit dem faktischen Ziel, die Bevölkerung auszuhungern - und dass der Gran Asedio a Gibraltar letztlich scheiterte. Eine detaillierte Beschreibung der militärischen Vorgänge (inkl. des Versuchs einer historischen Ehrenrettung Spaniens) findet sich bei José Luis Terrón Ponce: El gran ataque a Gibraltar de 1782. Análisis militar, político y diplomático, Madrid 2000. Einen Beitrag zur modernen Mythenbildung von Cadalso als „Dichtersoldat", der durch das Begehren angespornt worden sei, Spaniens zu reformierende Armeen siegreich zu sehen, liefert Felipe Ximénez de Sandoval: Cadalso. Vida y muerte de un poeta soldado, Madrid 1967, hier insbesondere: S. 307-330. Cadalso hatte wahrscheinlich den Plan, die erste Autobiographie eines (Dichter-) Soldaten in spanischer Sprache zu schreiben. Hierzu gehört wohl auch ein verschollenes Diario del sitio (ebenfalls in der Form eines „papel de apuntaciones") über die Belagerung von Gibraltar. Vgl. Cadalso: „Memorial al rey, fecha en el Campo de San Roque, el 18 de marzo de 1781", in: Ders.: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 132. Literarisch ausformuliert sind in der Memoria allerdings die Rechtfertigungen einiger Handlungen und Aussagen gegenüber seinen Vorgesetzten und Mentoren, wie dem Grafen von Aranda, in dessen Ungnade er fällt, als er einem Schutzbefohlenen Arandas bei einem unerwünschten Liebeshändel hilft (ebd., S. 16-21). Die Anlage der Autofiktion (wie bei Torres) kommt allein in der Erzählung über die „ascendencia" und „crianza" des Autors zum Ausdruck (ebd., S. 3-10) oder lässt sich aus den Ankündigungen über auszuformulierende Passagen des privaten Lebens, insbesondere der ausgesparten Liebe, erahnen. „Sus amores [los de Ignacia Ibáñez, la mujer de mayor talento que yo he conocido] formarán artículo aparte, por no interrumpir la serie de mis sucesos en casa del Conde Presidente" (ebd., S. 20). 24

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Schicksalsschlägen und diese vermeintlich kompensierenden Handlungen als Künstler. Die psychologische These über das funktionale Verhältnis von Autor und Werk, die auch R. P. Sebolds Interpretation von Cadalso als einem Vorläufer der Romantik25 zugrunde liegt, geht auf eine Selbstdarstellung zurück, die der Dichter Cadalso im Vorwort zu seinen Ocios de mi Juventud vornimmt: „[...] hice todos [los versos] en ocasion de acometerme alguna pesadumbre, tal vez efecto de mis muchas desgracias".26 Welche Form von kreativem Unglück hat diesen Schriftsteller getroffen, der alle intellektuellen und materiellen Voraussetzungen für eine glänzende Karriere in der República de las Letras mitbringt? Als einschneidende Zäsur für einen Mann, den es seit seiner Rückkehr nach Spanien stets in die Gesellschaft Madrids gezogen hat, lässt sich das Exil fern von Villa y Corte zählen. Ein nicht unerheblicher Teil der erhaltenen Korrespondenz besteht aus Gesuchen Cadalsos an den König und die Regierung, Genehmigungen für den Aufenthalt in der Hauptstadt zu erhalten oder zu verlängern. Den ersten „destierro" durchlebt Cadalso von Oktober 1768 bis Januar 1770, als er sich aufgrund der ihm zugeschriebenen Satire Calendario manual y guía de forasteros en Chipre von Madrid fernhalten muss. Die „Verbannung" wird wahrscheinlich von Personen aus dem Umkreis Arandas ausgesprochen, ohne dass ein formaler Richterspruch erfolgt wäre (welcher Cadalso als Caballero de Santiago ohnehin nicht hätte treffen können).27 Ob Cadalso tatsächlich der Autor des Calendario ist, welcher in Form und Stil das perfekte Pastiche eines ironischen Pronóstico von Torres Villarroel ergibt,28 ist nicht abschließend zu klären. In jedem Fall bringt 25

Sebold: Cadalso: el primer

romántico ,europeo'

de España, Madrid 1974. Vgl. a.

Joaquín Juan Penalva und Marisa Payá Lledó: „¿Un ,Werther español'? Ambiente sepulcral y dolor romántico en las Noches lúgubres", Alicante (BVMC) 2002. 26 Cadalso: „Prólogo", in: Ders. (1773): Ocios de mi Juventud, Madrid 1781, o. S. Aus diesem Grund sei der „wahre Titel" der Gedichtsammlung, den er jedoch wieder verworfen habe, zunächst auch Alivio de mis penas gewesen (ebd.). 17 Vgl. Glendinning: Vida y obra, a.a.O., S. 122f. Eine „polizeiliche Maßnahme" (provvedimento di polizia) gegen Cadalso vom 31.11.1768, die jedoch urkundlich nicht bekannt ist, führt Ernesto Lunardi (La crisi del settecento. José Cadalso, Genua 1948, S. 54) an. Vgl. a. Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 43f. 28 Die literarische Qualität dieser in der Form einem populären Kaiendario entsprechenden Schrift beruht auf der „Reducción del Almanak de Chipre" - also der insularen Allegorie für die Heimat der Liebe - „al de España para más fácil inteligencia de los menos eruditos". Cadalso: Obras inéditas, hg. v. Raymond Foulché-Delbosc, in:

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die mehr oder weniger erzwungene und in den Ocios lyrisch beklagte Abwesenheit (die auch aus anderen Gründen erfolgt sein könnte) nicht nur Nachteile mit sich. In Zaragoza kann sich Cadalso, nachdem er sich um seine in Aragón verstreute Kavallerie gekümmert hat, in aller Ruhe auf die literarische Arbeit konzentrieren. In die Zeit fällt die (Neu-)Komposition der meisten Gedichte der Ocios für die angestrebte Veröffentlichung ebenso wie der erste Gattungswandel hin zum dramatischen Autor. 1770 kehrt Cadalso nach Madrid zurück. Seine offizielle Funktion ist die eines „Sekretärs" in einem etwa zwei Jahre andauernden Korruptionsprozess, den die Militärgerichtsbarkeit gegen einen Obersten mit Namen Francisco Sensi angestrengt hat. Ablenkung von dieser ermüdenden Realpersiflage der „armas y letras" findet der Autor in der produktivsten literarischen Schaffensphase seines Lebens, die insgesamt etwa bis Ende 1774 andauert und ihn nach dem Misserfolg seines Stücks Don Sancho García endgültig in die Gefilde der Prosa führt. 29 1771 entsteht die 1772 unter dem Namen Don José Vázquez veröffentlichte Gelehrtensatire Los eruditos a la violeta, auf die im gleichen Jahr ein Suplemento al papel intitulado ,Los eruditos a la violeta' folgt. 1772 verfasst er auch El buen militar a la violeta, eine thematische Variation der erfolgreichen Satire auf Revue Hispamque 3 (1894), S. 329-335, hier: S. 330. Diese „fácil inteligencia" scheint einige Damen der Madrider Gesellschaft aufgeschreckt zu haben. Die Möglichkeit einer Autorschaft von Torres Villarroel (oder eines seiner Nachahmer in Madrid) ist nicht grundlegend untersucht worden. Die allgemein hingenommene Zuschreibung, die Glendinning in seiner Neuausgabe Calendario manual y guía de forasteros en Chipre. Sátira atribuida a José Cadalso (Madrid 1982) von Foulché-Delbosc übernimmt, beruht auf keinem zwingenderen Argument als der Eigendarstellung des Autors in der Memoria, in der die Frage der Autorschaft (auch hierin ähnlich zu Torres) jedoch auf spielerische, womöglich autofiktionale Weise offengelassen ist: „En esto se esparció por la Corte una especie de libelo titulado: Guía de Forasteros en Chipre para el Carnaval 1769 y siguientes [der vollständige und korrigierte Titel findet sich in der Bibliographie unter den Anonyma], En este papel, con alegoría, sacada de la Guía común de forasteros, se hacía una descripción demasiado pública de los amores que con el nombre de cortejos eran ya conocidos en Madrid. El público me hizo el honor de atribuírmelo, diciendo que era más chistoso en su línea y más salado que los famosos libelos conocidos en España [...]". Cadalso: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 13. 29 Sebold begründet das (schnelle) Scheitern Cadalsos als Theaterautor einleuchtend mit dem stilistischen Konzept seiner Literatur. Cadalsos Stil sei - ähnlich wie der Cervantes' - „demasiado épico, demasiado novelístico [...] para que pueda lograr un éxito con ese tipo de conceptualización o visión esquemática de la vida que requiere el teatro". Sebold: Cadalso: el primer romántico, a.a.O., S. 255.

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den eigenen Berufsstand, die erst 1790 posthum im Druck erscheint.30 Während die viel gelesenen Eruditos und ihr Suplemento die einzigen Werke bleiben, die Cadalso neben Don Sancho García (Madrid 1771) und den Ocios (Madrid 1773) zu Lebzeiten veröffentlicht hat, schafft sich der Autor für sein Hauptwerk Cartas marruecas, das er ebenfalls (spätestens) im Jahr 1771 beginnt, mit einer Gruppe befreundeter Künstler und Schriftsteller ein eigenes Publikum, diesseits von Inquisition und Gelehrtenrezeption. In der Fonda de San Sebastián, der intellektuell anspruchsvollsten Tertulia der Zeit, kommt Cadalso zwei Jahre lang regelmäßig mit den (im Geist des antiken Freundschaftsideals adressierten)31 Dichtern und Theaterautoren Nicolás Fernández de Moratín, Tomás de Iriarte, José Iglesias de la Casa und Juan Meléndez Valdés zusammen. Die Briefe32 zwischen den genannten Personen zeigen, dass Cadalso den Status eines spiritus rector in der Fonda innehatte, so dass die Lesungen von Auszügen der Cartas mit Sicherheit auch andere bekannte Mitglieder wie Samaniego, Jovellanos, López de Sedano, Cerdá y Rico, López de Ayala oder Francisco de Goya angezogen haben. Im Oktober 1774, ein Jahr nachdem er aufgrund einer militärischen „urgencia"33 Madrid erneut verlassen musste, verfügt Cadalso noch einmal über eine einmonatige Aufenthaltserlaubnis für die Hauptstadt (die zu verlängern der König ablehnt) und reicht das Manuskript der Cartas marruecas mit der Bitte um die Erteilung einer Druckerlaubnis beim Consejo de Castilla ein. Aus verschiedenen Gründen,34 die jedoch auch mit Cadalsos Unbeha30 Cadalso: El buen militar á la violeta. Lección posthuma del autor del Tratado de los Eruditos, Sevilla 1790. 31 Die .Kunst der Freundschaft' bei Cadalso untersucht David T. Gies: „,Ars amicitiae', poesía y vida: el ejemplo de Cadalso", in: Mario Di Pinto, Mauricio Fabbri und Rinaldo Froldi (Hg.): Coloquio internacional sobre José Cadalso, Abano Terme 1985, S. 155171. S. a. Sebold: Cadalso: el primer romántico, a.a.O., S. 45-58. 32 Cadalsos literarische Episteln an die Freunde sind nur aus der Zeit ab Mai 1773, dem Beginn des zweiten „destierro" in Salamanca und schließlich in Montijo (Extremadura), erhalten. Sie finden sich in: Ders.: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 69-127.

Ebd., S. 21. Mit dem Ausbruch der Guerra de Marruecos im September 1774 scheint es politische Einwände gegen Cadalsos Schrift gegeben zu haben, die insbesondere in ein (informelles) Dekret „que no se imprima nada tocante a los presidios de Africa" mündeten. Glendinning: „New Light on the Circulation of Cadalso's Cartas Marruecas befare its First Printing", in: Hispanic Review 28-2 (1960), S. 136-149, hier: S. 137. Vgl. a. 33

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gen zusammenhängen, sich mit der (politischen und religiösen) Literaturpolizei auseinanderzusetzen, erhält er das Manuskript erst im Jahr 1778 mit Auflagen zurück. Zu dieser Zeit - den ihm verbleibenden drei Lebensjahren - ist der Autor jedoch mit Kriegshandlungen beschäftigt, so dass das (in eingeweihten Kreisen ohnehin weithin bekannte) Hauptwerk ebenfalls erst posthum als ,Serienroman' in der Zeitschrift Correo de Madrid zwischen Februar und Juli 1789 abgedruckt wird. In dem für Cadalso entscheidenden Jahr 1771 ereignet sich jedoch auch ein persönlicher Schicksalsschlag, der, von allen Biografen hervorgehoben, nicht ohne Einfluss auf den literarischen Werdegang des Autors ist. Cadalso verliebt sich in die 24-jährige Schauspielerin Maria Ignacia Ibáñez aus Cádiz, die um 1768 nach Madrid gekommen ist und 1770 eine Rolle in Moratins Hormesinda spielt, bevor sie die weibliche Hauptrolle in seinem Sancho García übernimmt. Die Heiratspläne der beiden Künstler, die von der höheren Gesellschaft als unstandesgemäß angegriffen wurden, sind ebenso ernst gemeint, wie sie nicht realisiert werden können, weil die hoch begabte und begehrte Frau im April 1771 plötzlich, wahrscheinlich an Typhus - „un tabardillo muy fuerte" 35 - stirbt. Uber den Zusammenhang zwischen Cadalsos Trauer über den realen Verlust und der literarischen Thematik, der Komposition und insbesondere dem Tonfall der Noches lúgubres ist viel geschrieben worden.36 In jedem Fall gelingt Cadalso mit diesem kleinen Meisterwerk der vorromantischen Sepulkral-Literatur - im Gewand des philosophischen Dialogs, unter ironischer Verwendung des Themas der Difunta pleiteada von Lope de Vega und mit der pathetischen Anrufung des „estilo de las que escibió en inglés el doctor Young" (wie es Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 67f. sowie Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 281ff. 35 Cadalso: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 20. 36 Cadalso spielt selbst in seinem Brief an Meléndez vom Mai 1775 auf einen authentischen („wahrhaften") Aspekt seiner Noches lúgubres an: „Las leyó Vmd en Salamanca y le expliqué lo que significaban: la parte verdadera, la de adorno y la de ficción". Ebd., S. 102. Glendinning geht den möglichen Entsprechungen zwischen dem (stoischen) taedium vitae des Tediato in den Noches lúgubres und Cadalsos Leben nach dem Tod der Ibáñez nach und versucht, die posthumen Mytheme zu entwirren, die v.a. nach der um 1790 auftauchenden, ebenso wie fiktiven wie anonymen („M. A." unterzeichneten) „Carta de un amigo de Cadalso sobre la exhumación clandestina del cadáver de la actriz María Ignacia Ibáñez" entstanden sind. Glendinning: „Prólogo", in: Cadalso: Noches lúgubres, Madrid 1969, S. VII-LXXVI, hier: S. XII-XVII, S. XXVIXXXVIII.

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im Untertitel heißt) - ein literarisches „alivio de [sus] penas", für das der Autor posthum, nach dem Abdruck der Noches in drei Nummern des Correo de Madrid (1789-1790), berühmt geworden ist. Wie bei der Affäre um die Zuschreibung des Calendario drei Jahre zuvor, lässt es der an der Mystifikation interessierte Autor offenbar geschehen, dass er als Dichter in den Ruf gerät, das Sakrileg der Grabschändung begangen zu haben, um mit einer Toten das Ideal der Liebe zu teilen. Der Mythos der realen Grenzerfahrung eines (pathetisch oder pathologisch) leidenden Autors, die hinter dem - die Wirklichkeit nicht hinreichend verschleiernden - literarischen ,Setting' insbesondere der Noches lúgubres zu finden sei, wird auch in der neueren Kritik fortgeschrieben.37 Ein starkes Argument für die Darstellung des Autors als eines leicht todessüchtigen (Proto-)Romantikers, dessen Nostalgie die Oberhand über die besonnene Aufklärungsphilosophie gewinnt, finden sich auch in Cadalsos imaginären Epitaphien über eine Reihe von „Helden" der spanischen Geschichte, die erstmalig 1894 von R. Foulché-Delbosc publiziert wurden.38 Die eigene Grabinschrift in lateinischer Sprache, die er 1775 aus Montijo (dem ,extremen Exil' in Extremadura) an José Iglesias sendet, fügt hier die passende Note eines leisen, melancholischen, aber im Medium der stoischen Ironie abgefederten Nihilismus hinzu: Qui jacet hic mortuus est, quia natus est. Nec de nativitate sua, nec de morte curavit: natus dives; mortuus pauper. [...] Patriae laudes cecinit; de illo una laus tantum est dicenda, 37 Alborg zufolge sind die Noches Ausdruck einer „dificultad de concluir razonablemente unas páginas inspiradas por una demencia temporal". Alborg: Historia, a.a.O., S. 731. Eine ähnliche Ansicht formulierte José F. Montesinos schon 1934: „Cadalso [...] necesita crearse una atmósfera para vivir de sus fantasías [...]. Lo que hay de falso en las Noches es que todo es verdad." Montesinos: „Cadalso o la noche cerrada", in: Ders.: Ensayos y estudios de literatura española, México 1959, S. 152-169, hier: S. 154, S. 160. 38 Cadalso: „Epitafios para los monumentos de los principales Héroes españoles", in: Der.: Obras inéditas, a.a.O., S. 269-297. Zur „tradición humanística heredada o imitada de la antigüedad" dieser Epitaphien vgl. G. Demerson: „Cadalso, la Religión y la Iglesia", in: José Amor y Vázquez und David Kossoff (Hg.): Homenaje a Juan López Morillas, Madrid 1982, S. 151-170, hier: S. 165ff.

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scilicet probus fuit, probosque amavit. [...] Post mortem nihil est (ut ait Seneca) ergo postquam de morte mea loquutus sum, nihil amplius est a me dicendum, nisi in aeternum Vale.39

Im Zusammenhang unserer Frage nach dem philosophischen Konzept von Cadalsos Prosa (und den Motiven für die besondere Wahl des Briefromans) ist das psychologische Profil des Autors nicht entscheidend. Dennoch kann man der Fachliteratur aus diesem Bereich wertvolle Hinweise entnehmen. Das Psychogramm, das von Cadalso gezeichnet wird, zeigt einen Menschen, der sein Schicksal als außergewöhnlich empfindet, unter großen inneren Spannungen mit manisch-depressiven Zügen leidet40 und aus dieser Disposition ein „arte de recrearse en su propio dolor"41 entwickelt. Mit diesem Bild lässt sich eine Analogie zu den strukturalen Eigenschaften einer Autorfunktion herstellen, die unter den Bedingungen der spanischen Spätaufklärung in der besonders umkämpften Gattung der Prosa verharrt und (aufgrund der Offenheit derselben) der ggf. bestehenden Neurose eine gewisse Entspannung verschafft. Auch lassen sich so die zum Teil schwer fassbaren und häufig widersprüchlichen Philosopheme der Weltanschauung Cadalsos

39 Ders.: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. 111. Die letzten beiden Zeilen (zugleich die letzten des Briefs) sind ein kommentierendes Postskriptum an Iglesias, das als Ausweis der Ironie den stoischen Stil des ,Grabmals' zu Ende führt. Glendinning und Harrison übersetzen die Passage folgendermaßen ins Spanische: „Quien aquí yace / murió porque nació. / Ni de su nacimiento, ni de su muerte se preocupó: / nació rico; murió pobre. / [...] Cantó alabanzas a su patria; de él sólo hay una loa que decir, / a saber / fue honrado y amó a los honrados. / [...] Después de la muerte nada hay (como dice Séneca). Por lo tanto, no me queda nada que decir, después de hablar de mi muerte, sino un eterno / Adiós". Ebd., S. 112. 40 „El vaivén pendular, entre sus fases de equilibrio y de desequilibrio, hacía que Cadalso apareciera a veces como un ser inconcruente; hosco, deprimido, insociable, inquieto, desasosegado, insatisfecho y hasta neurótico por un lado; tranquilo, dulce, sociable, gracioso, ocurrente y dinámico por otro". Rafael Olaechea: „Esbozo psicológico de José Cadalso", in: Di Pinto/Fabbri/Froldi (Hg.): Coloquio internacional sobre José Cadalso, a.a.O., S. 257-294, hier: S. 280. 41 Ebd., S. 288.

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erklären, die zu einer besonderen stilistischen Haltung und einer spezifischen Ausprägung der Sprache geführt haben. Die Antagonismen der Philosophie Cadalsos, die in der Kritik mit Hilfe von (mehr oder weniger zutreffenden) Nomenklaturen wie dem „sentimentalen Rationalismus" 42 , dem „stoischen Quevedismus" 43 oder auch dem „patriotischen Kosmopolitismus" 44 zum Ausdruck gebracht worden sind, entsprechen auf einer persönlichen Ebene dem ethischen Selbstverständnis eines hombre de bien, der auch im eigenen Handeln stets um einen Ausgleich zwischen Eigeninteresse und Gemeinwohl bemüht ist45 und in der besonderen Gemeinschaft seiner Freunde als Vorbild wirkt. 46 Auf einer funktionalen Ebene des Stilkonzepts lässt sich anhand der Übertragung (und Implementierung) der philosophischen Antagonismen in ein „ideal estilístico del ,justo medio""17 jedoch auch die Intensität jener Kraft ermessen, der es bedarf, in der interdiskursiven Konstellation der spanischen Aufklärung die literarische Prosa auf dem schmalen Grat einer (sich am Ende selbst aufhebenden) Autonomie zu halten.

42

Helman: „Introducción", in: Cadalso: Noches lúgubres, Madrid 1968, S. 9-67, hier:

S. 65 43 Marichal: La voluntad de estilo, a.a.O., S. 186. Zur Variante des skeptischen' Stoizismus Cadalsos vgl. auch Glendinning: „Cadalso y la tradición estoica", in: Ders.: Vida y obra, a.a.O., S. 151-169. Zu Quevedo als Begründer des literarischen Neostoizismus in Spanien vgl. Ettinghausen: Francisco de Quevedo and the Neostoic Movement, Oxford 1972. 44 Edwards: Tres imágenes de José Cadalso, a.a.O., S. 35. 45 „Su mezcla de egoísmo y desinterés nos da lo que siempre interesa en la literatura: el retrato de un hombre que tiene problemas y hace lo que puede para resolverlos, un ser humano." Glendinning/Harrison: „Prólogo", in: Cadalso: Escritos autobiográficos, a.a.O., S. VII-XIX, hier: S. XV. Zu weiteren antagonistischen Nomenklaturen der Kritik (und ihrer Bedeutung für die Betrachtung der Cartas marruecas) s.u., Kap. 5.3. 46 „Caldalso [..] procuraba, como buen mentor, derramar pablabras de alivio y consuelo [...] buscaba afanosamente su alter ego, esto es: el amigo cuyo pecho fuera ,archivo del suyo'". Olaechea: „Esbozo psicológico", a.a.O., S. 284f. Die charismatische Wirkung Cadalsos auf Personen, die ihn umgeben, ist unbestritten. Ungleich zu den meisten Schriftstellern der Zeit, die häufig in Polemiken verstrickt waren, scheint sich dem Bann Cadalsos niemand entzogen zu haben: „Pouvait-on ne pas aimer Cadalso?" Lopez: Juan Pablo Forner, a.a.O., S. 232. 47

Marichal: La voluntad del estilo, a.a.O., S. 192.

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5 . 2 . IRONISCHE ERZIEHUNG ODER DIE AUFKLÄRUNG IM M E D I U M DER SATIRISCHEN PROSA. LOS ERUDITOS A LA VIOLETA MIT EINER N O T E ZUR DEFENSA DE LA NACIÓN ESPAÑOLA

Die schärfste Waffe im argumentativen Arsenal der Philosophie Cadalsos ist zugleich eine grundlegende Technik seines literarischen Ausdrucks. Es ist die - in einer Genealogie von Quevedo über Torres Villarroel und den Padre Isla zu denkende - Ironie. Die Finesse der Ironie Cadalsos kann als ein zentrales Charakteristikum der Prosa der Spätaufklärung angesehen werden. Die Schwierigkeiten, denen die vielen kritischen Studien in den Texten unseres Autors begegnen - und stets neue Untersuchungen herausfordern korrespondieren im Kern auch mit den (ebenfalls schwer zu erklärenden) Gründen für die Seltenheit der zeitgenössischen literarischen Prosa überhaupt. Cadalsos Arbeit an der Ironie beruht sowohl auf einer theoretischen Auseinandersetzung als auch einem praktischen Experiment mit dem philosophischen Fundament der literarischen Trope als einer möglichst exakt bestimmbaren Uneindeutigkeit der Rede, die in der Umklammerung zwischen Wahrheit und Falschheit stets durch die Aporie bzw. die Selbstaufhebung bedroht ist. In diesem Zusammenhang, der sich in den Untersuchungen der Werke von Torres und Isla herauskristallisiert hat, lässt sich die in den,estilo del justo medio' eingebettete Dialektik der ideologischen Antagonismen von Cadalsos Prosa als eine für die spanische Prosaliteratur der Zeit insgesamt repräsentative Mitte zwischen zwei Extrempositionen beschreiben: zwischen Jovellanos' Ideal der absoluten Ironiefreiheit (in einer als Hilfsmittel der Politik betrachteten Literatur) auf der einen Seite und Forners Praxis des polternden und etwas grobschlächtigen Sarkasmus (einer in der Gattung der Satire verharrenden Prosa) auf der anderen. Auf ihrem Weg zum Roman führt Cadalsos ironische Prosa folgerichtig über die Etappe der Satire. In ihr debütiert Cadalso als Autor und legt den Grundstein für sein Prosakonzept, das er in den nachfolgenden Cartas marruecas entwickelt. Aus diesem Grund ist der 1772 in Madrid bei Antonio de Sancha erschienene Text Los eruditos a la violeta, der zugleich den größten Publikumserfolg des Schriftstellers (zu Lebzeiten) darstellt, als ein wichtiges und unter den Zeitgenossen

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einflussreiches Werk anzusehen. 48 Die Eruditos a la violeta gehören zur Gattung der Gelehrtensatire, die in der Folge von Islas Fray Gerundio - dessen zweiter Teil 1768 erschienen war - in Madrid zu Beginn der 1770er Jahre en vogue ist. Neben Isla, dem bekanntesten und meist gelesenen (zeitgenössischen) Schriftsteller dieser Zeit, ist diese Gattung, die in Spanien ein Erbe Quevedos ist,49 schon in den Jahren zuvor von verschiedenen einflussreichen Schriftstellern behandelt oder kommentiert worden, wie etwa von Feijoo im Teatro crítico universal - s. etwa „Sabiduría aparente" (TCU II, 1) und „Verdadera y falsa urbanidad" (TCU VII, 15) - oder von Nipho im Correo general histórico.50 Den Einfluss, den Cadalsos Satire in dieser Konstellation ausübt, zeigen nicht nur der (publizistisch ebenso erfolgreiche) Druck des Suplemento, sondern auch Nachahmungen wie etwa die Literatos en cuaresma (1773) des mit Cadalso freundschaftlich korrespondierenden Tomás de Iriarte. 51 48 Diese Einschätzung gilt trotz der Skepsis, die in der gelehrten Kritik des 20. Jahrhunderts gegenüber Cadalsos erstem Prosatext anzutreffen ist. Sebold zählt die Eruditos zu den „obras minores" Cadalsos und fasst sie als ein Spiel mit einem Modephänomen (boga de la ilustración). Sebold: Cadalso: el primer romántico, a.a.O., S. 239. Glendinning hebt die „Unbestimmtheit" (vaguedad) der „Intention des Autors" hervor und äußert Verständnis für die Geringschätzung, die dem Text im 19. Jahrhundert - von Juan Andrés bis Menéndez Pelayo - als einer Art fourre-tout „que impide llegar al verdadero conocimiento" entgegengebracht worden sind. Glendinning: Vida y obra, a.a.O., S. 56f. Lope sieht in Cadalsos Darstellung des Pseudogelehrtentums ein „Phänomen, das die Gesellschaft [...] selbst hervorbrachte", und deutet an, dass „noch viele andere Aspekte der Eruditos [...] Betrachtung verdienen [würden]", unterlässt dieselbe dann aber zugunsten der Konzentration auf die Analyse der Cartas marruecas. Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 50ff.

Die Refenrenztexte Quevedos sind v.a. La culta latiniparla (1624), die Aguja de navegar cultos sowie der Libro de todas las cosas y otras muchas (beide 1633), letzterer in: Ders.: Obras completas en prosa, Madrid 2007, Bd. 1., S. 439-478. Vgl. a. Glendinning: „Introducción", in: Cadalso: Los eruditos a la violeta, Salamanca 1967, S. 7-42, hier: S. 27. 50 Lope (Die Cartas, a.a.O., S. 47ff.) und Sebold (Cadalso: el primer romántico, a.a.O., S. 242ff.) weisen zudem auf die gesamteuropäische Gattungstradition der Gelehrtensatire hin - die letztlich auf „das Vermächtnis des Menippos" (Koppenfels: Der andere Blick, a.a.O., S. 211ff.) zurückzuführen ist - , aus der Modelle wie Johann Burkhard Menckes De charlatanería eruditorum (1715) oder (mit besonderem Einfluss auf Cadalso) die 1761 in Den Haag erschienenen Contes moraux von Marmontel (Le philosophe soi-disant) in Spanien bekannt waren. Zudem ist der Einfluss von Torres Villarroel auf Cadalso - schon aufgrund des Calendario manual - nicht unwahrscheinlich. 49

Auch Satiren auf die Satire Cadalsos werden geschrieben, wie etwa die Junta que en casa de D. Santos Celis tuvieron ciertos eruditos a la violeta (1772) von Manuel Rubín 51

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Vor dem skizzierten gattungsgeschichtlichen Hintergrund zeichnen sich die Eruditos a la violeta durch den Versuch aus, eine Parodie des (pseudo-)enzyklopädischen Geists der Epoche zu schreiben. Die Originalität des Ansatzes erweist sich darin, dass die Unterscheidung zwischen den positiven Elementen wissenschaftlicher Gelehrtheit und den negativen Elementen ostentativer Pseudogelehrtheit in einer gewissen Schwebe gehalten wird (einer Schwebe, die in den Cartas marruecas sodann als Stilprinzip perfektioniert wird). Die Figur, welcher der parodistische Angriff gilt, erscheint zu Beginn recht eindeutig als Typus des,falschen Gelehrten', der, mit nur oberflächlicher Bildung ausgestattet, das im 18. Jahrhundert stark angestiegene soziale Ansehen eines Wissenschaftlers usurpiert. Dieser Typus ist dem zeitgenössischen Leser als gesellschaftliches Phänomen so bekannt, dass sich der Text damit begnügt, ihn durch dessen (mit Veilchenduft) parfümiertes Äußeres als petimetre schlicht zu evozieren: „[es] tanto erudito barbilampiño, peinado, empolvado, adonizado, y lleno de aguas olorosas de lavanda, sanspareille, ámbar, jazmín, bergamota y violeta, de cuya ultima voz toma su nombre mi escuela".52 Cadalso kreiert eine olfaktorische Metonymie, deren stilprägende Originalität sich darin zeigt, dass der Begriff violeto in der Bedeutung von „superficialidad" oder „vanidad pedante" 53 - ebenso wie Isias Begriff gerundiano - Eingang in den Wortschatz der spanischen Sprache findet. Wie in der „dedicatoria" (EV, 53) und der „advertencia" (EV, 54) ausgewiesen, schickt sich der Text an, die so benannte Figur des erudito a la violeta auf die diskursiven Bedingungen ihrer Existenz hin zu untersuchen und in (vermeintlich) bloßstellender Absicht die defizitäre ,Schule' zu beschreiben, die ein Hochstapler durchlaufen könnte, um „in Gesellschaft", d.h. in den Salons der Stadt Madrid, zu brillieren. Die Satire besteht folgerichtig, wie es im Untertitel heißt, in einem „curso completo de todas las ciencias, dividido en siete lecciones de Celis oder der anonyme (Tomás Antonio Sánchez zugeschriebene) Comentario al Suplemento del Doctor Festivo y Maestro de los Eruditos a la violeta (1773). Die erste zeitgenössische Würdigung Cadalsos nach dessen Tod legt den Schwerpunkt ebenfalls auf die Eruditos. Sie stammt von Sempere y Guarinos: Ensayo de una biblioteca española, a.a.O., Bd. 2, S. 21-36. 52 Cadalso: Los eruditos a la violeta, hg. v. José Luis Aguirre, Madrid 1967, S. 56, Herv. i. T. Sofern nicht anders angegeben, wird im Folgenden nach dieser Ausgabe - unter Verwendung des Kürzels EV - zitiert. 53 Alborg: Historia, a.a.O., S. 721.

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para los siete dias de la semana [...] en obsequio de los que pretenden saber mucho, estudiando poco" (EV, 51). Der Lehrplan dieser Schule „zu Ehren" der Hochstapler, die am Ende den Status einer,Akademie' (EV, 112) erhält, wird der advertencia entsprechend entfaltet. Dies ist der Gegenstand des ersten, Los eruditos a la violeta genannten Teils des Textes: Auf sieben Tage verteilt, werden durch einen,Professor 7 kleine Sammlungen gut portionierter Elemente der wichtigsten Wissenschaften zusammengetragen und vom Pult einer „sublime cátedra" einer kleinen Gruppe von Schülern (in ungenannter Anzahl) verkündet. Am Montag steht eine „allgemeine Einführung in die Wissenschaften" (EV, 55), am Dienstag „Poetik und Rhetorik" (EV, 59), am Mittwoch „alte und neue Philosophie" (EV, 78), am Donnerstag „Natur- und Völkerrecht" (EV, 89), am Freitag „Theologie" (EV, 99), am Samstag „Mathematik" (EV, 102) und am Sonntag „Miszellen" (EV, 111) sowie zusammenfassende Betrachtungen auf dem Programm. Die Lehrmethode besteht, dem straffen Zeitplan angemessen, in der Vermittlung einer Technik der „Oberflächlichkeit", die darauf abzielt, aus jedem Bereich der Wissenschaft über eine Handvoll von Begriffen und Fragestellungen zu verfügen und diese zu verwenden, ohne die Hintergründe zu verstehen. Der Bereich der literarischen Bildung - hier: das Auswendiglernen bestimmter Titel oder zentraler Stellen ausgewählter Werke des traditionellen Kanons ist paradigmatisch für das Studium (und die maliziöse Didaktik) dieser Technik: „Tomad una flor de cada ramillete, por toda la extensión de la obra; y todo el mundo os tendrá por grandes poetas" (EV, 62). In allen Bereichen geht es allein darum, in einer ebenfalls nur oberflächlich gebildeten Gesellschaft den Anschein wissenschaftlicher und kultureller Kenntnisse zu erwecken: „Las ciencias no han se servir más que para lucir en los estrados, paseos, luneta de las comedias, tertulias, antesalas de poderosos, y cafés" (EV, 57). Im Ergebnis scheinen die einzelnen Programmgegenstände ebenso adäquat ausgewählt zu sein, wie die Durchführung des Unterrichts von Erfolg gekrönt ist. Am Ende der siebten Lehrstunde verkündet der Professor: „Cumplí mi promesa. Llené mi objeto: seréis felices si os aprovecháis de mi método, erudición y enseñanza para mostraros completos eruditos a la violeta." (EV, 123) Von der Richtigkeit dieses „conclusión" genannten Unterrichtsendes sowie von der satirisch inkriminierten Tatsache, wie einfach es in der - hierin unter Anklage gestellten - Epoche der ,Enzyklopädie' erscheint, „[de] reducir a un

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sistema de siete días toda la erudición moderna" (EV, 55), zeugen im Anschluss die Erfahrungsberichte der erfolgreichen Absolventen, die als „Cartas de varios de mis discípulos" im Suplemento angeführt werden.54 Diese Berichte in Briefform sind mehr oder weniger einfältige (und also solche eindeutig distanzierte) Ehrerweisungen „a su catedrático", die von je einem „matemático a la violeta", einem „filósofo a la violeta", einem „teólogo a la violeta" und einem „viajante a la violeta" (EV, 176-197) stammen. Auf den letzten Brief, der mit dem Thema der (pseudo-)wissenschaftlichen Reise einen neuen Aspekt hinzufügt (und damit die konzeptuelle Anlage der Cartas marruecas vorbereitet), folgen einige „Noticias" (EV, 198ff.), die das ganze,violette System' in den Kontext der allgemeinen Dekadenzanklage der Zeit stellen.55 An dieser Stelle wird der Leser auf die Ebene des übergeordneten Erzählers zurückgeführt, welcher sich gegen die (historisch tatsächlich erfolgte) Kritik erwehrt, die Figur des Professors in den Eruditos sei eine Kopie des Autors.56 Den abschließenden dritten Teil des Textes (in der heutigen Fassung) bildet sodann der ausführlichste Leserbrief eines „capitán a la violeta", der auf die Lektüre der „apreciable obra" mit einer ergänzenden „instrucción de la juventud militar" in 18 Punkten reagiert (EV, 201-217). Deren Hauptargument, dass viele Soldaten der Zeit ihre „vocación a la guerra" mit einer „aversión al estudio de las ciencias" paarten, liefern eine abschließende ironische Rechtfertigung für die vermeintliche Funktion des vorausgegangenen Texts als eines 54 Vor diesen als Satire auf das Phänomen der Leserbriefe angelegten Reaktionen auf den ,guten Erfolg der Hochstaplerausbildung' findet sich im Suplemento ein weiterer, von den Zeitgenossen (wie Sempere y Guarinos) besonders beachteter Teil, der aus - von einer Dame per Brief eingeforderten - Übersetzungen der in der Poetiklektion des ersten Teils stets in der Originalsprache zitierten Texte ins Kastilische besteht (EV, 134-176). Hier wird der Kanon der im Hauptteil verwendeten Autoren auch durch kleinere „artículos" (über Milton oder den Satiriker Juvenal) ergänzt und auf den Nebenschauplatz einer Übersetzungstheorie in nuce geführt (deren Ansätze Gegenstand einer eigenen Untersuchung darstellen könnten). 55 „A la demasiada austeridad del siglo pasado en los ademanes serios, que eran tenidos por característicos de sabio, ha seguido en el presente una ridicula relajación en lo mismo" (EV, 198). 56 „Si se entiende por erudito a la violeta un hombre que sabe poco, declaro que me he retratado con vivísimos colores, por más que el amor propio quiera borrar el cuadro; pero si se entiende por erudito a la violeta lo que yo entiendo, y quise que todos entendiesen desde que puse la pluma al papel, a saber: uno que sabiendo poco aparente mucha ciencia, digo que no se me parece la pintura ni en una pincelada" (EV, 200).

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,nützlichen' wissenschaftlichen Kompendiums. Sie wird aus guten Gründen erst nach dem Tod Cadalso unter dem Titel El buen militar a la violeta der Erwdzfos-Trilogie hinzugefügt. Die experimentelle, wenngleich insgesamt recht simple Weise der formalen Anordnung des bekannten literarischen Gegenstands, die durchweg den Anschein einer gewissen (zur Thematik passenden) Naivität vermitteln möchte, birgt eine konzeptuelle Originalität, die zugleich das Verständnisproblem sowohl der zeitgenössischen als auch der heutigen Kritik widerspiegelt. Sie beruht auf einem eigentümlichen Spiel mit der Ironie - als literarischer Trope und philosophischem Konzept - , das sich erst aus einer genauen, die Perspektiven der ironischen Distanznahmen näher bestimmenden Betrachtung des Werks ergibt. Der Grundansatz dieses ironischen Spiels besteht in dem versteckten Angebot an den Leser, die gleiche Schule, die offenkundig unter der satirischen Anklage steht, selbst zu besuchen bzw. die akademischen Inhalte ernst zu nehmen. Durch ein geschicktes narratives Spiel wird die Bedeutung der ,violetten' Akademie, die vordergründig als „decálogo de lo que no se debe hacer" 57 bloßgestellt wird, in der Schwebe gehalten. Diese im Verlauf des Texts nicht offen deklarierte Doppeldeutigkeit der Akademie korrespondiert mit den zwei Bedeutungen des Begriffs „erudito a la violeta", die am Ende des Textes im Sinne eines legitimen „hombre que sabe poco" und eines illegitimen „[hombre] que sabiendo poco aparente mucha ciencia" (EV, 200) expliziert werden. Zu Beginn, durch die Autorrede in der advertencia, wird der implizite, d.h. befreundete, in ,Komplizenschaft' genommene Leser als derjenige ausgewiesen, der von sich selbst behaupten möchte, mit bestem Wissen (und Gewissen) zwischen guter und schlechter Wissenschaft unterscheiden zu können. In der Adresse dieses Lesers wird das Prinzip der Satire durch die Bestimmung verankert, dass es sich bei dem Text um ein „papel irónico" handelt. Ihm wird zugleich die pädagogische' Intention offengelegt, die auf einer Rechtfertigung der dargestellten Inhalte der Pseudoakademie beruht. Es gehe in der Darstellung darum, dass auch „jüngere", also von der Kultur der erudición a la violeta bedrohte Leser lernen könnten, Scharlatane von den wahren Gelehrten zu trennen:

57

José Luis Aguirre: „Prólogo", in: EV, S. 9-50, hier: S. 28.

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Ni nuestra era ni nuestra patria está libre de estos pseudoeruditos (si se me permite esta voz). A ellos va dirigido este papel irónico, con el fin de que los ignorantes no los confundan con los verdaderos sabios, en desprecio y atraso de las ciencias, atribuyendo a la esencia de una facultad las ridiculas ideas, que dan de ella los que pretenden poseerla, cuando apenas han saludado sus principios. (EV, 54)

Die kommunikative Grundsituation des Text-Leser-Vertrags ist zunächst eindeutig. Wie in Islas Fray Gerundio wird ein adäquates Textverständnis definiert, das über die Distanzierung zum Gegenstand funktioniert. Die Übereinkunft, dass der Gegenstand des „ironischen Papiers" nicht ernst genommen werden darf, wird in der Folge durch eine ganze Reihe von näheren Bestimmungen gestützt. Zu diesen Bestimmungen, die als eindeutige Ironiekennzeichen zu fassen sind, gehört zunächst die Widmung an Demokrit und Heraklit: „La era en que sale a luz este papel merece que resucitéis, para reír el uno a carcajada tendida, y llorar el otro a moco suelto, sobre la literatura y los literatos" (EV, 53). Den ironischen Grund ton bekräftigt sodann das Vokabular der Rede des Professors, die in der ersten Lektion über die „idea general de las ciencias" mit der (dem beklagten Zeitalter entgegenstehenden) Exklamation „¡Siglo feliz! ¡Edad incomparable en los anales del tiempo!" (EV, 55) einsetzt.58 Im Geist der Isiaschen Parodie, an die Cadalso auch in stilistischer Hinsicht anknüpft, wird die Rede des Professors - der Erzählerfigur, auf deren Ich-Perspektive der Text bis zur conclusio fokussiert bleibt - als Teil eines absurden Ganzen inszeniert, das durch eine Sprache der hypertrophen Unaufrichtigkeit implementiert wird: Rásgase el velo de la ignorancia desde la estrella el Cirio hasta la que está ex diámetro opuesta a ella en la inmensa esfera. [...] Huyen veloces las tinieblas de la ignorancia, desidia y preocupación de una en otra extremidad de la tierra y húndense en sus negros abismos, ilustrado todo el orbe por un número asombroso de profundísimos doctores de veinticinco a treinta años de edad. (Ebd.)

58 Wenn das beklagte Zeitalter schon ironisch „in den Himmel gelobt" wird, dann - in parodistischer Anspielung auf die Querelle - auch in beide Richtungen der Zeit: „¡Envidia de la posteridad admirada y afrenta de la ignorante antigüedad! [...]" (Ebd.)

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Analog zu der Schule, in die der Prediger Gerundio geht, wird im Verlauf der ersten wie der folgenden Lektionen, die den angehenden pseudoeruditos den Weg weisen, das satirische Prinzip der überbetonten Ironiekennzeichen fortgesetzt. Der Professor sagt und wiederholt stets auf ,ehrliche' Weise, was von seiner Lehre zu erwarten ist. Die Ausbildung der violetten Akademie wird zum Beispiel als so unnütz gescholten, dass ihre einzige Nützlichkeit darin bestehe, dass man erfährt, wie man nicht vorgehen sollte: Desechad todo género de moderación con los iguales, toda clase de respeto a los mayores, y toda especie de compasión a los inferiores; y conseguiréis justamente el nombre de sabios, por esto solo; adquiriéndoos tanto más renombre cuanto lo ostentéis con más presunción [...] Aprended de mí a rajar de alto abajo y hacer astillas todo el monte Parnaso (EV, 58f.).

Stilistisch lässt sich an dieser stabilen Ausrichtung der kommunikativen Verankerung das Prinzip der Wiederholung und gelegentlichen Steigerung verfolgen. „Gracias a Dios, a mi nuevo método y a vuestra sublime comprensión" (EV, 85) sollen die Schüler in den Stand versetzt werden, mit ihrer überschaubaren und auf illegitime Weise angeeigneten Menge von oberflächlichen Kenntnissen auch eine ,kritische' Perspektive auf die wissenschaftliche Dekadenz des Landes (deren Abbild sie selbst sind) einzunehmen und „invectivas contra la bóveda que ilumina a España" anzustimmen: „Decid que nuestra estrella es de ignorantes, y en eso os juro no mentiréis del todo, y que no habrá quien diga que no sois unos verdaderos poetas y oradores a la violeta" (EV, 77). Und wenn es den Schülern gelingt, die literarische' (Pseudo)-Methode, aus ausgewählten Blumensträußen einzelne Blüten zusammenzuklauben, auf andere Bereiche anzuwenden, dann ist ihnen neben dem versprochenen Erfolg in der (naiven) Gesellschaft auch die Zuweisung einer Nomenklatur sicher, die die (professorale) Distanzierung im Ausweis der Persiflage selbst zum Ausdruck bringt: „Os tendrán por pozos de ciencia poético-trágico-cómico-grecolatinoánglico-itálico-gálico-hispánico-antiguo-moderno" (EV, 74) etc.59

59 An manchen dieser Stellen der stilistischen Übertreibung, die aus dem Ruder zu laufen drohen, interveniert der Autor - bzw. der übergeordnete, die Autorebene repräsentierende Erzähler - mit stilkritischen Einschieben, die ebenfalls eine Form der

Distanzierung zum satirischen Gegenstand darstellen, hier: „(¡fuego, y qué tirada!), y

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Die eindeutige Verankerung des literarischen Prinzips der Satire - und die hermeneutische Disposition über das ,rechte Verständnis' eines ironischen Textes - birgt jedoch ein theoretisches Problem, dem wir schon bei Isla begegnet sind. Auf welche Weise kann eine Satire, die sich als solche ausweist, ernst gemeint sein? Wie weit kann das stilistische (Versteck-)Spiel mit den topoi der,unwahren Rede' gehen? Diese Fragen rühren an den philosophischen Kern der satirischen Gattung 60 und stehen - typisch für die Epoche der spanischen Spätaufklärung - im Zusammenhang einer Auseinandersetzung mit Cervantes. 61 In der advertencia der Eruditos werden sie auf implizite Weise gestellt: Inwiefern ist die Selbstbehauptung eines „papel irónico", das auf das Phänomen einer „pseudoerudición" ausgerichtet sei, logisch aufrechtzuerhalten? Welchen Rest positiver Bedeutung hinterlässt ein Text, dessen hermeneutische Disposition darauf hinausläuft, auf möglichst große Distanz zu seinem Gegenstand zu gehen? Im Unterschied zu Isias Satire, deren (radikal-)ironischer Ansatz - in stetiger diskursiver Konfrontation zwischen Poetik und Homiletik - darin besteht, durch

pobre del autor que saque su pieza al público sin vuestra aprobación" (ebd.). Eine ähnliche Rolle spielen die Neologismen, die für das violette ,Gelehrten'-Wissen kreiert und zugleich unter stilkritischen Vorbehalt gestellt werden, um dasselbe z.B. mit dem Eigenschaftskatalog kriegerischer Destruktivität zu schmücken: „Para hacer más amena, en lo que quepa, la erudición mortero!, cañonal, y culebrinal, (y ved ahí tres voces nuevas que me debe la lengua castellana), notaréis que tienen tanta hermandad las ciencias entre sí, que del mismo modo que se llama pieza la comedia que hace reír los habitantes de una ciudad, se llama también el cañón que derriba sus murallas." (EV, 106) 60 Es ist die ursprüngliche philosophische Intention der kynischen Diatribe, durch die Spottrede die Wahrheit zu sagen. Auch ist die sokratische Philosophie -poietisch mit der eironeia verwoben. Insbesondere ist die Verstellung des Sokrates, so zu tun, als ob er nichts wüsste, eine genuine Form der Ironie als Trope (mit dem aisthetischen Ziel der Herausforderung des Denkens). Vgl. Sören Kierkegaard (1841): Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates, Gütersloh 1991, S. 31f., S. 269ff. Vgl. hierzu Harald Weinrich (1966): Linguistik der Lüge, München 2006, S. 62ff. Erst Menippos führt das Prinzip der Ununterscheidbarkeit zwischen Wahrheit und Lüge in die Satire ein. Vgl. Koppenfels: Der andere Blick, a.a.O., S. 18ff. 61 Im Gegensatz zu den Cartas marruecas, in denen die „inmortal novela" des Miguel de Cervantes im ersten Satz der Einleitung als Referenzpunkt gesetzt ist (s.u.), wird der Don Quijote in den Eruditos nur sporadisch angeführt, etwa als ironischer Bezugspunkt für den Umgang der „reisenden" Hochstapler mit ihren Kritikern: „id a su encuentro como Don Quijote en busca de los encantadores" (EV, 121) oder als Zeuge für die Naturwunder im schönen Spanien: „volvió a barajar sus naipes, como sucedió en la cueva de Montesinos, testigo Don Quijote [...]" (EV, 186).

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die Technik des dokumentarischen Zitats (von in Sarkasmus umschlagender Intensität) einen bestimmten pseudowissenschaftlichen Diskurs ,ernsthaft' und in aller Ausführlichkeit anzugreifen, besteht Cadalsos Strategie nun darin, den wilden Kräften der Ironie keinen freien Lauf zu lassen, sondern sie zu zügeln. So finden sich in der Rede des Professors auch Hinweise, die darauf hindeuten, dass einige Inhalte der vermeintlich violetten Lehre unbedingt ernst zu nehmen seien. Zu den Kennzeichen der Ernsthaftigkeit, die auf subtile Weise in eine Dialektik mit den Ironiekennzeichen eintreten, lassen sich die folgenden Elemente zählen, die zwei verschiedenen Ebenen zugeordnet werden können: einer diskursiv-epistemologischen Ebene der Lehrinhalte auf der einen und einer narratologischen Ebene der Autorrede auf der anderen Seite. Auf der Ebene der Lehre werden diejenigen Hinweise mit der Möglichkeit ausgestattet, als ernst zu nehmende Aussagen zu gelten - sofern sie aus ihrer satirischen Umgebung herausgeschnitten werden - , welche die prinzipielle Nützlichkeit der Wissenschaft überhaupt zum Ausdruck bringen. Damit einher geht auch die Verteidigung der Nützlichkeit wissenschaftlicher Kompendien, die sich auf die pädagogische Intention der doppelten Widmung an den wissenden und den lernenden Leser beruft: La utilidad que [las ciencias] han prestado a los hombres se divide en dos: una es obtener un menos imperfecto conocimiento del Ente Supremo, con cuyo conocimiento se mueve más el corazón del hombre a tributar más rendidos cultos a su Criador; y la otra es hacerse los hombres más sociables comunicándose mutuamente las producciones de sus entendimientos (EV, 57).

An solche Passagen, die in abgeschwächter oder kaum mehr erkennbarer Ironie den (säkular-utilitaristischen) Aufklärungsdiskurs eines Aranda oder Campomanes imitieren, knüpfen andere Aussagen an, die - diesseits des ironischen Tonfalls der Sprache - etwa die Allgemeinbildung im Kontext der systematischen Spezialisierung der Wissenschaften verteidigen: „Brotan torrentes de ciencia desde ambos polos del mundo. [...] Por eso se han visto raras veces algunos pocos hombres aplicarse con igual suceso a dos facultades" (EV, 55, 57). Gleiches gilt für pragmatische bzw. lebensweltliche Hinweise, wie etwa den Einsatz von Techniken der Zurückhaltung und der Bescheidenheit, durch die ein erudito a la violeta, wenn er etwa in Gesellschaft

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zufällig einem wahren Spezialisten eines wissenschaftlichen Gebietes begegnete, auf den Pfad der Tugend zurück gebracht werden könnte. Der Kontext der satirischen Sprache (bzw. des ironischen Tonfalls), in den diese Momente eines Angebots an die nicht ironische Lektüre eingebettet sind, trägt die mit Kennzeichen der Ernsthaftigkeit ausgestatteten Elemente stets auf die (Meta-)Ebene jenes heuristischen Problems, das auch aus einer seriösen wissenschaftlichen Perspektive darin besteht, zwischen den Beständen tatsächlicher Wissenschaft (Wahrheit) und vorgetäuschter Wissenschaft (Fiktion) zu unterscheiden. Auf genau diesen Punkt rekurriert, narratologisch, auch die Autorrede, die in den verschiedenen, häufig in Klammern gesetzten Einschüben oder Interjektionen das Ich des figuralen Erzählers usurpiert und den (wissenden) Leser auf eine Ebene der Distanzierung gegenüber der ironischen Distanz führt: „me alienta el deseo de la gloria; me detiene lo respetable de mi auditorio, pero me incita la estimación que me merece; me hiela en fin el temor de la crítica" (EV, 56).62 Wenn man hinter der ostentativen so etwas wie die authentische Intention des Textes, die sich aus den verschiedenen Perspektiven der ironischen Distanzierung (zur Ironie) zusammenfügt, identifizieren möchte, dann zeigt sich eine Möglichkeit just in der konzeptuellen Anlage, die eine solche Identifikation zulässt. Die literarische Strategie der Eruditos a la violeta besteht zuvorderst im Versuch einer (narrativen und stilistischen) Verschleierung der Grenzen zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit. Mit dieser Strategie gehen auf der Ebene des Geschehens auch die Eigenschaften der Undeutlichkeit einher, welche die violette Gelehrtenakademie umgeben. Mit Ausnahme der „cátedra", von der die Lehrinhalte verkündet werden, erscheint die Schule ohne konkrete Beschreibung an einen unbestimmten Ort entrückt. Auch von den Schülern, die wahrscheinlich gut gekleidet und wohlriechend eine Woche lang täglich in dem nicht näher beschriebenen Raum zusammenkommen, um ein überdimensioniertes Programm einzupauken (ohne desselben überdrüssig zu werden), zeichnet der Text - mit

Der zweite Teil der Eruditos beruht insgesamt auch insofern auf einer narratologischen „Ergänzung", als der Text die Möglichkeit einer Identität zwischen dem Autor und der Ich-Erzählerfigur des Professors durchspielt, bevor dieselbe am Ende in den noticias mit (übertriebener) Vehemenz zurückgewiesen wird: „De la calumnia apelo a los que me tratan; y digan si jamás se me ha oído hablar de facultad alguna con ese aparato y ostentación [...]" (EV, 200). 62

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Ausnahme der „Cartas de mis discípulos" im Suplemento - kein konkretes Bild. Im Kontext dieser Verundeutlichungsstrategie erweist sich letztlich die Rede des Professors, die von Einschüben der Autorrede unterbrochen und zwischen den Kennzeichen der Ironie sowie deren Aufhebung in der Schwebe gehalten wird, als die undeutlichste.63 Die Lehrerfigur hat die besondere Funktion, eine Aussageinstanz herzustellen, in der wissenschaftliche Lehrmeinungen aus einem fundamentalen Kanon der Bereiche Literatur, Rhetorik, Philosophie, Recht, Theologie und Mathematik formuliert werden, ohne dass letztlich darüber entschieden werden könnte, ob diese Lehrmeinungen ironisch oder nur fingiert ironisch angeführt werden. Die positive Lehre des „catedrático a la violeta", die Cadalso ins Feld führt, wird - sofern sie erkennbar ist - im Medium der äußersten Vorsicht vorgetragen. Dieses Versteckspiel eines undeutlich gehaltenen, nie ganz zu entschlüsselnden ironischen Umgangs mit den ernsthaften Resten eines ironischen Gegenstands könnte durch eine „Furcht vor der Inquisition"64 motiviert sein oder eine Form der „Selbstironie"65 darstellen. In jedem Fall erscheint es aufgrund der Anlage des Textes aber weder statthaft, die gesammelten Inhalte der sieben Schultage als Ausdruck der vermeintlich defizitären wissenschaftlichen Anschauung Cadalsos zu fassen,66 noch überhaupt sinnvoll, die Aussagen im Einzelnen nach ihrer eigentlichen' Intention zu befragen. Die Tatsache, dass die Bedeutung der Lehre prinzipiell offengehalten ist, korreliert narratologisch mit ihrer Einbettung in die genannte Erzählstrategie der Verundeutlichung. Selbst wenn ein Leser (oder die violette Figur eines Lesers) auf die Idee käme, auch nur die erwähnten Autornamen gemäß der Stichpunktmethode zu verinnerlichen - man denke nur an die „lista,

63 „Según las circunstancias y el humor del escritor [...] el profesor es y no es un violeto". Aguirre: „Prólogo", a.a.O., S. 28. „El profesor [es] violeto malgré lui" (ebd., S. 42). 64 „Cadalso anda con pies de plomo, quizá por miedo a la censura". Ebd., S. 41. 65 In diese Richtung denkt J. Edwards: „El profesor [y Cadalso a través de él] finge

ser uno de los violetos". E d w a r d s : Tres imágenes de José Cadalso, a.a.O., S. 54. 66 Dies war die Ansicht der konservativen Spanienverteidiger des 19. Jahrhunderts: „La erudición de Cadalso no era ni muy amplia ni muy profunda, y podría decirse que, sin caer en ello, se satirizó a sí mismo en los Eruditos a la violeta". Cueto: „Bosquejo histórico-crítico", a.a.O., S. CVI. Vgl. a. Menéndez Pelayo: Historia de las ideas estéticas, a.a.O., Bd. 3, S. 295. Alborg nimmt diese Kritik ein Stück weit auf: „Cadalso [...] dispara densas andanadas de superficialidad y petulancia con el propósito de combatirlas". Alborg: Historia, a.a.O., S. 722.

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que os será muy útil" aus der Lehrstunde über die antike Philosophie, die allein 85 Namen enthält (EV, 81)67 - wäre es schon aus zeitlichen Gründen vollkommen unmöglich, den Lehrinhalten wirklich zu folgen. Auf diesen Punkt macht den Erzähler, in einer pseudo-selbstironischen Volte, am Ende auch ein Schüler aufmerksam, der in den „Cartas" als ein „publici-juris-perito a la violeta" auftritt und auf den diesmal ausgebliebenen Erfolg der besonders kurz geratenen vierten Lektion über das Natur- und Völkerrecht reagiert: No soy con vmd. en aquello de que la lección de derecho de gentes y naturaleza sea muy trivial. ¿Qué llama vuesa merced trivial? Más ha de quince días que estoy estudiando los librotes citados en la lección del día jueves [...] (EV, 184).

Dennoch ist es natürlich möglich, gerade im Vergleich zu bestimmten Themen, die in den Cartas marruecas verhandelt werden, auch in den Eruditos einige Elemente festzumachen, die als positive Philosopheme erkennbar sind und in diesem ersten Prosa werk experimentell aufbereitet werden, um in die Philosophie von Cadalsos Hauptwerk einzufließen. Zu diesen Elementen gehören vor allem die literarischen Autoren, mit denen sich Cadalso als Schriftsteller auseinandersetzt und die - gerade im Hinblick auf die Techniken der Satire - für seinen Weg in die Prosa Modellcharakter besitzen. Neben den Alten (Homer, Horaz, Lukan, Persius, Martial und Juvenal sowie als begleitende' Modelle Vergil, Ovid, Properz, Catull und Tibull) entsprechen unter den Modernen, die auf dem Programm für den Dienstag stehen, die in der Reihe „Juan de Mena, Boscán, Garcilaso, León, Herrera, Ercilla, Mendoza, Villegas, Lope, Quevedo" (EV, 68) genannten Autoren einem Kanon eindeutig ernst zu nehmender und positiver (d.h. in die Literatur Cadalsos tatsächlich einfließender) Referenzen.68 Zu dem Letztgenannten gesellen 67 Diese Liste scheint i.Ü., obgleich sie in der Breite der alleinigen Quelle von Diogenes Laertius folgt (s. Glendinning: „Introducción", a.a.O., S. 77), sehr wohl einen guten Einblick in den Status quo der altphilologischen Kenntnisse um 1770 zu geben. Konterkariert wird die Recherche in jedem Fall durch eine Liste halb imaginärer, halb wohlklingender Philosophfnnen, u.a. „Hipo, Cleobullina, Aspasia, Diotima, Pámfila, Eurídice, Domna, Myro, Antusa, Agonize, Elocia, Novela, Anacomena, Eudocia (etc.)" (EV, 87).

Die cánones der ausländischen Literaturen ergeben in den Eruditos eine spärlichere, aber ebenfalls durchweg positiv konnotierte Auswahl. Für Frankreich werden 68

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sich Cervantes, Torres und Isla, die als Referenzen des satirischen Prosakonzepts verankert sind. Anhand der Behandlung dieser Namen in der Poetiklektion lässt sich eine Regel der Inversion festmachen: Je wichtiger ein Autor für Cadalso ist, desto stärker wird er Ziel des ironischen (also nicht erst gemeinten) Spotts von Seiten des Professors. De Quevedo asegurad, bajo vuestra palabra de erudición poética, que fue un poeta de bodegón; y si alguno tuviese el alto y nunca bastantemente execrado atrevimiento de citar sus obras serias, tomad un polvo, y decid con desprecio: „¡oh!, ¡oh!, ¡oh!" Alabad sus letrillas satíricas [...] y luego, con risita de chiste, decid: „Este Quevedo escribió mil polisonerías" (EV, 70f.).69

Zu den positiven (aus dem Blickfeld der Cartas marruecas rückwirkend erkennbaren) Philosophemen Cadalsos gehören aber auch bestimmte ethische Grundeinstellungen, wie die Auffassung der „virtud" als Regulativ der Erziehung eines „hombre de bien". Dieses Prinzip wird durch die ironische Darstellung des schlechten Modells nicht in Frage gestellt und in den (autobiographisch inspirierten) „Instrucciones dadas por un padre anciano a su hijo que va a emprender sus viajes" (EA, 117-123) positiv zum Ausdruck gebracht. Des Weiteren finden sich in einigen kursorischen Formulierungen auch (durchaus gewagte) epistemologische und wissenschaftskritische Anschauungen des Autors in nuce, die ihrer Fortführung im Roman harren: so etwa die Ausführungen über den primären Nutzen der Naturwissenschaften für die Waffen- und Kriegstechnik (in der Lektion über die Mathematik), die erkenntnistheoretische Skepsis gegenüber der Theologie als Wissenschaft - „Dios es incomprensible; ergo es inútil la teología" (EV, 95) - , die Verknüpfung der Aufklärungstechnik der Kritik mit Fragen

Boileau, Racine, Corneille, Dormont de Beiloy, Diderot und Voltaire genannt, für Italien Dante, Petrarca und Tasso sowie für England Milton und Shakespeare. Die Anleihe an die Topologie des Nationenvergleichs - „Diréis (de modo que no lo oiga ningún francés) que los italianos son los primeros en la poesía, como en la pintura y música [...]. De los poetas ingleses abominad a la francesa, diciendo que su épico Milton deliró cuando puso artillería en el cielo" (EV, 72) - erweist sich hingegegen (in der Ostentation) als mit Sicherheit nicht ernst gemeintes Element. 69 Zur tatsächlichen Einschätzung Cadalsos gegenüber „don Francisco de Quevedo, uno de los mayores talentos que Dios ha criado" s. die Cartas marruecas (Madrid 2005, S. 346).

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politischer Machtausübung - „la crítica [...] es la policía de la república literaria" (EV, 121) - oder auch die Einführung eines Konzepts der „nueva ilustración" (EV, 189). All diese Elemente haben letztlich einen vorbereitenden Charakter, deren Unvermitteltheit den Leser im satirischen Uberschwang der stilistischen Grundhaltung zuweilen noch ohne Unterstützung lässt. Erst die erzählerische Ordnung der Cartas marruecas, die durch das reflexive Dreigestirn der Figuren Gazel, Ñuño und Ben-Beley aufgespannt wird, lässt die philosophische Reflexion erkennen, die weiter reicht, als eine allgemeine (häufig in bloßen Sarkasmus umschlagende) Verurteilung einer Gesellschaft, die ein Phänomen wie den erudito a la violeta (im schlechten Sinne) zugelassen oder gar hervorgebracht habe. 70 Die eigentliche Qualität von Cadalsos frühem Prosawerk beruht in der Herstellung eines ersten Rahmens für die Frage nach dem Problem der Ironie in der Literatur: En todos los siglos y países del mundo han pretendido introducirse en la república literaria unos hombres ineptos, que fundan su pretensión en cierto aparato artificioso de literatura." (EV, 54) 71

„Tras la censura del sistema ,violeto' existe una condena de la sociedad que lo acepta." Glendinning: Vida y obra, a.a.O., S. 60. „El sistema enciclopédico produce el erudito ,a la violeta'." Edwards: Tres imágenes de José Cadalso, a.a.O., S. 52. 71 Der zweite, die Cartas marruecas vorbereitende' Text, der auf die im Roman behandelte Thematik der Verteidigung Spaniens vorausweist und ebenfalls eine Auseinandersetzung mit dem Problem der Ironie enthält, ist Cadalsos Kritik des 78. Briefs der Lettres persanes von Montesquieu. Die Defensa de la nación española, die von Guy Mercadier wiederentdeckt und 1970 in Toulouse herausgegeben worden ist (inkl. des Nachweises der Autorschaft Cadalsos), ist 2009 in Tschilschkes Studie (Identität der Aufklärung, a.a.O., S. 185-225) einer eingehenden Untersuchung unterzogen worden was mich zu der Beschränkung auf diese Fußnote berechtigt. Tschilschke beschreibt die Defensa als einen kleinen, aber dennoch bedeutsamen Schlüsseltext im Prozess der Herausbildung der spezifischen „Identität" der spanischen Aufklärung, der eine „nationale Wende in der Apologetik" (S. 186) einläutet. Im Vergleich zu Forners Oración apologética por la España von 1786 (die ,mit dem Hammer' philosophiert) ist Cadalsos Apologie insofern „gattungsprägend" (S. 187), als sie sich auf ebenso subtile Weise der Techniken der Satire bedient, wie sie eine Replik auf die wohl bekannteste zeitgenössische Spanienkritik französischer Provenienz darstellt. Der um 1768 entstandene Text ist dialogisch strukturiert. Cadalso übersetzt den 78. Brief der Lettres persanes ins Spanische und versieht ihn, Absatz für Absatz, mit Kommentaren, die zum einen das Ziel haben, die Angriffe gegen Spanien und die spanische Geschichte, die bei Montesquieu in einer „außerordentlichen Dichte der satirischen Verfahren" (S. 207) zusammengefügt werden, 70

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5 . 3 . D I E A U F H E B U N G DER P R O S A IM B R I E F R O M A N . C A D A L S O S CARTAS

MARRUECAS

(1789)

Die Cartas marruecas72 stellen aus der philosophischen Perspektive auf die spanische Aufklärung den Kulminationspunkt in der Entwicklung der literarischen Prosa dar. In Cadalsos Roman münden die von Torres und Isla geprägten Leitlinien der Herstellung und Verteidigung literarischer Autonomie im Medium der Prosa ebenso ein wie die reflexiven und stilistischen Momente des ensayo, die bei Feijoo ihren zu parieren und zum anderen genau diese Verfahren der Satire einer literarischen Analyse zu unterziehen. Cadalso antwortet „mit großem Argumentationsgeschick" (S. 216) in vielschichtiger Weise auf zumindest drei verschiedenen Ebenen der komplizierten und schwer greifbaren Vorlage: 1) durch die Betonung der Klischees, auf die Montesquieu rekurriert - etwa die „allegorische Figur" (S. 204) des Spaniers mit den Attributen Brille, Schnurrbart, Degen und Gitarre und den „Charaktereigenschaften Stolz, Eitelkeit, Ernst, Trägheit, Faulheit, Eifersucht, Leidenschaft und Frömmigkeit"; 2) durch die Umkehrung und Rücksendving der klischeehaften Angriffe an die Kultur des Absenders - nach dem Prinzip des Johannesevangeliums (Kap. 8: ,Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein') - z.B. durch die Frage, inwiefern eine Nation, die den Handel mit afrikanischen Sklaven industrialisiere, dazu berechtigt sei, die Gewalt der Eroberung Amerikas anzuprangern; sowie 3) durch die Dekonstruktion der satirischen Techniken und des ironischen Tonfalls der Lettres persanes, die das kommunikative (und versöhnliche) Moment Montesquieus, wie die angedeutete ,Verrücktheif des Berichterstatters jener „lettre qu'un Français qui est en Espagne a écrite" des 78. Briefs und die Einladung zur „Gegensatire" eines Spaniers über die Franzosen, anerkennen und der „aphoristischen Prägnanz der Aussagen" (S. 207) Montesquieus, die den ernsthaften Kern der Spanienkritik ausmachen, durchaus stattgeben: die Grausamkeit der Kolonisierung Lateinamerikas und der Reconquista, die ineffiziente Organisation der Wirtschaft und der Bevölkerungspolitik, das Problem der Toleranz zwischen den Religionen (etc.). Tschilschke fasst das Verhältnis der Defensa zu den Lettres persanes insgesamt als die „produktive Leistung" eines vielschichtigen „kulturellen Missverständnisses" (S. 187), wobei man Cadalsos Montesquieu-Lektüre, die auf guten Kenntnissen des Esprit des lois fußt (vgl. hierzu Paul Laborde: „Cadalso et Montesquieu", in: Revue des Langues Romanes 71 [1952], S. 171-180), auch als eine Lektüre betrachten kann, die über das (produktive) „misreading" (S. 214) in dem Maße hinausgeht, wie sie der nachfolgenden Auseinandersetzung mit Montesquieu in den Cartas marruecas den Boden bereitet. Zu den verschiedenen Ebenen der ,Gegensatire' Cadalsos vgl. a. Mercadiers Anmerkungen in Cadalso: Defensa de la nación española, a.a.O., sowie den „Prólogo" in: Ebd., S. I-XIII. Kurze Darstellungen zu Cadalsos Defensa finden sich i.Ü. auch bei B. Schmidt: Spanien im Urteil spanischer Autoren, a.a.O., S. 60-82 sowie bei Santos: El discurso dieciochesco español, a.a.O., S. 62-70. 72 José de Cadalso: Cartas marruecas. Noches lúgubres, hg. v. R. P. Sebold, Madrid 2005. Sofern nicht anders angegeben, wird im Folgenden nach dieser Ausgabe - unter Verwendung des Kürzels CM - zitiert.

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Höhepunkt fanden. Zugleich folgt auf die Cartas marruecas, die auch auf die Diskurse der nichtliterarischen Prosa zurückwirken, mit Ausnahme der üblichen Imitationen und Polemiken erst dann ein weiterer Paradigmenwechsel, als die literarische Prosa nach Montengón, der im Jahr 1800 aus dem italienischen Exil nach Spanien zurückkehrt, in die Epoche der Romantik übergeht (und hier in eine erneute Auseinandersetzung mit der wiedererstarkten Poesie eintritt). Um diese These vom ,epochalen Abschluss' der Prosaliteratur der spanischen Aufklärung durch Cadalso darzulegen, ist es notwendig, auf den in Kap. 4.1 und 4.2. entwickelten Romanbegriff zurückzugreifen. Die These lautet, dass die grundlegenden Eigenschaften der Cartas marruecas - ihr „abstrakter Grundzug", ihr „prozessartiges Wesens" sowie die „Ironie als Formprinzip"73 - einem literarischen Konzept entsprechen, das im zeitgenössischen Begriff der novela aufgeht und damit auf den Roman des 19. und 20. Jahrhunderts (als Epochen, die diese Gattung ,wiederfinden' werden) vorausweist. Cadalsos Briefroman ist ein Kreuzungspunkt tiefgründiger und weitreichender Antworten auf die Gattungsfrage der literarischen Prosa, die im ,axiologischen Wandel'74 der politischen Funktionen und diskursiven Umgebungen zwischen Essay, Satire und wissenschaftlichem Traktrat aufgespannt ist. Diese Behauptung - und die Bezeichnung „Briefroman" - nimmt zunächst Bezug auf die in der Kritik geäußerten Zweifel darüber, ob es sich bei den Cartas marruecas überhaut um einen Roman handelt. Während in der Rezeption Cadalsos von 1789 (dem Jahr der Veröffentlichung) bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Frage der Gattungszugehörigkeit gar nicht gestellt worden ist - in dieser Zeit überwog gegenüber dem heute als Hauptwerk des Autors geltenden Text die Einschätzung einer bloßen (mehr oder weniger schlecht gelungenen) „Imitation" von Montesquieus Lettres persanes75 - , ist im 20. Jahrhundert die Ansicht vorherrschend, dass der Text generisch kaum bestimmbar sei bzw. aus einer hybriden Form verschiedener

Lukács: Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 60f. Aguilar Piñal: „La Ilustración española", a.a.O., S. 22. 75 Nach Menéndez Pelayo (Historia de las ideas estéticas, a.a.O., Bd. 3, S. 295) sind die Cartas marruecas nicht mehr als eine „pálida imitación de las Lettres persanes". Von einer „desigual imitación" des gleichen Werks sprach zuvor auch schon Quintana: „Sobre la poesía castellana", a.a.O., S. 148. 73 74

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Gattungen bestünde. 76 Daher sind die Cartas marruecas, die in mancher Romananthologie (wie in Álvarez Barrientos' La novela del siglo XVIII) gar nicht aufgeführt sind, als eine genuine Form des „ensayo" 7 7 , als „literatura perspectivista" 78 oder als „tratado de forma fictiva"79 begriffen worden. Analog zu den Lettres persanes, die ebenfalls bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht unter der Gattung , Roman' gefasst wurden, sind für die Cartas marruecas auch ganz eigene Gattungsbezeichnungen eingeführt worden, wie die „pseudo-orientalische Briefsatire", 80 zu denen dann aber neben Cadalso und Montesquieu nur noch wenige andere Werke wie etwa die Chinese Letters von Oliver Goldsmith (1760) zählen. Die anhaltende Unklarheit der Gattungsfrage ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die spanische Aufklärung bis in die jüngste Zeit allgemein als eine ,Epoche ohne Roman' angesehen wurde und dass insbesondere aufgrund des Titelbegriffs der ,Briefe' die Cartas marruecas mit Feijoos (ebenfalls die Sorge um Spanien zum Ausdruck bringenden) Cartas eruditas assoziiert werden konnten. 81 Ohne die in diesem Punkt womöglich bestehende Differenz zwischen der deutschen und der spanischen Literaturwissenschaft 82

76 „Las Cartas marruecas [son] una de las obras más importantes y estudiadas, y también de más difícil encasillamiento genérico, del siglo XVIII español". Alvarez de Miranda: „Ensayo", a.a.O., S. 299. 77 Varela: „Cadalso y el ensayo", in: Emilio Alarcos Llorach u.a. (Hg.): Serta philologica F. Lázaro Carreter, Madrid 1983, Bd. 2, S. 549-555. In der Carías-Ausgabe von Antonio Zoido Díaz wird der Begriff gar als Untertitel hinzugefügt: Cadalso: Cartas marruecas. Ensayo, Sevilla 1986. 78 Mariano Goyanes Baquero: Perspectivismo y contraste. De Cadalso a Pérez de Ayala, Madrid 1963, S. 18. Vgl. a. Manuel Camarero: „Composición y lectura de las Cartas marruecas de Cadalso", in: Dieciocho 23-1 (2000), S. 133-146, hier: S. 134. 79 Pérez Magallón: „Epistolaridad y novela: Afán de Ribera y Cadalso", in: Anales de literatura española 11 (1995), S. 155-172, hier: S. 160. 80 Klaus-Jürgen Bremer: Montesquieus Lettres persanes und Cadalsos Cartas marruecas. Eine Gegenüberstellung von zwei pseudo-orientalischen Briefsatiren, Heidelberg 1971, hier (zur Frage der Gattung): S. 25-29, S. 73-76. 81 Zur Problematik des Verhältnisses zwischen der literarischen Fiktion und dem Brief als ,authentischer und auf die Wahrheit orientierter Form' des Schreibens vgl. Picard: Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman, a.a.O., S. 9-14, S. 114-121. Vgl. a. Janet Gurkin Altman: Epistolarity. Approaches to a Form, Columbus 1982, S. 3-12. 82 Tschilschke zufolge ist „in der deutschen Literaturgeschichtsschreibung die Bereitschaft wesentlich stärker ausgeprägt, [mit Blick auf die Cartas marruecas] von einem ,Roman' zu sprechen" als in der spanischen. Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., 301ff..

Der R o m a n als Sprach- und Subjektphilosophie

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auszuführen, sind die formalen Probleme des Textes, die H.-J. Lope mit den „anthologischen Zügen" oder der „gedanklichen und stofflichen Polyphonie" 83 der Cartas beschreibt (ohne jedoch das Konzept der Polyphonie, wie es mit Bachtin naheläge, als ein Strukturprinzip des Romans zu fassen), meines Erachtens am besten auf den Begriff zu bringen, wenn man die Cartas mit R. P. Sebold als eine „novela intelectual o de ideas" 84 begreift. Formal betrachtet, bestehen die insgesamt 90 Briefe, mit denen die drei Korrespondenten Gazel, Ñuño und Ben-Beley zwischen Spanien und Marokko kommunizieren - sowohl stilistisch als auch thematisch - aus (philosophischen, politischen, historischen, kulturvergleichenden etc.) „Abhandlungen", die man in der Folge von Feijoo auch als literatura mixta bezeichnen könnte.85 Hiermit geht auch die „Selbstbetrachtung" einher, die im 39. Brief Gazel, der Figur des Reisenden, in den Mund gelegt wird, wenn er die Schriften der Hauptfigur, des Philosophen Ñuño Núñez, aus denen er sich - gemäß dem vollständigen Titel des Werks86 - über „los usos y costumbres de los españoles antiguos y modernos" informiert, als ein „laberinto de materias sin conexión" (CM, 243) bezeichnet. Diese formale Betrachtung vernachlässigt allerdings den Umstand, dass die vermeintlichen Fragmente essayistischer Gelehrtenprosa in ein literarisches (narratives wie stilistisches) Gerüst eingebettet sind, welches mehr als ein untergeordnetes oder ,schmückendes' Element darstellt. Wie in den ersten Sätzen der Introducción (CM, 143-151) grundlegend verankert, stellt die „Methode der brieflichen Korrespondenz" (método epistolar) Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 204f., S. 282. Sebold: „Introducción", in: CM, S. 3-128, hier: S. 75. 85 Das Argument für die Ablehnung des Romanbegriffs (in der spanischen Literaturwissenschaft) beruht darauf, die essayistische Struktur als vorherrschend gegenüber ihrer literarischen Einbettung anzusehen: „Me temo que adscribiendo la obra de Cadalso a un género como la novela, se saca de quicio la función ejemplificadora de los fragmentos narrativos de las Cartas marruecas". Camarero: „Composición y lectura", a.a.O., S. 134. Hierzu passt, dass die Cartas ohne Rücksicht auf ihre literarische Verfasstheit auch aus rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Perspektiven untersucht worden sind. Vgl. etwa Nicolás González Deleito: Las ideas jurídicas del coronel Cadalso, Madrid 1952; sowie Paul Laborde: Cadalso économiste, Nimes 1953. 83 84

86 Der Titel des „Manuskripts" - das dem „Herausgeber" Vázquez „in die Hände gefallen ist" - lautet: „Cartas escritas por un moro llamado Gazel Ben-Aly, a Ben-Beley, amigo suyo, sobre los usos y costumbres de los españoles antiguos y modernos, con algunas respuestas de Ben-Beley, y otras cartas relativas a éstas" (CM, 145, „Introducción").

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

nicht nur das Grundmoment einer auf Vermittlung, Ausgleich und Überparteilichkeit ausgerichteten Erzähltechnik dar. Im gleichen Zug werden die Cartas auch gattungstechnisch als eine „especie de crítica" gefasst, die im Medium der „ficción" auf eine Traditionslinie von Montesquieu bis Cervantes zurückverweist und das Konzept dieses Verweises dabei eindeutig dem (gleich im ersten Satz fallenden) Begriff der „novela" zuordnet: Desde que Miguel de Cervantes compuso la inmortal novela en que criticó con tanto acierto algunas viciosas costumbres de nuestros abuelos, que sus nietos hemos reemplazado con otras, se han multiplicado las críticas de las naciones más cultas de Europa en las plumas de autores más o menos imparciales; pero las que han tenido más aceptación entre los hombres de mundo y de letras son las que llevan el nombre de ,Cartas' [Herv. i. T.], que se suponen escritas en este o aquel país por viajeros naturales de reinos no sólo distantes, sino opuestos en religión, clima y gobierno. El mayor suceso de esta especie de críticas debe atribuirse al método epistolar, que hace su lectura más cómoda, su distribución más fácil, y su estilo más ameno [...]. (CM, 143f.)87

Durch den Rückgriff auf Cervantes und die originelle Verknüpfung der (an der Grenze von Fiktion und Wirklichkeit spielenden) „Historia" des Don Quijote mit dem Begriff der „novela"88 zeigt sich die Bedeutung der Traditionslinie, in die Cadalso Montesquieus Lettres persanes und damit seinen eigenen Text stellt. Es geht dem spanischen Autor nicht allein um die Inhalte des politischen Traktats, mit denen er sich in den Cartas auseinandersetzt, sondern auch um die „chaîne secrète",89 in der die Traktatelemente literarisch zusammengehalten werden und die in der Montesquieu-Rezeption als Leitlinie für die Suche nach den „romanhaften Elementen" 90 hinter dem Traktat dient. 87 Im zweiten Absatz folgt der Begriff der Fiktion sowie die Benennung der Traditionslinie: „Esta ficción no es tan natural en España, por ser menor el número de los viajeros a quienes atribuir semejante obra. Sería increíble el título de Cartas persianas, turcas o chinescas, escritas de este lado de los Pirineos [...]" (CM, 144). 88 Cadalso ist einer der ersten spanischen Schriftsteller, die den Don Quijote als ,Roman' bezeichnen. Vgl. Kap. 4.1. 89 Montesquieu: Lettres persanes („Quelques réflexions"), a.a.O., S. 44. 90 Bremer: Montesquieus Lettres persanes und Cadalsos Cartas marruecas, a.a.O., S. 88. Zur Analogie zwischen Cadalso und Montesquieu im fiktionalen Konzept der ,Brieftraktate' vgl. a. John Hughes: José Cadalso y las Cartas marruecas, Madrid 1969, S. 75-86, hier: S. 76: „La originalidad de Cadalso yace no sólo en su aplicación concreta

Der Roman als Sprach- und Subjektphilosophie

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Das Gattungskonzept, das der Anordnung und inhaltlichen Prägung der , gelehrten' Briefe zugrunde liegt, ist somit eindeutig bestimmt. In der Tradition des exotischen Briefromans - diese Bezeichnung ist zugleich einfacher und präziser als jene der „pseudo-orientalischen Briefsatire" - beruht das narratologische Grundprinzip der Cartas marruecas auf einer Umkehrung der im 17. Jahrhundert einsetzenden ethnographischen Reiseliteratur. Statt der fremden (exotischen) werden die eigene (europäische) Gesellschaft und deren politische und religiöse Verhältnisse, die metonymisch im Topos der „Sitten und Gebräuche" (usos y costumbres) bezeichnet sind, aus einer fingierten nicht-europäischen Sichtweise beschrieben und reflektiert.91 Die imaginierte Distanz zwischen den Beobachtern und ihrem Beobachtungsgegenstand beruht auf dem polyphonen Prinzip der Zusammenführung verschiedener, von der individuellen Ausdrucksform des Briefs getragener Positionen, die dem Schriftsteller dazu dient, eigene, gegebenenfalls unorthodoxe oder angreifbare Positionen zu verschleiern. Analog zur Parisbeschreibung aus der Sicht des persischen Adeligen und Haremsbesitzers Usbek bei Montesquieu und zur Londonbeschreibung des chinesischen Philosophen Lien Chi Altangi bei Goldsmith, ist es bei Cadalso der Marokkaner Gazel,92 der als junger Adeliger im Gefolge des Königs nach Madrid kommt, Spanien bereist und seine Beobachtungen per Brief an seinen Lehrer, den weisen Philosophen Ben-Beley, nach Marokko sendet.

y su transformación de los conceptos puramente teóricos de Montesquieu, sino en el propósito total de la obra". 91 Bei Cadalso kommt im Vergleich zu Montesquieu oder Goldsmith - und mit Rücksicht auf die besondere Situation der (doppelten) inquisitorischen Verfolgung der spanischen Literatur - jener besondere ,Topos' hinzu, dass der Text behauptet, diese gefährlichen Themen just auszusparen: „no se trata de religión ni de gobierno" (CM, 145). Die im unmittelbar folgenden Satz angekündigte Tatsache, dass dies jedoch keineswegs durchgehend der Fall ist, stellt eine weitere Facette des fiktionalen Settings dar: „pues se observará fácilmente que son pocas las veces que por muy remota conexión se trata algo de estos dos asuntos" (ebd.). Der Name der Figur spielt auf eine historische Begebenheit an, die den zeitgenössischen Lesern (bzw. Hörern in der Madrider Tertulia) noch erinnerlich sein konnte. Im Jahr 1766 befand sich ein marokkanischer Gesandter mit Namen Ahmad ibn al-Muhdi al-Gazzäl auf einer Spanienreise, über deren Fortgang die Zeitschrift Gaceta de Madrid in mehreren Nummern ausführlich berichtete. Vgl. hierzu Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 88ff. 92

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Nun erweist sich die Besonderheit der Cartas marruecas gegenüber den genannten Vorbildern darin, dass das reflexive Moment der kulturellen Distanz, die eine Tarnung kritischer Aussagen durch das Moment der Naivität oder des Staunens entsprechend in Szene gesetzter Figuren ermöglicht, zwar eingesetzt, aber nicht als durchgehendes Strukturmoment beibehalten wird. Gazel, Cadalsos Figur des ,Explorers', ist aufgrund seiner Jugend und seines Status' als Schüler - in der Nebenfunktion als Subjekt eines Erziehungsromans 93 - durch eine gewisse (mit der Naivität einhergehenden) Perfektibilität gekennzeichnet. Die Faszination der proto-ethnographischen ,First-Contact-Szenen' und der Ausdruck der Neugierde gegenüber dem als fremd dargestellten Eigenen weichen in den Cartas einem gründlichen Studium des Untersuchungsgegenstands ,Spanien'. Gazel verweilt mehrere Jahre im Land, lernt Spanisch (inkl. einiger Worte vizcaíno, gallego und catalán), liest Bücher über Geschichte, Ökonomie und Literatur, reist durch alle Provinzen des Königreichs und spricht mit Menschen verschiedenster sozialer Schichten. Vor allem steht er aber in brieflicher Korrespondenz mit einer einheimischen Person, dem spanischen Offizier und Schriftsteller Ñuño. Diese Figur, der in der Kritik autobiographische Züge Cadalsos zugeschrieben werden,94 ist der eigentliche, in den Briefen Gazeis direkt oder indirekt zitierte Urheber des überwiegenden Teils der historischen, gesellschaftspolitischen und philosophischen Betrachtungen. Uber den Mittler Gazel tritt Ñuño auch in Korrespondenz mit dem in Marokko verbliebenen Ben-Beley, woraus sich eine interkulturelle, christlich-muslimische Kommunikation entspannt, die auch Ansätze

93 Vgl. J. Chen Sham: La comunidad nacional ,deseada'. La polémica imparcialidad de Cartas marruecas, San José 2004, S. 98-118. 94 „Ñuño Núñez [es el] sosia del autor". Sebold: „Introducción", in: CM, S. 31. „Ñuño [...] es el más claro portavoz del autor". Alvarez de Miranda: „Ensayo", a.a.O., S. 299. In der Tat finden sich in den Cartas marruecas einige Anspielungen auf die biographische Situation des Schriftstellers - und Soldaten: „teniente coronel soy yo" (CM, 273) - Cadalso. A m deutlichsten wird die Analogie zu Ñuño durch das intertextuelle Zitat der Noches lúgubres im 67. Brief von Ñuño an Gazel: „Si el cielo de Madrid no fuese tan claro y hermoso y se convirtiese en triste, opaco y caliginoso como el de Londres [...], me atrevería yo a publicar las Noches lúgubres, que he compuesto a la muerte de un amigo mío, por el estilo de las que escribió el doctor Young" (CM, 301). Schon aufgrund der narrativen Verschleierungsstrategie ist die These einer Ubereinstimmung zwischen Ñuño und Cadalso allerdings nicht haltbar.

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einer komparatistischen Ethnographie der beiden historisch eng zusammenhängenden Kulturen Spaniens und des Maghreb enthält.95 Auf der Grundlage eines solchen Aussagegefüges dreier komplementärer und zugleich in dialektischen Bewegungen sich gegenseitig überlagernder Stimmen vollzieht Cadalso eine Art Vuelta a España, die in die (klassische) topologische Struktur der intellektuellen Streitgespräche' eingebettet ist. Vor dem Hintergrund der narratologischen Implementierung erscheinen die thematischen Schwerpunkte der Cartas, die für sich genommen ein Kompendium kleinerer Abhandlungen über Geographie, Geschichte, Ökonomie, Gesellschaft, Politik, Religion, Wissenschaft, Künste etc. ergeben, in einem eigenen Licht. Vordergründig verweist die analytische Bestandsaufnahme auf die Intention einer Verbesserung der allgemeinen Situation der „nación española", die im Geist der Reformbestrebungen der spanischen Ilustración zu verstehen ist. Dieser Punkt ist in der Kritik des 20. Jahrhunderts unstrittig. Neben allgemeinen Beschreibungen über ,Sitten und Gebräuche', Frömmigkeit, Umgangsformen, Gastfreundschaft, Essgewohnheiten, Kleidung, Verkehrswege usw. führt der Text die klassischen Topoi der im Spanien der 1770er Jahre verhandelten Reformkonzepte auf und diskutiert Vorschläge zur Optimierung der Wissenschaft, insbesondere der Universitätsausbildung, der Kindererziehung, der Landwirtschaft, der Infrastruktur oder auch des moralischen Verhaltens in der Gesellschaft, wobei Cadalso neben der Kritik an Luxus, Korruption und Dogmatismus v.a. die Unwissenheit nicht nur der fremden, sondern der eigenen Geschichte anprangert und dabei besonderen Wert auf die Verbesserung der Geschichtsschreibung (in vergleichender Perspektive) legt. Deutlich auseinander gehen in der Kritik hingegen die Einschätzungen über die Position, die Cadalso in der Zusammenführung der einzelnen Kritik- und Anschauungspunkte bezieht. So haben etwa die Betrachtung der ,heroischen' Geschichte der spanischen Reconquista, der Lobgesang auf die Katholischen Könige und die Verteidigung der Eroberung Mexikos durch Cortés dazu geführt, Cadalso als konservativen und linientreuen Apologeten der spanischen Sache 95 Zum besonderen Verhältnis zwischen Spanien und Marokko, das hier sowohl im Zusammenhang einer „Rückbesinnung auf die eigene maurische Vergangenheit" als auch des in gewissen europäischen Kreisen verbreiteten Klischees von „Spanien als Teil Afrikas" mit aufgerufen wird, vgl. Tschilschke: Identität der Aufklärung, a.a.O., 296ff.

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zu lesen.96 An anderer Stelle wird die Tatsache hervorgehoben, dass das landeskundliche Panoptikon der Cartas auch einen Großteil jener Eigenschaften und Stereotypen reflektiert, die das Spanienbild im Kontext der europäischen Aufklärung als rückschrittliches, nach den glorreichen Zeiten der Eroberung Amerikas in Dekadenz verfallenes Land geprägt haben.97 Ist das goldene Jahrhundert, das in den Überlegungen Ñuños zum Vergleich herangezogen wird, eine Zeit verheerender Kriegswirren, die den Niedergang Spaniens eingeläutet haben, oder sind die gleichen Kriege Manifestationen patriotischer Tapferkeit, die mit der kulturellen Blüte einer glorifizierbaren Epoche zusammenhängen? 98 Sind die Mythen, die sich um die spanische Frühgeschichte ranken, im Sinne des (um Realismus bemühten) Rationalismus , aufzuklären', oder entspricht es der Nützlichkeit einer patriotischen Staatsraison, im Volk verbreitete Legenden - wie die Erscheinung des Heiligen Jakobus (als Maurentöter auf weißem Pferd) in der Schlacht von Clavijo im Jahr 844 - als solche zu bewahren und ihnen sogar den Status einer historischen Wahrheit zuzuerkennen?99 Ist die im Roman gezeichnete Krise der zeitgenössischen Situation in Spanien zu Beginn der 1770er Jahre - Ausdruck einer fortschreitenden Dekadenzbewegung, in der die Menschen dem Untergang

96 In diese Richtung fasst Alborg kritische Cadalso-Lektüren zusammen: „Cadalso [...] no pretende, ni alcanza, ninguna originalidad como teórico". Alborg: Historia, a.a.O., S. 740. 97 Die auf diesen Punkt reduzierte Sichtweise entspricht der Linie der „Heterodoxie" in der Folge von Leopoldo Cueto und Menéndez Pelayo. Das Bild der Dekadenz, auf das sich die Verteidiger der „spanischen Sache" beziehen, ist von französischer Seite v.a. durch die Spanienartikel der Enzyklopädisten Louis de Jaucourt im fünften Band des Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers von 1755 und Nicolas Masson de Morvilliers im ersten Band der Encyclcrpédie méthodique von 1782 gezeichnet worden. Vgl. hierzu: Lope: „¿Qué se debe a España? La polémica en su contexto europeo", in: Jesús Cañas und Miguel Angel Lama (Hg.): Juan Pablo Forner y su época (1756-1797), Mérida 1998, S. 401-416. 98 Vgl. Ders.: ^Pongamos la fecha desde hoy...' Historia e historiografía en las Cartas marruecas", in: Di Pinto/Fabbri/Froldi (Hg.): Coloquio internacional sobre fosé Cadalso, a.a.O., S. 211-233, hier: S. 213f. 99 Dies ist der Gegenstand der Briefe 86 und 87 „Apariciones de Santiago en las batallas" (CM, 349-353). Zu den Schwierigkeiten der Reformer, den Santiago-Mythos aufzuklären', vgl. Sarrailh: L'Espagne éclairée, a.a.O., S. 671 ff. Auch Mayans war zuvor mit dem Problem konfrontiert, den im Volksglauben verankerten,Realitätsgehalt' dieser Mythe bis zu einem gewissen Grad zu konzedieren (vgl. Kap. 3.1.).

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(durch Selbstzerstörung) geweiht sind, oder ein Moment der möglichen Umkehr und Hinwendung zu einer besseren Zukunft? 100 Ist das Konzept der virtud, das in Ñuños Abhandlungen als erste Eigenschaft des hombre de bien zugrunde gelegt wird, im Kern eine anthropologische, eine ethische oder eine sozialpolitische Kategorie, oder besteht hier gar eine ,Konfusion', die auf einem philosophisch unklaren Wesensbegriff beruht? 101 Man könnte viele andere Beispiele anführen, die darauf hindeuten, dass sowohl die Inhalte als auch die Darstellungsmethode grundlegender Philosopheme und kritischer Ansatzpunkte bei Cadalso in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Würde man versuchen, die wichtigsten Elemente der Rezeption auf einer Ebene (aller möglichen Perspektiven auf Cadalso) zusammenzufassen, so könnte man leicht zu der Auffassung gelangen, dass es sich beim Autor der Cartas um mehrere Personen handelte. Ist die hier vollzogene ,Rundschau' über die Gegenstände und Denkmöglichkeiten spanischer Landeskunde Ausdruck einer konservativen oder einer liberalen Position? Ist der Autor ein Aufklärer oder ein Gegner der Aufklärung (im spanischen oder im französischen Sinn des Wortes Aufklärung)? Ist er ein Kosmopolit oder ein Nationalist?102 Ist er ein Rationalist oder ein (Proto-)

100 Aufgrund dieser widersprüchlichen ,geschichtsphilosophischen' Betrachtung der Zeit, die - gemäß der ,janusköpfigen' Qualität des Perfektibilitätsgedankens zwischen den Teleologien der Verdammnis und der Erlösung schwanken, ist Cadalso durchaus mit Rousseau vergleichbar. Vgl. Maddalena Raimondi Capasso: „Cadalso e Rousseau", in: Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell'Università degli Studi di Milano 20-1 (1967), S. 97-115. Vgl. a. Giulia Adinolfi: „Le Cartas Marruecas di José Cadalso e la cultura spagnola della seconda metà del Settecento", in: Filologia Romanza 3 (1956), S. 30-83, hier: S. 78ff. Gegen die Vergleichbarkeit von Cadalso und Rousseau argumentiert (vor dem Hintergrund unvereinbarer Erziehungskonzepte) Lunardi: La crisi del settecento, a.a.O., S. 229ff.

„En la práctica no distingue entre las virtudes morales y las políticas". Hughes: José Cadalso, a.a.O., S. 46, Herv. i. T. Grund für diese ,Praxis' ist Hughes zufolge die Doppeldeutigkeit, die Cadalso den Begriffen des Wesens (lo esencial) und der Substanz (lo sustancial) zuschreibt: „,Sustancia' [oder auf analoge Weise ,esencia'] tiene dos significados para Cadalso, los cuales combina y confunde. Al lado del ,mas allá' trascendente, que yace debajo la realidad aparencial de la experiencia cotidiana, está una verdad inmanente que corresponde a lo que Cadalso cree ,debe ser' en el mundo de los hombres." Ebd., S. 43. 101

Eine Auflösung dieses Gegensatzes versucht Camarero: „Cosmopolitismo y casticismo en las Cartas marruecas", in: Dieciocho 21-1 (1998), S. 37-47. 102

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Romantiker? Ein Pessimist oder ein Optimist? Ist seine Philosophie in einer Art „regressivem Messianismus" rückwärtsgewandt, wie Américo Castro behauptet,103 oder ist sie vielmehr auf die Zukunft ausgerichtet, wie Lope darlegt?104 Schreibt Cadalso für einen Leser, der sich im Licht der europäischen Philosophie bewegt,105 oder für einen durchschnittlichen Tertuliante, der durch Zeitungsausschnitte oberflächliche Kenntnisse von Passagen Voltaires oder Montesquieus erhalten hat und in seiner Ehre gekränkt ist? Die Tatsache, dass bei diesen Fragen zumeist ein Teil der jeweiligen Extreme zutrifft, zeigt sich auch anhand der kontradiktorischen Nomenklaturen, die dem Autor der Cartas marruecas zugeschrieben werden. So gilt Cadalso als ein „racionalista sentimental", 106 der über einen „enfoque intuitivo-racional" 107 verfügt bzw. über eine „actitud didáctica [...] más próxima a la de un profeta religioso o la de un reformador social apasionado". 108 Auf die gleiche Weise wird Cadalsos Denken als „atormentada y contradictoria" 109 dargestellt oder in die Form einer „ininterrumpida y angustiosa dialéctica entre [...] la postura de filósofo del Siglo de las Luces [...] y la de leal vasallo de la secular monarquía española" 110 gepresst. Und während die Unordnung (desarreglo) des Textes zuweilen als Abbild für die

103 „Pretendia Cadalso hacer andar para atrás el reloj de la historia, combinando el messianismo regresivo de los españoles con el abstracto intelectualismo del siglo XVIII". Américo Castro: España en su historia. Cristianos, moros y judíos, Buenos Aires 1948, S. 278. 104 „La discusión de la realidad española está en las Cartas marruecas claramente orientada hacia el futuro". Lope: „»Pongamos la fecha desde hoy...'", a.a.O., S. 228. 105 In diese Richtung deutet - trotz der Zweifel an Cadalsos philosophischen Grundkonzepten - v.a. Hughes: „La existencia de conceptos parecidos a Voltaire y otros ,philosophes' nos permite sugerir que, en efecto, comparamos y contrastamos aquí la perspectiva intelectual de Cadalso, español,ilustrado', con la postura filosófica que prevalecía en la Europa de la época". Hughes: José Cadalso, a.a.O., S. 44. 106

Helman: „Introducción", in: Cadalso: Noches lúgubres, Madrid 1968, 9-67, hier:

S. 65. 107

Hughes: fosé Cadalso, a.a.O., S. 48.

Ebd., S. 33. Alborg: Historia, a.a.O., S. 744. Vgl. a. Luis García Montero: „De Cadalso y sus ambigüedades", in: Nicolás Marín (Hg.): Hombre de bien. Estudios sobre la vida y la obra de Cadalso, Granada 1982, S. 59-78; sowie Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 292ff. 108

109

110

Sebold: „Introducción", in: CM, S. 40f.

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Unordnung der Epoche selbst angesehen wird/ 11 wird in anderen Lektüren die narrative ,Polyphonie' 112 des Aussagegefüges gar in eine (psycho-pathologische) ,Epistemologie des Wahnsinns' 113 überführt. Aus meiner Sicht ist die Divergenz dieser Positionen bezeichnend für eine bestimmte Vernachlässigung des Zusammenhangs zwischen der Philosophie Cadalsos und der literarischen Identität der Cartas marruecas. Das Konzept dieser Identität speist sich zunächst aus der Anlage des Romans als sprach- und literaturphilosophischem Versuch, der auf eine Untersuchung der prinzipiellen Verhältnismöglichkeiten zwischen epistemologischen und literarischen Aussagen (in ihrer jeweiligen sprachlichen Verfasstheit) abzielt. Die konträren Positionen mit Bezug auf den vorgeblichen Gegenstand des „carácter nacional [...] de los españoles" (CM, 148) beruhen sodann auf einem stilistischen Experiment, das darin besteht, einen „justo medio" (CM, 149) zwischen den verschiedensten Anschauungen zu schaffen, die in der jeweiligen diskursiven Umgebung nachgeahmt werden. In der Introducción wird der Beweggrund dieses Experiments - im Status der „ficción" - deutlich ausgewiesen: Estas Cartas tratan del carácter nacional, cual lo es en el día, y cual lo ha sido. Para manejar esta crítica al gusto de unos, sería preciso ajar la nación, llenarla de improperios, y no hallar en ella cosa alguna de mediano mérito. Para complacer a otros, sería igualmente necesario alabar todo lo que nos ofrece el examen de su genio, y ensalzar todo lo que en sí es reprensible. Cualquiera de estos dos sistemas que se siguiese en las Cartas marruecas tendría gran número de apasionados; y a costa de mal conceptuarse con unos, el autor se hubiera congraciado con otros. Pero en la imparcialidad que reina en ellas, es indispensable el contraer el odio de ambas parcialidades. Es verdad que este justo medio es el que debe procurar seguir un hombre que quiera hacer algún uso de su razón; pero es también el de hacerse sospechoso a los preocupados de ambos extremos. (CM, 148f.)

„El desarreglo textual de las Observaciones [de Ñuño] se corresponde con el desarreglo de la sociedad". Camarero: „Composición y lectura", a.a.O., S. 139. 111

112 Dolores Troncoso Durán: „La polifonía y las Cartas marruecas de Cadalso", in: Cuadernos de Estudios del Siglo XVIII1 (1991), S. 43-55.

Ilie: „Cadalso and the Epistemology of Madness", in: Dieciocho 9, Nr. 1-2 (1986), S. 174-187. 113

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Das Experiment des „justo medio" ist nicht insofern ,verdächtig', als es der ideologischen Gleichgültigkeit eines bloßen Schiedsrichters über die Philosopheme (angeblich nicht existierender) politischer und theologischer Aussagen entspräche. Es ist vielmehr Ausdruck einer Technik des sprachlichen Ausgleichs, die - auf das ethische Telos der imparcialidad gegründet - das bestehende Aussagegefüge der Zeit auf einen Nullpunkt hin dekonstruiert, von dem aus, wenngleich auf unsystematische Weise, die Sprache selbst neu fundiert werden soll. U m dieser,heimlichen Verkettung' der Gegenstände, die in jeglicher Hinsicht ,romanhaft' ist und auf der Ebene des erzählten Geschehens in Ñuños Wörterbuchprojekt ihren Niederschlag findet, auf die Spur zu kommen, ist es notwendig, 1) die besondere narratologische Disposition der Cartas nachzuvollziehen und 2) das darin zum Ausdruck kommende Aussagesystem, das in eine reflexive mise en abyme der Erzählung eingebettet ist, als Ferment einer modernen Sprach- und Subjektphilosophie zu verstehen.

5.3.1. Narratologie der Unvoreingenommenheit. Der Roman als Experiment perspektivistischer Entgrenzung Das narrative Gefüge von Cadalsos Roman beruht auf einem ausgefeilten System der Diversifizierung von Aussagepositionen. Die Grundstruktur besteht zunächst aus der geschilderten dreifachen Briefkommunikation zwischen dem Reisenden Gazel, dem marokkanischen Weisen Ben-Beley und dem spanischen Schriftsteller Ñuño. Aufgrund der Plastizität und der präzisen Charakteristik der einzelnen Figuren lässt die narratologische Komplexität hier Raum für eine Entwicklung, die die Erzählstruktur von Montesquieus Lettres Persanes und Goldsmiths Chinese Letters letztlich sogar übertrifft. 114 Aufgrund der vielen 114 Es ist schwer nachvollziehbar, dass von den Anhängern der ,Essayistik' der romanhafte Charakter der Cartas rundheraus negiert werden konnte. Vgl. etwa Sánchez

Blanco (La Prosa del siglo XVIII, a.a.O., S. 161): „La acción [en las Cartas marruecas]

es

mínima y los personajes de la fábula no tienen apenas indivualidad y dan impresión de ser unos esquemas abstractos". Die tatsächliche „voluntad novelística" Cadalsos in der Zeichnung und Entwicklung seiner Figuren hebt v.a. Scott Dale (Novela innovadora en las Cartas marruecas de Cadalso, New Orleans 1998, S. 66f.) hervor: „Cadalso no es ni quiere ser un titiritero literario. Logra escribir una novela epistolar muy llamativa donde los personajes parecen ser personas reales e históricas".

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kostumbristischen Szenen aus dem Alltagsleben (in Madrid, auf der Straße, in der Tertulia, in der Bibliothek, bei der Armee, in den spanischen Provinzen, in Frankreich etc.), von denen die Figuren in ihren Briefen berichten, werden nicht nur die beobachteten Gegenstände lebendig, sondern auch die Beobachter als Menschen mit Seele und Psyche gezeichnet. Der junge Marokkaner Gazel ist von angenehmem Äußeren und erweist sich als ebenso forsch und neugierig wie höflich, anpassungsfähig und lernbegierig. Der Spanier Ñuño erscheint in Gesellschaft nicht so umgänglich wie Gazel und wird als zwiespältiger Charakter gezeichnet, der sich zuweilen als aufbrausend und zynisch, zuweilen als reflektiert und einfühlsam präsentiert. Beide sind jedoch authentische Figuren, die sehr genau beobachten und dabei zuweilen in ihrer Einschätzung auch fehlgehen. Daher können sie - zwischen den Angeboten der aufrichtigen Identifikation und der ironischen Distanzierung aufgespannt - in der gleichen Weise an die Gunst des Lesers appellieren wie die kostumbristischen Beobachterfiguren von Quevedo oder Torres Villarroel. Selbst Ben-Beley erscheint als weiser Eremit, der von den allgemeinen Nöten der Menschen Kenntnis hat (und konservative Moralvorstellungen vertritt), in den wenigen von ihm geschriebenen Briefen dem Leser plastisch vor Augen. Durch die Komplementarität der Figuren wird ein kommunikatives Zusammenspiel verschiedener Positionen konstruiert, wobei jede einzelne Figur, sich auf die persönliche Ausdrucksform des Briefes stützend, individuelle Eindrücke oder Überzeugungen formuliert, die in den entsprechenden Antworten bekräftigt, kritisiert oder widerlegt werden. Alle drei Korrespondenten fungieren zudem als Rezeptoren oder Filter fremder Ansichten, die sie sich gegenseitig zur Kenntnis geben. Im Verlauf des Romans wird die Figur des Schriftstellers Ñuño als die zentrale Vermittlungsstelle dieses Spiels entwickelt. Ñuño korrigiert die vermeintlichen Missverständnisse der ,marokkanischen' Perspektive und dient als Referenz für Gazeis Beschreibungen, die dieser an Ben-Beley in die Heimat sendet. Je weiter der Briefwechsel fortschreitet, desto größer wird auch der Anteil der in indirekter Rede wieder gegebenen Anmerkungen und Kritiken Ñuños. Jedoch ist auch Ñuño keine Figur, die über strittige Fragen endgültig entscheidet. Die Tatsache, dass die Positionen über die spanische Geschichte (Briefe 3-5, 16, 59, 73, 86f.), über den Zustand der Wissenschaften (Briefe 6, 23, 32, 56, 77), über die Erziehung der Jugend (Briefe 7, 18f., 40, 79), über den Verfall der Sitten (Briefe 10,15,30f., 76,80,88), über den Adel

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(Briefe 12f., 24, 38), über Geographie (Briefe 26, 34, 45), über Ehre und Ruhm (Briefe 27, 46f., 52, 65, 85), über Frankreich und die Franzosen (Briefe 29, 60), über Ökonomie (Briefe 34, 41, 68, 74), über das Militär (Briefe 45,64), über den Stierkampf (Brief 72) und andere Gegenstände nicht eindeutig bestimmbar sind, beruht auf der konzeptuellen Anlage der Spaniendarstellung insgesamt. Auf der Ebene des Geschehens wird diese Uneindeutigkeit dadurch verankert, dass Ñuño gegenüber Gazel auch Punkte kritisiert, die von ihm selbst formuliert (und ggf. unkorrekt wiedergegeben) worden sind, oder seinerseits auf das Verfahren der indirekten Rede zurückgreift, um zu beschreiben, was er in Auseinandersetzung mit anderen Personen gedacht hat bzw. zu einem bestimmten erzieherischen Zweck gesagt haben könnte. Das Spiel der Überlagerung und Verflechtung von direkten und indirekten Aussagepositionen, die im Text durch mehrfache - in der modernen Druckfassung unterschiedlich formatierte - Anführungsund Interventionszeichen der (referierten) wörtlichen Rede markiert sind, dient in den Cartas marruecas zuvorderst dem Zweck, die Position der Schaltstelle, an der die philosophische Konzeption literarisch codiert wird, offen zu halten. Dieses Versteckspiel mit der Urheberschaft philosophischer Positionen wird in der einleitenden Metaerzählung über die Herkunft der,marokkanischen Briefe' aufgespannt und strukturiert. Wie in Montesquieus Lettres persanes gibt der in der Introducción auftretende Erzähler vor, die Briefe aus der Hand eines verstorbenen Freundes erhalten zu haben, d.h. nicht als Autor, sondern nur als Herausgeber zu fungieren. Die mögliche Urheberschaft dieses Freundes, der die handelnden Figuren erfunden haben könnte, wird ebenso offen gelassen wie die Sprache, in denen die Briefe ursprünglich geschrieben wurden: La suerte quiso que, por muerte de un conocido mío, cayese en mis manos un manuscrito cuyo título es: Cartas escritas por un moro llamado Gazel

Ben-Aly [...]. Acabó su vida mi amigo antes que pudiese explicarme si eran efectivamente cartas escritas por el autor que sonaba, como se podía inferir del estilo, o si era pasatiempo del difunto, en cuya composición hubiese gastado los últimos años de su vida. Ambos casos son posibles: el lector juzgará lo que piense más acertado, conociendo que si estas Cartas son útiles o inútiles, malas o buenas, importa poco la calidad del verdadero autor. (CM, 145)

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Dieser Rückgriff auf den Topos der „Herausgeberfiktion"115 wird dadurch vervollständigt, dass der Erzähler behauptet, in den ihm vorliegenden Text nur,stilistisch' eingegriffen zu haben, also den durchscheinenden „genio [...] de la lengua arábica, su original" (CM, 146) geglättet, die Ordnung der Briefe hergestellt - „no hay en el original serie alguna de fechas (ebd.)" - und an jenen Stellen zensiert zu haben, die „Fragen der Religion und der Regierung" tangieren. Zugleich geht Cadalso aber über diese für den exotischen Briefroman typische narrative Struktur hinaus, indem er dieselbe explizit als ein fiktionales Verfahren ausweist und den „método epistolar" als besondere Form der literarischen Gesellschaftskritik beschreibt, über deren Effizienz allein der Leser zu urteilen habe. Auf diese Weise bricht die Einleitung in einer cervantesken Volte am Ende auch mit der anfänglichen Urheberfiktion, indem der kommentierende Erzähler in den Vordergrund rückt, der - in einer besonderen Form selbstironischer Distanzierung - „aus Eitelkeit" dazu übergeht, Kommentare und Varianten hinzuzufügen. Dadurch wird der vorgebliche Sammler der von Gazel, Ben-Beley und Ñuño geschriebenen Briefe als Ko-Autor derselben erkennbar, welcher schließlich mit der Figur des Autors verschmilzt: Pero se humillaría demasiado mi amor propio dándome al público como mero editor de estas cartas. Para desagravio de mi vanidad y presunción, iba yo a imitar el método común de los que, hallándose en el mismo caso de publicar obras ajenas a falta de suyas propias, las cargan de notas, comentarios, corolarios, escolios, variantes y apéndices; ya agraviando el texto, ya desfigurándolo, ya truncando el sentido, ya abrumando al pacífico y muy humilde lector con noticias impertinentes [...] de modo que por todas estas razones, y alguna otra que callo, puedo llamar esta obra mía sin ofender a la verdad. (CM, 146f.)

Der Akt der Verschmelzung wird im ostentativen Widerspruch mit der Ausgangssituation und im Medium der satirischen Selbstdekonstruktion als ein ,märchenhafter7 Vorgang vollzogen: „El amigo que me dejó el manuscrito de estas Cartas, y que, según las más juiciosas conjeturas, fue el verdadero autor de ellas, era tan mío y yo tan suyo,

115 Picard: Die Illusion der Wirklichkeit, a.a.O., S. 11. Vgl. a. Bremer: Montesquieus Lettres persanes und Cadalsos Cartas marruecas, a.a.O., S. 77-85 sowie Chen Sham: La comunidad nacional,deseada', a.a.O., S. 32-43.

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que éramos uno propio" (CM, 147). Auf diese ironisch gefilterte Weise erhält die Autorfigur eine eigene Rolle als Regisseur (bzw. übergeordneter Erzähler) des Textes, in welchem er sich auch materiell in Form von „notas [...] y apéndices" manifestiert. Einige Passagen, wie auch der letzte Absatz der Einleitung, sind in parodistischer Imitation von Gelehrtentraktaten mit Asterisken versehen, durch die der Regisseur bestimmte metatextuelle, vorgeblich rechtfertigende oder distanzierende Anmerkungen einleitet.116 Im Verlauf der Briefkommunikation zwischen den drei Protagonisten sind diese ,Noten des Autors' zwar insgesamt recht selten und beschränken sich zumeist, etwa in Anmerkungen wie „Aquí está borrado el manuscrito" (CM, 205) oder „Aquí estaba roto el manuscrito, con lo que se priva al público de la continuación de un asunto tan plausible" (CM, 317), auf die Funktion einer Erinnerung an die narrative Verankerung.117 Im Anschluss an das deklarierte Ende des Romans „Fin de las Cartas marruecas" (CM, 359) wird das Spiel mit der Herausgeberfiktion jedoch noch einmal aufgenommen. Als Epiloge des Textes folgen eine „Nota" (CM, 359f.) sowie eine „Protesta literaria del editor de las Cartas marruecas" (CM, 361-364), mit denen Cadalso auf die in den Eruditos erprobte Technik der Inklusion fiktiver Leserreaktionen zurückgreift. Diese Schlussepisode des ,Romans nach dem Roman' stellt auch insofern eine besondere Form des literarischen Einspruchs' (protesta literaria) dar, als die anfänglich der Tradition des Don Quijote zugeschriebene Fiktion - „¡Oh témpora! ¡Oh mores!" (CM, 361, Herv. i. T.) - in ein Prosaverfahren des 18. Jahrhunderts eingebettet wird. Cadalso schreibt das Prozedere der Erzählrahmungen nicht nur des Padre Isla, sondern auch von Torres Villarroel fort. Wie im Fray Gerundio gibt das Ende der Erzählung 116 „En el manuscrito de donde se copió éste, hay algunos párrafos, y aun cartas rayadas, como significando ser la mente del autor suprimirlas o corrigirlas; y el que ha hecho esta copia la saca completa, indicando lo rayado con una estrella al principio y otra al fin." (CM, 151). Diese wie auch manche der folgenden metatextuellen Anmerkungen sind in einigen Abschriften und frühen Ausgaben der Cartas nicht vorhanden - was einen Teil der geschilderten Missachtung der „obvia raigambre novelística" (Troncoso Durán: „La polifonía", a.a.O., S. 45) von Cadalsos Text erklärt. 117 An einigen Stellen dienen die Asterisken aber auch zur faktischen Hervorhebung ,heikler' Passagen, wie etwa in der (auf Montesquieu reagierenden) Diskussion des zehnten Briefs über die Stellung der Frau bei den Mohammedanern im Vergleich zu den Christen (CM, 189f.).

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Anlass für eine abschließende, in ihrer kritischen Übertreibung ostentativ ironische Distanzierung vom gesamten Text. Der Umschlag von der subtilen in die offene und selbstzerstörerische Ironie, der hier nicht von imaginären Ubersetzern, sondern durch ebenso imaginäre ,Leserbriefe' vorgebracht wird, zeigt sich an der Maßlosigkeit des Angriffs auf alle Ebenen des Textes. Auf der formalen Ebene seien die Cartas zu lang geraten: „¡Obra tan voluminosa! [...] ¿Cómo te atreves, malvado editor o autor, o lo que seas, a darnos un libro tan pesado, tan grueso, y sobre todo tan fastidioso?" (CM, 361) Auf der inhaltlichen Ebene seien die Cartas anmaßend, da sie gefährliche Gegenstände wie „¡pensamientos morales!, ¡observaciones críticas!" (ebd.) enthalten: Cosas serias, como patriotismo, vasallaje, crítica de la vanidad, progresos de la filosofía, ventajas o inconvenientes del lujo, y otros artículos semejantes, no en nuestros días; ni tú debes escribirlas ni nosotros leerlas. (CM, 362)

Auf der Ebene der moralischen Haltung (actitud) seien die Cartas schließlich ebenso verabscheuenswürdig - „satirilla mordaz y superficial" - wie auf der Ebene des Stils: „El estilo jocoso en ti es artificio" (ebd.). Diese Form der parodistischen Überhöhung des Bescheidenheitstopos im Medium der Selbstbeschimpfung, die über die erste Person Plural spielerisch den Dichterfreunden des Autors in den Mund gelegt wird, erhält eine weitere Pointe, indem die auto-inquisitorisch angeklagte Autorfigur hier beim Namen „Vázquez" (CM, 363) - Cadalsos zweitem Familiennamen (und Autornamen der Ersteditionen der Ocios und der Eruditos) - genannt wird. Die inkriminierten Eigenschaften des Textes - die Länge, der Gegenstand, die Haltung und der Stil - sind aber gerade diejenigen Eigenschaften, die den Roman positiv bestimmen. Diese Tatsache, die die satirische Grundtonalität im Modus der nicht ernst genommenen Aussage verankert, wird sodann in der abschließenden Volte des letzten Absatzes offenbart, in der Cadalso - wie in Torres' Correo del otro mundo - die vollständige Rahmenkonstruktion der Erzählung dem (Zwischen-)Reich der Träume zuschreibt: Esto soñé la otra noche que me decían con ceño adusto, voz áspera, gesto declamatorio y furor exaltado unos amigos, al ver estas cartas. Soñé también que me volvieron las espaldas con aire majestuoso, y me echaron una mirada capaz de aterrar al mismo Hércules. Cuál quedaría

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yo en este lance, es materia dignísima de la consideración caritativa de mi piadoso, benévolo y amigo lector [...]. Y medio soñando y medio despierto, extendiendo los brazos por detener a mis furibundos censores y moverles a piedad [...], les dije, dudando si era sueño o realidad: -Sombras, visiones, fantasmas, protesto que desde hoy, día de la fecha, no escribiré cosa que valga un alfiler. [...] Rompo los cuadernillos del manuscrito que tanto os enfadan; quemo el original de estas Cartas, y prometo, en fin, no dedicarme en adelante sino a cosas más dignas de vuestro concepto. (CM, 363f.) Das immer wieder gebrochene, aber gerade dadurch im Gleichgewicht gehaltene Spiel mit der Zuschreibbarkeit und der Realität von Aussagepositionen, das mit dem finalen Erzählrahmen - „medio soñando y medio despierto" - in der behaupteten Inszenierung einer physischen Zerstörung des Textes kulminiert, folgt nicht allein einem stilistischen Selbstzweck, der etwa dem Schutz vor den Zensoren geschuldet wäre. Das Spiel hängt unmittelbar mit dem essayistischen (Prosa-)Konzept Cadalsos zusammen, was uns zum zweiten Punkt der den Roman tragenden Sprach- und Subjektphilosophie führt. 118

5.3.2. Immanente Transzendenz. Zum Fundament des sprachphilosophischen Konzepts der Cartas marruecas Die Cartas marruecas sind insofern ein philosophischer Roman, als ein bestimmtes, mit der Literatur zusammenhängendes Problem der Philosophie, nämlich die sprachliche Verfasstheit von Gedanken, auf vielfältige Weise ausgebreitet und diskutiert wird. 119 In dieser theore118 Die besondere Stellung des Konzeptbegriffs selbst - hier exakt im Sinne der ,Auffassung' des Literarischen - zeigt sich am Ende des Romans, da die ironische Rahmenerzählung in diesen Begriff, just dem letzten Wort der abschließenden „Protesta literaria", einmündet: „[...] prometo, en fin, no dedicarme en adelante sino a cosas más dignas de vuestro concepto" (CM, 364). 119 Mit dieser Auffassung der Cartas marruecas als philosophischem Roman knüpfe ich an die Untersuchung von Scott Dale an, der als einer der wenigen Hispanisten die philosophische Komponente des Textes betont: „Entre las docenas de descripciones pintorescas de las calles madrileñas [...] se encuentran en las Cartas múltiples pasajes diagéticos que crean un espacio filosófico para las interpretaciones y opiniones abstractas sobre diversos temas e ideas". Dale: Novela innovadora en las Cartas marruecas, a.a.O., S. 74. Die Tatsache, dass in diesem »philosophischen Raum' die Sprache in

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tischen In-Verhältnis-Setzung von Philosophie und Literatur, die im Einzelnen anhand der Beziehungen zwischen Historiographie und Fiktionalität, Fortschritt und Nostalgie, Glauben und Wissen, Rationalismus und Dogmatismus, Überzeugungen der Alten und Ansichten der Modernen usw. ausgeführt wird, geht es auf spezifische Weise darum, die Möglichkeitsbedingungen beider Praktiken des Schreibens - der Literatur und/oder der Philosophie - zu bestimmen bzw. die Grenzen des literarisch Denkbaren auszuloten. Dies ist auch der eigentliche Grund dafür, dass bestimmte weltanschauliche Streitfragen auf der Ebene der Figuren in der Form von Gegensätzen oder (dialektischen) Aporien ausgedrückt werden, die den Hintergrund für das narrative Aussagespiel darstellen. Zugleich findet sich hier der Grund für die in kompositorischer Hinsicht sehr moderne Verflechtung zwischen abstrakten Passagen, in denen formale Probleme der Moralphilosophie abgehandelt' werden, und den kostumbristischen Szenerien, die eine starke visuelle Konkretion aufbieten.120

den Vordergrund rückt, führt die Cartas marruecas noch einmal in die mit Cervantes einsetzende Traditionslinie des,Literaturromans'. Vgl. Hatzfeld: El Quijote como obra de arte del lenguaje („Preliminares"), Madrid 1966, S. 1-5. Vgl. a. Alejandro Ramírez Araujo: „El cervantismo de Cadalso", in: Romanic Review 43 (1952), S. 256-265. 120 Ein herausragendes Beispiel für diese visuelle Form der kostumbristischen Beschreibung ist im 56. Brief die bildliche Darstellung der Madrider Tertulia im ,pittoresken' Rahmen eines José Luzán y Martínez oder frühen Goya: „Entré cuando acababan de tomar café y empezaban a conversar. Una señora se iba a poner al clave; dos señoritos de poca edad leían con mucho misterio un papel en el balcón; otra dama estaba haciendo una escarapela; un oficial joven estaba vuelto de espaldas a la chimenea; uno viejo empezaba a roncar sentado en un sillón a la lumbre; un abate miraba al jardín, y al mismo tiempo leía algo en un libro negro y dorado [etc.]" (CM, 272). Ein anderes Beispiel ist im 35. Brief die Schilderung des Alltags einer in französischer Mode und Sprache verfangenen petimetra (die auch aufgrund der verwendeten Gallizismen von Bedeutung ist): „Hoy no ha sido día en mi apartamiento hasta medio día y medio. Tomé dos tazas de té. Púseme un desabillé y bonete de noche. Hice un tour en mi jardín, y leí cerca de ocho versos del segundo acto de la Zaira. Vino Mr. Lavanda; empecé mi toaleta. No estuvo el abate. Mandé pagar mi modista. Pasé a la sala de compañía. Me sequé toda sola. Entró un poco de mundo; jugué una partida de mediator; tiré las cartas; jugué al piquete [etc.]" (CM, 236f.). Die Verflechtung dieser Passagen eines „espacio pintorescomimético" im Gefüge eines „espacio perspectivístico-diagético" weist für Dale (Novela innovadora, a.a.O., S. 75, S. 92, S. 111) nicht nur auf den kostumbristischen Roman des 19. Jahrhunderts (Ramón de Mesonero, Antonio Flores, Luis Rivera) voraus, sondern auch auf die „técnica desarreglada" der Modernen Juan Benet und Juan Marsé.

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Eines der klassischen philosophischen Probleme, dem die Cartas gewidmet sind, besteht in der von Ñuño immer wieder gestellten Frage nach der Wahrheit hinter den Erscheinungen. Diese Frage, die auf den klassischen Topos des desengaño rekurriert,121 dient als grundlegender Prüfstein des Perspektivismus in den inszenierten Diskussionen und Streitgesprächen. „Procuro indagar precisamente el carácter verdadero de las cosas" (CM, 226), lautet das Ziel des Reisenden Gazel, das im 29. Brief anlässlich des Abstechers nach Frankreich formuliert wird (auch um den Kontrast zu Montesquieus Explorerfigur Usbek hervorzuheben). Damit folgt Gazel dem Modell seines eremitischen Lehrers Ben-Beley ebenso wie dem Vorbild Ñuños, der sich als „separado del mundo y [...] encarcelado dentro de sí mismo" (CM, 153) zwar phasenweise in den Abgründen des Pessimismus befindet und de profundis als Zyniker spricht, stets aber eine unerschütterliche Hoffnung darauf bewahrt, zu wissen, „[lo] que es verdad, no sólo la vista, pues ésta suele engañarnos por la apariencia de las cosas" (CM, 188). Die Grundorientierung der beobachtenden Handlungen, in der die Figuren trotz aller Gegensätze zusammenkommen, offenbart hier eine ontologische Komponente der Philosophie des Romans, die in den Begriffen des Wesens (lo esencial) und - davon ungeschieden - der Substanz (lo sustancial) zum Ausdruck gebracht wird: „No nos dejemos alucinar de la apariencia, y vamos a lo sustancial" (CM, 161).122 Die Frage nach dem Wesen des Seins steht hinter der phänomenologischen Dialektik, die auf dem beschriebenen Grundmuster beruht, alltägliche Gegebenheiten, die aus der fremden Sicht wundersam erscheinen, durch die Darlegung und Verteidigung kultureller Eigenarten zu erklären. Die ,Substanz' der Erscheinungen hat bei Cadalso jedoch kein metaphysisches, sondern ein axiomatisches Fundament, das auf apriorischen Annahmen beruht, auf unhinterfragbaren Evidenzen und Möglichkeitsbedingungen für das Aushalten bestimmter Widersprüche, vor allem, wenn es um das historische und (inter-)kulturelle Vgl; Schulte: El desengaño, a.a.O., S. 143ff. So lautet die Prämisse in der positiven Formulierung. Negativ formuliert wird sie in der Beschreibung der „secta [filosófica] hoy reinante", welche aus rein pragmatischen Gründen einen induktiven Weg gehe, ohne ihn zu Ende zu denken: „De los abusos pasaron a los usos, y de lo accidental a lo esencial" (CM, 352). Auch im Begriff der „quintaesencia" hat die Wesensfrage ihren Ort: „Yo tengo -dijome Ñuño- dos amigos que, a fuerza de estudiar las costumbres actuales [...] y a fuerza de querer sacar la quintaesencia del modernismo, han llegado a perder la cabeza" (CM, 340). 121

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Zusammenwirken von „tradición y revelación" (CM, 352) geht. Dieser Tatbestand der Axiomatik bringt es mit sich, dass der Autor gezwungen ist, von bestimmten Anschauungen oder Überzeugungen fraglos auszugehen bzw. an deren Gegebenheit zu glauben.123 Eines der wichtigsten Axiome der Cartas marruecas entstammt dem Bereich der philosophischen Ethik und fußt auf dem unerschütterlichen Glauben an das Ideal der hombría de bien. Der Begriff „hombre de bien", der aus dem französischen Begriff „honnête homme" des 17. Jahrhunderts abgeleitet ist, stellt im Kontext der Tugenddiskussionen der spanischen Aufklärungsdiskurse im 18. Jahrhundert eines der meist verwendeten Konzepte dar. Die näheren Bestimmungen, die sich in Cadalsos Text finden, entsprechen auf den ersten Blick den normalen Zuschreibungen, die der „hombre de bien" als Globalbegriff im zeitgenössischen Übergang vom ritterlichen in den bürgerlichen Moralkatalog erfährt: „Virtud", „honradez" und „rectitud" zeichnen das Ideal einer Gemeinschaft rechtschaffender Menschen, die diesseits von Klassen- und Nationengrenzen über die theoretische Möglichkeit verfügen, in Glück, Wohlstand und Frieden zu leben. Die Besonderheit der Begriffsverwendung in den Cartas beruht sodann jedoch auf der Tatsache, dass dieses Ideal nicht - wie in den Moraltraktaten und den Moralsatiren der Zeit gleichermaßen üblich124 - auf dirigistische Weise ausgelegt ist, also im Sinne einer (im Traktat als möglich oder in der Satire als unmöglich dargestellten) Herstellung bzw. Erziehung eines solchen Menschen. Der „hombre de bien" ist bei Cadalso vielmehr ein theoretischer und universell anwendbarer Begriff, der das Telos und die Begründung jener idealen kosmopolitischen Gesellschaft

123 „Cadalso [...] escribe con toda confianza cuando se refiere a ,1o esencial'. Es evidente que Cadalso se basa en una fe, una creencia". Hughes: José Cadalso, a.a.O., S. 42. Anders herum wirkt in den Cartas neben der Voraussetzung bestimmter Werte an sich zugleich der Drang, Glaubensvorstellungen kritisch zu analysieren: „La estructura de muchas de las cartas corresponde también al procedimiento de indagación de hechos de fe". Dupuis/Glendinning: „Prólogo", a.a.O., S. XXIV.

Vgl. in der unmittelbaren zeitlichen Umgebung der Entstehung der Cartas etwa die Economía de pretendientes von Angel María de la Torre (1774) oder die (im 19. Jahrhundert irrtümlich Cadalso zugeschriebene) Optica del cortejo von Manuel Antonio Ramírez y Góngora (1774) als Beispiele für aufgeklärte, kritisch-progressive Moraltraktate. Iriartes Literatos en cuaresma (1773) stellen ein Beispiel aus der Gattung der Moralsatire dar. 124

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darstellt, deren Möglichkeitsbedingung die streitenden Figuren mit ihren kostumbristischen Beobachtungen ausloten. In der Einleitung dient der Begriff des „hombre de bien" als Herkunfts- und Rückzugsort der Rede des Autorerzählers bzw. als Rechtfertigung für die ,Intentionalitäf des Textes: „Yo no soy más que un hombre de bien, que he dado a luz un papel que me ha parecido muy imparcial, sobre el asunto más delicado que hay en el mundo, cual es la crítica de una nación" (CM, 151). Sodann dient er in der Rede der Figuren als diskursiver Brückenschlag zwischen den Kulturen Europas und Afrikas. Sowohl Ñuño als auch Ben-Beley bringen mit ihm ihre prinzipielle gegenseitige Anerkennung zum Ausdruck: „Según las noticias cjue Gazel me ha dado de ti, sé que eres un hombre de bien que vives en África, y según las que te habrá dado el mismo de mí, sabrás que soy un hombre de bien que vivo en Europa." (CM, 249f.)125 Hiermit wird der Begriff zugleich als theoretische Möglichkeitsbedingung des Kosmopolitismus verankert. Axiomatisch, also orts- und kulturunabhängig, besteht das Telos (und die Begründung) der hombría de bien prinzipiell, d.h. auch in Afrika. Ñuño schreibt: „No dudaba yo que pudiese haber hombres de bien entre vosotros. Jamás creí que la honradez y rectitud fuese peculiar a éste o a otro clima" (CM, 285).126 Die (trans-)kulturelle Vermittlung wird dadurch ermöglicht, dass der Begriff als universelle und als ausschließliche Kategorie funktioniert. Entweder jemand ist evidenterweise ein „hombre de bien" oder er ist es nicht: „Entre ser hombres de bien y no ser hombres de bien, no hay medio" (CM, 268). Diese Setzung eines axiomatischen Begriffs führt jedoch nicht dazu, dass der Text das Prinzip der Innerweltlichkeit aus den Augen verlöre. Die (möglichen) Handlungen eines „hombre de bien" beziehen sich nicht auf ein Jenseits, sondern stets auf das Diesseits eines gesellschaftlichen Raums, der Gegenstand der Moralphilosophie ist: „Ninguna fama postuma es apreciable sino la que deja el hombre de 125 Auf diese Worte Ñuños antwortet Ben-Beley: „Cada día me agrada más la noticia de la continuación de tu amistad con Gazel, mi discípulo. De ella infiero que ambos sois hombres de bien" (CM, 258).

Hier steht eine subtile Kritik an Montesquieus Klimatheorie (in: De l'esprit des lois, Buch XIV, Kap. 1-4) im Hintergrund. Cadalso widerspricht der Idee, dass klimatische Differenzen prinzipiell zu bestimmten unüberbrückbaren kulturellen Differenzen führen. Aus der Sicht des Spaniers sind die kulturüberbrückenden Kräfte der (kosmopolitischen) ,Natur' der hombres den bien stärker als jene, die in der Klimatologie wirken. 126

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bien" (CM, 221). Philosophisch betrachtet, liegt Cadalsos politischer Gesellschaftsbeschreibung also kein metaphysischer, sondern ein immanenter Transzendenzbegriff zugrunde.127 Exakt aus diesem Grund bezeichnet der „hombre de bien" in den Cartas auch weit mehr als die traditionelle Moralbegrifflichkeit der Ehre: „Las gentes se cansan de esta superabundancia de honradez" (CM, 294). Der Begriff wird einerseits in Anschlag gebracht, um Ñuño in die Lage zu versetzen, sich selbst als autonomes Subjekt zu erkennen: „Lo que más me lisonjeaba [...] era el conocimiento de ser yo original en mi conducta. Aun les daba yo gracias de haberme precisado a hacer un examen tan riguroso de mi hombría de bien." (CM, 294f.) Und andererseits fungiert er als Prüfstein für jenes moralphilosophische Konzept, das die Ethik Cadalsos insgesamt so schwer verständlich macht, nämlich die Zusammenführung autonomer Subjekte zu einer Gemeinschaft von Weltenbürgern jenseits von Klassen und Nationengrenzen:128 „Los que residen en Madrid, [Ñuño] los quiere como paisanos suyos, pues tales le parecen todos los hombres de bien del mundo, siendo para ellos un verdadero cosmopolita, o sea ciudadano universal" (CM, 335). Durch den axiomatischen Charakter der ethischen Grundbegriffe, zu denen in Abhängigkeit von der hombría de bien die (ebenfalls aus der dirigistisch-instrumentellen Ethik der Zeit herausgehobenen) Eigenschaften der Tugend (virtud), der Freundschaft (amistad) und der Liebe (amor) gehören, lässt sich auch der Deismus129 Cadalsos begreifen, 127 Zur Möglichkeitsbedingung einer,immanenten Transzendenz' (in der Ontologie) vgl. Badious Konzept des Transzendentals: „Le transcendantal [...] est antérieur ä toute Constitution subjective, il est une donnée immanente des situations quelconques [...] qui rend possible leur intelligibilité." Badiou: Logiques des mondes, Paris 2006, S. U l f . Zur Herleitung des Begriffs der immanenten Transzendenz in der Folge von Friedrich Nietzsche (als anthropologische Wende der kantischen Transzendentalphilosophie) vgl. Ernst Tugendhat: Anthropologie statt Metaphysik, München 2007, S. 13-33.

Theoretische Versuche im Umgang mit der idea audaz eines „intelectual, no perteneciente a ninguna clase, como predicador de la reforma" finden sich zeitgleich in der politischen Philosophie Capmanys (im Discurso económico-político 1778 sowie im Vorwort der Memorias históricas 1779). Vgl. hierzu Jüttner: „El historiador filósofo: Un mito político del absolutismo ilustrado", in: Tietz/Briesemeister (Hg.): La secularización de la cultura española, a.a.O., S. 113-127, hier: S. 120, S. 124. 128

129 Dupuis/Glendinning: „Prólogo", a.a.O., S. XXIII. Vgl. a. Mulertt (Die Stellung der „Marokkanischen Briefe", a.a.O., S. 19): „Cadalso dürfen wir [...] als einen Anhänger jenes Deismus englisch-französischer Herkunft ansehen, der [...],Ausdruck einer neuen positiv-religiösen Grundkraft' (Cassirer) ist". In den Noches lúgubres findet sich an der

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der im Begriff des „Ser Supremo" zum Ausdruck kommt. „Ser Supremo" bezeichnet in den Cartas den Inbegriff einer „inexplicable encadenación de cosas, que los cristianos llamamos Providencia, los materialistas casualidad y los poetas suerte o hado" (CM, 182f.)130. Der ,Glaube' an ein „Ser Supremo" wird aus Verstandesgründen behauptet, wobei die philosophische Verankerung dieser Gründe von einer für die Zeit sehr bemerkenswerten religiösen Toleranz und theologischen Offenheit zeugt: „El Ser Supremo, que nosotros llamamos Dios y vosotros Alá, [...] es quien hizo África y Asia, Europa y América" (CM, 251). Vor dem Hintergrund der interkulturell differenzierbaren Personifizierung eines höchsten Wesens - als Voraussetzung und Möglichkeitsbedingung von Transzendenz überhaupt - wird auch der Begriff des Ser Supremo immanent, d.h. im Telos des hombre de bien und der von ihm abhängigen Begriffe veranschlagt. Konsequenterweise sind es die Figuren selbst, die sich in Bezug auf ihr jeweiliges höchstes Wesen der Universalität ihrer Gemeinschaft als hombres de bien versichern. Dies zeigt sich etwa in BenBeleys Antwort auf Ñuños Ausführungen über die Tugendhaftigkeit der spanischen Heroen: „La virtud sola es la cosa más amable cuanto más la conocemos y cultivamos. Te deseo bastante fondo de ella para alabar al Ser Supremo con rectitud de corazón" (CM, 203). Zugleich führt das vernunftgeprägte Immanenzgebot zu einer ebenso subtilen wie profunden (proto-marxistischen) Kritik am Hauptgegenstand des Romans, dem historisch gewachsenen Charakter der Spanier: Aunque esta época de nuestra historia [la batalla de Clavijo (s.u.)] no sea artículo de fe, ni demostración de geometría, y que por tanto pueda cualquiera negarlo sin merecer el nombre de impío ni el de irracional, parece no obstante que tradición tan antigua se ha consagrado en España por la piedad de nuestro carácter español, que nos lleva a atribuir al cielo las ventajas que han ganado nuestros brazos (CM, 351).

Stelle des „Ser Supremo" der Begriff des Criador, „término característico de los deístas" (CM, 377, Anm. 27). Vgl. a. Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 148f. Zur radikalen' Ausprägung des französischen Deismus, vgl. lonathan Israel: Radical Enlightenment, a.a.O., S. 565-574. i3o £ ) e r gefährlich' anmutende Vergleich mit der „casualidad [de] los materialistas" und dem „suerte o hado [de] los poetas" ist an dieser (von mir kursiv unterlegten) Stelle durch die mit der Autozensur spielenden Asterisken hervorgehoben.

Der Roman als Sprach- und Subjektphilosophie

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In Korrespondenz zu den axiomatischen Begriffen, die auf immanente Weise die Philosophie der Cartas regieren, führt der Autor verschiedene, jeweils aus der Perspektive einer der Hauptfiguren geschilderte ,Hintergrundakteure' ins Feld des Geschehens, die den „espacio abstracto de las ideas"131 der Erzählung mit Leben füllen. Diese Akteure heißen ohne nähere Bestimmung schlicht „Philosophen" (filósofos) und werden im sechsten Brief wie folgt definiert: „¿Quiénes son los filósofos? Unos hombres rectos y amables, [...] que tienen la lengua unísona con el corazón" (CM, 171). Das fundamentale (innerweltliche) Problem dieser Philosophen, das die Cartas wie ein Leitfaden durchzieht, besteht nun im Nachweis einer prinzipiellen Unvereinbarkeit, die zwischen der Sprache, dem Verstand und dem Herzen der Menschen herrscht. Die Ursachen für diese Unvereinbarkeit liegen zum einen in der Verschiedenheit der philosophischen Methoden. „Según la variedad de los hombres que se llaman filósofos, ya no sé qué es filosofía" (CM, 178), sagt Ñuño gemäß Gazel im achten Brief (anlässlich der Frage nach der Gattung des Wörterbuchprojekts). Entsprechend werden im Verlauf des Textes neben der unterschwellig stets mitgeführten Auseinandersetzung mit dem Stoizismus bestimmte Traditionen wie die „filosofía aristotélica, con todas sus sutilezas" (CM, 208) oder die „filosofía escolástica, en que [...] asombra la variedad de ocurrencias extraordinarias que tiene el hombre cuando no procede sobre principios ciertos y evidentes" (CM, 229) angeführt und für die Beantwortung der zentralen Frage als unzureichend zurückgewiesen.132 Die Ursachen für die beklagte Unvereinbarkeit zwischen Sprache, Herz und Verstand der Menschen liegen aber auch in der Widersprüchlichkeit der zu untersuchenden (kulturellen) Sachverhalte selbst. Dies gilt insbesondere, wenn es um die letztlich kaum zu beantwortende Frage nach dem,wahren' Nationalcharakter der Spanier im Dale: Novela innovadora, a.a.O., S. 74. „Vuélvanse, pues, los filósofos a sus guardillas, y dejen rodar la bola del mundo por esos aires de Dios, de modo que a fuerza de dar vueltas se desvanezcan las pocas cabezas que aún se mantienen firmes, y todo el mundo se convierta en un espacioso hospital de locos" (CM, 171). Wenn es eine philosophische Tradition gibt, auf die sich die Cartas in ihrer sprach- und subjektphilosophischen Fragestellung (vorsichtig) stützen, dann ist es gemäß der ontologischen Grundausrichtung Cadalsos folgerichtig die platonische: „Querer que una nación se quede con solas sus propias virtudes, y se despoje de sus defectos propios para adquirir en su lugar las virtudes de las extrañas, es fingir una república como la de Platón." (CM, 207) 131

132

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Konzert der europäischen Nationen geht, die der Text in der inszenierten Gespaltenheit zwischen „sentimiento patriótico" und „rigor geométrico" (CM, 165) in subtiler Weise auf den rousseauschen Gedanken der Perfektibilität des Naturzustands zurückführt.133 „La naturaleza es la única que pueda ser juez; pero su voz, ¿dónde suena?" (CM, 146), fragt der (Autor-)Erzähler in der Einleitung, worauf die Figuren nicht müde werden, die Natur als eine hinterfragbare Größe darzustellen, über die sich der moralische Mensch durch die kulturkritische Arbeit (im Angesicht des höchsten Wesens) erheben muss. „Confírmate en la idea de que la naturaleza del hombre es tan malvada que [...] suele viciar hasta las virtudes mismas" (CM, 252), schreibt Ñuño an Gazel. „De las cartas que recibo de tu parte [...] infiero una gran contradicción en los españoles, común a todos los europeos" (CM, 228), bestätigt der weise Ben-Benley dem pessimistischen Ñuño, welcher diesen Tatbestand als eine besondere Herausforderung des menschlichen Verstands begreift: „Tan poca cosa es el entendimiento humano, que si quiere ser un poco eficaz, muda la naturaleza de las cosas de buenas en malas, por buena que sea." (CM, 210).134 Schließlich liegen die Ursachen für die Unvereinbarkeit von Sprache, Herz und Verstand aber auch in einer besonderen, von Cadalso herausgestellten Inkompatibilität zwischen den philosophischen Methoden und den widersprüchlichen Sachverhalten. Dieser Punkt ist es, der die Figur des Schriftstellers dazu bringt, seine Philosophie in einen literarischen Ausdruck zu überführen, der einer Methode der Unordnung (desarreglo) folgt. Als Gazel Einblick in Ñuños „cuadernillo" mit dem Titel Observaciones y reflexiones sueltas erhält, rechtfertigt die Schriftstellerfigur die Verfasstheit dieses „curioso ejemplo de metaliteratura"135 folgendermaßen:

Zum Naturbegriff Cadalsos vgl. Federico Bermúdez Cañete: „Cadalso y la naturaleza", in: Marín (Hg.): Hombre de bien, a.a.O., S. 13-38. 134 Die Tatsache, dass der durchschnittliche (gesunde) Menschenverstand durch diese Herausforderung überfordert wird, ist auch der Hintergrund für den Rekurs auf die,Genieästhetik', der bei Cadalso die Form eines Geheimbunds der Wissenden zum (anthropologisch begründeten) Schutz des einfachen Volks annimmt: „Los que pretenden disuadir al pueblo de muchas cosas que cree buenamente [...], no se hacen cargo de lo que sucedería si el vulgo se metiese a filósofo y quisiese indagar la razón de cada establecimiento" (CM, 352). 133

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Sebold: „Introducción", in: CM, S. 51.

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Mira, Gazel; cuando intenté escribir mis observaciones sobre las cosas del mundo y las reflexiones que de ellas nacen, creí también sería justo disponerlas en varias órdenes, como religión, política, moral, filosofía, crítica, etc. Pero cuando vi el ningún método que el mundo guarda en sus cosas, no me pareció digno de que estudiase mucho el de escribirlas. Así como vemos al mundo mezclar lo sagrado con lo profano, pasar de lo importante a lo frivolo, confundir lo malo con lo bueno, dejar un asunto para emprender otro, retroceder y adelantar a un tiempo, afanarse y descuidarse, mudar y afectar constancia, ser firme y aparentar ligereza, así también yo quiero escribir con igual desarreglo. (CM, 243f.) Die Methode der ,wirklichkeitsnachahmenden' Herstellung eines textuellen „laberinto de materias sin conexión" (CM, 243) versteht die Codierung der philosophischen Konzeption durch den literarischen Stil als eine kompensierende Ordnung der Unordnung. Die Originalität und die Modernität dieser Auffassung bestehen jedoch weniger im positiven Lösungsversuch des grundsätzlichen (und dadurch problematischen) Verhältnisses von Denken und Sprache, obgleich die Cartas auch Ansätze einer Interpretation der zeitgleich von Rousseau, Herder u.a. aufgeworfenen Frage nach der Universalsprache enthalten. Wegweisend für die moderne Literatur ist vielmehr die explizite Exposition dieses Verhältnisses als einer Konstitutionsbedingung des literarischen Schreibens. Ñuño ist im Kontrast zu den unbestimmt gehaltenen Hintergrundakteuren als eine konkrete Figur angelegt, die die Konstruktionstechniken eines philosophischen Romans im Roman (avant la lettre) offenlegt und zur Diskussion stellt. 136 Durch die Augen des Beobachters Gazel folgt der Leser Ñuño als einem mit theoretischen Problemen befassten Schriftsteller, der seine Versuche beschreibt, widersprüchliche Philosopheme durch sprachliche (Anti-) Thesen zu ordnen, Bedeutungsaporien und historische Sprachwandlungsprozesse zu reflektieren, neue Übersetzungsmethoden zu entwickeln, die Interessegeleitetheit gesellschaftlicher, politischer und religiöser Dogmen zu dekonstruieren und die Axiomatik bestimmter Wahrheiten zu verteidigen. All diese Elemente laufen letztlich darauf hinaus, eine neue Sprache zu erfinden, deren Herstellungsprozess sich als der grundlegende Gegenstand des Romans erweist. 136 „Las Cartas marruecas suscitan [...] una reflexión continua sobre los límites mismos del escribir y del género utilizado". Félix San Vicente: „El discurso de la ciencia en las Cartas marruecas", in: Revista de Literatura 52 (1990), S. 409-436, hier: S. 411.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

5 . 4 . S P R A C H P H I L O S O P H I E ALS K O S T U M B R I S T I S C H E S K I P P S P I E L

5.4.1.

Ñuños Wörterbuch

Ein wichtiger Subtext des literarischen Prosakonzepts der Cartas marruecas ist Ñuños Arbeit an einem „nuevo diccionario, diferente de todos los que se conocen hasta ahora" (CM 179), die in den Briefen 8, 14, 35, 37, 49, 51, 63 und 78 ausgeführt wird. Das Diccionario ist das ordnende Gegenstück zu den Observasiones y reflexiones sueltas, die der desarreglo-lmitation verschrieben sind. Als Gazel von Ñuños Projekt hört und im achten Brief erste Versatzstücke des ,Wörterbuchs' liest, fragt er den Autor zunächst nach der Gattung des Textes, welcher sich im Ausschlussverfahren eines Frage-Antwort-Spiels als eine Schrift erweist, die sich von der „Natur" bestehender Textgattungen grundlegend unterscheide. Es handele sich, wie Ñuño Gazel geduldig antwortet, weder um einen philosophischen noch um einen mathematischen, rechtlichen, poetischen, theologischen oder politischen Text: ¿Será de Filosofía? -No, por cierto [...] -¿De Matemáticas? -Tampoco [...] -¿De Jurisprudencia? -Menos. [...] -¿De Poesía? -Tampoco [...] -¿De Teología? -Por ningún término [...] - ¿De Estado? -No lo pretendo [...] -¿Pues de qué tratas en tu obra? -insté yo [...] -No te canses, respondió-. Mi obra no [es] más que un diccionario castellano en que se distinguiese el sentido primitivo de cada voz y el abusivo que le han dado los hombres en el trato.

(CM, 178f.)

Gemäß der Präsentation schickt sich dieses , spracherneuernde' Projekt also an, die ursprüngliche Bedeutung sprachlicher Begriffe gegen den sinnentstellenden Gebrauch gesellschaftlicher Sprachpraxis („en el trato [de] los hombres") zu bewahren. Das Ziel eines solchen Projekts kann nur ein radikales sein, wie Ñuños „Advertencia preliminar sobre el uso de este nuevo diccionario" auch zum Ausdruck bringt: „o inventar un idioma nuevo, o volver a fundir el viejo, porque ya no sirve" (CM, 179). In dieser Radikalität ist das Projekt auf sich allein gestellt. Nur unter der Bedingung, dass das Ziel erreicht werden könne - der Text also die Phase des Rudiments hinter sich ließe - , sei es für Ñuño vorstellbar, auch eine begleitende,Grammatik' zu verfassen: „Y tanto puede ser el estímulo, que me determine a componer una retórica, lógica y metafísica de la misma naturaleza: proyecto que, si llega a

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efectuarse, puede muy bien establecer un nuevo sistema de educación pública" (CM, 181). In der pädagogischen Orientierung erscheint Ñuños Wörterbuchprojekt zunächst analog zur Feijoos Brief über die „Introducción de nuevas voces". 137 Allerdings erweisen sich die Gegenstände ebenso wie die Vorgehensweise der beiden Texte als einander diametral entgegengesetzt. Bei Cadalso geht es nicht um die Erklärung (Zurückweisung oder Verteidigung) von Neologismen oder Lehnwörtern aus anderen Sprachen, etwa zum Zweck eines Nachweises der Gleichwertigkeit des Spanischen mit dem Französischen - „no hay idioma alguno, que no necesite del subsidio de otros" 138 - , sondern im Gegenteil um die Neubestimmung bestehender Wörter innerhalb der spanischen Sprache, die intuitiv verständlich erscheinen, aber mit dem Problem der Mehrdeutigkeit konfrontiert sind. Das Faktum der Vieldeutigkeit von Begriffen durch den Sprachgebrauch - welches trotz der Ablehnung der Schriftstellerfigur, den Text dem Bereich der Philosophie zuzuordnen, in einem modernen, wittgensteinschen Sinne ein genuin (sprach-)philosophisches Problem darstellt - wird im ersten Gespräch mit Gazel, der sich naiv über ein Hilfsmittel freut, die spanische Sprache besser zu erlernen, ebenfalls expliziert: „Para que nadie se engañe [...], como yo me he engañado, por creer que los verbos amar, servir, favorecer, estimar, y otros tales [...] tienen más que un sentido, siendo así que tienen tantos que no hay guarismo que alcance" (CM, 180). Ñuños Wörterbuch zielt hier - neben der vordergründigen Intention einer Bestärkung der Vaterlandsliebe - auf den Grund eines theoretischen Problems. Denn die behauptete Idee, der Mehrdeutigkeit von Begriffen einer Sprache durch die (Wieder-)Herstellung einer ursprünglichen' Bedeutung zu begegnen, erweist sich bei Wörtern wie,lieben',,schätzen',,bevorzugen' etc., die aufgrund der subjektiven Verankerung der von ihnen transportierten Bedeutung individuell differenziert und damit zwangsläufig mehrdeutig sind, als besonders problematisch.139 So ist auch der erste Begriff, an dem die (unauflösbare)

137 Feijoo: „Defiende el Autor el uso que hace de algunas voces [...]", in: CE 1 (Brief 33), a.a.O., S. 265-273. 138 Ebd., S. 267. Vgl. Kap. 2.5. 139 Zur ,privaten' (abgetrennten) Bedeutung der Begriffe für subjektive Empfindungen und Bewusstseinszustände vgl. Wittgenstein: „Die Wörter dieser Sprache [der privaten Zuordnung von Gedanken und Wirklichkeit] beziehen sich

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Dialektik zwischen dem sentido primitivo der Worte und dem trato civil der Sprache vorgeführt wird, ein solcher, an dem die subjektiven Empfindungen besonders konfliktreich aufeinanderprallen. Im 14. Brief untersucht Ñuño die Bedeutungen, die das Wort „Sieg" annehmen kann: Entre las voces que mi amigo hace ánimo de poner en su diccionario, la voz victoria es una de las que necesitan más explicación, según se confunde en las gacetas modernas. -Toda la guerra pasada -dice Ñuño-, estuve leyendo gacetas y mercurios, y nunca pude entender quién ganaba o perdía. Las mismas funciones en que me he hallado me han parecido sueños, según las relaciones impresas, por su lectura, y no supe jamás cuándo

habíamos de cantar el Te Deum o el Miserere. (CM, 198)

Die sprachphilosophische Überlegung über die Mehrdeutigkeit des Wortes „Sieg", die aufgrund der Abhängigkeit der (nationalen) Perspektiven auf den Sachverhalt entsteht, in dem der Begriff angewendet wird, ist auf intuitive Weise ersichtlich. Das Beispiel des Kriegs zeigt, dass es unmöglich ist, für alle beteiligten Parteien einer unübersichtlichen Abfolge von Kriegszügen ein übereinstimmendes Verständnis vom siegreichen Ausgang derselben zu erhalten. Die theoretische Intention der Herstellung einer ursprünglichen' Bedeutung des Wortes wird offenkundig als ein in der Praxis unmögliches Unterfangen vorgeführt. Nicht alle Worte einer Sprache sind für unstrittige Definitionen geeignet. Die Evidenz (im etymologischen Sinne eines ,Vor-Augen-Führens') des intendierten Selbstwiderspruchs hat an dieser Stelle zunächst die Funktion eines Vorwands, mit der theoretischen Fragestellung in der Praxis nicht den Begriff, sondern den Sachverhalt zu avisieren. Der reflexive Anlass der Szene vermischt sich mit der kostumbristischen Intention. Man ,siehf einen Intellektuellen der frühen 1760er Jahre, der sich in den (gerade wie Pilze aus dem Boden schießenden) Gazetten Madrids über die komplexen Entwicklungen der gescheiterten Invasion Portugals durch Spanien am Ende des Siebenjährigen Kriegs zu informieren versucht.140 Zugleich bietet der Vorwand Anlass für auf etwas, wovon nur der Sprechende wissen karrn; auf seine unmittelbaren privaten Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache [...] nicht verstehen." Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen § 243, a.a.O., S. 356. Zur Identifikation der „guerra pasada" mit dem Familienpakt von 1761 vgl. die Anmerkung von Dupuis/Glendinning in: Cadalso: Cartas marruecas (1966), S. 50. Die 140

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eine ,gefährliche' und eindeutig theologische Reflexion über das Brauchtum religiöser Weihen von Schlachten, deren Angemessenheit - insbesondere bei unklaren Gefechtsausgängen - im 18. Jahrhundert bis in konservative Kreise hinein diskutiert wurde. Die perspektivisch bedingte Austauschbarkeit zwischen dem Te Deum als Ausdruck der Freude über einen Sieg und dem Miserere als Klage über das Leid einer Niederlage führt im Verlauf der sprachtheoretischen Diskussion über die Situationsabhängigkeit der sprachlichen Bewertung zu einer nur vorgeblich auf die Unsicherheit des Begriffs victoria gemünzten, prinzipiellen Infragestellung des Gotteslobs im Angesicht des Todes. Die Formel, auf die Ñuños Wörterbuch am Ende des victoria-Eintrags kommt, gleicht auf frappierende Weise - abzüglich des expliziten Angriffs auf den ,heuchlerischen Klerus' - der Formulierung des Artikels „Guerre" aus Voltaires (verbotenem) Dictionnaire philosophique von 1764: Dase una batalla sangrienta entre dos ejércitos numerosos, y uno o ambos quedan destruidos; pero ambos generales la envían pomposamente referida a sus cortes respectivas. El que más ventaja sacó, por pequeña que sea, incluye en su relación un estado de los enemigos muertos, heridos y prisioneros, cañones, morteros, banderas, estandartes, timbales y carros tomados. Se anuncia la victoria en su corte con el Te Deum, campanas, iluminaciones, etc. El otro asegura que no fue batalla, sino un pequeño choque de poca o ninguna importancia; que no obstante la grande superioridad del enemigo no rehusó la acción [...]. También se canta el Te Deum y se tiran cohetes en su corte. Y todo queda problemático, menos la muerte de veinte mil hombres, que ocasiona la de otros tantos hijos huérfanos, padres desconsolados, madres viudas, etc. (CM, 198f.)141

Auf analoge Weise bestehen die Stellen des Textes, an denen die weiteren Begriffe des Wörterbuchs vorgestellt werden, aus dem gleichen dialektischen Spiel zwischen sprachphilosophischen Explikatio-

Szene lässt sich auch autobiographisch lesen. Zumindest kann man sich vorstellen, wie der junge (suchende) Cadalso als frischer Absolvent des Real Seminario de Nobles genau dieser Intellektuelle ist, der sich gegen Ende des - aus portugiesischer Perspektive - „fantastischen" Kriegs entschließt, aktiv an den Kämpfen teilzunehmen. 141 Vgl. die entsprechende Passage bei Voltaire: „Le merveilleux de cette entreprise infernale, c'est que chaque chef des meurtriers fait bénir ses drapeaux et invoque Dieu solennellement avant d'aller exterminer son prochain." Voltaire: Dictionnaire philoso-

phique, a.a.O., S. 230.

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

nen und allgemeinen kostumbristischen Betrachtungen. Der Nachweis einer eindeutigen Gebrauchsabhängigkeit der „adjetivos bueno y malo" (CM, 240) zum Beispiel, der Anlass für eine nostalgische Reminiszenz jener Zeiten ist, in denen Männer vermeintlich noch zu ihrem Wort standen (und sich nicht diplomatisch weigerten, Stellung zu beziehen), ist Teil einer Szenerie, in der ein Regiment in Formation militärisch abgeschritten wird und einem „general galopando por el frente" sowie dem Zeugen Ñuño „oficiales de distinción y experiencia, soldados veteranos, armas bien acondicionadas, banderas que daban muestras de las balas que habían recibido" etc. (CM, 241) vor Augen geführt werden. Die Analyse des Worts „política, y su adjetivo derivado político" (CM, 266), die in Analogie zu Rousseau 142 auf die Etymologie der griechischen Polis rekurriert, um die Idee eines selbstorganisierten, allein auf der,Tugend' basierenden Gemeinwesens für die „nación española" (CM, 241) fruchtbar zu machen, führt von der linguistisch beklagten „corrupción de esta palabra" (CM, 266) zu einer bemerkenswerten Anklage gegen die korrupten Personen, die unter dem Namen des P o l i tikers' firmieren: Políticos de esta especie [que han usurpado este nombre] son unos hombres que de noche no sueñan y de día no piensan sino en hacer fortuna por cuantos medios se ofrezcan. Las tres potencias del alma racional y los cinco sentidos del cuerpo humano se reducen a una desmesurada ambición en semejantes hombres. [...] La naturaleza pierde toda su hermosura en el ánimo de ellos. [...] Para ellos, todo inferior es un esclavo, todo igual es un enemigo, todo superior es un tirano. La risa y el llanto en estos hombres son como las aguas del río que han pasado por parajes pantanosos: vienen tan turbias, que no es posible distinguir su verdadero sabor y color. El continuo artificio, que ya se hace segunda naturaleza en ellos, los hace insufribles aun a sí mismos. (CM, 266f.)143

142 Vgl. Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 154ff. sowie Sebold: Cadalso: el primer romántico, a.a.O., S. 205ff. 143 Wenn man die (in adeligen Kreisen zeittypische) ,Politikerbeschimpfung' im Zusammenhang mit Cadalsos Angriff auf den Adelsstand im 13. Brief sieht - „Nobleza hereditaria es la vanidad que yo fundo en que, ochocientos años antes de mi nacimiento, muriese uno que se llamó como yo me llamo, y fue hombre de provecho, aunque yo sea inútil para todo" (CM, 197) - so zeigt sich die Radikalität dieser Passage. Im Gegensatz zu Montesquieu, der dem (intellektuellen) Adel die Funktion einer Restauration des politischen Stands zubilligt, funktioniert bei Cadalso die Wiederherstellung des

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Die darauf folgende, auf zwei Briefe verteilte Analyse des Worts „fortuna" (CM, 269f.), die in ein kleines Traktat stoischer Art über den „estado de medianía" und die moralische Notwendigkeit der Vermeidung von Extremen eingebettet ist, bietet zugleich Anlass für eine Mutmaßung über die mögliche Reduktion des metaphysischen Anspruchs auf die Gnade - „¿Para qué quiere el hombre hacer fortuna?" - , um das Glück sodann in die Hände der innerweltlich Handelnden zu legen: „¡Cuán gustoso me sería, decíame yo a mí mismo, el tener en mi mano los medios de hacer bien a mis amigos!" All diese nur kurz (mit Blick auf ihre diskursive Sprengkraft) angedeuteten Beispiele zeigen, dass das stete Umschlagen der sprachlichen Begriffsanalyse in philosophische - und hierin trotz anders lautender Ankündigung auch politische und theologische - Betrachtungen eine Methode ist, die die Cartas marruecas strukturiert. Letztlich bestehen alle Beispiele, die aus den Einträgen von Ñuños Wörterbuch zitiert und in die Briefkommunikation perspektivisch eingebettet werden, aus solchen Begriffen, die dieses Umschlagen notwendig erscheinen lassen. Die besprochenen ,Wörter/ sind just so ausgewählt, dass sie das Prinzip der vorgeblich intendierten Spracherneuerung, nämlich die Rückführung' auf eine gemeinsame Bedeutung, unmöglich machen. Der unmittelbare (etymologische) Sinn der ins Feld geführten Wörter ist evident (und muss also nicht hergestellt werden) und zugleich besteht das, was mit ihnen gesagt wird, zuvorderst aus ihrem Gebrauch (der also nicht sinnentstellend, sondern sinnkonstituierend für die Bedeutung ist).144 Diese vorausweisende Bestätigung einer Dialektik von Signifikant und Signifikat (mit Ferdinand de Saussure ausgedrückt) - bzw. einer Unterscheidung von Sinn und Bedeutung (mit Gottlob Frege)145 - wird bei Cadalso stets auf den widersprüchlichen, in weltanschauliche Gegensätze verstrickten Moraldiskurs zurückgeführt, der vordergründig die subtileren Reflexionen ebenso wie die radikaleren Perspektiven beherrscht. Die Politiker, die ihren Namen

Begriffs', wenn überhaupt, über die hombres de bien, deren immanente Natürlichkeit der „verdadero cosmopolita, o sea ciudadano universal" ist. 144 Auch aus diesem Grund gilt für Cadalso das Modell der (sprachspielerischen) Unterscheidung von Bedeutungsebenen im Don Quijote „[cuyo] sentido literal es uno, y el verdadero es otro muy diferente" (CM, 284). 145 Gottlob Frege (1892): „Über Sinn und Bedeutung", in: Ders.: Funktion, Begriff, Bedeutung, Göttingen 1980, S. 40-65.

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nicht verdienen, weil sie zwischen Wahrheit und Lüge oder Gut und Böse nicht unterscheiden können, disqualifizieren sich am Ende der Mikroerzählung vom Wörterbuchprojekt gerade dadurch, dass sie den Begriffen größtmöglichen Ungleichgewichts zwischen Signifikant und Signifikat - also aus den Bereichen Religion, Politik, Ethik, Recht etc. - keine Bedeutung mehr zuweisen können: Arreglado a la definición de la voz política y su derivado político, según la entiende mi amigo Ñuño, veo un número de hombres que desean merecer este nombre. Son tales, que con el mismo tono dicen la verdad y la men-

tira; no dan sentido alguno a las palabras Dios, padre, madre, hijo, hermano, amigo, verdad, obligación, deber, justicia y otras muchas que miramos con tanto respeto y pronunciamos con tanto cuidado los que no nos tenemos por dignos de aspirar a tan alto timbre con tan elevados competidores. (CM, 286)

Nun beruht die Episode von Ñuños Wörterbuch jedoch nicht allein auf einem Kippspiel von Widersprüchen im Erzählkonzept. Die steten Zweifel und „pessimistischen Untertöne", die Cadalsos Sprachkritik begleiten, sind nicht unüberwindbar.146 Die Passagen der linguistischen Reflexion, die in der Inszenierung der Widersprüchlichkeit verborgen sind, transportieren sehr wohl Ansätze (und Resultate) einer positiven Sprachphilosophie, die sodann - auf ebenso konsequente wie radikale Weise - im stilistischen Konzept des Textes veranschlagt werden. Einige von ihnen tangieren Philosopheme, die erst in der analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts als solche bestimmt werden, so etwa die Betonung der Pragmatik illokutionärer und perlokutionärer Akte im Zusammenhang der Formation von Wort- und Satzbedeutungen im Sprachgebrauch. Hierzu zählen etwa die „cantidades innumerables de ceños, sonrisas, carcajadas, lágrimas, sollozos, suspiros y (para que se vea lo que puede el entendimiento humano) hasta desmayos y accidentes" oder andere „posturas para hablar, escuchar, admirar, despreciar, aprobar y reprobar, extendiéndose esta profunda ciencia Zu den „pessimistischen Untertönen" vgl. Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 255f., S. 295f. Die (proto-)linguistische Analyse führt jedoch nicht in die Resignation. Vielmehr lässt sich sagen, dass eine bestimmte Nu//-Funktion der Sprache - die Ausgang für die sprachliche Erneuerung ist - dramatisch in Szene gesetzt wird: „Se dramatiza el carácter vacío del lenguaje". Michael Iarocci: „Sobre el silencio en las Cartas marruecas", in: Hispanic Review 65 (1997), S. 159-176, hier: S. 171. 146

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teórico-práctica desde la acción más importante hasta el gesto más frivolo" (CM, 286). Auf dieser Ebene wären auch die Darlegungen zur Sprachentwicklung - „en España, como en todas partes, el lenguaje se muda al mismo paso que las costumbres" (CM, 235) - oder zur Übersetzungstheorie - „[sobre] la esclavitud de los traductores del presente [siglo] a sus originales" (CM, 261) - zu nennen.147 Andere Passagen - oder Fragmente der cadalsoschen Philosophie - , die auf die sprachliche Verfasstheit des Textes zurückwirken, stellen grundlegende Fragen nach der Funktion des Literarischen im Zusammenhang mit der Herstellung von Bedeutung in der (sozialen, politischen) Wirklichkeit. Sie zielen darauf ab, an den Anfang des übriggebliebenen theoretischen Problems der Bedeutungsbestimmung durch den Sprachgebrauch die schöpferische Freiheit - im Subjekt eines Schriftstellers - zu setzen. Zu diesen Passagen gehört der 78. Brief, in dem die Cartas marruecas selbst - als „lance que parece de novela" (CM, 172) - einer selbstreflexiven Gattungsanalyse unterzogen werden. An deren Ende werden die „buena poesía" (hier im allgemeinen Sinne der ,fiktionalen Literatur') als „piedra de toque del buen gusto de una nación o siglo" bestimmt und unter den verschiedenen Gattungen - im Nachklang auf die Eruditos a la violeta - die „poesías heroicas y satíricas" als zu diesem Zweck bestgeeigneten ausgewiesen: „son las obras tal vez más útiles a la república literaria, pues sirven para perpetuar la memoria de los héroes y corregir las costumbres de nuestros contemporáneos" (CM, 331). Schließlich gehören zu diesen Passagen auch die über den gesamten Text verstreuten Überlegungen zur vergleichenden, transnationalen und multiperspektivischen Historiographie, welche die zahlreichen Ausflüge Ñuños in die spanische Geschichte und deren heroische Anfänge begleiten.

147 Die Sprachentwicklungstheorie und die Philosophie der Übersetzung werden bei Cadalso auf die Gemeinplätze der defensa del castellano und - mit der stilistischen Prämisse des justo medio - der Barockkritik zurückgeführt: „¿Quién creyera que la lengua tenida umversalmente por la más hermosa de todas las vivas dos siglos ha, sea hoy una de las menos apreciables? Tal es la prisa que se han dado a echarla a perder los españoles. El abuso de su flexibilidad, digámoslo así, la poca economía en figuras y frases de muchos autores del siglo pasado, y la esclavitud de los traductores del presente a sus originales, han despojado este idioma de sus naturales hermosuras, cuales eran laconismo, abundancia y energía." (CM, 261)

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5.4.2. Der Roman als Philosophie der Geschichte. Anmerkungen zur Historiographie Die ,Auszüge' (epítomes) aus der Geschichte Spaniens, die zu Beginn der Cartas erzählt werden, setzen in den frühesten Zeiten an, deren Kunde in einen notwendigen Zusammenhang von Mythologie und Faktizität verstrickt ist. Dennoch,berichtet' Ñuño wie selbstverständlich - in einem „estilo más ameno" (CM, 144) - von den Phöniziern, den Karthagern und den Römern, die in den keltiberischen Stämmen ein ebenso stolzes wie (trotz faktischer Niederlagen wie in Numancia 133 v. Chr.) unbezwingbares' Volk anerkennen mussten.148 Großen Respekt - nach einer Zwischenzeit von „largas revoluciones inútiles de contarse" (CM, 158) - haben auch die Mauren den gotischen Stämmen entgegenzubringen, deren sagenumwobene Könige in Covadonga (um 722 unter Pelayo) und Clavijo (844 mit Hilfe des Maurentöters Santiago) die Reconquista einleiteten, deren Vollendung 1492 in Granada das spanische Weltreich begründete. Ebenso selbstverständlich erscheint die glorreiche Epoche der katholischen Könige Fernando und Isabel - „príncipes que serán inmortales entre cuantos sepan lo que es gobierno" (CM, 159) - , in deren Schatten das schließlich vereinigte Königreich Spanien geradezu zwangsläufig in eine Phase der Dekadenz eintreten musste, deren Höhepunkt (am Ende des 17. Jahrhunderts) den Erzähler ehrfürchtig erschrecken lässt: „En la muerte de Carlos II no era España sino el esqueleto de un gigante" (CM, 160). Die Geschichtsdarstellung selbst hat zunächst narratologisch, in Bezug auf die Perspektiven des Briefromans, den Zweck der pädagogischen Instruktion des Explorers Gazel, der sich über das Land informiert, welches er bereist. Hier fungiert die Hervorhebung einer (unhinterfragbaren) territorialen Identität der nación española - durch alle geschichtlichen Epochen hindurch - auch als Angebot an den konservativ gesinnten Leser. Mit Bezug auf das philosophische Konzept 148 „Los romanos quisieron completar su poder y gloria con la conquista de España, pero encontraron una resistencia que pareció tan extraña como terrible a los soberbios dueños de lo restante del mundo. Numancia, una sola ciudad, les costó catorce años de sitio, la pérdida de tres ejércitos y el desdoro de los más famosos generales; hasta que, reducidos los numantinos a la precisión de capitular o morir [...] arrojaron sus niños, mujeres y ancianos en las llamas, y salieron a morir en el campo raso con las armas en la mano. El grande Escipión [Scipio der Jüngere] fue testigo de la ruina de Numancia, pues no puede llamarse propiamente conquistador de esta ciudad" (CM, 157f.).

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des Romans macht das mehrschichtige Interesse für die Geschichte Spaniens zudem die besondere Haltung Cadalsos deutlich, mit der die komparatistische Methode der Kulturkritik - im Sinne der noch jungen, gleichnamigen Wissenschaft - als eine historische ausgewiesen wird. Der Gegenstand der Gesamterzählung - „los usos y costumbres de los españoles antiguos y modernos" (CM, 145) - erscheint ohne den Rückbezug auf die Geschichte weder vollständig dargelegt noch umfassend verständlich.149 Schließlich erweist sich der gelehrte Diskurs der kritischen Historiographie, der zu Beginn der Epoche mit den novatores entstanden ist, aber auch als ein kompensierendes' Gegengewicht für die Imagination des freien - im Medium der Ironie von der Faktizität entkoppelten - literarischen Schreibens (auf dem Weg zur narrativen imparcialidad und zum stilistischen justo medio).150 Auf experimentelle Weise führen die Cartas in den als dialogisch inszenierten Interpretationen historischer Begebenheiten vor Augen, dass das theoretisch angestrebte Ideal der Unmittelbarkeit von Sprachgebrauch und Bedeutungsschöpfung sowohl in der Dichtung als auch in der Historiographie nur dann annähernd erreichbar ist, wenn man beide als subjektive Prozeduren der Wirklichkeitsimitation zusammendenkt. Dieser letzte Punkt hat in der Kritik zu vielen Deutungsschwierigkeiten und Missverständnissen geführt. Cadalsos Geschichtskonzept ist vor allem auf den Prozess der Versprachlichung orientiert, der in der (und durch den die) Überlieferung historischer Ereignisse stattfindet.151 Die umstrittene Verteidigung der Kolonisierung Neuspaniens und die Darstellung der glorreichen Eroberungszüge von „Der Blick auf die Vergangenheit ist der Schlüssel für das Verständnis der [...] Spanienanalyse". Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 169. 150 „Las reservas de Cadalso por la poesía heroica y [...] por la epopeya encuentran su compensación en la historiografía, la cual es para él un género literario [...] y un magnífico exponente de la mejor prosa castellana". Angel San Miguel: „Las ideas literarias en las Cartas Marruecas de J. Cadalso", in: Iberoromania 50 (1999), S. 100-121, hier: S. 108. 151 „Hay que contar con el subjetivismo de los que escriben la historia". Lope: „,Pongamos la fecha desde hoy...'", a.a.O., S. 219. Hierin unterscheidet sich Cadalsos Beitrag zur Philosophie der Geschichte von der realistischen Prämisse - „investigar con ojos políticos los hechos reales" - der politischen Aufklärer. Zur besonderen „alianza entre la historia y literatura", die auch im Kern der Philosophie Capmanys installiert ist, um ein „clima de cambio político por medio de una conciencia histórica" zu erzeugen, vgl. Jüttner: „El historiador filósofo", a.a.O., S. 122f. 149

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Hernán Cortés als „heroísmo sin igual" (CM, 184) sind kein bloßer Ausdruck eines apologetischen Konservatismus, der die zeitgenössische Aufarbeitung der Grausamkeiten und Gewaltexzesse im Kampf gegen die Mexikaner ignorierte, sondern stellen - analog zur Anlage in der Defensa de la nación española - eine Perspektive' im mit Frankreich und Montesquieu geführten interkulturellen Diskurs der (schädlichen) gegenseitigen Aufrechnung von Gewalttaten dar. 152 Desgleichen beinhaltet die im spanischen Kontext vordergründig auf Feijoo rekurrierende Idee, im Zuge der interkulturellen Verständigung eine allgemein verbindliche Universalgeschichte durch Zusammenarbeit internationaler Forschergruppen herzustellen, eine Auseinandersetzung mit der französischen Enzyklopädie. 153 „No creo que se pueda ver jamás una historia universal completa, mientras se siga el método de escribirla uno solo o muchos de un mismo país" (CM, 277). Eine Universalgeschichte, die - wie es in der ironischen Engführung dieses Punktes heißt - auch die Hottentotten und Patagonier zufrieden stellte (CM, 280), erscheint aus Cadalso Sicht prinzipiell nicht möglich. 154

152 „Los pueblos que tanto vocean la crueldad de los españoles en América son precisamente los mismos que van a las costas de África a comprar animales racionales de ambos sexos a sus padres, hermanos, amigos, guerreros victoriosos, sin más derecho que ser los compradores blancos y los comprados negros" (CM, 182). Vgl. die analoge Passage über die relative Besonnenheit' der spanischen Inquisition im Vergleich zu den Exzessen der Pariser Bartholomäusnacht von 1572 in der Defensa, a.a.O., S. 25-28. Der Angriff richtet sich hier auf die „Pseudo-Humanität, die sich über Gräuel entrüstet, die niemand mehr ändern kann und dabei Gräuel duldet, die sehr wohl geändert werden könnten". Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 185. Zu den Referenzen von Cadalsos Cortés-Darstellung - insbesondere Montesquieu, Voltaire und Raynal - s. ders.: „Cadalso y Hernán Cortés", in: Dieciocho 9 (1986), S. 188-200, hier: S. 189f. 153 Vgl. die entsprechende Skizze im 57. Brief: „Pues señale cada nación cuatro o cinco de sus hombres los más ilustrados, menos preocupados, más activos y más laboriosos, trabajen éstos a los anales en lo respectivo a su patria, júntense después las obras que resultan del trabajo de los de cada nación, y de aquí se forma una verdadera historia universal" (CM, 277). Feijoo beschrieb 1753 ein analoges Projekt in seinen Überlegungen zur Historia General de Ciencias, y Artes, in: CE 4 (Brief 10), a.a.O., S. 118ff. Die (ideologisch) näher liegende Referenz Cadalsos ist Voltaires Kritik an Bossuets Histoire universelle in der Einleitung des Essai sur les mœurs. Zur Skepsis Cadalsos mit Blick auf das Projekt der aufgeklärten Universalgeschichte vgl. a. Güntzel: Die Cartas Marruecas, S. 80ff. 154 Die Geschichte der Eroberung Mexikos erweist sich aus der ,marokkanischen' Perspektive Gazeis - vor dem Hintergrund einer inexistenten Universalgeschichte somit folgerichtig als reine Magie: „He leido la toma de Méjico, [...] y te aseguro que

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Die primäre Funktion der theoretischen Erläuterungen zur Historiographie, die in den Briefen 57 und 59 die voranstehenden Geschichtsdarstellungen beleuchten, besteht sodann darin, zu zeigen, dass die Beschreibung historischer Ereignisse ein philosophisches Problem darstellt. Bei Cadalso ist ähnlich wie bei Feijoo die Frage der Unterscheidung von Faktizität und Fiktionalität (Historia und Fábula)155 auf einer theoretischen Ebene verankert. Cadalso geht jedoch insofern über Feijoo hinaus, als er die behauptete Unmöglichkeit einer solchen Unterscheidung156 auf eine Ebene der sprachanalytischen Pragmatik überführt, von der aus die Frage nach der Funktion und der Reichweite des Literarischen zu neuen Ufern gelangt: Un hecho no se puede escribir sino en el tiempo en que sucede, o después de sucedido. En el tiempo del evento, ¿qué pluma se encargará de ello, sin que la detenga alguna razón de estado, o alguna preocupación? Después del caso, ¿sobre qué documento ha de trabajar el historiador que lo transmita a la posteridad, sino sobre lo que dejaron escrito las plumas? (CM, 279)

Welche Entscheidung folgt aus der Alternativlosigkeit, Historiographie weder unmittelbar noch aus der Distanz betreiben zu können (ohne in einen Zirkel des Schreibens über das Schreiben zurückzufallen)? Die Ideale der imparicalidad und des justo medio sind hier die (immanenten) Modelle eines subjektiven Sprachgebrauchs, welcher zwar stets von einer (diskurspolizeilich kontrollierten) ,Staatsraison' aufgefangen wird, sich aber zugleich für die Bedeutung der zentralen Begriffe sozialer und politischer Zusammenhänge selbst als konstitutiv erweist. Auf der Ebene der Geschichte erscheint der analytische Zusammenhang von Philosophie und Literatur notwendig: Die Zeit selbst ist der philosophische Grund für die Verknüpfung des literarischen Konzepts mit der Historiographie. Und umgekehrt stellt die Geschichtsschreibung jenen Diskurs dar, an dem die grundsätzliche Beziehung zwischen der Sprache und ihrer sozialen Umgebung als eine Relation der Zeitlichkeit verdeutlicht

todo parece haberse ejecutado por arte mágica: descubrimiento, conquista, posesión, dominio son otras tantas maravillas" (CM, 167). 155 Vgl. Feijoo: „Divorcio de la Historia y la Fábula" (TCU V, 8). 156 „Sólo las plumas del Fénix pueden servir para escribir una Historia". Ders.: „Reflexiones sobre la Historia", a.a.O., S. 163. Vgl. Kap. 2.5.

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werden kann. Dieses theoretische Fundament des Literarischen ist sodann auch der Differenz der Gattungen vorgeordnet: Equivoqúese la fábula con la historia, sin más diferencia que escribirse ésta en prosa y la otra en verso; sea la armonía diferente, pero la verdad la misma, y queden nuestros hijos tan ignorantes de lo que sucede en nuestro siglo como nosotros lo estamos de lo que sucedió en el de Eneas. (CM, 280)

In Cadalsos philosophischem Denken, das in Ñuños Wörterbuchprojekt als Experiment präsentiert wird, zeigt sich die Notwendigkeit des Zusammenspiels von Theorie und Praxis literarischer Sprachschöpfung. Dort, wo die defirtitorische Verknüpfung von Begriffen und Bedeutungen, die für eine Gesellschaft wesentlich erscheinen - wie Vaterland, Patriotismus, Sieg, Glaube, Wissen, Geschichte - in theoretische Aporien führt, gilt es nicht allein, Worte neu zu bestimmen (was subjektiv und unsystematisch geschieht), sondern auch durch die Sprache auf die Sachverhalte unmittelbar einzuwirken (ohne in das Extrem des präskriptiven Moralismus umzuschlagen). So erklärt sich, warum der literarische Historiker Cadalso behauptet, dass die Menschen aus der Geschichte - insbesondere wenn diese wie in Europa als ein „libro de los reyes" (CM, 279) begriffen wird (und das Leben der meisten Untertanen unberücksichtigt lässt) - nicht lernen können.157 Nur eine „relación exacta de los hechos principales de los hombres" könnte „lecciones de lo que ha de hacer" enthalten. Diese ist jedoch realiter nicht denkbar: „Pero ¿dónde se halla esta relación y esta noticia? No la hay, Ben-Beley, no la hay, ni la puede haber." (Ebd.) Die Geschichte wiederholt sich nicht. „Prosígase, pues, escribiendo la historia como se hace en el día" (CM, 280). In der Konsequenz der Unmittelbarkeit, die die Philosophie der Geschichte beansprucht, wird die literarische Sprachschöpfung als besondere Form des subjektiven Sprachgebrauchs an den Anfang des Verhältnisses zwischen Worten und Sachverhalten gesetzt.

157 „El,filósofo' Cadalso no acepta de cierta historiografía europea de su tiempo, que él bien conoce, la tendencia a las abstracciones uniformantes, radicalmente racionalistas. Por lo contrario, reconoce la realidad de los procesos individualizantes que han llevado a la constitución de las naciones, entidades dotadas de elementos distintivos peculiares, fundamentalmente éticos, no metafísicos y de allí modificables". Rinaldo Froldi: „Apuntaciones sobre el pensamiento de Cadalso", in: Di Pinto/Fabbri/ Froldi (Hg.): Coloquio internacional sobre José Cadalso, a.a.O., 141-154, hier: S. 149.

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Der historiographische Diskurs fungiert also nicht allein als Gegengewicht für die Ausschweifungen der poetischen Imagination. Die Literatur - „lo lucido de la literatura" (CM, 362) - hat ihrerseits im Konzept der selbstreflexiven Prosa eine kompensierende Funktion.158 Sie wird insbesondere in jenem Bereich des Geschichtswissens veranschlagt, in dem das defizitäre Verhältnis zwischen der Sprache und den Gedanken sowohl für den Gegenstand als auch die Reflexion selbst begründenden Charakter hat: im Bereich der Beziehungen der Menschen zur ihrer Zeit.

5 . 5 . D E R STIL DES JUSTO

MEDIO

Versuchen wir abschließend, die verschiedenen Stränge des cadalsoschen Prosakonzepts auf einer Ebene (des Textes) zusammenzuführen. Hierfür bietet sich noch einmal der Begriff des justo medio an, der den Stil der konzeptuellen Antagonismen trägt, die in den Cartas narratologisch inszeniert werden. Cadalso kreiert auf der Grundlage des Briefromans ein System der prinzipiellen Ausgleichsmöglichkeit zwischen philosophischen und ideologischen Anschauungen, die im zeitgenössischen Diskurs mit Blick auf die Spanienfrage vorkommen. Die Diskussion der verschiedenen Perspektiven, die der Text aus den diskursiven Umgebungen,imitiert' und auf der Grundlage des (literatur-)ethischen Prinzips der imparcialidad in den textuellen Katalysator einspeist - d.h. auf die verschiedenen Stimmen der Briefkommunikation verteilt - , lässt sich im Grundsatz auf die Haltung einer perfekten Selbstzensur des Autors (im Geist der stoischen Mäßigung) zurückführen.159 Andersherum 158 „Cadalso crea una mítica ,España verdadera'". Hughes: fosé Cadalso, a.a.O., S. 64. Vgl. a. Maravall („El pensamiento político de Cadalso", in: Estudios, a.a.O., S. 34): „El hombre de mentalidad tradicionalista hacía del pasado norma de obligatorio acatamiento; el hombre ilustrado presentaba a la historia como el panorama de todos los errores humanos. Para Cadalso la historia es proceso creador del carácater, del modo de ser privativo de un pueblo y su actitud no puede confundirse ni con la de unos ni con la de otros."

Als Erfolg des literarischen Konzepts lässt sich die Tatsache werten, dass die Cartas selbst - trotz einer Prüfung, die im Prinzip vier Jahre lang gedauert hat - kaum Beanstandungen durch die Zensur erfahren hat. Im Votum der Academia Española, die vom Consejo de Castilla mit der Prüfung beauftragt wurde, heißt es (aus der Feder eines Herrn Antonio de Angulo) im Februar 1775: „parece a la Academia que puede ser útil la Crítica que se hace en ellas [las Cartas Marruecas escritas por don Josef Vázquez] 159

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lässt sich auch sagen, dass der Text aus dem Panorama der Diskurse auf subtile Weise eine solche Auswahl an Elementen begrifflich miteinander verknüpft, dass die Position des Autors zwar nie eindeutig (bzw. inquisitorisch justiziabel) fixiert werden kann, aber dennoch - im Medium der narrativen Polyphonie - zum Ausdruck kommt. Die kunstvolle Verknüpfung der Philosopheme, die in der Rückführung auf vermeintlich unschuldige Fragen der Semantik hervorscheint - bevor sie im Epilog vorgeblich der satirischen Lächerlichkeit preisgegeben wird - , bietet dem befreundeten ebenso wie dem feindlich gesinnten Leser ein reichhaltiges Angebot an Möglichkeiten, das präsentierte Spanien-Panoptikum gemäß den Grundströmungen des politischen Denkens der Zeit160 entweder konservativ-traditionalistisch, absolutistisch-aufgeklärt, liberal-aufgeklärt oder auch radikal (rousseauistisch) zu interpretieren. Würde man versuchen, eine politische Mitte aus den angeführten Perspektiven zu suchen, böte sich die Leere an. Die als nützlich erachteten Momente der Reform - die Förderung der Wissenschaften, die Ethik der Arbeit, die Erziehung der Talente, die Erneuerung der Geschichtsschreibung etc. - passen ebenso wenig wie die Transzendierung des Spanischen und der (ostentative) ästhetische Traditionalismus - die Überhöhung des Goldenen Jahrhunderts oder die Abkehr vom Barock etc. - zu den radikalen Angriffen, die aus dem Geist des Kosmopolitismus an die Institutionen der spanischen Politik: „la virtud está muy desairada en la corrupción del mundo para tener atractivo alguno" (CM, 268) und der katholischen Kirche: „una religión verdaderamente divina, y por consiguiente digna de que se trate con la más profunda circunspección" (CM, 329) gerichtet werden. Unhinterfragt kann nicht einmal die Vaterlandsliebe bestehen: „El amor de la patria es ciego

de las costumbres antiguas y modernas de los Españoles para corregir varios abusos que en éstas se han introducido". Zit. in: Glendinning: „New Light on the Circulation of Cadalso's Cartas Marruecas", a.a.O., S. 137. In diesem Zusammenhang sind auch die genauen Kenntnisse der inquisitorischen Techniken angeführt worden, über die Cadalso verfügte, der selbst als Zensor für den Consejo arbeitete und in dieser Funktion über die Übersetzungen französischer Komödien zu befinden hatte: „Cadalso [...] no ignoraba los criterios que se solían aplicar". G. Demerson: „Cadalso y el secreto", in: Di Pinto/Fabbri/Froldi (Hg.): Coloquio internacional sobre José Cadalso, a.a.O., S. 79-104, hier: S. 81. Vgl. a. Philip Deacon: „Cadalso, censor del Consejo de Castillas", in: Revista de Literatura 38 (1970), S. 167-173. i6o Ygj Fernández Díaz: „Introducción", in: Ders. (Hg.): España en el siglo XVIII, a.a.O., S. 49.

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como cualquiera otro amor" (CM, 252). Im Angesicht der Leere, die sich im Zentrum der antagonistischen Konstruktion auf der Ebene des inhaltlichen Perspektivenspiels auftut, wird auch der Pessimismus verständlich, der sich im Text zuweilen (aus Ñuños Mund) Bahn bricht: „La miseria humana se proporciona a la edad de los hombres; va mudando de especie, conforme el cuerpo va pasando por edades, pero el hombre es mísero desde la cuna al sepulcro" (CM, 269).161 Was bleibt, ist die Mitte als stilistisches Ethos. Hier dient der Begriff des justo medio vor allem als selbstreflexiver Ausdruck einer sprachlichen Haltung, die den Text prägt und dem inszenierten Problem der Leere und der Unentscheidbarkeit auf einer formalen Ebene begegnet. „Este justo medio es el que debe procurar seguir un hombre que quiera hacer algún uso de su razón" (CM, 149), sagt der Erzähler der Einleitung und orientiert damit die mise en abyme der Hinweise auf die Textherstellung. Das Telos dieses Stils im aristotelischen Geist der,rechten Mitte' - bzw. des Ausgleichs zwischen Übermaß und Mangel - ist so gesehen ein sich selbst zurücknehmender Null-Stil zum Zweck der optimalen Kommunikabilität. Ihm sind wir in anderer Form schon einmal bei Feijoo begegnet (vgl. Kap. 2.5). Was Cadalso seinen „estilo más ameno" (CM, 144) nennt, ist die Konkretion eines stilistischen Ideals, das, wie Marichal schreibt, auf eine prinzipielle Integrität des Ausdrucks (im Sinne der Vollständigkeit und der Unversehrtheit) abzielt: „El ideal estilístico del,justo medio' responde [...] a un persistente deseo de integridad expresiva [...] entre las palabras y las creencias".162 Technisch entspricht das Herstellungsprinzip dieses Null-Stils einem „castellano puro, fluido, natural [...] y genuino" (CM, 303), dessen Ziel die Reduktion von Stilblüten und Tropen nicht nur barocker Provenienz, sondern auch der zeitgenössischen Sprache der Ilustrados ist.163 Sofern es 161 In den Noches lúgubres wird der Ausdruck dieser pessimistischen Konsequenz des cadalsoschen Denkens - im Medium des (proto-)romantischen Weltschmerzes - so dramatisch in Szene gesetzt, dass nach ihm nur noch der (ersehnte) Tod steht. 162 Marichal: La voluntad del estilo, a.a.O., S. 192. Auf diese Weise erzeugt der perfekt moderierte Null-Stil der literarischen Sprache das Modell einer unmittelbaren venerischen' Kommunikation zwischen den Menschen (als Menschen, jenseits der Klassen und Kulturen): „Cadalso [...] concebía la actividad literaria como un proceso de identificación del autor y de los lectores con un modelo humano genérico" (ebd., S. 191). 163 Zur Charakterisierung des Stils der Cartas marruecas als „castellano puro" oder „sublime" (das als Modell für den Spanischunterricht an US-amerikanischen Schulen verwendet wurde) vgl. Dupuis/Glendinning: „Prólogo", a.a.O., S. XXXVII-XLII; sowie

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in der Reinheit einer solchen Sprache überhaupt ein besonderes Merkmal gibt, so sind die antithetischen Konstruktionen von Begriffen und Sätzen zu nennen, deren Bedeutungen durch die Gegenüberstellung von ihren ursprünglichen Polen an die leere Mitte geführt werden. Das Stilmittel der Antithese prägt auf so omnipräsente Weise jeden Brief, der auch nur ansatzweise ein kostumbristisches Thema entwickelt, dass zuvorderst der (selbst-)ironische Tonfall heraussticht, in dem Gazel den stilkritischen Satz seines Lehrers Ñuño wiedergibt: „Prescindiendo de la corrupción de la lengua, consiguiente a la de las costumbres, el vicio de estilo más universal en nuestros días es el frecuente uso de una especie de antítesis, como el del equívoco lo fue en el siglo pasado." (CM, 240). Das folgende Beispiel der Literaturkritik zeigt jedoch sehr schön, wie der antithetische Stil zwei verschiedene Gegenstände - hier das Problem der Fiktionalität in der „Historia" des Don Quijote und den literarischen Wettstreit zwischen den europäischen Nationen des 18. Jahrhunderts -, die außer der Assoziation über den Begriff der Literatur nichts miteinander zu tun haben, in einer formalen Analogie hält und inhaltlich mit der Mikroerzählung des Wörterbuchs verknüpft: En esta nación hay un libro muy aplaudido por todas las demás. Lo he leído, y me ha gustado sin duda; pero no deja de mortificarme la sospecha de que el sentido literal es uno, y el verdadero es otro muy diferente. Ninguna

obra necesita más que ésta el diccionario de Ñuño. Lo que se lee es una serie de extravagancias de un loco, que cree que hay gigantes, encantadores, etcétera; algunas sentencias en boca de un necio, y muchas escenas de la vida bien criticada; pero lo que hay debajo de esta apariencia es, en mi concepto, un conjunto de materias profundas e importantes. Creo que el carácter de algunos escritores europeos (hablo de los clásicos de cada nación) es el siguiente: los españoles escriben la mitad de lo que imaginan; los franceses más de lo que piensan, por la calidad de su estilo; los alemanes lo dicen todo, pero de manera que la mitad no se les entiende; los ingleses escriben para sí solos. (CM, 284f.)

Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 283-292. Vgl. a. Juan Tamayo y Rubio: „Cartas marruecas del coronel don Joseph Cadalso", in: Anales de la Facultad de Filosofía y Letras

de la Universidad de Granada 2 (1926), S. 123-136, 3 (1927), S. 5-65; sowie ders. (1935): „Prólogo", in: Cadalso: Cartas marruecas, Madrid 1971, S. IX-XLVI, hier: S. XXXIXff. Zur den Techniken der stilistischen „imparcialidad" und „exemplaridad" vgl. Edwards: Tres imágenes de José Cadalso, a.a.O., S. 82f., S. 90-95; Hughes: José Cadalso, a.a.O., S. 71ff., S. lOlff.; sowie Dale: Novela innovadora, a.a.O., S. 139-172.

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In der Praxis (der ostentativen Akkumulation) ist die Antithese das ideale Mittel, um gegensätzliche Ideologeme auf einer formalen Ebene der Sprache zusammenzubringen und zu neutralisieren. Genau an dieser Stelle kommen in den Cartas marruecas die mit dem Begriff des „perspectivismo"164 verknüpfbaren Ebenen der Literatur und Philosophie zusammen. Wenn Cadalsos actitud crítica „literarisch gesprochen, einen Mittelweg zwischen Satire und Apologie [sucht]",165 so hängt der Erfolg dieses Versuchs damit zusammen, dass die antithetische Stilistik das oben beschriebene Versteckspiel der Aussageebenen in einer beinahe vollkommenen Schwebe hält. Die Positionen der Rede sollen im Kippspiel aus Exposition und Dekonstruktion ihrer semantischen Topoi offen bleiben. Diese Offenheit ist das (immanente) literarische Telos des Romans, das der Einleitung zufolge in der Tradition der „inmortal novela" des Miguel de Cervantes verortet wird. Es sind die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, mit denen der Don Quijote spielt, die ihrerseits im perfekten Maß des „justo medio" aufgehoben werden: „Si aceptamos las cartas como auténticas [...], se lee la obra como ficción".166 Auf der Grundlage dieses in seiner Offenheit recht komplexen „labyrinthischen Experiments"167 wird schließlich auch das dialektische Verhältnis von Ironie und Ernsthaftigkeit, das in den Eruditos - ebenso wie zuvor in Islas Fray Gerundio - an die Grenzen der satirischen Destruktion geführt worden war, in einer möglichst systematischen Unentscheidbarkeit aufgehoben.168 Das heißt nicht, dass die Erzählung auf den Begriff der Wahrheit als Fundament eines Text-Leser-Vertrags verzichten würde: „Deseo sólo ser filósofo, y en este ánimo digo que la Francisco García Moreno: „El perspectivismo literario y filosófico de las Cartas marruecas de Cadalso", in: Tropos 17 (1991), S. 61-70. 165 Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 102. 166 Iarocci: „Sobre el silencio en las Cartas marruecas", a.a.O., S. 166. 167 Dale: Novela innovadora, a.a.O., S. 140. 168 Historisch steht der Roman somit an der Schwelle einer linguistischen (und sprachanalytischen) Epistemologisierung der Ironie als Trope, die prinzipiell - sofern sie perfekt angewendet wird - unentscheidbar und von jedem (semiotischen) Kennzeichen losgelöst ist. Auf unmittelbarer Ebene, diesseits der Tropen, ist die Spannung, die durch die Ironie in die Sprache gebracht wird, allein pragmatisch - im Akt der Rezeption - auflösbar: „There is no irony [...] unless pain accompanies laughter". Alan R. Thompson: The Dry Mock. A Study of Irony in Drama, Berkeley/Los Angeles 1948, S. 47. Zu Cadalsos subtiler Ironie vgl. a. Santos: „La naturaleza del discurso irónico", in: Ders.: El discurso dieciochesco español, a.a.O., S. 91-96. 164

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verdad sola es digna de llenar el tiempo y ocupar la atención de todos los hombres" (CM, 281). Es steht dem Leser frei, die Eindeutigkeit der Ironie - wie zum Beispiel die Parodie auf das christliche Glaubensbekenntnis im 82. Brief - auch ohne Kennzeichen als solche genau zu erkennen.169 Das Problem der in Unkenntlichkeit aufgehobenen Ironie erschwert die Unmittelbarkeit der Leserkommunikation. Zugleich führt die Auslotung der Intensitätsgrade zwischen den Polen der Ironiefreiheit - der positiven Imitation - und dem Umschlagen der Ironie in den (menippeischen) Sarkasmus dazu, dass die Handlung des literarischen Schreibens (in regelbefreiter Prosa) an den Anfang der Wahrheit gesetzt wird und so den Prozess der Bedeutungsentscheidungen auslöst: „Nadie me lo puede impedir, sino la verdad; y ésta, has de saber que no ata las manos a los escritores" (CM, 169). Schließlich wird in Cadalsos Cartas durch die Ausdifferenzierung der Möglichkeiten philosophischer Sprachkritik jenseits der harmlosen, exzessiven oder stets nur das Gegenteil sagenden Satire ein Meilenstein in der spanischen Prosaliteratur der Spätaufklärung gesetzt. „La prosa es severa, mal contentadiza: nada disimula, nada oculta", lautet die (präskriptive) Definition Capmanys von 1786.170 Exakt das Gegenteil ist bei Cadalso der Fall. Die Prosa Cadalsos, die sich unter bestmöglicher Ausklammerung der Staatsraison dem Ziel der Regelaufhebung verschrieben hat, ist in der Sache heiter und eingänglich. Zugleich wird in der Form geradezu alles verschleiert, bis hin zu den Mechanismen der Verschleierung selbst. Angesichts der fließenden Gattungsgrenzen im 18. Jahrhundert ergibt die stilistische Analyse der Sprache der Cartas marruecas eine - auch im europäischen Kontext wegweisende diskursive Verknüpfung zwischen dem Roman als einem Gefüge empiristischer literarischer Technik und einer rationalistischen, gegen die Metaphysik gewendeten Philosophie. Zwar muss der endgültige Status des Textes in Ermangelung eines authentischen Manuskripts unklar bleiben, so dass es prinzipiell denkbar wäre, dass der glatte Raum der Sprache in Cadalsos Cartas zum Teil auch durch

169 Der „Ernst" (le sérieux) der Ironie lässt sich als ein besonderes Merkmal dieses Literaturkonzepts festmachen. Vgl. Michel Dubuis: „La,gravité espagnole' et le,sérieux'. Recherches sur le vocabulaire de Cadalso et de ses contemporains", in: Bulletin hispanique 76, Nr. 1/2 (1974), S. 5-91, hier: S. 9f. 170 Capmany: Teatro histôrico-critico, Bd. 1 („Discurso preliminar"), a.a.O., S. VII.

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editorische Glättungen des Stils zustande gekommen sein könnte.171 In jedem Fall stellt das perfekt dekonstruierte Gleichgewicht zwischen der Ironie als Stilmittel und dem Humor als Haltung von Cadalsos Prosakonzept einen Abschluss jener literarischen Epoche dar, die mit dem konstruktivistischen Essay Feijoos begonnen hat.

171 Die kritischen Ausgaben des 20. Jahrhunderts beruhen auf der Grundlage von vier überlieferten Manuskripten, von denen keines aus der Hand Cadalsos stammt. Fragmentarische Varianten mit andalusischen Sprachfärbungen, die frühere Rohfassungen des Autors darstellen, finden sich bei Glendinning: „New Light", a.a.O., S. 143-147.

6.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Im 18. Jahrhundert hebt die Literatur an, sich auf neue Weise zu denken. Die (Selbst-)Reflexion der Literatur über das Wesen und die Funktionen des Literarischen geschieht im Zuge eines Paradigmenwechsels an der Schwelle der Institutionalisierung der geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Das /Konzept', das ich meiner Untersuchung der spanischen Aufklärungsprosa zugrunde gelegt habe, rekurriert auf diese neue Form des Fragens nach dem Verhältnis zwischen Philosophie und Literatur, die in „Nicht-Entschiedenheit oder gegenseitige[r] Inklusion" 1 nunmehr interdisziplinär aufeinander verweisen. Der vorliegende Beitrag schöpft einerseits aus dem zeitgenössischen Geist der vordisziplinären Verwandtschaft von Literatur und Philosophie als analogen Praktiken des Denkens im Medium der Sprache. Andererseits ist er insofern ein Kind der genannten disziplinären Trennung der Töchter der Philologie, als aus einer literaturwissenschaftlichen Perspektive versucht wird, Antworten auf eine philosophische Frage - „Was ist Aufklärung?" - zu geben. Auf die Beschreibung der diskursiven und epistemologischen Bedingungen (in Kap. 1), die es im Spanien der Zeit von ca. 1725 bis 1800 ermöglichen, das europäische Problem der Aufklärung als eines der Ilustración zu stellen, folgen (in den Kap. 2-5) Studien einzelner Werke, die dem Nachweis der Entwicklungen literarischer Selbstkonzeptionen verpflichtet sind. 1

S. 8.

Hom/Menke/Menke: „Einleitung", in: Dies.: (Hg.): Literatur als Philosophie, a.a.O.,

Die Prosa der spanischen Aufklärung

490

Die methodische Orientierung meiner Perspektive ist im ursprünglichen Sinn des Begriffs eine „philologische": eine Frage nach den zeitgenössischen Bedingungen der Liebe zur Vernunft und zur Sprache.2 Sprache und Vernunft sind zwei Kernbegriffe, an die eine metadiskursive Gemeinsamkeit geknüpft ist, welche die (wenigen großen) Schriftsteller, die im Siglo 18 zur Autonomiebewegung der Literatur beitragen, mit all ihren Gegnern, Anfechtern und Kontrolleuren teilen: eine allgemeine „Sorge um Spanien"3 und um die Rückständigkeit - „el atraso que se padece en España en orden a las Ciencias"4 - , die im Hinblick just auf den Fortschritt der Vernunft und das durch Sprache vermittelte Wissen (von diesem Fortschritt) zum Ausdruck gebracht wird. Die Methode und der Gegenstand der Darstellung treffen hier zusammen. Der Begriff der ,Literatur7, den ich auf das Beispiel der Prosa beschränke, um den Institutionsprozess der literarischen Autonomie vor dem Hintergrund der Reflexion immanenter Gattungsregeln näher zu beleuchten, lässt sich zu Beginn der Epoche noch in recht offener Weise als eine rein technische' Prägung der Sprache verstehen, die zwischen verschiedenen, sich parallel formierenden Diskursen verortet ist.5 Die im Verlauf der Epoche sich herausbildende „literarische Prosa" steht zum einen (diachron) im Licht der großen Romantradition des Siglo de Oro - wobei sich der Romanbegriff ebenfalls erst im 18. Jahrhundert etabliert - und zum anderen (synchron) in Konkurrenz zu verschiedenen proliferierenden Formen von (Prosa-)Texten der neuen Wissenschaften, inkl. den religiösen, politischen oder moralischen (Polizey-)Traktaten über die Literatur. Aus der Perspektive der Regierungsbeauftragten für Literaturpolitik - den Agenten der staatlich dirigierten' (im Gegensatz zur,autonomen') Ilustración - stellen Ciencias, Literatura y Artes, die noch 1803 im Titel von Quintanas journalistischem Prosa-Kompendium zusammenstehen,6 analoge Begriffe dar, die dem gleichen übergeordneten (extra-literarischen) 1 „Da die Sprache ein Abbild der menschlichen Vernunft ist, so steht die Philologie mit der Philosophie in genauer Verwandtschaft." W. T. Krug: Encyklopädisch-

philosophisches Lexikon, Bd 3, Leipzig 1833, S. 209.

Julián Marías: La España posible, a.a.O., S. 21. Feijoo: Cartas eruditas, y curiosas, Bd. 2 (Brief 16), a.a.O., S. 215. 5 Zu Beginn der Epoche gilt für den Begriff der Prosa, dass er „más como vehículo de ideas que como forma literaria o artística" (Alvarez Barrientos: La novela, a.a.O., S. 31) zu verstehen ist. 3

4

6

Quintana: Variedades de Ciencias, Literatura y Artes. Obra periódica, M a d r i d 1803.

Zusammenfassung und Ausblick

491

Telos gesellschaftlicher Optimierung verschrieben sind. Ein wesentlicher Aspekt unserer Erzählung der Geschichte der spanischen Aufklärung galt somit der Frage, wie die Literatur sich gegenüber der,Wissenschaff und der ,Kunsf - die mehr als eine ,Technik' ist - auf autonome Weise ausdifferenziert und welche Strategien und Begriffe der Selbstkonzeption sie dafür zugrunde legt. Die Prosatexte (von gewisser Extension), denen es gelingt, sich auf überzeugende Weise ihre Autonomie zu erkämpfen, sind in Spanien jedoch vergleichsweise selten. Die besonderen Bedingungen der praktisch nicht vollzogenen Säkularisierung und politischen Emanzipation von der absolutistischen Staatsidee, die in der Breite die regional zersplitterten Gesellschaften südlich der Pyrenäen prägen - und zu einer eigentümlichen Koalition des Konservatismus zwischen dem müßigen Hochadel und der illiteraten Masse der Bevölkerung führen - , tragen zu einer Verknappung der intellektuellen Ressourcen bei. Mit Bezug auf die literarische Produktion gilt für die gesamte Epoche gattungsübergreifend, dass die meisten im 18. Jahrhundert gedruckten Texte per Auftrag oder Zensur im Dienst der dirigistischen Teleologie stehen oder in denselben gedrängt werden. Das heißt allerdings nicht - an diesem Punkt kommt keine hispanistische Studie über das 18. Jahrhundert umhin, die Frage der Rechtfertigung zumindest zu berühren - , dass es in Spanien keine Autoren gegeben hätte, deren Prosa hinsichtlich des Reichtums der Gedanken und des Ausdrucks nicht an die großen Texte der französischen Lumières heranreichen würde. Vielmehr finden die selteneren Werke der Spanier ihren Weg der künstlerischen Modellierung der sie umgebenden Welt im Modus einer über die Zeit sich verfeinernden stilistischen Subtilität. Den Grundstein für diese neue Form der künstlerischen Autonomisierung der literarischen Prosa spanischer Sprache legt Feijoo. Das enzyklopädische und (auto-)didaktische Werk dieses Intellektuellen, der sich im Alleingang anschickt, das gesamte Panorama der zeitgenössischen Wissenschaften zu reflektieren, entwickelt eine induktive und empiristische Methode der Aufbereitung und Vermittlung von Wissen, die die konzeptuellen Grenzen zwischen literarischer und nichtliterarischer Prosa verschiebt. Diese Grenzverschiebung ist ereignishaft: nach Feijoo schreibt man in Spanien nicht mehr wie zuvor, weder literarisch noch philosophisch. Mit seinem Experiment der prinzipiellen Autoritätskritik auf der Grundlage des gesunden Menschenverstands (das stets nach dem ,Gewichf von Argumenten fragt) entwickelt der Benediktiner in einer langen Folge von Untersuchungen über die Bedeutung bestimmter

492

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Begriffe des Wissens - ciencia, saber, conocimiento, razón, verdad, voz del pueblo - eine dialektisch-anthropologische Wahrheitsphilosophie, die am Ende in eine (pragmatische) Analytik der Sprache einmündet. Feijoos Essayismus als besondere „actividad de operar sobre el lenguaje"7 ist ein fortwährendes Experiment mit der analytischen Freiheit des Ausdrucks von Gedanken im Medium des Prosatraktats. Feijoo prägt die spanische Literaturgeschichte mit einem weithin rezipierten (und 1750 königlich sanktionierten) Verständnis von literarischer Prosa - in der Form einer „literatura mixta" - , deren methodischer Skeptizismus über die Kritik der Sprache zu einem konstruktiven Relativismus führt und deren Telos die Versöhnung von Philosophie und Theologie im kollektiven Subjekt des (durch Erziehung zum Selbstdenken anzuleitenden) einfachen Volkes ist. Zeitgleich zu Feijoo, von 1725 bis etwa 1760, entsteht bei Torres Villarroel ein ebenso umfangreiches Werk, das in 14 Bänden vom Autor selbst herausgegeben und (ökonomisch erfolgreich) per Subskription verbreitet wird. Torres ist der dekonstruktive, artistisch kühnere Gegenpart zu Feijoo. Das Werk des „Piscator de Salamanca" ist in der Tradition der verfemten Prosa-Autoren des Siglo de Oro - insbesondere Quevedos - verwurzelt und sucht das Verhältnis von Philosophie und Literatur auf radikale Weise als eine existentielle Beziehung zwischen dem Denken und der Sprache zu begreifen bzw. aus einer Grundhaltung der (vorromantischen) Rebellion heraus prinzipiell zu hinterfragen. Als Erneuerer oder Begründer bestimmter Untergattungen der literarischen Prosa - der künstlerischen Autobiographie (an der Schwelle zur Autofiktion), der analytischen Traumerzählung, der kostumbristischen Satire, der ironischen Almanachen (u.a.) - fungiert Torres zugleich als Erfinder einer spezifischen Inästhetik im beginnenden Konflikt zwischen dem didaktischen und dem romantischen ,Schema' literarischer Konzeption.8 Die Grundidee der literarischen Philosophie beruht bei Torres darauf, die Analyse der ästhetischen Eigenschaften literarischer Sprache in einer Topologie der ironischen Indifferenz Uzquiza González: „Aspectos del léxico de Feijoo", a.a.O., S. 148. Vgl. Badiou: Petit manuel d'inesthétique, a.a.O., S. 18f. Philosophisch gesehen, erweist sich die Vermeidung dieses Konflikts - auf der Grundlage eines sprachschöpferischen Konzepts des Denkens - gar als ein transhistorisches Problem. Denn die Literatur (die ,Poesie im Allgemeinen') steht wie die Philosophie von jeher unter dem seit dem 19. Jahrhundert,romantisch' genannten Paradigma der Zeitlichkeit: „Comment sortir du romantisme autrement que par une réaction néoclassique? Voilà le vrai problème". Ders.: Conditions, a.a.O., S. 163. 7 8

Zusammenfassung und Ausblick

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aufzuheben. Torres' Essayismus ist ein Experiment mit der stilistischen Freiheit des sprachlichen Ausdrucks an den Grenzen der Fiktionalität und der Historizität (bzw. des Imaginären und der Psychopathologie). So prägt Torres - der literarischere' der beiden Frühaufklärer - die Literaturgeschichte durch das Prinzip einer Arbeit am Stil, die seine Zeit vor eine doppelte Herausforderung stellt: die Verklammerung von Realismus und Satire und die Kraft einer Ironie, die sich - in Interaktion mit einem als Komplizen begriffenen Leser - eine besondere Balance erhalten muss, um nicht in eine das realistische Engagement zerstörende Autodestruktion umzuschlagen. Am Übergang zur Hoch- und Spätaufklärung - sofern man mit solchen, immer etwas fragwürdigen Epochenunterteilungen arbeiten möchte, zumal beide Phasen in Spanien mit der Regierungszeit des aufgeklärten, aber zunehmend despotischen' Monarchen Karl III. zusammenfallen9 - geraten die von beiden antagonistischen Gründerfiguren (gegen die heilige Inquisition) erstrittenen Freiheiten literarischer Praxis in das Fahrwasser der dirigistischen Sozialphilosophie. Die epistemologischen Umbrüche des Subjektivismus, des Empirismus und der Anthropologie treffen mit den Auswirkungen einer sich ebenfalls rationalisierenden und zunehmend säkularisierenden Kulturpolitik des Staates auf der Ebene der (Selbst-)Reflexion literarischer Prosa zusammen. Im Kontext der über neue Medien und ,Kanäle' der Aufklärung sich wandelnden Öffentlichkeit einerseits und der diskurspolizeylichen, von neoklassizistischen Regeltraktaten begleiteten Kontrollorgane andererseits spitzt sich die Auseinandersetzung um die Autonomie des Literarischen auf bestimmte Fragen von gesellschaftlicher Relevanz zu. Das alte (schon die Poetik des Aristoteles prägende) Problem der ,Nachahmung' von Wirklichkeit durch Sprache - im Geist einer regelhaft optimierbaren Wahrscheinlichkeit - wird in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zuvorderst als eine Frage der Herstellung und Bewahrung von sozialer Ordnung interpretiert. Im Begriff des Kostumbrismus - der literarischen Darstellung sozialer Wirklichkeit im Namen der „Sitten und Gebräuche" - kommt die Befreiung von den (klassischen) Regeln der Literatur mit der Befreiung von den (zeitgenössischen) Normen der Gesellschaft zusammen. 9

Zur grundsätzlichen Orientierung in der Zeit sind „literaturhistorische Termini

wie neoclasicismo,

barroquismo,

prerromanticismo,

rócoco [...]" jedoch „liebgewonnen"

und in der Tat kaum verzichtbar. Vgl. Lope: Die Cartas marruecas, a.a.O., S. 3.

494

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Während der Staat letztere dadurch einzuhegen sucht, dass er die Literatur als Agentin einer übergreifenden Optimierung durch modellhafte Nachahmung bestimmt, stellt sich die Frage nach den immanenten Regeln der Kunst aus der Perspektive der literarischen Prosa auf entgegengesetzte Weise. In diesem Konflikt hat der Roman als „Spiegelbild der Welt"10 seinen besonderen Einsatz, weil er im ironischen Spiel mit der Wahrscheinlichkeit den kostumbristischen Realismus umgehen, anfechten oder (auf unkontrollierbare Weise) verteidigen kann. Dem Geist der absolutistischen Ordnung sind die Sprachspiele und imaginären Weltentwürfe des Romans in jedem Fall suspekt. Die Autonomiebewegung der literarischen Prosa wird in der Zeit Karls III. (1759-1788) durch zwei Ereignisse geprägt: Isias Fray Gerundio de Campazas (1758/1768) und Cadalsos Cartas marruecas (1774/1789). Beide Prosatexte (von Extension) sind Romane avant la lettre, d.h. entscheidende Impulsgeber für die zeitgleiche Ausdifferenzierung des modernen Romanbegriffs. Beide sind epochentypische Phänomene der Interdiskursivität, der erste in Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Diskurs der Homiletik, der zweite im Rekurs auf die gelehrte Korrespondenzliteratur. Beide knüpfen an bestimmte Stränge der europäischen Erzähltradition an, der eine (diachron, im Eigenen) an Cervantes' Don Quijote, der andere (synchron, in der Fremde) an Montesquieus Lettres persanes. Beide stellen zudem eine kostumbristische Herausforderung für das Modellpostulat der präzeptiven Imitationsideologie dar. Vorgeblich auf einer Intention der gesellschaftlichen Optimierung basierend - wenngleich in subtiler Referenz auf die Janusköpfigkeit' menschlicher Perfektibilität11 - , repräsentieren sie die Sitten und Gebräuche auf übertriebene Weise so, wie sie sind, und stellen die Logik ihrer Repräsentation (wie alle literarischen Aufklärer) auf die Grundlage einer Sprachanalyse. Die sprachanalytischen Strategien von Isias (Predigt-)Roman und Cadalsos (Brief-)Roman sind hingegen verschieden. Der Jesuit, der 1767 zum Zeitpunkt des Verbots seines Ordens auf dem Höhepunkt seiner Karriere freiwillig ins Exil geht, versucht eine Strategie der Konfrontation. Mit dem Ziel, gegen die barocke Rhetorik, die von der Predigtkunst Besitz ergriffen hat, ins Feld zu ziehen, erzeugt der Fray 10

S.II. 11

Lukäcs (1962): „Vorwort", in: Ders.: Die Theorie des Romans, a.a.O., S. 5-17, hier: Cassirer: Das Problem Jean-Jacques Rousseau, a.a.O., S. 55.

Zusammenfassung und Ausblick

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Gerundio eine imaginäre Welt als Spiegelbild der Akkumulation aller negativen (kostumbristisch monierten) Eigenschaften der beschriebenen Welt. Die Figur Fray Gerundio, der Don Quijote der Prediger, ist ein pikaresker Antiheld mit ostentativ unwahrscheinlichen Eigenschaften, der zu dem Zweck konzipiert ist, als Grenzgänger der Ebenen zu fungieren, die sich aus der undeutlich gemachten Relation zwischen der literarischen (romanesken) und der nichtliterarischen (homiletischen) Prosa ergeben. Wenngleich Isias philosophisches Konzept im Verborgenen liegt - und auf eine sanfte jansenistische Reform der jesuitischen Theologie hinausläuft - , folgen die exzessiv zitierten Auszüge aus der barocken Predigtkunst dem eindeutigen Ziel der kritischen Bloßstellung von Verhältnissen in einem gesellschaftlichen Bereich, der für Schriftsteller besonders riskant ist. Trotz der omnipräsenten Ironie des Tonfalls auf der Ebene des (univoken) Erzählers, die sich am Ende allerdings im Exzess imaginärer Erzählrahmen verliert, ist eines der schnellsten Bücherverbote der Inquisitionsgeschichte (drei Wochen nach dem Erscheinen des ersten Bands) eine folgerichtige Reaktion. Im Gegensatz zu Isla versucht Cadalso, der Dichter-Soldat und vielleicht genialste Künstler unter den Schriftstellern der Epoche, eine Strategie der Vermittlung. In den Roman der Cartas marruecas münden die verschiedenen Gattungsexperimente des früh (im Alter von 40 Jahren) verstorbenen Autors ein. Der Text erzeugt wie der Fray Gerundio eine imaginäre Gegenwelt auf einer konzeptuellen Grundlage. Diese Gegenwelt beruht jedoch nicht auf der Bloßstellung eines bestimmten Aspekts der beschriebenen Welt, sondern verfolgt - vorgeblich im Geist der „Sorge um Spanien" - das Ziel der Versöhnung bzw. gegenseitigen Aufhebung antagonistischer Positionen innerhalb eines wissenschaftstheoretischen und wissenschaftshistorischen Gesamtpanoramas. In den Cartas marruecas geht es nicht um die Akkumulation der negativen, sondern aller prinzipiell möglichen Eigenschaften der (als Kontexte) modellierten Welt. Hierbei nimmt der schriftstellerische Akt der Textherstellung aufgrund eines sprachschöpferischen Primats über die Historiographie und jede andere ,Form' des Wissens über den Menschen und die Gesellschaft eine besondere Schaltstelle ein. Von dieser Schaltstelle aus wird die narrative Vermittlung unterschiedlicher wissenschaftlicher und philosophischer Sichtweisen im Medium der Briefkorrespondenz organisiert. Zugleich werden die epistemologischen Funktionen des kritischen, nachahmenden oder modellieren-

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den Sprechens und Schreibens in Frage gestellt. Cadalsos Kostumbrismus beruht auf einer Narratologie der absoluten Überparteilichkeit. Zugleich ist der Roman stilistisch von einer Philosophie des justo medio regiert. Unter dem Vorwand der Anfechtung Montesquieus, über den noch viel radikalere Perspektiven der französischen philosophes in den Blick geraten, gelingt es dem Autor, deistische und kosmopolitische Positionen zu diskutieren und für eine bestimmte (die Cartas in den Tertulias diskutierende) Öffentlichkeit der Epoche fruchtbar zu machen. Schließlich überführt Cadalso das von Isla hinterlassene Problem der destruktiven Ironie in eine Sprachphilosophie des ausgleichenden Kräfteverhältnisses zwischen formal ununterscheidbaren Positionen der authentischen und der subversiven Rede. Mit Blick auf alle vier Autoren - Feijoo, Torres Villarroel, Isla, Cadalso - lässt sich der Drang nach literarischer Autonomie als ein philosophischer Konflikt zwischen der politischen und der künstlerischen Beanspruchung von Sprache darstellen. Insofern ist jeder literarische Aufklärer in Spanien auf seine Weise ein ,Sprachanalytiker/. Je näher die philosophische Position eines literarischen Autors an politische oder theologische Dogmen heranreicht - welche die Kontrolle über die Diskurshoheit der Wissenschaften für sich beanspruchen und keine Konkurrenz für das (transzendente) Paradigma der Autorität tolerieren - , desto stärker besteht die Dringlichkeit eines Umwegs über ein Spiel mit der Sprache. Die Erzähltexte der Ilustración lassen sich in einem wesentlichen Aspekt ihrer Funktionsweise als eine Codierung von philosophischen Konzepten durch den literarischen Stil verstehen. Beim letzten und stärksten der Autoren der Ilustración weisen die stilistischen Techniken der Sprache - die Anspielungen und bildlichen Suggestionen, die metaphorischen Verdichtungen, die narratologischen Verflechtungen der Aussagepositionen etc. - , in denen sich die Autonomiebewegung der spanischen Aufklärer (im Umgang mit der Gesellschaft, der Kirche und dem Staat) insgesamt abbilden lässt, auf die Avantgarden der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert voraus. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich am Ende die Frage, ob der Prozess der reflexiven Autonomisierung der literarischen Prosa, deren Geschichte wir von Feijoo und Torres Villarroel über Isla bis Cadalso verfolgt haben, in ihrer subtilsten Form beim letztgenannten Autor in einer Souveränität der Unerkennbarkeit aufgeht. Ist die Epoche der Ilustración mit Cadalso zu einem Abschluss gekommen? Was wird aus der literarischen Philosophie der spanischen Aufklärung nach diesem

Zusammenfassung und Ausblick

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letzten Experiment des sprachlichen Spiels mit dem Realismus und dem politischen Engagement? Historisch betrachtet, gewinnt die Diskurspolizei am Ende der Epoche - von den 1790er Jahren bis zum Beginn des Bürgerkriegs 1808 - immer deutlicher die Oberhand über das Spiel der literarischen Versuche der Selbstbehauptung. Dennoch bliebe zu untersuchen, welche Wege die Autonomie der Prosa in den (Auftrags-)Traktaten prägnanter Stilisten wie Jovellanos und Forner geht oder inwiefern der Frühromantik zugerechnete Romanautoren wie Montengön und Martinez Colomer Aspekte jener Geschichte fortführen, die bei Cadalso ihren Höhepunkt gefunden hat. Das Moment der Aufhebung - in der die (Selbst-)Reflexion an die Grenze ihrer Konsistenz geführt wird - erscheint als eine Besonderheit der zu Ende gehenden Epoche. Dieses Ergebnis ist jedoch keineswegs apodiktisch. Es versteht sich als abschließende Rückfrage an die Romania, die in der gewonnenen Einigkeit darüber, dass die spanische Aufklärung existiert, sich uneinig ist, wie lange sie gedauert hat. Zwar ist die endgültige Beantwortung dieser Frage aufgrund des heuristischen Problems der Bestimmung literarischer (oder historischer) Epochengrenzen schlechthin unmöglich: „Es gibt keine Zeugen von Epochenumbrüchen. Die Epochenwende ist ein unmerklicher Limes, an kein prägnantes Datum oder Ereignis evident gebunden." 12 Die These jedoch, dass die Aufklärung in Spanien auch deshalb eine kleine Epoche darstellt, weil die Zeitspanne im Kern - als wachsendes, zu sich selbst kommendes Phänomen - auf etwa 65 Jahre (von 1725 bis 1790) beschränkt ist, erscheint vor dem Hintergrund ihrer Verdrängung im langen 19. und ihrer schwierigen Wiedergewinnung im 20. Jahrhundert durchaus haltbar. Der Gegenbeweis oder die Bestätigung dieser letzten Vermutung soll jedoch einer anderen Arbeit vorbehalten sein.

Blumenberg: „Die Epochen des Epochenbegriffs", in: Ders.: Die Legitimität der Neuzeit, a.a.O., S. 531-557, hier: S. 545. 12

7. B I B L I O G R A P H I E

I . Z I T I E R T E A U S G A B E N D E R A U T O R E N DES 1 8 . J A H R H U N D E R T S UND A N D E R E Q U E L L E N V O N D E R A N T I K E BIS 1 8 1 0

ADDISON, Joseph: Critical Essays from The Spectator. Hg. v. Donald F. Bond. New York / Oxford (Oxford University Press) 1970. AFÁN DE RIBERA, Fulgencio: Virtud al uso, y mystica a la Moda. Destierro de la Hipocrisia, en frasse de exortación a ella. Embolismo moral, en el que se epactan las afirmativas proposiciones en negativas, y las negaciones en afirmaciones. Pamplona (Juan Mastranzo) 1729. ÁGREDA, María de Jesús de ( 1 6 7 0 ) : Mystica Ciudad de Dios, Milagro de su Omnipotencia, y Abismo de la Gracia. Historia Divina, y Vida de la Virgen Madre de Dios, Reyna, y Señora nuestra Maria Santissima, Restauradora de la culpa de Eva, y Medianera de la Gracia. Manifestada en estos últimos siglos por la Señora à su Esclava Sor Maria de Iesus [...], para nueva luz de el mundo, alegría de la Iglesia Católica, y confiança de los mortales. 3. Bde. Madrid (Manuel Ruiz de Murga) 1701. ALDANA, Cosme de: Invectiva contra el vulgo y su maledicencia, con otras octavas, y versos. Madrid (Luis Sánchez) 1591. ALEMÁN, Mateo (1599): La vida del Picaro Guzmán de Alfarache. Hg. v. Benito Brancaforte. 2 Bde. Madrid (Cátedra) 1984. ALEMBERT, Jean Le Rond d' (1751): Discours préliminaire de l'Encyclopédie. Paris (Gonthier) 1966. ALVAREZ BRACAMONTE, Luis: Copia perfecta (si cabe perfección en tal copia) del petimetre por la mañana. Exacta copia del original mas impertinente, esto es, del petimetre por la tarde. Exquisito retrato sin coloridos de la lisonja, de la petimetra

500

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por la mañana. Retrato verdadero y con copete de la petimetra por la tarde. 4 Bde. Madrid (Gabriel Ramírez) 1762. ALVAREZ DE CIENFUEGOS, Nicasio: Poesías. Madrid (Imprenta Real) 1798. ÁLVAREZ DE TOLEDO Y PELLICER, Gabriel: Obras posthumas poéticas, con la Burromaquia. Hg. v. Diego de Torres Villarroel. Madrid (Convento de la Merced) 1744. A M O R T , Eusebio: De Revelationibus, Visionibus et Apparitionibus Privatis Regulae ex Scriptura, Conciliis, SS. Patribus, aliisque optimis authoribus collectae, explicatae et exemplis illustratae. Augsburg (Martin Veith) 1744. A N D R É S Y M O R E L L , Juan: Origen, progresos y estado actual de toda la literatura. 10 Bde. Übers. v. Carlos Andrés. Madrid (Antonio de Sancha) 1784-1806. [6 Bde. Hg. v. Pedro Aullón de Haro. Madrid (Verbum) 1997-2001.] ANONYM (1554): La vida de Lazarillo de Tormes y de sus fortunas y adversidades. Hg. v. Francisco Rico. Madrid (Cátedra) 1987. ANONYM (1646): La vida y hechos de Estebanillo González, hombre de buen humor, compuesto por él mesmo. Hg. v. Antonio Carreira und Jesús Antonio Cid. 2 Bde. Madrid (Cátedra) 1990. ANONYM (José Francisco de Isla): Glosas interlineales puestas y publicadas con el nombre del licenciado Pedro Fernández a las Posdatas de Torres en defensa del doctor Martínez y del Teatro Crítico Universal, dedicadas al mismo señor bachiller don Diego de Torres. Salamanca (o.V.) 1726. ANONYM (Juan de Iriarte): „Los Desauciados del Mundo, y de la Gloria. Sueño Mystico, Moral, y Physico, útil para quantos desean morir bien, y conocer las debilidades de la Naturaleza de Diego de Torres Villarroel" (Reseña). In: Diario de los literatos de España, Bd. 2 (Madrid 1737), S. 298-306. A N O N Y M : Comedia nueva. El Alcides de la Mancha, y famoso Don Quixote. Madrid (Joseph de Orga) 1750. ANONYM (José de Cadalso y Vázquez zugeschrieben): Kalendario manual y guía de forasteros para el carnabal del año 1768, y otros. Contiene los acontecimientos más particulares, los Ministros que componen los tribunales del Amor, los días de gala y otras noticias con el Estado de Mar y Tierra para la Guerra de Cupido. Impreso con superior Privilegio de la decencia en la oficina de Venus, calle de los Placeres enfrente del templo de la juventud, por Adonis Jacinto del Eco, impresor de Cámara y Alcoba de Chipre. Manuskript 1768. ANONYM (Tomás Antonio Sánchez zugeschrieben): Comentario al Suplemento del Doctor Festivo y Maestro de los Eruditos a la violeta, para desengaño de los Españoles, que leen poco y malo. O.O., o.V., 1773. A N O N Y M : Descripción de la Sinapia, Península en la Tierra Austral. Hg. v. Miguel Avilés Fernández. Madrid (Nacional) 1976. ANONYM ( P . F . ) : Calamidades de Francia, pronosticadas por el Dr. D. Diego de Torres. Glosa de una Décima, en que este Autor vaticina las actuales turbulencias

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Diego de: Los pobres del Hospicio de Madrid. Pronostico para 1736. Salamanca (o.V.) 1735. T O R R E S V I L L A R R O E L , Diego de: Los Desauciados del Mundo, y de la Gloria. Sueño Mystico, Moral, y Physico, útil para quantos desean morir bien, y conocer las debilidades de la Naturaleza. Madrid (Joaquín Sánchez) 1736. T O R R E S V I L L A R R O E L , Diego de: Hospital de ambos sexos. Sala de Hombres. Segunda parte de los Desauciados del Mundo, y de la Gloria. Salamanca (Juan de Moya) 1737.

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NAMENSREGISTER

Abellán, José Luis 91,105,116,184,279, 386, 388 Addison, Joseph 78, 351 Adinolfi, Giulia 449 Adorno, Theodor W. 27, 74-76, 80,82 Afán de Ribera, Fulgencio 316, 442 Agreda, María de Jesús de 63,135 Aguilar Piñal, Francisco 17, 19, 22, 28, 35, 40-42, 49, 51-52, 54, 59, 63, 78, 191,314-315, 319, 343-344,411,441 Aguirre, José Luis 427, 430,436 Alarcos Llorach, Emilio 442 Alba, Duque de [Silva y Álvarez de Toledo, Fernando de] 207, 244 Alborg, Juan Luis 118,135,156,201-202, 205-206, 209, 215, 224, 236, 244-245, 248, 258, 265, 272, 278, 297, 300-301, 362, 366-367, 374, 377, 396, 422, 427, 436,448,450 Alcántara, Pedro de 358 Aldana, Cosme de 143 Alemán, Mateo 315 Alembert, Jean Le Rond d' 34,165 Almanza, Lázaro 153 Alonso Cortés, Narciso 89 Alonso Hernández, José Luis 300 Alonso Seoane, María Josefa 323 Altman, Janet Gurkin 442 Alvarez Barrientes, Joaquín 35, 59, 63, 78, 313-314, 317-323, 329, 331, 333, 352,365,396, 398,442, 490 Alvarez Bracamonte, Luis 316

Álvarez de Cienfuegos, Nicasio 329 Alvarez de Miranda, Pedro 28-29, 70, 78-79, 100, 115, 154, 181, 320, 328, 442,446 Alvarez de Sotomayor, Martin 416 Alvarez de Toledo, Gabriel 235 Alvarez Gómez, Jesús 410 Álvarez Méndez, Natalia 360, 364, 377, 384, 400 Alvarez Mendizábal, Juan 42 Amor y Vázquez, José 142, 422 Amort, Eusebio 135-136 Andrés Gallego, José 338 Anes Álvarez, Gonzalo 48 Angulo, Antonio de 481 Angulo Egea, María 261 Annius von Viterbo 163 Antonio, Nicolás 189-190, 192, 194 Aquaviva, Claudio 385 Aranda, Conde de [Abarca de Bolea, Pedro Pablo] 40, 337, 416-418,434 Arce, Joaquín 55,411 Ardao, Arturo 93,109,129,141,148,150, 179 Arenal, Concepción 116,123 Arenas, José Lorenzo de 346 Arenzana, Donato de 315 Ariño, Ignacio 389 Ariosto, Ludovico 321 Aristóteles 101, 150, 176, 184, 187, 197, 207, 209, 211-212, 214, 221-222, 290292, 294, 322, 332, 367, 382, 483, 493

574

Die Prosa der spanischen Aufklärung

Ariztia, Juan de 239-240 Armesto y Ossorio, Ignacio de 103 Arribas, Antonio de 346 Arteaga, Esteban de 222 Auerbach, Erich 327 Augustinus 94, 143, 164, 333, 359, 387, 394 Aullón de Haro, Pedro 79-80, 91, 93, 339, 409 Avellaneda, Alonso Fernández de 204 Avellaneda, Francisco de 281 Avila, Juan de 358 Aviles Fernández, Miguel 356 Azorín [Martínez Ruiz, José] 91-92, 414 Baasner, Frank 323, 326 Bachtin, Michael 327, 443 Bacon, Francis 25, 27-28, 77, 93-95, 109, 121,126,137-138,140,143,150,184, 196, 275, 294, 356 Baculard d'Arnaud, François-ThomasMarie de 316 Badiou, Alain 16, 75, 85, 463,492 Bahner, Werner 36 Ballester, Manuel 103 Balmori, demente Hernando 147 Barco, Antonio Jacobo del 42 Barjau Condomines, Teresa 317 Barthes, Roland 171 Bataillon, Marcel 232, 247,281 Batllori, Miquel 338 Batteux, Charles 222,325-326, 330 Bayle, Pierre 28,102,142,144, 294 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de 354 Beckett, Samuel 227 Behrens, Rudolf 312 Béjar, Duque de [López de Zúñiga y Castro, Joaquín] 51 Beiaval, Yvon 26 Bellocchi, Ugo 114 Beiloy, Dormont de 438 Beltrán, Juan 315 Bembo, Pietro 109,143,264 Benda, Wolfram 228 Benedikt XIII. 390 Benedikt XIV. 114

Benet, Juan 459 Bense, Max 75 Bentham, Jeremy 331 Berchem, Theodor 205 Berenguer Carisomo, Arturo 242, 246247, 278 Berger, Bruno 73-76, 82 Bermúdez Cañete, Federico 466 Bertrán y Casanova, Felipe 359 Beyerlinck, Laurentius 143,392-393 Bielfeld, Jakob Friedrich von 351-352 Bignon, Jean-Paul 294 Bihler, Heinrich 194 Binni, Walter 209 Blair, Hugh 325 Blanco, Mercedes 387, 393, 398 Blum, Paul Richard 143 Blumenberg, Hans 27, 94,330, 497 Boggs, Ralph Steele 400 Boiardo, Matteo Maria 264 Boileau, Nicolas 206, 214, 216, 221, 230231,324, 381,386,438 Bollème, Geneviève 276 Bordazar, Antonio 191,198 Borges, Jorge Luis 251 Borja, Francisco de 358 Boscán, Juan 172, 232,437 Bosch, Hieronymus 286, 299,303 Bossuet, Jacques Bénigne 38, 325, 385, 478 Botello de Moraes, Francisco 315 Bougeant, Guillaume Hyacinthe 142 Bouhours, Dominique 142,172 Bouillier, Victor 144 Bourdaloue, Louis 359, 385-386 Bouveresse, Jacques 310 Boyle, Robert 143,196 Braganza, Bárbara de [Maria Barbara von Portugal] 95-97 Bremer, Klaus-Jürgen 442,444, 455 Breton, André 298 Briesemeister, Dietrich 44, 320, 338, 352,375, 382, 390, 397, 404, 463 Brown, Reginald F. 312-313 Browne, Thomas 143 Brunner, Otto 166 Bueno Martínez, Gustavo 72, 82,140

Namensregister Buffier, Claude 143 Burriel, Andrés Marcos 193,195, 32-1 Caballero, Fernán [Böhl de Faber y Larrea, Cecilia] 57 Cabanas Alamán, Rafael 364 Cabarrús, Francisco de 337,411 Cabezas, Juan Antonio 409 Cabriada, Juan de 28 Cadalso e Ibaizabal, Ignacio María de 415 Cadalso y Vázquez, José de 18, 23, 32, 36, 47, 51-52, 54, 61, 66, 84, 91, 147, 220, 226, 271, 312-313, 318, 335, 341, 344-345, 354, 405, Kap. 5 [407-487], 494-497 Cadalso y Vizcarra, José María de 415 Calatayud, Pedro de 63, 330 Calderón de la Barca, Pedro 68, 102, 224, 288 Calzada, Bernardo de 316 Camarero, Manuel 57, 156, 442-443, 449,451 Camöes, Luís Vaz de 172 Campanella, Tommaso 143, 356 Campomanes, Pedro Rodríguez de 43, 51, 54-55, 89, 92, 241, 337, 343, 351, 356,434 Campos Benítez, Juan Manuel 150 Camus, Albert 171 Cano, José Luis 332 Cañas, Jesús 448 Cañuelo y Heredia, Luis María García del 346, 353 Capmany y Montpalau, Antonio de 205, 326-327,339,351,411,463,477,486 Caramés, Onofre Francisco 145 Carballo Picazo, Alfredo 72 Cardoso, Isaac 172 Carnero, Guillermo 78,97,313,316,322 Caro Baroja, Julio 317 Caso González, José Miguel 51, 99, 148, 400 Cassirer, Ernst 13, 24, 34, 65, 142, 151, 178, 184, 227-228, 230, 272, 463, 494 Castejón, Agustín de 359 Castiglione, Baldassare 172, 232

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Castillejo, Femando Manuel de 315 Castillo Solórzano, Alonso de 250, 314 Castro, Américo 135, 450 Catani, Maurizio 266 Catull 393,437 Caussin, Nicolas 386 Centeno, Pedro 315, 346, 354 Ceñal Lorente, Ramón 95,117,143 Cerdá y Rico, Francisco 420 Cerra Suárez, Silverio 99,119,135, 138, 145,148 Cervantes Saavedra, Miguel de 68, 107, 143, 172, 189-190, 192, 204-205, 224, 232, 264, 280, 288, 312, 314-315, 318, 320-321, 326, 355, 366, 368, 381, 396, 404, 419,433, 438, 444, 459, 485, 494 Céspedes y Meneses, Gonzalo de 314 Charlevoix, Pierre François Xavier de 361 Chavarría Vargas, Emilio 237 Checa Beltrán, José 68, 186, 188, 191, 209-210, 213 Chen Sham, Jorge 377,446, 455 Chicharro, Dámaso 237, 246, 248, 307, 310 Cicero 143,172, 203,214,386 Cintruénigo, Gabriel de 389 Cisneros, Diego de 78 Clavijo y Fajardo, José 62, 208, 346, 348, 354 Clavius, Christophorus 237 Clemens XIII. 189 Climent y Avinent, José 359 Codorniu, Antonio 359,387 Collard, Andrée 187,227, 230-232 Colonna, Vincent 250 Cornelia, Luciano Francisco 347 Concepción, Pablo de la 379 Condillac, Etienne Bonnot de 34 Corize, Werner 166 Corachán, Juan Bautista 186,196, 343 Corneille, Pierre 438 Correa Calderón, Evaristo 57 Cortés, Hernán 447, 478 Cortés Peña, Antonio Luis 42 Corum, Robert T. 381 Cotarelo y Mori, Emilio 69, 348 Coughlin, Edward 110, 279

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Covarrubias, José de 325 Criado de Val, Manuel 204 Croce, Benedetto 73 Croiset, Jean 361 Crousaz, Jean-Pierre de 216 Cruz, Juan de la 172, Cruz, Ramón de la 23, 53,348,411 Cruz del Pozo, Maria Victoria 101,151 Cueto, Leopoldo Augusto de 208, 436, 448 Curtius, Ernst Robert 14, 23, 154, 226, 327, 333 Dale, Scott 452,458-459,465, 484-485 Dàllenbach, Lucien 264 Dante Alighieri 285, 287, 438 Daston, Lorraine 94 Deacon, Philip 354,482 Defourneaux, Marcelin 35, 39, 341, 357 Deleuze, Gilles 16, 81, 263 Delhez-Sarlet, Claudette 266 Delpy, Gaspard 94-95, 103, 116-117, 141-142,153,178,181,412 Demerson, Georges 51, 422, 482 Demerson, Paula de 51, 313 Demokrit 125,126, 431 Demosthenes 386 Dérozier, Albert 356 Derrida, Jacques 382 Desautels, Alfred R. 143 Descartes, René 28, 82, 101, 109, 121, 150,196, 294 Di Bernardo, Elso 156,181 Di Pinto, Mario 37, 257, 420, 423, 448, 480, 482 Diaz Rengifo, Juan 231 Diderot, Denis 12, 34, 65, 107, 183, 312, 350, 438 Diez González, Santos 324, 331 Dionysios von Halikarnassos 214 Domergue, Lucienne 44,332,338, 341 Domínguez Ortiz, Antonio 35, 37, 3940, 61,304 Donaire, María Luisa 315 Dreischer, Stephan 334 Dubuis, Michel 486 Duby, Georges 281

Duchesne, Jean-Baptiste 361 Ducray-Duminil, François Guillaume 316 Duhamel, Roland 14 Duhamel du Monceau, Henri Louis 351 Dupuis, Lucien 55-56,413-414,461,463, 470,483 Eck, Reimer 198 Edwards, June K. 414,424,436,439,484 Egido, Teófanes 42, 351,384 Eguía Ruiz, Constancio 337, 360 Eguiagaray, Francisco 145 Eiján, Samuel 156 Elizalde Armendáriz, Ignacio 142 Elorza, Antonio 69 Enciso Recio, Luis Miguel 62, 68, 71-72, 348-352 Ensenada, Marqués de la [Somodevilla y Bengoechea, Zenón de] 41, 43, 236,337, 361, 365 Entrambasaguas, Joaquín de 239, 245, 296, 348 Erasmus von Rotterdam 77, 143-144, 151,184,232,275,287,380-381 Ercilla y Zúñiga, Alonso de 437 Ertler, Klaus-Dieter 35, 77, 79, 125, 205, 236, 347, 349, 354 Escartín, Francisco Antonio de 346 Escobar Arronis, José 331 Esquiladle, Marqués de [Gregorio, Leopoldo de] 336-337 Etienvre, Françoise 205 Ettinghausen, Henry M. 245, 299, 424 Euklid 211 Eustis, Alvin 381 Ezquerra, Joaquín 346, 354 Fabbri, Mauricio 420,423,448,480, 482 Faber, Richard 14 Falska, Maria 13 Faro y Vasconcelos, Diego de 104 Faylde González, Cayetano Antonio de 238 Feijoo y Montenegro, Benito Jerónimo 12, 18, 23, 25, 29, 36, 44, 46, 54, 56-57, 61, 65, 72, 77-78, 81, 84, Kap. 2 [87-181], 183-184, 187-188, 191, 194, 197, 201,

Namensregister 204-205, 212, 217, 223, 225, 229, 233234, 236, 257, 278-279, 294, 311, 320, 328, 335, 343, 348, 351, 362, 364, 369, 375, 389, 410, 412, 414, 426, 440, 442443,469,478-479,483,487,490492,496 Fénelon, François de Salignac de La Mothe-102,316,325-326,385 Ferdinand II. von Aragon 365, 376 Ferdinand VI. von Spanien 38, 43, 61, 99, 236, 365, 390 Ferdinand VII. von Spanien 55 Fernán Núñez, Conde de [Gutiérrez de los Ríos, Carlos José] 55 Fernández Alonso, Benito 89 Fernández Cifuentes, Luis 262 Fernández Conde, Francisco Javier 166 Fernández de Moratín, Leandro de 23, 329,340, 348, 360,366,396 Fernández de Moratín, Nicolás de 23, 51, 335, 411, 420, 421 Fernández de Navarrete, Martín 413 Fernández Díaz, Roberto 37, 39, 53, 59, 148,240,337,339,482 Fernández González, Ángel Raimundo 54, 88, 91, 95, 97, 154 Ferreras, Juan Ignacio 312-314, 317 Ficino, Marsilio 172 Figueras Martí, Miguel 221 Flandes, Luis de 103 Flaubert, Gustave 269 Fléchier, Esprit 359-360, 385-386 Fleury, Claude 385, 386 Flores, Antonio 459 Flórez, Enrique 195 Floridablanca, Conde de [Moñino y Redondo, José] 40, 55,337,416 Fontenelle, Bernard le Bovier de 28, 87, 142,184, 214, 294 Fomer, Juan Pablo 23,30,32,61,147,200, 219, 318, 335, 337, 339-340, 348, 354, 359,409-410,424-425,439,448,497 Foucault, Michel 26, 31,408 Foulché-Delbosc, Raymond 418-419, 422 France, Louis de 240, 325 Franco, Dolores 66 Franklin, Benjamin 233

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Frege, Gottlob 473 Freud, Sigmund 260-261, 310 Froldi, Rinaldo 420, 423, 448, 480, 482 Fuente y Condón, Vicente de la 94 Fuhrmann, Manfred 222, 256 Fusi, Juan Pablo 45 Gabriel, Gottfried 14 Gadamer, Georg 32 Galilei, Galileo 121 Galle, Roland 57, 66 Gamallo Fierros, Dionisio 170,180 Ganz, David 287 Garcia Boiza, Antonio 238,244, 269 García Camarero, Enrique 99 García Camarero, Ernesto 99 García de Arrieta, Agustín 326 García de Enterria, María 317 García de la Concha, Víctor 78,196 Garda de la Huerta, Vicente Antonio 411 García Fernández, Máximo 400 García Lara, Fernando 313 García Malo, Ignacio 316 García Matamoros, Alfonso 192 García Montero, Luis 450 García Moreno, Francisco 485 Garcilaso de la Vega 68,172,231-232,437 Garcilaso de la Vega (el Inca) 321 Gassendi, Pierre 101, 143,196 Gatell, Pedro 315 Gaudeau, Bernard 360,363, 365-366 Gay, Peter 24,146 Geliert, Christian Fürchtegott 128 Geiz, Andreas 35, 50,52, 343-344, 409 Gemert, Guillaume van 14 Genette, Gérard 250 Genlis, Félicité de 316 Gesner, Conrad 143 Ghiano, Juan Carlos 96,147 Gide, André 264, 267 Giebel, Marion 287 Gies, David Thatcher 420 Gili Gaya, Samuel 361 Giménez Mas, José Antonio 117 Gipper, Andreas 120 Gisbert, Blaise 386 Glasscock, Clyde C. 155

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Glendinning, Nigel 35, 56, 62,187, 412414, 416, 418-421, 423-424, 426, 437, 439, 461, 463, 470,482-483, 487 Godoy Alcántara, José 194 Godoy y Álvarez, Manuel 40-42, 337 Goethe, Johann Wolfgang von 157,233 Goldsmith, Oliver 442, 445, 452 Gómez, Ildefonso 166 Gómez de la Serna, Gaspar 339 Gómez Hermosilla, José Mamerto 317, 329,413 Gómez Martínez, José Luis 72, 83 Gómez Ortega, Casimiro 51 Gómez Trueba, Teresa 287 Góngora, Luis de 68,187-188,213,224,390 González de Dios, Juan 237 González Deleito, Nicolás 443 González Feijoo, José Antonio 146,148 González García, Isaac 146 González Verdasco, Renata 259, 273 Gottsched, Johann Christoph 128,183,211 Goya, Francisco de 51,272,399,420,459 Goyanes Baquero, Mariano 442 Goyeneche, Juan de 240 Goytisolo, Juan 269 Gracián, Baltasar 102,106,138,143-144, 152-153, 172, 187, 213, 228, 230-231, 249, 268, 294, 314, 320, 359, 389 Graef, Juan Enrique de 346 Granada, Luis de 358 Granjel, Luis Sánchez 245 Gronemann, Claudia 36 Grimm, Gunter E. 128 Grimm, Hermán 70 Grote, Andreas 94 Guattari, Félix 16, 81 Guevara Vasconcelos, José 51 Guillen, Claudio 246, 250, 293 Guimerá, Agustín 59, 68, 151 Guinard, Paul-Jacques 39, 55, 62, 281, 346, 347, 349,353, 356 Gumbrecht, Hans Ulrich 37, 87, 241, 256, 261, 309, 395 Gunia, Inke 35, 62, 211 Güntzel, Annelies 414,478 Gusdorf, Georges 24,40, 165, 233 Gutiérrez, Jesús 191-192,196,200,202

Gutiérrez, Luis 312,317,410 Gutiérrez Cuadrado, Juan 197-198 Gutiérrez de Vegas, Fernando 317 Hafter, Monroe Z. 66 Haidt, Rebecca 101, 396 Harrison, Nicole 423-424 Harscher von Almendingen, Ludwig 147 Hatzfeld, Helmut 369,459 Hazard, Paul 24, 33,131,144,151, 207 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 30-31 Heidegger, Martin 14 Heinecke, Johann Gottlieb 351 Helman, Edith F. 399, 424, 450 Helvétius, Claude Adrien 30, 350 Hempfer, Klaus W. 57, 65, 73 Herder, Johann Gottfried 128, 157, 184, 211,467 Heredia y Ampuero, Antonio 103 Herodot 166, 392 Herr, Richard 35-36, 46, 48, 55, 69, 343, 345 Herrera, Femando de 172,231,437 Herrera, Joseph de 273 Herrero, Antonio Maria 346 Herrero García, Miguel 358 Herrero Salgado, Félix 358, 389 Hesse, José 270 Hidalgo-Serna, Emilio 152, 231 Hillebrand, Karl 78 Hinterhäuser, Hans 66 Hippokrates von Kos 126, 261, 290 Hodab, Renate 354 Hölz, Karl 409 Holzhey, Helmut 27 Homer 163, 287, 332, 437 Horaz 197,209,211,214,230,381,393,437 Horkheimer, Max 27 Horn, Eva 14,489 Huarte de San Juan, Juan 231 Huerta y Vega, Francisco Xavier de la 346 Hughes, John 444,449-450,461,481,484 Hume, David 12, 34,102, 230 Humpl, Andrea Maria 205 Hurtado Torres, Antonio 275

Namensregister Iarocci, Michael P. 474,485 Ibáñez, María Ignacia 417, 421 Idiáquez, Francisco Javier 405 Iglesias, María del Carmen 332 Iglesias de la Casa, José 413, 420, 422423 Ilie, Paul 272, 294, 297, 300-301, 451 Infantes, Víctor 275 Iriarte, Juan de 224, 243, 296 Iriarte, Tomás de 23, 51, 69, 209, 323, 335,411, 413,420,426,461 Isabel I. von Kastilien 476 Iser, Wolfgang 105,283 Isla, José Francisco de 23, 44, 61, 65, 91, 103, 153, 188, 245, Kap. 4 [311-406], 407-408, 410, 412, 425-427, 431, 433, 438,440,456,485, 494-496 Isla y Losada, María Francisca de 360 Israel, Jonathan 1.17, 464 Jacobs, Helmut C. 35, 46, 172, 174, 180, 272 Jäger, Hans-Wolf 345 Jammes, Robert 188 Jara y Sánchez, Juan Francisco de la 315 Jaspers, Karl 333 Jaucourt, Louis de 448 Jáuregui, Juan de 231 Jauss, Hans Robert 254, 330 Jehle, Peter 340 Jiménez, Cristóbal Manuel 379 Johannes XXIII. 125 Johnson, Samuel 323 Jouvency, Joseph de 324 Jovellanos, Gaspar Melchor de 12, 23, 30,36,43-44,50-52,54,57,59, 61, 70, 88, 91, 209, 219, 325, 329, 335, 337, 339-340, 351, 353, 357, 386, 399, 409, 411, 414, 416, 420, 425, 497 Jover Alcazar, Blas 200 Jover Zamora, José Maria 41-42, 51 Juárez Medina, Antonio 63 Jullien, François 226 Jurado, José 212, 218,222, 367,379, 383384,388-390, 394, 398, 402,405-406 Juretschke, Hans 37,198 Justi, Johann Heinrich Gottlob von 351

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Jüttner, Siegfried 11, 40, 128, 166, 180, 346-347, 409, 463, 477 Juvenal 381, 429, 437 Kamen, Henry 40 Kant, Immanuel 12, 21, 25, 34, 70, 82, 84, 90, 140, 375, 463 Karl der Große 145 Karl I. von Spanien [Kaiser Karl V.] 38 Karl II. von Spanien 38, 476 Karl III. von Spanien 17, 22, 30, 38-39, 41,43,48-49,52,54,61,189,195,199, 236, 241, 243, 322, 334, 336-337, 343, 493-494 Karl IV. von Spanien 54-55, 337 Karl XII. von Schweden 145 Kierkegaard, Sören 433 Kircher, Athanasius 143, 288 Klammer, Angelika 172 Kleinhaus, Sabine 244 Kleinmann, Hans-Otto 22 Klopmann, Ewald von 200 Klueting, Harm 22 Köhler, Erich 172 Kondylis, Panajotis 24-26, 310 Koppenfels, Werner von 381,426, 433 Koselleck, Reinhart 56,166 Kossoff, David 142,422 Krause, Karl Christian Friedrich 149 Krauss, Werner 23, 32, 34-35, 62, 67, 69, 166, 264, 318-320,347 Krömer, Wolfram 172, 177-178, 209, 216,224 Krug, Wilhelm Traugott 490 La Bruyère, Jean de 140 Laborde, Paul 440, 443 Laclos, Pierre-Ambroise-François Choderlos de 312,316 Lafarga, Francisco 315 Lafuente, Antonio 147 Laitenberger, Hugo 205 Lama, Miguel Angel 448 Lamano y Beneite, José de 300 Lampillas, Francisco Javier 79, 318 Lanza, Francisco de la 389 Lapesa, Rafael 28, 136, 156

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Larra, Mariano José de 57 Larramendi, Manuel de 196 Las Casas, Bartolomé de 143 Lautréamont, Comte de [Ducasse, Isidore Lucien] 294, 298 Laviano, Manuel Fermín de 53 Lázaro Carreter, Fernando 148, 162, 195, 208, 246, 442 Le Bossu, René 324 Lehner, Ulrich 42 Leibniz, Gottfried Wilhelm 121, 148, 159, 164, 198 Leiris, Michel 269 Lejeune, Philippe 250, 269 León, Luis de 172, 437 Leprince de Beaumont, Jeanne-Marie 316 Lesage, Alain-René 312, 316, 360, 373 Lessing, Gotthold Ephraim 31,128,211 Lidie, Wolfgang 269 Linares y Montefrio, José 325 Lista, Alberto 229 Llaguno y Amírola, Eugenio de 206 Lloret y Marti, Francisco 103 Llull, Ramon 121 Lobón de Salazar, Francisco 362, 368, 399 Locke, John 12, 28, 102, 121,143, 148 Lope, Hans-Joachim 164, 413, 418, 421, 426, 443, 445, 448, 450, 464, 472, 474, 477-478,484-485, 493 Lope de Vega, Félix 68, 252, 258, 322323, 326, 421, 437 Lopez, François 30, 63, 185, 205, 221, 409-410, 424 López, Isidro 416 López de Araujo, Bernardo 100,103 López de Ayala, Ignacio 51,420 López de Cotilla, Antonio 389 López de Sedaño, Juan José 187, 321, 420 López Fanego, Otilia 78,144 López García, José Miguel 337 Losada, Juan Cayetano 324 Losada, Luis de 142, 360-361 Lotman, Jurij M. 15, 80 Loureiro, Angel G. 269 Loyola, Ignatius von 39

Lozano Sánchez, Cristóbal 314 Ludwig I. von Spanien 38, 239-240 Ludwig XIV. von Frankreich 36, 38, 145, 240,326 Luhmann, Niklas 241 Lukan437 Lukács, Georg 75, 77,259,311,314,327, 331, 334, 441, 494 Lunardi, Ernesto 418,449 Lüsebrink, Hans-Jürgen 276 Luzán, Antonio de 206 Luzán, Ignacio de 23, 51, 70, 180, 185188, 197, Kap. 3.2 [205-226], 227, 229, 320-324, 367, 376-377, 386, 398, 413 Luzán, José de 206 Luzán, Juan Ignacio de 206, 220 Luzán y Martínez, José 459 Lyotard, François 31 Mably, Gabriel Bonnot de 126 Macherey, Pierre 14-15, 26,227 Machiavelli, Niccolò 121,146 Macías, Marcelo 170 Madramany y Calatayud, Mariano 316 Magis Otón, Carlos Horacio 246 Maimó y Ribes, José 388 Maistre, Joseph de 386 Malebranche, Nicolas 102,149, 294 Mallarmé, Stéphane 171,227 Manegat, Antonio de 346 Mañer, Salvador José 103 Marañón, Gregorio 89, 92, 98, 100-102, 116-118,139, 148, 154, 257 Maravall, José Antonio 24, 35, 66, 106, 145,185,196,201,332,481 Marchena, José 317-318,329, 347 Marco, Joaquín 317 Mariana, Juan de 189 Marías, Julián 66, 490 Marichal, Juan 72, 79-80, 96-97, 106, 108, 245,409-410, 424,483 Marín, Nicolás 450,466 Marín Mendoza, Joaquín 351 Marmontel, Jean-François 316, 319, 426 Marquard, Odo 256 Marqués y Espejo, Antonio 104,327,356

Namensregister Marse, Juan 459 Martí y Zaragoza, Manuel 186,189,196, 343 Martial 437 Martianus Capeila 14 Martín Moreno, Antonio 175 Martínez, Martin 99-101, 138, 234, 260, 280, 364 Martínez Colomer, Vicente 312, 317, 497 Martínez Fernández, José Enrique 360, 364, 377, 384,400,413 Martínez Lois, Andrés 119,145,148,181 Martínez Mata, Emilio 235, 240, 258, 293,295, 297, 300 Martínez Risco, Sebastián 95, 97,145 Martínez Ruiz, Juan 162 Martínez Salafranca, Juan 346 Masdeu, Juan Francisco 328 Massillon, Jean-Baptiste 359, 385, 386 Masson, Samuel 142 Masson de Morvilliers, Nicolas 448 Mate, Reyes 280 Mathias, Julio 241,245, 248, 286 Mayans y Sisear, Gregorio 23, 29-30, 70, 79, 88-89,103,172,185-186, Kap. 3.1 [188-205], 206, 214-216, 221, 224225, 227, 320-321, 331, 359, 362, 364, 368, 387,389,448 McClelland, Ivy Lilian 95, 140, 206-207, 220, 223, 244, 251, 253, 261, 278-279, 288 Medina, Miguel de 365 Medina Domínguez, Alberto 78 Mejía, Pedro 143 Meléndez Valdés, Juan 23, 32-33, 51, 329,335, 337, 353-354, 411-413, 420 Melton, James Van Horn 66 Mena, Juan de 208,437 Mencke, Johann Burckhardt 198, 426 Menke, Bettine 14, 489 Menke, Christoph 14,489 Mendoza, Diego Hurtado de 437 Mendoza Diaz-Maroto, Francisco 317 Menéndez Pidal, Ramón 37, 41-42, 51 Menéndez y Pelayo, Marcelino 11,22-23, 88-89, 92, 104, 135-136, 170, 209, 213, 340,348,390,413,426,436,441,448

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Menippos von Gadara 381,408-409,426, 433 Mercadier, Guy 235, 237-238, 241, 243244, 250-252, 266-271, 274, 276-277, 282-283, 288, 294, 304, 306-308, 412, 439-440 Mesonero Romanos, Ramón de 57,459 Mestre Sanchis, Antonio 97, 99, 144, 151, 185-186, 189-193, 195-196, 198, 200-202,204 Michon, Jacques 276 Millares Cario, Agustín 87, 93-94, 103, 201 Milliet de Chales, Claude-François 142 Milton, John 429,438 Minturno, Antonio Sebastiano 214 Miñana, Juan 343 Mirabeau, Victor Riquetti de 351 Misch, Gregor 233 Molas Ribalta, Pedro 46,196,199 Molière 381 Mollier, Jean-Yves 276 Monlau, Pedro Felipe 360, 362 Montaigne, Michel de 77-78, 109, 144, 177, 280 Montengón y Paret, Pedro 312,317,356, 410,441, 497 Montero Díaz, Santiago 104 Montero Moliner, Fernando 135 Montesinos, José Fernández 315-316, 318, 324, 422, 433 Montesquieu, Charles Louis de Secondât, Baron de 34,40,145,312,353,405,412413, 439-442, 444-445, 450, 452, 454456,460,462,472,478,494,496 Montiano, Agustín de 51, 187, 204, 208, 224, 321, 361, 406 Mor de Fuentes, José 317 Morayta, Miguel 89,104 Mortier, Roland 28 Morus, Thomas 356 Mulertt, Werner 414, 463 Munárriz, José Luis 78 Muñoz, Antonio 316 Muratori, Ludovico Antonio 206, 208209, 214, 221

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Nadal, Jordi 41 Nagl, Ludwig 14 Nasarre, Blas Antonio 51, 208, 224 Naumann, Barbara 14 Navarro Miralles, Luis 39 Nebot y Sanz, José 195, 197-199 Negrín Fajardo, Olegario 49 Neriich, Michael 324,328, 332 Neumeister, Sebastian 177 Newton, Isaac 143 Niedermayer, Franz 37 Nieremberg, Juan Eusebio 172 Nietzsche, Friedrich 94, 463 Niewöhner, Friedrich 280 Niggl, Günter 233 Nipho, Francisco Mariano 59, 62, 68, 71-72, 209, 319, 322-323, 335, 346352,426 Nolting-Hauff, Ilse 286, 296 O'Byrne Curtís, Margarita 271 Oelmüller, Willi 31 Olaechea, Rafael 423-424 Olavide, Pablo de 51, 60, 315, 317, 335, 337, 343, 357 Olazo, Ezequiel de 150-151 Olive, Pedro Maria 319 Olmedo, Félix 390 Onís, Frederico de 270 O'Reilly, Alejandro 416 Orozco, Alonso de 358 Ortega y Gasset, José 11-12, 72, 74, 76 Ortiz Gallardo, Gregorio 238 Ortiz Gallardo y Villarroel, Isidoro 243 Otero Pedrayo, Ramón 89,119,153 Ovid 393,437 Pacheco, Francisco 172 Palacio Atard, Vicente 71 Papinian 290-291 Párraga Martel de la Fuente, Francisco de 316 Paravicino, Hortensio Félix 358-359, 389-390 Pascal, Blaise 150 Paulus von Tarsus 100, 387 Payá Lledó, Marisa 418

Paz, Octavio 12, 69, 227 Pedraza Jiménez, Felipe 257 Pellissier, Robert E. 209 Penalva, Joaquín Juan 418 Pérec, Georges 369 Pereira Castrigo, Luis 346,353 Pérez Bayer, Francisco 195 Pérez de Ayala, Ramón 146 Pérez de Montalbán, Juan 314 Pérez López, Manuel María 258, 266, 268, 275-276, 284 Pérez Magallón, Jesús 187, 199, 203, 224,442 Pérez Rioja, José Antonio 89, 99, 104 Peset Llorca, Vicent 198 Peset Reig, Mariano 197-199 Peter I. von Russland 145 Petrarca, Francesco 172,438 Petronius, Titus 327 Pfandl, Ludwig 319 Pfeiffer, Helmut 57, 66 Philipp V. von Spanien 38, 240, 346 Philoaletheias, N. 324,332 Picard, Hans Rudolph 405, 442,455 Pico délia Mirandola, Giovanni 333 Pinillos, Manuel de 379 Pinta Llórente, Miguel de la 39,47 Piquer, Andrés 51 Platon 14, 77, 101, 170-171, 178, 222, 226, 274,302, 382,465 Plinius 143 Plutarch 77,143, 166, 392 Polt, John H. R. 400 Polybios 166, 392 Ponz y Piquer, Antonio 339 Pope, Alexander 225 Pope, Randolph D. 245 Porcel, José Antonio 51 Porqueras Mayo, Alberto 281 Pozo, Manuel del 315 Pozuelo Yvancos, José María 377,383,385 Prévost, Antoine-François 316 Printy, Michael 42 Properz 437 Pseudo-Longinus 214 Puig, Leopoldo Jerónimo 346, 363 Puppo, Mario 213

Namensregister Quevedo, Francisco de 68,144,228,232, 237, 246, 248,252, 264,269,272,281, 283, 285-286, 288, 296-302, 305, 315, 380-381, 424-426,437-438,453, 492 Quintana, Manuel José 208, 413, 441, 490 Quintilian 214,219, 386 Rabelais, François 276, 280 Racine, Jean Baptiste 438 Rada y Aguirre, José de 365 Raetz, Anneliese 359, 365,387 Raimondi Capasso, Maddalena 449 Ramírez, Gabriel 362 Ramírez Araujo, Alejandro 459 Ramírez y Góngora, Antonio 461 Ramsay, Andrew Michael 325 Rancière, Jacques 15 Rapin, René 324 Raynal, Guillaume Thomas François 478 Regnault, Noël 142 Reichardt, Rolf 338 Reinalter, Helmut 22 Rejón y Lucas, Diego Ventura 317, 356 Revilla, Francisco 206 Reyes, Matías de los 319 Ribero y Larrea, Alonso Bernardo 315 Riccoboni, Marie-Jeanne 316 Riera, Bartolomé 389 Ríos, Vicente de los 51, 314 Ripalda, Jerónimo de 63 Robert de Vaugondy, Didier 235 Roca Pons, Josep 138 Roda y Arrieta, Manuel de 189 Rodríguez Aranda, Luis 184 Rodríguez Cáceres, Milagros 257 Rodríguez Casado, Vicente 151, 337 Rodríguez Cepeda, Enrique 142, 144, 169-170, 362, 366-368,396 Rodríguez Díaz, Laura 337 Rodríguez Méndez, José María 361,387 Rodríguez Pardo, José Manuel 139,148 Rohner, Ludwig 70 Roloff, Volker 241 Román de la Higuera, Jerónimo 195 Romea y Tapia, Juan Cristóbal 348

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Romero González, Antonio Félix 381 Rousseau, Jean-Jacques 12, 30, 36, 126, 146, 156, 178, 183, 233, 269, 303-304, 306, 312, 341, 350, 353, 449, 466-467, 472,482,494 Rubín de Ceballos, Agustín 55, 362 Rubín de Celis, Manuel 346, 354, 426427 Rubio Pérez, Laureano 360 Rudolph, Enno 184 Rufo, Juan 172 Ruiz Veintemilla, Jesús Miguel 346 Rukser, Udo 39 Rumeu de Armas, Antonio 39 Ruttkowski, Wolfgang Victor 73, 80 Saavedra Fajardo, Diego de 189, 191192, 252 Sade, Donatien Alphonse François de 312, 334 Saint-Cyran 386 Saint-Pierre, Jacques-Henri Bernardin de 316 Sainte-Beuve, Charles-Augustin 386 Saínz de Robles, Federico Carlos 238, 270, 285 Saínz Rodríguez, Pedro 66, 71 Sala Valldaura, Josep Maria 323 Salas, Francisco Gregorio de 359, 398 Salas Auséns, José Antonio 40,48,60,61 Sallust 143,166 Samaniego, Félix Maria 51, 420 San Miguel, Ángel 477 San Vicente, Félix 467 Sancha, Antonio de 206, 425 Sánchez, Francisco 306 Sánchez, Pedro Antonio 359 Sánchez, Tomás Antonio 427 Sánchez Agesta, Luis 80, 135, 143-144, 147 Sánchez Albornoz, Claudio 191 Sánchez Asensio, Francisco 318 Sánchez Blanco, Francisco 39, 58, 69, 106, 343-344, 348, 352-353, 357, 452 Sánchez de Valencia, Bartolomé 276 Sandkühler, Hans Jôrg 27 Santa Rosa de Viterbo, Jorge de 389

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Die Prosa der spanischen Aufklärung

Santander y Zorrilla, Juan Manuel de 383, 399 Santos, José 104 Santos, José E. 108, 409,440, 485 Santos Alonso, Hilario 316 Sarmiento, Martín 29, 51, 87, 103, 117, 142,144,162,170,172,189,194, 321, 362, 364, 366 Sarrailh, Jean 35, 41, 48-50, 52, 69, 148, 337, 342-343,448 Saugnieux, Joël 358-359, 367, 385-387, 393, 398 Saussure, Ferdinand de 159,473 Scaliger, Julius Caesar 214 Schildknecht, Christiane 14 Schlobach, Jochen 11, 27,40,128 Schmidt, Bernhard 66, 440 Schmidt, James 31 Schmidt, Siegfried J. 59, 336 Schneiders, Werner 36, 82 Scholz, Johannes-Michael 199 Schönberg, Curt Alexander von 198 Schräder, Ludwig 166, 409 Schulte, Hansgerd 369, 460 Schulte, Henry F. 346 Scudéry, Madeleine de 316 Sebold, Russell P. 138, 169, 185-186, 206, 209, 212-213, 224-225, 229-230, 244, 248, 258, 261, 266, 270, 278, 286, 294, 360, 362, 365, 367-368, 380, 398, 418-420, 426, 440, 443, 446, 450, 466, 472 Segura, Jacinto 103,173 Segura Covarsi, Enrique 246-247, 249, 268 Sempere y Guarinos, Juan 62, 99, 139, 202, 208, 365,427,429 Seneca 77,126,143,181, 423 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper E ari of 178, 228 Silverman, Hugh 14 Smidt, Andrea J. 42,151 Smith, Gilbert 204 Smith, Paul Julian 296 Smith, Susan M. 375,39 Solís y Rivadeneyra, Antonio de 190

Soons, Alan 301 Soto y Marne, Francisco de 103,388-393 Soubeyroux, Jacques 49, 60 Speli, Jefferson 156, 341 Spinoza, Baruch de 333 Staiger, Emil 73 Staubach, Charles N. 142 Stierle, Karlheinz 256 Strodtmann, Johann Christoph 198 Strosetzki, Christoph 232, 236,252, 314 Suárez, Francisco 143 Suárez de Ribera, Francisco 103 Suárez Fernández, Luis 39, 40 Suárez Galbán, Eugenio 244, 246,256 Suárez Wilson, Reyna 123,139 Subirats, Eduardo 123,178 Swedenborg, Emanuel 176 Tacitus 143,166 Tamayo y Rubio, Juan 484 Tasman, Abel 356 Tasso, Torquato 264, 438 Tavira y Almazán, Antonio 238 Tencin, Claudine Guérin de 316 Terenz 381 Terrón Ponce, José Luis 417 Tesauro, Emanuele 213 Thillet, Pierre 292 Thompson, Alan Reynolds 485 Thukydides 166 Tibull 437 Tiefe, Manfred 13,44,104,143,236,312314, 320,332,338,345, 347,382,463 Tirso de Molina 68,172 Titus Livius 143,166 Tójar, Francisco de 317 Tolrá, Juan José 360 Tomsich, María Giovanna 44,191 Torre, Pedro de la 137 Torre y Leyva, Ángel María de la 461 Torrepalma, Conde de [Verdugo y Castilla Ursúa, Alonso] 51 Torres, Pedro de 237, 310 Torres Villarroel, Diego de 23, 32, 5961, 65, 78, 91, 103, 111, 153, Kap. 3 [183-310], 311-313, 320, 328, 335, 341,348,355, 362, 364, 369,389,410,

Namensregister 415, 417-419, 425-426, 438, 440, 453, 456-457, 492-493, 496 Tosca, Tomás Vicente 186,189,196, 294, 343 Tovar, Antonio 196 Traggia, Joaquín 356 Trigueros, Cándido María 315 Troncoso Durán, Dolores 451, 456 Tschilschke, Christian von 13, 36, 45, 105,146,177,346,409,413,421,439440,442,447 Tugendhat, Ernst 463 Uhlig, Claus 15 Unamuno, Miguel de 258, 413-414 Urquijo e Ibarra, Julio de 51 Urquijo y Muga, Mariano Luis de 36, 209 Urzainqui, Inmaculada 63, 92, 147, 315, 354, 409 Uzquiza González, José Ignacio 157, 492 Vaihinger, Hans 57 Valbuena Prat, Ángel 245 Valdeflores, Marqués de [Velázquez de Velasco, Luis José] 51 Valdés, Alfonso de 358 Valdés, Juan de 172,189,230,358 Valero, José A. 168,172 Valero y Losa, Francisco 390 Valjavec, Fritz 37 Valladares de Sotomayor, Antonio 347 Valverde, Nuria 147 Varela Ibarra, José Luis 72, 98,102, 108, 119,153,442 Vázquez, Mateo 415 Vázquez y Andrade, Josefa 415 Vergil 437, 393 Verney, Luís Antonio 388-389,392-393 Viala, Alain 58 Vico, Giambattista 33, 109, 147, 179, 207, 233 Victoria, Marcos 98,144 Vieira, Antonio 358, 386

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Vilar, Pierre 37, 41,337 Villanueva, Tomás de 358 Villarroel, José de 51 Villarroel, Manuela 237 Villarroel y Torres, Antonio 389 Villegas, Esteban Manuel de 437 Viñao Frago, Antonio 43,59 Visedo Orden, Isabel 170 Vives, Juan Luis 92, 138, 143, 184, 189, 294 Volney, Comte de [Chasseboeuf de La Giraudais, Constantin-François] 316 Voltaire 12, 25, 27, 30, 34, 40, 145, 148, 183,201,312, 325, 332, 350,412, 438, 450,471, 478 Voltes, Pedro 41 Vossler, Karl 232 Weinrich, Harald 433 Wentzlaff-Eggebert, Harald 241,352 Wiesner, Jürgen 292 Wilke, Jürgen 345 Willis, Thomas 261 Wittgenstein, Ludwig 132,158,469-470 Witthaus, Jan-Henrik 36, 66, 69,125 Wolff, Christian 109,183 Wolff, Erwin 228 Wolffheim, Hans 74 Wolfzettel, Friedrich 312-313,333 Xenophon 166 Ximénez de Sandoval, Felipe 417 Young, Edward 413, 421, 446 Zabaleta, Juan de 143 Zaiser, Rainer 264 Zamora, Bernardo de 238 Zavala, Iris M. 276, 305, 340-341, 382, 396 Zavala y Zamora, Gaspar 317 Zayas y Sotomayor, María de 314 Zoido Díaz, Antonio 442

DANKSAGUNG

Der vorliegende Text ist die überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Dezember 2012 an der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin angenommen worden ist. Er ist in den Jahren 2009 bis 2012 entstanden, in denen ich in Dresden als wissenschaftlicher Koordinator des Graduiertenkollegs „Transzendenz und Gemeinsinn" mit verwandten Fragestellungen beschäftigt war. Allen Personen, die mich während der Fertigsteilling dieser Arbeit begleitet und unterstützt haben, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Insbesondere gilt der Dank meinen Betreuern: Dieter Ingenschay, Helmut C. Jacobs und Manfred Tietz; meinen akribischen Korrekturlesern: Katja Bödeker, Sela Bozal, Lothar Glauch, Heinz Jatho, Helmut Krähe, Karin Schraner, Daniel Schulz, Martin Urmann und Burkhardt Wolf; sowie allen Kolleginnen und Kollegen, die mir mit Rat, Tat und vielen Ideen zur Seite gestanden haben: Alain Badiou, Jean Clam, Fabio Duräo, Klaus-Dieter Ertler, Karin Harrasser, Lucia Iacomella, Godehard Janzing, Hanfei Jia, Sabine Kalff, Thomas Klinkert, Csongor Lörincz, Maud Meyzaud, Helmut Pfeiffer, Karl-Siegbert Rehberg, Armin Schäfer, Gerd Schwerhoff, Christoph Strosetzki, Henning Teschke, Elisabeth Tiller, Christine Unrau, Anne Wigger und Coralie Zermatten. Dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT danke ich für die Unterstützung der Drucklegung. Den Herausgebern der Reihe La Cuestión Palpitante im Verlag Iberoamericana/Vervuert möchte ich für die freundliche Aufnahme danken sowie Barbara Slotta für das sorgfältige Lektorat.