Polyphone Aufklärung: Zur Textualität und Performativität der spanischen Geschlechterdebatten im 18. Jahrhundert 9783954872312

Beschreibt den Wandel der Geschlechterepisteme im spanischen 18. Jahrhundert als einen ambivalenten Prozess der Diskursf

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Polyphone Aufklärung: Zur Textualität und Performativität der spanischen Geschlechterdebatten im 18. Jahrhundert
 9783954872312

Table of contents :
INHALT
VORWORT
1. EINLEITUNG
ERSTER TEIL: KULTURHISTORISCHE UND GENDERTHEORETISCHE GRUNDLAGEN
2. GESCHLECHTERTHEORIEN UND KONTEXTE DER SPANISCHEN AUFKLÄRUNG
3. GESCHLECHTERDISKURSE DES 18. JAHRHUNDERTS IN SPANIEN
ZWEITER TEIL: TEXTE DER GESCHLECHTERDEBATTE ALS PERFORMANZ VON GENDER
4. WEIBLICHKEIT IM (MÄNNLICHEN) WISSENSCHAFTSDISKURS: GESCHLECHTERPARITÄT UND PUBLIKUMSWIRKSAMER RATIONALISMUS IN FEIJOOS DEFENSA DE LAS MUJERES (1726)
5. TEXTUELL INSZENIERTE DEBATTEN: WEIBLICHE UND MÄNNLICHE GESPRÄCHSKREISE STREITEN UM FEIJOO
6. WEIBLICHE HERAUSGEBERFIGUREN IM DISKURS DER SPANISCHEN WOCHENSCHRIFTEN
7. EHEPROPAGANDA UND NORMIERTE MÄNNLICHKEIT IN SCHERZ HAFT-ERNSTER VERKLEIDUNG: PAPEL JOQUI-SERIO SABIO Y ERUDITO
8. MÄNNLICHKEITSDISKURSE IN DER LITERATUR: EINBLICKE
9. WEIBLICHE STIMMEN ZUR GESCHLECHTERDEBATTE: AUTOR SCHAFTS- UND PUBLIKATIONSSTRATEGIEN VON AUTORINNEN
10. BIBLIOGRAPHIE
LA CUESTIÓN PALPITANTE LOS SIGLOS XVIII Y XIX EN ESPAÑA

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Claudia Gronemann POLYPHONE AUFKLÄRUNG Zur Textualität und Performativität der spanischen Geschlechterdebatten im 18. Jahrhundert

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LA CUESTIÓN PALPITANTE LOS SIGLOS XVIII Y XIX EN ESPAÑA Vol. 21 Consejo editorial Joaquín Álvarez Barrientos (CSIC, Madrid) Pedro Álvarez de Miranda (Real Academia de la Lengua Española) Lou Charnon-Deutsch (SUNY at Stony Brook) Luisa Elena Delgado (University of Illinois at Urbana Champaign) Fernando Durán López (Universidad de Cádiz) Pura Fernández (Centro de Ciencias Humanas y Sociales, CSIC, Madrid) Andreas Gelz (Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg im Breisgau) David T. Gies (University of Virginia, Charlottesville) Kirsty Hooper (University of Warwick, Coventry) Marie-Linda Ortega (Université de la Sorbonne Nouvelle / Paris III) Ana Rueda (University of Kentucky, Lexington) Manfred Tietz (Ruhr-Universität, Bochum) Akiko Tsuchiya (Washington University, St. Louis)

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POLYPHONE AUFKLÄRUNG Zur Textualität und Performativität der spanischen Geschlechterdebatten im 18. Jahrhundert

Claudia Gronemann

Vervuert - 2013

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Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein, dem Programm ProSpanien und der Universität Mannheim.

© Vervuert, 2013 Elisabethenstr. 3-9 D-60594 Frankfurt am Main Tel.: +49 69 597 46 17 Fax: +49 69 597 87 43 [email protected] www.ibero-americana.net ISBN 978-3-95487-321-0 (Vervuert) Umschlaggestaltung: a.f. diseño y comunicación

Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigem Papier Gedruckt in Spanien

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INHALT

Vorwort ............................................................................................................

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1. Einleitung ....................................................................................................

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ERSTER TEIL: KULTURHISTORISCHE UND GENDERTHEORETISCHE GRUNDLAGEN 2. Geschlechtertheorien und Kontexte der spanischen Aufklärung ........ 2.1. Historische Aspekte der spanischen Aufklärung ............................ 2.2. Geschlechterordnung und Strukturwandel der Öffentlichkeit ..... 2.3. Vom ‘Jahrhundert der Frau’ zur Konstruktion einer neuen Geschlechterrolle .................................................................................. 2.4. Vom frühneuzeitlichen Frauenstreit zum modernen Diskurs natürlicher Weiblichkeit........................................................................

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3. Geschlechterdiskurse des 18. Jahrhunderts in Spanien.......................... 3.1. Definitionsmacht: Geschlechterbestimmungen im spanischen Wörterbuch ........................................................................................... 3.2. Von der Idee und Kritik weiblicher Gelehrsamkeit zu neuen Idealen: Stationen und Standpunkte der spanischen Debatte .......

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ZWEITER TEIL: TEXTE DER GESCHLECHTERDEBATTE ALS PERFORMANZ VON GENDER 4. Weiblichkeit im (männlichen) Wissenschaftsdiskurs: Geschlechterparität und publikumswirksamer Rationalismus in Feijoos Defensa de las mujeres (1726) ...................................................... 4.1. Para desengaño de errores comunes: Feijoos kritischer Rationalismus 4.2. Geschlechterparität und Rationalismus: Feijoos Plädoyer für eine vorurteilslose Betrachtung der Frau ..................................................

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4.3. Vom Meinungsstreit zur Reflexion der Sprecherposition .............. 4.4. Moral, Körper, Geist: tradiertes Wissen um Weiblichkeit auf dem Prüfstand ...................................................................................... 4.5. Publikumswirksamer Rationalismus gepaart mit einem theologischen Gleichheitsmodell ....................................................... 4.6. Feijoo als Mittler: Die Etablierung eines spanischen Gleichheitsdiskurses ............................................................................ 5. Textuell inszenierte Debatten: weibliche und männliche Gesprächskreise streiten um Feijoo .......................................................... 5.1. Zur Einführung in die Debatten um Feijoos Geschlechtermodell (1726-49) ................................................................................................. 5.2. Genderperformanz in den frühaufklärerischen Streittexten der Feijoo-Debatte ....................................................................................... 5.3. Männliche Ehre und Feijoo-Kritik aus dem Mund eines Junggesellen: Manco de Olivares, Contradefensa crítica a favor de los hombres ......................................................................................... 5.4. Natürlicher Frauenverstand und Feijoo-Kritik aus häuslicher Damenrunde: Estrado crítico en defensa de las mujeres contra el Teatro crítico universal de errores comunes............................................ 6. Weibliche Herausgeberfiguren im Diskurs der spanischen Wochenschriften .......................................................................................... 6.1. Zur Spezifik des Genres: Herausgeberfigur und Diskurs der Wochenschrift ....................................................................................... 6.2. Die Entfaltung einer weiblichen Herausgeberfigur ........................ 6.3. Die Wochenschrift als Diskursmodell der Instruktion ................... 6.4. Catones sin barbas y Licurgos con basquiñas: Die spanischen ‘Denkerinnen’ .......................................................................................

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7. Ehepropaganda und normierte Männlichkeit in scherzhaft-ernster Verkleidung: Papel joqui-serio sabio y erudito ............................................ 7.1. Der alte Streit unter neuen Vorzeichen ............................................. 7.2. Dialogizität und Inszenierung der fingierten tertulia ..................... 7.3. Figuren als Positionsträger ................................................................ 7.4. Die abschließende Sentenz der Alti-Potente Verdad ......................... 7.5. Die epistemologische Struktur der fingierten tertulia .....................

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8. Männlichkeitsdiskurse in der Literatur: Einblicke ................................. 8.1. Weibische Männer als Volksbelustigung im Sainete ....................... 8.2. ‘Spanische’ Männlichkeit im Diskurs der Wochenschrift ..............

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8.3. Das ethische Modell universeller Vernunftmännlichkeit in Cadalsos Cartas marruecas ................................................................... 9. Weibliche Stimmen zur Geschlechterdebatte: Autorschafts- und Publikationsstrategien von Autorinnen ................................................... 9.1. Weiblichkeitsideologeme im 18. Jahrhundert und das Paradox weiblicher Autorschaft ......................................................................... 9.2. Die Bescheidenheitsrhetorik im Prolog von María Rosa Gálvez de Cabrera ............................................................................................. 9.3. Die literarische Kodierung weiblicher Autorschaft bei Gálvez de Cabrera ............................................................................................. 9.4. “O que yo era un Ricciolo con Bata o un Keplero con Surtout”: Die Frauenapologie als Strategie der Selbstautorisierung bei Teresa González .................................................................................... 9.5. Inés Joyes y Blake, Apología de las mujeres: Zur Vereinbarkeit von Schreiben und Häuslichkeit im bürgerlichen Familienmodell...... 9.6. Weibliche Autorschaft und wissenschaftlicher Diskurs: Josefa Amar y Borbón, Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres (1790) ........................................................................................ 9.7. Amar y Borbóns Discurso im historischen Kommunikationskontext 9.8. “No formemos, pues, un plan fantástico”: Josefa Amars Historisierung des Rollenmodells als Antwort auf das Postulat natürlicher Geschlechtscharaktere ...................................................... 10. Bibliographie............................................................................................... 10.1. Primärtexte .......................................................................................... 10.2. Lexika und Handbücher.................................................................... 10.3. Sekundärliteratur ...............................................................................

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VORWORT

Die vorliegende Untersuchung widmet sich aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive den Texten der spanischen Geschlechterdebatte des 18. Jahrhunderts und beleuchtet die Polyphonie aufklärerischer Positionen nicht nur anhand der jeweiligen Argumentationen, sondern fokussiert die Vielgestaltigkeit ihrer textuellen Vermittlungsweisen. Die Entfaltung neuer öffentlicher Kommunikationsräume wird somit an der kulturellen Performativität dieser Texte gemessen, die sich als Orte einer – mal subversiven, mal konventionellen – Realisierung spanischer Geschlechterpolitik erweisen. Die Arbeit wurde im Ibero-Amerikanischen Forschungsseminar des Instituts für Romanistik der Universität Leipzig angefertigt und im Juni 2008 an der Philologischen Fakultät dieser Universität als Habilitationsschrift angenommen. An erster Stelle danke ich dem Direktor des IAFSL, Alfonso de Toro, für seine uneingeschränkte und langjährige Unterstützung, die das Projekt kontinuierlich gefördert und zu dessen erfolgreichem Abschluss beigetragen hat. Für die Übernahme der weiteren Gutachten und für wertvolle Hinweise, die ebenso wie die Vorschläge des Erstgutachters in der Druckfassung berücksichtigt sind, danke ich Dieter Ingenschay von der Humboldt-Universität zu Berlin und Uta Felten vom Leipziger Institut für Romanistik. Mein Dank gilt außerdem Kollegen und Kolleginnen des Ibero-Amerikanischen Forschungsseminars, die mich über Jahre begleitet und kollegial unterstützt haben. Besonders meine Kollegin Cornelia Sieber stand mir mit Rat und Tat zur Seite, sie hat das Projekt über viele Jahre mit größter fachlicher Neugier, Kritik und Zuspruch bereichert. Darüber hinaus habe ich wichtige Einsichten durch die Präsentation und Diskussion von Teilen der Arbeit gewonnen, und zwar im For-

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schungskolloquium von Herrn de Toro, im Rahmen zweier hispanistischer Forschungstage (Berlin 2005, Gießen 2006), an der Universität Duisburg-Essen (2006) bei Herrn Siegfried Jüttner sowie auf mehreren internationalen Tagungen zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, so in Valladolid 2004, Cádiz 2005, Montréal 2006 (ASECS) und Montpellier 2007 (ISECS). Dank eines DAAD-Auslandsstipendiums konnte ich 2003/04 ein Semester als Forscherin am Instituto Feijoo de Estudios del Siglo XVIII der Universidad de Oviedo verbringen und danke der Leiterin, Inmaculada Urzainqui Miquelez, für ihre Unterstützung. Dass auch Oliva Blanco Corujo (Madrid), die schon 1979 Grundzüge der spanischen Geschlechterdebatte untersuchte, und die Historikerin Mónica Bolufer Peruga (Universitat de València) Zeit für Gespräche fanden, hat mir nicht nur den entscheidenden fachlichen Einstieg ermöglicht, sondern auch die zentralen Forschungsfragen auf dem Gebiet erschlossen. In den Etappen der Druckvorbereitung waren mir die Lektüren von Tanja Schwan (Leipzig) und – zuletzt mit großer Intensität – Andreas Gelz (Freiburg), dem Mitherausgeber dieser Reihe, eine unschätzbare Hilfe. Mannheim, Juni 2013 Claudia Gronemann

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1. EINLEITUNG

Die Opposition von Männlich/Weiblich und die in ihr anscheinend gegebene Identität der Geschlechter, das heißt ebensowohl das Männliche wie das Weibliche, “der Mann” und “die Frau”, und das, was als der naturgegebene Unterschied erschien, werden als Effekt kultureller Anordnungen, der sprachlichen Ordnung erkennbar, das heißt aber genauer: lesbar. (Menke 1992: 437f.)

Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, den Wandel der Geschlechterepisteme im spanischen 18. Jahrhundert als einen ambivalenten Prozess der Diskursformation im Rahmen einer veränderten Kommunikations- und Wissenskultur zu beschreiben.1 Anhand der Analyse von argumentativen theoretischen Texten, aber auch journalistischen, essayistischen und literarischen Diskursen, die die Geschlechterproblematik explizit zum Thema haben, zeigt sie auf, wie sich hier ein textueller Prozess der Aushandlung und Performanz 1  Ich greife an dieser Stelle auf einen zentralen geschichtsphilosophischen Terminus Foucaults zurück, der es ermöglicht, historischen Wandel nicht als Abfolge soziohistorischer Prozesse, sondern ausgehend von der Tektonik von Diskurs- und Wissensformationen zu begreifen und somit an textuelle Phänomene rückzubinden. Die von Foucault in L’archéologie du savoir (1969) postulierte “Epochenwende von 1775” vom Zeitalter der Repräsentation zu dem des historischen Bewusstseins (Diskontinuitätsthese) bildet den Bezugspunkt. Gleichwohl soll die Kritik an Foucaults Herangehensweise (z.B. Frank 1984) hier nicht Gegenstand sein, da es dort um theoretische Vorannahmen, nicht aber das Faktum des Wandels selbst geht. Die Wendezeit zwischen 1750 und 1850, die Koselleck (1972) in der Einleitung des Lexikons Geschichtliche Grundbegriffe als “Sattelzeit” bezeichnet hatte, ist unumstritten.

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neuer Standards im Zusammenspiel von nationalen, ökonomischen und institutionellen Faktoren vollzieht. Ein über Jahrhunderte tradiertes Geschlechterwissen wurde in Spanien im Lichte neuer Wissensmodelle und soziopolitischer Veränderungen zum Gegenstand zahlreicher Debatten, deren kommunikative Dimension nicht zuletzt selbst zu einer kulturellen Umgestaltung und zum Eintritt in die Moderne beitragen. Traditionell findet man zwei, explizit oder implizit in diesem Zusammenhang getroffene Einschätzungen. Zum einen die Feststellung, dass sich Neuerungen in der Geschlechtervorstellung lediglich unter Einfluss ‘europäischer’,2 d.h. für den Fall Spaniens vor allem französischer Aufklärungsbegriffe in diese eingeprägt haben. Zum anderen gibt es die gegenläufige, aus dem verfallsgeschichtlichen Ideologem spanischer Rückständigkeit generierte (und inzwischen widerlegte) Ansicht, dass sich im katholischen Spanien und generell jenseits der Pyrenäen mangels vorhandener Aufklärungskultur weder eine Modernisierung noch ein Geschlechterwandel vollziehen konnten. Zu eben dieser Problematik einer grundlegenden Erneuerung des Geschlechterdiskurses sind inzwischen zahlreiche Studien entstanden (Martín Gaite [1972] 1987, Fernández-Quintanilla 1981, Kitts 1995,3 Bolufer Peruga 1998, Haidt 1998, Kilian 2002, Hertel-Mesenhöller 2001, Smith 2006, Heße 2008 – um allein die Monographien zu nennen) und haben der These einer Absenz von Wandel widersprochen. Sie zeigen, dass es im spanischen 18. Jahrhundert nicht nur eine konsistente und an europäische Diskurse anschließende Debatte über Weiblichkeit,4 2  Hierzu einleitend Aguilar Piñal (1996: 14): “En España, el cambio a la pretendida modernidad se hizo sobre ideas importadas, muchas de las cuales chocaban con las nacionales [...]”. 3  Kitts strukturiert die Geschlechterdebatte in Phasen, die von Feijoo und der Debatte zu Feijoo über die Presse der 1760er Jahre zur Reformbewegung der Jahre 1775 bis 1791 reichen. Der Repressionsthese folgend, beschreibt sie einen teleologischen Prozess der “reaffirmation of traditional and repressive notions of womanhood” (Kitts 1995: 243), insofern die Frau zunehmend für den moralischen Verfall der Gesellschaft verantwortlich gemacht und diszipliniert wird (ebd.: 245). Die parallele Öffnung von Bildungsbereichen und eine zunehmende weibliche öffentliche Präsenz, generell die Ambivalenz von Geschlecht im Prozess der Verbürgerlichung und Modernisierung bleiben hier unberücksichtigt. 4  In überzeugender und wohl bislang umfassendster Weise erschloß Mónica Bolufer Peruga die spanische Debatte um Weiblichkeit im Kontext der europäischen Diskurse und konstatiert: “En España, como en el resto de Europa, se discutía de un modo u

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1. Einleitung

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und auch Männlichkeit, gegeben hat, sondern die Geschlechterthematik selbst als eines der Schlüsselthemen der Aufklärung eine historisch kaum dagewesene Relevanz erlangte. Nie zuvor wurde die Frau derart zum Zentrum gesellschaftlicher Debatten und daher kann nicht nur von einer “profusión con que aparece el ‘tema femenino’” (Blanco Corujo 1979: 39) die Rede sein. Vielmehr zeigt sich bei genauerer Betrachtung eine historische Kontinuität des Befunds vom Geschlechterwandel. Von den Brüdern Goncourt wird die Epoche rückblickend als “Jahrhundert der Frau” apostrophiert, während die Hispanistik des 20. Jahrhunderts darin eine frühe feministische Politik der Emanzipation erkennt5 und die Genderforschung im 20. und 21. Jahrhundert die kulturelle Konstruktion und Interrelation der Geschlechterkonzepte fokussiert. Die Relevanz der Kategorie Geschlecht ist unumstritten, wird jedoch aus gänzlich unterschiedlichen Perspektiven reflektiert. Die Beschreibung als ‘Frauenjahrhundert’, die die neuartige Präsenz von Frauen in der Öffentlichkeit betont und glorifiziert, erscheint gleichwohl nur einen Ausschnitt der Problematik zu erfassen. Denn es handelt sich um eine grundlegend veränderte anthropologische, soziale und politische Konzeption der Geschlechter, die sich auf der Basis aufklärerischer Modelle im Rahmen eines tiefgreifenden Wandels von Wissensgrundlagen zu etablieren begann. An der Schnittstelle zur Moderne – so die Ergebnisse einer seit den 1990er Jahre historisch ausgreifenden Genderforschung – wird aus der christlich-metaphysischen Vorstellung von Geschlecht als reinem Oberflächenphänomen einer weithin verborgenen Ordnung eine neue, und zwar elementare gesellschaftliche Kategorie: Geschlechtszugehörigkeit wurde – nicht überall und nicht allseits in gleichem Maße – zu einem Strukturprinzip (nicht mehr ständisch, sondern) funktional geordneter Gesellschaften.6

otro sobre la relación entre el cuerpo sexuado, las cualidades morales y afectivas y funciones sociales de hombres y mujeres, sobre la razón de las mujeres y su educación, su destino doméstico o su papel civilizador, y eran similares tanto las preguntas como las respuestas [...]” (Bolufer Peruga 1998: 398). 5  “[...] le xviiie allait plus loin. Il a été ‘féministe’ avant la lettre, et a protesté avec énergie contre la situation humiliante où était tenue la femme espagnole” (Sarrailh [1954] 21964: 513). 6  Der Begriff geht auf Luhmann (1980) zurück, der diesen Umbruch nicht am Wandel gesellschaftlicher Schichten als Trägern von Werten festgemacht, sondern vielmehr als Abfolge und Ausdifferenzierung von Systemen sowie deren semantischen Kodes beschrieben hatte.

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Geschlecht war in dieser Sichtweise nicht nur das Attribut einer Person aus bestimmtem sozialem Stand, es wurde vielmehr zu einer gesellschaftlichen Schlüsselkategorie, weil der Gedanke einer biologisch begründbaren Geschlechterzugehörigkeit dem modernen Differenzprinzip zu einer Fundierung verhalf. Zwar existierte das ständische Prinzip gesellschaftlicher Distinktion in Spanien im 18. Jahrhundert fort und die absolutistische Monarchie der Bourbonen bildete das politische und kulturelle Zentrum eines überwiegend agrarisch und viehwirtschaftlich organisierten Landes, doch gewannen auch hier Ideen und Praktiken gewandelter Geschlechterrollen an Einfluss. Vor allem im städtischen Milieu entwickelte sich eine neue Sichtbarkeit von zumeist adligen Frauen und ihrer entourage. So entstanden gemischte Zirkel und Salons, die allerdings andere Ideen als jene französischen bureaux d’esprit verfolgten (Fernández-Quintanilla 1981: 34). Einige herausragende Aristokratinnen wirkten hier sowohl in der Öffentlichkeit als auch verschiedenen Institutionen, so die Gräfinnen von Montijo [Francisca de Sales Portocarrero y Zúñiga], von Benavente [María Josefa de la Soledad Alfonso-Pimentel y Téllez-Girón], von Alba [María Teresa Cayetana] und von Lemos [Rosa María de Castro Centurión] (vgl. Martín Gaite [1972] 1987, Fernández-Quintanilla 1981). So wurden Geschlechterfragen zur Zeit der Aufklärung nicht nur im männlichen Diskurs thematisiert, sondern auch Aristokratinnen und Autorinnen melden sich zu Wort. Diese rekurrieren vor allem deshalb auf das Verhältnis der Geschlechter, weil sie ihre Aktivitäten auf direktem oder indirektem Weg legitimieren mussten. In der hispanistischen Forschung wurden bislang in sehr differenzierter Form die Grundlagen, Standpunkte und Folgen dieser modernen spanischen Geschlechterdebatte herausgearbeitet, um sie im europäischen Kontext vergleichbar zu machen und spezifische Eigenheiten aufzuzeigen. So stellte Mónica Bolufer Peruga (1998)7 die grundlegende Unvereinbarkeit der vertretenen Weiblichkeitsentwürfe heraus. Rebecca Haidt (1998) verwies auf die lange Zeit verdrängten körperlichen

7  Bolufer Perugas Dissertation (1998) legt den wohl umfassendsten Korpus zur Weiblichkeitsdebatte im spanischen 18. Jahrhundert zugrunde: sie untersucht theoretische, politische, literarische und journalistische Texte gleichermaßen und ordnet sie drei Themenfeldern zu: El debate intelectual, El cincelado de las conductas, Los nuevos espacios (ebd.). Allerdings berücksichtigt sie die unterschiedlichen Textstrategien und daraus resultierende Ambivalenzen bei der Interpretation kaum.

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1. Einleitung

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Praktiken einer aufklärerischen männlichen Wissensaneignung. Weiterhin wurden die Bedeutung des Genres Roman (Hertel-Mesenhöller 2001, Kilian 2002), der staatsbürgerlichen Rolle der Frau (Smith 2006) und der Erziehung zu Männlichkeit in spanischen Wochenschriften (Heße 2008) herausgestellt. Ich möchte an diese Erkenntnisse anschließen und herausarbeiten, dass es in den spanischen Geschlechterdebatten nicht nur um inhaltliche Innovationen und Rekodifizierungen von Genderpositionen gegangen ist, sondern dass die kommunikativen Strukturen und Strategien der Vermittlung selbst Ausdruck sich verändernder kultureller Geschlechterstandards waren und diese ununterbrochen performierten. So wird es hier nicht im engeren Sinne um eine Zusammenschau konkreter Argumente im Geschlechterstreit gehen, sondern um die Positionalitäten der jeweiligen Autoren und Autorinnen in einem ‘zulassungsbeschränkten’ Sprecherfeld sowie die textuellen Strukturen der Performativität ihrer Äußerungen. Vor diesem Hintergrund wäre zu fragen, ob sich die eigentliche Modernisierung des spanischen Geschlechterdispositivs nicht weniger aus erneuerten Grundpositionen speist als vielmehr aus einer grundsätzlichen Neuordnung der Kommunikationsbereiche, in denen dieses Wissen nunmehr unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Regeln produziert, verarbeitet und rekodifiziert wird. Berücksichtigt man diese Handlungskomponente von Äußerungen insbesondere im Zusammenhang mit der Etablierung von Öffentlichkeit, wird eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Positionen, insbesondere denen von weniger privilegierten Autoren und Autorinnen möglich. Der weiblichen Erziehungsschrift aus der Feder von Josefa Amar y Borbón beispielsweise, die einer einseitigen Essenzialisierung der Mutterrolle das Wort zu reden scheint, können mit Blick auf diese geschlechtsspezifischen Äußerungskontexte neue Bewertungen hinzugefügt werden. Als Korpus der vorliegenden Arbeit wurden daher nicht nur Texte aus dem Œuvre einflussreicher Gelehrter wie Feijoo (Teatro crítico universal) oder etablierter Literaten wie José Clavijo y Fajardo (El Pensador), José de Cadalso (Cartas marruecas) und María Rosa Gálvez de Cabrera (Obras poéticas) ausgewählt, sondern speziell zur Markierung der verschiedenartigen Äußerungssituationen, auch weniger gängige, unter Pseudonym und anonym publizierte Texte. Dazu gehören Fallbeispiele des hybriden Genres der Wochenschrift und der tertulia (La Pensadora

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Gaditana, Papel joqui-serio sabio y erudito)8 ebenso wie Paratexte aus Übersetzungen und Gebrauchstexten von Autorinnen (Teresa González, Inés Joyes y Blake) sowie das Hauptwerk der etablierten Autorin Josefa Amar y Borbón. Letzteres stellt sicherlich einen Grenzfall dar, weil es sowohl die Begrenzungen als auch die Optionen weiblichen Schreibens im 18. Jahrhundert übermittelt. Anhand dieser bewusst kontingent gehaltenen Auswahl an Texten, die sowohl in misogyner Absicht als auch proweiblich oder wissenschaftlich differenziert auf die Geschlechterfrage Bezug nehmen, die konventionellen und modernen Genres angehören und aus der Feder bedeutender, aber auch nicht kanonisierter Autoren und insbesondere Autorinnen stammen, wird der Blick gezielt auf die – zuweilen der Semantik entgegengesetzte – textuelle Performativität gesetzt. Das zu untersuchende Textkorpus wird hier folglich nicht als Blick auf eine bislang vernachlässigte Seite des Kanons betrachtet, wie dies Palacios Fernández (2002) in seinem gleichwohl verdienstvollen Band La mujer y las letras en la España del siglo xviii tut, sondern als Effekt einer ‘phallogozentrischen’ Konstruktion.9 Daraus ergibt sich wiederum die Vorgehensweise, diesen nicht einfach unbewusst fortzuschreiben, sondern bewusst an seinen ‘Rändern’ aufzubrechen und nach den Ursachen von genre- und genderspezifischen Marginalisierungen zu fragen. Wenn also wie bei Palacios Fernández die Rekonstruktion des weiblichen Kanons mit eben jenem essenzialistischen Geschlechterdiskurs begründet wird, der über Jahrhunderte den Ausschluss von Autorinnen legitimierte, so erscheint das beinahe als Kuriosum.10 Vor diesem Hintergrund erweisen sich theoretische Reflexionen auf Geschlechterdiskurse und Konzepte wie Gender und Performanz als essenziell, denn erst die unterscheidende Betrachtung der Relation

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Gerade im 18. Jahrhundert entstehen neue literarische Textsorten, so die moralischen Wochenschriften (vgl. Ertler 2003 u.a.) und die für Spanien typische tertulia (vgl. Gelz 2006). 9  Der Begriff des Phallogozentrismus wurde von Derrida in Fortsetzung seiner Kritik des Logozentrismus, des Denkens in binären Oppositionen (L’écriture et la différence, 1967), geprägt und dient – ausgehend von Lacans Zentralstellung des Phallussymbols – einer Revision der männlichen Kodierung von schöpferischer Subjektivität durch die Naturalisierung von Weiblichkeit. 10  Palacios Fernández (2002: 266) fasst seine ‘Frauenliteraturgeschichte’ unter Rekurs auf die Frauenapologie von Cubié zusammen, anstatt diese zu historisieren: “La sensibilidad femenina riñe aquí con el pudor natural que se le supone a su género, por el temor a desvelar la intimidad sin reservas”.

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1. Einleitung

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Sex/Gender, wie sie Butler ([1990] 1991) eingeführt hat,11 ermöglicht eine kritische Bestandsaufnahme historischer Geschlechtertexte und eine Bewusstseinsbildung für deren bis heute nachwirkenden Konsequenzen. Butlers Theorie, die vor allem auf eine Dekonstruktion der Heteronormativität zielt, reflektiert die diskursiven Kodes und ihre subversive sowie normative Macht, was ebenso auf die identitäre Festschreibung von geschlechtsspezifischen Mustern anzuwenden ist. Methodologisch an Foucault anschließend fragt sie, [...] welche Konfiguration der Macht konstruiert das Subjekt und den Anderen, bzw. die binäre Beziehung zwischen ‘Männern’ und ‘Frauen’ und die innere Stabilität dieser Termini? [...] Was geschieht mit dem Subjekt und der Stabilität der Geschlechter-Kategorien (gender categories), wenn sich herausstellt, daß diese scheinbar ontologischen Kategorien durch das epistemische Regime der vermeintlichen Heterosexualität hervorgebracht und verdinglicht werden? (Butler 1991: 8).

Geschlechtliche und sexuelle Charaktere deutet Butler in diesem Sinne nicht als Realia, sondern als Effekte von Signifikationsprozessen. Im Anschluss an Austins (1962) sprechakttheoretische Überlegungen einer Unterscheidung von konstativem und performativem Sprechen, beschreibt Butler die Performativität von Aussagen über Geschlecht verstanden im Sinne von Gender als Handlungen, die jene soziale Realität sprachlich hervorbringen, die sie zu bezeichnen vorgeben. Jene Akte des Doing Gender erfolgen jedoch keineswegs beliebig und bringen allein symbolische Formen hervor, sondern entfalten ihre soziale Wirkung durch die Habitualisierung,12 welche als Repräsentation faktischer Wirklichkeit erscheint.

11  Mit der Kategorie Sex[us] operieren jene Konzepte, die die Geschlechtsidentität auf ein biologisches Apriori zurückführen und nicht als soziokulturelle Zuschreibung deuten, sondern als überzeitliche, in archetypischen Formen verankerte Konstante. Genderkonzepte hingegen historisieren die Zuschreibungen und stellen deren kulturspezifischen und diskursiven Charakter heraus. Während der französische Feminismus (Julia Kristeva, Luce Irigaray, Hélène Cixous) überzeitliche Entwürfe von Weiblichkeit nicht biologisch, sondern symbolisch fasst, unterzieht Butler die Kategorie der Dekonstruktion und kritisiert den Anspruch, Weiblichkeit überhaupt in Form von übergreifenden Modellen erfassen zu wollen. 12  Dass Butlers konstruktivistische Körpertheorie und Pierre Bourdieus sozialwissenschaftliches Konzept des Habitus letztlich nicht weit auseinander liegen bzw.

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Auf der Basis dieser Vorstellung wird zudem deutlich, dass in den vornehmlich auf weibliche Aspekte ausgerichteten historischen Geschlechterkodes auch Männlichkeit stets mit kodiert und konstruiert wird. Während die Debattenkultur der Frühen Neuzeit im Zeichen jener zahlreichen Querelles des femmes13 ausnahmslos das Thema Weiblichkeit und seine Besonderheiten fokussierten – der Mann als universales Modell des Menschen blieb im christlich geprägten anthropologischen Modell gewissermaßen unsichtbar –, wird im Zeitalter der Aufklärung zwar nicht weniger androzentrisch gedacht, Männlichkeit aber erstmals als solche sichtbar und explizit Gegenstand von neuen Textsorten und Kommunikationsräumen jenseits der üblichen gelehrten theologischen, wissenschaftlichen und literarischen Diskussionen (vgl. hierzu Kapitel 7 und 8). Die Neuformation von Geschlechterwissen im “gran siglo educador“ (Ortega y Gasset 1954: 600) Spaniens wird also einerseits an Veränderungen inhaltlicher und thematischer Art festzumachen sein, wie einer fundamental veränderten Konzeption des Männlichen (vgl. Haidt 1998, Heße 2008, 2011), andererseits aber – und hierauf liegt der Akzent der vorliegenden Arbeit – an ihrer Einbindung in einen Strukturwandel des Öffentlichen im Sinne von Habermas ([1962] 1990),14 der sich in veränderten Medien, Genres und Kommunikationsstrukturen manifestiert und die Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen, die wiederum entscheidend zur Entstehung eben dieser Öffentlichkeit beiträgt, auf wo die Akzente der jeweiligen Modelle liegen, hat die Erziehungswissenschaftlerin Elisabeth Tuider (2003) aufgezeigt. 13  Im Anschluss an den ersten gesamtromanistischen Band dazu (Bock/ Zimmermann 1997) wurde dieser Themenbereich im Projekt der Forschergruppe um Friederike Hassauer hervorragend systematisiert, dazu u.a. Bidwell-Steiner et al. 2001, Aichinger et al. 2003, Hassauer 1997, 2004, Hassauer et al. 2008. Die Arbeitsgruppe hat entscheidend zur Neuperspektivierung der romanistischen Genderforschung beigetragen und die Spezifik frühneuzeitlicher und aufklärerischer Diskurse in historischer und typologischer Sicht grundlegend systematisch erschlossen. 14  Ich beziehe mich hier auf die ideengeschichtlich einflussreiche Studie von Habermas, welche die Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit, zunächst als literarische, dann als politische am Beispiel der sog. Kernländer der Aufklärung Deutschland, Frankreich und England beleuchtet. Obgleich die Übertragung dieses kontrovers diskutierten Modells auf die spanische Aufklärung hinsichtlich der sozialen Reichweite dieser Öffentlichkeit in Frage steht (Tietz 1991: 237), greife ich darauf zurück, um zumindest den Wandel auf der Ebene der kommunikativen Strukturen sichtbar zu machen.

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1. Einleitung

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eine andere Wissensgrundlage gestellt hat. So hätte die Frauenverteidigung Defensa de las mujeres (1726) des galizischen Benediktiners Feijoo vielleicht keine so nachhaltige Debatte ausgelöst, wäre sie nicht in einem enzyklopädischen Werk gedruckt worden, das in hoher Auflage verbreitet, explizit und in allgemeinverständlicher Sprache und Form – Feijoos discursos gelten als Vorform des spanischen Essays15 – über landläufige Vorurteile aufzuklären vorgab und damit auf ein gänzlich neuartiges Publikum zielte. Feijoo machte in diesem Sinne die Geschlechterfrage in Spanien erstmals öffentlich und löste nicht nur mit seiner Behauptung weiblicher Geisteskraft einen Skandal aus, auch sein Ansatz, dies nicht als Gelehrtenstreit, sondern als gesellschaftlich relevante Frage vor einem breiten, als mündig entworfenen Publikum zu behandeln, wirkte als Provokation.16 Deutlich postulierte er, der ansonsten zurückgezogen in der asturianischen Provinz lebte, hier seine Zuständigkeit für säkulare gesellschaftliche Fragen, vor allem aber untermauerte er diesen Anspruch nicht nur theologisch, sondern auf der Basis einer wissenschaftlich-empirischen Argumentation und verkörpert in Personalunion jene für die spanische Aufklärung so typische “lucha de las dos culturas” (Tietz 2009: 61). Die für Feijoos Schriften charakteristische Trennung von theologischer und rationalistischer Erkenntnistheorie ist genuiner Ausdruck der grundlegenden Verschiebung bzw. Differenzierung im Diskurssystem des Jahrhunderts, die Tietz (ebd.) anhand der Konkurrenz zwischen dem theozentrischen, theologisch-klerikalen Modell und einer neuen anthropozentrischen laizistischen Bildungskultur veranschaulicht hat. Diese muss sich nicht notwendigerweise als Konflikt manifestieren, sondern kann, wie das Beispiel Feijoo zeigt, auch als ‘coexistencia’ zutage treten.17 Die weitgreifenden epistemologischen Neuerungen, ausgelöst durch eine solche säkulare Wissensform und verbunden mit der Intensivierung kommunikativer Prozesse im Rahmen einer nationalen Diskurs15 

Manfred Tietz (2009: 70) verwendet den Begriff des ‘pre-ensayo’. Feijoo konstruiert sein Publikum unter Verwendung des Begriffs ‘vulgo’, der nicht mehr allgemein Schriftunkundige als unwissend abgrenzt, sondern hier auf alle Unbelehrbaren, auch Schriftkundige bezogen wird, die sich nicht von den “errores comunes” zu lösen vermögen. 17  Das Beschreibungsmodell von Tietz (ebd.) bezieht sich dabei nicht ausschließlich auf die spanische Aufklärung, ermöglicht aber gleichwohl, deren Besonderheit in Form eines ‘Kampfes der Ideen‘ zu erfassen. In eben jenem Prozess entfalten sich in Spanien ein literarisches Feld und eine säkulare Öffentlichkeit (república de las letras). 16 

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gemeinschaft, verändern das Denken über Weiblichkeit und Männlichkeit grundlegend, so dass die Geschlechterfrage nicht mehr nur einen spezifischen Bereich der sittlich-religiösen Morallehre abdeckt, sondern zu einem Strukturelement der modernen, nationalstaatlich organisierten Gesellschaft wird. Wenn die Historikerin Theresa Ann Smith (The Emerging Female Citizen, 2006) im spanischen Kontext von einer “entstehenden weiblichen Staatsbürgerschaft” spricht, so bringt sie die widersprüchliche Situation ebenso wie die Doppelgesichtigkeit der Strategien auf den Punkt: einerseits profitiert gerade das weibliche Geschlecht im “Jahrhundert der Frauen” (Brüder Goncourt) von der Öffnung gesellschaftlicher Räume und durfte im Zeichen einer neuartigen staatsbürgerlichen Verpflichtung auf das Gemeinwohl nunmehr selbst gesellschaftlich aktiv werden. Andererseits bleibt den Frauen qua Geschlecht die formal rechtliche Anerkennung dafür verwehrt: in der ersten spanischen Verfassung bleiben sie analog zur Situation der Französinnen von der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit liegt nicht darauf, die Geschlechterstrategien im Sinne einer der Aufklärung selbst inhärenten Fortschrittsideologie zu homogenisieren und als Persistenz, Erneuerung oder Rückschritt zu deuten, sondern richtet sich auf die Vielfalt der Diskursstrategien und Kommunikationskontexte der Geschlechterdebatte, um deren inhärente Qualität und neue Dimension sichtbar zu machen. Folglich wird der genannte Wissensumbruch in Spanien weniger anhand originärer Denkmodelle oder abstrakter Fortschrittstheoreme deutlich als vielmehr in den gewandelten Kommunikationsmustern selbst, in denen Kontinuitäten und Diskontinuitäten bezüglich der Tradition vermittelt werden.18 Diese Herangehensweise folgt der Annahme, dass Texte vorhandene Geschlechterordnungen nicht einfach beschreiben, sondern im engeren Sinne des Genderbegriffs unter Verwendung spezifischer Genres und diskursiver Strategien an deren kultureller Konstitution maßgeblichen Anteil haben.

18  Schnell (2002: 476) schlägt vor, ein solches Vorgehen generell auf die Untersuchung der Geschichte von Geschlechterdiskursen seit dem Mittelalter anzuwenden: “Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob sich die entscheidenden Veränderungen des Geschlechterdiskurses vom Mittelalter zur Neuzeit (bis zur Mitte des 20. Jhs.) überhaupt im konzeptuellen Bereich, d.h. auf der Ebene des Gesagten, vollzogen oder nicht vielmehr auf der Ebene der Bedingungen des Redens und Schreibens und in einer neuen Machtverteilung zwischen den verschiedenen Diskursbereichen [...]”.

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ERSTER TEIL: KULTURHISTORISCHE UND GENDERTHEORETISCHE GRUNDLAGEN

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2. GESCHLECHTERTHEORIEN UND KONTEXTE DER SPANISCHEN AUFKLÄRUNG

₂.₁. Historische Aspekte der spanischen Aufklärung Dass es im spanischen 18. Jahrhundert eine Erneuerung von Wissen und Gesellschaft ebenso wie ein aufklärerisches Denken im engeren Sinne gegeben hat, war lange Zeit umstritten. Über Jahrhunderte wirkte im spanischen Identitätsdiskurs der romantische Mythos fort, demzufolge das Land nicht von der europäischen Moderne, sondern von unverkennbar eigenen Traditionen geprägt sei. Vor allem Schlegel und Herder bewunderten diese ‘Entwicklungshemmung’, weil sie darin in primitivistischer Anschauung die Funktion der Bewahrung ursprünglicher Qualitäten verwirklicht sahen. Fortgeführt findet sich die Idee bei dem einflussreichen spanischen Historiker Menéndez y Pelayo und, in kritischer Umkehrung, bei Ortega y Gasset und Octavio Paz im 20. Jahrhundert. Ohne an dieser Stelle auf die in der Forschung mehrfach dargelegten Positionen im Einzelnen einzugehen, sei konstatiert, dass in der Regel eine normative Vorstellung von Aufklärung als einem geistigen Paradigma der Ideenproduktion zu der Einschätzung führte, Spanien sei ein “Land ohne Aufklärung” (Jüttner 1992), was seit langem – ebenso für den lateinamerikanischen Kontext (Rincón 1973) – korrigiert ist. Eine aktuelle Arbeit sieht gerade in der Identitätsdebatte die Spezifik des spanischen Modells, insofern die “Thematisierung, Infragestellung und Verteidigung der nationalen und kulturellen Identität Spaniens” die dortige Aufklärung charakterisiere, so die Hauptthese von Tschilschke (2009: 58). Entgegen

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dem zivilisatorischen und universalisierenden Impetus der französischen Aufklärungsbewegung habe Spanien eher partikularistisch auf Nationenbildung sowie die Hervorhebung spezifischer Eigenheiten und Traditionen gesetzt (ebd.: 58-60). Für unseren Zusammenhang bedeutsam ist die in der Forschung hieraus entstandene kritische Betrachtung von monolithischen Geschichtsbildern, die auf der Entgegensetzung von modernen und traditionellen Nationen beruhten und einer differenzierenden Betrachtung und Würdigung des spanischen Aufklärungszusammenhangs bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts im Weg standen.19 Die Hispanistik hatte sich angesichts dieses in der spanischen Tradition verankerten antiaufklärerischen Denkens mit großer Verspätung der Erforschung einer spanischen Variante der Aufklärung gewidmet, diese jedoch dann mit einem kritischen Bewusstsein für Epochen- und Geschichtskonstruktionen erschlossen, so dass hier nicht nur ein ‘verdrängtes kulturelles Erbe’ rückangeeignet werden konnte, sondern bis dato gängige Verspätungs- und Absenzthesen ausgehend von komplexen historiographischen Modellen verabschiedet wurden.20 Die historische Evidenz einer spezifisch ausgeprägten Aufklärungsbewegung in Spanien bezweifelt heute niemand mehr und eine stetig wachsende Forschung trägt zur kontinuierlichen Erschließung des spanischen Beitrags zur europäischen Geistesgeschichte bei. Neben konkreten Akzentuierungen wie etwa bei Sánchez-Blanco (1991), der die Überschneidungen von spanischer und europäischer Aufklärung betont, oder Aguilar Piñal (1996: 35), der gängige antithetische Konzepte wie despotismo ilustrado oder ilustración cristiana ablehnt, besteht weitgehend Einigkeit über die spanische Aufklärung als

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Dies gilt ebenso für die Erschließung des lateinamerikanischen Beitrags zur Aufklärung (hierzu in Vorbereitung eine Habilitation von Fernando Nina). Die ‘Verspätung‘ einer auf Lateinamerika blickenden Aufklärungsforschung erklärt sich damit, dass der Subkontinent in binärer Optik stets als das Andere der Moderne betrachtet und aus dem Denken der Moderne ausgeschlossen worden war. Cornelia Sieber (2005) hat diese kulturelle Konstruktion und eine Reihe von Gegenentwürfen in nord- und südamerikanischen sowie europäischen Lateinamerikadiskursen systematisch herausgearbeitet und damit einen entscheidenden Ansatz für die kritische Neubetrachtung auch älterer Konstruktionen von Lateinamerika geliefert. 20  Vgl. zu Verdrängung, Mythisierung und Wiedergewinnung des Aufklärungserbes Jüttner (1992) sowie zu aktuellen Tendenzen der Rückaneignung in der Hispanistik Tietz (2009).

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einer christlich-monarchischen Reformbewegung, die sich als Folge des Dynastiewechsels in Spanien etablieren konnte. Sie erlebte unter Karl III. eine Blüte, stagnierte nach Ausbruch der französischen Revolution und kam mit der napoleonischen Invasion 1808 jäh zum Abschluss, das heißt sie wurde ihrer Errungenschaften sukzessive beraubt und konnte damit à la longue kaum Wirkung entfalten. Gleichwohl war das Jahrhundert von Wissens- und Glaubenskonflikten ebenso wie einer Reihe von praktischen Neuerungen gekennzeichnet, denn gerade unter dem Schutz einer auf Reformen bedachten absolutistischen Monarchie – zur Abwehr klerikaler Einflussnahme hatte sich diese mit dem Adel verbündet – konnte aufklärerischer Geist gedeihen. Seine Vertreter profitierten hier paradoxerweise von einer regalistischen Politik, mit der staatliche Befugnisse in das Ordens- und Bildungssystem immer weiter ausgeweitet wurden, bis der Bildungssektor schließlich nach der Vertreibung der Jesuiten im Februar 1767 unter staatlichen Einfluss gestellt wurde. Ihre entscheidende ideologische Legitimationsbasis fanden die gesellschaftlichen Reformen im aufklärerischen Bildungspostulat, demzufolge sich der menschliche Verstand nicht nur formen und entwickeln ließe, sondern der Fortschritt des menschlichen Geistes verbunden mit Strategien der Selbstvervollkommnung im Zeichen des Gemeinwohls stünde. Mit der Aufwertung der menschlichen Vernunft war auch die Entstehung eines historischen Bewusstseins (vgl. Gumbrecht 1978) verbunden und ebenso die Einsicht in die Veränderbarkeit sozialer Zustände, die in der zugehörigen Fortschrittsideologie Gestalt annahm. Vor diesem Hintergrund wandelte sich auch das Fundament für die Bestimmung der Geschlechterdifferenz: nicht mehr Schöpfungs- und Heilsgeschichte begründeten geschlechtliches Rollenverhalten, sondern die Idee der gesellschaftlichen Fortentwicklung, zu der beide Geschlechter einen je spezifischen Beitrag leisten sollen. Auch wenn die Aufklärung in Spanien keine weitreichende politische und kulturelle Wende einleitete wie in anderen europäischen Nationen, sondern einen gesellschaftlichen Reformprozess unter christlich-absolutistischer Ägide, zeichnet sich hier gleichwohl der Beginn eines Wandels öffentlicher Kommunikationsforen ab. In diesem Kontext steht die vorliegende Auseinandersetzung mit der Textualität der Geschlechterdebatten, welche die doppelte Relevanz der Geschlechterkategorie fokussiert: einmal als dem zentralen Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung und zum anderen als eine erstmals

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für den gesellschaftlichen Rang und damit die legitime Teilhabe an öffentlichen Diskursen entscheidende Kategorie. Die Geschlechtszugehörigkeit stellt selbst ein Grundprinzip dieser Öffentlichkeit dar, insofern sie den Zugang zu dieser Form der sozialen Interaktion reguliert. Somit beinhaltet jede öffentliche Stellungnahme auf performativer Ebene auch eine Aussage über die Anerkennung oder Unterwanderung dieser Mechanismen. Geschlechterrollen sind folglich in den veränderten Formen von Öffentlichkeit nicht mehr nur als Thema, sondern auch anhand der Akteure und diskursiven Gesetzmäßigkeiten sichtbar: der öffentliche Raum wird politisiert und zum Schauplatz nicht nur theoretischer, sondern realer Veränderungen in Form von Kommunikation, von sichtbaren Sprechern und Sprecherinnen umfunktioniert. Dies zeigt sich vor allem daran, dass sich gerade eine neue Klasse von Frauen formiert und daran einen Anteil hat. Selbst Adelige wie es die meisten der öffentlich aktiven Frauen waren, verstanden ihre Arbeit in diesem Sinne als bürgerliches Engagement (vgl. 3.2.). Im Sinne des patriotischen Konsenses, aus Spanien wieder ein prosperierendes Land zu machen, ging es dabei vor allem um die wirtschaftliche Inklusion – ob in Form häuslicher oder anderer Arbeit – der Frauen einerseits und die Abgrenzung des weiblichen Beitrags zum Aufschwung andererseits. So basierte die bourbonische Reformideologie auf einem ökonomischen Modell, das alle Mitglieder der Gesellschaft gleichermaßen integrieren und ihre Produktivität ohne Ansehen der sozialen Stellung nutzbar machen wollte, wie Martín Gaite ([1972] 1987: 255, meine Hervorhebung) zusammenfasst: Las nuevas directrices políticas del despotismo ilustrado, al poner el acento sobre la necesidad de la incorporación al trabajo de toda clase de individuos, hasta entonces ociosos en nombre de privilegios ancestrales, no tenía por qué hacer una excepción con las mujeres, de la misma manera que no la hacían con el clero ni con la nobleza. Se necesitaba la colaboración de todos los ciudadanos para el bien de la comunidad y la prosperidad del reino.

An zentraler Stelle war die Kooperation von Frauen gefragt und jenseits von üblichen Ständerollen wurden sie hier zu einer Klasse zusammengefasst, was ihre gesellschaftliche und kulturelle Rolle grundlegend neu konstruiert. Ob diesem Entwurf letztlich praktische Veränderungen folgen, wird noch zu erklären sein. In jedem Fall machte sich die bourbonische Monarchie aufklärerische Ideen zu eigen und

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schloss in ihre Reformpolitik die weiblichen Mitglieder der Gesellschaft ein, die damit zuvorderst als Adressatinnen Teil der neuen Öffentlichkeit wurden. Zwei Aspekte des kommunikativen Wandels sind entscheidend: einmal die ständeübergreifende Konstruktion einer weiblichen – und wie zu zeigen sein wird analog dazu auch männlichen – Geschlechterrolle, und zum anderen die Einführung einer weiblichen Adressierung bzw. Einbindung weiblicher Adressaten in den Prozess der Institutionalisierung von Öffentlichkeit. Praktisch blieben die neuen Optionen jedoch weitgehend ungenutzt, denn hohe Raten des Analphabetismus (vgl. Viñao Frago 1988) beförderten die Liberalisierung und Kapitalisierung des Buchmarktes gerade nicht: “damit blieb die Zahl der Teilhaber am wichtigsten Instrument der Aufklärung, dem gedruckten Wort, im europäischen Vergleich sehr niedrig und gelangte kaum über das bereits im Barock erreichte Niveau hinaus” (Tietz 1991: 229). Gleichwohl findet sich nicht nur im Legitimationsdiskurs der spanischen Reformer, welche im Auftrag der absolutistischen Herrscher konkrete Programme entwarfen, die Idee eines Stände und Geschlechter übergreifenden Publikums und es werden Frauen als Bürgerinnen zur gesellschaftlichen Mitwirkung aufgefordert, was sich – wenngleich nur punktuell historisch umgesetzt – entscheidend in der Entfaltung neuer Textstrategien manifestieren wird.

₂.₂. Geschlechterordnung und Strukturwandel der Öffentlichkeit Der allgemeine Begründungszusammenhang der Entstehung einer strukturell veränderten Öffentlichkeit im Verbund mit den modernen, geschlechtsspezifisch organisierten sozialen Rollen wurde in der Genderforschung vielfach thematisiert. So benennt Laqueur ([1990] 1996: 221) in seiner umfassenden Kulturgeschichte des Geschlechterwandels, in der er – nicht unumstritten – die medizinischen und kulturellen Grundlagen von Geschlecht von der Frühen Neuzeit zur Moderne als Ablösung von einem sog. One-Sex-Model beschrieben hatte, das Problem der Reglementierung des öffentlichen Bereichs als Geschlechterproblem: “Die Schaffung einer bourgeoisen Öffentlichkeit warf mit aller Macht die Frage auf, welches Geschlecht (oder welche Geschlechter) diese nun legitimerweise in Beschlag nehmen sollte(n)”. Nicht mehr im engeren Sinne um die Wertigkeit des weiblichen Ge-

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schlechts ging es dabei, sondern um die grundsätzliche Regelung des Zugangs zu den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen nach dem Geschlechterprinzip. Die moderne Geschlechterdebatte ist folglich weniger mit der Auf- oder Abwertungen von Weiblichkeit verbunden als vielmehr mit der Frage, wer überhaupt und in welchem öffentlichen Rahmen autorisiert ist, sich über das Thema zu äußern. Nun war die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht schon immer die entscheidende Voraussetzung der autorisierten Rede, doch erweist sich Männlichkeit für das Agieren in der öffentlichen Sphäre von grundsätzlicher Relevanz. Die Ein- und Abgrenzung eines zunächst abstrakten Raums der publizistischen und politischen Öffentlichkeit vollzog sich über die Konstruktion eines komplementären privaten Raums, der ganz auf Weiblichkeit zugeschnitten und damit vom öffentlichen Leben getrennt gedacht wurde. Diesen als kulturelle und zugleich segregierende Konstruktion erkannt zu haben, ist das Verdienst zahlreicher Studien zum aufklärerischen Geschlechterdenken. Exemplarisch hierfür steht die Systematisierung theoretischer Positionen in der französischen Aufklärung durch Steinbrügge, die die Komplementärfunktion von Vernunft und Moral im Denken Rousseaus unterstreicht und damit nicht nur die interne Mechanik, sondern auch die Doppelgesichtigkeit aufklärerischer Theoreme belegt. Denn die Hypostasierung der Vernunft fordert ihren Tribut in Form der Institutionalisierung eines zugehörigen privaten Korrektivs: “Die Aufwertung der Vernunft hat gleichzeitig den defizitären Charakter dieser Vernunft unter bestimmten sozialen Voraussetzungen erkennbar werden lassen [...] Daraus erklärt sich der Ruf nach Moral – aber wohlgemerkt der privaten”, und damit erweist sich die Erfindung der neuen geschichtlichen Rolle der Frau als sog. moralisches Geschlecht als äußerst zwiespältiges Unterfangen (Steinbrügge [1987] 21992: 77). Die Erkenntnisse der feministischen Genderforschung haben wiederum eine Präzisierung bezüglich des genealogischen Zusammenhangs von Öffentlichkeit als geschlechterbezogenem gesellschaftlichem Strukturwandel bewirkt, die Habermas (1990) im Vorwort zur Neuauflage seiner wegweisenden Studie explizit thematisiert. Die Exklusion des weiblichen Geschlechts aus der sich gegen den Bereich des Privaten abgrenzenden Öffentlichkeit erfolgte nicht als akzidentelle Begleiterscheinung verbürgerlichter Gesellschaften, sondern war für die Herausbildung der modernen politischen Öffentlichkeit konstitutiv, “weil diese nicht nur kontingenterweise von Männern beherrscht

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wurde, sondern in ihrer Struktur und in ihrem Verhältnis zur Privatsphäre geschlechtsspezifisch bestimmt gewesen ist” (Habermas 1990: 19). Habermas hatte den Strukturwandel der Öffentlichkeit als funktionale Polarisierung von öffentlicher und privater Sphäre beschrieben und in eine Reihe mit anderen historischen Modellen von Öffentlichkeiten dargestellt, darunter das der antiken Polis im griechischen Stadtstaat, das sich in Abgrenzung zu Oikos etablierte21 bzw. gegen die Formen der herrscherbezogenen repräsentativen Öffentlichkeit im Unterschied zu ihrer bürgerlichen Form absetzte. Für jene galten wiederum eigene Beschränkungen, z.B. gegenüber Männern der unteren sozialen Hierarchie. “Anders als der Ausschluss der unterprivilegierten Männer”, so Habermas mit Blick auf die Entstehung der modernen bürgerlichen Öffentlichkeit (ebd.), “hatte die Exklusion der Frauen eine strukturbildende Kraft”.22 Dieser Nachtrag von 1990, den der Autor seiner Theorie von 1962 beifügt, ist von entscheidender Bedeutung, insofern er die konstitutive Funktion der Geschlechterkategorie für die gesellschaftliche Strukturbildung einräumt und der lange Zeit als untergeordnet verstandenen Rolle von Gender in politischen und sozialen Prozessen Rechnung trägt. Die Entfaltung eines neuen öffentlichen Kommunikationsraums erscheint dabei als dynamischer Prozess, der nicht konkrete physische Räume abbildet, sondern als ein Diskursfeld zu verstehen ist, “in dem die Regeln und Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens festgelegt werden” (Klaus 1994: 75). Dies bezieht sich auf die symbolische Produktion von Kodes nach spezifischen Mustern, die als Prozess eines kommunikativen Aushandelns bzw. Etablierens von Normen in die Betrachtung sozialer Wandlungsprozesse einbezogen werden muss, da

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Habermas (1990: 56) bestimmte das Öffentliche unter Bezug auf die strenge Trennung zwischen Polis und Oikos, stadtstaatlicher und privater Sphäre. Die Polis als genuiner Bereich des Politischen war den Reden der Männer vorbehalten, der Oikos hingegen war der Ort von Frauen und Sklaven in eindeutig hierarchischer Beziehung zum Herrscher des Hauses. In der bürgerlichen Ordnung wird im Unterschied dazu die Gleichwertigkeit und Wechselseitigkeit der entgegengesetzten Sphären und somit auch die der Geschlechter behauptet. Die Nachrangigkeit des mit Weiblichkeit verbundenen privaten Raums wurde dabei stets als akzidentelle Erscheinung gedeutet. 22  Auch die systematische Verdrängung der immer schon unterrepräsentierten Frauen aus der Wissenschaft im Prozess der Institutionalisierung von Philosophie und Naturwissenschaften (Anatomie, Medizin, Biologie u.a.) steht in diesem Zusammenhang (vgl. Schiebinger 1993 und 1995).

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diese aus zeichenhaften Repräsentationen und Texten gewonnen werden. Diese Erweiterung ist hilfreich, denn sie schließt im Unterschied zu traditionellen Betrachtungsweisen gerade jene nicht-institutionalisierten, alltäglichen und alternativen Kommunikationsbereiche – wie schwer auch immer sie sich im Nachhinein erschließen lassen – explizit ein und ermöglicht zumindest eine Reflexion auf das, was kulturell ausgeschlossen bleibt. Vor diesem Hintergrund ließe sich auch das Postulat, in Spanien sei zu Zeiten der Aufklärung kein derartiger Strukturwandel des Öffentlichen erkennbar geworden, neu perspektivieren. Zwar haben hier, “staatliche Zensur, Inquisition und die daraus resultierende Selbstzensur der Autoren” (Tietz 1991: 237) sowie ein kaum kommerzialisiertes Buchhandels- und Pressewesen im Unterschied zu Deutschland, Frankreich und England, an deren Beispiel Habermas seine These entwickelt hatte, zu deutlich überschaubareren Publikumszahlen geführt. Gleichwohl hatte sich eine im engeren Sinne literarische Öffentlichkeit institutionalisiert, verbunden mit einem modernen Rezensionswesen, Literaturkritik, Presse und Publizistik, über die eine neuartige ‘opinión pública’ generiert und keineswegs nur laizistische Themen vermittelt wurden (Tietz 2009: 70). Im Zeitalter der Aufklärung gewannen folglich auch in Spanien neuartige Kommunikationsmuster an Bedeutung. Diese zielen auf die Vulgarisierung und Verbreitung aufklärerischen Denkens, die Anwendung desselben im Rahmen interaktiver ‘Erziehungstexte’ (moralische Wochenschriften, tertulia-Texte) oder schlicht die Unterhaltung eines breiteren Publikums und beinhalten bereits bewusstseinsbildend dessen textuelle Konstruktion als – durchaus ambivalente und plurale – kritische Öffentlichkeit. Dass dieser öffentliche Raum nicht nur von Rationalität geprägt sein kann und daher bei Habermas in gewisser Weise idealisiert erscheint, haben zahlreiche Kritiker, darunter auch feministische Kritikerinnen unterstrichen. So hat Joan B. Landes (1988) für den Kontext der französischen Revolution betont, dass Frauen nur unter Einhaltung geschlechtsspezifischer Konventionen überhaupt Zugang zu dieser weiterhin patriarchalen Öffentlichkeit erhielten. Die Aktivitäten der Madrider Junta de Damas de la Sociedad Económica Matritense (vgl. 3.2.) belegen, dass sich spanische Frauen der Oberschicht auf durchaus selbstbewusste Art den öffentlichen Raum anzueignen wussten, um eigene Interessen wirksam zu artikulieren.

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In diesem Kontext scheint es geboten, in die Beschreibung des Strukturwandels öffentlicher Äußerungsformen auch die subversiven Techniken des Umgangs mit ihren Restriktionen einzubeziehen, was nicht nur die Intervention von Frauen betraf, sondern eine generelle Hierarchie der Äußerungspositionen (dies zeigt sich etwa in der Feijoo-Debatte an Beiträgen, die auf eine Delegitimierung der Sprecherposition Feijoos zielen). Das von Habermas entwickelte Modell eines Strukturwandels der Öffentlichkeit möchte ich daher nicht normativ, sondern eher deskriptiv zur Darstellung einer veränderten Kommunikationssituation anwenden, die sich an den verwendeten textuellen Mustern aufzeigen lässt.23 Nicht die im engeren Sinne soziologischen Aspekte dieser Öffentlichkeit werden im Zentrum der vorliegenden Betrachtung stehen, sondern textuelle Strategien der Herstellung einer solchen Kommunikationsgemeinschaft. Ausgehend von der poststrukturalen Auffassung, dass sprachliche Strukturen das Reale – in dem sie es in spezifischer Form und Konzeptualisierung darstellen – als solches entwerfen, wird es um die entsprechenden Diskursstrategien, um textinterne Adressierungen und die Inszenierung von Autorschaft gehen. Dies ist verbunden mit dem Ziel, die Geschlechterdebatten der spanischen Aufklärung nicht nur hinsichtlich ihrer Propositionen auszuwerten und an einem vermeintlich normativen, mitteleuropäischen Geschlechterwissen zu messen, sondern die Debatte selbst in ihrer kommunikativen Dynamik und anhand konkreter Strategien und Techniken als Ausdruck einer kulturellen Modernisierung herauszustellen. Selbst wenn die soziale Basis für den Prozess gesamtgesellschaftlicher Umwandlungen in Form eines wirtschaftlich erfolgreichen Bürgertums in Spanien vergleichsweise unbedeutend ausfiel, findet ein aburguesamiento (Tietz 2009: 63) in der Veränderung der Modi des gesellschaftlichen Umgangs und der kommunikativen Äußerungsformen statt. Die Polarisierung der Geschlechter in diesem Prozess der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung erweist sich somit ebenso wie die mit ihr verbundene geschlechtsspezifische Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit als ideologisches Konstrukt im Dienst des reformerisch geprägten, auf ein höherwertiges Allgemeinwohl gerichteten Nützlichkeitsideals. 23  Die Kritik an Habermas, insbes. der Vorwurf der Idealisierung der neuen Öffentlichkeit als kohärent und rational wird hier nicht weitergehend diskutiert, weil sie für unseren Zusammenhang untergeordnet ist.

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Mit der Entsakralisierung des Glücksbegriffs (Maravall 1991b) war jedoch nicht nur eine fundamentale Ökonomisierung, Politisierung und Pädagogisierung der gesellschaftlichen Debatten darüber verbunden. Unter Verweis auf ein solch konsensfähiges ‘patriotisiertes’ Modell von Gemeinwohl ließen sich absolutistische Herrschaft und staatliche Eingriffe gut begründen. Die bourbonischen Reformansätze in Spanien erhielten damit ihre Legitimation (ebd.). Die beiden hier skizzierten Ebenen des Eintritts in die Moderne – die der soziohistorischen Wirklichkeiten auf der einen Seite und die der Erneuerung des Denkens verstanden als “crise de la conscience européenne” (Hazard 1949) auf der anderen24 – gilt es in ihrer spezifischen Verflochtenheit zu betrachten. Dabei soll es nicht um die Rekonstruktion einer historischen Geschlechtersituation gehen wie etwa bei Bolufer Peruga (1998)25 und Hertel-Mesenhöller (2001), sondern um die diskursanalytische Erschließung jener vielschichtigen Realitäten der Rede über Weiblichkeit und Männlichkeit, die sich in einem spezifischen historischen Debattenzusammenhang herausgebildet haben. Die hier entstandenen Diskurse deute ich als Performanz sozialer Realitäten und werde in der Analyse drei Betrachtungsebenen miteinander verbinden: 1) Die der Veränderungen in der Sozialstruktur der frühbürgerlichen Gesellschaft, verbunden mit einer neuen Sichtbarkeit von Frauen, 2) die Ebene der veränderten öffentlichen Kommunikationsstrukturen und 3) die der konkreten textuellen Manifestation diskursiver Muster. Bei der von Butler ([1990] 1991) vorgenommenen begrifflichen Präzisierung der Kategorie Geschlecht auf Gender geht es darum, das Augenmerk auf den Akt der Herstellung, der symbolischen Produktion und Rekodifizierung der Vorstellung von Geschlecht zu legen und darin eine kulturelle Zeichenproduktion, nicht eine natürlich gegebene historische Geschlechterkonstellation zu erkennen. Zu den Prämissen einer solchen genderbasierten Forschung gehört es, die beschriebene Polarisierung von privatem und öffentlichem

24  Dass sich diese Krise des Geistes, die François Lopez für Spanien auf die Zeit nach der französischen Revolution datiert hatte, in kritischen Schreibstrategien wie der Cadalsos artikuliert, führt Jan-Henrik Witthaus (2007) aus. 25  Einen Überblick über die Erforschung der Geschichte von Frauen im spanischen 18. Jahrhundert gibt Bolufer Peruga (2006), des Weiteren die fünfbändige europäische Geschichte der Frauen (hg. von Georges Duby und Michelle Perrot, 1993-95 [Histoire des femmes en Occident. Paris: Plon, 1990-91]).

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Raum nicht als historisches Apriori, sondern primär als kulturellen Prozess der Formierung geschlechtsspezifischer bürgerlicher Funktionsbereiche zu betrachten. Dieser ist untrennbar mit den gesellschaftlichen Umbrüchen verbunden und findet seit den 1980er Jahren auch in den Sozialwissenschaften große Aufmerksamkeit.26 Gerade diese Einsicht in den spezifisch modernen Strukturzusammenhang von Öffentlichkeit, Gesellschafts- und Geschlechterordnung erfordert es, auch Diskurse über Ehe, Familie und Sexualität nicht als Abbildung vorherrschender sozialer Verhältnisse, sondern als kulturell und politisch konstruierte Legitimationsdiskurse in diesem Wandlungsprozess zu verstehen. Auch in Spanien zirkuliert die säkulare Glückseeligkeitslehre und der Begriff der felicidad pública vermittelt die spanische Variante dieser irdischen und an materielle Güter geknüpften Glücksvorstellung.27 Das Neuartige an diesem Modell war u.a. eine Erziehung zu moralischen Werten, die aufs Engste mit ökonomischen und politischen Zielen verknüpft waren (ebd.: 165). So hob der spanische Minister und Aufklärer Melchor Gaspar Jovellanos in seinem berühmten Elogio de Carlos III, einer Bestandsaufnahme der bourbonischen Reformpolitik,28 auf die Mitwirkung von Frauen am gesellschaftlichen Projekt der Modernisierung ab. Hatte er andernorts “als Anwalt der Frauen” bereits deren Zugang zur Erwerbsarbeit im Dienst des Gemeinwohls gefordert,29 entwarf er hier in seiner Lobrede anlässlich des Thronjubiläums 26 

Die Entgegensetzung von Privatheit und Öffentlichkeit im Sinne einer Neuordnung von Machtstrukturen und der Hierarchisierung der Geschlechter ist bereits seit den 1980er Jahren Gegenstand der soziologischen und politikwissenschaftlichen Geschlechterkritik (vgl. Elshtain 1981, Pateman 1989). 27  Maravall (1991: 162) zufolge ersetzte “felicidad política” den von Jesuiten geprägten Begriff des “bien común”. 28  Karl III. (1759-88), vormals König von Neapel, setzte die bourbonische Reformpolitik seines Vaters Philipp V. (1700-46) und seines Bruders Ferdinand VI. (1746-59) fort, wobei er sich, von italienischen Einflüssen geprägt, als aufgeklärter Herrscher darstellte und – nach Entlassung seiner italienischen Berater in Folge des motín contra Esquilache – eine Reihe von spanischen Aufklärern in Regierungsämter berief (u.a. Campomanes, Floridablanca, Aranda). Der Volksaufstand diente ihm als Vorwand für die Vertreibung der spanischen Jesuiten (1767), die seinen Reformen im Erziehungswesen im Weg standen. Der um Einfluss bemühte Klerus mobilisierte daraufhin zum Widerstand (vgl. Schmidt 1989 und Tietz 1998 bzw. 2002). 29  Der Zugang weiblicher Arbeitskräfte zur frühindustriellen Produktion insbesondere im gut entwickelten Textilsektor hatte bereits Ende der 1770er Jahre mit der

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analog zu den Thesen Rousseaus die mit natürlicher Empfindsamkeit begabte Frau, die für genuin weibliche Aufgaben wie Mutterschaft,30 häusliche Erziehung und Ehefrauenrolle prädestiniert und im Sinne des gesellschaftlichen Reformprojekts auch verpflichtet war. Dass eine solche Aufladung der Privatsphäre mit gesellschaftlicher Bedeutung und die veränderten Aufgaben der Frauen, “denen das Fehlen des Bürgerinnenrechts durch Mutterschaft kompensiert wird” (Hassauer 1997: 218) keineswegs unpolitisch und schon gar nicht unproblematisch hinsichtlich der Hierarchisierung von Geschlecht ist, betont Hassauer (ebd.): “Ihr Beitrag [der der Frauen, C.G.] ist zwar komplementär zu dem der Männer und damit unverzichtbar, aber in einem Rahmendiskurs von ‘Unterwerfung’ ihnen unterstellt”. Die Funktionalisierung der Geschlechterbeziehung ist demzufolge von der einsetzenden Politisierung des Privaten im Dienst des ökonomischen bürgerlichen Aufschwungs bestimmt und somit Bedingung der Möglichkeit des gesellschaftlichen Umbaus zur Modernisierung.

₂.₃. Vom ‘Jahrhundert der Frau’ zur Konstruktion einer neuen Geschlechterrolle In der europäischen Kultur des 18. Jahrhunderts zeichnet sich allgemein eine neue Sichtbarkeit von Frauen verbunden mit einem gestiegenen Interesse an der Beobachtung und Reflexion ‘frauenspezifischer’ Fragen im gesellschaftlichen Kontext ab. Anders als die noch in höfischem oder klerikalem Kontext geführten frühneuzeitlichen Gründung der Reales Cédulas eingesetzt. In der Reformschrift Informe dado a la Junta General de Comercio y Moneda sobre el libre ejercicio de las Artes (1785) plädierte Jovellanos für einen freien Zugang zu Handwerk und Manufaktur, insbesondere auch für Frauen, insofern dies dem Gebot der Nützlichkeit folgte und nicht im Widerspruch zu ihrer Sittsamkeit stand (vgl. die Problematisierung dieses Ansatzes bei Hassauer 1997: 217). Ähnlich hatte dies schon Campomanes in seinem Discurso sobre el fomento de la industria popular (1774) gefordert, der ebenfalls die Einbeziehung der Frauen in die freien Berufe und somit die Einbindung ihrer Produktivität in den gesellschaftlichen Reformprozess forderte – freilich betont er die dabei nötige Berücksichtigung ihres Status als Frau und macht damit den Verzicht auf Gleichstellung deutlich. 30  Mutterschaft wurde erst im 18. Jahrhundert zum soziokulturellen Konzept, mit einer vermeintlich biologischen Bestimmung gleichgesetzt und zum dominierenden gesellschaftlichen Rollenideal. Zur Genese eines regelrechten deutschen Muttermythos vgl. Vinken (2001).

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Querelles des femmes (Bock/Zimmermann 1997), rücken die Frauen selbst stärker ins öffentliche Bild und wurden Thema allgemeiner, gesamtgesellschaftlicher Betrachtung, welche mit der Konstruktion und Aufwertung einer neuartigen sittlichen Funktion der Frau verbunden war. Rückblickend wird das Jahrhundert im französischen Kontext des Ancien Régime gar als ‘Zeitalter der Frau’ mythisiert, dem die Brüder Goncourt in Form des Weiblichen die entscheidende Triebkraft gesellschaftlicher Entwicklungen zuschrieben: Chaque âge humain, chaque siècle apparaît à la postérité dominé, comme la vie des individus, par un caractère, par une loi intime, supérieure, unique et rigoureuse, dérivant des mœurs, commandant aux faits, et d‘où il semble à distance que l‘histoire découle. L‘étude à première vue discerne dans le dix-huitième siècle ce caractère général, constant, essentiel, cette loi suprême d‘une société qui en est le couronnement, la physionomie et le secret : l‘âme de ce temps, le centre de ce monde, le point d‘où tout rayonne, le sommet d‘où tout descend, l‘image sur laquelle tout se modèle, c‘est la femme. La femme au dix-huitième siècle, est le principe qui gouverne, la raison qui dirige, la voix qui commande. Elle est la cause universelle et fatale, l’origine des événements, la source des choses. (Frères Goncourt 1887: 371, meine Hervorhebung)

Diese geschichtliche Überhöhung des Weiblichen als epochemachendes Prinzip steht nicht nur in merkwürdigem Kontrast zum vorherrschenden patriarchalen Geschichtsverständnis – oder wird vielmehr aus diesem heraus artikuliert –, sondern scheint noch mit dem Abstand von 100 Jahren ein Echo auf die emphatischen Erneuerungsdiskurse des aufklärerischen Jahrhunderts selbst. Die Rousseau’sche Konzeption des Weiblichen, die dort vorgenommene Übertragung der Heilsfunktion auf das Modell der domestizierten Frau, wird hier nicht historisiert, sondern umgekehrt zur historischen Realität verklärt. Die Rede vom Jahrhundert der Frau verdeutlicht eindrucksvoll, dass die Frau hier vielmehr nach dem Modell der besonderen moralischen Verantwortung geformt wurde, demzufolge sie über Wohl und Wehe einer Gesellschaft entscheiden sollte, aber auch einer stärkeren Beobachtung und Kontrolle bedurfte. Die Aufwertung der häuslichen Frauenrolle war dementsprechend mit der öffentlichen Kritik an ‘freizügigen’ und ‘sittenlosen‘ Frauen verbunden, welche die Kontrastfolie dazu bildeten. So wunderten sich in Montesquieus Lettres persanes (1727) die reisenden Perser im 23. Brief

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nicht zufällig über die besonderen Freiheiten der europäischen Frauen und zeichnen okzidentalisierend das Bild einer moralisch depravierten Gesellschaft. Ähnlich warnt Rousseau später in der Lettre à d’Alembert sur les spectacles vor dem zunehmenden öffentlichen Einfluss der Frauen.31 In der Goncourt’schen Sittengeschichte La femme au dix-huitième siècle (1862), die das Ansehen der Epoche am Wohlverhalten der weiblichen Bevölkerung misst, werden somit auch die Spätfolgen einer solchen historischen Verklärung des Weiblichen – in Umkehrung des biblischen Sündentopos – als moralisches Geschlecht sichtbar. Die Frau wird hier zum historischen Subjekt, aber sie wird es erst in dem Moment, in dem sie von einem Gattungswesen zu einem Geschlechtswesen mutiert. Dass der Eintritt in die Geschichte gleichwohl auch einen Prozess der Autonomisierung weiblicher Bevölkerungsschichten eröffnete und somit durchaus ambivalent verlief, betont Blanco Corujo (1979: 1)32 mit Blick auf den spanischen Kontext dieses “siglo de la controversia y de la razón, cuando la mujer entra de lleno en el escenario de la historia al estallar con fuerza incontenible un proceso cuya lenta maduración se había fraguado a lo largo de los siglos”. In Spanien betreten die Frauen vergleichsweise zaghaft den öffentlichen Raum, für den nach wie vor starke Einschränkungen hinsichtlich ihrer Sichtbarkeit gelten. So ist Frauen der Zutritt zu Cafés offiziell untersagt (Álvarez Barrientos 2005: 131), in Akademien werden sie erst relativ spät zugelassen und mit einem Sonderstatus versehen (z.B. in Gestalt der Junta de Damas als eigene Sektion innerhalb der Madrider Ökonomischen Gesellschaft). Die einzige Ausnahme bilden die aristokratischen Salons, in denen spanische Damen und ihre überwiegend männlichen, aber auch weiblichen Gäste gleichrangig agieren. Für diese neuartigen Foren einer teilweise bereits ständeübergreifenden Öffentlichkeit waren die französischen Salons des 17. 31  Der Brief formuliert Rousseaus Kritik am Theater und an der identifizierenden Wirkung der Fiktion, für welche Frauen besonders empfänglich seien. Er antwortet direkt auf d’Alemberts Artikel über die Genfer Sitten in der französischen Enzyklopädie. 32  Oliva Blanco Corujo verfasste, mitten in der transición, eine der ersten Arbeiten zur spanischen Geschlechterdebatte. Ihre Abschlussarbeit mit dem Titel Feijoo y la polémica feminista en el siglo xviii (1979) entstand unter der Leitung von José Miguel Caso González, damaliger Inhaber der Cátedra Feijoo an der Universität von Oviedo. Erst nach Fertigstellung der vorliegenden Arbeit ist der Text in Buchform erschienen (Oliva Blanco Corujo: La polémica feminista en la Espãna ilustrada: la defensa de las mujeres de Feijoo y sus detractores. Toledo: Almud 2010).

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Jahrhunderts und ihre salonnières europaweit das Vorbild (vgl. Lougee 1976, Baader 1986, Landes 1988, Lilti 2005).33 Auch im benachbarten Spanien gewann im Zuge des bourbonischen Einflusses die Rolle der Frauen im gesellschaftlichen Leben an Bedeutung,34 und zwar nicht nur unmittelbar am Hof etwa mit Königin Isabel de Farnesio, der zweiten Frau von Philipp V. (und Mutter Karls III.),35 sondern auch im Rahmen einer aristokratischen städtischen Öffentlichkeit. Vor allem vier Salons unter weiblicher Ägide erlangten im Madrid der Epoche an Bedeutung. Der Salon der hochgebildeten Condesa-Duquesa de Benavente y Osuna im Park El Capricho nordöstlich von Madrid, in dem sich bekannte Autoren und Künstler wie Francisco Goya, Tomás de Iriarte, Ramón de la Cruz und Leandro Fernández de Moratín versammelten, oder die Runde um die Condesa de Montijo,36 an der Jovellanos und Meléndenz Váldez teilnahmen. Sie wurde wegen des Austauschs über religiöse Neuerungen als jansenistisch verurteilt und schließlich einem eigenen Inquisitionsverfahren unterworfen. Die Academia del buen gusto der Condesa de Lemos hingegen galt als der wichtigste und im engeren Sinne literarische Salon. Ein weiterer Salon wurde von der Duquesa de Alba geführt.37 So waren aristokratische Frauen im gesellschaftlichen Leben präsent, sie besuchten zuvor üblicherweise für männliches Publikum reservierte Orte wie Akademien, Kaffeehäuser und tertulias, führten als Oberschichtenangehörige eige-

33  Die in den Salons praktizierte Konversation (z.B. der “Jeux d’esprit”) begreift Renate Baader (1989: 60) als Medium der Emanzipation und stellt fest, dass Mündlichkeit hier den Weg zur Mündigkeit bahnt. Eine höchst anregende kritische Auseinandersetzung mit den vielfältigen historischen Mythisierungen dieser Salons bietet Lilti (2005). 34  Die von Ferdinand VI. und Philipp V. eingeleitete Reformpolitik wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte von Karl III. fortgeführt und bewirkte durch die Neugründung von Institutionen und Umstrukturierungen weitere soziale Veränderungen. 35  Vgl. zu dieser kulturellen Ausnahmefigur die biographische Studie von Pérez Samper (2002). 36  Vgl. die Biographie der Condesa de Montijo von Demerson (1975), die zugleich einen ersten Einblick in die weibliche Salonkultur Spaniens vermittelt. 37  Zu den spanischen Salons und ihren Gastgeberinnen vgl. Fernández-Quintanilla (1981), Demerson (1975: 14-24), Martín Gaite ([1972] 1987), Roig (1989: 55). Neben den genannten Hauptakteurinnen sind weitere Protagonistinnen der spanischen Salonkultur die Marquesa de Fuerte-Hijar, bei der sich Theaterschaffende versammelten, Josefa de Zúñiga y Castro, Duquesa de Arcos, die Marquesa de Santa Cruz, die Marquesa de Espejo und die Marquesa de Villafranca.

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ne Salons und kommunizierten zumindest in der Halböffentlichkeit ihrer Salons über kulturelle, aber auch politische, ökonomische und religiöse Fragen. Obgleich sich die Salonkultur in Spanien zeitlich später als in Frankreich entfaltete und im Unterschied zu dieser häufiger den Unterhaltungsaspekt in den Vordergrund rückte38 – so versammelte die Gräfin von Alba Künstler, Toreros und Maler wie Goya in ihrem Salon, welcher das Zentrum der volkstümlichen majo-Bewegung darstellte39 – verweist ihre Existenz gleichwohl auf kulturelle Wandlungsprozesse, die vor allem in der kritischen Sicht vieler Zeitgenossen überliefert sind. Während die französische Salonkultur von den Vertretern des 19. Jahrhunderts als Hort politischer und literarischer Revolutionen, aber auch als Raum der weiblichen Emanzipation verklärt wurde (Lilti 2005: 36f. und 47f.), erhob sich im 18. Jahrhundert in Spanien eine Welle der Empörung in Form satirischer und parodistischer Invektiven gegen die Salons und ihre gebildeten weiblichen Leitfiguren, vergleichbar dem französischen Diskurs der Preziosenkritik im 17. Jahrhundert.40 Dabei ging es weniger um einen persönlichen Angriff der genannten spanischen Aristokratinnen und die wenigen Madrider Salons als vielmehr die Diskreditierung eines Modells, das als fran-

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So etwa Kany (1932: 269), “the more essential objectives of the tertulia seem to have been gallantry, dancing, and card playing”. 39  Die majos und majas, die durch ihre auffällige, an nationalen Traditionen orientierte Kleidung, ihr volkstümliches Auftreten und ein besonderes Selbstbewusstsein bis hin zu Kleinkriminalität auffielen, verkörperten eine für das 18. Jahrhundert typische Performanz der spanischen Identität. Sie wurden von Adligen imitiert, die sich ihrer Kleidungsstile und Umgangsformen bedienten und, indem sie Ständegrenzen verwischten, eine Welle der Kritik auslösten. Majo-Figuren bevölkern zudem populäre Theatergenres wie den Sainete, sind aber auch Gegenstand von Goyas druckgraphischer Serie der Caprichos (vgl. Schlünder 2002, Haidt 1998, Fuentes 2005, Krauss 1973). 40  Deren französische Protagonisten sind Boileau und Molière. Doch hat Renate Baader (1996) nachgewiesen, dass die in dem Zusammenhang einschlägig angeführten Werke des Dramatikers keine einseitige Kritik an Preziosentum und weiblicher Bildung üben, sondern ausgehend von einer Unterscheidung zwischen ‘echter’ und ‘lächerlicher’ préciosité zugleich ein “Bündnis” (ebd.: 31) mit bestimmten Positionen, etwa denen von Mademoiselle de Scudéry, einer unverheirateten Autorin und salonnière, eingehen. Diese Molière-Lektüre gegen den Strich verdient m.E. besondere Aufmerksamkeit, weil sie die Mehrdeutigkeit als Spezifik literarischer Texte wieder ins Bewusstsein ruft, welche in der Genderforschung häufig zugunsten einer klaren Kategorisierung nach Geschlechtermodellen übersehen wird.

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zösischer Import und somit als klassisches Beispiel für den afrancesamiento und die Korrumpierung der spanischen Kultur verstanden wurde. Das Phänomen der nationalen Dekadenz wurde mit dieserart Weiblichkeit assoziiert und bildete einen wichtigen Referenzpunkt für die Etablierung eines gewandelten spanischen Identitätsdiskurses, in welchem normiertes Geschlechterverhalten einen Ausweis des Patriotismus darstellte. Anhand der Kategorie Gender werden demnach umfassende gesellschaftliche Fragen verhandelt, wie dies auch Lougee (1976: 59) für den französischen Kontext herausgestellt hat. Der Salon, so ihre These, wurde nicht primär als geschlechterübergreifende Geselligkeitsform kritisiert, sondern aufgrund der im Modell der Konversation als herrschaftsfreiem Diskurs verankerten Egalisierung der Akteure als Bedrohung der sozialen Ordnung wahrgenommen. Demzufolge richtete sich die Ablehnung der Salons und ihrer Präsidentinnen vor allem gegen die Formierung einer neuen Schicht, die sich über traditionelle Ständeschranken hinwegzusetzen verstand. “Por primera vez”, so auch Fernández-Quintanilla (1979: 46) zur spanischen Salonkultur, “se valora a la persona, la importancia o brillantez de su pensamiento y no su estatus social o su condición de nobleza”. Neben den kultivierten aristokratischen Kreisen entstand jedoch vorzugsweise im Madrid der zweiten Jahrhunderthälfte nach erfolgreicher Zentralisierung durch Ferdinand VI. und im Kontext der Reformen Karls III. eine Öffentlichkeit, die weitere Kreise einbezog und in der zunehmend Frauen in Erscheinung traten. Breite, gepflasterte Straßen, ausladende Wasserspiele, die ersten Gaslaternen und andere Neuerungen kamen der Entstehung einer städtischen Kultur der Repräsentation entgegen, die bislang ständisch getrennte Welten miteinander verband. Die traditionellen Vorstellungen weiblicher Anständigkeit gerieten ins Wanken, was sich in anhaltender misogyner Polemik zu Fragen des Luxus,41 der Mode und der Kultur des cortejo 41 

Luxusgüter werden von Merkantilisten nunmehr unter ökonomischen Gesichtspunkten begrüßt und es entzündet sich eine neue Debatte, in der Gendermuster erneut eine zentrale Rolle spielen (Lope 1992, Bolufer Peruga 1994). Wurde Luxus im Anschluss an Juvenal traditionell an Weiblichkeit und Lüsternheit geknüpft, so entstanden im 18. Jahrhundert moderne Positionen, die Luxus als Zeichen von Fortschritt und Differenzierung deuteten, wie die Figur Le Mondain in Voltaires gleichnamiger Antisatire, der die Leser mit der Behauptung “J’aime le luxe” provoziert (vgl. SchulzBuschhaus 1994). Weiblichkeit erscheint dann nicht als “Gegenbild, sondern als Inbegriff von Modernität” (Klinger 2000: 61, Fn. 17).

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entlud und zu einer Debatte führte, in deren Zentrum vornehmlich ‘weibliche Sitten’ standen und als Auslöser eines Verfallsprozesses der spanischen Kultur gebrandmarkt wurden. So wurde etwa das Modell des Hausfreunds, vom einst aristokratischen Symbol der Exklusivität nunmehr auf breitere Schichten übergreifend, zum Stein des Anstoßes und durchzog in Form von Polemik eine Reihe von Texten verschiedenster Genres, denen die Schriftstellerin Martín Gaite ([1972] 1987) ein eigenes Buch widmet. Das Phänomen des cortejo wird auf den italienischen, durch bourbonische Hofsitte ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Spanien verbreiteten Brauch des cicisbeismo zurückgeführt.42 Der Galan (cicisbei) der verheirateten Dame fungierte, so zeigen es beispielsweise Goldonis Komödien, als öffentlicher Begleiter und Unterhalter von Aristokratinnen und galt keineswegs nicht unschicklich. Vielmehr stellte seine Existenz Distinktionsmerkmal dar: “per la gente d’alta condizione sociale, un necesario complemento familiare, che tutti potevano conoscere” (Vincenzo Manzini, Trattato di diritto penale italiano; 1936, VII: 622, zit. in A. de Toro 1993: 142, meine Hervorhebung). Personal und Familienmitgliedern war der Hausfreund bekannt und stellte im aristokratischen Kodex keine sittliche Übertretung dar, selbst wenn er z.B. mit der Dame des Hauses in einem Raum allein blieb. Nicht zuletzt deshalb, weil die “actitud satélite y sumisa” dieses Hausfreundes (Martín Gaite [1972] 1987: 3) auf dessen klare Unterordnung unter den Hausherrn verwies. Die Ausweitung des Phänomens zu einer Mode, so zumindest behaupten es zeitgenössischen Stimmen,43 führe zum Verlust der ursprünglichen Funktion und lasse das Modell des cortejar als latente Form des Ehebruchs erscheinen. Der personalisierte Hausfreund, ursprünglich Teil des Gefolges, rückte nun als negative Erscheinung ins Zentrum der Geschlechterdebatten des 18. Jahrhunderts und bot einen

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In der etymologischen Betrachtung, die Martín Gaite ([1972] 1987: 7f.) anstellt, wird der enge Zusammenhang zwischen cortejo-Kultur und Konversation sichtbar, denn bisbigliare (ital.: flüstern) verweist auf die Form der vertrauten Unterhaltung zwischen der Dame und ihrem Bewunderer, die hier ganz im Kontrast zur Beichtsituation steht. 43  Dass es sich tatsächlich um ein relevantes Phänomen der historischen Wirklichkeit handelt, behauptet auch Martín Gaite ([1972] 1987: 147): “A finales de siglo quedaba bastante claro para todo el mundo que el cortejo pertenecía más bien al mundo de la carne.”

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willkommenen Vorwand für die Kontrolle weiblicher Verhaltensweisen. Der männliche Begleiter wird hier nicht als Bestandteil einer aristokratischen Tradition verstanden, sondern als ‘Neuheit’ kritisiert,44 welche von außen als französisches Infiltrat (obgleich aus Italien stammend) nach Spanien gelangt sei und die hiesigen Sitten korrumpiere. Entgegen diesem Tenor der zeitgenössischen Kritik skizziert nunmehr Martín Gaite in ihrem Buch, das während des Frankismus erschienen war, eine genuin spanische Vorgeschichte des cortejo. Ausgehend von der Literatur des 17. Jahrhunderts blickt sie zurück auf den Hof Philipps IV. und die Epoche Philipps II., in der die Figur des ‘bracero’ (Führer der Dame) von Spanien aus nach Italien und Frankreich exportiert worden sei (ebd.: 14). Unabhängig von dieser durchaus hinterfragbaren Hispanisierung des cortejo, verdeutlicht ihre Untersuchung die Bedeutung dieses diskursiven Männlichkeitsmodells und zeigt schließlich dessen Auswirkung auf den politisch-ökonomischen Bereich, auf Heiratspolitik, Konversations- und Liebeskultur sowie Erziehungsfragen auf. Die Existenz des Galans wurde als Inbegriff eines kulturellen Wandels verstanden, in dessen Verlauf sich das Spanische in Form tradierter weiblicher Standards wie recato und encogimiento aufzulösen drohte. Aus der Kunst des sittsamen Verbergens (“saber recatar y cómo recatar”) wurde ein geschicktes, ungezwungenes Parlieren und Zeigen: “Despejo era franqueza, falta de encogimiento, mirar a los ojos, no ruborizarse. [...] hablar con desenvoltura [...]. El horizonte de una mujer tendía, así, a verse despejado de obstáculos” (ebd.: 119). Die Sichtbarkeit der Frauen im öffentlichen Raum wurde als Phänomen einer neuen städtischen Kultur auch Gegenstand zahlreicher Reisebeschreibungen des Jahrhunderts, in denen das Madrider Leben einen Topos bildet. So schildert etwa Joseph Hager seine Reise von Wien nach Madrid (1790) und berichtet über Stadterneuerung ebenso wie das neue Pradoviertel und das “ungehörige” Zurschaustellen der Frauen.45 Während bauliche Veränderungen und neue städtische Infrastruktur gewürdigt werden, dominiert eine moralisierende Sicht

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“[...] importado de fuera, de donde venían el materialismo, el afán de lujo, los libros prohibidos, los vientos de crítica” (ebd.: 15). 45  Die Damen der mittleren Schicht spazierten den Prado entlang (während die Adligen in Kutschen unterwegs waren) und hatten somit “die erwünschte Gelegenheit, von Mannspersonen aus allen Klassen gesehen zu werden” (zit. in Lope 2006: 231).

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auf die weibliche Bevölkerung, die sich in jenem öffentlichen Raum bewegt. Das im Zuge der Urbanisierung gewandelte Dispositiv des Sehens als neue Kulturtechnik dieser Öffentlichkeit befeuerte die Diskussion um die Rolle der Frau, ihr Aussehen46 und den Zuschnitt eines ihr zugedachten Wirkungsbereichs. Damit setzt sich unter neuen Vorzeichen, so kann man sagen, die Säkularisierungsdebatte fort,47 die sich im Spanien der Frühen Neuzeit an der licitud (der moralischen Zulässigkeit des Theaters) entzündet hatte.48 Bezugspunkt der gegen den “Allzuständigkeitsanspruch der Theologie” (Tietz 1999: 712) auch im 18. Jahrhundert geführten Debatten und kulturellen Auseinandersetzungen ist dabei insbesondere das urbane Leben und die mit ihm verbundene öffentliche Sichtbarkeit der Frauen.49 Zum Stein des Anstoßes wurde einmal die Verwischung von Ständeunterschieden durch neue Formen der Bekleidung – typisch 46 

Symptomatisch hierfür war der Vorschlag des Ministers Floridablanca, eine weibliche Nationalkleidung einzuführen, welche die durch Kleidungsmode einsetzende Individualisierung beenden, die Repräsentation von Geschlechter- und Standesdifferenzen regeln sollte und auf eine Normierung der Frauenkleidung abzielte (vgl. Fernández-Quintanilla 1978). 47  Tietz (1999: 712) sieht in diesem Streit zu Recht ein grundsätzliches Problem jenseits des Theaters ausgetragen, nämlich die “‘Geburt’ der säkularen Moderne, ihrer überaus schwierigen Lösung aus dem Zuständigkeitsanspruch der vorausgehenden ‘Sinndeuter’, der Theologen, deren Position und Anspruch durch das Tridentiner Konzil speziell in jenem Spanien verstärkt wurde, das sich innen- und außenpolitisch als Vorkämpfer eines integralen Katholizismus verstand”. Vgl. ebenfalls zur Problematik die Monographie von Jeske (2006). Den konkreten Säkularisierungstendenzen im spanischen 18. Jahrhundert – entgegen der landläufigen Verkürzung auf ein traditionsorientiertes Spanien – widmet Tietz (1992) einen Sammelband, in dessen Vorwort er die Ansätze weltlichen Denkens einer “burguesía naciente [...] que defendía el ‘interés propio’ como principio generador de una ‘felicidad terrenal’, de tejas abajo, dentro de un sistema completamente laico” (ebd.: XIV) betont. 48  So drehte sich der Säkularisierungsstreit in der zweiten Jahrhunderthälfte erneut um das Theater, diesmal standen die calderonianischen Autos sacramentales in der Kritik. Sie wurden 1765 in Folge der moralischen Verurteilung in José Clavijo y Fajardos Wochenschrift El Pensador vom Minister Campomanes verboten. Hintergrund auch dieser kulturellen Auseinandersetzung war letztlich wiederum der Kampf um gesellschaftliche Macht und um Einfluss zwischen konkurrierenden Instanzen, welche sich auf unterschiedlich legitimierte Moraldiskurse stützten. 49  So orientieren sich beispielsweise die Theaterkritiken im Memorial literario am Auftreten der Schauspielerinnen und beurteilen oder diskutieren deren Schicklichkeit unter dem Stichwort des decoro, wovon u.a. die Bewertung der Stücke abhängig gemacht wurde (für diesen Hinweis danke ich Jan-Henrik Witthaus).

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hierfür waren die Figuren des majo und der maja sowie deren Imitation durch Adelige50 – sowie zum anderen der Auftritt von Frauen in der städtischen Öffentlichkeit, wie dies zuvor nur innerhalb höfischer Räume möglich war. Geradezu als Gegenmodell dieser im Genre der Polemik konstruierten sichtbaren und “sittenlosen” Städterin, die als Gefahr für die gesellschaftliche Ordnung galt, entfaltet sich mit der empfindsamen, fleißigen und häuslichen Frau eine neue, diesmal bürgerliche Form idealisierter Weiblichkeit. Die Frage der Geschlechter und mit ihr die Neubestimmung von Weiblichkeit stehen im Zusammenhang mit der Herausbildung einer Mittelschicht, die ich für den spanischen Kontext zunächst in ihrer Dimension als Mittelklasse-Konstruktion fassen möchte.51 Der Frau wird mit biologistischer Begründung der (in seiner gesellschaftlichen Relevanz aufgewertete) häusliche Bereich zugeschrieben und sie wird damit erstmals aufgrund ihrer reproduktiven Fähigkeit und mit deterministischer Begründung aus der Öffentlichkeit verbannt, genauer in eine passive Rolle gedrängt.52 Mit der Bedeutsamkeit der privaten Sphäre wächst jedoch der Anspruch, die Frau hinsichtlich dieses Aufgabenbereichs zu schulen und zu bilden. So ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Spanien die Herausbildung eines weiblichen Publikums zu beobachten, welches den Adressatenkreis für eine solche genderspezifische Un-

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Krauss (1973: 83) betrachtet diese “Rezeption der Gepflogenheiten der höheren in den niederen Ständen” sogar als einen der Grundzüge des Jahrhunderts, verweist jedoch darauf, dass bereits im 16. und 17. Jahrhundert durch den normativen Ehrbegriff und die damit verbundene Öffentlichkeit des “qué dirán” eine partielle Neutralisierung von Standesunterschieden erfolgte (ebd.: 86). 51  Den Begriff “middle-class construct”, der sich nicht nur auf ein empirisch nachweisbares Bürgertum, sondern eine Agenda, ein soziales Programm bezieht, verwendet Shevelow (1989: 8), um ihren Ansatz einer Untersuchung der kulturellen Kodierungen dieser Mittelschicht plausibel zu machen (vgl. dazu auch Kapitel 6). 52  Auch wenn Frauen traditionell eine untergeordnete Rolle in der Öffentlichkeit innehatten, konnten ihnen bei entsprechender Standeszugehörigkeit bestimmte Privilegien wie öffentliches Auftreten, Bildung und Macht durchaus legitimerweise zugestanden werden. Eine solche Interpretation weiblicher Tugend findet sich beispielsweise in Tassos Discorso della virtù femminile e donnesca (1582). Hier wird ausgeführt, dass der hochadligen Frau geburtsmäßig eine öffentliche Rolle zukommt und sie am männlichen Wertekanon zu messen sei. Demzufolge spielen weibliche Tugenden wie Keuschheit für sie eine untergeordnete Rolle (Baader 1989: 75).

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terhaltungs- und Erziehungsliteratur bildet (Urzainqui 2002, 2003).53 Für Autorinnen bedeutet dies wiederum die gebotene Eingrenzung ihrer Themen auf genusadäquate Fragen. Eine gesamte Sparte des zeitgenössischen Journalismus in Gestalt der sog. moralischen Presse entdeckte weibliche Nützlichkeit und Tugend, die Erziehung und Disziplinierung der Frau als eines seiner zentralen Themen.54 Die bildungsfähige Frau soll freilich nicht selbst produzieren, sondern erscheint vorrangig als Adressatin in der neuen Öffentlichkeit legitimiert, nicht als Verfasser- oder Übersetzerin von Texten.55 Wurde die besondere Notwendigkeit der Unterweisung von Frauen in der langen Geschichte christlicher Moralisierung damit begründet, dass sie als Evas-Gestalt anfälliger für Sünde und sittlichen Frevel sei, setzt mit Renaissance und Aufklärung ein Wandel hin zur Betonung ihrer Bildungsfähigkeit ein. Anstelle der üblichen erzieherischen Kontrolle wurde ihr zunehmend Mündigkeit eingeräumt. Der Ruf nach gesellschaftlicher Veränderung und Verbesserung der Verhältnisse ließ sich im Horizont des aufklärerischen Denkens nur über den Fortschritt des menschlichen, nicht nur des männlichen Geistes verwirklichen. Dies erforderte die Integration und die Beteiligung der Frauen und erstmals erhält weibliche Bildung auch einen gesellschaftlichen Stellenwert, wenngleich ihre Inhalte fundamental begrenzt, d.h. geschlechtsspezifisch beschnitten wurden. Die mit dem Prozess der Liberalisierung des Wissens mögliche eigenständige Aneignung von Bildung wird den Frauen offiziell unter Verweis auf ihre domestische Funktion nurmehr hinsichtlich häuslicher Belange zugestanden.

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Am Ende des 18. Jahrhunderts setzt eine Vermarktung frauenspezifischer Artikelund Textsammlungen ein wie beispielsweise der Biblioteca entretenida de las damas o colección de novelas y cuentos morales y ejemplares, traducidas del francés e inglés para honesto y útil recreo, Madrid 1798, 2 Bde. (Demerson 1976: 131) oder der Biblioteca Selecta de las Damas, 1806-07 (García Garrosa 1998: 165). 54  Bereits Guinard (1973) hatte in seiner Pionierarbeit zur spanischen Presse des 18. Jahrhunderts die Bedeutung der Thematik von Weiblichkeit hervorgehoben. Im Kontext der aktuellen Genderforschung erschien dann eine Reihe von Beiträgen (Sullivan 1995, Barnette 1995, Urzainqui 2004, Dale 2005 u.a.), die diesen Aspekt anhand einzelner Wochenschriften vertiefen konnten. 55  Vgl. hierzu die Studien von Hertel-Mesenhöller (2001) und Kilian (2002), die die Konstitution eines weiblichen Lesepublikums am Beispiel des spanischen Romans im 18. Jahrhundert und seiner erzieherischen Funktion herausgearbeitet haben.

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₂.₄. Vom frÜhneuzeitlichen Frauenstreit zum modernen Diskurs natÜrlicher Weiblichkeit Der in der Genderforschung verankerte Begriff Querelle des femmes (Bock/Zimmermann 1997; Bidwell-Steiner et al. 2001; Hassauer 2004) bezeichnet die frühneuzeitlichen Manifestationen der Geschlechterdebatte, in denen es um den Vorrang eines Geschlechts vor dem anderen gegangen ist und die Frau in der Regel als das Abweichende vom universalen Menschen männlichen Geschlechts dargestellt wurde. Diese Debatte beinhaltete vor allem Fragen der Interpretation und beruhte auf eigenen Gesetzmäßigkeiten, zu denen nicht zuletzt die Inszenierung der Sprecherposition zählte. Es ist daher kein Zufall, dass sie im späten Mittelalter mit einer weiblichen Klage begann, der querela Christines de Pizan gegen die frauenfeindliche Rede im Rosenroman (Epistre au dieu d’Amour, 1399; vgl. Zimmermann 1993).56 Der historische Begriff der Klage hat sich inzwischen als Fachbegriff etabliert und dient der Typologisierung des gesamten frühneuzeitlichen Korpus’ dieses Geschlechterstreits. Der Terminus Querelle des femmes bezieht sich zugleich auf ein neues Forschungsparadigma,57 das sich der Untersuchung der soziohistorischen, politischen und diskursiven Zusammenhänge einer frühneuzeitlichen Genderkultur widmet.58 Dabei werden nicht nur Texte analysiert, sondern alle Formen kultureller und sozialer Repräsentation, Ehe, Familie, Liebe und Sexualität stehen ebenso im Fokus. 56 

Dieser Text begründet den sog. Superioritäts- bzw. Exzellenzdiskurs, welcher die Überlegenheit der Frau über den Mann behauptet. Christine de Pizan argumentiert mit den biblischen Kategorien locus (das Paradies als Ort der Erschaffung Evas stehe für deren Exzellenz gegenüber Adam), orden (da Eva in zeitlicher Reihenfolge zuletzt erschaffen wurde, sei sie vollkommener), nomen (ihr Name bedeute auf Hebräisch ‘Leben’) und materia: Eva sei aus beseelter leiblicher Materie, der Rippe Adams, nicht aus Lehm geschaffen (hierzu weiterführend Gössmann 21998: 20ff.). 57  Aber auch in anderen fachlichen Zusammenhängen wird darauf Bezug genommen. So weist A. de Toro (1993: 527) im Kontext seiner Untersuchung der Ehrproblematik auf das italienische 16. Jahrhundert hin, in dem Frauenverteidigungen wie die von Pistoia entscheidendes Wissen vermittelten (Difese delle Donne, nella quale si contengono le difese loro, dalle calumnie datele per gli scrittori, & insieme lodi di quelle von Domenico Brunido Pistoia). 58  Vgl. zur Querelle allgemein Bock/Zimmermann (1997a) und Hassauer (2001) sowie Beiträge zu Einzelfragen in Bock/Zimmermann (1997), Wunder/Engel (1998), Bidwell-Steiner et al. (2001), Aichinger et al. (2003), Engel/Hassauer/Rang/Wunder (2004), und die Monographie zur französischen Debatte von Ferrari Schiefer (1998).

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Die Frage der Geschlechter wird historisch in den unterschiedlichsten textuellen und medialen Modellen erörtert und lässt sich von der jeweiligen kommunikativen Situation, z.B. den soziohistorischen Sprecherrollen oder den Prinzipien der Topik nicht ablösen. Zum Gegenstand der Forschung wird dabei nicht nur das dominante Thema von Weiblichkeit, sondern “eine in ihrer Diachronie kontinuierliche Diskursmasse: mit misogyner Rede und frauenapologetischer Gegenrede organisiert [...] zwischen Frauen und Männern [...] über Wesen und Status, über ‘Wert oder Unwert’, über ‘Wissensfähigkeit und Wissenschaftsfähigkeit’ der Frau” (Hassauer 2001: 20). Untersucht werden somit die vielfältigen Kontexte, Genres, Medien und Bezüge eines keineswegs homogenen Diskursfeldes.59 Darüber hinaus werden die verschiedenen Darstellungen von Geschlecht nicht als Widerspiegelungen gesellschaftlicher Wirklichkeit interpretiert, sondern unter Bezug auf Topoi und die Regeln spezifischer Genres. Damit lässt sich der Frauenstreit in der humanistischen Gelehrtenkultur verorten und kann als gesamteuropäischer Diskurs betrachtet werden, der sich durch grundlegende topische Ähnlichkeiten auszeichnet. Erst mit dem Wissensumbruch von Aufklärung und Moderne erfolgt eine Umwertung von Geschlecht zu einer biologisch begründbaren und gesellschaftsstrukturierenden Kategorie, welche das frühneuzeitliche Dispositiv grundlegend verabschiedet. Mit Foucault gesprochen, rückt der Mensch nun vollends in den Mittelpunkt des Denkens und wird auf neuer erkenntnistheoretischer Grundlage zum Gegenstand der Humanwissenschaften.60 Ein neues Zeitalter der Rollenbestimmung 59  Diese Heterogenität der Manifestationen ist der Grund dafür, dass der QuerelleBegriff zuweilen als unspezifisch abgelehnt wird. Die Verwendung als terminus technicus für ein europäisches humanistisches Diskursphänomen (14.-18. Jahrhundert) bleibt gleichwohl sinnvoll, weil er den topischen Charakter als Spezifik dieser Streitkultur herausstellt (u.a. Bock/Zimmermann 1997; Hassauer 1997; Bidwell-Steiner et al. 2001; Aichinger et al. 2003). 60  Foucault kritisierte die reine Wahrheitssuche und forderte das Bloßlegen ganzer Wissensordnungen wie sie beispielsweise durch das moderne wissenschaftliche Interesse am Menschen verkörpert werden, das nicht neue Wahrheit, sondern ein verändertes Zur-Sprache-Kommen des Menschen beinhaltet: “C’est que toute l’épistémè moderne – celle qui s’est formée vers la fin du xviiie siècle et sert encore de sol positif à notre savoir, celle qui a constitué le mode d’être singulier de l’homme et la possibilité de la connaître empiriquement – toute cette épistémè était liée à la disparition du Discours et de son règne monotone, au glissement du langage du côté de l’objectivité et á sa réapparition multiple” (Foucault 1966: 397).

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von Mann und Frau beginnt. In der Forschung wurden dieser Zusammenhang und seine Folgen – die kulturelle und historische Umstrukturierung von Geschlechterverhältnissen – aufgegriffen und als Spezifikum der Aufklärung thematisiert: [...] erst in den letzten Jahren setzt sich sukzessive die Auffassung durch, dass die Reflexion über Geschlechterbeziehungen und Geschlechterordnung praktisch sämtliche Diskurse der Aufklärung durchzieht, weil bzw. insofern als sie den Menschen und seine ‘Natur’ als einen ihrer zentralen Gegenstände erwählte [...]. (Opitz 2002: 8)

Im modernen Geschlechtermodell gilt nicht mehr der Mann als Telos und universale Ausformung des Menschen – wie es Laqueur ([1990] 1996)61 anhand des One-Sex-Model beschrieben hatte –, sondern beide Geschlechter werden erstmals als gleichwertig, jedoch als gegensätzlich und dabei einander ergänzend gedacht. Dieser Paradigmenwechsel – von Laqueur als “Erfindung des Geschlechts” (ebd.: 172)62

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Laqueur beschreibt den Wandel der anthropologischen Körpervorstellung anhand von Darstellungen aus der Antike bis ins 18. Jahrhundert und interpretiert ihn als Übergang von einem Ein-Leib-Modell zur Vorstellung zweier geschlechtsspezifischer Körper. Das One-Sex-Model basiere dabei auf dem Modell der Galen‘schen Humoralpathologie, derzufolge die Mischung von Körperflüssigkeiten entscheidenden Einfluss auf dessen Beschaffenheit habe und beispielsweise zu Krankheiten führe. So resultierten die Geschlechter aus unterschiedlichen Konzentrationen dieser Körpersäfte. Bei Frauen bestehe ein Mangel an vitaler Hitze und führe dazu, dass ihr Körper nicht ausentwickelt werde und somit männliche Perfektion verfehle. Ausdruck davon sei die Innenlage der Geschlechtsorgane. Galenus geht von der Existenz eines menschlichen Körpers aus. In dieser Logik bezeichne der griechische Begriff orcheis sowohl Hoden als auch Eierstöcke (ebd.: 17). Laqueur (ebd.: 18) fasst die Verankerung des Geschlechtsunterschieds in der Natur folgendermaßen: “So wurde das alte Modell, in dem Männer und Frauen entsprechend ihrem Ausmaß an metaphysischer Perfektion und ihrer vitalen Hitze entlang einer Achse angeordnet waren, deren Telos das Männliche war, im späten 18. Jahrhundert von einem neuen Modell eines radikalen Dimorphismus und der biologischen Verschiedenheit verdrängt. In der Auffassung von der Frau trat eine Anatomie und Physiologie der Unvergleichlichkeit an die Stelle einer Metaphysik der Hierarchie.” 62  Im Wortlaut und unter der Überschrift “Die ‘Entdeckung’ des Geschlechtsgegensatzes im Leib heißt es bei Laqueur (ebd.): “Irgendwann im 18. Jahrhundert erfand man das Geschlecht, wie wir es erkennen. Statt paradigmatische Resonanzorte einer den ganzen Kosmos durchklingenden Hierarchie zu sein, wurden die Reproduktionsorgane zur Grundlage des sich dem Vergleich entziehenden Unterschieds [...]”.

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pointiert – basiere nicht auf neuen Erkenntnissen über die menschliche oder ‘weibliche’ Physiologie. Vielmehr beruhe er auf der Durchsetzung eines positivistischen wissenschaftlichen Erkenntnismodells, demzufolge Geschlechtlichkeit in den menschlichen Organen begründet sei. Die gesellschaftliche Neuordnung der Geschlechter resultiert somit aus einer Diskurspolitik, von der sie nicht abgelöst werden kann: In der gewaltig ausgeweiteten Öffentlichkeit des 18. und vor allem des postrevolutionären 19. Jahrhunderts gab es endlose Auseinandersetzungen um Macht und Rang: zwischen und unter Männern und Frauen, zwischen und unter Feministinnen und Antifeministen. Als aus vielerlei Gründen eine präexistente transzendentale Ordnung oder das seit unvordenklichen Zeiten Gültige zur immer weniger plausiblen Rechtfertigung für soziale Beziehungen wurde, verschob sich das Schlachtfeld für Geschlechterrollen zur Natur hin, zum biologischen Geschlecht. (ebd.: 175)

Der Wandel des Geschlechterdenkens vollzieht sich somit als ein höchst widersprüchlicher und ambivalenter Prozess der Diskursivierung in verschiedenen Foren, welche sich historisch keineswegs vereinheitlichen lassen. Bestimmen lassen sich hingegen Tendenzen einer quantitativ gesteigerten und qualitativ gewandelten Beschäftigung mit dem Geschlechtsunterschied im europäischen Kontext. Die mit der Aufklärung entstandene rationalistische Erkenntnistheorie führte zur anatomischen Ableitung der Geschlechterdifferenz aus dem Körper. So kommt es zum “Debüt des weiblichen Skeletts” (Schiebinger 1993: 270), dessen Entdeckung sehr gut veranschaulicht, wie geschlechtliche Merkmale auf den gesamten Körper projiziert werden. Damit ist eine Umkehrung der bis dahin gültigen Begründung verschiedener Geschlechtscharaktere verbunden, welche nunmehr auf eine vermeintlich biologische Faktizität zurückgeführt werden und als natürliche, d.h. vordiskursive Größe erscheinen. “‘Weiblichkeit’ als Sozialcharakter”, so Schnell (1997: 20), wird dabei “zu ‘Weiblichkeit’ im Sinne eines Geschlechtscharakters umgeschrieben”. Klinger (2000: 41) erörtert in diesem Zusammenhang die moderne Konstruktion von Sexualität und Fortpflanzung als ‘natürliche’ Gegebenheit menschlicher Existenz: “Zwar mag es sein, dass sich die biologischen, physiologischen Dimensionen von Sexualität und Generativität nicht grundlegend ändern, aber die Semantisierung und Exponierung die-

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ser Aspekte menschlicher Existenz als ‘Natur’ erfolgt erst im Zuge des Ausdifferenzierungsprozesses der Moderne”. Ausgehend von der historischen Genderforschung kann hierzu konstatiert werden, dass die Geschlechterdifferenz erst in der Moderne auf der Basis naturwissenschaftlicher Begründungen auf wesenhaft getrennte Körperlichkeiten zurückgeführt und als Determinismus konzipiert wurde (vgl. Steinbrügge [1987] 21992, Honegger 1991, Schiebinger 1993).63 Grundlage dafür war das seit der Aufklärung entfaltete wissenschaftliche Weltbild, demzufolge die physischen Erscheinungen der Dinge nicht mehr als Epiphänomene und somit Verweise auf eine transzendente Ordnung, sondern als Basis des Seins verstanden werden. Der menschliche Körper wird sodann als Bestandteil einer Naturgeschichte mit wissenschaftlichen Methoden erfasst, beschrieben und neu konzipiert. Anhand etwa biologischer Argumentationen werden Frauen und Männern Eigenschaften zugeschrieben, die sie für spezifische gesellschaftliche Bereiche auf vermeintlich natürliche Weise prädestinieren und zugleich werden diese Bereiche binär konstruiert, d.h. öffentliche und private Sphäre in historisch einmaliger Weise voneinander abgegrenzt. Das dem modernen Geschlechterdenken entstammende Komplementärmodell einer geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Arbeitsteilung entfaltet sich im Zusammenhang mit veränderten ökonomischen Bedingungen, die eine strikte Trennung der Sphären von Öffentlichkeit und Privatheit sowie eine folgenreiche “Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben” implizieren.64 Die Idee naturbedingter Rollen eröffnet folglich eine neue Form der Differenzierung der Geschlechter, die dem Gleichheitsdenken nicht grundsätzlich widerspricht, zugleich aber die Spielräume einer möglichen Gleichordnung wieder beschränkt: Como si la idea de igualdad generada por la Ilustración conllevara en sí misma la de desigualdad en relación con la esfera privada de lo femenino, pensada en términos de naturaleza y de rasero diferencial desde el 63  Die spanische Debatte bleibt in den meisten Überblicksdarstellungen zur europäischen Geschlechtergeschichte ausgeblendet (so Schiebinger 1993, 1995; Honegger 1991; Laqueur 1996 [1990]; Opitz 2002). 64  Von Bedeutung an dieser ökonomischen Theorie scheint mir die These, dass sich das geschlechterpolarisierende Modell in bürgerlichen städtischen Mittelschichten, nicht aber in der bäuerlichen Familie oder bei häuslichen Angestellten herausbildete (vgl. auch Schabert 1995: 177).

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que puede emerger la homologación igualitaria de los varones. (Amorós 1992: 127)65

Darin wird ein zentraler Widerspruch aufklärerischer Postulate sichtbar, den man als Dialektik des Fortschrittsdenkens selbst fassen könnte.66 In der Ära des geschichtlichen Fortschritts und der perfectibilité des menschlichen Geistes67 stellt Bildung nicht mehr nur eine ethisch-moralische Forderung dar, sondern ermöglicht sowohl Individualisierung als auch sozialen Aufstieg. Andererseits wird der umfassende Geltungsanspruch des kantianischen sapere aude durch nunmehr biologisch fundierte Rollen nach Inhalten differenziert.68 In einem historisch einzigartigen Moment der gesellschaftlichen Öffnung von Bildung werden deren Inhalte geschlechtsspezifisch geordnet, was mit der Einschränkung vor allem weiblicher Wissensinhalte verbunden war.69 Die ständische Differenzierung wird im Zuge eines lang an-

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Amorós (1992: 126f.) verweist darüber hinaus auf den Zusammenhang zwischen romantischer Misogynie und aufklärerischem Weiblichkeitsdenken. Auch Valcárcel (vgl. die Einleitung in Valcárcel/Romero 2000), ebenfalls Vertreterin der feministischen Philosophie in Spanien, greift die mit der Konstruktion einer biologischen Natur verbundene Ungleichheit auf, welche den Frauen im Rahmen aufklärerischen Denkens eröffnete Freiheiten wieder entzieht. 66  Die Forderung weiblicher Bildung mit häuslichen Aufgaben zu verbinden, erscheint aus heutiger Sicht ein Widerspruch. In der Logik des aufklärerischen Fortschrittskonzepts ist damit eine klare Erneuerung und sogar Liberalisierung weiblichen Handelns verbunden, weil den Frauen eine eigene Zuständigkeit für den domestischen Bereich zugesprochen wurde. Das Beispiel zeigt aber, dass die Begriffe von Fortschrittlichkeit und Konservatismus stets historisch reflektiert werden müssen. 67  Vgl. hierzu d’Alembert, Discours préliminaire de l’Encyclopédie (1751) und Condorcet, Esquisse d’un tableau historique des progrès de l’esprit humain (1795) sowie für den spanischen Kontext die Autoren Jovellanos, Foronda, Campomanes und Capmany. 68  So forderte Kant nicht uneingeschränkt die Vernunft ein, sondern unterschied den privaten und öffentlichen Gebrauch, wobei der häusliche durch die Weisungsgewalt der Obrigkeit eingeschränkt sein sollte (Berlinische Monatsschrift, 1784). Darin zeigt sich eine geschlechtliche ebenso wie eine gesellschaftliche Hierarchisierung der Bereiche und die dienende Funktion der Privatsphäre. 69  Dies hat Molina Petit (1994: 21) als “feministische Dialektik der Aufklärung” bezeichnet: “Podríamos leer esta dialéctica en clave feminista y decir aquí que la razón ilustrada, que en un principio representa la promesa de liberación para todos en cuanto razón universal, se trastrueca en su opuesto, consumando y justificando la dominación y la sujeción de la mujer, una vez definido ‘lo femenino’ como naturaleza”.

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dauernden Prozesses durch ein Modell funktionaler gesellschaftlicher Gliederung nach Geschlechtern ersetzt: Jetzt regiert ‘Geschlecht’ vor ‘Stand’. Ständeübergreifend nivelliert nun in den sich funktional ausdifferenzierenden Gesellschaften Europas das Konstrukt des biologisch-anatomischen Wesens der Frau als weibliche Geschlechtsnatur jene Spielräume von Geschlechtsidentität, mit denen bislang noch in ständisch stratifizierten Gesellschaften über Oberschichtenzugehörigkeit der Makel der weiblichen Geschlechtszugehörigkeit kompensiert werden konnte. (Hassauer 1997: 219, Hervorhebung im Original)

Die ständische Ordnung und ihr Prinzip des von Geburt an festgelegten sozialen Ranges wurde zugunsten der Formung von neuen Genderklassen verworfen.70 Dies offenbarte sich auch in einer Zementierung des genannten geschlechtsspezifischen Bildungsbegriffes und der Herausbildung neuer Institutionen und Medien. Während die offiziellen wissenschaftlichen Foren und Ämter Frauen unter Verweis auf ihren häuslichen Wirkungsbereich nur im Ausnahmefall zuließen, entfalteten sich eigenständige Diskurse zur Normierung und Kodifizierung weiblicher Verhaltensweisen nach bürgerlichem Verständnis (Ortega López 1988: 24). Der neuartige Geschlechterdualismus dient einer binären und funktionalen Aufteilung bis dahin primär ständisch organisierter Gesellschaften und bildet die Basis eines veränderten, patriarchalen Familienmodells: das mit der bürgerlichen Kleinfamilie zwar die Frau zur Hüterin des Hauses erklärt,71 diesen Bereich jedoch als moralisches

70  Die Konsequenzen eines solchen Modells gesellschaftlicher Differenzierung hatten im 17. Jahrhundert die Preziösen antizipiert. Sie erachteten die Ehe als Einengung weiblicher Existenz und argumentierten für die Erhaltung weiblicher Spielräume durch ständische Distinktion: “Adlige und bürgerliche Frauen betrachteten übereinstimmend die Ehe als über sie verfügte und verfügende Institution, die, ob Sakrament oder Vertrag, ihre gottgewollte und juristische Inferiorität gegenüber dem Mann gefestigt habe” (Baader 1989: 79). Dieser kritischen Reflexion der Ehe begegneten männliche Gelehrte vielfach irreführend mit Satiren, in denen preziösen Frauen Geschlechtsekel als “krankhafte Deformierung natürlicher Sinnenfreude” unterstellt wurde (ebd.: 79). 71  Werner Krauss (1973: 43) bezieht dies auch auf die spanische Frau, die “bis dahin als Betreuerin von Haus, Hof und Kleinkind [...] jetzt zur Gebieterin” werde, und meint damit die Ausweitung des häuslichen Bereichs zum weiblichen “Herrschaftszentrum”, das ihr infolge der Vorstellung von Ebenbürtigkeit als komplementärer Raum zur Öffentlichkeit in Gänze zugewiesen wurde.

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Korrektiv im Sinne Rousseaus dem eigentlichen gesellschaftlichen Betrieb in der Öffentlichkeit beiordnet.72 Galt die Frau in der Vormoderne als inferiore und unvollkommene Variante des ‘männlichen Menschen’, wird sie im Zeitalter der Vernunft nicht nur dieser teilhaftig, sondern sie erhält erstmals in der Geschichte selbst Gelegenheit zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Prozess, und sei es in Form ihrer häuslichen Zuständigkeit, die als gesellschaftlich relevant erachtet wurde. Nachdem traditionelle Begründungen weiblicher Irrationalität entfallen sind, wird ihr eine grundlegende Entwicklungs- und Bildungsfähigkeit im Sinne des Ideals der Selbstvervollkommnung zugestanden. Dieser Wandel bezüglich der Konzipierung des weiblichen Geschlechts impliziert nicht nur neue Begründungsmuster, sondern manifestiert sich auch auf der Ebene der kommunikativen Strukturen. Hier eröffnen sich nunmehr Möglichkeiten der Adressierung eines neuen Publikums, das zuvor geschichtlich nicht nennenswert in Erscheinung treten konnte: im 18. Jahrhundert jedoch geht mit der Erneuerung des Genderdenkens die Erweiterung der Öffentlichkeit auf ein historisch neuartiges feminines Lesepublikum einher. Um die neue Klasse der Frauen für das gesellschaftliche Erneuerungsprojekt zu gewinnen und in die vorgesehene häusliche Sozialisierungsfunktion einzuweisen, wird ihnen der ambivalente Part als Adressatin öffentlicher Kommunikation zugewiesen. Als mündige Vertreterin ihres Geschlechts soll die Frau ihre soziale Rolle mit Einsicht und Selbständigkeit im Dienste des aufklärerischen Reformethos ausüben und damit ihren (freilich geschlechtsspezifischen) Beitrag zum Fortschritt leisten. Damit erfolgt nicht nur eine Essenzialisierung, sondern zugleich eine historische Aufwertung des Weiblichen verbunden mit der Idee geschlechtsspezifischer sozialer Funktionen, denn die Funktionalisierung und Spezialisierung der Geschlechterrollen für ökonomische Interessen (z.B. durch Reproduktion) führt zu deren Politisierung. 72 

Für diesen Zusammenhang ist die aufklärerische Debatte um Sinneswahrnehmung und Vernunft von großer Bedeutung, die vor allem in englischen und französischen Kontexten geführt wurde (Locke, Hume, Richardson, Diderot, Rousseau und andere). Die Aufwertung sinnlicher Komponenten der Vernunft hat paradoxerweise dazu geführt, dass die Zuordnung der Affekte zum weiblichen Geschlecht nun als positives Signal gilt, ihre grundsätzliche Fragwürdigkeit jedoch nicht thematisiert wird. Schließlich führt die weibliche Affektgebundenheit sogar zum Ausschluss der Frauen aus den Staatsbürgerschaftsrechten.

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Gleichwohl greifen die normativen Diskurse des 18. Jahrhunderts in punkto Weiblichkeit auch auf traditionelle Muster der Moralisierung zurück. So werden weibliche Attribute ethisch-moralisch aufgeladen und beispielsweise ausgehend vom kulturellen Mythologem ‘weiblicher Schwäche’ verhandelt. Andererseits werden sie für die Absicherung gänzlich neuer gesellschaftlicher Zusammenhänge funktionalisiert: der moralische Imperativ richtet sich nunmehr direkt an die Frau als ein über sich selbst verfügendes Ich, welches der Natur bzw. der natürlichen Funktionen ihres eigenen Geschlechts einsichtig werden soll. Dass diese Art der Festschreibung geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen für Frauen und auch Männer mit der postulierten Freiheit des Individuums unvereinbar ist, gehört zu den Ambivalenzen des aufklärerischen Geschlechterdiskurses, die auf den grundlegenden strukturellen und historischen Wandel im Konzept von Gender verweist. Es werden erstmals gleichwertige Geschlechterrollen entworfen, dies jedoch um den Preis einer restriktiven und einseitigen Funktionalisierung vor allem des weiblichen, aber grundlegend auch des männlichen Geschlechts. Anders als der Mann wird die Frau als Wesen betrachtet, das spezifisch biologisch für den Bereich des Häuslichen determiniert ist. Diese Sphäre allerdings wird der öffentlichen in dienender Funktion beigeordnet, womit die Hierarchie nicht mehr (traditionell) auf das Geschlecht selbst, sondern die Sphäre seiner vermeintlich natürlichen Zuständigkeit projiziert wird.73 Anhand von Theorien der gesellschaftlichen Modernisierung formuliert, stellt die bürgerliche Kernfamilie ein unverzichtbares Teilsystem der modernen Gesellschaft dar, gleichwohl rangiert ihre Anerkennung hinter den Bereichen von Ökonomie und Politik. Ihr durchaus eigenständiger Beitrag zum Erhalt des sozialen wie politisch-ökonomischen Systems erscheint als ein untergeordneter, womit – über den Umweg der Konstruktion binärer gesellschaftlicher Räume und ihrer geschlechtlichen Zuordnung – eine Hierarchisierung von Gender erfolgt. Während der biologische Zuschnitt vor allem das weibliche Geschlecht normiert, wird auch moderne Maskulinität an soziale Funktionen geknüpft. Bei der epistemologischen Umformung des Geschlechterdiskurses von einem metaphysischen auf ein naturwissenschaftlich fundiertes Modell erfolgt eine Pragmatisierung bezüg73  Bis heute zeigt sich die kulturelle Hierarchisierung dieser Räume daran, dass dem Bereich des Öffentlichen in der Geschichtsschreibung Vorrang eingeräumt wird.

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lich beider Geschlechter, deren Funktionen nunmehr auf allgemeine gesellschaftliche Anforderungen ausgerichtet werden. Allerdings werden die Männlichkeitsnormen in anderer Weise auf den Körper abgestimmt als die für das Weibliche geltenden. So konstatiert Klinger (2000: 56f.): “[...] auch die männliche Geschlechtscharaktermaske erlegt den Individuen Beschränkungen und Zwänge auf, aber die männliche Geschlechtsrolle ist durch Diversifizierung und Pluralisierung gekennzeichnet”. Dass sich dies in konkreten diskursiven Zusammenhängen auch in Spanien abbildet, wird Thema des siebten und achten Kapitels sein, welche den Wandel der Konzepte des hombre de bien, buen marido und ciudadano útil, aufzeigen.74 Analog zum historischen Frauenstreit findet die Thematik von Weiblichkeit auch in der Neuzeit deutlich stärker öffentliche Beachtung als die Auseinandersetzung mit Männlichkeit. Gleichwohl scheint die Ursache hierfür nicht nur in der reinen Übernahme der Referenz aus der frühneuzeitlichen Debatte zu bestehen, sondern vielmehr auf einen medialen Wandel und die Integration des weiblichen Publikums in die Kommunikationsformen der Öffentlichkeit zurückzuführen sein. Kurioserweise wird die im aufklärerischen Modell als vernünftig betrachtete Frau unter Verweis auf ihre naturgegebene Körperfunktion von öffentlichen Tätigkeiten ausgeschlossen, um sogleich als passive Rezipientin dortselbst wieder verankert zu werden. Nicht als Gestalterin, sondern vorrangig Konsumentin ist sie Teil der neuen Öffentlichkeit, genauer als Adressatin spezifischer pädagogischer Diskurse über Ehe, Familie und weibliche Erziehung.75 Folglich kann sich die Analy-

74  Dass Männer auch, aber nicht schwerpunktmäßig zu Adressaten pädagogischer Literatur wurden, zeigt u.a. Haidt (1998). In Spanien wird zudem das bürgerliche Drama Diderots rezipiert, das sich mit dem Rollenbild des modernen Familienvaters und dessen Pflichten befasst (Demerson 1976: Fn. 4). Zur konstitutiven Funktion des drame bourgeois für die Entstehung eines “empfindsamen” Patriarchats vgl. Frömmer (2008). 75  Aus dieser historischen Konstruktion, welche Weiblichkeit und Häuslichkeit in eins setzt, resultiert die noch heute übliche weibliche Attribuierung sozialer und familiärer Belange. Eindrucksvoll belegen dies die Namen deutscher Familienministerinnen in der “Liste der deutschen Familienminister” (sic!) (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ der_deutschen_Familienminister, konsultiert am 28.7.2012). Aber auch in der Frühen Neuzeit wird die Ehe mit Blick auf Weiblichkeit diskutiert. Im Umkreis der Querelle des femmes gäbe es kaum Texte, so Zimmermann (1997: 309), in denen die Reflexion über das weibliche Geschlecht nicht mit der Diskussion über Ehe verbunden ist.

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se des epistemologischen Wandels der Geschlechtervorstellungen im Umbruch zur Moderne nicht nur auf ideengeschichtliche Neuerungen beziehen, sondern muss sich mit den veränderten Strukturen ihrer (u.a. geschlechtsspezifischen Mustern folgenden) textuellen und medialen Vermittlung auseinandersetzen.

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3. GESCHLECHTERDISKURSE DES 18. JAHRHUNDERTS IN SPANIEN

₃.₁. Definitionsmacht: Geschlechterbestimmungen im spanischen WÖrterbuch Wenn sich in Begriffen und insbesondere ihrem Wandel kulturelle Normen spiegeln und die Wissensgrundlagen einer Epoche sichtbar werden, lohnt ein vergleichender Blick auf die Definitionen von Mann und Frau in den spanischen Wörterbüchern der in Frage stehenden Epoche im Vergleich zu den vorangegangenen. Genauer lautet die Frage, welche Rückschlüsse sich aus der Erfassung der Begriffe ‘hombre’ und ‘mujer’ ableiten lassen, wie sich die Abgrenzung und Differenzierung der Geschlechter lexikalisch gestaltet, ob sich hierbei christlich-moralische Konzeptionen fortschreiben oder aber ein Wandel der Begriffe im Zuge der aufklärerischen Neuordnung von Wissen erkennbar wird. Die spanische Bezeichnung ‘mujer’ geht auf das lateinische Wort ‘mulier’ (Frau) zurück, das im Lateinischen von ‘femina’ abgegrenzt und somit differenziert wird. Nach Adams (1972: 234) galt ‘mulier’ als wertfreie und nur in bestimmten Zusammenhängen negativ ergänzte Bezeichnung für Frau. Die Bezeichnung ‘femina’ dagegen wurde ausdrücklich zur Markierung von Respekt und als qualitative Aufwertung im Sinne eines “[...] respectful term denoting a woman of moral or social distinction” (ebd.) gebraucht. In lateinischen Schrifttexten des spanischen Mittelalters, so Adams weiter, werde

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‘mulier’ fast ausschließlich als neutraler Terminus gebraucht.76 Dessen Bedeutungsinhalt geht in das spanische “mujer” ein, ohne dass die komplementäre, positiv distinguierende Bezeichnung ‘femina’ (Französisch: ‘femme’) eine Entsprechung fände. Allerdings sind weder das französische ‘femme’ noch das spanische ‘mujer’ konnotiert, beide Begriffe stehen für die neutrale Bedeutungsvariante. Gleichwohl findet man im Spanischen wie im Französischen das Konzept von ‘hembra’/ ‘femelle’) mit einer biologischen Teilbedeutung. Im Diccionario medieval español (10.-15. Jh., vgl. Alonso 1986) wird ‘mujer’ anhand von zwei Kategorien definiert: einmal als Geschlechtswesen, “Persona del sexo femenino”, und zum anderen als soziales Wesen in der Rolle der Ehefrau, “La casada con relación al marido” (ebd.: 1419), wobei auf die üblicherweise ergänzte misogyne Topik verzichtet wird. Die Definitionen von Mann und Mensch hingegen sind identisch: unter Bezug auf die Glosas emilianenses77 erscheint das männliche Wesen als Inbegriff der menschlichen Gattung, die sich durch ihre Verstandesfähigkeit von anderen Lebewesen abgrenzt (“Animal racional”). Die Existenz zweier Geschlechter wird nur in der Definition der Frau erwähnt, die sich folglich als “weibliches Geschlecht” von der universalen menschlichen Ausformung des Mannes abgegrenzt. Die Frau erscheint als abweichende Variante des männlichen Menschen, was auf ein Fortwirken der frühneuzeitlichen Anthropologie und die Hierarchie der Geschlechter im Sinne des One-SexModel (Laqueur [1990] 1996) hindeutet. In Sebastián de Covarrubias Orozcos Tesoro de la lengua castellana o española von 1611 wird ‘mujer’” nicht mehr geschlechtlich und sozial bestimmt, sondern rein physiologisch von ‘mollitia’ (Weichheit) abgeleitet und mit dem scholastischen körperbezogenen Inferioritätsdiskurs in Einklang gebracht. Weiblichkeit ist hier durch physische Schwäche markiert und wird einer moralisch-ethischen Bewertung unterzogen, indem das Erbsündemotiv auf die Frau übertragen wird: “[...] aflojando las riendas a su natural, para que corra libre y desbocado hasta precipitarse” (Covarrubias Orozco 21995: 767). Ent-

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Dies stehe, so Adams (1972: 240) im Zusammenhang mit der altlateinischen Bibelversion, in der das neutrale ‘mulier’ dominiert und nur selten die höherwertige Bezeichnung ‘femina’ verwendet wurde. 77  Die Glossensammlung aus dem Jahr 950 stellt eine der wichtigsten mittelalterlichen Quellen unseres etymologischen Wissens dar.

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sprechend finden sich in diesem Wörterbuch des 17. Jahrhunderts die klassischen misogynen Referenzen des Lateinischen wie “Mulier mala viri naufragium” (San Máximo: 580-662) oder “Mulier mala mors mariti” (im Sinne Platons), welche die Frau als sündige Verführerin des (Ehe-)Mannes sehen. Ehrenhafte Frauen hingegen, “[...] las cuerdas y recogidas, cuyo honor es su destino, a quien consagran el recato, la honestidad y el recogimiento, que éstas han sido crédito y lustre de naciones y monarquías”, dienen der Kontrastierung und erscheinen hier als prestigereiches Beispiel für die Überwindung typisch weiblicher Attribute. Der sechsbändige Diccionario de Autoridades,78 als eines der umfassendsten sprachnormierenden Projekte kurz nach der Gründung der Real Academia Española (1713) auf den Weg gebracht und zwischen 1729 und 1736 erschienen, orientierte sich an barocken Sprachformen und versammelte den Wortschatz von Gelehrten und Schriftstellern als Autoritäten für die modellhafte Sprache des vorangegangenen Jahrhunderts. Die Real Academia Española machte es sich in ihren Statuten zur Aufgabe, “de fijar las voces y vocablos de la lengua castellana en su mayor propiedad, elegancia y pureza”, und zielte mit dem Wörterbuch auf die umfassende Bestandsaufnahme eines als klar und rein betrachteten früheren Sprachgebrauchs, der damit zugleich als historisch überkommener Sprachstand beschrieben wird. Im Unterschied zu den vorangegangenen historischen Definitionen findet sich hier erstmals in der Geschichte der spanischen Lexik das Wort ‘mujer’ in der Definition als rationales Wesen. Die Frau erhält damit einen dem Mann vergleichbaren Status nicht nur als körperliches, sondern auch geistig bestimmtes Gattungswesen: “Criatura racional del sexo femenino” (ebd.). Sie wird zum ersten Mal explizit der menschlichen Vernunftspezies zugeordnet, deren Ideal gleichwohl weiterhin der Mann verkörpert. Gottebenbildlichkeit wird laut Definition nur ihm zuteil, was in der begrifflichen Einheit von “hombre” als Mann und Mensch, und zwar nicht als Homonymie, sondern als Polysemie im Sinne eines gemeinsamen Begriffsursprungs zum Ausdruck kommt. Der Mensch erscheint hier (noch) nicht als Teil einer allgemeinen Naturgeschichte

78  Diccionario de la lengua castellana, en que se explica el verdadero sentido de las voces, su naturaleza y calidad, con las phrases o modos de hablar, los proverbios o refranes, y otras cosas convenientes al uso de la lengua.

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verstanden, wie sie sich später in der französischen Enzyklopädie79 formieren wird, wenngleich morphologische und psychische Generalisierungen bereits auf eine Erfassung des Menschen im Rahmen naturwissenschaftlich-biologischer Konzepte hindeuten: Hombre: Animal racional, cuya estructura es recta, con dos pies y dos brazos, mirando siempre al Cielo. Es sociable, próvido, sagaz, memorioso, lleno de razón y de consejo. Es obra que hizo Dios por sus manos a su imagen y semejanza. [...] y aunque el verdadero significado de esta voz comprende hombre y mujer, en Castellano se toma regularmente por el varón. (DA, 1734: 168, meine Hervorhebung)80

Der explizite Hinweis auf das generische Maskulinum ist dabei wichtiges Indiz für die einsetzende Sprachreflexivität auch hinsichtlich der Geschlechterfrage. Dies wird zwar nicht näher problematisiert, dennoch wird die Inklusion des weiblichen Geschlechts in die allgemeine Definition des Menschen sichtbar gemacht. Dies hat zugleich zur Folge, dass in der Definition der Frau der aufrechte Gang, die Fähigkeit zur Vorsorge, Scharfsinn, ein gutes Gedächtnis usw. entfallen, was auf ein Fortwirken der frühneuzeitlichen Idee des Ein-Körper-Modells hindeutet. Während die Partikularität der Frau aus dem Geschlecht abgeleitet wird (“Criatura racional del sexo femenino”), besteht die des Mannes nicht analog in der eines Menschen “männlichen Geschlechts”, sondern in der Vereinigung allgemein menschlicher Attribute. Wenn Álvarez Barrientos (2006: 315, meine Hervorhebung) hierzu feststellt, [...] al definir al hombre y a la mujer desde la razón, es decir, sin cuestionar que ésta sea propia de ambos, los lexicógrafos estarían validando la igualdad entre unos y otras, afirmando la opinión de Descartes, según la cual el físico es diferente, pero el entendimiento es igual para todos [...],

79  Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers (1751-1780), herausgegeben von Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d’Alembert, im Folgenden als Encyclopédie. 80  Die Orthographie der spanischen und französischen Texte wird durchgehend modernisiert, auch wenn dies die historische Alterität der Texte ausblendet. Es erleichtert die Lesbarkeit und ist zumindest in der spanischsprachigen und teilweise der internationalen Forschung üblich.

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und damit eine Egalisierung der Geschlechter hinsichtlich von Körper und Geist betont, so muss ergänzt werden, dass dieser Gleichheitsanspruch gleichwohl nur mit Einschränkung gilt. Denn in der Definition der Frau wird eine geschlechtliche Spezifizierung vorgenommen, die in der des Mannes weiterhin fehlt. Dies muss aus dem Grund berücksichtigt werden, weil das rationalistische Gleichheitspostulat in medizinischen und philosophischen Diskursen des 18. Jahrhunderts unter Verweis auf diese körperliche Differenz häufig wieder ausgehebelt wurde. Im ‘ordre naturel’ der Physiokraten etwa erscheint die Frau gänzlich als Naturwesen und vermag allein durch ihre Fruchtbarkeit produktiv am gesellschaftlichen Prozess beteiligt zu sein (Steinbrügge [1987] 21992: 35). Im Diccionario castellano81 des Jesuiten Esteban de Terreros y Pando wird hingegen eine ganz andere Bedeutungsvariante der Frau aktualisiert. Die Definition von ‘mujer’ ist stark verkürzt und wird mit dem biologischen Begriff ‘hembra’ eingeleitet. Der im Diccionario de Autoridades vorhandene explizite Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zur menschlichen rationalen Spezies fehlt, die biologische Geschlechtlichkeit rückt hier ins Zentrum der Definition: Mujer, la hembra del hombre, o de la naturaleza humana. Fr. Femme. Lat. Foemina, mulier. It. Femmina, donna. Mujer casada, la que ha contraido matrimonio. Fr. Id. Lat. Uxor, mulier. It. Moglie, donna. (Terreros y Pando [1787/ II] 1987: 635)

Galt die Frau im Diccionario de Autoridades noch als “vernünftiges Wesen weiblichen Geschlechts”, so wird sie hier auf ihre Physis reduziert und als Natur- und Geschlechtswesen bestimmt. Eine solche Definition findet sich wörtlich in der französischen Enzyklopädie wieder (“la femelle de l’homme”, vgl. Jaucourt 1756), kennzeichnet dort jedoch nicht nur etwas spezifisch Weibliches, sondern wird flankiert von der Idee der Einbettung aller menschlichen Wesen in eine universale Naturgeschichte. Die Ergänzung “de la naturaleza humana” ist Hinweis auf eine Übertragung aus der französischen Enzyklopädie, deren Titel bei Terreros y Pando anklingt. Gab es im Diccionario de Autoridades noch einen gesonderten Eintrag für die Frau als Ehe81  Diccionario castellano con las voces de ciencias y artes y sus correspondientes en las tres lenguas francesa, latina e italiana, Bände I-IV (1786-1793).

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frau, “Muger. Se entiende regularmente por la que está casada, con relación al marido. Lat. Uxor” (DA [1732] 1963-64: 626), so fallen der soziale Status der Ehefrau und die generische Bestimmung im Diccionario castellano Lemma zusammen und werden nach dieser Logik in ein gemeinsames Lemma gefasst. Dies erfolgt analog zu Jaucourts Definition der Frau in der Enzyklopädie, die unter dem Einfluss der physiokratischen Gesellschaftsidee die weibliche Fortpflanzung als Erfüllung der sozialen Bestimmung der Frau als Ehefrau sieht und die Mutterrolle ins Zentrum der Definition des Weiblichen stellt. Die wesenhafte menschliche Vernunft wird auch im Diccionario castellano nicht mehr indiziert, die Frau ist hier – und dies stellt nicht nur einen graduellen Unterschied dar – nicht menschliches Wesen weiblichen Geschlechts, sondern “Weibchen des Mannes” und damit per definitionem die biologische Seite des Menschen, d.h. die körperliche Ergänzung des geistig aktiven Mannes: Hombre, animal racional. Fr. Homme. Lat. Homo. It. Uomo, y como contrapuesto a la mujer. Fr. Homme. Lat. Mas, vir. It. Uomo, maschio. La Medicina le considera según el cuerpo natural: la moral como carnal, y espíritual. Lat. Homo animális, homo spirituális. (DC, 301-302)

Damit ist der Weg für eine Polarisierung von Mann und Frau nach dem Muster von Körper und Geist gewiesen, welche eine Verkehrung des cartesianischen Gleichheitsgedankens darstellt. Während der Diccionario de Autoridades die Frau in die Definition des Menschen ausdrücklich einbezieht (“comprende hombre y mujer”), fehlt der Hinweis auf die Verwendung als generisches Maskulinum im Diccionario castellano gänzlich. Jedoch beziehen sich in beiden Lexika die Spezifizierungen von “hombre” auf den ‘männlichen’ Menschen und sind durchgehend mit positiven Attributen versehen wie “rico hombre”, “hombres de inteligencia” und “de Letras, de jornal, de toga, de honra, de verdad, de bien, de buen humor, de dios, de negocios”. Negative Eigenschaften wie Gewalttätigkeit erscheinen dagegen als Ausdruck der ungebändigten Natur. So gilt als “hombre violento” “[...] el que se deja arrabatar de su natural feróz” (DC: 301f.), worin sich die Vorstellung einer negativen Wirkung der Natur auf die Physis des Menschen artikuliert, die hier partiell in den Eigenschaften des Mannes sichtbar wird, sich

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aber nirgendwo in so umfassender Weise zeigt wie der physischen Beschaffenheit der Frau. In den Spezifizierungen zu “mujer”, die in gesonderten Lemmata vermerkt sind, erscheinen die klassischen misogynen Attribute: “por desprecio a un hombre, sin fuerza, sin valor”, “Mujer simple”, “Mujer común, de reja, pública, de fortuna, mujercilla, prostituta”, “Mujer de mundo [...] que procura agradar, y enlazar los hombres”, “Mujer de buen fregado, la deshonesta”, was bis hin zu Sentenzen wie “El que lleva mujer, o asno, no lo llevará sin trabajo” oder “De la mala mujer te guarda, y de la buena no fies nada”, bzw. Rekurse auf den tradierten Katalog geschlechtsspezifischer Laster wie Geschwätzigkeit und Unkeuschheit reicht. Selbst der Ehrtopos, der in den Diskursen des 18. Jahrhunderts eine Umdeutung erfahren hatte, dient hier noch einmal der Bestimmung der Frau als Objekt der Ehre des Mannes: “Quién a la mujer no honra asimismo se deshonra, denota cuan unido está el honor del marido con el de su mujer” (ebd.). Ein Konzept für die sozial, moralisch oder sogar intellektuell distinguierte Frau oder erhabene Formen von Weiblichkeit im Sinne des Lateinischen ‘femina’ findet sich hingegen in keiner der genannten sprachlichen Definitionen. Dies ist jedoch keineswegs Ausdruck einer negativen Auffassung vom weiblichen Geschlecht, sondern belegt in erster Linie das Fortwirken und die Allgemeinverbindlichkeit der tradierten Begrifflichkeiten in den sprachlichen Normen des 18. Jahrhunderts, in denen sich der Prozess einer kulturellen Erneuerung des Wissens kaum niederschlägt, sieht man von der Beschreibung der Frau als vernünftigem Wesen im Diccionario de Autoridades ab. Die Tradierung von Misogynie aus dem klerikalen Kontext findet weiterhin statt, beeinflusst beispielsweise durch die weite Verbreitung des jesuitischen Dictionnaire de Trévoux. Die hier kursorisch vorgestellten Konzipierungen von Mann und Frau zeigen auf nicht überraschende Weise, dass im Bereich der Lexik weiterhin die frühneuzeitliche Anthropologie und darauf basierende universalisierende (nicht historisierende) christlich-moralische Kategorien den Bezugspunkt der Geschlechterdefinition bilden. Anders gestalten sich hingegen die Neuerungen in der französischen Enzyklopädie, die in einer Differenzierung und Systematisierung der Betrachtungsebenen zum Eintrag “Frau” bestehen. So finden sich Untereinträge zu den Aspekten Moral, Anthropologie und Naturrecht (femme – morale, anthropologie, droit naturel), die das Vorhandensein mehrerer und damit auch unterschiedlicher Wissenszugriffe auf Weiblichkeit

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vermitteln. Der Mensch erscheint in der Enzyklopädie als Teil einer übergreifenden Naturgeschichte und, auf der Basis seiner Vernunft, zugleich als Souverän über die Natur, wobei die Frau, wie Steinbrügge ([1987] 21992: 33) betont, in den ‘Herrschaftszusammenhang’ von Mensch und Natur gerade nicht mehr eingebunden ist. Sie erscheint vielmehr von dieser Natur bestimmt und die “Menschlichkeit der Frau erfährt nicht etwa keine Bestimmung, sondern eine andere als die des Mannes” (ebd.). Eine moderne, wissenschaftliche Ausdifferenzierung der Geschlechter findet sich in spanischen Wörterbüchern des 18. Jahrhundert nicht, wobei diese auch nicht wie die Enzyklopädie auf eine Neustrukturierung des Wissens, sondern vielmehr die Bewahrung und Normierung eines spezifischen Sprachzustandes zielen. Möglicherweise stützt diese Erkenntnis die These, dass Theorien der medizinisch-biologischen Herleitung einer weiblichen Natur im spanischen Kontext weit weniger Fuß fassen konnten und somit das Argument, die körperlichen Besonderheiten der Frau beeinträchtigten die weibliche Verstandestätigkeit negativ, ebenso wenig zum Zuge kam. In Frankreich hingegen hatte der Mediziner Pierre Roussel in seiner Schrift Système physique et moral de la femme (1775) sehr erfolgreich einen neuen Zusammenhang zwischen weiblicher Physis und eingeschränkter Denkfähigkeit hergestellt, der das cartesianische Modell der Trennung von geistiger und körperlicher Beschaffenheit außer Kraft setzen sollte. Die Organe des weiblichen Körpers seien besser für die Sinneswahrnehmung geeignet, so seine Behauptung. Dies jedoch führe dazu, dass die Frau von ihnen beherrscht werde, anstatt diese selbst zu beherrschen. Anhand dieser neuartigen Argumentation wurden Frauen nicht generell von der menschlichen Vernunft ausgeschlossen, aus ihrer körperlichen Natur wurde jedoch eine Einschränkung abgeleitet:“Das immer noch geschlechtsneutrale Vernunftvermögen wird den Frauen nicht prinzipiell abgesprochen – wohl aber die Voraussetzungen, diese Vernunft in gleicher Weise wie Männer zu entfalten” (Steinbrügge [1987] 21992: 52). Derartige naturwissenschaftlich-medizinische Begründungen der Wesenhaftigkeit der Frau, ihrer geistigen und körperlichen Beschaffenheit, finden in die spanischen Lexika der Epoche noch keinen Niederschlag.

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₃.₂. Von der Idee und Kritik weiblicher Gelehrsamkeit zu neuen Idealen: Stationen und Standpunkte der spanischen Debatte Am Beispiel der Feijoo’schen Defensa de las mujeres lässt sich der Übergang vom frühneuzeitlichen Frauenstreit zur modernen Geschlechterdebatte und die besondere Bezugnahme auf die Diskussion um weibliche Verstandesfähigkeit sehr gut beschreiben. Der Benediktiner Feijoo führte die Idee egalitärer Geschlechter verbunden mit dem Theorem weiblicher Denk- und Bildungsfähigkeit 1726 in die spanische Diskussion ein (vgl. dazu Kapitel 4). Dabei beschäftigte ihn auch die gesellschaftliche wie lebenspraktische Dimension der Frage und er brachte das Thema erstmals in eine breite Öffentlichkeit ein. Der zunächst in das traditionelle Genre der Frauenverteidigung gekleidete Text unterstreicht, dass die Abwertung des weiblichen Intellekts aus der unreflektierten Übernahme einer quantitativ erdrückenden Tradition misogyner Topoi resultiert, die der Wissenschaftler Feijoo als Vorurteile klassifiziert und im Rahmen einer kritischen Bestandsaufnahme falsifiziert. Wie sich die Ideen weiblicher Bildung im Laufe der Debatten des 18. Jahrhunderts wandeln, soll im Folgenden skizziert werden. Dabei werden maßgebliche Positionen aus dem französischen Kontext erläutert sowie einzelne Positionen aus der spanischen Debatte um die Zulassung von Frauen zur Madrider Ökonomischen Gesellschaft gegenüber gestellt. Die kulturellen Leistungen von Frauen und ihre Rolle im intellektuellen Leben bemaßen sich stets auch an den Vorstellungen, die man Weiblichkeit und speziell dem geistigen Schaffen von Frauen entgegen brachte. Die kulturellen Standards waren im Fall von Autorinnen nicht nur ausschlaggebend für die unterschiedlichen Formen der Vermittlung und Veröffentlichung, sondern hatten entscheidenden Einfluss auf die Deutung ihrer Äußerungen, auf den gesamten Rezeptionsprozess und, nicht zuletzt, die Kanonisierung ihrer Werke. Die Klärung der geschlechtlichen Zuweisung bestimmter Bildungsinhalte und -formate ist somit für die Beurteilung insbesondere der weiblichen intellektuellen Produktion eine wesentliche Voraussetzung. In den Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts zeigt sich, dass das Modell der ‘mujer culta’ verabschiedet wird, das noch in der Vormoderne den Ausnahmefall weiblicher Gelehrsamkeit darstellte und in der Literatur in Form außergewöhnlicher Frauenfiguren auftaucht, die auf geschickte Weise Moral und Anstand zu wah-

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ren verstehen. Gerade die literarische Inszenierung dieser ‘mujeres discretas’ verweist auf die eng begrenzten Handlungsspielräume von Frauen und wie sie gleichwohl auf kluge Weise genutzt werden können. Im 18. Jahrhundert verweist die Frage der Gleichheit der Geschlechter auf eine ebenbürtige Redefreiheit und den Zugang von Autorinnen zu den entstandenen Formen von Öffentlichkeit und manifestiert sich grundlegend in den dabei verwendeten Äußerungsstrategien. Wenn sich eine der gebildetsten Autorinnen dieses Jahrhunderts in Spanien, Josefa Amar y Borbón, über weibliche Erziehung äußert, dann wählt sie hier bewusst eine genderadäquate Frage und legitimiert ihre Schrift bereits durch diese inhaltliche Festlegung auf ein weibliches Thema. War noch Feijoos Diskurs zur Frauenfrage in bewusster Absetzung zur traditionellen Polemik des Für und Wider und als unparteilicher Standpunkt formuliert, so verschafft sich Amar y Borbón gerade mittels ihrer Parteilichkeit als Frau im Dienst der Frauen Autorität.82 Gleichwohl zeigt sie durch ihre wissenschaftliche Diskursführung, dass es dabei keineswegs um eine generelle Identifikation und geteilte, ständeübergreifende weibliche Erfahrungswelten geht. Sie vollzieht eine Gratwanderung zwischen Erfüllung der geforderten Weiblichkeitsnorm und Behauptung eigener intellektueller Autorität, d.h. sie changiert zwischen den Rollen als Frau und Mutter sowie der damit vermeintlich unvereinbaren Position einer gebildeten Frau und Autorin. War die Frage weiblicher Bildung im Kontext der aufklärerischen Kultur selbst kein Skandalon mehr, so werden nun umso stärker ihre Inhalte hinterfragt und neu zugeordnet. Im Unterschied zum humanistischen Gelehrtenideal, das einige wenige Ausnahmefrauen immerhin für sich beanspruchen durften, wird das weibliche Bildungsideal im Zuge der Aufklärung auf geschlechtsspezifische und praktische Inhalte gerichtet. Die Thematik der Instruktion von Frauen, verbunden mit der Frage körperlicher – und gemeint sind immer auch geschlechtsspezifische – Voraussetzungen, war bereits ein Topos der vormodernen Debatten zur ‘Frauenfrage’ und es dominierte hier bekanntlich die Vorstellung 82 

Dieser Ansatz Amars stellt eine Strategie unter vielen Möglichkeiten des Umgangs mit den Äußerungsrestriktionen für Autorinnen dar. Das Beispiel der Literatin María Rosa Gálvez de Cabrera zeigt hingegen, dass man sich weiblichen Themen auch gezielt verweigern und dennoch literarische Anerkennung erhalten konnte (vgl. Kapitel 8).

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intellektueller Inferiorität. Obgleich im humanistischen Kontext mit Juan Luis Vives’ De institutione feminae christianae (1524; 1529 auf Spanisch erschienen) ein durchaus moderates und bildungsaffines Modell weiblicher Religiosität entworfen wurde, setzte mit der Gegenreformation eine Restriktion bis hin zur Annullierung weiblicher Partizipation an der humanistischen Bildungskultur ein. Die in der reformatorischen Theologie verankerten Erneuerungen des Geschlechterdenkens, beispielsweise die Idee der Gottebenbildlichkeit der Frau, die mit der Ursünde verloren gehe, mit Christi Geburt jedoch wieder hergestellt werde (Gössmann 2004: 50), wurden im Zuge der Gegenreformation in ihr Gegenteil verkehrt. Weibliche Tugendhaftigkeit konnte nichts anderes als “deliciosa ignorancia” beinhalten. Die Verstandesfähigkeit der Frau wurde grundsätzlich in Zweifel gezogen, so bei Huarte de San Juan, Examen de ingenios para las sciencias, 1575,83 wie auch besonders publikumswirksam in La perfecta casada (1583) von Fray Luis de León. Dass Künstlichkeit und literarische ‘Scheingelehrsamkeit’ als typisch weibliche Eigenschaften verspottet wurden, zeigte nicht zuletzt auch Quevedo in seiner Satire auf Góngora, dessen kultistische Schreibweise er als La culta latiniparla (1629) parodierte und mit dem Topos der generellen Lächerlichkeit weiblichen Bildungsstrebens verknüpfte (Schüler 1973). Die Autorinnen mussten sich folglich zu dieser Art kulturellem Wissen verhalten und entwickelten eigene Modelle selbstbewusster Intellektualität, wie sie die Barockautorinnen María de Zayas und Sor Juana Inés de la Cruz verkörperten oder wie sie im Postulat prophetischer Autorität bei den Mystikerinnen zum Ausdruck kamen. María de Zayas legitimierte ihr Schreiben, indem sie die landläufigen Schlüsse aus dem medizinischen Diskurs der Säftelehre kurzerhand umdeutete und aus der üblicherweise weiblichen Beschaffenheit, dem kühlen und feuchten Element eine besondere geistige Befähigung ableitete: “[...] fuéramos tan aptas para los puestos y para las cátedras como los hombres, y quizá más agudas, por ser de natural más frío, por consis-

83 

Huarte rekurriert auf die von Galen überlieferte Theorie der Körpersäfte und behauptet mit Hinweis auf die Ursünde, dass in den Körperflüssigkeiten der Frau, insbes. der Beschaffenheit ihres Gehirns intellektuelle Schwäche angelegt sei: “[...] que la compostura natural, que la mujer tiene en el cerebro, no es capa de mucho ingenio ni de mucha sabiduría” (Serés 1989: 163).

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tir en humedad el entendimiento” (Olivares 2000: 160).84 Zudem erweisen sich gerade die weniger prestigereichen Genres als geeignet zur Darstellung unabhängiger und derart lebenskluger Frauen. In den fiktionalen Welten von Novelle und comedia (Cervantes, María de Zayas, Lope de Vega, Calderón de la Barca u.a.) findet man die echten ‘discretas’, die ihre Tugend mit Geschick verteidigen und durch ihre genaue Kenntnis beispielsweise der repräsentativen Mechanismen von Ehre den äußeren Schein zu wahren wissen.85 Die Beispiele zeigen, wie die vermeintliche Entgegensetzung von weiblicher Tugend und Bildung überwunden werden konnte: mit ebenbürtigem Wissen und dessen geschickter kasuistischer Anwendung etwa in Gestalt von Frauenfiguren, die den Eindruck von Tugendhaftigkeit “con muchas mañas” erwecken und damit überraschende Eigenständigkeit im Umgang mit den an sie gestellten Moral- und Bildungsanforderungen beweisen. Im Zeitalter der Aufklärung wurden Erziehung und Bildung hingegen in einen völlig neuen Kontext, den der allgemein menschlichen Fähigkeit zur perfectibilité,86 gestellt, wo sie dem Einzelnen zu Aufstieg und Prestige verhalfen, aber auch dessen Rolle als Bindeglied zum Gemeinwohl dienten. Auch in Spanien wurde dieser Gedanke populär und mit einem neuen patriotischen Diskurs verbunden, der sich an beide Geschlechter mit der Aufforderung richtete, die jeweils geschlechtsspezifischen Aufgaben im Dienst der spanischen Nation zu erfüllen und sie sich vorzugsweise durch Selbsterziehung anzueignen. Besonders anschaulich wird die Problematik im Streit um die Mitgliedschaft von Frauen in der Sociedad Económica de los Amigos del País, 84  Vgl. zur Novellistik dieser Siglo-de-Oro-Autorin Albers/Felten (2009), und insbesondere der Geschlechterinszenierung Goytisolo (1972/73), H. Felten (1978), Frackowiak (1997), Jung (1999), Bosse/Potthast/Stoll (1999), Greer (2000), U. Felten (2004), Gronemann (2009). 85  Zur substitutiven Funktion des dramatischen Ehrdiskurses, welcher die Problematik von honor/honra anstelle von Sexualität evoziert und damit eine Form sozialen Wissens vermittelt, vgl. Toro (2003: 348): “[...] los dramas de honor, fuera de las diversas funciones que tuvieran o hayan podido tener, fueron un aparato ‘popular’ que hizo circular el discurso del sexo, del deseo y del cuerpo, del poder y de la mujer en forma generalizada”. 86  Vgl. hierzu die Einleitung zur französischen Encyclopédie: d’Alembert, Discours préliminaire de l’Encyclopédie (1751) sowie Condorcet, Esquisse d’un tableau historique des progrès de l’esprit humain (1795) und, für Spanien, Jovellanos, Foronda, Campomanes und Capmany.

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welcher 1787 auf königliches Geheiß hin in die Gründung einer eigenen Frauenunion, Junta de Damas de Mérito y Honor, innerhalb der Gesellschaft mündete.87 Diese Debatte belegt eindrucksvoll, wie sich einerseits das aufklärerische Gleichheitsdenken mit patriotischen Interessen verbinden ließ und den Frauen die Mitwirkung am Reformprozess ermöglichte. Andererseits zeigt sie aber auch, wie die patriarchalen Vorbehalte gegen eine gleichrangige Mitwirkung der größtenteils adligen Damen obsiegten und ihnen ein rechtlicher Sonderstatus zugewiesen wurde.88 Diese Entscheidung erscheint paradox, da ausgerechnet im Moment der Ausweitung von Bildungsansprüchen auf die Frauen deren Anwendungsbereiche geschlechtlich eingegrenzt werden. Obgleich als Mitglieder der Ökonomischen Gesellschaft einer gemeinsamen Aufgabe, der Reformierung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektors verpflichtet, wurde die Zuständigkeit der Damen entgegen deren Willen auf Genderbereiche beschränkt. Der neuartige Bildungszugang wird hiermit ideologisch beschnitten. Zunächst jedoch noch einmal zurück zu den Anfängen dieser Entwicklung. Der Gleichheitsgedanke, der das Fundament einer geschlechterübergreifenden Bildungskonzeption lieferte, geht auf die 1673 anonym publizierte sozialphilosophische Abhandlung De l’égalité des deux sexes von François Poulain de la Barre zurück.89 Der französische Theologe, Priester (und späterer Calvinist) argumentierte auf der Basis des cartesianischen Dualismus von res cogitans/res extensa zugunsten einer universalen Kategorie des menschlichen Geistes, “le bon sens”, dem das Erkennen von Wahrheit grundsätzlich eigen ist: “[...] chacun a droit sur tout ce qui est de bon sens; le ressort de la raison n’a point de borne; elle a dans tous les hommes une égale juridiction” (Poulain de la Barre [1673] 1984: 77). Auf der Basis der Trennung von Geist und Körper postulierte Poulain de la Barre uneingeschränkt die geistige Befähigung von Frauen und lieferte eine theoretische Begründung für weibliche Bildung, die später für das aufklärerische Bildungsprojekt relevant wurde: “[...] aucun inconvenient que les femmes s’appliquent à l’études comme nous” (ebd.: 78). Er bezog sich dabei auf die frauenfreundliche Argumentationslinie der frühneuzeitlichen 87 

Vgl. u.a. Smith (2006: Kap. 4). Vgl. hierzu detailreich Garrido González (1997). 89  De l’égalité de deux sexes, discours physique et moral, où l’on voit l’importance de se défaire des préjugés (1673). 88 

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Geschlechterdebatten und nutzte beispielsweise das Argument, das sich in Marie de Gournays90 Schrift L’Égalité des Hommes et des Femmes (1622) findet. Nicht ungleiche Begabung, sondern mangelnde Unterweisung sei für die geringere Bildung von Frauen verantwortlich: “Que si les dames arrivent moins souvent que les hommes aux degrés d’excellence, c’est merveille que le défaut de bonne instruction, voire l’affluence de la mauvaise expression et professoire ne fasse pire, les gardant d’y pouvoir arriver du tout” (Venesoen 1993: 43f.). Gournays Abhandlung stand noch nicht im Zeichen des Cartesianismus, sondern rekurrierte auf das theologische Modell der Seelengleichheit, demzufolge der Geist generell Vorrang vor der körperlichen Materie besaß und Geschlechtlichkeit akzidentellen Charakter trug. Sexualität und Körper, so die Idee, standen im Dienst der Reproduktion und wurden daher verstanden als “secundum quid”. Poulains Ansatz bestand hingegen darin, die “belle question” der Geschlechter auf rationalistischer Basis und dabei zugleich als Kernfrage von gesellschaftlicher und epistemologischer Erneuerung zu behandeln (vgl. Ferrari Schiefer 1998). Der Begründer der Idee einer körper- und geschlechtsneutralen Vernunft schrieb wörtlich: Il est aisé de remarquer, que la difference des sexes ne regarde que le corps: n’y ayant proprement que cette partie qui serve à la production des hommes; et l’esprit ne faisant qu’y préter son consentement, et le faisant en tous de la mesme maniere, on peut conclure qu’il n’a point de sexe. (Poulain de la Barre [1673] 1984: 59, meine Hervorhebung)

Zugleich konkretisierte Poulain de la Barre bereits die lebenspraktischen Konsequenzen eines solchen Modells. Er propagierte eine gleichartige Erziehung für beide Geschlechter und einen offenen Zugang zu Berufen und Ämtern, auch für Frauen (ebd.: 63ff.), und ging so weit, die geistige Eignung von Frauen herauszustellen: “Que les femmes ont une disposition avantageuse pour les sciences [...]” (ebd.: 85). Dafür wurde er aufs Schärfste kritisiert und dies vor allem von den Befürwortern einer geschlechtsspezifischen Erziehung (Fénelon u.a.). Während Poulain de la Barre sein in gleichem Geist verfasstes Erziehungstraktat für Frauen (De l‘éducation des dames pour la conduite

90  Die hochgebildete Gournay übersetzte aus dem Lateinischen und Griechischen, war Herausgeberin von Montaignes Gesamtwerk (und seine Adoptivtochter).

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de l‘esprit dans les sciences et dans les mœurs) später widerrief, schlossen französische und europäische Verfechter weiblicher Bildungsfähigkeit im 18. Jahrhundert an seine Vorschläge an.91 Das Ideal der weiblichen Gelehrten gilt in der französischen Querelle seit Poulain als “Kernstück rationalistischer Argumentation” (Steinbrügge [1987] 21992: 25), während sich im spanischen Kontext kein solches Modell entfalten konnte. Im Nachbarland hingegen edierte Florent de Puisieux den anonymisierten Text La femme n‘est pas inférieure à l‘homme (1750),92 welcher auf der Basis geschlechtsneutraler Verstandesfähigkeit die Gleichheit männlicher und weiblicher Fähigkeiten beschrieb und dies auch auf strategische Entscheidungen im militärischen Bereich ausweitete. Noch radikaler in der Argumentation erscheint die Apologie von Dom Philippe-Joseph Caffiaux, Défense du Beau Sexe, ou Mémoires historiques, philosophiques et critiques pour servir d‘Apologie aux femmes (1753), der die Frauen als historische Subjekte beschrieb und ihre wissenschaftlichen Beiträge zum Fortschritt des menschlichen Geistes explizit betonte. In diesem Kontext ist auch Mademoiselle Archambault zu erwähnen, die zwar entgegen dem cartesianischen Argument eine körperliche Beeinflussung des Denkens unterstellt, jedoch die Exzellenz und intellektuelle Überlegenheit von Frauen betonte, insofern diese vorhandene körperliche Schwächen zu sublimieren wüssten. Im französischen Debattenkontext lässt sich demnach eine ganze Reihe von Schriften nachweisen, in denen gezielt die weiblichen geistigen Fähigkeiten unterstrichen wurden und somit die Idee der Frauenbildung auf vielfältige Weise eine Begründung fand. Allerdings bilden diese Texte weiterhin Ausnahmen und stehen einem Mainstream der Kritik weiblicher Bildungsansprüche gegenüber. Diese manifestiert sich etwa in der Preziösensatire oder, ganz andersartig, in der französischen Enzyklopädie, in der die physiokratischen Ideen Niederschlag fanden, welche den weiblichen Fortpflanzungsbeitrag als bedeutenden ökonomischen Faktor betrachteten und somit körperliche und geistige Funktionen auf die Geschlechter verteilten (Steinbrügge [1987] 21992: 35ff.). Die Debatte über Möglichkeiten und Grenzen weiblicher Bildung selbst ist symptomatisch für einen an das rationalistische Gleichheitsdenken geknüpften erkenntnistheoretischen Einschnitt. Neben einigen kurios 91  92 

Vgl. hierzu ausführlich Steinbrügge ([1987] 21992). Dass es von Madame de Puisieux stammt, ist eine Vermutung (vgl. Laborde 1983:

209).

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anmutenden Vorschlägen, so Babeufs Projekt, den Frauen grundsätzlich das Lesenlernen zu verbieten (vgl. Fraisse 1989), steht hierfür vor allem die Verurteilung von Olympe de Gouges, die in der Logik des Gleichheitspostulats nichts anderes als staatsbürgerliche Frauenrechte gefordert hatte (Déclaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne, 1791) und nicht nur, aber auch deswegen 1793 den Tod durch die Guillotine fand. Während in Frankreich, wie dieser kurze Einblick zeigt, seit der Frühen Neuzeit eine programmatische Auseinandersetzung mit Fragen der weiblichen Bildungsfähigkeit, ihren gesellschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen geführt wird, ist die Mehrzahl der Debattentexte in Spanien auf konkrete und zumeist praxisnahe Kontexte bezogen. So werden hier in Anknüpfung an die reformerischen und utilitaristischen Ziele der Aufklärung geschlechtsspezifische Muster entwickelt und es galt, wie Martín Gaite ([1972] 1987: 257) lakonisch formuliert: “tomar providencias eficaces para estimular el gusto de las mujeres por aprender cosas útiles, y, en la mayor parte de los casos, por crear ese gusto, ya que no existía.” Die gesellschaftliche Beteiligung von Frauen wurde im Anschluss an das in Spanien verbreitete Substrat Rousseau’scher Ideen auf die Zuständigkeit für Haus und Familie bezogen, wozu die ‘richtige’ Mutterschaft (u.a. ausgeführt in einer breiten Debatte über das Stillen, Bolufer Peruga 1998: 237ff), die Gesundheit der Familie, Kindererziehung, sparsame Haushaltsführung und die Unterstützung des Ehemanns gehörten. Genau dies sind die präzis abgesteckten, geltenden Kernbereiche weiblicher Produktivität und somit die neuen Maßstäbe für weibliche Bildung, die in der Erziehung zur Selbsterziehung im Sinne des genannten Aufgabenspektrums bestand. Die volle Entfaltung ihrer gesellschaftlichen Nützlichkeit lag in der Pflicht zur Erfüllung dieser als geschlechtsspezifisch und biologisch verankert verstandenen Aufgaben. Auf dieser ideologischen Basis entstand ein normiertes weibliches Rollenmodell, in dem individuelle Ambition und Gelehrsamkeit als schädlich und kontraproduktiv für die weibliche soziale Rolle galten. Wenngleich sich solcherart soziale Disziplinierung vor allem auf das weibliche Geschlecht bezog, wurde auch die Klasse der Männer nach dem utilitaristischen Modell geschlechtsspezifischer Aufgaben gebildet. Die Abkopplung männlicher Fähigkeiten von persönlichen Zielen zugunsten einer Ausrichtung auf das Gemeinwohl veränderte und limitierte nicht nur weibliche, sondern auch männliche Bildungsinhalte. Die Ambivalenz

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dieses Prozesses lag für beide Geschlechter darin, dass erstmals in der Geschichte ein allgemeiner, klassen- und geschlechterübergreifender Bildungsanspruch formuliert worden war, der jedoch durch die funktionale Zuteilung und Differenzierung von Aufgabenbereichen inhaltlich neu strukturiert und auf getrennte Bereiche des Öffentlichen und des Privaten beschränkt wurde. Frauen wurden dabei nicht grundsätzlich aus der Öffentlichkeit gedrängt, vielmehr wurde die Legitimation ihrer dortigen Aktivitäten unter Rekurs auf eine biologische Funktion grundlegend unterminiert. Aus dieser geschlechtlichen Limitierung resultiert umgekehrt die verbreitete Strategie, durch die Beschäftigung mit genusadäquaten Themen öffentliche Aufmerksamkeit und Legitimität zu erwerben. Nicht zufällig sind Häuslichkeit, Hygiene und weibliche Erziehung bevorzugte Themen, denen sich die im 18. Jahrhundert aktiven Frauen vor allem aus einem rollengemäßen Selbstverständnis widmeten. Ein treffendes Beispiel für die Bruchlinien dieser Auseinandersetzung um geschlechtsspezifische Potentiale und biologische Argumentationen im Verbund mit der Klärung gesellschaftlicher Zuständigkeiten ist der Streit um die Zulassung von Frauen in der von Karl III. geförderten Sociedad Económica Matritense de Amigos del Pais, der 1787 mit der Gründung einer (der Junta General untergeordneten) Junta de Damas de Honor y Mérito endete (Martín Gaite [1972] 1987: 258f.; Hassauer 1997: 215f. u.a.). Die Auseinandersetzung begann mit der Konstituierung eines Frauenrates, der am 5. Oktober 1787 anlässlich der Aufnahme von weiteren vierzehn Frauen (sechzehn waren bereits eingeschrieben)93 in diese Ökonomische Gesellschaft im Zuge eines königlichen Dekrets gegründet worden war, um gesellschaftliche Reformprojekte voranzutreiben. Die aragonesische Autorin Josefa Amar y Borbón gehörte zu den neuen Mitgliedern und artikulierte in ihrer Beitrittserklärung, “Oración gratulatoria”, die unter den Frauen vorhandene Skepsis an der institutionellen Sonderstellung des eingerichteten Frauenrates. Diese Position führe dazu, so die Argumentation, dass hier getroffene Entscheidungen erst die Hauptversammlung passieren müssten. Die weiblichen Mitglieder erhielten damit zwar einen eigenen Aufgabenbereich und Mitbestimmungsrechte, aber dies nur 93  Die Namen aller Mitglieder in der Reihenfolge ihrer Aufnahme sowie eine ausführliche Darstellung der Genese einzelner Schritte des Institutionalisierungsprozesses sowie der Erarbeitung von Statuten findet sich in Smith (2006: 129-147).

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insoweit sie sich auf weibliche Belange bezogen, etwa die Prüfung des Vorschlags zur Einführung einer Nationalkleidung für Frauen im Jahr 1788. So konnten sie mit einem Brief ihrer Vorsitzenden, der Gräfin von Montijo, an den Minister 1787 erwirken, dass diese Regulierung im Sinne eines uniformen Auftretens von Frauen in der Öffentlichkeit grundlegend abgelehnt wurde. Sie unterstrichen damit nicht zuletzt ihre Unabhängigkeit von der Gesellschaft. Im weiteren Verlauf erstritten sie sich ein gleichberechtigtes Wahlrecht, 1792 vom König genehmigt, und entwickelten eigenständig ohne männliche Beteiligung ihre Statuten weiter (1788-94). Eine wichtige Neuerung bestand schließlich darin, dass die weiblichen Mitglieder jederzeit an den offiziellen Sitzungen der Gesellschaft teilnehmen durften, was ihnen zuvor verwehrt worden war. Des Weiteren verstanden es die Mitglieder der Junta de Damas, auch in Gremienfragen geschickt zu agieren und sich sowohl Unabhängigkeit als auch Einfluss auf die Arbeit der Sociedad Económica zu sichern. So lehnten sie einen Passus ab, der die Bestätigung der Wahl weiblicher Mitglieder durch die Junta general forderte oder ließen sich nicht das Recht nehmen, mit Vorschlägen und Briefen direkt an den König heranzutreten. Selbst nach zwanzig Jahren Erfahrung mit der Junta de Damas entsponnen sich noch Debatten um ihren Status,94 die darauf zielten, die Frage nach der politischen Legitimität ihrer Entscheidungen zu hinterfragen und die Arbeit der weiblichen Mitglieder der Hauptversammlung zu unterstellen. Der Frauenrat behauptete hingegen seine Unabhängigkeit, z.B. schloss er 1811 aus finanziellen Gründen und ohne vorherige Konsultation der Hauptversammlung einige ihm unterstellte Frauenberufsschulen, eine Entscheidung, die auch nach Protesten nicht zurückgenommen wurde. Grundsätzlich, so fasst Smith (2006: 147), das Wirken der Junta de Damas zusammen: By emphasizing its segregation, the women’s council pointed to its unique status as a reason for its independence. In doing so, the junta de damas formed a sphere where its members could take up issues they saw as central to Spain’s future and the future of its female citizens. [...] women

94 

1807 stritt man über die Beschreibung dieses Frauengremiums als cuerpo, was die Vertreter der Hauptversammlung als Körperteil der eigentlichen Gesellschaft deuteten, während sich der Frauenrat damit als eigene, unabhängige Körperschaft verstand (Smith 2006: 146).

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skillfully navigated the shifting gender discourse on citizenship so clearly brought to light in the debate over female admission to the Society.

Die lange und vor allem konfliktive Geschichte der Junta de Damas unterstreicht, wie Frauen in Spanien Handlungsfähigkeit erlangten und gesellschaftlichen Wandel vorantrieben, während ihnen hierfür immer wieder enge Grenzen gesetzt werden. Immerhin erhielten zahlreiche Frauen durch ihre Mitgliedschaft in der Königlichen Gesellschaft einen offiziellen Status, verfügten über eigene Ressourcen für ihre Arbeit und schufen damit Strukturen für die Ausübung weiblicher Staatsbürgerrechte und -pflichten (ebd.: 132). Für die Einsetzung geschlechtsspezifischer Standards in öffentlichen Institutionen war der Streit selbst und damit das Ringen um die Einrichtung der Junta sowohl thematisch als auch in seinen performativen Aspekten wegweisend und zudem für die spanische Debattenkultur insgesamt signifikant. Alle Stellungnahmen wurden mit einer Ausnahme von männlichen Mitgliedern verfasst,95 die in ihrer Mehrheit die generelle Beteiligung von Frauen an den Reformvorhaben favorisierte, so u.a. die Minister Campomanes und Jovellanos. Hauptgegner der Integration weiblicher Mitglieder war Cabarrús, ein französischstämmiger Geschäftsmann, der in die aristokratischen Kreise Spaniens aufgestiegen war, Direktor des Banco de San Carlos wurde und damit die Finanzpolitik von Karl III. entscheidend bestimmte. Mit Rekurs auf die vulgarisierte Form des Rousseau’schen Geschlechterdenkens plädierte er vehement gegen die Zulassung von Frauen.96 Dass ausgerechnet ein gesellschaftlicher Aufsteiger gegen die weibliche Konkurrenz argumentierte, zeigt die enge Verquickung von Stände- und Geschlechterproblematik. Cabarrús ging offenbar davon aus, dass ihm die adligen Damen seinen unsicheren Rang streitig machen könnten. Gleichwohl wurde ein Kompromiss ausgehandelt und weitere adlige Damen konnten 1787 auf königliche Order in die Gesellschaft aufgenommen werden. Dies jedoch als Ehrenmitglieder (socias de mérito) und spezi-

95  Die Plädoyers, darunter die einzige weibliche Stimme, Josefa Amar y Borbón, wurden 1787 im Madrider Journal Memorial literario veröffentlicht (vgl. Negrín 1984). In Form einer Zuschrift erfolgte eine zweite weibliche Positionierung von der Französin Madame Levacher de Vallincourt (Morant/Bolufer Peruga 2001: 70). 96  Ob er damit tatsächlich das Format eines “Rousseau espagnol” (Morant/Bolufer Peruga 2001: 74) besitzt, sei allerdings dahingestellt.

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ell in die zugehörige Junta de Damas.97 Ihr Ausnahmestatus war damit besiegelt und vermittelte nach außen zugleich zwei Aspekte: weibliche Standeszugehörigkeit war nach wie vor ein bedeutenderes Distinktionsmerkmal als Geschlecht. Zugleich erfolgte die Mitwirkung der adligen Damen nicht, wie es in den Salons der Fall war, paritätisch, sondern wurde bereits nach dem Rousseau’schen Modell geschlechtsspezifisch eingegrenzt. Kurioserweise wurde diese partielle und ausschließliche Zuständigkeit für den häuslichen Bereich gerade von den Verteidigern der weiblichen Mitgliedschaft als Argument für den notwendigen Beitrag der weiblichen Gesellschaftsmitglieder zum Gemeinwohl, und hier insbesondere für dessen ökonomische Belange, ins Feld geführt. Die Frau wurde gewissermaßen vom scholastischen Sündenstigma befreit, nur um sie noch ehrgeiziger auf das Modell der Selbstverbesserung im Sinne des bürgerlich-utilitaristischen Weiblichkeitsideals festzulegen. Den Damen der Junta wurden patriotische Pflichten auferlegt, doch nicht die Rechte der Staatsbürgerin erhielten sie dafür, sondern den Ehrentitel – Honor y Mérito –, der sie vor allem auf Distanz zum eigentlichen, dem brüderlichen corps politique halten sollte. Selbst den Aufklärern, die – zum Teil als bürgerliche Aufsteiger – mit den adligen Damen konkurrierten, erschien der Gedanke eines weiblichen Einflusses in der Politik gefährlich. In der einzigen weiblichen Wortmeldung, Discurso en defensa del talento de las mujeres, y de su aptitud para el gobierno, y otros cargos en que se emplean los hombres (1786), stellte Josefa Amar y Borbón die erforderliche Trennung von geistiger Ebenbürtigkeit der Geschlechter einerseits und pragmatisch-funktionalen Erfordernissen andererseits heraus und knüpfte nicht nur mit ihrem Titel (“aptitud para el gobierno”), sondern auch bezüglich der gesellschaftsbezogenen Argumentation an Feijoos Positionen an, der die patriarchale Ordnung als akzidentelles und funktionales Gebilde aufgefasst hatte. Fünfzig Jahre später bezieht sich Amar auf das Prinzip der Gleichwertigkeit des Differenten und orientiert weibliche Bildung auf den familiären Bereich. Die Ehe sah sie, der Idee des Utilitarismus verpflichtet, als Kern einer “perfecta Sociedad” (zit. in Negrín 1984: 165). Sie verstand weibliche Bildung als remedio, jedoch nicht unter Verweis auf den Erbsündetopos, sondern im Rousseau’schen Sinne der besonderen Verantwortung der Frau für die sittlich-moralische Ausgestaltung der Gesellschaft (ebd.: 174, 176). 97 

Smith (2006: 130) nennt dies “segregation from the general Society”.

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Obgleich Amar y Borbón die Fähigkeit der Frauen und die Bedeutung ihrer Mitwirkung am Gemeinwohl betonte, “la mayor inteligencia [...] y que deben promover, como importantes al bien general” (ebd.: 175), blieb das damit verbundene Bildungspostulat – im Gegensatz zu ihrer eigenen wissenschaftlichen Sozialisation – auf ein familiäres Rollenbild ausgerichtet. Josefa Amars Schriften zielen darauf ab, die Vorstellung von der Rolle der Frau als Gefangene im Haus zu verändern. Sie selbst sieht aber vorerst keine Alternative dazu. Die auf das Gemeinwohl gerichtete Konzipierung weiblicher Wissensbereiche findet sich wissenschaftlich ausformuliert in ihrer monographischen Abhandlung Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres (1790), in der sie auch einen potentiellen Wandel dieser Frauenrolle nicht ausschloss und damit die Option auf eine individuell bestimmte Bildung (im Anschluss an das Modell Madame Lamberts) als Utopie, als “plan fantástico” zumindest offen hielt (vgl. hierzu Kapitel 9). Ignacio López de Ayala (1786), der ebenfalls für die Zulassung der Frauen in der Sociedad Económica stimmte, plädierte zugleich für einen besonderen und eingeschränkten Status ihrer Mitgliedschaft, den er in der grundsätzlichen Verschiedenheit der Geschlechter begründet sah. So schlug er vor, den Frauen im Prozess der geistigen und gesellschaftlichen Fortentwicklung (“en los progresos de la razón”) die Verantwortung für den häuslichen Bereich im Sinne eines Beitrags zur Unterstützung der männlichen Akteure zuzuweisen – und folgte damit ebenfalls den Ideen Rousseaus: “[...] se les han de suministrar luces y conocimientos para que ayuden a los hombres y gobiernen con inteligencia sus caudales y familia” (zit. in Negrín 1984: 176, meine Hervorhebung). Seine Begründung hierfür war jedoch bemerkenswert und unterscheidet sich signifikant vom egalitären Ansatz bei Feijoo und Amar y Borbón, denn er sprach den Frauen die Befähigung ab, der Nation in gleicher Weise wie die Männer zu dienen: “las señoras no tuviesen tanta aptitud como los hombres para contribuir al remedio de la nación” (ebd.: 179). Nicht einen pragmatischen Grund, wie Feijoo und Amar, erkannte López de Ayala in der Unterordnung der Frau, sondern ihre geringere Befähigung, weshalb auch ihre Mitgliedschaft in der Sociedad Económica auf diese Unterstützerfunktion beschränkt bleiben sollte. Wirft man noch einen Blick auf Abhandlungen außerhalb dieses spezifischen Debattenkontextes, so wird deutlich, dass auch diese von

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den Ambivalenzen der Modernisierung98 des weiblichen Rollenmodells gekennzeichnet sind. In der Frauenverteidigungsschrift Apología de las mujeres (1798) von Inés Joyes y Blake findet sich eine weitere konkrete Positionierung zum aufklärerischen Bildungspostulat und dessen Genderkomponente. Die Schriftstellerin formulierte den Vorschlag, die Frau möge sich am sozialen Reformprozess durch die Entwicklung von Erziehungsmethoden beteiligen und kommunizierte, ja performierte diesen Plan in Form eines Briefes an die eigenen Töchter. Sie begründet ihre Position mit der Idee der Erbsünde aus christlicher Tradition, derzufolge die Frau Einfallstor menschlicher Sündhaftigkeit und daher für die sittliche Tugend einer Gesellschaft Verantwortung trage. Die richtige Erziehung der Kinder durch Frauen selbst sei der Schlüssel zum gesellschaftlichen Wohl. Joyes y Blake propagierte einen sehr frühzeitigen Beginn der Erziehung, “que se forme temprano el corazón de los niños” (Joyes y Blake 1798: 202, meine Hervorhebung), und deren Neukonzipierung im Sinne sensualistischer Theorien, welche die Mütter als Gefühlsinstanz und somit – im Sinne Rousseaus – zentrales moralisches Gegengewicht zur männlichen ‘amour-propre’ und gesellschaftlichem Sittenverfall darstellen: “Das als widersprüchlich erfahrene Verhältnis von kalkulierender Vernunft und zwischenmenschlichem Gefühl, von privater und öffentlicher Moral, [...] [wird] auf die beiden Geschlechter mit ungleicher Gewichtung verteilt” (Steinbrügge [1987] 21992: 122). Anders als bei Rousseau sind es bei Joyes y Blake die Mütter, denen die Kernkompetenz zur Erziehung von Verstand und Gefühl der Kinder zugewiesen wird. Sie ging von der Äquivalenz beider Geschlechter aus (ebd.: 180), beschränkte aber in Anknüpfung an Rousseau’sche Ideen den weiblichen Wirkungsbereich auf die Familie und konstatierte: “cada sexo sus destinos” (ebd.: 179). So appellierte sie im Sinne aufklärerischer Erziehungsvorstellungen (“usad de las luces que el Criador os dió”, ebd.: 204) an ein weibliches Publikum, sich darauf zu beschränken, die Kinder zu erziehen, galante Anträge abzuweisen und den Ehemann zu unterstützen. Obgleich sie selbst als Übersetzerin tätig war und ihre Schrift als Anhang zur spanischen Fassung des The History 98 

Als Modernisierung fasse ich hier den Prozess der Funktionalisierung geschlechtlicher Attribute, der die Grundlage moderner, arbeitsteiliger Gesellschaften bildet, auch wenn er in einem entwicklungslogisch-emanzipatorischen Sinne gerade kein ‘Fortschritt’ für die Frauen darstellte.

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of Rasselas, Prince of Abissinia (1759) von Samuel Johnson erschien, trat sie als überzeugte Verfechterin des allgegenwärtigen Häuslichkeitsideals auf.99 Kaum ein Text wagte es, weibliche Bildung ohne diese Funktionalisierung mit Blick auf häusliche Aufgaben zu fordern, und der Beitrag von Tomás de la Torre, Discurso sobre la educación de las mujeres, der offenbar in diese Richtung ging, blieb unveröffentlicht (Bolufer Peruga 1998: 161). In Frankreich und Deutschland dagegen lassen sich punktuell Beispiele für die Verteidigung weiblicher Gelehrsamkeit finden. In Gottscheds berühmter Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen verteidigte eine der drei Damen genau dieses Konzept von Erudition als weiblichen Lebensentwurf und stellte ihn expressis verbis gegen das ‘Hausmutterideal’ – Vorschläge, wie sie außerhalb der Literatur freilich die Ausnahme blieben. Ein Charakteristikum des modernen Häuslichkeitsideals ist folglich seine Normativität, denn mit seiner Entstehung büßen andere weibliche Existenzformen ebenso wie Ambition, Kreativität und Schöpfertum an Legitimation ein. Autorinnen wurden vor diesem Hintergrund diskreditiert. Ausgerechnet im Moment der Professionalisierung des Schriftstellerberufes und der Erneuerung des Modells vom ‘hombre de letras’ wurde weibliche Gelehrsamkeit unter Rekurs auf das Naturargument grundsätzlich obsolet (vgl. hierzu Kapitel 9). Auch in Spanien hatte sich im Verlauf des Jahrhunderts ein Diskurs der Naturalisierung des weiblichen Geschlechtscharakters verbreitet, der analog zu europäischen Entwicklungen biologische Argumente für die Festschreibung weiblicher Aufgabenbereiche heranzog.100 Privilegierte Frauen konnten sich diesem Modell, wie die Arbeit der Junta

99 

Eine Reihe weiterer Texte mit diesem Standardrepertoire der Argumentation könnte angeführt werden, so Las memorias literarias de París von Luzán, der die Aufgaben der Frau denen des Mannes unterordnet (vgl. Rivas Hernández 2006). 100  In Spanien vollzieht sich dieser Prozess weniger originär und vor allem durch die Rezeption europäischer, speziell französischer Aufklärungsdiskurse, in denen der weibliche Sensualismus zur Begründung einer andersartigen weiblichen Natur herangezogen wird. So begründet von Pierre Roussel Système Physique et Moral de la Femme (1775) und verbreitet vor allem durch Antoine-Léonard Thomas, Essai sur le caractère, les mœurs et l’esprit des femmes dans les différents siècles (1772). Weibliche Intellektfähigkeit wird hier nicht grundlegend geleugnet, sondern vielmehr behauptet, die prinzipiell verstandesfähige Frau könne sich aufgrund ihrer physischen Beschaffenheit nicht in gleicher Weise wie der Mann dieses Verstandes bedienen. Damit ist der cartesianische Gedanke der Trennung von Körper und Geist verabschiedet.

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de Damas zeigen, bis zu einem gewissen Grad entziehen, doch wurden auch ihre Aktivitäten unter Verweis auf geschlechtsspezifische Sphären darauf eingeschränkt. Wenngleich sich im aufklärerischen Geschlechterdiskurs eine Kontinuität der frühneuzeitlichen Debatte darin zeigt, dass vor allem weibliche Besonderheiten diskutiert wurden, und zwar von Autoren männlichen und weiblichen Geschlechts, bezog sich der fundamentale Wandel in Fragen der Bildung und Erziehung keineswegs allein auf diese weiblichen Belange. Die Reglementierung von Wissensinhalten, Utilitarismus und Pragmatisierung von Erziehung bezogen sich auf alle Schichten der Gesellschaft, eingeschlossen waren darin Aspekte männlichen Verhaltens, die jedoch keineswegs von weiblichen Mitgliedern der Gesellschaft zu diskutieren waren. Eine jedoch für beide Geschlechter gleichermaßen grundlegende Bildungspolitik, “tanto positivo como limitativo” (Maravall 1991a: 486), verband die allgemeine Aufforderung zum Wissen mit der genauen Kenntnis von dessen gesellschaftlicher Funktion. Die allgemein utilitaristische, ökonomische wie politische Ausrichtung von Wissensinhalten, charakteristisch für alle europäischen Aufklärungsbewegungen, führt zu einer Aufsplittung und Limitierung der Wissensbereiche nach strikten Nützlichkeitskriterien (ebd.: 483). Jovellanos hatte diese Verschiebung von einem umfassenden Bildungsideal hin zur Partikularisierung der Gebrauchsaspekte von Wissen im Rahmen der ciencias útiles in einem Reformpapier zum Agrarrecht durchaus positiv charakterisiert: “[...] bastará que los sabios, abandonando las vagas investigaciones que sólo pueden producir una sabiduría presuntuosa y estéril se conviertan del todo a descubrir verdades útiles y a simplificarlas y acumularlas a la comprensión de los hombres iliteratos” (Informe en el expediente sobre la Ley Agraria, zit. in Maravall 1991: 486, meine Hervorhebung). In der Theorie führte dies zur Einbindung bis dato bildungsferner Schichten, doch zugleich wurden klassische Bildungsinhalte aussortiert und sogar diskreditiert. Eine individuelle, persönlichkeitsbildende Erziehung und intellektuelle Ambition werden mit der felicidad pública als kaum vereinbar betrachtet. Das Modell der ‘mujer culta’ findet keine Legitimation und weibliches Wissen – fest verankert im modernen Verständnis der Geschlechtergleichheit im Sinne einer Äquivalenz des Verschiedenen –

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konstituiert sich stets mit genusadäquater Ausrichtung.101 Wenngleich sich das Modell der gebildeten Frau auch traditionell immer gegen das christliche Ideal der “mulier domestica” und bildungsfeindliche Weiblichkeitsdiskurse behaupten musste wie beispielsweise infolge des Tridentinums,102 war sie in Humanismus und Renaissance immerhin eine mögliche weibliche Lebensform. Die biologische Grundierung der Bildungsdiskurse des 18. Jahrhunderts führte jedoch dazu, dass der weibliche Körper selbst zum Ausschlusskriterium wurde und somit das Muster der gebildeten Frau nicht einmal mehr als alternativ zur Norm existierte. Die alternativen Spielräume weiblicher Gelehrsamkeit – Verzicht auf Sexualität (virgo docta) oder Vermännlichung (femina virilis) – werden systematisch geschlossen. Im modernen komplementären Geschlechtermodell, welches auch in spanischen Debatten an Boden gewinnt, wird weibliches Wissen zunehmend bezogen auf den Körper und die häusliche Sphäre.

101 

Hauser (1992: 50ff.) beschreibt mit Blick auf den französischen Kontext den Verlust des humanistischen Bildungsideals und Prestiges zugunsten der Nützlichkeit von Wissen und fügt an, dass die Aufwertung der Mutterschaft zu einer neuartigen Feindlichkeit gegenüber gelehrten Frauen führte. 102  Martínez-Góngora (1999: 215) zufolge setzt der schleichende Prozess der Restringierung bereits mit der Renaissance ein: “a partir del Renacimiento la rígida distribución de las funciones sociales de acuerdo con el sexo biológico del individuo, así como la subordinación de la mujer al hombre se manifiestan como realidades, a cuyo establecimiento los humanistas del siglo xvi en gran medida contribuyeron”.

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4. WEIBLICHKEIT IM (MÄNNLICHEN) WISSEN SCHAFT SDISKURS: GESCHLECHTERPARITÄT UND PUBLIKUMSWIRKSAMER RATIONALISMUS IN FEIJOOS DEFENSA DE LAS MUJERES (1726)

An einem historischen Wissensumbruch entfaltet sich das enzyklopädisch angelegte und in der Volkssprache verfasste Werk des in Galizien geborenen Benito Jerónimo Feijoo y Montenegro (1676-1764), das den Beginn des Rationalismus in Spanien markiert und als “crítica enciclopédica” charakterisiert werden kann.103 Anders als dem französischen Frühaufklärer Pierre Bayle (Dictionnaire historique et critique, 1697) ging es Feijoo dabei weniger um eine vollständige Enzyklopädie des neuen Wissens als vielmehr um die kritische Auseinandersetzung mit konkreten Fragen und deren Vermittlung in Form kurzer philosophischer Texte – seine discursos gelten als Vorform des spanischen Essays – an ein breites Publikum. Wenn ihn die Forschung zuweilen als nicht-systematischen Denker bezeichnet hat (Abellán 1981: 505), so galt dies eben jener unkonventionellen Darstellungsweise von Themen und bedeutete keineswegs, dass seine Betrachtungen kein theoretisches Fundament besaßen. Im Gegenteil, wie kaum ein anderer Gelehrter seiner Zeit thematisierte Feijoo, Angehöriger des bedeutsamen Benediktinerordens und Lehrstuhlinhaber für Theologie, in seinem umfangreichen Opus das Verhältnis zwischen etablierten Glaubensgewissheiten und selbständig gewonnenem Erfahrungswissen. Als erster spanischer Aufklärer beschrieb er dabei nicht zwei hierarchisch geordnete, sondern vielmehr gleichwertige Wissensbereiche und wur103  Die Bezeichnung stammt von dem Arzt und Philosophen Gregorio Marañón (1887-1960), der die Feijoo-Rezeption im 20. Jahrhundert prägte.

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de zu einem der erfolgreichsten, aber auch meist diskutierten Autoren des Jahrhunderts. Die längste Zeit seines Lebens lebte Feijoo in klösterlicher Abgeschiedenheit und lehrte in Oviedo. Erst im Alter von 50 Jahren begann er mit der Publikation seiner Schriften, die vermutlich als Unterweisungen für seine Schüler in Galizien, León und Salamanca entstanden waren, anschließend jedoch systematisch ausgebaut und zu einem großen publizistischen Erfolg wurden, mehr noch, die höchsten Auflagen des gesamten Jahrhunderts in Spanien überhaupt erreichten. Feijoos Frauenapologie, Defensa de las mujeres, erschienen als letzter Diskurs im ersten Band (Discurso XVI, Bd. 1, 1726) seiner achtbändigen Wissenskritik Teatro crítico universal o Discursos varios, en todo género de materias, para desengaño de errores comunes (1726-40),104 erwies sich als Auftakt einer der bedeutendsten Geschlechterdebatten Spaniens, während es Feijoo wohl eher um die Einführung eines grundlegend neuen Wissenskonzeptes ging, das er hier am Beispiel der Frauenfrage gewissermaßen erprobte. Er kritisierte nicht nur die frauenfeindlichen Urteile aus theologischer, volkstümlicher und gelehrter Tradition, sondern votiert auf logisch-rationalistischer Grundlage für die Idee einer ‘geschlechtslosen’ Vernunft. War noch die gesamte vormoderne Auseinandersetzung mit Weiblichkeit als Wettstreit von misogyner und philogyner Rede organisiert, bemühte sich Feijoo – obgleich der Titel direkt auf das Genre der Frauenverteidigung verweist105 – gerade in dieser als heikel geltenden Frage auf wissenschaftlicher Grundlage zu argumentieren. Dies implizierte eine differenzierte Betrachtung seines Gegenstandes auf verschiedenen Ebenen, was ihm ermöglichte, die Eindimensionalität tradierter Sichtweisen auf Weiblichkeit zu korrigieren und die verschiedenen Modelle geschlechtlicher Hierar-

104  Das Werk besteht aus acht Bänden und einem Supplement, insges. umfasst es 118 Artikel. Der Begriff Theatrum meint im Sinne der frühneuzeitlichen Erkenntnismetapher die Idee einer Gesamtschau, die Feijoo hier mit seinem enzyklopädischen Sammelwerk intendiert. Zugleich ist die Institution des Theaters im Sinne von Öffentlichkeit enthalten: “Metafóricamente se llama el lugar dónde alguna cosa está expuesta a la estimación o censura universal” (Diccionario de Autoridades). 105  Die Tradition der Frauenapologie geht auf den Renaissance-Humanismus zurück und war dort teilweise bereits in der Volkssprache verfasst, z.B. Lucretia Marinellas Le Nobilità et Eccelenze delle Donne. Et i Diffetti e Mancamenti degli Huomini (1571/1600), ein Traktat, auf das sich Feijoo bezieht und welches selbst eine Erwiderung (refutatio) auf einen frauenfeindlichen Text des Jesuiten Guiseppe Passi darstellt (vgl. Zimmermann 1994).

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chisierung zu hinterfragen. Dies hat ihm den Ruf als Wegbereiter des feministischen Denkens in Spanien eingebracht (Blanco Corujo 1979; Hassauer 1997; Bolufer Peruga 1998 u.a.), denn nicht nur dessen Vordenkerinnen im 18. Jahrhundert (Josefa Amar y Borbón u.a.), auch die Vertreterinnen des 19. Jahrhunderts wie Emilia Pardo Bazán beriefen sich auf seine berühmte Schrift. Ein moderner Zug seiner Darstellung besteht nun darin, dass er seine Argumente nicht nur in der Volkssprache und in einem allgemein verständlichen Duktus vermittelt, sondern eine subjektive Redeinstanz einfügt, anhand derer er die parteiliche Sprecherperspektive als solche selbst offen legt. Weder Männer noch Frauen könnten in dieser Frage unparteilich sein, “Lo cierto es, que ni ellas, ni nosotros podemos en este pleito ser Jueces, porque somos partes [...]” (§ IX/59). Allein auf einer abstrakten, rechtlich-interesselosen Ebene wäre die Wahrheit anzusiedeln. Da sich diese Position nicht besetzen lässt, wechselt Feijoo in einen Metadiskurs und beschreibt die Perspektive, die er selbst nicht ausfüllen kann. Metaphorisch trennt er die Instanzen ‘juez’ und ‘abogado’, wobei er seine Verteidigung als Plädoyer eines Anwalts ausgibt, welches sich vom unabhängigen Urteil des Richters unterscheidet. Diese textuelle Inszenierung ist insofern neuartig, als Feijoo als Sprecher die Frauen nicht mehr aus einer autoritär enthobenen Perspektive verteidigt, sondern seine männliche Perspektive als eine partiale performiert. Zwar schreibt auch er nach traditionellem Muster als männlicher Autor über Frauen, ohne seinen Diskurs gesondert zu legitimieren. Doch spricht er sein Publikum explizit an und ermächtigt am Ende nicht sich selbst, sondern das mündige Publikum, unter Berücksichtigung von Parteilichkeiten ein Urteil zu fällen. Denn wahrhaft objektiv könne nur die abstrakte Instanz eines gänzlich interesselosen Richters sein, den es schlicht nicht gibt. Bevor dies am Text genauer gezeigt werden soll, seien vorab einige Vorbemerkungen eingefügt, um den Zusammenhang zu Feijoos Werk und Denken zu verdeutlichen. Feijoos Teatro crítico universal (TCU) gilt als erster spanischer Beitrag zur Enzyklopädik des Aufklärungszeitalters und wurde u.a. in Frankreich rezipiert. 1731 wurde in einer Rezension der beiden ersten Bände explizit und verkaufsfördernd die Defensa de las mujeres hervorgehoben, um die nach ihrem Erscheinen in Spanien bereits erbittert gestritten wurde. Die “gebildeten und tugendhaften Frauen” werden nun in der französischen Literaturzeitschrift Mercure de France (bis 1724 Mercure Galant) zur Verteidigung Feijoos aufgerufen:

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[...] les Femmes, et surtout les Femmes savantes et vertueuses, seront obligées, par reconnaissance, de prendre sa défense; car rien n’est plus recherché, plus obligeant, plus étendue dans le I. Volume, que la XVI. et dernière Dissertation, qui est toute employée à la défense du beau Sexe. Vous en jugerez si je puis un jour vous procurer la lecture. (Mercure de France, Band XX, Januar-Juni 1731, Reprint 1968: 290)106

Während der Mercure de France dem französischen Publikum hier unumwunden Feijoos Frauenverteidigung zur Lektüre empfahl, wurde die These weiblicher Verstandesfähigkeit in der spanischen Öffentlichkeit eher als Provokation gedeutet. Hier wurde Feijoos Argumentationsweise, aber auch sein Rekurs auf ein subjektives Sprechermodell kritisiert, bis hin zu persönlichen Angriffen und polemischer Verzerrung (vgl. Kapitel 5). In der vorliegenden Analyse wird es darum gehen, die performativen Elemente seines Textes stärker als bisher zu berücksichtigen und eine Differenzierung seiner aufklärerischen Position zu entwickeln, die auch auf einen theologischen, nicht nur den modernen rationalistischen Gleichheitsdiskurs zurückgreift. Feijoos Beitrag zur spanischen Geschlechterdebatte soll nicht nur als Etablierung einer modernen Theorie in Spanien untersucht werden – das hier vermittelte Gleichheitskonzept findet sich in zahlreichen aufklärerisch-reformerischen Diskursen wieder –, sondern gleichzeitig als entscheidende Erneuerung kommunikativer Strukturen. Wenngleich Feijoo als Vater des modernen Frauenbildes in die spanische Geschichte eingeht, so gilt seine Aufmerksamkeit vor allem den erkenntnistheoretischen Prozessen der Wissensbildung und Kanonisierung, deren kritische Überprüfung er demonstriert. Anhand der Falsifizierung frauenfeindlichen Denkens und Sprechens veranschaulicht er seine rationalistische Kritik an den überkommenen Mustern der Abwertung des Weiblichen. Die ‘Frauenfrage’, die vielfach als Gegenstand von Rhetorik und Religion gilt, wird bei ihm zum Objekt wissenschaftlicher Erkenntnis: nicht mehr eine Sache der Auslegung, sondern wert, wissenschaftlichmethodisch erschlossen zu werden. Zugleich verbindet Feijoo den Objektivitätsanspruch des gesamten TCU mit der Markierung eines subjektiven Sprecherstandpunkts und weist sich gerade damit als mo-

106  So beeinflusst Feijoo auch französische Autoren und Autorinnen wie beispielsweise Madame de Staël (Blanco Corujo 1979: 106).

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derner Autor aus. Der in die Theatermetapher gefasste auf universale Ganzheit gerichtete Wissensanspruch wird nunmehr in die Grenzen einer partialen Sichtweise gewiesen. Die Wahl der Verteidigungsrede, die schon in der Antike gebräuchlich war und, neben ihrem eigentlichen Gegenstand, spezifische Aussagen und Elemente der Selbstdarstellung vermittelte,107 ermöglicht Feijoo, einen Selbstbezug im Text herzustellen. Feijoos wissenschaftliche Betrachtung gerät zum Essay, in dem der Autor die Geschlechterfrage als persönlich involvierte Instanz diskutiert und sein Fazit für die Leser nachvollziehbar gestaltet. Die Wahl der Volkssprache eröffnete Feijoo zudem weitere Freiheiten in der Darstellung des kontroversen Themas, das sich geradezu anbot, die Funktionalität der neuen Denkmodelle im Sinne eines gesellschaftsbezogenen, praktischen Wissens zu demonstrieren. Dass dies Konsequenzen hatte, zeigte der langjährige öffentliche Streit, den Feijoos Frauenschrift auslöste. Vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte, der Blütezeit des spanischen Reformismus unter Karl III., bezogen sich Autoren und Autorinnen in konkreten politischen Kontexten wie dem Streit um den Status der Junta de Damas (1787) auf Feijoos paradigmenbildende Schrift. Dessen Gesamtwerk gab zeitlebens (und darüber hinaus) Anlass zur Diskussion, weil es sich in einzigartiger Weise mit Aberglauben und Vorurteilen auseinandersetzte und etablierte Gewissheiten auf den Prüfstand rationalistischer Argumentation stellte.108 Ob Feijoo nun primär ein “combative spirit” (Coughlin 1986: 74) zuzuschreiben ist oder ihm vielmehr eine konsequente Vulgarisierung und kritische Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Wissens am Herzen lag, die notwendigerweise auf öffentlichen Widerstand treffen musste, ist möglicherweise zweitrangig. Keineswegs verwunderlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass ihm auch immer wieder Plagiate unterstellt wurden. Namhafte Kritiker wie der valencianische Kleriker Mayans y Siscar entgegneten dem erfolgreichen Feijoo nicht allein argumentativ, sondern verunglimpften ihn als Epigonen und warfen ihm

107  Platons bekannte Apologie des Sokrates war beispielsweise weniger als Lob desselben als vielmehr im Sinne einer öffentlichen Selbstrechtfertigung zu verstehen (Wagner-Egelhaaf 22005: 106f.). 108  Er schließt u.a. an Francisco Gutiérrez de los Ríos, El hombre práctico o Discurso sobre su conocimiento y enseñanza (1680) an, eine Vorurteilskritik am Horizont der Aufklärung (Maravall 1983: 975ff.).

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die unerlaubte Übernahme von (zirkulierendem) aufklärerischen Gedankengut vor: “[...] entre tantos y tan varios discursos no hay siquiera un pensamiento, que, con verdad, pueda vendernos como suyo” (Carta de Mayans de Ericerira, 1738, zit. in Stiffoni 1986: 59). Über diesen anhaltenden Gelehrtenstreit um epistemologische Grundfragen hinaus hatte jedoch gerade Feijoos Text zur Geschlechterfrage eine öffentliche Signalwirkung. Er verschaffte ihm und seinem Erneuerungsprojekt über die gebildeten Kreise hinaus große Aufmerksamkeit und leistete durch die rationalistische Inszenierung eines allgemeingültigen Themas einen wichtigen Beitrag zur Etablierung einer kritischen Öffentlichkeit in Spanien. Selbst wenn Feijoo als Kleriker damit in erster Linie auf eine Klärung der Wissensgrundlagen von Geschlechterdifferenz abzielte und zugleich ihre Anbindung an christlich-humanistische Grundwerte anstrebte, erhielt sein Projekt im Laufe des Jahrhunderts eine ungeahnte gesellschaftliche Dimension. Zunächst wurde das Œuvre Feijoos in mehr als 60 Streitschriften kommunikativ wirksam. Im Anschluss konnte sich daraus reformerisches Potential entfalten – dies hatten seine Gegner sehr frühzeitig erkannt.

₄.₁. Para desengaÑo de errores comunes: Feijoos kritischer Rationalismus In seinem zweiten Hauptwerk, den Cartas eruditas, y curiosas (5 Bde., 1742-60), reflektiert Feijoo seine eigene Rolle als Erneuerer und – im Bild des geschmähten Heilers – die von ihm dafür erwartete Kritik: “Mi profesión es curar errores; y es cosa notable que la medicina que aplico a los entendimientos, exaspera las voluntades. ¿Qué injurias y dicterios no se han fulminado contra mí? ¡Cuántas necias y groseras invectivas he padecido!” (Cartas eruditas, y curiosas, Bd. I, Brief XXXVI). Feijoo sieht seine Person gestraft, stellvertretend für die ‘Schmerzen’, die seine ‘Medizin’ beim ‘Patienten’ verursacht. Er vermittelt damit ein durchaus selbstbewusstes Bild seines wissenschaftlichen Programms, das bei den spanischen novatores109 seinen Ausgang genommen hatte.

109  Die Bezeichnung war negativ konnotiert und wurde von Gegnern der neuen Theorien mit dem Ziel der Delegitimierung verwendet, “casi sinónima de soberbio y de hereje” (Abellán 1981: 344).

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Denn Feijoos Position zur Grundfrage, wie Wissen nicht nur tradiert, sondern vor allem methodisch zu gewinnen sei, bildete sich im Vorfeld des TCU in Auseinandersetzung mit Gelehrten heraus (Stiffoni 1986: 18-24), die ausgehend von Neuansätzen im englischen und französischen Denken eine physikalisch-experimentelle Wissensgrundlage gegen die Scholastik zu etablieren suchten. Bereits in seiner Streitschrift Apología del Scepticismo Médico (1725) nahm Feijoo die experimentelle Methode und den naturwissenschaftlichempirischen Wissensbegriff des Mediziners Martín Martínez gegen Kritik in Schutz (Alborg 1972: 151ff.) und griff erstmals öffentlich in den Streit ein. Dieser bezog sich auf die Grundlagen der Medizin, doch wies der Begriff medicina hier bereits voraus auf eine neue Erfahrungswissenschaft110 und ließ sich, Stiffoni (1986: 25f.) zufolge, durch das Konzept von ciencia ersetzen, das wenig später auch zur methodischen Grundlage für Feijoos eigene Schriften werden wird. Die novatores waren die Ersten, die in Spanien französische und englische Theoretiker rezipierten und daran anschließend eine naturwissenschaftlich-physikalische – nicht mehr metaphysische – Wissensgrundlage entwickelten. Auch Feijoo orientierte sich an diesem Gedankengut, berief sich auf Theorien Fontenelles (Histoire des oracles, 1687), Bayle, Gassendi sowie auf Bacons Empirismus111 und Newtons philosophischen Skeptizismus, verstanden als die von Interessen unabhängige Untersuchung spezifischer Themen auf der Basis eines naturwissenschaftlichen Erkenntnismodells.112 Ziel war es, jene Formen des Wissens zu hinterfragen, die einer empirischen Überprüfung nicht standhalten.113 Zugang zu diesem neuen Wissen verschaffte er sich über Lexika, Manuale und überregionale Periodi-

110 

Dabei werden aristotelische Dialektik, Philosophie und Physik durch Erfahrungswissen und die Kategorie der experienca ersetzt (Alborg 1972: 151ff.). 111  Bacons autoritätskritisches Wissensmodell wurde etwa mit dem Bienengleichnis umschrieben, demzufolge weder das unverständige ameisenhafte Zusammentragen von Kenntnissen sinnvoll sei noch ein abstrakt erfahrungsloses Weben von Spinnennetzen. Einzig die Verbindung von beidem, so wie Bienen ihr Material sammeln und verarbeiten, bewirke wahre Erkenntnis. 112  Im Artikel “Mapa intelectual y cotejo de naciones” (TCU, Discurso XV, Bd. 2, 1728) erläutert Feijoo die ideengeschichtliche Bedeutung u.a. dieser Autoren für sein Werk. 113  Vgl. hierzu Elizalde (1986: 499f., 503); Staubach (1939, zit. in Alborg 1972: 150, Fn. 43) und Krauss (1973: 195).

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ka, was seine Gegner zum Anlass nahmen, ihn gerade dafür öffentlich zu diskreditieren.114 Anders als die novatores schrieb Feijoo nicht auf Latein, sondern in spanischer Sprache und vermittelte seine rationalistische Argumentation in äußerst anschaulicher und verständlicher Sprache. So erläutert er im Prolog zum ersten Band des TCU den inneren Zusammenhalt seiner Discursos unter Rekurs auf Pierre Bayles Ansatz einer systematischen Kritik weit verbreiteter Vorurteile. Nicht die Anzahl an Meinungsvertretern sei für den Wahrheitswert ausschlaggebend, sondern das Vermögen des Einzelnen, diesen logisch zu reflektieren und empirisch, mittels eigener Anschauung zu prüfen: “[...] no hay conocimiento alguno en el hombre el cual no sea mediata o inmediatamente deducido de la experiencia” (TCU, Bd. VII/Discurso 13). Die grundlegende aufklärerische Idee einer erfahrungsgeleiteten – nicht metaphysischen – Wissensbildung war somit in Spanien angekommen und mit ihr der fundamental auf Wahrnehmung und geistige Verarbeitung ausgerichtete Gedanke, dass Erkenntnis immer nur mittel- oder unmittelbar durch Erfahrung zu erlangen sei (dazu Abellán 1981: 500). Der französische Frühaufklärer Pierre Bayle (1647-1706),115 Verfasser des in Spanien indizierten Dictionnaire historique et critique (1696), unternahm eine grundlegende Neubestimmung des Glaubens und der Religion auf der Basis der Kategorie der raison universelle. Feijoo hingegen, und dies weist ihn als einen eher gemäßigten Aufklärer aus, plädiert für die Kopräsenz verschiedener Wahrheitsmodelle, die sowohl in der Schöpfungsgeschichte als auch der Naturwissenschaft ihre Basis finden können. Der wissenschaftliche Rationalismus stellt für ihn

114 

Dies brachte ihm, dem äußerst produktiven und erfolgreichen Verfasser von Aufklärungsschriften, den Vorwurf seiner Gegner (z.B. Mañer und Soto Marne, die in der Debatte eine zentrale Rolle spielen) ein, er beziehe sein Wissen aus zweiter Hand, z.B. den Memoires de Trévoux, dem Journal des Savants oder aus Bayles Dictionnaire historique et critique (1697), und verfüge über keine profunde Quellenkenntnis (Abellán 1981: 506). Der Vorwurf, erhoben im Zeitalter einer umfassenden Popularisierung von Wissen, ohne Copyright und vor allem vor dem Hintergrund fehlenden Zugangs zu den Quellen verdeutlicht die Feindschaft, die sich Feijoos aufgrund seines Erfolgs beim Publikum zuzog. 115  In Bayles Biographie spiegeln sich die vormodernen Religionskonflikte zwischen Protestantismus und Katholizismus: geboren in einer hugenottischen Pastorenfamilie, konvertiert er zum Katholizismus, dann rekonvertiert er und muss fliehen, er geht nach Genf, später nach Rotterdam.

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eines von zwei möglichen mithin koexistierenden erkenntnistheoretischen Modellen dar, was die in der Forschung gemeinhin betonte Doppelstellung Feijoos als Erneuerer und Traditionalist untermauert. Eine weitere wichtige Facette dieser Beurteilung des Feijoo’schen Schaffens liegt in der Feststellung der Kontextgebundenheit von dessen Schriften (Tschilschke 2009: 250f.), denn für die spanische Ideengeschichte, insbesondere für die Spezifik der spanischen Aufklärung und die Ausformung eines modernen Identitäts- und Nationenkonzepts, war Feijoo bedeutsam. Im ersten Artikel seines TCU (“Voz del pueblo”) beschreibt Feijoo sein epistemologisches Programm, nach welchem er alles Wissen ablehnt, das aufgrund des überlieferten Volksglaubens und als “voz de Dios” Gültigkeit besitzen soll: “Aquella mal entendida máxima, de que Dios se explica en la voz del pueblo, autorizó la plebe para tiranizar el buen juicio” (Stiffoni 1986: 105). So entwirft Feijoo zwei Wissensbereiche, die er von der Autorität, die gewöhnlich der volkstümlichen Meinung (“la opinión popular”) zugeschrieben wird, abgrenzen möchte: “[...] dos puntos fijos hay en la esfera del entendimiento: la revelación y la demostración. Todo el resto está lleno de opiniones, que van volteando y sucediéndose unas a otras, según el capricho de inteligencias motrices inferiores” (Stiffoni 1986: 108). Bedeutsam für unseren Argumentationszusammenhang seiner Einführung eines egalitären Geschlechterdiskurses in Spanien ist das veränderte Verständnis von ‘vulgo’ im Sinne eines ständeübergreifenden Konzepts, das zugleich auf die im gesamten TCU vollzogene Konstruktion eines neuartigen Publikums jenseits der üblichen sozialen und geschlechtlichen Stratifikation verweist. Damit ist ein bürgerliches Lesepublikum im Sinne des ‘Strukturwandels von Öffentlichkeit’ zwar noch keineswegs sozial verwirklicht, gleichwohl jedoch, um es mit Habermas (1990: 97) zu formulieren, “als Idee institutionalisiert, damit als objektiver Anspruch gesetzt und insofern, wenn nicht wirklich, so doch wirksam gewesen”. Für Feijoo bezieht sich der Begriff ‘vulgo’ nicht mehr auf das Heer der unterprivilegierten Schriftunkundigen, sondern generalisierend auf all jene, die sich – egal ob in mündlicher oder schriftlicher (auch lateinischer) Form – an tradiertem Wissen, Autoritäten, Vorurteilen und Aberglaube orientieren. Er unterscheidet nicht mehr nach dem Modell der sozialen Inklusion – ‘vulgo’ für die unteren Schichten und ‘pueblo’ für die Gesamtheit der Stände –, sondern entwirft ge-

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gen die übergreifende Klasse aller Ungebildeten (im Sinne der Vernunftkategorie) eine auf rationaler Vernunft basierende Öffentlichkeit. Von seinen Kritikern wie Mañer und Armesto y Ossorio wird dies aufs Schärfste kritisiert.116 Sie verkennen, dass sich Feijoo gezielt mit breiten Schichten gegen Unvernunft und Irrationalität der traditionshörigen Oberschichten zu verbünden suchte. Feijoo zeigt die schwierigen Trennlinien zwischen den Bereichen der rationalen Erkenntnis, des Offenbarungswissens und des Volksglaubens auf und bemüht sich in seinen Werken um Begründung und Veranschaulichung durch zahlreiche Fallbeispiele aus Naturwissenschaft, Philosophie, Theologie und Künsten. Kein homogenes Denksystem, so Alborg (1972: 166), liege seinen Texten zugrunde, sondern eine bewusste epistemologische Abgrenzung verschiedener Wissensbereiche, in denen auch das Nichtrationale, als solches jedoch gekennzeichnet, Erwähnung findet. Diese differenzierende und vermittelnde Position erlaubt es Feijoo, das grundlegend physikalische Denken Descartes’ oder Gassendis aufzunehmen, ohne sich gänzlich vom metaphysischen Denken und der Kategorie des Offenbarungswissens abwenden zu müssen. Vielmehr äußert er Zweifel an der einseitigen Favorisierung naturwissenschaftlich-experimenteller Methoden und übt Kritik an der Idee des Gotteszweifels bei Descartes, was der in Spanien üblichen Skepsis gegenüber dem cartesianischen Denken entsprach (PérezRioja 1965: 157f.; ausführlich dazu Ceñal 1945). Feijoo gibt die Vorstellung göttlichen Wissens nicht auf, sondern trennt – hierin Bacon folgend – Fragen des menschlichen von denen des absoluten Wissens. In seinem Text Defensa de las mujeres setzt er sich mit dem vorhandenen Geschlechterwissen in genau dieser differenzierenden Form auseinander. Er beruft sich nicht generalisierend auf Autoren und Diskurse, sondern gliedert deren Argumentationsweisen, beleuchtet deren historische und kulturelle Kontexte, bevor er sie neu deutet. Auf den skizzierten erkenntnistheoretischen Grundlagen basierend richtet sich das in spanischer Sprache verfasste TCU an eine breite Leserschaft, die über eine gelehrte, distinguierte Öffentlichkeit hinausging. Feijoos enzyklopädisches Werk erschien in ungewöhnlich

116  Salvador José Mañer, Antiteatro crítico sobre el primer y segundo tomo del Teatro Crítico (1729) und Ignacio Armesto y Ossorio, Teatro anticrítico universal (1735).

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hoher Auflage und zahlreichen Übersetzungen.117 Feijoo wurde zu einem der meistgelesenen Autoren des Jahrhunderts und hatte durch die Verbreitung aufklärerischer Ideen (Abellán 1981: 507) zur Konstitution von Öffentlichkeit maßgeblich beigetragen. So beschreibt ihn Abellán (ebd.: 491): “por una parte, un continuador de la labor de los ‘novatores’ y, por otra parte, un divulgador genial de sus ideas y planteamientos”. Sein Werk gilt folglich als Meilenstein in der spanischen Ideengeschichte, und dies durchaus im Sinne von Vulgarisierung aufklärerischen Denkens. Feijoo in diesem Zusammenhang wie Alborg (1972: 154) als ersten (Wissenschafts-)Journalisten zu begreifen, erscheint mithin sinnvoll. Markiert doch die bis dato einmalige Verbreitung seiner Schriften einen kommunikativen Wandel, dessen Folgen nicht nur im Sinne einer Rekodierung der Geschlechter, sondern auch mit Blick auf Foren und Genres der öffentlichen Debatte im Weiteren beschrieben werden sollen.

₄.₂. Geschlechterparität und Rationalismus: Feijoos Plädoyer fÜr eine vorurteilslose Betrachtung der Frau Obgleich das Thema der Geschlechter aus heutiger Sicht ein exemplarisches Feld für die Auseinandersetzung mit Vorurteilen zu sein scheint, war es zu Beginn des 18. Jahrhunderts keineswegs üblich, Weiblichkeit aus einer dezidiert aufklärerischen und zudem wissenschaftlich-theoretischen Perspektive zu betrachten, wie es Feijoo in seinem Diskurs zur Verteidigung des weiblichen Geschlechts unternommen hatte. Vielmehr war es ein Novum, die Kategorie Geschlecht nicht im Sinne einer gegebenen metaphysischen Ordnung zu betrachten, sondern als Teilaspekt eines rational erschließbaren und zugleich geschichtlichen Wissens. Feijoo widmete sich diesem Thema nicht nur zur Untermauerung der Vollständigkeit seines Aufklärungsanspruchs “en todo género de materias”,118 auch wertet er die Ausei-

117  Allein im 18. Jahrhundert erlebte das Teatro crítico universal 100 Auflagen, dabei wurden zum Teil an die 3000 Exemplare gedruckt, was die enorme Verbreitung in der Öffentlichkeit belegt (Alborg 1972: 147). Diese Zahl wird untermauert von einer Erhebung Marañóns, der insgesamt 420 000 Bände zählt (Abellán 1981: 507). 118  Entsprechend dem Titel Teatro crítico universal, o Discursos varios en todo género de materias, para desengaño de errores comunes.

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nandersetzung mit Weiblichkeit auf und erhebt sie vom Gegenstand polemischer Debatten zu einem Gebiet rationalen Wissens (vgl. Hassauer 1997). Mehr noch, anstatt den Frauen die üblichen wesensmäßigen Eigenschaften zuzuschreiben und sie anhand von Körper und Geschlecht als Gattungswesen zu identifizieren,119 betont Feijoo die Veränderbarkeit der sozialen und theoretischen Bezüge, in denen die Geschlechterbeziehung im Verlauf der Geschichte thematisiert wurde, und konstatiert ihre stets relationale, im Einzelfall zwar beschreibbare, nie aber generalisierbare Ausformung. Dabei setzte sich der Benediktiner nicht nur mit der theologischen Argumentation auseinander, die ihm durch seine Kenntnis der scholastischen Lehre bestens vertraut war (Abellán 1981: 500), sondern diskutierte ebenso intensiv naturwissenschaftliche, theologische und historische Diskurse, die er als Fundamente der verbreiteten Frauenfeindlichkeit in Frage zu stellen gedachte. Seine Gesamtschau des Bestands an misogynen Topoi diente nicht nur dazu, deren jeweils konkrete Einbettung sichtbar zu machen, sondern auch ein größeres Publikum an diese Art der rationalen Reflexion des Geschlechterthemas heranzuführen. Die klerikalen Diskurse der Misogynie boten ihm den passenden Anlass, die scholastischen Grundprinzipien des Denkens, die bereits von den novatores kritisiert wurden, auf publikumswirksame Weise zu hinterfragen. Dies erreichte er nicht durch eine schlichte Entgegnung, sondern durch seine umfassende Auseinandersetzung mit den jeweils zugrunde liegenden theoretischen Annahmen. Obgleich Feijoo Elemente des typischen frühneuzeitlichen Streitdiskurses übernimmt, ist seine differenzierende und auf die Erkenntnisgrundlagen selbst gerichtete Argumentation mit dessen Für-und-Wider-Prinzip nicht mehr vereinbar. Die Forschung betont zwar die rhetorische Qualität seines Textes, mit dem er sich als ‘Anwalt der Frauen’ inszeniert und zugleich das Genre der Apologie aktualisiert, doch diese Elemente der

119  Auch in anderen Schriften erläutert er das Prinzip der Wahrnehmung und Zuschreibung von Eigenschaften. So bezieht er sich in seiner Darstellung des ästhetischen “El no sé qué” auf weibliche Verführungsmacht, die auf das sensualistische Prinzip der Wahrnehmung rückführbar sei und somit ein Problem des Blicks, nicht des Objekts selbst darstelle. Wie jemand ein weibliches Wesen wahrnimmt, verweise auf dessen Prägungen, “al genio, imaginación y conocimiento del que la percibe” (El no sé qué/§ VIII, zit. in Stiffoni 1986: 391, meine Hervorhebung).

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frühneuzeitlichen Querelles des femmes120 werden hier in einen neuen, einen wissenschaftlichen Diskurs eingebettet. Anders als beim Meinungsstreit differenziert Feijoo die Aussageebenen und trennt Meinungswissen von empirisch überprüfbaren Wahrheiten. So formuliert er als Ergebnis seiner Reflexion, dass sich über Inferiorität wie Superiorität des Weiblichen im Einzelnen gut streiten lässt, generelle und intersubjektive Aussagen hierzu jedoch unmöglich seien. Sein Fazit lautet, dass bis zum Beweis des Gegenteils von der Gleichrangigkeit der Geschlechter ausgegangen werden müsse. Wenngleich Feijoo keineswegs konkrete Reformen im Sinn hatte, die über eine Erneuerung der theoretischen Grundlagen hinausgingen, schuf er mit seinem Text zur Geschlechterfrage eine Legitimation für spätere Vorhaben, die sich unter Karl III. und Karl IV. abzeichnen werden. Die von Feijoo in Spanien eingeführte Idee weiblicher Verstandesfähigkeit eröffnete die Möglichkeit weiblicher Partizipation und zwar auch in Bezug auf die sich konstituierende Sphäre ständeübergreifender Öffentlichkeit. Feijoos Gleichheitsmodell zeigte damit auf einer kommunikativen Ebene Wirkung, wie auch die Debatten im Anschluss an die Veröffentlichung zeigen werden (vgl. Kapitel 5). Neben der ideengeschichtlichen Bedeutung dieses Textes liegt Feijoos Hauptverdienst, so die im Folgenden vertretene These, vor allem in seinem Ansatz der Vulgarisierung des Gleichheitsmodells und in dem Konstrukt eines allgemeinen, weder ständisch noch geschlechtlich differenzierten Publikums. Wenngleich nur einige wenige Frauen zum Lesepublikum seiner Texte gehört haben dürften, ist seine Argumentation an einen geschlechterübergreifenden Adressatenkreis gerichtet und integriert Frauen in die Öffentlichkeit einer zumindest vorgestellten República de las Letras. Wenn Feijoo seinen – zumindest idealiter vorhandenen – Lesern und Leserinnen den Unterschied zwischen rationalen und irrationalen Argumenten verdeutlicht, den er selbst in seinem Text anhand der ‘Frauenfrage’ performiert, so konstruiert er eine nationale Öffentlichkeit. Er überführt somit die Problematik der Geschlechter nicht nur auf eine wissenschaftliche Grundlage und etabliert die Idee der Geschlechterparität im spanischen Kontext, sondern sorgt für eine weitreichende Verbreitung dieses Gedankens, der dann zu einem späteren Zeitpunkt sozial wirksam werden wird. 120  Zur Rhetorizität der Querelle des femmes Bock (2005: 20). Zur französischen Querelle-Texttradition vgl. Ferrari Schiefer (1998).

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Feijoo knüpft hierbei an den sog. cartesianischen Feminismus und dessen französischen Vertreter, François Poulain de la Barre, an. Dessen Schrift De l’égalité des deux sexes (1673)121 beinhaltete die Übertragung der cartesianischen Idee einer allgemein menschlichen Vernunftbegabung122 auf beide Geschlechter und argumentierte anhand des cartesianischen Körper-Geist-Dualismus gegen den Nexus einer vermeintlich minderen weiblichen Physis mit weiblicher Verstandesfähigkeit.123 Wie seinem spanischen Nachfolger war es Poulain um die erkenntnistheoretische Dimension gegangen,124 aber auch um eine umfassende Verbreitung der ‘Aufklärung der Geschlechter’. Denn die Problematik tangierte, wie er schrieb, jeden.125 Für Poulain war die “belle question” eine der bedeutendsten Fragen menschlicher Weisheit und mit diversen Wissensbereichen verknüpft, so dass auch sie eingehend und in schriftlicher Form zu behandeln sei, wie er in seiner Préface (Poulain de la Barre [1673] 1984: 3) darlegt: [...] la belle question, n’y en ayant peut-être pas de plus importante, de plus étendue ni de plus curieuse dans toute la sagesse humaine. Elle regarde tous les jugements et toute la conduite des hommes à l’égard des femmes, des femmes à l’égard des hommes, des femmes entre elles. On ne

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Feijoo kannte den Autor durch Bayles Dictionnaire historique et critique, wo jener zusammen mit Marie de Gournay als Vertreter des Gleichheitsdiskurses in einer Fußnote zu einem Artikel über Lucrezia Marinelli erscheint. Erst nach Plagiatsvorwürfen seiner Gegner Mañer und Soto Marne (vgl. Blanco Corujo 1979) erwähnte Feijoo die Schrift Poulains, die unter dem Pseudonym Monsieur Frelin veröffentlicht worden war, in einer späteren Ausgabe des TCU (1778). 122  In seiner berühmten Formulierung “Le bon sens est la chose du monde la mieux partagée”, die den ersten Teil des Discours de la méthode (1637) eröffnet, ging es Descartes bekanntlich nicht um den Geschlechteraspekt, sondern die Aufhebung soziopolitisch wirksamer “feudaler Hierarchien”, die eine ungleiche Verteilung menschlicher Fähigkeiten implizierte (Steinbrügge [1987] 21992: 20). 123  “[...] il y a des raisons Physiques qui prouvent invinciblement que les deux Sexes sont égaux pour le corps et pour l’esprit.” (Poulain de la Barre [1673] 1984: 17, meine Hervorhebung). Dass im Zuge dieser These die Abspaltung des Körperlichen umgekehrt zur Bedingung der geistigen Tätigkeit von Frauen wurde, ist seit dem 17. Jahrhundert kritisiert worden, z.B. durch die englische Gelehrte Margaret Cavendish. 124  Er schreibt: “le Caractère essentiel de la verité, c’est la clarté et l’évidence” (Poulain de la Barre [1673] 1984: 12). 125  “Dans le dessein d’insinuer une Maxime si importante, l’on a cru que le meilleur était de choisir un sujet déterminé et éclatant, où chacun pris intérêt [...]” (ebd.: 9, meine Hervorhebung).

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la peut bien traiter sans qu’il y a de plus solide dans les sciences, et elle sert à décider de quantité d’autres questions curieuses, principalement dans la Morale, la Jurisprudence, la Théologie et la Politique, dont on ne peut parler librement dans un livre.

Poulain de la Barre war hier – noch ehe er zum Thema selbst kam – dem Vorwurf entgegengetreten, man könne nicht in (schrift-)gelehrter Form über Weiblichkeit reflektieren, indem er den umfassenden Einfluss der Geschlechterfrage auf andere Buchwissenschaften erwähnte und somit das Problem aus dem Bereich der Konversation in den des akademischen Disputs erhebt. Für Poulain de la Barre wie Feijoo stellte sich gleichermaßen die Frage nach einer methodisch zu gewinnenden Wahrheit, welche die parteiliche Geschlechterkritik ablösen sollte. So schreibt Poulain im Vorwort: “Enfin si quelqu’un se choque de ce Discours pour quelque cause que ce soit, qu’il s’en prenne à la vérité et non à l’Auteur” (Poulain de la Barre [1673] 1984: 12). Bei Feijoo heißt es in ähnlicher Weise: [...] es utilidad bastante conocer la verdad, y desviar el error. El recto conocimiento de las cosas por sí mismo es estimable, aun sin respecto a otro fin alguno criado. Las verdades tienen su valor intrínseco; y el caudal, o riqueza del entendimiento, no consta de otras monedas. Unas son más preciosas que otras, pero ninguna inútil. (§ XXIV)

Es war Poulains Idee der geistigen Ebenbürtigkeit der Geschlechter, “l’esprit n’a point de sexe”, die sich Feijoo hier zu eigen machte, wobei er den Gleichheitsdiskurs mit einem theologisch-humanistischen Denken verknüpft, wie ich später erläutern werde.

₄.₃. Vom Meinungsstreit zur Reflexion der Sprecherposition Ausgehend von den rationalistisch-empirischen Kategorien razón und experiencia überprüfte Feijoo fünfzig Jahre später als Poulain de la Barre die traditionellen Legitimationsmuster weiblicher Inferiorität, angefangen bei der alttestamentarischen Genesis und ihren verschiedenen Ausdeutungen bis hin zu den Wissenschaften und der Literatur. Seine Betrachtungen sind dabei übersichtlich in eigens nummerierte Paragraphen und kurze, prägnante Unterpunkte gegliedert. In

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systematischer Abfolge werden in der Hauptsache drei kategoriale Bezugspunkte des Weiblichen diskutiert. Feijoo beginnt mit dem klassischen Diskurs über weibliche Unmoral, dem er allerdings nur einen einzigen Paragraphen widmet (TCU 1/16; § I), gefolgt von einer breiter angelegten Diskussion über die Theorien des weiblichen Körpers (§ II-VIII). Der Schwerpunkt seines Essays, im umfang von zwei Dritteln des gesamten Textes, widmet sich jedoch der Frage weiblicher Intellektfähigkeit (§ IX-XXIV), die ins Zentrum der Feijoo’schen Auseinandersetzung rückt.126 Das argumentative Grundmuster besteht darin, negative Behauptungen über Weiblichkeit an ihren Kontext rückzubinden und dabei Wissensgrundlagen einerseits und subjektive Meinungsäußerung andererseits voneinander abzugrenzen. Das Ganze zielt darauf ab, die Einseitigkeit frauenfeindlicher Aussagen ins Bewusstsein zu rufen ebenso wie die Tatsache, dass sich damit nicht die Inferiorität selbst beweisen lasse, sondern allenfalls die Interessen des jeweiligen Sprechersubjekts. Dass dies auf Feijoo als männlichen Autor selbst ebenfalls zutrifft, veranschaulicht der Text durch Beschreibung der parteilichen Sprecherposition. Ziel Feijoos ist es nicht, unter Beibehaltung traditioneller Differenzdiskurse eine Verteidigungsschrift der Frauen zu verfassen, sondern vielmehr die diskursiven Grundlagen der Meinungsbildung, auch die seines eigenen Urteils, sichtbar zu machen. Er verteidigt das weibliche Geschlecht folglich nicht gegen die historischen Urteile durch Etablierung neuer, gegenteiliger Aussagen, sondern entlarvt die misogynen Urteile anhand ihrer ‘falschen’ Wissensgrundlage. Erst diese Formalisierung und Abstraktion verschaffen dem Leser die Einsicht, dass verschiedene Urteile koexistieren und die Konzepte von Weiblichkeit stets an bestimmte Wissenszusammenhänge gebunden sind. Feijoo demonstriert diese Einsicht, indem er sein Fazit als doppeltes formuliert. In der parteilichen Rolle des männlichen Subjekts plädiert er im Sinne des Apologeten für weibliche Superiorität.127 Als Wissenschaftler hingegen erkennt er die Fehlbarkeit eines solchen Urteils. Da es keinen überprüfbaren, methodisch zu führenden Beweis für die These 126 

Zitiert nach der Madrider Ausgabe von 1778, die im Internet zugänglich ist unter: www.filosofia.org/bjf/bjft1p2.htm (konsultiert am 30. September 2013). 127  Feijoo untermauert dies durch eine gezielte Verwendung der ersten Person und knüpft damit direkt an Montaigne und die Tradition des Essays an.

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hierarchischer Geschlechterbeziehungen gibt, muss die Entscheidung offen bleiben. Bis zum Beweis des Gegenteils kann somit nur die Idee der universalen Gleichheit gelten. Im Rahmen seiner Reflexion auf die partikulare Perspektive von Subjekten, die zugleich eine erkenntnistheoretische Beschränkung darstellt, gelangt Feijoo zu einem unparteilichen Schluss: “Pero como yo no hago oficio de Juez, sino de Abogado, se quedará el pleito por ahora indeciso” (ebd. V/32). Der Streit selbst muss unentschieden bleiben. Was Feijoo dadurch vermittelt, ist die Einsicht, dass sich Meinungsvielfalt und Wahrheit unterscheiden und folglich zu trennen sind. Obgleich das Geschlechterthema von allgemeiner Relevanz ist, wurde es in der von Männern dominierten Schrifttradition fast ausschließlich auch von diesen behandelt: “Al caso: hombres fueron los que escribieron esos libros, en que se condena por muy inferior el entendimiento de las mujeres. Si mujeres los hubieran escrito, nosotros quedaríamos debajo” (§ IX, 59). Hätten sich Frauen dazu geäußert, so Feijoo über die Logik subjektiver Urteile, wäre das Urteil anders ausgefallen. An dieser Stelle findet sich ein Hinweis auf die Adressaten der Feijoo’schen Vorurteilskritik, die an all jene, vornehmlich Männer, gerichtet ist, die voreingenommen über das weibliche Geschlecht urteilen. Feijoo knüpft auch hier an Poulain de la Barre an, der seine Gegner in der Préface allerdings weitaus offensiver benannte und kritisierte: “deux sortes d’Adversaires, le Vulgaire, et presque tous les Savants” (Poulain de la Barre [1673] 1984: 10).128 Feijoo erwähnt hingegen nurmehr metonymisch jene “infinitos libros” (§ I, 3), in denen der weibliche Intellekt in Frage gestellt werde. Dass diese Schriften misogyn seien, weil sie parteilich sind, verweise vor allem auf ihre männlichen Urheber, so Feijoo, beinahe entschuldigend. Damit sei nicht die Unterlegenheit von Frauen bewiesen, sondern vielmehr werde daran ihr Ausschluss aus der (misogynen) Schriftkultur sichtbar. Während Poulain de Barre die Misogynie in aristotelischer Tradition offen als “sottise” geißelt ([1673] 1984: 107), übt Feijoo in weitaus gemäßigter Form Kritik an den scholastischen Autoritäten, die er strategisch – hier wiederum an Poulain de la Barre anschließend – als Form der Unterweisung des unwissenden Volks ausgibt. Wenn er in der Defensa de las 128  Im ersten Teil ebenso direkt: “Presque tout ce qu’il y a eu de gens qui ont passé pour savants et qui ont parlé des femmes, n’ont rien dit à leur avantage [...]” (Poulain de la Barre [1673] 1984: 19).

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mujeres die traditionsbildende Interpretation der ersten drei GenesisKapitel hinterfragt, greift er das Prinzip göttlichen Wirkens hinter den Dingen keineswegs an, sondern nimmt Glaubensfragen von wissenschaftlicher Erkenntnis aus. Für den spanischen Frühaufklärer ist somit die Vernunft eine mit der göttlichen Ordnung in Einklang stehende Kategorie (Defensa § VI/40). Feijoo belässt es jedoch nicht bei der Grundthese des parteilichen, subjektiven Urteilens, sondern untermauert diese mit einem Gleichnis, das er Vincenzo Carduccios Dialogen über die Malerei (1633) entnahm.129 Dieses zeige auf, dass Bilder nicht auf Tatsachen verweisen, sondern vielmehr die Ansichten ihrer Schöpfer illustrierten. So zeige sich der Mensch der Kreatur überlegen und schaffe ein Bildnis von sich, das die Überlegenheit über den Löwen ausdrückt. Carduccio ließ in seinem fiktiven Dialog Mensch und Löwe über den Vorrang der jeweiligen Spezies disputieren. Doch die heroische Marmorskulptur eines Mannes mit erbeutetem Löwen sei in ihrer Aussage höchst trügerisch: “esta estatua otro hombre la hizo, y así no es mucho que la formase como le estaba bien a su especie. Yo te prometo, que si un león la hubiera hecho, el hubiera vuelto la tortilla, y plantado el león sobre el hombre, haciendo gigote de él para su plato” (§ IX, 58). Für seine Leser überträgt Feijoo die daraus abzuleitende Schlussfolgerung: das weibliche Geschlecht würde, wenn es ihm denn möglich wäre, analog zur Rolle des Löwen die eigene Stärke hervorheben, so wie es Frauen wie Lucretia Marinella, die “docta Veneciana” getan hatten (ebd.).130 Im Zuge dieser Art von Exemplifizierung lenkt Feijoo die Aufmerksamkeit durchaus auf persönliche Sichtweisen, er grenzt diese aber von rationalen Wissensformen ab. Wenn die Logik des subjektiven Urteils stets eigene Interessen zur Anschauung bringt, dann folge hieraus: “[...] defender a todas las mujeres, viene a ser lo mismo que 129  Der italienische Maler Carduccio war lange am spanischen Hof beschäftigt und verfasste die Abhandlung De las Excelencias de la Pintura o Diálogos de la pintura, su defensa, origen, esencia, definición, modos, y diferencias als Gespräch zwischen einem Maler und seinem Schüler. 130  Marinella, eine venezianische Gelehrte, kann in diesem Zusammenhang neben Marie de Gournay als eine der bemerkenswertesten Vorläuferinnen für die logisch argumentative Frauenverteidigung gelten. Feijoo hatte offenbar auch von ihrem Traktat Kenntnis. Anders sie, die ihre Argumentation in Le Nobilità et Eccelenze delle Donne. Et i Diffetti e Mancamenti degli Huomini (1571/1600) in weibliche Vorzüge und männliche Mängel einteilt, vermeidet Feijoo eine Generalisierung.

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ofender a casi todos los hombres: pues raro hay que no se interese en la precedencia de su sexo con desestimación del otro” (§ I/1). Subjektivität ist folglich von Wahrheit und Wissen zu trennen. Die Inszenierung dieserart “doppelte Buchführung” ist das Originelle an Feijoos Argumentation, die nicht nur die eigene, von Gender affizierte Sichtweise kenntlich macht, sondern zugleich zwei Aussagesysteme, opinión und verdad, voneinander unterscheidet (Blanco Corujo 1979: 42). Anstatt neue Thesen über die Beschaffenheit des weiblichen Geschlechts aufzustellen, besteht Feijoos Verdienst darin, vorhandenes Geschlechterwissen historisiert und rationales von subjektivem Wissen getrennt zu haben. Vor den Augen des fiktiven Lesers, gewissermaßen für und mit diesem, entfaltet er einen Prozess der Abwägung von Aussagen und schafft ein mündiges Publikum. Schlussendlich – und dies belegt Feijoos Konsequenz in der Sache – zeigt er, dass niemand eine unparteiliche Position einzunehmen vermag, auch er selbst nicht, und daher der Leser sein Urteil nach bestmöglichem Wissen selbständig fällen muss. Feijoos publikumsbezogene Strategie kreiert damit eine meinungsbildende Öffentlichkeit und ist Ausdruck jener “valoración del público y la de la opinión [que] caminaron paralelas en el siglo” (Álvarez Barrientos 2005: 141).

₄.₄. Moral, KÖrper, Geist: tradiertes Wissen um Weiblichkeit auf dem PrÜfstand Feijoos Defensa de las mujeres nahm auf den klassischen Kanon misogyner Positionen in verschiedenen Genres und Disziplinen Bezug. Systematisch getrennt nach den Themen Moral, Körper und Geist erläutert der Autor darin konkrete Aussagen aus Scholastik, Naturwissenschaft, Philosophie und Literatur und überprüft deren Wahrheitsgehalt, indem er sie in den ursprünglichen Diskurskontext einbettet und ihre Gültigkeit empirisch überprüft – mit Hilfe von Erfahrungswissen, Analogiebildung und formaler Logik. Im Rahmen einer knappen thematischen Einführung erläutert Feijoo zunächst den Bezugspunkt seiner kritischen Argumentation und skizziert die weite Verbreitung von verbaler Frauenfeindlichkeit. Sein eigener Anspruch, die Frauen dagegen zu verteidigen, laufe darauf hinaus, das männliche Geschlecht gegen sich aufzubringen. So resümiert Feijoo die geltende polarisierende Logik der Geschlechter, deren binä-

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res Schema er ablehnt. Vielmehr nimmt er in seinem Text nur deshalb die Rolle des Apologeten ein, um das Prinzip der Parteinahme für seine Leser sichtbar zu machen und diese vor der Übernahme simpler Urteile und unhinterfragten Wissens zu warnen. Im Kontext des Teatro crítico universal war die Kritik des Wissens das primäre Ziel des Essays. Feijoo griff hier zugleich auf ein öffentliches Reizthema zurück und initiierte die öffentliche Geschlechterdebatte. Dass er seinerseits die Beispiele für Frauenfeindlichkeit sehr ausführlich darstellt und das Problem eurozentristisch mit einem Verweis auf den Islam einleitet – Mohammed habe als ‘falscher Prophet’ die Frauen aus dem Paradies ausgeschlossen (§ I/2) – kann als Strategie der Aufmerksamkeitslenkung verstanden werden. Doch bedient er seinerseits ein kulturelles Vorurteil, indem er den Islam abwertet.131 Er zitiert zahlreiche Beispiele aus dem Islam, der Antike (Ovid, Euripides) sowie Italien (Boccaccio), ehe er zur Darstellung der Misogynie in spanischer Tradition kommt (§ I/7). Nicht die historische Cava Florinda habe Spanien ins Verderben gestürzt, so Feijoo in Umkehrung des nationalen Geschichtsmythos. sondern ihr Vater: Don Julián, Gouverneur von Ceuta, trage die Schuld daran, weil er seine schöne Tochter an König Roderich sendet und diese von ihm vergewaltigt wird. Dass anschließend Muslime ins westgotische Spanien einfielen, um diese Form der Unmoral zu rächen, habe seine Ursache folglich in männlicher Verfehlung und unter Bezug auf das traditionelle Konzept der männlichen Ehre, konstatiert Feijoo: “así entre los hombres queda todo el delito” (§ I/8). Der Mythos sei mithin Beleg nicht für weibliche Schlechtigkeit, sondern illustriere die parteiliche männliche Sicht der Geschichtsschreibung. Eine Einsicht, die Feijoo in seinem eigenen Text nicht nur beschreibt, sondern anhand der Markierung seiner eigenen subjektiv-apologetischen Perspektive auch performiert. Eine weitere Argumentationsstrategie bei Feijoo besteht in der Überprüfung, Einschränkung und Ablehnung des Geltungsanspruchs frauenfeindlicher Behauptungen, etwa mit Blick auf die Ermahnungen in der Heiligen Schrift: “Las declamaciones que contra las mujeres se leen en algunos Escritores sagrados, se deben entender dirigidas a las perversas, que no es dudable las hay” (§ I/5). Dass es bei der Beurteilung weiblicher Qualitäten nicht auf allgemeine Charakteristika, 131  Feijoo relativierte diese Aussage freilich im Anhang (Adiciones a este tratado), der der hier zitierten Ausgabe von 1778 zugefügt ist.

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sondern vielmehr die Intensität ihrer Ausprägung ankommt, veranschaulicht Feijoo an einer (wenig schmeichelhaften) Analogiebildung: er vergleicht Frauen mit Früchten, die nicht der Verzehr an sich, sondern der übermäßige Verzehr ungenießbar machten, “Y aun cuando mirarán en común al sexo, nada se prueba de ahí, porque declaman los Médicos de las almas contra las mujeres, como los Médicos de los cuerpos contra las frutas, que siendo en sí buenas, útiles, y hermosas, el abuso las hace nocivas” (ebd.). Am Schluss der Exposition erscheint die biblische Eva, deren ‘Schuld’ Feijoo anhand eines formalen Arguments mildert: denn wenn der Engel als ihr Verführer ein überlegenes Wesen darstellt, mindere das ihre Fehlbarkeit im Vergleich zu der Adams, der nur von einer Frau verführt wurde. Da der Sündenfall Erwägungen auf verschiedenen Ebenen ermögliche und sich die Kirchenväter darüber nicht einig seien, müsse ein abschließendes Urteil offen bleiben:132 “No está hasta ahora decidido quién pecó más gravemente” (§ I/9). Der Frage weiblicher Unmoral, die in den christlichen Basisdiskursen großen Raum einnimmt und die historischen Geschlechterdebatten dominiert, widmet Feijoo vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit. Sein Interesse gilt nicht den ‘spekulativen’ und metaphysischen Fragen, sondern empirischen Gegenständen wie der Frage des Zusammenhangs körperlicher und geistiger Fähigkeiten. Seine Kritik an den verschiedenen Thesen zum imperfekten weiblichen Körper fällt somit umfangreicher aus und er widerspricht der überlieferten anthropologischen Argumentation, der weibliche Körper entstehe aus einer Fehlsteuerung der Natur: “que designio de la naturaleza en la obra de la generación siempre pretende varón, y solo por error o defecto, ya de la materia, ya de la facultad, produce hembra” (§ II/10). Die noch im 18. Jahrhundert verbreitete Vorstellung, die Frau sei nicht nur symbolisch, sondern auch genetisch eine unvollständige Version des Mannes, entkräftet Feijoo durch die unterhaltsame Anrufung des gesunden Menschenverstands: “¡Oh, admirables Físicos! Se deduciría de aquí que la naturaleza intenta su propia ruina, pues no puede conservarse la especie sin la concurrencia de ambos sexos” (§ II/10). Wäre die Frau nur ein Irrtum der Natur, gerieten göttlich bestimmte Fortpflanzung und sogar der Fortbestand der Menschheit und der Natur in Gefahr. 132  Feijoo vermeidet die Bezeichnung pecado original und geht auf die aus der Theologie der Sünde gewonnene Anthropologie nicht gesondert ein.

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Auch die Entstehung weiblicher Wesen als Folge von “debilidad de la virtud, o defecto de materia” sei unlogisch, denn auch tugendhafte, wohlgebaute und starke Väter zeugten Töchter. Feijoo führt hier die Logik der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung gegen verbreitete männliche Zeugungsmythen ins Feld: verbliebe der Mensch im Stadium der Unschuld und müsse ohne die irrtümlich entstandene Weiblichkeit auskommen, gäbe es keinerlei Fortpflanzung. Deren Gottgegebenheit hingegen belege, dass der Gedanke der Frau als Irrtum der Natur nicht stimmen kann. Gleichwohl blieb Feijoos Kritik an Aristoteles, der als Gewährsmann der scholastischen Tradition galt, im weiteren Diskurs moderat.133 So arbeitete er sich lieber an dessen Anhängern ab und erläuterte die aristotelische Misogynie als Problem der Überlieferung: “no en una sola parte de sus obras da a entender que la hembra es animal defectuoso, y su generación accidental, y fuera del intento de la naturaleza” (TCU § II/13). Aristoteles selbst sei vielmehr ein Freund der Frauen gewesen (TCU § II/15). Als Vertreter des mittelalterlichen Aristotelismus führt er den Pariser Arzt Almerico an,134 “ciego secuaz de Aristóteles” und macht ihn für die falsche aristotelische Zuschreibung des Diktums verantwortlich, es gäbe keine Frauen im Stadium der Unschuld. Feijoos kritisierte damit geschickt einen anthropologischen Irrtum, der sich auf die Theologie auswirkt (“Así se sigue muchas veces una Teología herética a una errada Física”, § II/13), führt diesen aber auf einen neuzeitlichen Aristoteliker, nicht den Philosophen selbst zurück. Als Beispiel für die Korrekturen der aristotelischen Lehre durch die christliche Theologie führt er Augustinus an, der die Wandlung von Frauen in Männer im Akt der Auferstehung zu Recht bezweifelte. Anschließend wird der Gedanke publikumswirksam ins Bild gesetzt: diese Idee einer Geschlechtertransformation erinnere an die Alchimisten, die an Metall als Vorprodukt des Goldes glaubten: “Pero en nuestro asunto todo es falso: que la naturaleza intenta siempre varón, que su operación bastardea en la mujer; mucho más, que este yerro se ha de enmendar en la Resurrección Universal” (§ II/17).

133 

Zu Verdienst und Wirkung der Aristotelischen Schriften äußerte er sich gesondert in “Mérito y fortuna de Aristóteles y de sus escritos” (TCS, Diskurs VII, Bd. IV). 134  Feijoos Kritik richtet sich gegen den zeitgenössischen dogmatischen Aristotelismus, jedoch artikuliert er sie indirekt am Beispiel eines mittelalterlichen Vertreters der Schule.

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Obgleich Feijoo in seinem Text nicht die Frauen, sondern das Postulat der Gleichheit verteidigt, “mi empeño no es persuadir la ventaja, sino la igualdad”, § III/18), lehnte er die Existenz geschlechtsspezifischer Eigenschaften, bekannt aus der Tradition der Querelle des femmes, keineswegs ab. Doch er widerspricht ihrer Essenzialisierung: [...] tres prendas, en que hacen notoria ventaja a las mujeres, parece se debe la preferencia a los hombres, robustez, constancia, y prudencia. Pero aun concedidas por las mujeres estas ventajas, pueden pretender el empate, señalando otras tres prendas, en que exceden ellas: hermosura, docilidad, y sencillez. (§ III/19, meine Hervorhebung)

Die Existenz geschlechtsspezifischer Verhaltensmuster – robustez, constancia, prudencia für den Mann, hermosura, docilidad, sencillez für die Frau – beschreibt er als relational. In sich sind sie weder gut noch schlecht (§ III/22).135 Subjektive Rangfolgen in der Bewertung sind daher zwar möglich, etwa wenn männliche robustez unter dem Aspekt der Nützlichkeit aufgewertet und über weibliche hermosura gestellt wird (§ III/22). Gleichwohl erlauben sie keine generellen Aussagen. Vielmehr sind menschliche Eigenschaften nie ausschließlich an das eine oder andere Geschlecht gebunden. So sei die viel zitierte weibliche Scham keineswegs auf Frauen zu reduzieren: “que es buena señal en las mujeres, aun lo es mejor en los hombres [...] porque denota, sobre índole generosa, ingenio agudo” (§ V/33). Auch weibliche Geschwätzigkeit als eines der bekanntesten Laster (§ VIII) weist Feijoo mit drastischem Gegenbeispiel zurück: eine höfische Dame habe sich unter Folter die Zunge abgebissen, nur um ihr Wissen nicht preisgeben zu müssen (§ VIII/52). Der Leser wird geradezu mit affektiv aufgeladenen und somit einprägsamen Beispielen konfrontiert, welche die Idee körperlich bedingter Wesenhaftigkeit konterkarieren. Nicht nur die Gleichheit der natürlichen Dispositionen (§ VIII/56) ist es, die Feijoo am Schluss seiner Überlegungen zum weiblichen Körper konstatiert. Er negiert zudem einen Zusammenhang zwischen Moral und Physis.

135 

Tradierte Tugend- und Lasterkataloge enthielten zwar Eigenschaften, doch keinerlei Aussage über deren kulturelle Bewertung. Die Schönheit als weibliches Attribut, so Feijoo, sei nicht grundsätzlich negativ, denn in Ländern mit weniger schönen Frauen gäbe es nicht weniger Unordnung und Sündhaftigkeit.

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Rationalistisches Kernstück des Feijoo’schen Textes ist somit nicht die traditionell moralisierende Perspektive auf Geschlecht, sondern die Frage allgemein menschlicher Vernunft: Llegamos ya al batidero mayor, que es la cuestión del entendimiento, en la cual yo confieso, que si no me vale la razón, no tengo mucho recurso a la autoridad; porque los Autores que tocan esta materia (salvo uno, u otro muy raro), están tan a favor de la opinión del vulgo, que casi uniformes hablan del entendimiento de las mujeres con desprecio. (§ IX/57)

Dieses Vorurteil entkräftet Feijoo anhand eines Gegenbeispiels, in welchem sich auch das zeitgenössische Verständnis fremder Kulturen, deren Konstruktion als Alterität manifestiert: “Entre los Drusos, Pueblos de Palestina, son las mujeres las únicas depositarias de las letras“ (§ IX/63). Die ferne Existenz intellektuell führender Frauen ist Feijoo nicht Beleg für eine Übertragbarkeit auf das zeitgenössische Spanien, sondern für die besagte egalitäre Disposition geistiger Anlagen bei Mann und Frau (§ IX/62). Jegliche Art der organischen Begründung unterschiedlicher geistiger Fähigkeiten – ob auf Geschlechterdifferenz bezogen oder nicht – weist Feijoo ausdrücklich zurück. Alle diesbezüglichen Argumentationen hätten sich im Lauf der Geschichte als falsifizierbar erwiesen – ob großer oder kleiner Kopfumfang, feste oder weiche Materie des Gehirns bis hin zu klimatischen Bedingungen (§ XII/80-85), Feijoo führt sie ad absurdum. Er weist jegliche Vorstellung weiblicher Inferiorität zurück und insistiert im Sinne seines Hauptarguments auf der Gleichheit des Verstandes, Ausgangsargument für seine Hauptforderung weiblicher Bildung. Feijoo verweist im Sinne dieses Postulats auf die Unterschiede in Zugang und Aneignung von Bildung, nur mit besonderen Fähigkeiten ausgestattete Frauen könnten sich bislang bilden, während bei Männern eine solche Vorauswahl nicht erfolge (Feijoo 1726 § XXI/137: 370). Feijoos Modell beschränkt sich dabei auf die Betonung potentieller weiblicher Fähigkeiten “para las artes, para las ciencias, para el gobierno político, y económico” (ebd.: § XXIII/147: 373) und die Ablehnung einer inferior gedachten weiblichen Natur. Obgleich Gelehrsamkeit für ihn keineswegs geschlechtsspezifisch determiniert ist, verwirft er das Ideal der gebildeten Frau zugunsten der traditionellen Rollenpraxis der sozialen Unterordnung der Frau: “La razón es, porque aunque sean iguales los talentos, es preciso que uno de los dos sea primera

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cabeza para el gobierno de casa y familia; lo demás sería confusión, y desorden” (ebd. § XXIII/150: 374).136 Ziel der Feijoo’schen Argumentation ist demnach nicht der soziale Wandel von Geschlechterrollen, sondern vielmehr die Behauptung ihrer Gleichrangigkeit. Die strukturelle Unterordnung der Frau folge einem rein akzidentell zu fassenden göttlichen Ordnungsprinzip. Damit begreift Feijoo die Geschlechterordnung als grundsätzlich paritätisch, leitet aber aus der funktional untergeordneten Frauenrolle keine moralischen Begründungen ab, indem sie etwa mit weiblicher Sündhaftigkeit legitimiert wird.

₄.₅. Publikumswirksamer Rationalismus gepaart mit einem theologischen Gleichheitsmodell Im Unterschied zum Diskurs Poulains bemüht sich Feijoo um Anschluss an das theologische Gleichheitsdenken, das als “patristischer Feminismus” bezeichnet wird (vgl. Børresen 1994). Er bemüht sich in augustinischer Tradition um eine Harmonisierung des modernen und des theologischen Denkens von Egalität. Als erster unter den Kirchenvätern hatte Augustinus für die Gottebenbildlichkeit der Frau (Imago Dei) plädiert,137 “[...] affirming that women too are created in God’s image” (ebd.: 145), und die Vorstellung entwickelt, alle Seelen seien aus gleicher göttlicher Substanz. Wenn die weibliche Seele zur ratio inferior herabgestuft werde, so beziehe sich das stets nur auf bestimmte Bestandteile der allgemein menschlichen Seele. Augustinus entfaltete diese – auf Philon zurückgehende – symbolische Geschlechterinterpretation weiter:138 die Seele enthalte weibliche und männliche Antei-

136  Feijoo rechtfertigt seine Position auch mit dem höchst ambivalenten Argument, dass Ehemänner ihren Frauen gegenüber mehr Respekt zeigen müssten, damit diese ihnen treuer seien (ebd. § XXIV/159: 378). 137  Bereits im vorchristlichen Denken des klassischen Altertums existierte eine Vorstellung allgemein menschlicher Seelengleichheit u.a. bei Plutarch, welche in der Renaissance als Basis frauenapologetischer Texte aufgegriffen wurde (u.a. bei Agrippa von Nettesheim, Lucrezia Marinelli). 138  Die symbolische Theorie der Geschlechter des jüdischen Platonikers Philon von Alexandrien aus dem 1. Jahrhundert prägte das Mittelalter. In seiner Genesis-Deutung trennte er Geist und Sinneswahrnehmung als Symbole des Männlichen und Weiblichen (Gössmann 2004: 39).

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le, die sich ergänzten. Der ratio mentis kontrolliere dabei jenen weiblichen apetito actionis, was Augustinus zufolge noch kein misogynes Denken impliziert. Im Sinne der christlichen Askese lenke vielmehr jedes Individuum den weiblichen Appetit in sich selbst durch die eigene männliche Vernunft. Wenngleich hier bestimmte Wertungen nahe liegen, “Ultimately, the gender language used for the faculties of the mind leads to the sexualizing of Wisdom/Knowledge: man is associated with mind/spirit and woman with the body/nature” (Clack 1999: 7), verband Augustinus damit einen egalitären Grundsatz. Dies stellte für ihn keinen Widerspruch zur göttlichen Hierarchie der Geschlechter dar (Børresen 1994: 142). In eben dieser Logik argumentiert auch Feijoo für eine Geschlechtergleichheit bei gleichzeitiger funktionaler Hierarchie. Auch Augustinus hatte in seinem Hauptwerk De trinitate ([419] 2001: Bd. XII, 7, 10) zwar die Unterordnung des Weiblichen unter männliche Exzellenz als göttliches Gesetz beschrieben: “Augustine’s validation of the second creation account as conformatio serves to consolidate androcentric sex roles in terms of God-willed gender hierarchy” (Börresen 1994). Doch folge die Unterordnung der Frau nicht aus einer “geschöpflichen Inferiorität” (Müller 2002), sondern wird mit der Posteriorität der Schöpfung eines ‘zweiten’ Geschlechts begründet: Since femaleness is part of God’s unique creation, Augustine boldly states that women shall resurrect as female human beings and not be restored to Christ-like humanity by ‘becoming male’. Nevertheless, Augustine’s perspective is decidedly androcentric, since he argues that the recreated beauty of female bodies will no longer disturb resurrected males, henceforth liberated from their sinful concupiscence. (Børresen 1994: 146)

Im Hinblick auf die Erbsünde beschreibt Augustinus – bei gleichen Anteilen an der Ursünde – Eva als unmittelbar, Adam als mittelbar gefallenen Menschen, doch wird die Frau gleichermaßen durch Christus erlöst. Die christliche Gnade bezieht sich bei Augustinus auf einen “zutiefst geschlechtsindifferenten ‘homo interior’ (conf. 10,9)” (Müller 2002). Feijoo hingegen lehnte eine Abwägung von mittel- und unmittelbarer Schuld bezüglich der Erbsünde ab; alle derartigen Zuschreibungen betrachtete er als unwissenschaftlich. Er integrierte daher unter Rekurs auf den Feminismus der Kirchenväter und insbes. Augustinus die ‘gottgegebene’ Geschlechterhierarchie in sein aufklä-

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rerisch-christlich-humanistisches Gleichheitskonzept und verknüpfte “humanistic rationalism and religious convictions” (Coughlin 1986: 79). Dass er damit nicht nur Gleichwertigkeit verband, sondern die geistige Ebenbürtigkeit aller menschlichen Wesen auf der Basis cartesianischer Theoreme, zeigt die Modernität seines Textes. War es seit den Kirchenvätern die scholastische Begründung einer sekundären Gottebenbildlichkeit und “Zweitrangigkeit der Frau als ‘Bild des Mannes’”, die “zur Fernhaltung der Frau aus dem öffentlichen Leben und von jeglichen Ämtern bei[trug]” (Gössmann 1989: 35) und allein männliche Autorität für das ‘Weltregiment’ wie sämtliche Führungsrollen prädestinierte (ebd.: 38), zeichnete sich im aufklärerischen Gleichheitsmodell ein Wandel der Rechtfertigungsdiskurse ab. Während die traditionelle Legitimation für den gesellschaftlichen Vorrang des Mannes in der scholastischen Interpretation von Gottebenbildlichkeit und Sündenfall lag, verändern sich europaweit in unterschiedlicher Weise seit dem 17. und verstärkt dem 18. Jahrhundert nicht nur die Ansprüche an Geschlechterrollen, sondern auch die Strategien zu deren Begründung. Physisch-materielle, d.h. körperliche, ökonomische und produktionsspezifische Argumente rücken in den Vordergrund und werden mit den veränderten Wertevorstellungen von ‘utilidad’, ‘virtud’ und ‘felicidad pública’ verknüpft. Feijoos Diskurs hatte demzufolge eine Brückenfunktion vom religiösen zum säkularen Gleichheitsdenken.

₄.₆. Feijoo als Mittler: Die Etablierung eines spanischen Gleichheitsdiskurses Nicht nur der neue populärwissenschaftliche Schreibstil des Benediktiners, auch die Verbreitung seiner Texte stellt für das 18. Jahrhundert eine Ausnahme dar. Die Anzahl seiner Leser wird auf eine Million geschätzt (Álvarez Barrientos 2005: 139), bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 9 Millionen Menschen sind dies mehr Rezipienten als Schriftkundige, was die neue Dimension der sich formierenden Öffentlichkeit verdeutlicht: “Este público, que opinaba y tenía sus propias expectativas, no tiene nada que ver con el grupo de expertos al que antes se dirigían los escritores” (ebd.: 141). Die Relevanz des Feijoo’schen Geschlechterdiskurses ergab sich demnach nicht nur aus der – für Spanien geltenden – Originalität

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der Inhalte, sondern aus deren besonderer sprachlicher Formung und übergreifender Verbreitung. Der Gedanke egalitärer Geschlechter und gleichermaßen verstandesfähiger Geschlechter konnte zum Bezugspunkt für spätere Reformprojekte werden, weil ihn Feijoo in seiner Schrift öffentlich und für ein Laienpublikum verständlich dargestellt hatte. Sein Text wurde somit nicht nur Referenz für Autoren und Autorinnen im Streit um Geschlechtergleichheit, sondern untermauerte darüber hinaus Feijoos Anspruch, sich als moderner Autor zu inszenieren. Im Schutz des angesehenen Benediktinerordens und protegiert von reformorientierten Monarchen gelang es ihm, sowohl die Zensur seiner Werke als auch Kritik der Gegner abzuwehren. Nachdem Ferdinand VI. den Thron bestiegen hatte, wurde Feijoo 1748 zum königlichen Berater (consejero real) ernannt und der König selbst erließ zwei Jahre später eine königliche Order und verbot alle Angriffe auf Feijoos Werk. Dieses galt in Spanien als Beispiel für aufklärerisches Denken. Feijoos Geschlechterdiskurs lässt sich in diesem Kontext vor allem als theoretischer und “verbaler Feminismus” charakterisieren.139 So modern das Modell geschlechtlicher Egalität sein mag, Feijoo etabliert es, der spanischen Variante einer ilustración cristiana folgend, auf dem Fundament des göttlichen Schöpfungsgedankens und erweist zugleich der humanistischen Tradition eine Reverenz. So beschreibt Pérez-Riojas (1965: 237) Feijoo als einen “gran continuador y renovador” des christlichen Denkens in Spanien und als Universalgelehrten des 18. Jahrhunderts, anknüpfend an Sánchez Agesta, der Feijoo in die Tradition eines christlichen Rationalismus gestellt hatte (Pérez-Riojas 1965: 198).

139  Gössmann (2004: 48) verwendet den Begriff für eine bestimmte Sorte von Querelle-Texten, welche zwar protofeministisch argumentieren, daraus aber keine gesellschaftlichen Konsequenzdiskurse ableiten.

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5. TEXTUELL INSZENIERTE DEBATTEN: WEIBLICHE UND MÄNNLICHE GESPRÄCHSKREISE STREITEN UM FEIJOO

₅.₁. Zur EinfÜhrung in die Debatten um Feijoos Geschlechtermodell (1726-49) Feijoos Traktat zur Frauenfrage kommt, wie im vorangegangenen Kapitel untersucht, in zweierlei Hinsicht Bedeutung zu. Einmal markiert seine Defensa de las mujeres die Etablierung eines auf humanistischen und rationalistischen Fundamenten gründenden Egalitätsdiskurses in Spanien, wohlgemerkt ohne expliziten Angriff auf bestehende soziale Rollenmuster und konventionelle Bildungssektoren, wie dies in Frankreich Poulain de la Barre unternommen hatte. Zum zweiten wird das frühneuzeitliche Prinzip eines Für und Wider im Streit der Geschlechter verabschiedet, um die Frage unabhängig von persönlichen Bezügen auf einer wissenschaftlichen Ebene zu betrachten und anhand von überprüfbaren und unparteilichen Schlussfolgerungen entscheiden zu können. Obgleich Feijoo dabei auch auf die mit Weiblichkeitsdiskursen traditionell verbundene ethische Problematik eingeht, überführt er die gleichheitstheologischen Argumente in eine Debatte auf rationalistischem Fundament und unterscheidet Erkenntnisgewinn in Theologie und Wissenschaft. Gerade in dieser grundlegend veränderten Sicht auf Weiblichkeit nicht mehr als Gegenstand moralisch-ethischer Auseinandersetzung, sondern als Grundfrage des Wissens bestand die Innovativität des Feijoo’schen Textes. Dass dabei nicht nur die von dem Benedik-

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tiner betonte Geschlechtergleichheit, sondern auch die erkenntnistheoretische Aufwertung der Thematik selbst sowie die grundlegende Verschiebung seines Stellenwerts Anlass für harsche Kritik und ebenso für Verteidigungen der Gegenseite war, verwundert angesichts so ungewohnter Töne nicht. Doch nicht nur die Feijoo’sche Betrachtung der Kategorie Geschlecht löste eine langanhaltende Polemik aus, vielmehr stand sein gesamtes Projekt einer Wissensrevision im “siglo de las polémicas” zur Debatte und provozierte allein in den ersten Jahren nach erstmaligem Erscheinen des Teatro crítico universal mehr als 60 Reaktionen, die sich Alborg (1972: 141) zufolge nach beteiligten Personen und Inhalt in Einzeldebatten gliedern lassen. Bereits kurz nach Erscheinen des ersten Bandes begann eine heftige Debatte, in deren Verlauf speziell der 16. Diskurs über die Frauenfrage überdurchschnittlich viele Repliken erhielt. Feijoos Thesen erschienen zahlreichen gelehrten Zeitgenossen derart provozierend, dass sie sie nicht nur glaubten zurückweisen zu müssen, sondern diese mit beißendem Spott und mit teilweise persönlichen Anfeindungen verurteilten. Die grundsätzliche Skepsis gegenüber innovativen Denkmustern, die sich in der Gesamtdiskussion widerspiegelt, kommt an diesem Punkt exemplarisch zum Ausdruck. Gerade der Versuch der Versachlichung des Gegenstandes und die Auseinandersetzung mit dem Status der Frau auf einer abstrakten Ebene jenseits der traditionellen Einordnung des ‘Frauenthemas’ in lebenspraktische Bezüge wurden von Gegnern und Konkurrenten des Theologen immer wieder gezielt desavouiert. Eine Konsolidierung der aufklärerischen Sicht auf die Geschlechterproblematik, wenn man darunter vor allem den Typus einer Argumentation jenseits moraltheologischer Ausrichtungen auf den Status quo versteht, konnte damit nicht gelingen. Auffallend in den Streitschriften gegen, aber auch zugunsten von Feijoo, sind neben typischen satirisch-komischen Zügen vor allem die performativen Strategien, mit denen stellvertretend für die gegnerische Position jeweils literarische Figuren als “Betroffene” inszeniert werden, die das Feijoo’sche Frauenmodell sowie seine gesellschaftlichen Konsequenzen diskutieren und am eigenen Beispiel erproben. Unter Rückgriff auf Elemente der traditionellen Frauensatire, auf misogyne Rhetorik und entsprechende Topoi des historischen Frauenstreits werden vorrangig die Gefahren der gleichrangigen Geschlechtervorstellung aufgezeigt, dabei jedoch nicht nur beschrieben, sondern warnend illustriert. Die Aufrechterhaltung der gesellschaft-

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lichen Ordnung wird dabei als Kernargument gegen jeden Ansatz gesellschaftlicher Modernisierung herangezogen. Das vor allem dann in der zweiten Jahrhunderthälfte wichtige Konzept der utilidad, auf dessen Basis eine moderne Vorstellung weiblicher Intellekt- und Einsichtsfähigkeit – freilich allein zur Verinnerlichung von Frauentugenden und -funktionen – vertretbar wurde, spielt in diesen frühen Debatten kaum eine Rolle. Die für jene Diskreditierungen der Feijoo’schen Thesen zur Gleichwertigkeit der Frau typische Engführung ‘alter’ Querelle-Argumente unter Einsatz rhetorischer Strategien wie der Polemik soll im Folgenden an zwei Beispielen aus der Feder des Hauptgegners, Laurencio Manco de Olivares, untersucht werden. Zuvor jedoch möchte ich zur Kontextualisierung die Chronologie der Streitschriften zu Feijoo und die Debatten zur Geschlechterfrage skizzieren.140 So ist der in dieser Debatte prominente Autor Manco de Olivares141 auch der erste, der eine harsche Kritik an Feijoos Geschlechterdiskurs veröffentlicht und seinen Gegner im Stil der tradierten literarischen Streitkultur verlacht, womit er die Auseinandersetzung vom Thema weglenkt und sie auf die Ebene eines Gelehrtenstreits verlegt, in dem er das Mittel der Satire einsetzt. Bereits im November 1726, im Anschluss an die Publikation des ersten Bandes des Teatro crítico universal, verfasste er eine fingierte männliche Gegenrede auf Feijoo unter dem Titel Contradefensa crítica a favor de los hombres, in der eine Gruppe von drei Männern die Argumente des Benediktiners ‘zerpflückt’. Eine weitere satirische Kritik an Feijoo, diesmal aus dem “berufenen Munde” einer 140  Ausführlich und vollständig werden die Feijoo-Debatten bibliographiert in Pérez-Rioja (1965), ein kurzer inhaltlicher Abriss findet sich in Alborg (1972: 141147). Speziell zu Chronologie und Inhalt des Streits um die Frauenverteidigung (Oñate 1938: 167-183), Blanco Corujo (1979) und Coughlin (1986). Auch in Form von Briefen, teilweise anonym, wurde die Debatte geführt, was ein weiteres Indiz für den dialogischen Charakter der sich entfaltenden Öffentlichkeit darstellt, der sich später auch dann in den Wochenschriften manifestieren wird. 141  Im historischen Gesamtkatalog der spanischen Literatur (Catálogo General del Patrimonio Bibliográfico) lässt sich ein Autor dieses Namens anhand der beiden AntiFeijoo-Polemiken nachweisen. Dies erscheint freilich ungewöhnlich und könnte auf dessen marginale Rolle im literarischen Geschäft hindeuten, die wiederum das Motiv für seinen Spott lieferte. Es könnte sich aber auch um einen Autor aus religiösem Stand handeln, der den Anspruch der Theologie auf das Thema bewahren möchte und deshalb gegen Feijoo wettert, oder aber um das Pseudonym eines Autors, der sich zu den Angriffen nicht öffentlich bekennen möchte.

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weiblichen Gesprächsrunde, erscheint wenig später als Pamphlet unter dem Titel Estrado crítico en defensa de las mujeres contra el Teatro crítico universal de errores (1727), die ebenfalls Gegenstand einer Analyse von debattentypischen Strategien der Geschlechterperformanz sein wird. Kurz nach Erscheinen des dritten Bandes des TCU eröffnete dann Salvador José Mañer mit der mehrteiligen Erwiderung Antiteatro crítico sobre el primero y segundo tomo del Teatro crítico universal (1729) einen allgemeinen wissenschaftlichen Disput über Feijoo. Er übte heftige Kritik an der Ausrichtung des Gesamtwerks und warf Feijoo seinerseits handwerkliche Fehler vor. Er diskreditierte das Werk durch den Nachweis von Fehlern im Umgang des Ovetenser Gelehrten mit seinen Quellen. So machte der Kritiker mehr als 70 Unachtsamkeiten der Zitierung sowie daraus resultierende Widersprüche zum Hauptthema. Feijoo selbst meldete sich daraufhin noch einmal zu Wort und verfasste eine Ilustración apologética al primero y segundo tomo del Teatro crítico (1729), in der er sein Œuvre gegen Mañers Vorwürfe verteidigt. Dieser gehe nicht auf Kernargumente ein, sondern arbeite sich nur an Randbereichen und nebensächlichen Stellen ab, so dass an der These der Verstandesgleichheit selbst nichts zurückzunehmen sei (Oñate 1938: 168). Eine grundlegende Verteidigung gegen diese Vorwürfe von Mañer verfasste Martín Sarmiento, ein Schüler Feijoos und ebenfalls Benediktiner, mit dem Titel Demostración crítico-apologética del Teatro Crítico Universal (1732). Mañer nahm 1734 die Auseinandersetzung mit Feijoo (und auch mit Sarmiento) erneut auf und unterzog deren Erwiderungen mit der Schrift Crisol crítico theólogico einer ‘theologischen’ Prüfung. Darin äußert er sich auch zur Defensa de las mujeres und meldet generellen Zweifel an der Tugendhaftigkeit von Frauen an, unter Rekurs auf die Weiblichkeitsmythologeme von Sündhaftigkeit, Sittenverfall und Verschwendungssucht. Seine Kritik stellt folglich die scholastischen Weiblichkeitsdiskurse in ihrer moralisierenden Funktion über das rationalistische Modell Feijoos und ignoriert die Stoßrichtung des Werks Teatro crítico universal komplett. Ein weiterer Kritiker war der Ordenschronist Francisco de Soto Marne,142 der 1749 mit der zweibändigen Schrift Reflexiones críticoapologéticas sobre las obras del R.P. Maestro Fray Benito Gerónimo Feijoo 142  Der Franziskaner hatte u.a. ein als Predigtbuch eingesetztes Florilegio sacro verfasst, aus dem – als Vorführung einer eklektischen Redekunst – auch Fray Gerundio zitiert, der Protagonist des gleichnamigen satirischen (oder nach Russell P. Sebold

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in den Streit eingriff. Ähnlich wie Mañer versucht er, das Werk des Benediktiners anhand formaler Fehler in Zweifel zu ziehen, geht aber noch weiter und erhebt den Vorwurf des Plagiats, den Feijoo daraufhin prompt als unberechtigt im Rahmen einer “Gerechten Ablehnung gemeiner Beschuldigungen” (Justa repulsa de inicuas acusaciones, 1749) mit dem Hinweis zurückweist, dass er die Quellen seiner Frauenverteidigung genannt und somit keineswegs plagiiert habe. Die äußerst zahlreichen und heftigen Angriffe auf Feijoo riefen Verteidiger und “feijoístas” auf den Plan.143 So verfasste Ricardo Basco Flancas seinerseits eine satirische Replik auf Manco de Olivares, welche mit der Verhöhnung seines Gegners beginnt. Der Text Apoyo a la defensa de las mujeres (1726) verspottet und verhöhnt den Gegner Feijoos, der als Hermaphrodit und Dummkopf verunglimpft wird, weil er die methodologische Begründung und einzelne Argumente des Paters nicht richtig verstanden habe. Dies gälte zum Beispiel für die Deutung der Schlange als gefallener Engel, die zur Folge hat, dass Eva von einem höheren Wesen verführt erscheint. Basco Flanca beantwortet Gleiches mit Gleichem und nutzt wie Manco nicht nur die Personensatire, sondern auch das Verfahren der Gesprächsfiktion. Sein Erzähler, so die konstruierte Handlung, habe Mancos Contradefensa crítica a favor de los hombres von einem Freund erhalten und mit diesem beginnt er, die darin aufgeführten Argumente zu prüfen. Bei der vergleichenden Lektüre stellen sie die Verdrehung und Entstellung des Feijoo’schen Diskurses fest und äußern sich skeptisch über Manco de Olivares. Um dieses Urteil zum Votum einer Gruppe zu machen und dadurch zu stärken – stellvertretend für die Position ‘der Männer’ – lässt Basco Flancas einen weiteren Teilnehmer hinzutreten. So lesen nun drei Herren Feijoo und sind sich über die Notwendigkeit von dessen Verteidigung einig. Auch sie ziehen im Namen von Basco Flancas sowie dem historischen Streitprinzip folgend zahlreiche Autoritäten zu Rate, um die Verstandesgleichheit der Geschlechter im Sinne Feijoos zu beweisen. Ein vierter Besucher übernimmt schließlich die Rolle des Schiedsrichters, er rehabilitiert Feijoo und verurteilt Manco de Olivares zum Aufenthalt im Irrenhaus: seine Schrift sei vollkommen [1960] ‘pikaresken’) Romans des Jesuitenpaters Isla, der eine Kritik an ‘schlechten’, d.h. unverständlichen Predigten unternahm. 143  Auch außerhalb Spaniens wie beispielsweise in Italien meldeten sich Geistliche und sogar der Papst zur Verteidigung des Benediktiners zu Wort (Alborg 1972: 146).

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unbrauchbar, man könne sie höchstens zum Grillen von Vögeln zu Ostern oder zum Abfackeln von Raketen verwenden (vgl. Basco Flancas zit. in Oñate 1938: 176). Satire und Polemik zeigen – auch wenn einmal ein Gegner Feijoos aufs Korn genommen wird –, wie weit sich die Streitschriften vom eigentlichen Gegenstand der Debatte und den theoretischen Grundlagen Feijoos entfernt haben. Als witzige Gelehrtenschmähung besitzen sie vor allem Unterhaltungswert. Im Unterschied zu diesen von persönlichen Angriffen geprägten Pamphleten waren jedoch auch ernsthafte Auseinandersetzungen mit Feijoos Frauenverteidigung erschienen wie das Beispiel von Miguel Martínez y Salafrancas Feijoo-freundlicher Schrift Desagravios de la mujer ofendida contra las injustas quejas de la Contradefensa crítica de don Laurencio Manco de Olivares (1727) zeigt. Er leitete die unterschiedlichen Fähigkeiten von Mann und Frau nicht aus geschlechtsspezifischen Anlagen, sondern – wie Feijoo unter Rückgriff auf frühneuzeitliche Diskurse – aus ihren unterschiedlichen Lebensumständen und sozialen Funktionen ab. Darüber hinaus betrachtet und beschreibt er wie dieser die möglichen Motive männlicher Frauenfeindlichkeit und nennt als Beispiel den Mythos des schwachen Mannes, der sich mit misogynen Vorurteilen vor weiblicher Anziehungskraft schützen wolle. Auch in zahlreichen anonymen Stellungnahmen wurde Feijoo verteidigt, so in dem als parteilich gekennzeichneten Text einer (fingierten) Frau, die sich selbstironisch “Marica la Tonta” nennt. Ihr Verteidigungspapier, Papel de Marica la Tonta en defensa de su sexo y respuesta al escrito por Manco de Olivares, en defensa de los hombres, ist gegen den Hauptverteidiger des männlichen Geschlechts, Manco de Olivares, gerichtet und überzieht ihn mit Spott. Ihm werden persönliche Motive unterstellt, er sei ein frauenfeindlicher Witwer, dessen Schrift aus diesem Grund nicht zu gebrauchen sei und lediglich Unrat (“tanta basura”) darstelle. Das von Manco adaptierte tertullianische Diktum, demzufolge er das Leben verachte, weil er von einer Frau geboren sei, weist die fingierte Autorin hier zurück. Sie bedient sich des theologischen Gegenarguments, dies spräche gegen eine göttliche Formung der Welt. Dem wird der Erfahrungsbericht “Maricas” gegenüber gestellt, welcher die gesellschaftlichen Hürden des weiblichen Bildungsprozesses beschreibt. Aus Angst vor Unsittlichkeit und der moralischen Gefahr einer Prüfung durch ein männliches Gutachtergremium habe die Betroffene, die sich als “Dummchen” tituliert, das begonnene Studium abbrechen müssen. Diese Argumentation unterstreicht auch – neben der Tatsache, dass sie

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nicht wie eine ungebildete Frau spricht –, dass sie damit eher ein gesellschaftlich anerkanntes ‘Sich-Dumm-Stellen’ meint. Über diese Polemik belustigte sich Manco de Olivares wiederum. In seiner Defensiva respuesta a favor de los hombres (1727) weist er auf drei Seiten das Papel der fingierten Autorin zurück und polemisiert in bekannter Manier auch gleich gegen die Feijoo-Verteidiger Martínez und Basco Flanca.144 Wiederum führt er Ovid und die Bibel gegen die moralischen Gefahren der Eitelkeit, Schönheit und Äußerlichkeit von Frauen an und wiederholt – wie bereits in seiner Contradefensa – die bekannten misogynen Argumente von Kirchenvätern und Scholastikern, die die Erbsünde auf Eva zurückführen und alle menschliche Schuld auf die Frau projizieren. Ein anderer anonym veröffentlichter Text trägt den Titel La razón con desinterés fundada y la Verdad cortesanamente vestida. Unión y concordia de opinión a favor de las mujeres (1727) und wird Francisco de Fábrega zugeschrieben. Ganz gegen die übliche parteiliche Kontrastierung geht der Autor sachlich auf die Debatte um Feijoos Teatro crítico universal ein und bemüht sich dann in der Rolle eines außenstehenden Schiedsrichters um Vermittlung der Positionen (Blanco Corujo 1979: 107). Zwar favorisiert er die traditionelle Frauenrolle und mahnt die Frauen, Anstrengungen zu Sittlichkeit und Bescheidenheit zu unternehmen, doch teilt er auch Standpunkte Feijoos wie den, dass Frauen geringere Möglichkeiten der Bildung haben und ihre soziale Unterordnung allein aus einer göttlichen Fügung erwachse. So wüssten die Frauen, dass sie für ihren Wirkungsbereich geschaffen und aufgrund ihrer Erziehung dafür besser geeignet seien: “[...] pues criándose desde niñas en ello, siempre son más hábiles para las cosas y ejercicios domésticos, como los hombres, por la misma causa, para los públicos” (La razón con desinterés, § III/14, zit. in Oñate 1938: 180). Gerade in dieser Schrift, die sich um einen Ausgleich der kontroversen Positionen bemüht, offenbart sich jedoch die fundamentale Ambivalenz des Weiblichkeitsmodells, das – entgegen zahlreicher Optionen der Subversion – die Epoche der Aufklärung in Spanien dominieren wird: die idealtypische Frau soll aufrichtig, häuslich und fleißig sein, ohne eine darüber hinausgehende Bildung zu beanspruchen.

144  Er belustigt sich u.a. über die Namen der Autoren, so ende Basco auf ‘asco’, was einmal mehr die unsachlich-satirische Ausrichtung seiner Kritiken unterstreicht.

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In dem auf Feijoos Schrift unmittelbar Bezug nehmenden Kapitel Defensa de las Mujeres, erschienen 1737 in der Schrift Teatro anticrítico universal (1735), brachte schließlich Ignacio Armesto y Osorio die um den Status der Geschlechter streitenden Autoren virtuell zusammen und inszenierte ein Gelehrtengespräch. Den historischen Autoren nachgebildet ließ er Feijoo, dessen Verteidiger Sarmiento und Mañer als Kritiker auftreten. Dabei werden die Meinungen einander gegenüber gestellt und breite Passagen aus dem Originaltext Feijoos zitiert. Diese unmittelbare textuelle Konfrontation der Argumente diente Armesto y Osorio dazu, eine Verteidigung der protofeministischen Position zu inszenieren, in deren Verlauf er erneut Bezug nehmen konnte auf die von Feijoo erwähnten Quellen und Argumente: Seneca, Marinella, Malebranche, Francisco Manuel, Bellegarde, Buffier, die egalitäre Genesisvariante und einen Katalog kriegerischer sowie antiker gebildeter Frauen. Die über ein Vierteljahrhundert andauernde Debatte um Feijoos Teatro crítico universal und im Speziellen seine Frauenverteidigung war von solcher Heftigkeit persönlicher Angriffe geprägt, dass der um Aufgeklärtheit bemühte bourbonische König Ferdinand VI. intervenierte und – um Feijoo und dessen Werk zu schützen – den Streit im Jahr 1750 durch eine königliche Order für beendet erklärte (Alborg 1972: 141). Der Streit, so lässt sich rückblickend und im Anschluss an Coughlin (1986: 84) resümieren, war von zumeist einseitig parteilichen Pamphleten und Kommentaren, von Polemik, Sarkasmus und Emotionalität geprägt, welche am Kern der von Feijoo angestoßenen Auseinandersetzung um verschiedene Wahrheitsbegriffe und Erkenntnisfundamente in Theologie und Wissenschaft schlechterdings vorbei gingen. Obgleich die Debatte in ihrer argumentativen Ausrichtung eher eine Fortsetzung der frühneuzeitlichen Streitkultur darstellte, manifestierten sich in ihren jeweiligen Textstrategien und Kommunikationsstrukturen auch Elemente, die bereits Ambivalenzen der Geschlechterperformanz anzeigen, was ich im Folgenden genauer untersuchen möchte.

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₅.₂. Genderperformanz in den frÜhaufklärerischen Streittexten der Feijoo-Debatte Auffällig an den Debatten ist die Gestaltung der Kritiken und Verteidigungen in Form von Gesprächsfiktionen, die auf eine anschauliche Vermittlung der Positionen und performative Strategien zur Illustrierung und Lösung des Konflikts abzielen. In dieser Streitliteratur geht es folglich nicht nur um die von Feijoo angeführten Argumente, seine Wissens- und Autoritätskritik, sondern auch um das Aushandeln von Diskursmustern. Klassisch strukturierte, logisch-theoretische Texte stehen im Wettstreit mit rhetorischen und humoristischen Strategien der Argumentation und Gegenargumentation. Dabei geht die Erneuerung der frühneuzeitlichen Streitkultur auch mit einer Reaffirmation christlich-misogyner Standpunkte einher, teilweise gekoppelt an die traditionelle Misogamie. Auffallend ist die Häufung anonymer oder unter Pseudonym verfasster Debattentexte, welche auf die Brisanz der Thematik verweisen und dabei teilweise persönliche Angriffe und Satiren auf Feijoo darstellen. Die Debatte illustriert einerseits die Furcht zahlreicher Gelehrter vor einer weiblichen Eroberung des bis dato für sie reservierten öffentlichen Raums. Andererseits werden Feijoos Argumentationsbasis und seine Unparteilichkeit grundlegend abgelehnt. Sein Ansatz der Erneuerung des Wissens und der erkenntnistheoretischen (nicht nur theologischen) Verortung von Geschlechterfragen stößt auf heftigen Widerstand, wobei gerade die von Feijoo kritisierten Argumente zum Teil kommentarlos wieder zum Einsatz kommen. Die Debatte vollzog sich dabei erstmals im Rahmen einer öffentlichen Streitkultur und provozierte nicht nur eine neuartige Fülle von Texten, sondern ein textuelles Phänomen, das den Wandel der Geschlechterkonstellation zugleich als Problem der Repräsentation ausweist. In der vornehmlich um die Spezifik der Frau kreisenden Debatte werden gezielt fingierte weibliche Stimmen eingesetzt, welche sich parteilich und ‘genusverträglich’ im geschlechtsspezifischen Sinne zum Thema äußern. Dies ermöglicht es, traditionelle Argumentationslinien im Kontext einer neuen Äußerungssituation einzusetzen und zu modifizieren, wobei aufklärerisch-erzieherische Kommunikationsmuster bereits antizipiert werden. Derart erfährt die ‘alte’ Querelle hier eine Fortschreibung und wird zugleich transformiert: Frauen werden von der Äußerung nicht mehr prinzipiell ausgeschlossen, sondern dürfen – wenngleich

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rein fiktiv – in Geschlechterfragen mitreden. Ihre fiktiven Vertreterinnen zumindest – auch wenn sie weitgehend Vehikel männlicher Diskurse sind – finden dabei Gehör und werden zu Vorläuferinnen der wenigen leibhaftigen Frauen, die sich später in die Debatte einmischen werden. Wichtig für unseren Zusammenhang ist dabei die Art der Legitimation, die diesen fiktionalen weiblichen Stimmen zugewiesen wird: als Parteigängerinnen dürfen sie sich nur im Streit um ihr Geschlecht zu Wort melden und werden stets als idealtypische, den sittlichen und pragmatischen Konventionen entsprechende Figuren gezeichnet. Mit anderen Worten, den hier auftretenden Frauen wird das Bekenntnis zum propagierten Weiblichkeitsbild publikumswirksam in den Mund gelegt, eine Strategie, die später in den moralischen Wochenschriften mit weiblicher Herausgeberfigur wiederkehren wird. An exemplarischen Texten aus diesem Debattenkontext sollen im Folgenden Argumentation und textuelle Inszenierung der Reaktionen auf Feijoos Geschlechterdiskurs analysiert werden, um Einblick in die kulturelle Praxis zu gewinnen und den Wandel der Kommunikationstechniken herauszuarbeiten. Darin spiegelt sich eine der entscheidenden Veränderungen des Geschlechterdenkens wider: war es Frauen nach traditionellem Verständnis möglich, zumindest unter dem Deckmantel der Ausnahmeerscheinung an einer androzentrischen Wissenskultur teilzuhaben, so entsteht nun eine “eigene”, geschlechtsspezifische Form der Kommunikation und Wissenssozialisation, in der Frauen sich nicht zu universalen Themen äußern, aber zu Geschlechterfragen, genauer denen ihres eigenen Geschlechts in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit Position beziehen dürfen. Die Debatte um Feijoo weist damit sowohl Kontinuitäten wie Brüche zum frühneuzeitlichen Frauenstreit auf. Bei gleicher Topik ist eine Zäsur im Hinblick auf die Diskursstrategie zu erkennen: Einerseits entfaltet sich in ihr erneut die Wucht der traditionellen Argumentation, andererseits aber – und dies möchte ich in meiner Analyse betonen – eröffnen sich dabei grundlegend neue Spielarten der Kommunikation, an denen Frauen, wenngleich mit neuen Restriktionen, zumindest mitwirken können. Die Publikation des Teatro crítico universal, eines auf die kritische Revision tradierter Wissensbestände angelegten Monumentalwerkes, hatte eine so heftige und in Spanien bis dato einzigartige öffentliche Debatte ausgelöst (Alborg 1972: 141), dass es fortan noch um weit mehr als die von Feijoo vorgeschlagenen Thesen ging. Gerade die-

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se unerwartete Öffentlichkeitswirksamkeit führte zu dem heftigen Einspruch und diente der Rückgewinnung des Publikums für angestammte Positionen. So steht in jedem Einzeltext der Debatte nicht nur die Auseinandersetzung mit den einschlägigen Themen des Teatro critico universal und dem theoretischen Ansatz des Monumentalwerks auf dem Programm, sondern zugleich die Frage nach der Anwendung einer adäquaten Kommunikationsstrategie. Die Erwiderungen auf Feijoos Weiblichkeitsthesen bilden hierfür einen wichtigen Ansatzpunkt für die Untersuchung, da sich vornehmlich an der Thematik der Geschlechter die Positionen zwischen Traditionalisten und Modernisierern herauskristallisieren. Zugleich manifestiert sich deren Umsetzung auf der Textebene als komplexer Prozess, in dem sich auch Ambivalenzen hinsichtlich der Geschlechterperformanz manifestieren und das Modell geschlechterlicher Dichotomisierung durchkreuzen. Einerseits trägt die Polemik der Debatte Züge des frühneuzeitlichen Frauenstreits, andererseits jedoch – und darum soll es im Weiteren gehen – wandeln sich Äußerungsbedingungen und Kommunikationsstrategien mit Bezug auf die Beteiligten: es werden geschlechtsspezifische Themen und damit zugleich neue Kommunikationsräume konstituiert.

₅.₃. Männliche Ehre und Feijoo-Kritik aus dem Mund eines Junggesellen: Manco de Olivares, Contradefensa crítica a favor de los hombres Dass die Auseinandersetzung in der Frauenfrage nicht nur über Argumente, sondern auch mit den Mitteln einer entsprechenden ‘Politik’ der Diskursivierung geführt wird, zeigt sich in spezifischer Weise in den satirischen Pamphleten gegen Feijoos Frauenschrift, die von Manco de Olivares verfasst wurden. Dieser weist nicht nur das gegnerische Kernargument weiblicher Verstandesfähigkeit zurück, sondern stellt den Innovationsanspruch des Teatro crítico universal umgekehrt als Fehler dar, Feijoo wird durch die parodistische Textverkehrung ein Spiegel vorgehalten. Trotz der enormen Bedeutung, die Feijoos Frauenverteidigung und die anschließende Debatte für die spanische Geschichte von Genderdiskursen besaßen, wurde diesen Repliken bislang nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Dies kann als Desiderat betrachtet werden, denn in der Kommunikationsstruktur dieser Tex-

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te finden sich bereits spezifische Hinweise auf eine erweiterte Öffentlichkeit, die in unterhaltsamer Form zur Wahrung traditioneller Werte – gleichbedeutend mit der Ordnung der Geschlechter – animiert werden soll. Auch Manco de Olivares möchte als Freund der Frauen erscheinen und es zeigt sich, dass es in dem Konflikt gar nicht um das ‘alte’ Für und Wider die Frau geht, sondern vielmehr um richtige und falsche Strategien der Verteidigung des ‘schönen Geschlechts’. Mit Manco de Olivares’ Contradefensa crítica a favor de los hombres (1726) begann, wie erwähnt, noch im Erscheinungsjahr des ersten Bandes des Teatro crítico universal die Debatte. Mancos erste Erwiderung mit einem Prólogo y dedicatoria al curioso lector ausgestattet ist dabei symptomatisch für den Streit, denn sie erweist sich als ironisch-sarkastische Desavouierung des methodologischen Charakters der Feijoo’schen Argumentation. Typisch hierfür ist ein gegen das rationalistische Falsifikationsprinzip Feijoos gerichteter parteilicher Diskurs, der als persönliche Beschwerde eines betroffenen Mannes getarnt wird und das Geschlechterproblem nicht als Wahrheitsfrage behandelt, sondern in eine fiktive Alltagssituation verlagert. Auf den Gradas de San Felipe, den als mentidero bekannten Stufen der Kirche des Heiligen Philippus,145 so der Erzähler und Protagonist, hatte dieser seine Freunde Don Pedro Boneta und Don Carlos Ossorio getroffen. Er als passionierter Junggeselle warnte die jungen Männer in Form einer Satire vor der ‘Leichtigkeit’ der Frauen. Doch ein anwesendes junges Mädchen fühlte sich von der “satirilla mujeril” beleidigt und konterte selbstbewusst mit den Worten, “Villano, siendo las mujeres una parte del género humano que constituye mitad, ¿como tienes osadía para hablar en su vilipendio? ” (Manco de Olivares 1726: 6), was einen öffentlichen Tumult provoziert. Die Wut des seinerseits Attackierten richtet sich daraufhin gegen Feijoo “como causa fundamental de este daño” (ebd.: 7) und er beschwert sich bei diesem über dieserart “frechen Missbrauch” des Textes durch einige Frauen (ebd.). Die Ehre und Würde eines Junggesellen sieht er in Frage gestellt, wenn dessen (frauenfeindliche) Äußerungen von einer jungen Frau “de no mal arte” in aller Öffentlichkeit unter Rekurs auf Feijoo zurückgewie145 

Der Konvent liegt leicht erhöht zwischen Puerta del Sol und Calle Mayor. Auf ihren Stufen trafen sich die Madrider seit dem 17. Jahrhundert zum Austausch von Neuigkeiten, so wurden die Gradas de San Felipe zum zentralen Treffpunkt und bekanntesten Konversationsort der Stadt.

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sen werden, und zwar derart, dass sie ihm Feijoos Text direkt “um die Ohren haut”. Der Erzähler und Protagonist kann diese Beleidigung nicht auf sich beruhen lassen und beginnt seine “quejas de agraviado” (ebd.: 5). Da er sich nach alter Sitte und “por ley de privilegio” (ebd.: 7) jedoch nicht mit einer Frau anlegt – das alte Ideal des hombre de bien wird in actu vorgeführt –, richtet er seine Erwiderung an den Autor der besagten Frauenverteidigung, den er als Mann, Geistlichen, Priester und Gelehrten schätzt und somit – im Unterschied zu der beleidigten Dame – für einsichtsfähig hält. Er betont den unterhaltsamen Charakter seiner Klage und stilisiert sie als alltagspraktisches Problem, was ihn wiederum davon entbindet, auf die theologischen Fundamente der Argumentation Feijoos einzugehen: “[...] y aunque a trechos jocoso[s], no en grado de profanar el estado de V. Rma. que como a Religioso venero, como a Sacerdote me postro, y como a Sabio dirijo mis razones, no en oposición de su elocuencia, si, como quejas de agraviado” (ebd.: 5, meine Hervorhebung). Manco de Olivares bedient sich hier – bewusst oder unbewusst – des von Christine de Pizan etablierten Frauenklagemotivs in umgekehrter Perspektive und führt sowohl persönliche Betroffenheit wie Parteilichkeit an. Der Text imaginiert demnach als Skandalon, dass sich eine leibhaftige Frau der Feijoo’schen Argumente bedienen und sie gegen Männer wie den Sprecher richten könnte. Dieser fürchtet stellvertretend für sein Geschlecht die Instrumentalisierung Feijoos durch rachsüchtige Frauen, die ihnen wie in der geschilderten öffentlichen Szene geradezu “golpes del Teatro Crítico” verpassen könnten. Damit wird in misogyner Tradition eine weibliche Gefahr stilisiert und das Vokabular des Geschlechterkampfes – das Feijoo gerade auszuhebeln versuchte – programmatisch neu belebt. Ziel der Contradefensa war es folglich, in Umkehrung des von Feijoo postulierten Aufklärungsanspruchs, das Modell gleichrangiger Geschlechter als nicht praxistauglich und fehlerhaft zu entlarven. Manco bezieht dabei die Argumente seiner Feijoo-Kritik aus dem umfassenden theologischen Bestand der Misogynie, jenen “Exzesse[n] hierarchisch-androzentrischer Art in der Theologiegeschichte anlässlich von Schöpfung und Sündenfall”, wie Gössmann diese Form der Topik beschreibt (1989: 30). Frauen sind in diesem Sinne Ursprung allen Übels, unverbesserlich in ihren negativen Attributen und weder selbständig noch entwicklungs- oder intellektfähig: “Tantos Santos Padres que combrueban de ser el feme-

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nil sexo las más veces origen de las depravados vicios, procedidos de su mucha facilidad” (ebd.: 7). So wirft der Autor der Satire nunmehr Feijoo vor, dass dieser den biblisch begründeten Zusammenhang zwischen dem Primat der Schöpfung des Mannes und dessen Superiorität aufhebe. Eine egalitäre Genesis-Interpretation lehnt Manco ohne nähere Begründung ab, obgleich sie mit einem gleichheitstheologischen Ursprungsdiskurs seit den Kirchenvätern (Augustinus) und Christine de Pizan legitimiert werden kann. Die Frau gilt hier trotz ihrer posterioren Schaffung nicht als sekundäres, sondern gleiches, wenn nicht gar höherwertiges Wesen. Der Protagonist der Contradefensa sieht sich aus einem praktischen Grund zur Korrektur des Feijoo’schen Modells gezwungen. Er argumentiert, dass die offizielle Verabschiedung der in der Schöpfung verbürgten Vorrangstellung der Männer diese der Verachtung aussetze, dann nämlich, wenn sich Frauen der “sútiles discursos” des Benediktinerpaters bedienten. Der angegriffene Mann muss sich daher verteidigen: Confieso, que es temeridad el querer delinear cosa en contrario de lo que V. Rma. nos dicta en su elocuente defensa; pero me es preciso por dos causas. La primera, por negar la antelación, y dominio superior del hombre: La segunda, y que con mayor vigor me incita, es verme agraviado, y vilipendiado de una mujer, siendo instrumento, no la fuerza de los sútiles discursos de V. Rma. que de ellos saliera victorioso con mostrarme vencido; si el vigor de los golpes del Teatro Crítico, que embravecidos con la vengativa ira de su impulso, no cesó hasta quedar deshecho sobre mi cabeza el afanoso trabajo de V. Rma. sintiendo en mayor extremo el dolor de los Textos, que como agudos, penetraban los más ocultos retretes del entendimiento, que aún lo vigoroso de sus golpes [...]. (ebd.: 5, meine Hervorhebung)

Im Anschluss an die unterhaltsame Darstellung seiner Motive für eine solche Gegenschrift auf Feijoo, die der Erzähler hier prologartig zusammenfasst, wird eine Gesprächssituation ähnlich der tertulia fingiert, in deren Rahmen sich die drei gleichgesinnten Männer an die Relektüre, eine Art close reading des Textes von Feijoo begeben. Sie ziehen sich zur Erarbeitung einer Disputatio der Defensa de las mujeres zurück, wobei Feijoos Theatermetapher ironisiert wird: “Admitieron el partido, y retiramonos a mi casa, donde se hizo Teatro, en un retirado aposento del Teatro de V. Rma. Pusieronse sobre una mesa docena y media de Libros, los que parecieron suficientes para entrar en su

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ingenioso discurso” (ebd.: 7, meine Hervorhebung). Ausgehend von einem misogynen Repertoire wird das alte Frauenbild hier erneut beschworen und anhand quantitativer Belege legitimiert. Feijoos Argumente werden durchgehend ignoriert, vielmehr durchsuchen die Männer Feijoos Schrift nach Fehlern und kritisieren seinen Sprachstil. Sie blicken aus einer übergeordneten Perspektive des Zensors auf den Text, korrigieren und ersetzen munter Feijoos Argumente und Begriffe. Sie kritisieren etwa den Ausdruck ‘Invektive’ als Bezeichnung für frauenfeindliche Aussagen der Kirchenväter und möchten ihn durch ‘Sentenz’ ersetzt wissen: “[...] que no puede ser invectiva doctrina de tan Santo Padre, como Agustino, sino sentencia; la segunda, que arguye evidentemente la antelación en el hombre, e inferioridad en la mujer” (ebd.: 8, meine Hervorhebung). Dann verkehren sie Feijoos Argumentation hinsichtlich der Genesis, indem sie das Wort ‘Engel’ durch ‘Schlange’ ersetzen und somit Evas Schuld vereindeutigen: “Y así, Señor Don Pedro, ponga V.md. en lugar de Ángeles, Serpientes, que es lo que dice la Escritura, y luego, veremos la consecuencia que sale” (ebd.: 9). Feijoo hatte diesen Satz in seiner Schrift hingegen ironisch formuliert, um die Logik zu hinterfragen, aus der Evas größere Sündhaftigkeit gefolgert wird. Wenn Eva, indem sie Adam verführte, mehr Sünde auf sich geladen habe, dann seien Engel wiederum noch sündiger als Eva, denn diese sei von einem Engel in Versuchung geführt worden. Während Feijoo den verbreiteten “errores comunes” mit Logik entgegen tritt, verfasst Manco de Olivares hier ein parodistisches Anti-Feijoo-Pamphlet, das die alten misogynen Topoi zur erneuten Befestigung des traditionellen Frauenbildes hervorholt. Das Argument Feijoos, die nachrangige Schöpfung Evas könne ebenso als Beweis für ihre Superiorität wie ihre Minderwertigkeit dienen und besage an sich gar nichts, lässt der Junggeselle nicht gelten und beruft sich auf die Vorstellung einer sekundären weiblichen Gottebenbildlichkeit, die in dieser Einseitigkeit nicht immer vertreten werde: “[...] porque Adán fue hecho a la similitud del Criador, y Eva a la de Adán; de donde se infiere ser defectuosa, e inferior la similitud de Eva [...]” (ebd.: 9). Das Attribut weiblicher Schönheit gereicht Manco de Olivares in bekannter Tradition zum Beleg von Unfähigkeit und Unmoral; Frauen gäben außerhalb des Hauses zu nichts anderem Anlass als Verachtung oder Begehrlichkeit und gehörten daher ins Haus (ebd.: 12). Sie hätten zudem nicht die physischen Voraussetzungen zur Konzentration und

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seien somit nicht intellektfähig. Auch die Kriterien der Frauenkataloge werden in Zweifel gezogen. Der Kontrahent Feijoos fragt vielmehr, ob nicht die altorientalische Königin Semiramis nur deshalb so viele Schlachten habe gewinnen können, weil sie ein Heer (männlicher) Soldaten hinter sich gehabt habe, die besonders tapfer waren (ebd.: 13f.). Die Frage weiblicher Bildung wird mit dem Syllogismus beantwortet, Frauen hätten keine theologischen Bücher geschrieben und könnten daher gar nicht gelehrt sein (ebd.: 16). Und auch der Aristotelische Hylemorphismus in seiner simpelsten Version darf nicht fehlen, wonach der Mann das Prinzip der Form(-gebung) verkörpere, die Frau jedoch nur Materie: “Y siendo esto verdad, no hay que sujetarse a su dominio, ni perder la preferencia [...]” (ebd.: 21). Mit diesen einschlägigen Argumenten begründet der Junggeselle seine ehefeindliche Überzeugung, die er im Anschluss an Feijoos öffentlich wirksames Frauen- und Eheplädoyer glaubt verteidigen zu müssen. Seine Satire ist im Unterschied zu Feijoos Aufklärungsschrift an die v.a. männliche Leserschaft in warnender und zugleich unterhaltender Absicht gerichtet. Auch wenn sein Text den Frauen “bitter schmecken” werde, sei er zugleich schmackhaft für all jene (Männer), die wie er dem Maestro Feijoo nicht folgten: “[...] sé que será sabroso manjar, para muchos, que no siguen la opinión de V. Rma. a quién suplico perdón, si acaso la ligereza de mi pluma ha ocasionado algún agravio contra su persona, protestando, que será descuido del corto entendimiento [...]” (ebd.: 23). Mit dieser Technik der Inszenierung schließt der Autor an die dialogische Tradition der frühneuzeitlichen Streitkultur an, welche sich durch intratextuell entworfene dichotomische Positionen auszeichnet. Er aktualisiert zudem die Textpraxis der Satire als Schmähung von Personen und Gruppen. Dieser Rahmen bietet die Möglichkeit, auf die Muster und argumentativen Wendungen der misogynen Rede zurückzugreifen, wobei der Autor weitreichende Kenntnis der Debattentopoi demonstriert und damit seine Autorität im Wettbewerb mit Feijoo gegen diesen stellt. Seine Satire zielt auf die Person Feijoos und zugleich auf misogyne und misogame Polemik. Die Thematik der Frau wird hier aber nicht nur in frauenfeindlicher Tradition abgehandelt, sondern zugleich vom Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses zurückgestuft auf das Niveau einer Polemik.

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₅.₄. NatÜrlicher Frauenverstand und Feijoo-Kritik aus häuslicher Damenrunde: Estrado crítico en defensa de las mujeres contra el Teatro crítico universal de errores comunes Noch im gleichen Jahr veröffentlichte Manco de Olivares unter dem Pseudonym Juan Antonio Santarel[l]i seine ebenfalls unter dem Banner einer Frauenverteidigung stehende satirische Schrift Estrado crítico en defensa de las mujeres contra el Teatro crítico universal de errores comunes,146 mit der er die Feijoo’sche Volksaufklärung und speziell die These weiblicher Intellektfähigkeit erneut zurückweist. In diesem Pamphlet gegen Feijoos Frauenschrift wird dem Benediktiner nicht wie im vorangegangenen Fall durch Verkehrung der Argumentation Misandrie unterstellt, sondern es kommen weibliche Figuren als Betroffene zu Wort, die über die Thesen diskutieren und sie am Ende einstimmig ablehnen. Auch dieses Textbeispiel stellt die Inszenierung eines Gesprächskreises dar – diesmal einer reinen Frauenrunde, die sich nicht öffentlich am mentidero trifft, sondern in häuslichem Rahmen – und knüpft damit an humanistische Dialogtraditionen und Diskursmuster der historischen Querelle des femmes an.147 Darüber hinaus erscheint aber gerade das Verfahren eines privaten Frauenklubs von besonderer nicht nur gestalterischer, sondern inhaltlicher Bedeutung, weil damit eine Geschlechtsspezifizierung der gesellschaftlichen Räume impliziert und die Genderdebatte als ‘weibliches Thema’ aus den öffentlichen Foren in den privaten Bereich verbannt wird. Bereits der titelgebende Hinweis auf den Ort des Geschehens, den estrado als den für Frauen reservierten Bereich des Hauses, konstituiert somit eine genderspezifische Topographie. Metonymisch wird der Begriff auf die von Frauen geführte Debatte über Feijoo ausgeweitet,

146  Vgl. Palau 84567 (1954-55/8: 101). In der Druckgenehmigung erscheint Juan Antonio Santarel[l]i als Autor (Palau 1951/5: 194). 147  Obgleich auch in der Dialogliteratur Männerstimmen dominieren, finden sich auch einige weibliche Gesprächsrunden im frühneuzeitlichen Korpus der Geschlechterdebatte, wobei diese Runden stets Belange des eigenen Geschlechts und damit verbunden Bereiche wie Ehe und Erziehung thematisieren. So inszeniert Moderata Fonte ihre Frauenverteidigung Il merito delle donne (1600 [verfasst 1592]) als Gespräch unter sieben Frauen in einem venezianischen Garten. Erasmus von Rotterdam lässt eine Frauengesprächsrunde über das respektlose Verhalten der Männer klagen (Senatulus sive conciliabulum muliercularum) oder “betroffene” Ehefrauen höchstselbst auftreten (Coniugium, 1523).

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wobei deren zunächst unterschiedliche Meinungen auf eine generelle Kritik an Feijoo reduziert werden. Während zahlreiche französische Frauen, so Martín Gaite ([1972] 1987: 27), an den Salons teilnahmen oder diesen vorsaßen, richteten die auf Konvenienz und Sittlichkeit bedachten spanischen Ehemänner hingegen für ihre Frauen einen reich ausgestatteten Bereich als Unterhaltungs- und Begegnungsraum innerhalb des Hauses ein. Die Sitzfläche für Frauen (estrados) befand sich auf einem Podest, welches durch eine Balustrade von den übrigen abgetrennt war. Nur im Ausnahmefall sollten Männer in ihre Nähe gelangen (ebd.).148 Die mit dem Begriff des estrado daher verbundene räumliche Vorstellung der Geschlechtertrennung149 wurde demzufolge von Verfechtern antimoderner Positionen wie Manco de Olivares bewusst für die textuelle Inszenierung aufgegriffen. Dabei sollten die äußerst wortgewandt und ausgelassen debattierenden Frauen ein attraktives Bild der hinter häuslichen Mauern verborgenen Weiblichkeit vermitteln, das mit seinen eigenen Thesen korrespondierte. Die Frauen – gemeint sind jene der Oberschichten – erscheinen darin an zentraler Stelle als Nutznießerinnen der gesellschaftlichen Verhältnisse, weil sie die Früchte der Arbeit ihrer Männer ernteten. Zwar trügen sie selbst keine Titel und stünden nicht in der Öffentlichkeit, doch wird dies hier als Vorteil ausgelegt und damit begründet, dass sie nicht wie ihre Männer die Anstrengungen der Arbeit ertragen müssten (s.u.). Dass eine solche Position der zeitgenössischen Kritik an Luxusleben und Verschwendungssucht von Frauen geradezu Vorschub leistete, wird nicht thematisiert. Schließlich geht es Manco de Olivares nicht um einen gesellschaftlich tragfähigen Weiblichkeitsentwurf, sondern um die Diskreditierung seines Gegners mit allen zur Verfügung stehenden argumentativen Finten. Die entworfene gesellige weibliche Gesprächsrunde im Haus einer Gräfin wird aus der Sicht des Dieners Don Antonio beschrieben, dessen Autorschaft mit dem Pseudonym Antonio de Santarel[l]i nahe ge148 

Kany (1932: 270), auf den Martín Gaites Ausführungen zurückgehen, bezieht sich zudem auf Spanienreisende, die davon berichten, wie die Frauen hier leger und im Schneidersitz saßen. 149  Der Begriff bezeichnet dem Diccionario de Autoridades von 1732 zufolge die typische Ausstattung – “El conjunto de alhajas que sirve para cubrir y adornar el lugar o pieza en que se sientan las señoras para recibir las visitas” – des Besucherraumes, des Salons, und kann hier metonymisch auf die an diesem Ort versammelte Frauenrunde bezogen werden. Vgl. auch Martín Gaite ([1972] 1987: 27f.).

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legt werden soll. Die tertulia besteht aus vier Damen der Oberschicht, die den gängigen Standes- und Geschlechterkonventionen folgend durch die Berufe ihrer Ehemänner vorgestellt werden (vgl. die Handlungssituierung, Manco de Olivares 1727a: 3). So treffen sich im Haus der Condesa, die nicht namentlich genannt wird, Doña Cándida, Frau eines Obersten, und die Ministergattinnen Doña Clara und Doña Eugenia. Die Damen werden durch ihre Reden charakterisiert, entpuppen sich aber als bloße Abbilder für bestimmte Frauentypen und Meinungen, die sich in ihren Namen spiegeln. So steht Doña Cándida [candidez] namentlich im Kontrast zu männlicher ‘prudencia’, mit der wiederum Doña Eugenia ausgestattet ist, die ihren Namen am Schluss lieber mit ingenuidad als ingeniosidad assoziiert: “la ingenuidad con que he hablado, merece el nombre que me habéis dado metafóricamente de ingenia, me lo mudeís en ingenua” (ebd.: 43), um nicht selbst den Vorwurf der Pseudogelehrtheit zu ernten, den sie Feijoo direkt und indirekt in all ihren Reden gemacht hatte. Dass ausgerechnet ein Mann, der Diener der Hausherrin, als Voyeur dieser illustren Damenrunde fungiert und – als einziger Zeuge ihrer Gespräche – zum Erzähler des Textes avanciert, verweist auf den geschickten Einsatz einer solchen Konstellation als Diskursstrategie. Auch der heimliche Beobachter – obgleich dies im ersten Moment als anstandslos erscheint – wird durch seine untergeordnete Standeszugehörigkeit legitimiert und seine Anwesenheit unterstreicht ein weiteres Mal die performativ vermittelte Geschlechterordnung: nur ein Mann, notfalls aus niederem Stand, kann die Vermittlung des innerhäuslichen Geschehens nach außen in die publizistische Öffentlichkeit übernehmen und sich des über die Reichweite der (Alltags-)Konversation hinausweisenden Mediums Schrift bedienen. Alle Passagen des weiblichen Meinungsstreits werden somit durch Don Antonios Perspektive gefiltert. Er ist es, der sie in direkter oder indirekter Form und mit Kommentaren sowie Beobachtungen versehen, wiedergibt. Der Text des Estrado crítico parodiert folglich nicht nur auf der Ebene der Argumentation die Feijoo’sche Vorurteilskritik, sondern setzt gegen die mit gänzlich anders gearteten Konsequenzen verbundene potentiell egalitäre Frauenrolle eine Geschlechtsspezifizierung gesellschaftlicher Räume in Szene. Die Verwendung fingierter weiblicher Stimmen in dieser Satire zielt auf eine Herabsetzung Feijoos, dessen epistemologische Reflexionen der Geschlechterfrage hier als Stoff des Tratsches in einer munteren, unterhaltsamen Kaffeerunde behandelt

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werden und somit – im alten Paradigma der adligen ociosidad – der reinen Unterhaltung einer gelangweilten Damenwelt dienen. Vier Frauen der höheren gesellschaftlichen Schicht streiten über Aktualität und Inhalte der Schrift. Wie im Drama wird dem Text hier eine Situierung der Handlung durch Ort und Figurenkonstellation vorangestellt. Er ist in vier Estrados – hier gleichbedeutend mit den täglichen Treffen – gegliedert, denen ein jeweiliger Gesprächs(nachmit)tag entspricht, so dass sich die Unterhaltung über vier Tage erstreckt und an die Gesprächsrahmung in der Tradition barocker Novellensammlungen à la Boccaccio, Marguerite de Navarre oder auch María de Zayas erinnert. Allerdings werden anders als in der novellesken Tradition im Text des Estrado crítico keine Geschichten eingefügt. Die Situierung des Gesprächs – durch Eintreffen und Verabschiedung der Besucherinnen sowie die Reichung von Erfrischungsgetränken – ist folglich die Rahmenhandlung der als Salon inszenierten ‘Feijoo-Debatte’ und organisiert narratologisch die Aufeinanderfolge der Themen. Ähnlich wie in den beliebten Gesprächsrunden an öffentlichen Orten, in Kaffeehäusern, Apotheken, Buchhandlungen und mentideros, regt die Hausherrin an, sich über aktuelle Themen und Neuigkeiten aus der Welt auszutauschen. Einer der Teilnehmerinnen erscheint dieses Interesse an öffentlichen Belangen jedoch schamlos, weil es das Gebot weiblicher Zurückgezogenheit bricht: “éstas materias no son para nosotras” (Manco de Olivares 1727a: 3), führt die versammelten Frauen jedoch mitten hinein in die Diskussion und damit zu Feijoo, dessen Thesen im doppelten Sinne eine Neuheit implizierten, nämlich in inhaltlicher Hinsicht und als publizistisches Phänomen. Während Doña Cándida damit als konservative, einfache Frauenfigur charakterisiert wird und kaum an Kontur gewinnt, kann sich die Dame des Hauses im Kontrast dazu als salonnière und Preziöse profilieren.150 Entsprechend der zeitgenössischen Vorstellung von Salon und Preziosentum – weniger dem, was Molière und Scudéry damit verbanden

150  Sie organisiert und moderiert das Gespräch, wobei sie sich zwischen vielfältigen Kodes hin- und her zu bewegen vermag. So benutzt sie sowohl preziöses Vokabular als auch derbe, volkstümliche Ausdrücke. Mit folgenden metaphorischen Wendungen kündigt sie Getränke an und lobt die kurzweilige Rede Eugenias, die aus Feijoos Werk “Hackfleisch” zu machen wusste: “Eugenia [...] ¿no es tiempo que mojes la palabra? Qué se me pasó la hora con el gusto de oirte tanta especie como le hechas a la chanfaina del Teatro del Padre [...]” (ebd.: 27, meine Hervorhebung).

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(vgl. Baader 1996) – beruft sich die von Manco de Olivares geschaffene Figur der Gräfin auf Feijoos Thesen und nutzt sie für ihr Argument, Frauen seien durchaus zu ernsten Unterhaltungen fähig: ¡Como no respondió mi Ama! Y más ahora que el Rmo. P.M. Feijoo, Maestro General, Catedrático y Abad, que fue; en un Libro, que escribió, lleno de erudición; entre otras cosas, que toca, asienta, que nosotras somos capaces de discurrir, como los hombres; y aún nos abre camino, para poder levantar la fantasía a más, que nosotras: que el alma es la misma, y que en la organización no hay desigualdad; y en prueba de esto, ¡qué de Mujeres celebres nos trae! qué de pruebas tan convincentes, para canonizar este asunto, y sobre todo, el estilo, con que lo dice, me ha hecho dudar, si las ventajas están en las voces, o en las sentencias; corriendo tan paralelas estas líneas, que nadie podrá formar de ellas figura, que no sea equilátera. (Manco de Olivares 1727a: 3)

Wie im Contradefensa-Pamphlet inszeniert Manco auch hier das Skandalon einer Frau, die von Feijoo ermutigt eine Möglichkeit der gesellschaftlichen Partizipation einfordert. Genau diese von den Frauen selbst erhobene Forderung, die Feijoo explizit nicht vertreten hatte, wird als das eigentliche Skandalon seiner Schrift begriffen. Während sein Text das Problem der Geschlechter als Erkenntnisproblem behandelt und die wesenhafte Gleichheit beider über soziale Unterschiede erhebt, bleibt Manco de Olivares’ Perspektive auf die tradierte sittlichmoralische Dimension des Problems beschränkt. So lässt er seine Figur Doña Cándida, die das sittliche Gebot der ‘Lektüreabstinenz’ korrekt einhält, ihre Gegenposition bekräftigen und mit Argumenten aus zweiter Hand, vom Hörensagen, untermauern. Auf keinen Fall möchte sie als lesende Frau erscheinen. Doch auch ihre Verwandte, auf deren Feijoo-Lektüre sie sich beruft, wird in Schutz genommen und vor dem Verdacht eines mit unnützem Wissen beschäftigten ‘gelehrten Frauenzimmers’ geschützt. Vielmehr erscheint auch diese als mustergültiger Fall der favorisierten natürlichen Weiblichkeit, die vom Autor als Ideal etabliert wird: “[...] aunque no es grande Estudiante, tiene una razón natural, clara, para distinguir lo blanco de lo negro” (ebd.:, meine Hervorhebung). Mit solcherart ‘gesundem weiblichem’ Verstand ausgestattet, vermag sie schließlich das richtige Urteil über Feijoo zu fällen, dem sich Doña Cándida so beflissen angeschlossen hatte: “[...] a mi Pariente oí hablar de este Libro, y dijo que tenía más hojas y flores que fruto [...]” (ebd.).

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Manco de Olivares bedient sich hier eines geschickten inszenatorischen Kunstgriffs, um seine Argumente zugleich auf der performativen Ebene auszustellen: die den Text strukturierende Grundthese, dass es nicht auf Wissen(-schaftlichkeit) ankomme, sondern allein auf den gesunden Menschenverstand, setzt er anhand des Frauengesprächs als Handlung um. Für die Frau hieße dies, ihrem ‘naturgegebenen Frauenverstand’ zu vertrauen, was anhand der weiblichen Figuren und ihres Verhaltens, d.h. durch die Handlung im Text vorgeführt wird. Mit Hilfe der vier aufeinanderfolgenden Gesprächsnachmittage wird ein Erkenntnis- und Besserungsprozess der Frauen in Szene gesetzt. Dass es in diesem Sinne für richtige Einsichten nie zu spät ist und der Erzähler den Frauen durchaus eine Fähigkeit zur Perfektibilität unterstellt, zeigt sich zuallererst in der Figur der Hausherrin, die am Ende von ihrer ‘Feijoo-Verblendung’ geheilt scheint und sich von den Argumenten der Wortführerin Doña Eugenia überzeugt zeigt. Im Folgenden möchte ich die Handlungsebene skizzieren und auf die Entfaltung des genannten Disputs eingehen. Der zwischen der Gräfin und Doña Cándida entstandene Disput über Feijoo wird durch die Ankunft einer weiteren Besucherin unterbrochen. Es ist Doña Eugenia, die sich im weiteren Verlauf der Gespräche zur ungeschlagenen Rednerin und Vermittlerin des Streits entwickeln wird und somit von der Hausherrin den Vorsitz in dieser Runde eines Estrado crítico übernimmt. Nicht zufällig ist sie die einzige Witwe, denn erst dieser Stand – befreit von den Verpflichtungen des Mutter- und Ehefrauendaseins – legitimiert ihre genderuntypische Belesenheit und Wortgewandtheit. Sie ist zudem für die Rolle der Richterin prädestiniert, weil sie juristische Kenntnisse von ihrem Mann erhalten – nicht etwa eigenständig erlangt – hat: “[...] yo he sido Mujer de un Jurista, y con lo poco que de él aprendí, y otro poco que he visto en la Librería que me ha dejado, te he de satisfacer [...] en señalarte los escollos en que puedes naufragar [...]” (ebd.: 4). Doch verbündet sie sich gerade nicht mit der aufgeklärten Hausherrin, sondern wird dieser vielmehr die mit einfachem ‘Hausverstand’ fassbaren Fallstricke der Feijoo’schen Argumentation enthüllen. Stellvertretend und mit den Argumenten des Autors Manco de Olivares warnt sie die Runde vor dem verborgenen ‘Gift’

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der Feijoo’schen Frauenfreundlichkeit,151 “Es el veneno de este Libro, al modo del Alacrán que mata deleitando” (ebd.: 4), und appelliert an deren ‘natürliche Einsichtsfähigkeit’. Doch so leicht lässt sich die Gräfin nicht von ihrer Position abbringen und führt Feijoos Wissen auf historischem, politischem und physiologischem Gebiet sowie seine Bekanntheit unter den Zeitgenossen an: “[...] que no habrá buen gusto que lo lea, que no le llame el Narciso de las ciencias [..]”, was Eugenia sofort widerlegt und parodistisch in eine Selbstliebe des Autors verkehrt: “Narciso si [...] pero Narciso de si mismo” (ebd.). Damit gibt sie auch den Tenor für die Kritik der Frauenrunde an Feijoo vor, die aus einem vermeintlich natürlichen Instinkt der Frauen resultiere, hier jedoch ein Mittel der Satire auf den gelehrten Theologen darstellt. Eugenia karikiert Feijoo im Verlauf ihrer Rede immer wieder und setzt seine Person herab, sie belustigt sich über seine Rhetorik (ebd.: 6) oder legt ihm nahe, bescheiden zu schweigen, wenn er schon keine Weisheit besäße (ebd.). Neben diesen Elementen greift sie Motive des historischen Frauenstreits auf, z.B. indem sie Feijoos Frauenlob als eitle Schmeichelei deklariert: er lobe die Frauen unter dem Deckmantel der Aufklärung und schreibe doch in Wahrheit nur deshalb Hunderte von Blättern voll, weil er sie für sich einzunehmen hoffe, was ein Jüngling, “sin más Librería que la cartilla” (ebd.: 7), in nur einer Viertelstunde und ohne derartiges Geplänkel schaffe. Mit der Nominierung Eugenias als Richterin durch die Hausherrin entfaltet sich ein literarisches Tribunal, wie es für die Epoche neu eröffneter gesellschaftlicher Kommunikationsformen durchaus typisch war. So lesen und debattieren die vier Damen in typischer tertuliaManier und liefern sich einen Meinungsstreit, der am Ende im Namen der Vernunft entschieden werden soll. Dass diese Position durchaus mit einem Anspruch auf Allgemeingültigkeit verbunden war, manifestiert sich in Eugenias Argumentation, die sich gegen Feijoos Kritik am vulgo und den errores comunes wendet und damit schließlich den Boden für ihr eigenes Plädoyer – gegen abstrakte Bildung und für gesunden Menschenverstand – zu bereiten weiß. Auch ohne die höheren Weihen der Gelehrsamkeit sei den Men151  Diese Metaphorik setzt sich fort, wenn Feijoo als “großer Chemiker” bezeichnet wird, der aus dem Gift sogar noch ein Heilmittel zu machen wisse (ebd.: 5). Gemeint ist, dass er den Frauen mit ‘falschen’ Argumenten schmeichle.

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schen ein natürlicher Verstand eigen, ohne den niemand, auch der Wissenschaftler nicht, auskomme: “Se hallan hombres de un entendimiento claro, capaces de discernir, aunque sin letras, con más ventajas que otros sin ellas: [...] Y como llamaremos a los que teniéndolas, tienen estragado el juicio para practicar las cosas: la ciencia es locura, si buen seso no la cura” (ebd.: 6f.). Während Feijoos Teatro crítico universal sich explizit gegen verbreitete Volksweisheiten, Aberglaube, Irrtümer und die damit verbundene einfältige Frömmigkeit abgrenzte, greifen Mancos Frauenfiguren programmatisch gerade auf diese folkloristischen Spruchweisheiten zurück und führen auf humoristische Weise Feijoos wissenschaftlichen Rationalismus zugunsten einer häuslichen Vernünftigkeit ad absurdum. Zu ihren Argumenten suchen sie jeweils passende refranes und proverbios aus dem überlieferten Zitatenschatz der Spruchweisheiten, welche als “philosophia vulgar” im Siglo de Oro begründet und verbreitet wurden. Die Thesen Feijoos, so die Wortführerin Eugenia, basierten nicht in erster Linie auf überzeugenden und rationalen Argumenten, sondern seien vor allem mit “politischen Absichten” verfasst. Sie vergleicht ihn mit Luther und dem Propheten Mohammed, welche mittels Reformation und Koran die Völker gespalten hätten und somit als Politiker und gegen den gesunden Menschenverstand gehandelt haben (ebd.: 7). Eugenia stellt sich entsprechend ihrer Rolle dumm: sie verstehe nicht, warum Feijoo die Gleichheit der Geschlechter so vehement verteidige, wo doch schon Plutarch und andere diese These vertreten hätten und diese mehr als wahrscheinlich sei (ebd.: 8). Die Damenrunde will sich nun dem zentralen Kapitel in Feijoos Schrift, seinen Thesen zur weiblichen Verstandesfähigkeit zuwenden. Doch sind die Frauen von Feijoos Text derart ermüdet (eine Beleidigung des Autors: “después de fatigarse (si es que pueda causar fatiga, discurrir tan tibiamente) y fatigarnos”, ebd.: 8), dass Doña Clara um eine Erfrischungspause bittet und Eugenia erstmals eine Frage stellt. Hinter der von Feijoo kritisierten Formel, Frauen könnten gerade einmal einen Hühnerstall regieren, verberge sich lediglich ein Missverständnis, so Eugenia. Es besage, dass Frauen im Hause regieren, nicht aber, dass sie nicht verstandesfähig oder keine rationalen Wesen wären (ebd.: 8f.). Mit einem refrán beendet sie ihre Darstellung: “no hay desatino que no tenga su Padrino” (ebd.: 9), hier natürlich auf Feijoo gemünzt. Nun stimmt auch die schweigsame Clara in den Chor der Feijoo-Kritikerinnen ein

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und gibt der Gräfin einen haushälterischen Rat: sie solle die erworbene Schrift, die ihr Geld nicht wert sei, doch an die Buchhandlung zurückschicken. Dies sei möglich, sofern ihr Mann dem Kauf nicht zugestimmt habe, denn als geschäftsfähig galt nur dieser, nicht seine Ehefrau. Der Vorrang männlicher Autorität wird hier gegen Feijoo gewendet und ironisiert, insofern die Frauen sich die Hierarchie im eigenen Interesse zunutze machen. Doch nicht nur in Doña Clara und Doña Cándida, die frauentypische Belange mit einem ‘unverbildet’ einfachen und klaren Verstand bewältigen, manifestiert sich die von Manco de Olivares entworfene idealtypische Weiblichkeit, sondern auch in der auf den ersten Blick ambivalenten Figur der Eugenia, die wortreich und bewandert argumentiert, jedoch die Intellektualität, die sie besitzt, keineswegs als vorzeigbar und erstrebenswert erachtet. Dass die Vorstellung einer im Hinblick auf den richtigen Einsatz ihrer Kenntnisse ‘gebildeten’ Frau durchaus nicht neu ist, zeigt die Konzeption der “mujer sabia”, die hier an Eugenia ablesbar wird: ihre Klugheit und Fähigkeit bestehen in erster Linie darin, dass sie Relevanz und Adäquatheit ihres Wissens einschätzen kann, d.h. sie weiß, was sie wissen darf und vermag somit, die geschlechtsspezifischen Grenzen geschickt einzuhalten. Manco de Olivares, der sich mit dem Estrado crítico gegen Feijoo als ‘wahrer’ Freund der Frauen profilieren möchte, vertritt demnach die These weiblicher Verstandesfähigkeit, allerdings in dezidierter Abgrenzung von der männlichen Wissenskultur. So repräsentiert Eugenia eine Frau, die zum gelehrten Disput zwar befähigt und Männern (zumal so herabsetzend dargestellt wie Feijoo) überaus gewachsen ist, sich als Frau jedoch bei der öffentlichen Meinungsäußerung bewusst zurückhalte. Somit benötige sie eine Verteidigung wie die Feijoos gar nicht. Sie verlacht die Argumentation des Geistlichen und stellt ihn als Pseudogelehrten dar, der – anders als sie selbst – durch falsches Wissen irregeleitet sei. Am dritten Nachmittag kommt die Frauenrunde nun tatsächlich zur Kernfrage der Feijoo’schen Verteidigung und wiederum ist es Eugenia, die die Argumente der Entgegnung entwickelt. Sie greift dabei auf Feijoos Parteilichkeitsargument zurück, das dieser mit einer Fabel über die Beziehung zwischen Mensch und Löwe illustriert hatte. Da die Männer die Gesetze machen, sind Frauen aus Regierung, Ämtern und Öffentlichkeit verbannt. Doch welche Rechtsgrundlagen Feijoo hier meint, so die Witwe des Richters, spare er aus, obwohl er

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sie zur Verteidigung der Frauen hätte anführen können. Darin sieht Eugenia den Beleg, dass Feijoo den Frauen mit seiner “Verteidigung” nur schmeichelt, denn kein halbwegs gebildeter Mann wolle ihnen tatsächlich etwas anhaben (ebd.: 10). Die Gesetze selbst stünden genau genommen im Dienst der Frauen, nicht in dem der Männer. So fragt Eugenia rhetorisch, wer hier der echte Bischof sei, jener, der den Namen trägt, oder der, welcher die Früchte der Bischofspension und des Bistums – sie meint dies bezogen auf die Ehefrauen als Nutznießerinnen – erhalte? Im Unterschied zu Feijoo entwickelt Eugenia hier eine ökonomisch-praktisch orientierte Geschlechterphilosophie und veranschaulicht diese mittels einer Gegenüberstellung des Geschlechteralltags. Sie beschreibt den mühsamen Arbeitstag eines Richters von morgens fünf bis abends neun Uhr, während seine Frau um neun aufsteht und um zehn zum Toilettentisch gehe, um sich von der Dienerin schön machen zu lassen. Den Tag verbringe sie mit Kirchenbesuch, Spaziergängen und Treffen mit Freundinnen – in diesem Modell sind freilich die Damen des Estrado crítico selbst erkennbar, an deren gesunden Menschenverstand sie angesichts des ausgelaugten Richters und seiner lebenslustigen Frau mit der polemischen Frage appelliert: “Digame, pues, Padre Maestro, ¿quién de estos dos disfruta el empleo de Ministro?” (ebd.: 13). Sie rühmt sich ihrer Klugheit, die Wahrheit durchschaut zu haben und sich von niemandem, auch keinem Ovetenser Professor, ein X für ein U vormachen zu lassen: “no nos tenga por tan cándidas, ni por tan topos, que permutásemos los ojos por el rabo” (ebd.). So behauptet sie, Frauen regierten – obgleich sie unbedarft und simpel erschienen – keineswegs weniger und baut eine weitere Spitze gegen Feijoo ein, indem sie das ‘weibliche’ Prinzip der Macht auch auf ihn überträgt: habe nicht der ein besseres Leben, der ohne Ämter und ausgestattet mit dem unwirklichen Titel eines Maestro General weniger regiere, aber große Mühen meide (ebd.: 14)? Schließlich lautet das ironische Fazit Eugenias, Männer hätten die Gesetze in geradezu weiblichem Affekt und schlichter Unbedarftheit gemacht, “pues se tomaron los huesos y nos dejaron la carne” (ebd.). Ihre Art der ‘Aufklärung’ dieser Frauenrunde zeigt Wirkung und auch die Gräfin und Gastgeberin zeigt sich nun endlich überzeugt von der Kritik an Feijoo. Sie ärgert sich nicht nur über das verschwendete Geld und zeigt damit, dass sie dem lebenspraktischen ökonomischen Verstand den Vorzug gibt, sondern stimmt in den Spott ein:

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[...] pero más dinero no gasto con Abogado que citándole leyes, responde con historias y con argumentos físicos y tísicos: vaya con Dios y sea Juez, como quisiere, que estas sentencias ni a nosotras ni a los hombres perjudican, no sólo por ser competente para Juez, pero ni tampoco para escritor. (ebd.: 15)

So hat sich – in der Lesart von Manco de Olivares – weibliche ‘Lebensklugheit’ in Form der Damenrunde des Estrado crítico und verkörpert in einer fast zur Allegorie erstarrten Doña Eugenia höchstselbst gegen Feijoo durchgesetzt. Die Wortführerin des Salons proklamiert wahre Klugheit für sich, indem sie den anderen Frauen immer wieder aufzeigt, wie sie die Tricks von Pseudogelehrten erkennen könnten. In diesem Sinne unterweist sie ihre Zuhörerinnen: “Ay, amigas, mi parecer es, que en lo que debemos estudiar, es en saber discernir los hombres prudentes y sabios, de los que no lo son: no entiendo por hombres prudentes y sabios aquellos que sólo le quieren probar por los grados extrínsecos de Catedrático [...]” (ebd.: 32). In vier abschließenden Sentenzen entwirft Eugenia nun eine andere Logik der Frauenverteidigung: sie vertritt ihr Geschlecht gegen Feijoo und rehabilitiert die gesellschaftliche Vormachtstellung der Männer, die sie in ihren Reden stets als Vorteil für die Frauen ausgelegt hatte, und ihr wird von der nun einhellig überzeugten Damenrunde applaudiert. Dass auch die Frau (als Mensch und Gattungswesen) mit Rationalität ausgestattet ist und demnach von gleicher Verstandesfähigkeit wie der Mann (ebd.: 40), scheint ihr ganz unbestreitbar. Doch leitet sie daraus eine überzeitliche Geltung und andere soziale Positionen in der Ehe ab, als dies bei Feijoo der Fall war: En el segundo declaramos al hombre por cabeza y superior de la mujer y mandamos a todas las casadas les presten y den la obediencia debida a sus maridos sin ir ni contravenir ahora ni en ningún tiempo contra esta sentencia, ni por via de disputa ni réplica; sino que ciegamente les obedezcan (excepto en materia que contraviniese a la Fe) y le dejamos su derecho a salvo [...]. (ebd.: 41, meine Hervorhebung)

Ihr Konzept der ‘klugen Frau’ (“las mujeres discretas me entenderán”, ebd.) bezieht sich dabei gerade auf diese Anforderung, gesellschaftliche Konventionen als richtig zu erkennen und dementsprechend einzuhalten, d.h. sich gegen Verführungen aller Art – hier wird wiederum auf Feijoo angespielt – durch Liebhaber des Neuen oder

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Feinde des Friedens zur Wehr zu setzen. Dementsprechend definiert sie in ihrer dritten Sequenz den Aspekt weiblicher Bildung wie folgt. Die klugen Autoren sollten somit das (zweckfreie) weibliche Studium als ehrenrührig missbilligen und nicht nur für die Frauen selbst, sondern für die gesamte Familie untersagen: [...] los Autores juiciosos y literatos reprueban el uso de las letras a las mujeres por las muchas desgracias y deshonras que se les han seguido por haberse entregado al estudio de las ciencias y consiguientemente disputando con los hombres; y que no puede contrapesar la vana ostentación de ser literatas a los riesgos a que exponen el honor que siendo este difusivo a toda la familia, deben tener grande ciudado en conservarle [...]. (ebd.)

Darauf folgt dann die – in abgewandelter Form auch von Feijoo verwendete – moralische Befürwortung weiblicher Instruktion, insofern sie für die weibliche Seele von Nutzen sei und der Erhaltung der Familie diene (ebd.). Dass Manco de Olivares, ebenso wenig übrigens wie Feijoo, eine wirklich unterschiedslose Seelengleichheit postuliert, wird an dieser Stelle deutlich, insofern er alle Frauen erneut mit Eugenias Worten an die ihnen verliehene naturgegebene Vernunft und dementsprechend getrennte Wissensbereiche erinnert: “[...] que las mujeres no disputen con sola la luz natural con los hombres científicos aquellas materias en que están instruidos por no ponerse al desaire de quedar reputadas por necias [...]” (ebd., meine Hervorhebung). Ebenso lächerlich wie Feijoos Bruch mit der konventionellen Geschlechterhierarchie erscheinen hier jene Frauen, die sich auf unerlaubte Wissensgebiete vorwagen. Am Ende sehen alle Frauen in Eugenia das Vorbild der wahrhaft modernen Frau (“ingenia de estos tiempos”, ebd.: 42, meine Hervorhebung), womit Feijoos rationalistischer Weiblichkeitsentwurf als nicht zeitgemäß diskreditiert werden soll. Um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von Feijoo angeführten Argumenten, Autoritäten und Traditionen zu umgehen, imaginiert er einen ‘einfachen’, der wissenschaftlichen Rationalität überlegenen Menschenverstand, den alle vier Frauen trotz ihrer sonstigen Unterschiede besitzen und den sie durch ihre Kritik an Feijoo ‘unter Beweis stellen’. Damit wird die Relation der Geschlechter erneut als naturgegebene Konstellation betrachtet und aus ihren erkenntnis- und gesellschaftstheoretischen Zusammenhängen isoliert. Bei Manco de Olivares erscheint sie auf eine

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alltagspraktische, den Privatbereich und die Frauen betreffende Frage reduziert, die sich nicht auf der Basis von Bildung und Wissen reformieren lässt, sondern sich als naturgegebene Ordnung allein mit dem Instrument natürlicher Vernunft verstehen lasse. Anders als Feijoo geht es Manco de Olivares – fern ‘theoretischer Spekulation’ – allein um die gesellschaftlich relevanten Aspekte des Geschlechterverhältnisses und die Wahrung moralischer Konventionen, die für ihn den Kern der Geschlechterproblematik bilden. Somit gibt auch er in Form der inszenierten Frauenrunde vor – in Konkurrenz zu Feijoo – das weibliche Geschlecht zu verteidigen, doch stellt er gegen Feijoos Argumentation seine eigene Strategie eines echten Frauenlobs. Er profiliert sich damit seinerseits und gegen Feijoo als Aufklärer, was an den Titel seiner Schrift anknüpft, die dessen Werk als “Teatro Crítico de errores comunes” (meine Hervorhebung) der Lächerlichkeit preisgibt.

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6. WEIBLICHE HERAUSGEBERFIGUREN IM DISKURS DER SPANISCHEN WOCHENSCHRIFTEN

Die Verschränkung von unterschiedlichen Argumentationsmustern und Diskurstraditionen als Merkmal des aufklärerischen Geschlechterdiskurses, wie wir sie anhand von Feijoos Frauenverteidigungsschrift und der anschließenden Debatte vorgestellt haben, findet sich auch in den literarischen Wochenschriften und ist hier mit der Herausbildung einer neuen Textsorte verbunden.152 Im europäischen Kontext hatte das Genre (in Gestalt des englischen Spectator Bezugspunkt auch bei Habermas) entscheidend zur Herausbildung einer modernen Öffentlichkeit beigetragen.153 Auch in Spanien entstehen nach diesem Muster zahlreiche Wochenschriftentexte und erreichen dank ihrer Marktorientierung gute Auflagen und eine ungewöhnliche Breitenwirkung. Sie vermitteln unterhaltsame und zugleich kritische Diskurse an eine städtische Öffentlichkeit und zielen auf die Vermittlung allgemeiner Themen.154 Vor

152  Ich verwende die aus der Germanistik stammende Terminologie moralische bzw. literarische Wochenschrift, die auf deutsche Wochenschriftentitel des 18. Jahrhunderts zurückgeht und als Genrebezeichnung von Martens (1968: 100f.) etabliert wurde. In der spanischsprachigen Forschung zirkulieren verschiedene Begriffe wie semanario, periódico de tipo espectador oder prensa de ideas oder prensa crítica. 153  Dies gilt auch für den Bereich der Romania (vgl. u.a. Ertler 2011). 154  Einen bequemen Zugang zu den spanischen Wochenschriften liefert eine Datenbank, die 2011 an der Universität Graz eingerichtet wurde und sämtliche Wochenschriften der Romania in digitalisierter Form zur Verfügung stellt: http://gams. uni-graz.at/mws (konsultiert am 28.7.2012). Das Projekt wurde von Klaus-Dieter Ertler initiiert.

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allem aber dienen sie wie ihre englischen Vorbilder der Etablierung neuartiger, von säkularen Gesellschaftsvorstellungen ausgehenden Werten (Brandes 1999: 225). In deren Kontext stand das komplementäre, auf arbeitsteilige Geschlechterrollen ausgerichtete Modell, das auch zahlreiche spanische Wochenschriften (El Pensador, El Censor, La Pensadora Gaditana u.a.) an prominenter Stelle inszenieren.155 Europaweit diente das Genre der Popularisierung aufklärerischer Diskurse und Brandes (1999: 231) hält dazu fest: “Wie kaum ein anderes literarisch-publizistisches Genre des 18. Jahrhunderts trugen sie zum Aufbau einer sozialen Identität bei, indem sie einem bürgerlich ausgerichteten Welt- und Menschenbild zur Geltung verhalfen. Sie wurden zum populärsten Sprachrohr der Aufklärung, zur ‘Schule der Nation’ [...]”. Zugleich wurde in ihnen die naturrechtlich begründete Anthropologie, derzufolge alle Menschen als wesenhaft gleich und mit Vernunft ausgestattet betrachtet werden, in Form eines mündigen, geschlechterübergreifenden Publikums umgesetzt. Die Wochenschriften sind darüber hinaus geprägt von einer besonderen Präsenz des Weiblichen, die – wenn nicht in Gestalt der leibhaftigen Autorin – in Form literarischer Figurierungen der Leserin, Korrespondentin und Herausgeberin in Erscheinung tritt. Letztere Neuerung soll im Zentrum des vorliegenden Kapitels stehen. Dabei soll es nicht nur um die im Text thematisierten Rollenmuster gehen, sondern um deren performative Umsetzung, beispielsweise die Inszenierung eines weiblichen Habitus oder die Formen geschlechterübergreifender Kommunikation der Figuren, die einen alternativen Kommunikationsraum schaffen. So zentral wie die Aristokratin für den Salon ist für die Entfaltung eines neuen Lesepublikums die weibliche Herausgeberfigur, die als diskursive Instanz die neue weibliche Rolle thematisiert und zugleich selbst in all ihrer Ambivalenz verkörpert. Am Beispiel des Genderdiskurses der Wochenschriften wird somit die textuelle Entfaltung sozialer Rollenmuster in besonderer Weise einsichtig. So analysiert Shevelow (1989: 4) die restriktive Formung weiblicher Verhaltensweisen in den frühen englischen Zeitschriften und betont, dass die besondere Aufmerksamkeit gegenüber ‘weiblichen Belangen’ einerseits der Frauenrolle neue gesellschaftliche Bedeutung bescherte, andererseits aber deren grundlegende soziale Abgrenzung und biologische Festschreibung mit sich brachte: 155  Speziell zum Geschlechterdiskurs in diesen Wochenschriften vgl. Barnette (1995), Kitts (1995) und insbesondere zum Männlichkeitsdiskurs Heße (2008).

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The periodicals’ characteristic attention on women and ‘women’s concerns’ [...] served an emerging ideology that, in the act of making claims for women’s capabilities and social importance, constructed women as essentially – that is, both biologically and socially – ‘other’ than men. (Shevelow 1989: 1f., meine Hervorhebung)

Das essenzialistische Modell der Geschlechterdifferenz ist für den Wochenschriftendiskurs folglich konstitutiv und dies, so möchte ich im Anschluss an Shevelow argumentieren, nicht nur insofern es hier als gesellschaftliche Wirklichkeit beschrieben wird, sondern auch indem es von den Figuren selbst umgesetzt und in der sprachlichen Interaktion realisiert wird. Dementsprechend sieht Shevelow (1989: 3) in den englischen Zeitschriftenvorbildern sogar “one of the principal linguistic sites for the production of a new ideology of femininity and the family”. An diese These der Herausbildung einer ständeübergreifenden, nach Geschlechterrollen strukturierten Mittelschicht im Medium der Wochenschrift schließe ich im Folgenden an und werde die kommunikativen Strategien spanischer Wochenschriften analysieren. Dabei gilt es deren grundlegende Ambivalenz sichtbar zu machen. Diese besteht etwa in der Verknüpfung des bürgerlichen Häuslichkeitsideals, das Frauen aus der Öffentlichkeit ausschließt, mit einem Wochenschriftendiskurs vornehmlich weiblicher Figuren, die im Rahmen ihrer literarischen Inszenierung die männlich geprägte Öffentlichkeit erobern. Das vorliegende Kapitel diskutiert die Besonderheiten dieser weiblichen Performanz am Beispiel zweier Wochenschriften mit weiblicher Herausgeberfigur.156

156 

Aus der umfassenden Bibliographie zum Thema sei hier verwiesen auf einzelne Studien, die für unseren Zusammenhang relevant sind und auf die ich im Einzelnen zurückkommen werde. Eine vergleichende Studie zu den deutschen moralischen Wochenschriften im europäischen Kontext hat Martens (1968) vorgelegt, der das Genre erstmals definiert. Einen genderorientierten Zugriff auf die frühen englischen Wochenschriften (Athenian Mercury und The Tatler mit männlicher Herausgeberfigur) bietet Shevelow (1989). Zu wichtigen spanischen semanarios vgl. Ertler (2003, 2004) sowie Ertler/Hodab/Humpel (2008).

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₆.₁. Zur Spezifik des Genres: Herausgeberfigur und Diskurs der Wochenschrift₁₅₇ Mediengeschichtlich wird die Entstehung von Presse und zeitschriftenartigen Textsorten im 18. Jahrhundert gemeinhin als entscheidender Einschnitt und Auslöser für eine fundamentale gesellschaftliche Umorientierung, ja den Prozess der Modernisierung selbst begriffen. Die moral weeklies nehmen unter ihnen eine besondere Stellung ein und repräsentieren ein gänzlich neues Kommunikationsmodell. Die Geschichte des Genres begann in England. Im Kontext der Aufhebung der Zensur durch das Parlament (1695), die einer ersten Form von Pressefreiheit gleichkommt, entstanden Zeitschriften wie Athenian Mercury, 1691-1712, der berühmte [The] Tatler. By Isaac Bickerstaff, 1709-1711 (herausgegeben von Richard Steele), der Vorbild für zahlreiche Neugründungen war, und ebenso The Spectator, 1711-12, 1714, von Joseph Addison und Steele. The Spectator erschien täglich und war das erfolgreichste Blatt der Zeit. Die Gesellschaft wird hier ausgehend von einer bestimmten politischen Haltung dargestellt. Der Leser soll sich dabei mit der Partei der Whigs identifizieren, die sich gegen die konservativen Werte der Tories in Stellung brachten. Das neue Diskursmodell der Wochenschrift, das sich mit den englischen Modellen herauszubilden begann, war damit jedoch nicht vorrangig auf die Belehrung des Lesers aus, sondern zielte auf eine möglichst anschauliche und sinnliche Vermittlung zeitgenössischer Wertefragen und setzte damit Einsichten der kursierenden moral-sense-Theorien um, die im Gefühl und der Erfahrung den Ursprung aller Werturteile und sittlichen Verhaltens sahen. Der Spectator entwickelte sich zum bedeutendsten Vorbild und wurde häufig europaweit imitiert. In Spanien setzte eine öffentlichkeitswirksame Produktion von Wochenschriften erst in der zweiten Jahrhunderthälfte ein, zu einem Zeitpunkt, als die europäische Konjunktur der Wochenschriften bereits am Abklingen war (Martens 1968: 3), und traf auf einen bis dato wenig kommerzialisierten Buchmarkt. Als erste spanische Zeitschrift des Spectator-Typs gilt El Duende especulativo sobre la vida civil (1761). Fortgesetzt wird das Modell dann von der populären Madrider Zeitschrift El Pensador (José Clavijo y Fajardo), zwei Wochenschriften mit weiblicher Herausgeberfigur, La Pensadora Gaditana und La Pensatriz 157 

Das vorliegende Kapitel basiert auf Gronemann (2008).

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Salmantina sowie El Censor (verfasst von Luis Cañuelo, Luis Marcelino Pereira und einer Reihe von Ko-Autoren). Der Rekurs auf das etablierte Diskursmodell erfolgte hier über die Herausgeberfigur und Genremerkmale wie Intertextualität, etwa durch Übersetzungen oder die variierende Übernahme des Zeitschriftentitels. Während die erzieherischen Leitlinien und das der Kommunikation zugrunde liegende Sprechermodell des fingierten Herausgebers im europäischen Maßstab konstant blieben, variierte die jeweilige Inszenierung von Figuren und Themen von Wochenschrift zu Wochenschrift, denn Originalität und Adressatenbezug waren entscheidende Vermarktungskriterien der Spectator-Presse. Bei den Wochenschriften handelt es sich trotz ihrer periodischen Erscheinungsweise nicht um Zeitungen, sondern eine meist über Jahre erscheinende Serie fiktionaler und essayistischer Texte in Artikeloder Briefform. Eine bis heute gültige, einschlägige Systematisierung des Genres findet sich bei Martens (1968: 15ff.), der eine Abgrenzung von anderen Formen der Presse anhand eines umfassenden Korpus deutscher Wochenschriften vorgenommen hat. Ihm zufolge erfüllen diese neben Zeitschriftenkriterien und der übergreifenden Kontinuität in Form und Programm vor allem den Aspekt der Literarität, weil das breite Spektrum an gesellschaftlich relevanten Themen (Politik, Kunst, Ökonomie u.a.) über fingierte Sprecher vermittelt wird und auf Referenzialität im engeren Sinne verzichtet. Das Publikum soll die eigene Wirklichkeit hinter der satirischen Verbrämung zwar erkennen, nicht aber konkrete Personen und Handlungen. Fiktive Situationen bieten hier den Anlass zur Reflexion realer Normen und Werte. Vielfach sind es Alltagsszenen, die dem Leser in kostumbristischer Einfärbung und auf unterhaltsame Weise nützliches Handlungswissen im Sinne einer auf das Gemeinwohl ausgerichteten Bürgergesellschaft übermitteln. Bei den wöchentlich erscheinenden Beiträgen vom Umfang einiger Seiten handelt es sich um in sich abgeschlossene Beiträge,158 welche relevante gesellschaftliche Probleme thematisieren und menschliches Verhalten, soziale und kulturelle Normen, als säkulare Problematik reflektieren. Die Wochenschriftendiskurse übernehmen dabei Erziehungsaufgaben, denn in ihnen werden anknüpfend 158  Lesermeinungen, -briefe und Zuschriften, sowohl echte als auch fingierte, wurden als Anlass für immer neue Beiträge stilisiert und konnten selbst ganze Nummern ausfüllen.

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an die christliche Erbauungskultur allgemeine Umgangsmaximen und Geschmacksideale verhandelt, als Unterweisung im Sinne eines nunmehr weltlich ausgerichteten Nützlichkeitsideals. Normative und spielerische Elemente gehen hier eine Synthese ein und prägen die Spezifik des Genres. Die Aufwertung des literarischen Charakters von Wochenschriften ist das Verdienst von Martens (1968: 23ff.), der sie anhand zweier narratologischer Besonderheiten definiert. Dies sind die fiktive Verfasserschaft einerseits und die dabei zur Anwendung gelangende Strategie der Nachahmung von Vorgängermodellen andererseits (ebd.: 15ff.). Martens rückt damit die konstitutive, kohärenzbildende Funktion der Herausgeberfigur ins Zentrum und ermöglicht eine schlüssige Abgrenzung dieser Figur von der Kategorie des historischen Autors, die in der Forschung nicht immer konsequent erfolgt.159 Dabei erfüllt die Herausgeberfigur unabhängig von ihrer möglichen Referenz auf einen historischen Autor eine zentrale textuelle Funktion. Denn erst durch diese auktoriale Instanz, die in der Rahmenfiktion als echte Persönlichkeit in Szene gesetzt wird, kann ein Zusammenhalt der vielfältigen Themen und Beiträge einer Wochenschrift hergestellt werden. Der Herausgeber als Verfasser – oder eine ganze Verfassergesellschaft160 – präsentieren sich dem Publikum als Vertraute, wobei in vielen Fällen der Titel der Zeitschrift die Situierung dieser Sprecher inmitten der Gesellschaft oder als deren Beobachter formuliert. Die Konstruktion eines Publikums als bürgerliche Leserschaft erfolgt dabei über die Adressierung breiter Leserkreise und dadurch, dass der Herausgeber seinem Publikum auf gleicher Augenhöhe gegenüber tritt. Dies ist Bestandteil der textuellen Inszenierung, die mit der Figur des Herausgebers eine Art privaten Ratgeber schafft. So unterstreicht Martens die genrekonstitutive Funktion der literarischen Maskierung: “Die Moralische Wochenschrift ist gekennzeichnet durch 159 

Ein Beispiel hierfür ist die ausgiebige Diskussion von Canterla (1996) um die Echtheit der Herausgeberfigur ‘Beatriz Cienfuegos’ der Wochenschrift La Pensadora Gaditana und die Suche nach Überschneidungen mit einer historisch nachweisbaren Autorin oder einem Autor. 160  Die Einführung eines Verfasserklubs wie im Spectator (Spectator Club) oder in Gottscheds Zeitschrift Die vernünftigen Tadlerinnen erfüllt eine ähnliche Spiegelfunktion, es werden verschiedene Persönlichkeiten und somit diverse Identifizierungsmöglichkeiten angeboten. Die Interaktion der Figuren ähnelt den Dialogen von Korrespondenten und ist als beispielhaftes Verhalten zu verstehen.

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ein auf eigentümliche Weise sich hier entfaltendes fiktives Wesen, insbesondere durch das Phänomen der fiktiven Verfasserschaft” (ebd.: 23). Die Wochenschrift bedient sich damit eines genuin literarischen Verfahrens, indem sie einen Vertraulichkeit fingierenden Ich-Erzähler einsetzt und ein Spiel mit dessen Identität und Authentizität in Gang setzten, das sich im Fall anonym publizierter Wochenschriften trefflich zuspitzen lässt. Der zwischen Fiktionalität und Authentizität oszillierende Standpunkt erklärt sich damit, dass sich der Sprecher einerseits als moralische Instanz legitimieren und – in Beobachterposition – außerhalb der Gesellschaft situieren muss, um seine didaktische Funktion zu untermauern und nicht selbst durch mögliches Fehlverhalten ins Fadenkreuz der Kritik zu geraten. Andererseits muss der Verfasser – um nicht nur zu belehren, sondern auf Augenhöhe mit dem Leser auch zu überzeugen und vorbildhafte Wirkung zu erzielen – Vertrauen herstellen, was er durch einen persönlichen Kommunikationsstil und den Ton der Privatheit erreicht. Die Simulation eines solchen privaten Gesprächsraums ermöglicht wiederum den Eintritt von Frauen, fiktiven und nichtfiktiven, in die neuen Foren der Öffentlichkeit. Folglich entsteht eine Ambivalenz zwischen der auf Häuslichkeit reduzierten bürgerlichen Frauenrolle und deren diskursiver Vermittlung im Rahmen ‘öffentlicher’ Frauenfiguren. Die weibliche Herausgeberfigur – die im vorliegenden Beitrag problematisiert werden soll – greift somit zwar in die Männerdomäne öffentlicher Angelegenheiten ein, bewegt sich aber zugleich in einem geschützten, d.h. virtuell privaten und somit genusadäquaten Kommunikationsrahmen.

₆.₂. Die Entfaltung einer weiblichen Herausgeberfigur Aufgrund des “Gattungszwangs zur Maskierung” (Martens 1968: 31) war der fiktionale Charakter der Herausgeberfigur dem damaligen Publikum bewusst und erschien auch den Adressaten und Adressatinnen keineswegs ungewöhnlich (ebd.: 33). Mehr noch, die Attraktivität einer Wochenschrift, die sich regelmäßig verkaufen wollte, wurde in entscheidendem Maße von der Ausgestaltung dieser Autoritätsfigur bestimmt, wobei der Gattungszusammenhang durch Übernahmen und spielerische Bezugnahmen auf bereits vorhandene Herausgeber und ihre charakterlichen Besonderheiten vermittelt wurde. Das Erscheinen einer weiblichen Herausgeberin der Wochenschrift steht da-

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bei zwar im Zusammenhang mit der faktischen Existenz von Autorinnen und Journalistinnen im 18. Jahrhundert, etwa Elizabeth Haywood (The Female Spectator) oder Luise Adelgunde Victorie Gottsched, ergibt sich aber vorrangig aus dem Originalitätsanspruch, der für das kommerzielle Unternehmen der Wochenschrift galt. Als Vorläuferin der weiblichen Herausgeberstimme gilt Jenny Distaff, eine literarische Figur, die Stiefschwester von Isaac Bickerstaff, dem Herausgeber des englischen Tatler. Während dessen Abwesenheit hatte sie die Rolle stellvertretend übernommen und war so allmählich über die traditionellen Gendergrenzen der öffentlichen Kommunikation hinweg vom Objekt zum Subjekt geworden. Anhand dieser weiblichen Nebenfigur, als deren Nachfolgerinnen die Herausgeberinnen und Protagonistinnen der europäischen Wochenschriften gelten können, wurde darüber hinaus ein für das weibliche Geschlecht exemplarischer Wandlungsprozess inszeniert. Jenny wird zunächst als “verrückter Blaustrumpf geschildert, der, statt sich um Mode und Putz zu kümmern, in einer Männerschlafmütze Pfeife raucht und Komödien und Romane liest” (Martens 1968: 45), um dann eine für das Publikum nachvollziehbare Entwicklung zu nehmen: denn Jenny erwirbt schließlich Genderwissen, sie erlernt weibliches Wohlverhalten und durchläuft einen Wandel zur guten Ehefrau und Mutter. Die Protagonistinnen der Wochenschriften werden folglich als Rollenvorbilder und Leitbilder für das anvisierte weibliche Publikum vorgeführt, sie dienen wie beispielsweise Jenny Distaff zunächst als Negativfolie, um inadäquates Verhalten beschreiben zu können, und wandeln sich dann zum Exempel einer gelungenen Frauenerziehung. Weibliche Figuren erschienen in der moralischen Wochenschrift jedoch nicht nur als Objekte und Adressaten der einschlägigen aufklärerischen Erziehungsprogramme, sondern wurden auch als deren Protagonistinnen dargestellt und erhielten als literarische Figuren das Recht, sich im Rahmen der internen Polyphonie einer Wochenschrift in Form von Briefen, Artikeln, Zitaten oder fingierten Gesprächen zu äußern. Obgleich sie Bildungsobjekte bleiben, dürfen sie sich hier im Rahmen definierter Verhaltensmuster artikulieren und damit war das Fundament für den Typus der Wochenschrift mit weiblicher Herausgeberfigur gelegt. Dabei handelte es sich um eine weitreichende diskursive und ästhetische Erneuerung, die gleichwohl einen Auftritt weiblicher Protagonisten – wenngleich zunächst fiktiver Natur – auf der internati-

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onalen Pressebühne markierte. Gleich drei befreundete Frauen, Iris, Phyllis und Calliste (ein “Triumfeminat”, wie es im XXI. Stück heißt), lässt Gottsched in seiner berühmten Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen (1725-26) zu Wort kommen,161 wobei er seinen mündigen Lesern deren fiktive Identität enthüllt. In Frankreich erscheint eine anonyme Wochenschrift unter weiblicher Ägide, La Spectatrice (172829). Mit Elizabeth Haywood (The Female Spectator, 1744-46) sowie Charlotte Lennox (The Lady’s Magazine) publizieren hingegen in der englischen Presse leibhaftige Frauen. Erst deutlich später, 1763 erscheint der erste Beitrag der spanischen Wochenschrift La Pensadora Gaditana,162 in der unter dem Pseudonym Beatriz Cienfuegos erstmals eine weibliche Herausgeberfigur in die Öffentlichkeit tritt. Die Zeitschrift, als deren Verfasser Juan Francisco del Postigo gilt, umfasst 52 Pensamientos und erschien in vier Bänden zuerst in Cádiz, später in einer weiteren Auflage in Madrid. Mit Erscheinen einer weiteren Zeitschrift, der ersten Ausgabe von La Pensatriz Salmantina, wird das Modell im Jahr 1777 aufgegriffen und fortgeschrieben. Von dieser Wochenschrift sind allerdings nur die Widmung, die Druckbefürwortung und das erste Stück, “Idea primera. Da razón de su persona”, überliefert (vgl. Urzainqui 2004). Möglicherweise erhielten die folgenden Nummern keine Druckgenehmigung oder das Blatt gehörte zu den zahlreichen Zeitschriftenprojekten, die über die erste Nummer nicht hinausgingen. Eine weitere Hypothese wäre, dass es sich gar nicht um eine Wochenschrift handelt, sondern eine Travestie des Genres mit dem Ziel, dessen normativen Erziehungsdiskurs zu konterkarieren (vgl. Gronemann 2011).

161 

Die aus der griechischen Mythologie entlehnten Namen enthüllen dem gebildeten Leser den fiktiven Status dieser Verfasserinnen-Gesellschaft, die ursprünglich als Rollenspiel für die Beiträge von Gottsched (Calliste), Hamann (Iris) und May (Phyllis) konzipiert war (Brandes 1993a: 3). 162  Sie erscheint wöchentlich über zwei Jahre hinweg (1763-64) und besteht insgesamt aus 54 Einzeltexten (Pensamientos und Cartas). Im Jahr 1996 erscheint eine erste Anthologie der Pensadora mit Auszügen aus der ersten Ausgabe von Cádiz (Canterla 1996). Eine vollständige Edition von Scott Dale auf der Basis der Madrider Ausgabe ist 2005 erschienen.

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₆.₃. Die Wochenschrift als Diskursmodell der Instruktion Der Diskurs der Wochenschrift weist zwar einige Schnittpunkte zur religiösen Erbauungsliteratur auf wie etwa die besondere moralische Adressierung der Frau und das Plädoyer für die moralisch handelnde ‘mujer discreta’. Gleichwohl rekurriert das protestantisch geprägte Modell der Wochenschriften nicht primär auf religiöse, sondern vor allem weltliche Legitimationsdiskurse und grenzt den Geltungsbereich christlicher Maximen dezidiert ein: Was sich in den Sittenschriften als eine bescheidene Abgrenzung von Zuständigkeiten ausnimmt, ist daher, geschichtlich gesehen, ein Beginn zur Reduktion des Christlichen auf einen besonderen, womöglich nur noch für Fragen des privaten Seelenheils zuständigen Bereich [...]. (Martens 1968: 176)

Nicht mehr die Heilsgeschichte motiviert alle menschliche Anstrengung zum ‘richtigen Leben’, sondern der Wunsch nach einem vernünftigen Leben im Diesseits, nicht von göttlicher Gnade, sondern der eigenen Vernunft geleitet. Im Zuge dieser diskursiven Ausdifferenzierung löst sich die Wochenschrift von den Prinzipien der christlichen Moraldidaxe. Doch ebenso wird sichtbar, dass die Wochenschrift bestimmte Funktionen und Muster der religiösen Erbauung übernimmt. Mehr noch, die Adressierung des weiblichen Publikums in den Wochenschriften ist folglich keine neuartige Strategie im Zeitalter der Aufklärung, sondern knüpft partiell an Textstrategien des Renaissance-Humanismus an. Hier wurden Frauen als gesellschaftliche Gruppe verstanden, erstmals in ein epochales Bildungsprojekt einbezogen und als Rezipientinnen angesprochen. Die in Europa verbreitete Instrucción de la mujer cristiana (1523) des valencianischen Humanisten Juan Luis Vives, um ein Beispiel anzuführen, gilt als Modell für einen solchen erweiterten Bildungsbegriff, welcher nicht nur den Mann als universalen Vertreter des Menschgeschlechts, sondern auch die Frau integriert. Sie wird direkt adressiert und als lernfähig angesehen, so dass sie sich Regeln der Sittlichkeit ebenso wie ihre Rolle als Hausfrau, Ehefrau und Mutter selbständig anzueignen vermag, wozu auch die passende Lektüre gehört. Diesen Text von Vives, der zwar kein anderes als das christliche Ideal der mulier domestica propagiert und die allein heilsversprechenden weiblichen Lebensformen

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der Jungfrau, Witwenschaft und Ehefrau thematisiert, zeichnen seine humanistisch-reformatorischen Prämissen und damit verbunden eine erneuerte Bildungsstrategie aus. Denn erstmals erscheint die selbständige Aneignung von Bildung nicht nur Bestandteil, sondern notwendiger Bestandteil weiblichen Lebens. So wird Frauen ein Zugang zu Wissen eröffnet, der bislang verwehrt war. Sogar Latein sollen sie zum Zwecke ihrer sittlichen Formung lernen: “Y esto quiero que se entienda de las mujeres que son latinas” (Vives, Instrucción, I/5, zit. in Howe 1995: 65). Sie sollen folglich die im religiösen Alltag verwendeten Texte verstehen lernen. Mehr noch, der Humanist schlägt einen gesonderten Lektürekanon für Frauen vor und entwirft eine erste ‘Frauenzimmerbibliothek’, aus der freilich nichtkanonische Genres wie Roman und Novelle aufgrund ihres zweifelhaften Rufes ausgeschlossen bleiben (Vives, Instrucción, I/5). Als einer der wenigen seiner Epoche fasst er weibliche Bildung und Tugend nicht als Gegensatz auf und seine Frauendidaxe erweist sich trotz des vermittelten einschlägigen Rollenmusters als überaus innovativer Diskurs im 16. Jahrhundert.163 Im Verlauf der Gegenreformation jedoch, insbesondere seit dem Konzil von Trient wurde der humanistische Ansatz einer Autonomisierung des christlichen Menschen verbunden mit der Aufforderung zu einer selbständigen Aneignung moralischer Normen aufgegeben und in sein Gegenteil verkehrt. Es entstand ein katholisches Dogma, das die zunehmende Unterwerfung privater, familiärer und sexueller Verhaltensweisen unter kirchliche Kontrolle intendierte. Den gegenreformatorischen Weiblichkeitsdiskurs repräsentierte in Spanien der Text La perfecta casada (1583) des Augustiners Fray Luis de León, in dem sich eine Restauration und Konsolidierung mittelalterlicher Ideen zur sozialen Rolle und Bildung der Frau manifestiert. Erst zwei Jahrhunderte später werden Aspekte der humanistischen Idee wie die direkte Vermittlung von Wissen und sozialen Verhaltenskodes an ein breites Publikum im Rahmen des epistemologischen Wandels der Aufklärung wieder aufgegriffen, und zwar im Kontext

163  Der vielschichtige Diskurs der Instrucción de la mujer cristiana (vgl. u.a. Lentzen, Leeker 1995) ist durchaus typisch für den humanistischen Genderdiskurs. Er propagiert ein hierarchisches und häusliches Frauenbild, integriert aber die Frau in Bildung. War die ‘beaufsichtigte Frau’ des Mittelalters weder einsichts- noch bildungsfähig, so plädiert Vives unter Rekurs auf die Menschenwürde für eine humanistische Bildungsreligiosität unter Einschluss des weiblichen Geschlechts.

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von Literatur, Theater und Presse sowie durch spezifische Unterhaltungs- und Erziehungsstrategien, welche sich auch in den moralischen Wochenschriften wiederfinden. Sie knüpfen an Themen der christlichen Moralliteratur an, transformieren die Inhalte aber und kommunizieren sie im Rahmen des neuen Diskursmodells. Die Wochenschrift stellt eine säkulare Form der Instruktion dar, die zwar weiterhin auf einen christlichen Basisdiskurs rekurriert, ihre entscheidende Legitimation jedoch aus der Idee des Fortschritts bezieht, aus dem Theorem der Befähigung jedes Einzelnen zur Selbstvervollkommnung und der daraus erwachsenden Verpflichtung auf das Gemeinwohl. Die moralischen Wochenschriften als Medium einer Säkularisierung, die auch die spanische Gesellschaft erfasste (vgl. Jüttner 1992), indizieren einen weitreichenden Wandel der Kommunikationsverhältnisse und tragen zur Herausbildung einer Öffentlichkeit bei, in deren Foren Männer und Frauen zu Adressaten von unterschiedlich gearteten Erziehungsdiskursen werden. De facto werden Frauen zu Objekten der bürgerlichen Erziehung, nach deren Modell sie von der aktiven Mitwirkung in der Öffentlichkeit ausgeschlossen bleiben sollen. Um ihre weltliche “Botschaft der Tugend” (Martens 1968) zu vermitteln und eine neue Form der öffentlichen Meinung zu kreieren, wenden sich die moralischen Wochenschriften notwendigerweise an ein gemischtes, ja teilweise nur weibliches Publikum,164 damit die veränderten gesellschaftlichen Werte an die richtige Instanz, die häusliche Erzieherin der Kinder, geleitet werden und fruchtbar werden können. Die Einbeziehung der Frau in den öffentlichen Kommunikationsraum erfolgt somit stets im Dienst einer geschlechtsspezifischen Aufgabenverteilung und der Etablierung eines neuartigen Geschlechtermodells, welches mit patriotischen, ökonomisch-utilitaristischen und politischen Argumenten legitimiert wurde. Die ‘Frau’ erscheint darin nicht mehr als Inbegriff von Schwäche und Verkörperung menschlicher Sündhaftigkeit im Sinne der traditionellen christlichen Epistemologie,165 wenngleich Wochenschriften häufig auf den Sündenfall rekurrieren, um die Notwendigkeit weiblicher Moralisierung

164 

Ich danke Wilhelm Graeber für den Hinweis, dass die weibliche Adressierung der moralischen Wochenschrift generell im Vordergrund stand (vgl. Graeber 1986). 165  In der christlichen Anthropologie steht über der körperlichen Fähigkeit die geistige, weil mit ihrer Hilfe die menschliche Sündhaftigkeit überwunden werden könne. Doch der Topos weiblicher Minderwertigkeit vermittelt, dass die Frau ihre

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zu begründen. Doch entscheidend sind nunmehr die Einbeziehung der Frau in das aufklärerische Reformprojekt und die Betonung ihrer Gleichwertigkeit und Bildungsfähigkeit, um der weiblichen Erziehung zur Häuslichkeit, der Einübung in die Rolle als Mutter, Erzieherin, Ehefrau und Verantwortliche für den domestischen Bereich zu nachhaltigem Erfolg zu verhelfen. Aus diesem Grund werden Frauen in Gestalt von literarischen Figuren in der moralischen Wochenschrift omnipräsent, sie sind Gegenstand der Diskurse, treten aber auch als Leserinnen, Korrespondentinnen und Mitverfasserinnen auf. Im aufklärerischen Verständnis und speziell im Zeichen des komplementären Rousseau’schen Modells wird ihr die Rolle einer gesellschaftlichen Tugendwächterin zugeschrieben, die sie als “moralisches Geschlecht” (Steinbrügge [1987] 21992) par excellence ausweist. Legitimiert wird diese funktionale geschlechtsspezifische Aufgabenteilung unter Verweis auf einen spezifisch weiblichen Körper, diesmal jedoch nicht mit metaphysischer Begründung, sondern im Rahmen der Naturalisierung der Geschlechtscharaktere, wie sie in der Einleitung (vgl. 1.) erörtert wurde. Aus der komplementär zum männlichen Körper konstruierten weiblichen Körperlichkeit wird die Reproduktionsfunktion und die besondere Befähigung und Verpflichtung der Frau zu einer in diesem Sinne gedeuteten staatsbürgerlichen Tugend abgeleitet. Dass man meinte, das weibliche Publikum sei von solch spezifischen Pflichten leichter aus berufenem gleichgeschlechtlichen Munde zu überzeugen, zeigt die Inszenierung weiblicher Sprecherinnen und Herausgeberinnen und soll im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein.

₆.₄. Catones sin barbas y Licurgos con basquiÑas: Die spanischen ‘Denkerinnen’ Die Inszenierung einer weiblichen Herausgeberfigur im Dienst der Vermittlung einer funktionalen weiblichen Rolle manifestiert sich exemplarisch im Diskurs der Prologe, der hier ausgehend von der Gender-Kategorie – der Vorstellung einer Textualisierung von Geschlecht – und mit Blick auf typologische Merkmale des Genres der moralischen Wochenschrift betrachtet werden soll. Die narrative StraPhysis nicht bezwingen kann, der Mann hingegen die eigene Körperlichkeit mit Hilfe seines Geistes zu transzendieren vermag.

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tegie der literarischen Travestie, als die man diese fingierte weibliche Autorschaft deuten kann – Sullivan (1995: 39) spricht von einem “male-to-female transvestite author” –, soll dabei stärker im Fokus stehen als die einzelnen Gegenstände der Kritik, die von Text zu Text nur mehr variieren. Im Diskurs der spanischen Wochenschriften mit weiblicher Herausgeberfigur wird der Boden für eine spezifische Form der Unterweisung des weiblichen Publikums bereitet, indem Argumente bezüglich des gesellschaftlichen Ranges und der Lernfähigkeit von Frauen aus der philogynen Tradition aufgegriffen und in Anschlag gebracht werden. Darüber hinaus wird ein spezieller Anlass für die Verteidigung des weiblichen Geschlechts konstruiert, um die Rede von Frauenfiguren zu legitimieren. Zugleich wird dabei der intertextuelle Zusammenhang der Wochenschriften markiert und der Text innerhalb des Genres verankert. Eine Gelegenheit hierfür bietet sich den spanischen Pensadora-Blättern mit der Rede von El Pensador, des männlichen Herausgebers der gleichnamigen Zeitschrift von José Clavijo y Fajardo, die somit als Prätext fungiert. In diesem wird das weibliche Publikum bereits hervorgehoben und explizit adressiert: Después de haber informado al Público (de quien son Vms. la mejor parte) del plan de mi Obra, ¿a quién podía dar la preferencia en mis discursos, sino a la amable, la piadosa, y la más bella mitad del género humano? Esto exigía de mí la veneración, y el obsequio debido a Vms., y esto es lo que voy a poner en práctica. Solo pido que [...] cuando trate de algún defecto de las Damas, se entienda que hablo con una parte, y no con el todo. (El Pensador, Pensamiento II, Carta del Pensador a las Damas)166

Dieser frauenfreundliche Appell und das bewusste Verwahren gegenüber misogyner Rede entsprechend der aufklärerischen Vorurteilskritik stellen jedoch kein Spezifikum des Pensador dar, sondern gehören zum Grundinventar der Wochenschriften, welche den Glauben an die Vervollkommnung des Menschen propagieren und auch die Frau als vernunftbegabten Menschen im Sinne des naturrechtlichen Gleichheitspostulats begreifen. Wenn sich folglich auch La Pensadora

166  Zitiert nach der Ausgabe von 1763 unter: http://mdc.ulpgc.es/cdm/landingpage/ collection/pensador (konsultiert am 20.8.2007).

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Gaditana auf den Gleichheitstopos bezieht, “Nos conceden los hombres a las mujeres [...] las mismas facultades en el alma para igualarlos, y aún excederlos en el valor, en el entendimiento, y en la prudencia” (La Pensadora Gaditana 1763: 8), so stellt dies keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der Zeitschriften mit weiblicher Sprecherfigur dar. Die grundlegend frauenfreundliche Diskursstrategie erhält jedoch, wenn sie von Herausgeberinnen lanciert wird, durch das Element der geschlechtlichen Parteilichkeit eine originelle Nuance. Beinhaltete bereits El Pensador diverse Verteidigungsdiskurse des weiblichen Geschlechts (Pensamiento XXXI) aus der Feder männlicher Sprecher, so schließen die beiden spanischen Herausgeberinnen gezielt daran an, fügen dem aber auf der Ebene der Inszenierung eine entscheidende Komponente hinzu, die auf weiblicher Selbsterfahrung gründende Glaubwürdigkeit. Die Übernahme von philogynen Argumenten dient zugleich der Legitimation ihrer weiblichen Autorschaft. So nutzen beide Denkerinnen das Modell der aufgeklärten Frau, um ihr eigenes Bildungsunternehmen in Form einer moralischen Zeitschrift abzusichern bzw. werden von ihren jeweiligen Schöpfern vor diesem Hintergrund als weibliche Masken entworfen. So spricht die Figur La Pensadora Gaditana von sich auch in der dritten Person: “se presenta una Pensadora” und wird als selbstreflexiv vorgeführt: Alguna vez había de llegar la occasión, en que se viesen Catones sin barbas, y Licurgos con basquiñas: no ha de estar siempre ceñido el Don de Consejo a las pelucas, ni han de hacer sudar las Prensas los sombreros; también los mantos tienen su alma, su entendimiento, y su razón: [...]. (La Pensadora Gaditana, zit. in Canterla 1996: 37) Pues no, Señoras mías, ya tiene Vms. quien las vengue, ya sale a Campaña una Mujer, que las desempeñe, y en fin con pluma, y basquiña, con Libros, y bata se presenta una Pensadora, que tan contenta se halla en el tocador, como en el escritorio: igualmente se pone una cinta, que ojea un Libro: y lo que es más, tan fácilmente como murmurar de una de sus Amigas, cita uno, dos, o tres Autores Latinos, y aún Griegos. Ya está de su parte quien piense, y quien manifieste sus pensamientos; pero les debo advertir (y esto para entre nosotras) que una vez, que me he revestido de Pensadora, he de ser imparcial ; ya que he tomado el tono magistral de criticar, no me aguarden ciegamente apasionada: pueden creer las de mi Sexo, que con el mismo empeño he de manejar la pluma contra sus desordenes, como contra los disparates de nuestros mayores enemigos [...]. (ebd.: 38-39)

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¡Fuerte cosa es que las prensas solamente han de sudar debajo de las pelucas! Cómo si los abanicos no fueran capaces de hacerlas gemir con aire y darlas buena mano de molde. No hay forma de meter en la cabeza a los sombreros que las piochas167 tienen también sus luces y sus pensamientos altos [...]. (La Pensatriz Salmantina, zit. in Urzainqui 2004: 137)

Dabei fallen die Analogie der rhetorischen Inszenierung in beiden Blättern sowie die deutlich intertextuellen Bezüge auf El Pensador (auf dessen Titel beide rekurrieren) ins Auge: Personifizierungen (pelucas, sombreros, mantos, abanicos, piochas) und Metaphern (hacer sudar las prensas: die Druckerpresse schwitzen lassen [viel publizieren]). Damit wird das Programm der weiblichen Wochenschrift entfaltet, das zugleich auf den fiktionalen, nichtreferenziellen Charakter der Vermittlerfiguren hindeutet. Wie im Fall der männlichen Herausgeberfigur wird hier ein kommunikatives Konstrukt markiert.168 Trotz der Fiktionalität, die jede Wochenschrift auf eigene Weise herausstellt, impliziert die Verwendung einer weiblichen Stimme – unabhängig davon, ob sie von einem Autor oder einer Autorin gelenkt wird – den Auftritt der Frau als Protagonistin auf der Bühne der spanischen Öffentlichkeit, der neben dem aufklärerischen Bildungsbegriff vor allem aus der einsetzenden Kommerzialisierung und damit verbunden dem Anspruch auf Originalität der Wochenschriften resultiert: “[...] mujeres reales o inventadas [...] juegan un papel decisivo en el proceso de acostumbrar al público a la escritura femenina, y de hacer que ésta se institucionalice como presencia pública” (Urzainqui 2002: 63). Diese erstmals systematische Einbeziehung von Frauen in die Kultur von Buchdruck- und Zeitschriftenwesen ist zugleich von einer tiefgreifenden Ambivalenz begleitet. Während einerseits weibliche Intellektfähigkeit erstmals seit der Renaissance wieder aufgewertet wird, um die Figur der Leserin – Gegenbild der eitlen Schönen – als Adressatin eines fortschrittsbetonten säkularen Programms zu aktivieren, dient dies andererseits der Vermittlung eines restriktiven Weiblichkeitsideals, welches die neu gewonnene Autonomie der Frau anders als zuvor 167  “Joya de varias figuras de que usan las mujeres para adorno de la cabeza” (Diccionario de la lengua castellana compuesto por la Real Academia española, Madrid 41803: 659, 2). 168  Auf die hohe Komplexität und Intentionalität dieser narrativen Strukturen, die sich im Fall weiblicher Herausgeberfiguren wie der Pensadora, nochmals steigert, hat Ertler (2011a) hingewiesen.

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auf einen rein privaten Bereich und die Sphäre der bürgerlichen Kleinfamilie einschränkt. Die beiden spanischen Herausgeberinnen konstituieren sich demnach intertextuell und nicht referenziell, was sich in ihrem Dialog mit dem Pensador und der Übernahme von dessen Strategie manifestiert. Sein Oszillieren zwischen aufgeklärt-rationalistischem und traditionellem Frauenverständnis nehmen sie rhetorisch zum Anlass für zahlreiche Erwiderungen und den Versuch, das weibliche Publikum ihrerseits von der funktionalen häuslichen Frauenrolle zu überzeugen. Sowohl La Pensadora Gaditana als auch La Pensatriz Salmantina erkennen in der Rede des Pensador misogyne Vorurteile und weisen diese zurück. Sie übernehmen zwar dessen Sprecherposition des souveränen Erziehers, wenden sie nun aber gegen den Denker und versuchen ihn als Vorbild zu übertreffen. Hier erfolgt eine réécriture des Pensador, insofern das Modell der Rahmenfiktion und der Sprecherposition übernommen, die männliche jedoch durch eine weibliche Stimme ersetzt wird. Eine fingierte Herausgeberin tritt erstmals an die Öffentlichkeit, um auf der Basis einer rhetorisch abgesicherten geschlechtlichen Parteilichkeit die weiblichen Verhaltensnormen noch effektiver zu vermitteln. Das geschlechtsspezifische Element als zentrale Kategorie der Kommunikation tritt an diesem Punkt zutage, denn erst fingierte Herausgeberinnen scheinen autorisiert, die weibliche Leserschaft – im Sinne einer genusadäquaten Zuständigkeit für weibliche Themen – gegen die männliche Rede zu verteidigen und sodann rollenkonformes Verhalten zu vermitteln. So polemisiert die Denkerin aus Cádiz: Este es mi intento, y lo ha sido siempre; pero encogida en mi natural empacho, pensaba, callaba, y sufría (aunque con impaciencia) la licencia, que se han tomado los señores hombres, de ser únicos que griten, los sólos que manden, y los exceptuados de obedecer: hasta que exaltado todo el humor colérico de mi natural (que no es poco) con las desatenciones, groserías y atrevimientos del señor Pensador de Madrid, en orden a lo que trata de nuestro Sexo: he resuelto tomar la pluma, no para contradecirle, ni tacharle sus asuntos, que este es ya camino muy andado; sino enseñarle (siguiendo su idea, guardando sus máximas, y aspirando a un mismo objeto) a criticar defectos, sin ofender privilegios: pues aunque en su Prólogo nos trató tan fino como falso, muy presto en los siguientes Pensamientos se conoció el odio, que nos tiene [...]. De lo dicho claramente se infiere que mi intento no es contradecir al Pensador de Madrid, antes bien alabo su idea,

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celebro su intención, y envidio sus ocurrencias. (La Pensadora Gaditana, zit. in Canterla 1996: 39-40)

Ein beinahe wörtlich übernommener Absatz erscheint in der Pensatriz Salmantina und verdeutlicht die konstitutive Funktion der Intertextualität. Anders als La Pensadora Gaditana rekurriert die Salmantiner Denkerin nicht nur auf den Pensador, sondern auch Cadalsos Frauensatire Los eruditos a la violeta (1772),169 die unter dem Pseudonym Vázquez veröffentlicht wurde: [...] se ma ha exaltado todo el humor colérico de mi natural (que no es poco) con las desatenciones, groserías y atrevimientos que en cuatro renglones solos [...] aglomeró contra nosotras un tal Vázquez (¡ah falso!) [...]. (La Pensatriz Salmantina, zit. in Urzainqui 2004: 137f.)

Der Titel beider Wochenschriften und ihre jeweils weibliche Signatur verweisen auf den Gattungszusammenhang und legen die Fiktionalisierung ihrer Herausgeberinnen offen.170 Im Prolog stellt La Pensadora Gaditana ihre moralische Intention im Gattungskontext heraus und legitimiert ihre Erziehungsabsicht – ebenso wie ihre männlichen Vorgänger – anhand einer Verteidigung des weiblichen Geschlechts: No, Señores míos; hoy quiero, deponiendo el encogimiento propio de mi Sexo, dar leyes, corregir abusos, reprehender ridiculeces, y pensar como Vms. piensan [...] para que vea el mundo a una Mujer que piensa con reflexión, corrige con prudencia, amonesta con madurez, y critica con chiste. (La Pensadora Gaditana, zit. in Canterla 1996: 37)

169 

Als “violeto”, “semisabio” oder “erudito de moda” wurden im 18. Jahrhundert all jene karikiert, die statt profunder Kenntnis bestimmte Verhaltensweisen kultivierten, die ihnen den Anschein von Bildung verliehen (Álvarez Barrientos 1999: 43). 170  Dass der Nachweis einer Autorin bislang nicht gelang, verwundert gar nicht. Vielmehr drückt das Bemühen um Referenzialisierung eine gewisse Unkenntnis der Genrekritieren aus, denn die Herausgeberfiguren haben eine strategische Kommunikationsfunktion, wobei das Spiel mit ihrer Identität auf eine Publikumsbindung zielte. So wie Sullivan mit Blick auf La Pensadora Gaditana vertritt auch Urzainqui (2004: 134) zu Recht die These, dass es sich um Pseudonyme handeln muss: “Doña Beatriz Cienfuegos, signatura de la Pensadora gaditiana, y Doña Escólastica Hurtado, Girón, y Silva de Pico de la Pensatriz salmantina – nombre que pone en escena su carácter de seudónimo”.

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Die Pensatriz Salmantina bezieht sich darüber hinaus explizit auf die berühmte Frauenapologie des Benediktiners Feijoo und greift ebenso wie dieser auf das Genre des Frauenkatalogs zurück. Ein weiteres Fiktionssignal mit Blick auf die Identität der Herausgeberinnen manifestiert sich im Prolog durch die literarische Verwendung biographischer Versatzstücke, mit Hilfe derer die Vermittlerfiguren in den Wochenschriften als individuelle Charaktere konstruiert werden. Auch dieses Kriterium findet sich in den hier diskutierten ‘weiblichen’ Wochenschriften wieder. So entwirft sich La Pensadora Gaditana mit Blick auf ihr Publikum als Lokalpatriotin, leitet von ihrer andalusischen Herkunft geistiges Talent ab und spielt auf Cádiz als eine Stadt mit florierender Presse an: “Yo, Señores, gozo la suerte de ser hija de Cádiz” (ebd.: 40), “[...] pues además del privilegio de Andaluza, que me pone en la posesión de ser natural de una Provincia, donde las mujeres nacen sabiendo; la circunstancia de hija de Cádiz, es otra causa para poder esperar de mí semejantes producciones [...]“ (ebd.: 42). Sie kehrt ihre enorme Bildung sowohl religiöser wie nichtreligiöser Natur hervor und vermittelt genusadäquate Motive für ihre Gelehrsamkeit: in einem Kloster, so erklärt sie, in das sie ihre Eltern gebracht haben, wurde sie sechs Jahre lang ausgebildet (ebd.: 40f.). Zugleich werden diese Angaben als pseudobiographische Elemente entlarvt, wenn La Pensadora ihre menschliche Herkunft leugnet und damit auf den Konstruktcharakter ihrer Identität verweist: “[...] pues no teniendo más Padrinos, ni Terceros, que mis pensamientos, ellos serán los que basten para el desempeño de mi intención” (ebd.: 43). Auch die La Pensatriz Salmantina operiert mit pseudobiographischen Elementen und führt – da sie sich als Waise ausgibt – ihre Bildung auf die Erziehung durch den Onkel zurück. Beide Prologe sind demnach typisch für die Gattung der moralischen Wochenschrift und stellen einen Metatext dar, welcher die Funktionsweise des hybriden Genres nach dem Prinzip von Inter- und Architextualität (Genette 1982) vorführt. Die fiktive Herausgeberin, so wird deutlich, dient dem strategischen Entwurf eines weiblichen Lesepublikums im Sinne der “audience-building-strategy” (Shevelow 1989: 5). Dabei wird in der Wochenschrift mit weiblicher Herausgeberfigur eine spezifische Komplizität zwischen der Rahmenerzählerin und der fingierten Leserin hergestellt. Beatriz Cienfuegos, die Herausgeberfigur der Pensadora Gaditana, äußert sich beispielsweise wie folgt: “[...] pero les debo advertir (y esto para entre nosotras) que una

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vez, que me he revestido de Pensadora, he de ser imparcial [...]” (La Pensadora Gaditana 1763: 10, meine Unterstreichung). Sie selbst muss Vorbild sein und verkörpert jene Tugenden, welche die Wochenschrift an ihr Publikum vermitteln will. Andererseits bedarf es einer besonderen Begründung für ihre schriftstellerische Aktivität, die bei Frauen nur im Ausnahmefall legitimiert ist. Um mit dem in der Wochenschrift propagierten häuslichen Weiblichkeitsideal nicht in Konflikt zu geraten, rechtfertigt sich die Herausgeberin mit ihrem Alter und der vagen Formulierung, dass sie dem Ehejoch und damit strikter Häuslichkeit – die ihr Schreiben und Publizieren verhindern würden – nicht unterworfen sei: “entre merced y señoría, lo que basta para dar consejos acertados sin que sea preciso escucharlos con disgusto” (ebd.: 41); “sin la sujeción penosa del matrimonio ni la esclavitud vitalicia de un encierro” (ebd.: 41).171 Ein weiteres Charakteristikum der Wochenschriftenkommunikation ist der persönliche und vertrauliche Ton der Herausgeberfiguren verbunden mit Humor und Ironie. Im Unterschied zu traditionellen religiösen Techniken der Moraldidaxe tragen die Leser hier aktiv zur Verfertigung der Botschaft bei, indem sie eigene Beiträge, Briefe oder Kommentare verfassen, wobei durch eingefügte Texte eine Polyphonie hergestellt und das Publikum im Dienst der Rezeptionslenkung in einen Dialog eingebunden wird. Eine Vielfalt von Diskursen und Meinungen stehen nebeneinander und sind an ein mündiges Publikum gerichtet, welches die Botschaft als vernünftige und rationale zu erkennen vermag. Dies geht soweit, dass am Ende – wie das Beispiel der Denkerin von Cádiz oder der Vernünftigen Tadlerinnen zeigt – das Geheimnis der als Unterhaltung getarnten Ratschläge gelüftet wird und die Schöpfer der Stimmen genannt oder zumindest der strategische Einsatz einer fingierten unterhaltenden Vermittlerfigur im Dienst der Überzeugung metatextuell herausgestellt wird. So endet der Diskurs der andalusischen Denkerin: “Disfrazé el asunto, te le hice agradable, y tu le has recibido contento: pues es tal nuestra malicia, que hasta las verdades más importantes es preciso vestirlas de apariencias risueñas, para que se introduzcan en el pecho de los Hombres con el traje fingido de diversión, y pasatiempo” (La Pensadora Gaditana, Pensamiento 171  Sie eignet sich hier einen klassischen Topos an, denn schon in der mittelalterlichen Klerikerkultur wurde die Ehe als Störfaktor für geistiges Schaffen betrachtet – allerdings für die männliche Seite.

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LII, Bd. IV, 1764: 390f.).172 Während in der religiösen Didaktik eine geordnete und systematische Darstellung Vorrang hat und das Prinzip eines auf doxa bezogenen Wahrheitsanspruchs unterstreicht, zeichnet sich der fingierte publizistische Diskurs der Wochenschrift durch die Freiheit der Anordnung aus, durch Einschübe, Exkurse und eine bewusste Unübersichtlichkeit, ja kalkulierte Unsystematizität (Martens 1968: 32). Die strategische Rolle der Herausgeberin verstanden als diskursiver Einsatz der Kategorie Geschlecht im Zuge der Konstitution eines weiblichen Lesepublikums einerseits sowie in Folge der Konstruktion einer essenzialistisch-biologistischen Geschlechterdifferenz und der Vermittlung geschlechtsspezifischer Aufgaben- und Wissensbereiche andererseits, manifestiert sich in dem hier skizzierten Gattungszusammenhang der moralischen Wochenschriften. Dabei lassen sich vier übergreifende diskursive Konstanten beschreiben: (1) Mit der Figur der Herausgeberin, gestaltet als “effet de personnage”, wird der publizistische Kommunikationsraum erstmals explizit auf ein weibliches Publikum zugeschnitten. Die Wochenschrift mit weiblicher Erzählerin stellt diesen Rahmen her und bildet nicht zuletzt das Fundament für eine tatsächliche journalistische Betätigung von Frauen, die ihre öffentlichen Aktivitäten nunmehr legitimieren können. Das im Rahmen der Gattung stehende Originalitätsgebot und die neue Strategie einer weiblichen Adressierung schaffen zwar zunächst hypothetisch Räume für weibliches Schreiben, diese werden jedoch durch die geschlechtsspezifische Umfunktionalisierung von Bildung wieder geschlossen. (2) In den Texten wird entsprechend der Leserinnenstrategie und entgegen der traditionellen christlichen Moralisierung ein philogyner Diskurs eingesetzt, um die intellektuelle Ebenbürtigkeit der Geschlechter und potentiell gleiche Verstandesfähigkeiten zu untermauern. Damit wird eine frauenfreundliche Position als Basis für die intendierte Rollenunterweisung genutzt. Erst mit der Zuweisung geschlechtsspezifischen Wissens lässt sich die Einbeziehung der Frau in den aufklärerischen Wandlungsprozess, in das Bildungs- und Erziehungsprojekt der Aufklärung sowie ihre Teilnahme am gesellschaftli172  Diese Nummer ist in der Anthologie von Canterla (1996) nicht enthalten und wird daher aus einer (unvollständig erhaltenen) Originalausgabe der Leipziger Universitätsbibliothek zitiert.

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chen Fortschritt absichern. Die Frau wird einerseits – dem christlichen Modell weiblicher Sündhaftigkeit folgend – als Verantwortliche für den Sittenverfall stilisiert, andererseits aber als einsichts- und besserungsfähig beurteilt, woraus sich die Notwendigkeit eines weiblichen Erziehungsprogramms ableitet. (3) Im Rahmen dieses Wandels der Kommunikationsstrategien, welcher sich u.a. in den moralischen Wochenschriften manifestiert, findet dennoch eine “Feminisierung des Diskurses” statt, und zwar durch Dialogstrukturen, Elemente der Konversations- und Salonkultur, Muster rekodifizierter Mündlichkeit, Briefe, Apostrophierungen u.a. Der fiktionale Diskurs und die reformerischen Postulate werden strategisch miteinander verknüpft. Neben der Travestie der Herausgeberfigur erfolgt ein Spiel mit den Identitäten der Briefpartner, das eine Polyphonie erzeugt und – als textuelles Probehandeln – einen Lernprozess in Gang setzt, der als Erkenntnisvorgang im Rahmen des Textes selbst inszeniert und somit sinnlich erfahrbar gemacht wird. Mit dem Einsatz einer weiblichen Herausgeberfigur werden die Präsenz des weiblichen Körpers und weiblicher Stimmen im Text simuliert, welche im Dienst der auf ein weibliches Publikum zielenden Überzeugungsstrategie stehen. (4) Im Rahmen dieser innovativen diskursiven Techniken erfolgt zugleich eine einzigartige geschlechtsspezifische Rollenfixierung, welche den privaten Bereich als biologisch begründbaren weiblichen Aufgabenbereich konstituiert und den Fortschritt des weiblichen Geistes auf diesen sozialen Raum beschränkt. Im Dienst einer Pragmatisierung der weiblichen sozialen Rolle komplementär zur Rolle des Mannes in den öffentlichen Bereichen und Professionen wird der Zugang zu Bildung und Öffentlichkeit, der sich mit dieser neuen Kommunikationssituation eröffnet hat, durch eine solche funktionale Konsolidierung der christlichen Rolle eingeschränkt: die Frau soll sich als Mutter und Gattin mit praktischem Wissen ausstatten, jedoch keinesfalls andere Interessen entfalten. Ertler (2011a: 11) geht so weit und konstatiert eine Rücknahme aufklärerischer Prinzipien, dass nämlich La Pensadora Gaditana: “[...] hinter dem Deckmantel der Frau [...] das gesamte Projekt der Aufklärung in Frage zu stellen scheint und mit den Reformen der zeitgenössischen Gesellschaft eine Wiederherstellung der Alten Ordnung intendiert”. Die neuen diskursiven Strategien, die mit der Entfaltung des aufklärerischen Genres der moralischen Wochenschrift entstehen und sich beispielsweise in der in-

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novativen Verwendung der Figur einer Herausgeberin manifestieren, implizieren nicht automatisch auch die Umsetzung eines egalitären Geschlechtermodells. Vielmehr steht die Konstruktion des weiblichen Lesepublikums im Dienst der Vermittlung eines in der Geschichte bis dato einmalig restriktiven utilitaristischen Weiblichkeitsmodells, das Shevelow (1989: 1) für den Fall der englischen Wochenschrift “an increasingly narrow and restrictive model of feminity” genannt hat. Die Einführung einer weiblichen Herausgeberfigur ist demzufolge Bestandteil des übergreifenden Konstruktionsprozesses einer essenzialistischen Geschlechterdifferenz. Sie erweist sich – gerade mit Hilfe des erläuterten profemininen Diskurses – als Strategie im Rahmen eines neuartigen Normierungsprozesses, an dem die moralischen Wochenschriften in besonderem Maße teilhaben, u.a. durch ihre Mitwirkung an der Konstitution getrennter Räume des Privaten und des Öffentlichen. Eine Nationalisierung erfolgt dabei durch die Konstitution einer öffentlichen Meinung u.a. zur Frage des geschlechtsspezifischen Verhaltens, die eine Wir-Gemeinschaft im nationalen Maßstab jenseits der Gelehrtenrepublik und -sprache etabliert. Dafür werden europaweit erprobte Diskursstrategien wie die der moralischen Wochenschrift übernommen und auch die Neuerung der weiblichen Herausgeberfigur, die allerdings ein höchst ambivalentes Vorbild für die journalistische Tätigkeit von Frauen und weibliche Autorschaft im 18. Jahrhundert bietet. Andererseits ist die an Frauen gerichtete “Botschaft der Tugend” – besonders jene aus weiblichem Mund – insofern vergiftet als sie ein restriktives und alternativloses Weiblichkeitsmodell vermittelt,173 welches – in ein aufklärerisches Gewand gehüllt – dem funktionalen Weiblichkeitsideal bürgerlicher Provenienz entspricht.

173  Dies kann für La Pensatriz Salmantina aufgrund des Fragmentcharakters gleichwohl nur einschränkend gelten. Einerseits wird die Herausgeberfigur Escolástica Hurtado wochenschriftentypisch als weibliches Rollenvorbild konstruiert – sie erzählt, wie ihre paternalistischen Betreuer, der Onkel und ihr Lehrer, sie vom galanten Spiel der marcialidad auf den Pfad der Tugend leiten. Andererseits ist ihr pseudobiographischer Diskurs durch Ironie, Mehrdeutigkeit und gelehrte Anspielungen derart gebrochen, dass er als Parodie der Wochenschriftenkommunikation erscheint. So erfährt man beispielsweise nicht, welches Rezept der Lehrer zu Escolásticas Heilung von der vocación marcial verwendet, der Abschnitt (Urzainqui 2004: 144) bleibt doppeldeutig, so dass die Schilderung eines Missbrauchs nicht ausgeschlossen ist (vgl. Gronemann 2011).

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7. EHEPROPAGANDA UND NORMIERTE MÄNNLICHKEIT IN SCHERZ HAFT-ERNSTER VERKLEIDUNG: PAPEL JOQUI-SERIO SABIO Y ERUDITO 174

La Verdad: [...] pronuncio mi sentencia definitiva; y condeno en ella a la pena de ser borrado del catálogo de los verdaderos hombres, lo primero, a qualquiera que en adelante las ultraje, vilipendie o hable mal del honrado sexo de las mujeres [...]. (Papel joqui-serio sabio y erudito, 1796; meine Hervorhebung)

Während im europäischen Maßstab ausgehend von der französischen Salonkultur, ihrem Konversationsideal und den gewandelten Moralund Gendervorstellungen tradierte Kommunikationsräume im 17. und 18. Jahrhundert aufgebrochen wurden, blieben im spanischen Kontext nach Geschlechtern getrennte Gesprächsforen weitgehend vorherrschend. Zu den informellen Gesprächsformen, die in dieser Hinsicht keine Ausnahme darstellen, gehören die in Kaffeehäusern, Privathäusern, Buchhandlungen und Geschäften angesiedelten Gesprächsrunden, die sog. tertulias.175 Sie entfalten sich auf der Basis der bereits etablierten Orte des geistigen Austauschs wie Akademien, Salons und noblen Abendgesellschaften (saraos) oder führten in Einzel-

174  Das Kapitel basiert in Grundzügen auf dem spanischsprachigen Beitrag (Gronemann 2006). 175  Ob der bereits in der vormodernen spanischen Lexik verankerte Begriff (Gelz 2006: 11f.) auf den lateinischen Schriftsteller Tertullian (um 160-225) zurückgeht, der für seine praktische Philosophie, seinen misogynen Rigorismus bekannt war, ist nicht bekannt (den Zusammenhang stellte Jan Felix Gaertner her).

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fällen sogar zur Neugründung von Institutionen.176 Die tertulia stellt einen halbprivaten und darüber hinaus in die Alltagskultur eingebetteten Ort der Meinungsbildung dar, eine Art Stammtisch.177 Sie tritt seit dem 18. Jahrhundert als “Umschlagplatz heterogener Diskurse sowie interkultureller Einflüsse”, als Forum sowohl kultureller wie sprachlicher Übersetzung (Gelz 2002: 32) in Erscheinung und kann verstanden werden als [...] catalizador con respecto de procesos de transformaciones culturales de la sociedad; transformación de una sociedad estamental, de índole aristócrata, hacia una nueva forma de concebir la sociabilidad y cohesión social urbana, desarrollo de un concepto moderno de subjetividad fuera de la norma religiosa, de un concepto del público, de la relación entre los sexos. (Gelz 1998/99: 106)

Im Zuge der gesellschaftlichen Modernisierung und der Entfaltung nationaler Öffentlichkeiten, in denen intellektuelle, politische und literarische Debatten stattfinden, gewinnen derartige Gesprächsrunden im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert zunehmend an Einfluss, befördern die Reformen und werden auch selbst zum Gegenstand der Diskussion. Sie werden kritisiert vor allem als Ausdruck einer Mode, die einen Sittenverfall und mangelnden Patriotismus zur Folge habe (Gelz 2006). Tatsächlich löste die tertulia als Diskursmodell eine kulturelle Dynamik aus und etabliert als Medium aufklärerischer Inhalte einen neuen Dialog mit dem Leser. Obgleich tertulia-Texte keine Gesprächsprotokolle, sondern fingierte Konversationen darstellen, lässt sich in ihnen eine Durchlässigkeit zu den realen historischen Formen erkennen, eine “permeabilidad de las fronteras” Gelz (1998/99: 109) im Sinne der Übergängigkeit zwischen mündlicher und schriftbasierter Kommunikation. Die tertulia-Textproduktion von Autoren wie Quijano, Jovellanos und

176  So ging beispielsweise der Gründung der Real Academia de la Lengua ein solcher Gesprächskreis voraus. 177  Kany (1932: 268) beschreibt verschiedene Arten der Zusammenkunft (refresco, sarao, convite) im Unterschied zur üblichen tertulia, verstanden nach der Definition im Wörterbuch von Terreros y Pando als “a gathering of a number of individuals for the sake of conversation and amusement”.

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Cadalso stellt demnach eine entscheidende Quelle für die Rekonstruktion der spanischen Aufklärungskultur dar, wie sie Gelz (2006)178 unternimmt. Im Zentrum des vorliegenden Kapitels steht ein solcher tertuliaText, wobei keineswegs die potentiell möglichen Überschneidungen mit einer realen Gesprächssituation interessieren sollen. Vielmehr geht es um die in einem fingierten Dialog realisierte Geschlechterdarstellung. Untersuchungsgegenstand ist dabei ein Text aus der Bibliothek des Instituto Feijoo de Estudios del Siglo XVIII,179 der die typische Dialogsituation einer tertulia zur praktischen Einweisung des Lesers in die Rolle eines modernen Ehemannes nutzt. Zwei Männer streiten um Ehe-, Moral- und Geschlechtervorstellungen und werden im Prozess der Debatte und der Schlichtung ihres Streits zu echten Ehemännern im Sinne des bürgerlichen Kodex erzogen. Wie die analysierten Wochenschriften vermittelt auch dieser tertulia-Text Geschlechternormen, hier verbunden mit der zeittypischen Ehepropaganda, und greift in ähnlich strategischer Weise auf fiktionale, dialogische und performative Techniken im Dienst sinnlicher Erkenntnisvermittlung zurück. Auch tertulias vermitteln diese Art von praktischem Wissen und laden den Leser ein, die Einsichten und Erfahrungen ihrer literarischen Figuren zu reflektieren und anzueignen. Im vorliegenden Text geht es dabei um die Begründung von Geschlechterrollen und die lebenspraktischen Anforderungen an die Rolle eines Ehemanns.

₇.₁. Der alte Streit unter neuen Vorzeichen Im Jahr 1796 erscheint anonym und unter dem Titel Papel joqui-serio sabio y erudito. Pleito entre dos casados D. Prudencio y D. Teodoro. El primero, aboga a favor de todas las mujeres, porque le tocó en suerte una esposa buena: y el segundo declama contra todas, porque le tocó en suerte una

178 

Diese Arbeit widmet sich dem kulturgeschichtlichen Phänomen der tertulia im 18./19. Jahrhundert und geht dabei auf Entstehung und Spezifik dieser Form von Geselligkeit ein (ebd.: 11f.). 179  Diesen bislang in der Forschung nicht beachteten Text habe ich 2003 während eines Forschungsaufenthaltes in der Bibliothek des Instituts entdeckt.

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esposa mala. Ambos se producen con mucha erudición en presencia de la Verdad, que como Juez define el Pleito,180

ein tertulia-Text, der einen Streit zweier Ehemänner über den Umgang mit der Ehefrau in Szene setzt und damit, in Fortführung frühneuzeitlicher Eheschriften, einen literarischen Beitrag zu der im 18. Jahrhundert entfachten öffentlichen Geschlechterdebatte leistet. Gestaltet als dramatischer Dialog ohne eine rahmende narrative Einbettung, wie sie beispielsweise durch die Herausgeberfigur in den Wochenschriften erfolgt, wird das eheliche Verhalten nicht nur besprochen, sondern anhand des Konflikts zwischen Don Prudencio und Don Teodoro auf einer gedanklichen Bühne inszeniert. Der Text verhandelt dabei die Ehe nach dem bürgerlichen Modell als egalitären und arbeitsteiligen Verbund. Im Unterschied zu den häufig subversiven literarischen Modellen barocker Spielwelten steht hier die lebenspraktische und funktionale Dimension der Geschlechterproblematik im Zentrum. Dass die solcherart vorgetragene Ehepropaganda den Segen der bourbonischen Krone hat, geht aus den Schlussworten der richterlichen Instanz hervor, die den Streit der beiden Männer schlichtet. Als Wahrheitsinstanz ist eine Frauenfigur eingesetzt, die den literarischen Urteilsspruch mit folgenden Worten unterzeichnet: “Dado en nuestra tertulia de la Corte, hoy día 2 de Septiembre del presente año de 1796. La Verdad” (Papel joqui-serio 211 [111]). Der Hinweis auf den Hof – zumindest hinsichtlich der dort üblicherweise angesiedelten gemischten Unterhaltungsform – kann hier aber auch (ebenso wie der zu didaktischen Zwecken angelegte Streit selbst) als fingiert betrachtet werden. Erweist sich doch die einzige weibliche Rolle im Text – fernab jeder leibhaftigen Weiblichkeit – als symbolische Verkleidung jener Erkenntnis, zu der der Text sein vorrangig männliches Publikum nach erfolgreicher Lektüre führen möchte. Der erzieherische und zugleich normative Anspruch des scherzhaft-ernsten (Streit-)Papiers, in welchem die umfänglich abgehandelte Frauenfrage nur als Vehikel fungiert, besteht darin, die Rolle des empfindsamen Ehemanns mit der Bestimmung des hombre de bien in Einklang zu bringen. 180  Der Text ist nachgewiesen in Palau (1959: 260, cert. núm 211697) und Aguilar Piñal (1999: 600). Im Folgenden wird er unter dem Kürzel Papel joqui-serio aus dem Original des Instituto Feijoo de Estudios del Siglo XVIII zitiert.

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Wie in frühneuzeitlichen Eheschriften, die teilweise kontrovers argumentieren und innerhalb der historischen Geschlechterdebatte als eigenständige Querelle du mariage firmieren, wird die Ehe im vorliegenden Text als ein gesellschaftlicher Brennpunkt thematisiert, dabei aber nicht auktorial, sondern zunächst aus Sicht zweier Ehemänner auf ihre Frauen abgehandelt. Der vorliegende tertulia-Text steht im Kontext zahlreicher anderer Schriften zur Aufwertung der Ehe. Zu beobachten ist dabei, dass die vorliegende tertulia – im Unterschied zum reformorientieren Nützlichkeitsdiskurs – das Thema auf einen christlichen Diskurs um Moral, Wertigkeit und Intelligenz der Frau verlagert. Ehe und Ehefeindlichkeit, Familie, Sexualität, Zölibat und Askese sind seit der Spätantike debattiert worden,181 wobei die Gattenfrage in Form von Ehelob und Eheschmäh (Bock 2005: 30-46) seit der Reformation zu einem wiederkehrenden Thema in Debatten und Streitschriften wurde.182 Als Basisstruktur einer übergreifenden gesellschaftlichen Ordnung war die Ehe stets mit politischen, sozialen, religiösen und rechtlichen Fragen wie Erbschaft, Familienrecht u.a. verknüpft und es bildete das Fundament zur Erhaltung vorhandener Machtbereiche (vgl. Duby/Perrot, Bd. 1-3). Das Konzil von Trient kann als eine wichtige mentalitätsgeschichtliche Wende betrachtet werden, insofern die mit der Reformation verbreitete ehefreundliche Haltung (Philogamie) zu einer innerkirchlichen Konkurrenzsituation führte und eine Neuausrichtung des katholischen Ehediskurses bewirkte. Frühchristlich-misogame Positionen wie sie z.B. auf Hieronymus und sein leib-und frauenfeindliches Sündenmodell zurückgehen (Klein 2003: 40ff.), rückten nun zugunsten einer neuen Ehepolitik im Dienst sozialer Stabilisierung und Verbürgerlichung in den Hintergrund. Die Nobilitierung der Ehe gegenüber den traditionell als höherwertig geltenden zölibatären Lebensformen erfolgt durch die Kritik an Zwangsverheiratung und Konvenienzehen sowie das 1563 in 181 

In der christlichen Vorstellung hatte die Ehe – jeweils unterschiedlich gewichtet – vor allem drei Funktionen: procreatio (Zeugung von Nachkommen), evitatio fornicationis (Vermeidung von Unzucht) sowie adiutorium (gegenseitige Hilfe/Rat), wie Schnell erklärt (1997: 145-175). 182  Die Verknüpfung ehe- und frauenfeindlicher Argumente sowie deren Kontrastierung mit einem profemininen Diskurs war, wie Rüdiger Schnell (1985) am Bespiel von Albrecht von Eyb, Hans Sachs und Johann Fischart aufzeigen konnte, typisch für das Genre der frühneuzeitlichen Eheschriften.

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der römisch-katholischen Kirche eingeführte Ehesakrament, das die eheliche Verbindung unter Aufsicht des Klerus stellte. Im Kontext des Konflikts zwischen Reformation und Gegenreformation entstand daher eine breit gefächerte humanistische Literatur über die Ehe, in der Ehemänner und -frauen, getrennt oder im gemeinsamen Dialog, zum Gegenstand christlicher Unterweisung wurden. Entscheidende Neuausrichtungen gingen auf die Schriften von Luther und Erasmus von Rotterdam zurück. In Erasmus’ Dialogschrift Coniugium (1523) tauschen sich zwei weibliche Protagonisten aus, tasten dabei jedoch die subordinierte Ehefrauenrolle nicht an, weil sie nicht nur die Ehe selbst, sondern auch die Grundlagen der Gesellschaft stabilisiere. Dieser Gedanke wird in den spanischen Reformdiskursen des 18. Jahrhunderts aufgegriffen und unter Vorzeichen einer bürgerlich-patriotischen Gesinnung neu aufgelegt. Das Modell der Ehe und mit ihr die richtige Eheführung wurden gegen jedweden verwerflichen Einfluss von außen in Stellung gebracht und dabei aufgewertet. So sollte sie Unsitte und afrancesamiento ebenso heilen wie Galanterie, cortejo-Kultur und petimetría. Dass sich Junggesellen öffentlich rühmten, nicht in die eheliche Falle und Rolle des Hahnrei zu geraten, sei Ausdruck dieses Verfalls ebenso wie die Klagen von Ehemännern über Luxus- und Putzsucht ihrer Angetrauten (Martín Gaite [1972] 1987: 148ff.). Um die Ehe auch moralisch attraktiv zu machen, wurde von Aufklärern wie Cabarrús183 über die Möglichkeit einer offiziellen Scheidung nachgedacht, auch um fortgesetztem Ehebruch und anderen Übertretungen vorzubeugen. Dieser Vorschlag, der vor allem Polemiken hervorrief, steht jedoch im Zusammenhang mit dem bereits in der Einleitung skizzierten Modernisierungsgedanken und der gesellschaftlichen Neuordnung in Form eines Übergangs von den feudalen zu bürgerlichen Strukturen. Die Institution der Ehe unterliegt in diesem Prozess einem Wandel von der dauerhaften Allianz zu einem Vertragsverhältnis, das nicht mehr sittlich-moralischen, sondern auch sozialen und ökonomischen Erwägungen folgt. Im Kontext dieses Diskurswandels entsteht auch der vorliegende tertulia-Text, dessen Modernisierungsstrategie jedoch nicht auf die Scheidung zielt, sondern vielmehr auf eine spezifische Aufklärung der 183  Vgl. die “Cartas sobre los obstáculos que la naturaleza, la opinión y las leyes oponen a la felicidad”, in: Epistolario español. Bd. II. Madrid: Atlas 1952, welche von Rousseau beeinflusst sind und der modernen Idee eines Wandels der Affekte folgen.

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Ehemänner. Der Text appelliert an den mündigen männlichen Rezipienten und sein Männlichkeitsbewusstsein und dies im Rahmen eines rein männlichen Gesprächstextes (abgesehen von einer allegorischen weiblichen Figur, auf die ich noch eingehen werde), der als höfische tertulia eine für das katholische Spanien typische Form annimmt (Sánchez-Blanco 1992: 173). Frauen hatten zu Cafés, Apotheken und den dortigen Gesprächsrunden – im Unterschied zu wenigen privaten Orten, an denen die Salons abgehalten wurden (s. 2.3.) – offiziell keinen Zutritt (Álvarez Barrientos 2005: 131). Anders als die französische Salonkultur beruhte die Konversation innerhalb einer tertulia nicht auf einem egalitären Geschlechtermodell, sondern privilegiert die männliche Perspektive. Mit einer Unterhaltung unter Männern beugt der anonyme Autor des Papel joqui-serio somit der Kritik vor, eine sittenlose Gesprächssituation gestaltet zu haben, wie sie aus zeitgenössischer Sicht bereits das physische Beisammensein von Männern und Frauen in einem Raum ausmacht, so der moralisierende Diskurs über den cortejo.184 Die semiprivate Öffentlichkeit einer tertulia, die der vorliegende Text mit Blick auf lebensechte gesellige Männerrunden simuliert, ist somit zugleich verstehbar als Performanz der männlichen Geschlechterrolle. Beide Ehemänner, deren gesellschaftlicher Stand im Disput keinerlei Rolle spielt, beschäftigt ein häusliches Problem, die Frage der Wertschätzung, die sie ihren Ehefrauen entgegen bringen und über die sie – freilich in deren Abwesenheit – in Streit geraten. Entgegen dem Prinzip der ergebnisoffenen Meinungsbildung als Ausdruck einer kritischen Öffentlichkeit wird hier allerdings eine normative Auffassung herausgearbeitet und als literarische Botschaft vermittelt: die höchstrichterliche Instanz der Wahrheit entscheidet im Streit der Ehemänner, autoritär und unmissverständlich für eine männliche Dominanz in der Ehe. Die Frauenfrage ist hier somit Streitobjekt unter Männern, sie dient der Inszenierung einer Männerfreundschaft und vermittelt in Form einer Ehemännerdidaxe die Prämissen für eine stabile bürgerliche Ehe.

184  Der cortejo wurde als neue Konversationsform verteidigt, während den Kritikern bereits der außereheliche Umgang der Geschlechter als unschicklich galt: “Los defensores de la inocencia del cortejo se escudaban siempre en el argumento de que se trataba de meras conversaciones. [...] La cercanía física a que daba lugar aquella plaga de las conversaciones susurradas y galantes se esgrime en todos los textos contrarios al cortejo como argumento probatorio de su peligro” (Martín Gaite [1972] 1987: 141f.).

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₇.₂. Dialogizität und Inszenierung der fingierten tertulia Im literarischen Gesprächstext Papel joqui-serio werden im Sinne des enseñar deleitando, der aufklärerisch gewandelten Horaz-Maxime, unterhaltende und belehrende Elemente miteinander verknüpft. Der tertulia-Text simuliert nicht nur einen Streit, sondern adaptiert hierfür ein typisches Gesprächsmuster, das bereits in frühneuzeitlichen Geschlechtertexten vorhanden und sogar prägend war. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, wenn nicht gar Unmöglichkeit, Dialogtexte wie den Papel joqui-serio nach nur einer Referenz zu klassifizieren, denn sie enthalten sowohl Bezüge auf das kulturelle Phänomen der Gesprächsrunden als auch die dialogischen Texttraditionen. Meine Aufmerksamkeit richtet sich folglich weniger auf das kulturgeschichtliche Phänomen der tertulia im 18. Jahrhundert als vielmehr auf die Frage textualisierter Gesprächssituationen, wie sie seit der Antike in unterschiedliche Genres Eingang finden. Während die tertulia als alltagsbezogener Gesprächs- und Diskussionsraum, als intellektueller Club des Meinungsaustauschs im Rahmen der Ausdifferenzierung von Öffentlichkeiten im 18. Jahrhundert an Bedeutung gewinnt und die in Anlehnung daran entstandenen Gesprächstexte als Indizien für den politischen, kulturellen und mentalen Wandel der spanischen Gesellschaft an der Epochenschwelle zur Moderne lesbar werden (Gelz 1998/99: 101), geht die verwendete Form von Dialogizität auf eine lange Texttradition zurück. Seit der Antike wurden in Literatur und Philosophie die Effekte des Gesprächs und der direkten Rede als Instrumente zur Wissensvermittlung genutzt. Dies erfolgte etwa, um den Leser stärker zu aktivieren und ihn affektiv zu erreichen. Dialogtexte performieren nicht nur Gesprächssituationen, sondern praktizieren die Normen und Werte, die sie vermitteln. Im Fall des vorliegenden Textbeispiels sind dies implizite und explizite Aussagen über das Geschlechterverhältnis. Obgleich sich die textuelle und soziohistorische Form der tertulia überlagern können, insofern die Texte auf historische Gesprächskreise rekurrieren und Gesprächstexte wiederum in den echten tertulias zirkulieren und diskutiert werden, bleibt ein wesentlicher Unterschied auf der Ebene der Medialisierung zwischen mündlicher und schriftfixierter Gesprächsform erhalten. Während sich die an Konversationsmaximen und Salonkultur orientierte aufklärerische Gesprächskultur durch echte Polyphonie, Gedanken- und Redefreiheit sowie Ergebnis-

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offenheit und Meinungsvielfalt auszeichnet, ändert sich die Pragmatik der tertulia im Moment ihrer Verschriftlichung. Das Gesprächsmodell wird strategisch eingesetzt, nicht um Interessen auszuhandeln, sondern um den Prozess der Meinungsbildung bei der Leserschaft in Gang zu setzen. Um diesen Unterschied zwischen einer realen Gesprächsrunde, die weder fixiert noch überliefert ist, und der textuellen Simulation eines solchen Zirkels terminologisch abzubilden, differenziere ich zwischen mündlicher tertulia und tertulia-Texten als einem Dialoggenre,185 welches im europäischen 18. Jahrhundert eine Konjunktur erlebte.186 Gerade im philosophischen Kontext wird die Literatur selbst als Medium der Erkenntnis wieder entdeckt.187 Dies manifestiert sich paradigmatisch am klassischen Beispiel des französischen Romans der Philosophen, der neue epistemologische Einsichten auf interaktivem Wege zu vermitteln verstand. Zu nennen ist hierfür Diderots programmatischer Text “Éloge à Richardson”, der am Beispiel der Romane Richardsons die Vorzüge der Romanlektüre als Bildungsabenteuer betont, auch im Sinne einer Aufwertung des Genres. Die im Roman mögliche rollenhafte Partizipation des Lesers am fiktionalen Geschehen wird als praktische Einübung in Normen gepriesen: “Der Charakter des Unbewußten, Spielerischen und Zwanglosen, der solchem Rollenspiel innewohnt und der es vom folgenreichen Handeln im alltäglichen Leben wesentlich unterscheidet, kann, so Diderot, einer effizienten Normvermittlung nur dienlich sein” (Dirscherl 1985: 9). Dialogfiktionen sind folglich vielfältig einsetzbar und erneuern zudem entscheidend auch die Erziehungsliteratur im engeren Sinne.188 185  Im Französischen beispielsweise nutzt man zur Unterscheidung fingierter Konversationstexte den Begriff “conversation(s) mimée(s)” (ich danke Stephanie Bung für diesen Hinweis). 186  Im Dialogtext und einer “Dialogisierung der Aufklärung” sieht Galle (1980) beispielsweise das einheitsstiftende Moment von Diderots Gesamtwerk. 187  Bereits im spanischen Erasmismus des 16. Jahrhunderts war – zur lebendigen Erörterung und Pädagogisierung von religiösem Wissen – die mehrstimmige Dialogform verbreitet, ebenso in der Renaissance generell und ebenso im spanischen Renacimiento. 188  Zu den einflussreichen französischen Modellen gehören Madame d’Épinays Conversations d’Émile und Rousseaus Erziehungsroman Émile ou de l’éducation, der die Entwicklung eines homme naturel propagiert; in Spanien wird die Tradition von Montengón aufgegriffen (vgl. Kilian 2002). Während in Rousseaus Erziehungsutopie die auktoriale Position des Erziehers an keiner Stelle in Frage steht, entwirft Madame d’Épinay eine Mutter als gleichberechtigte Dialogpartnerin des zu erziehenden

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₇.₃. Figuren als Positionsträger Die Figurenkonstellation im Papel joqui-serio zielt zunächst auf eine Personifizierung der vorhandenen Positionen und weist zwei Kontrahenten aus, die außer ihrer jeweiligen Perspektive auf Weiblichkeit keine nähere Charakterisierung erfahren. Sie verkörpern konträre Meinungen. Der Text ist nicht durch abwechselnde Interventionen gekennzeichnet, sondern reiht die drei Positionen chronologisch, so dass sich ein triadischer Aufbau nach dem Muster These, Antithese und Synthese ergibt: Prudencio Teodoro La Verdad

→ → →

Argumentation pro weibliche Exzellenz Argumentation pro weibliche Minderwertigkeit rationalistisch-gemäßigte Position: Egalität und Subordination

Während der frühneuzeitliche Geschlechterstreit um das Für und Wider weiblicher Exzellenz zumeist binär organisiert war, wird hier eine dritte vermittelnde Position ergänzt. Analog zu Feijoos Argumentation wird hier eine Polarisierung frauenfreundlicher und -feindlicher Argumente kritisiert und in einen rationalistischen Diskurs der Abwägung und Differenzierung überführt. Diese Position wird von einer allegorischen Frauenfigur verkörpert, Señora Verdad, in deren Auftreten sich der normative Anspruch des Dialogtextes manifestiert. Der Text soll im Folgenden genauer vorgestellt werden. Den dramatischen Konflikt189 konstituiert eine Krise in der Männerfreundschaft zwischen Don Prudencio und Don Teodoro, deren “innige Verbundenheit” und “aufrichtige Freundschaft” Schaden genommen hat, weil sie sich angesichts verschiedener Wahrnehmung ihrer Ehefrauen prinzipiell über den Wert des Weiblichen uneinig sind. Die Wahl männlicher Protagonisten und die Betonung ihrer Freundschaft machen sichtbar,190 dass die Formen männlicher Soziabilität Mädchens. Zur ästhetischen Dimension französischer Dialogfiktionen vgl. Kleihues (2002). 189  Gleichwohl bleibt die Konstruktion einer dramatischen Situation im Text rudimentär und es dominieren die – traktatartig – konzipierten Reden der drei Figuren. Lediglich am Anfang und am Ende werden die Figuren kurz situiert. 190  Auf antike Vorstellungen geht die Formung des Freundschaftsbegriffs als rein männliche Beziehung zurück, von der Frauen generell ausgenommen sind. Erst seit

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für die zeitgenössische Gesellschaft von größter Bedeutung sind. So kreist die Kontroverse beider Herren keineswegs nur um private Belange des häuslichen Umgangs mit der eigenen Frau, sondern zielt mit der Problematik der Ehe auf ein ökonomisch und politisch hoch relevantes Thema. Die rein männlichen Disputanten dienen zugleich der Abgrenzung von einer als libertär und dekadent geltenden aristokratischen Salonkultur. Im Unterschied zu Manco de Olivares Satire Estrado crítico universal (vgl. 5.3.), in der eine weibliche Kaffeerunde inszeniert wird, um Feijoos Fragestellung als Salonthema zu diskreditieren, manifestiert sich in der Wahl der Ehemänner als Protagonisten die Wertschätzung des Themas. Der Text beginnt mit einem Besuch Teodoros bei seinem Freund Prudencio, der das Treffen zum Anlass nimmt, die bestehende Meinungsverschiedenheit auszuräumen. Die von seinem Kontrahenten geäußerte Frauenverachtung erklärt er aus dessen persönlicher Erfahrung und hält den Freund davon ab, von der eigenen Frau auf ein ganzes Geschlecht zu schließen und dieses mit “furchtbaren Schmähungen” zu überziehen: Os retirasteis de mi casa, de mi compañía y rompisteis aquel fuerte vínculo de amor que a costa de tantos años había fabricado una ingenua y sincera amistad. Y todo ¿por qué? Bien lo sabéis: os tocó por suerte una mujer muy mala; y cuando deberíais reflexionar que no podáis descubrir sus faltas sin manchar vuestro honor; no contento con haceros pregonero de ellas en todas las tertulias, concluyáis siempre con terribles invectivas contra todas las demás, como si fueran de su mismo jaez. (Papel joqui-serio: 3f., meine Hervorhebung)

Anknüpfend an die Dialogliteratur der Querelles des femmes, in der immer wieder mit verteilten Rollen um die Frauenfrage gestritten wurde, schickt auch der Autor des Papel joqui-serio einen Frauenfreund gegen einen Feind des weiblichen Geschlechts ins Rennen. Schon Martin Le Franc hatte seine berühmte Streitschrift Le Champion des Dames (1440) nach diesem Muster organisiert und ließ die Figur Vouloir (Wille) mit Malebouche (Lästermaul) streiten, wobei der Frauenfreund am Ende

dem 16. Jahrhundert gibt es das Konzept der Frauenfreundschaft. In Aristoteles’ Text Nikomachische Ethik (322 v. Chr.) wird die Männerfreundschaft in ihrer konstitutiven Rolle für die Struktur der Polis erklärt.

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die Oberhand gewann (Bock 2005: 16). Die zumeist auf Latein geführte humanistische Geschlechterkontroverse wurde so auch in volkssprachlichen Texten weitergeführt. Wie im antiken Götterstreit oder den Dialogtexten der Renaissance wurden die streitenden Protagonisten dabei als Positionsträger oder sogar allegorische Figuren lesbar. Im vorliegenden Text verkörpern zwei Männer die Diskursopposition von Frauenlob und -kritik. Während Teodoro [‘göttliches Geschenk’] alle Frauen unter Rückgriff auf die klerikale Misogynie mit “schrecklichen Invektiven” (3f.) überzieht, werden sie von seinem mit Klugheit (prudencia) ausgestatteten Kontrahenten Prudencio verteidigt.191 Die Anleihen, die der Text bei Feijoo aufnimmt, sind dabei überdeutlich. Mit Hilfe der eingängigen Argumente aus den vielzitierten Quellen des Geschlechterstreits antiker, frühchristlicher und humanistischer Tradition vertreten sie ihre Positionen nicht nur unterhaltsam, sondern ebenso ausführlich und gebildet. Trotz einer dialogischen Grundstruktur ist der Text in überwiegend monologische Figurenrede gegliedert, wobei er thematische Zwischenüberschriften enthält und auf Traktatliteratur sowie konzeptuelle Schriftlichkeit verweist. Die Kenntnis zahlreicher Autoren, einschlägiger Texte, des lateinischen Zitatenschatzes und des klassischen Argumentationsaufbaus sowie der richtigen Kompilationstechnik, um Zitate, Positionen und Anekdoten einzubinden, verweisen auf die Schreibpraxis eines geübten Autors.192 Die Figuren beziehen ihre Argumente aus dem Repertoire des historischen Frauenstreits, wobei biblische, naturwissenschaftliche und historiographische Diskurse zur Anwendung kommen. Die aus verschiedenen Genesisdeutungen hervorgehenden Rollenvorstellungen finden ebenso Eingang wie physiologische Argumente (Elementenlehre und Humoralpathologie nach Aristoteles und Galenus)193 oder

191  Die Verwendung eloquenter Namen stellt einen zusätzlichen Kunstgriff dar und markiert den Aspekt der Inszenierung. Gleichwohl war die Verwendung von Decknamen und literarischen Pseudonymen im zeitgenössischen Kontext nicht unüblich, in der Literatur, aber auch in Akademien, Salons u.a. 192  Es ist möglich, dass dieser aus einem monastischen Umfeld kommt und angesichts der vorliegenden säkularen Problematisierung der Ehe anonym bleiben wollte. Eines der beiden vorhandenen Exemplare des Textes befindet sich in der Bibliothek des Seminario Conciliar, einem Madrider Priesterseminar (Nachweis im Catálogo Colectivo del Patrimonio Bibiográfico). 193  Aus der aristotelischen Naturphilosophie wurde die Elementenlehre abgeleitet, derzufolge alle natürlichen Stoffe aus einer Mischung der Elemente Erde, Feuer,

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der Frauenkatalog als Exempelreihe berühmter Frauen aus Mythologie, Bibel und Geschichte. Andererseits werden auch kostumbristische Topoi (lujo u.a.) und Themen der aktuellen Debatten aufgegriffen, um die (alltags-)praktische Relevanz des Ehethemas und konkrete Handlungsanweisungen zu vermitteln. Die Rede beider männlicher Kontrahenten ist systematisch gegliedert und widmet sich mit jeweils unterschiedlicher Argumentationsrichtung – hierbei an der Gliederung bei Feijoo orientiert – der körperlichen, intellektuellen und moralischen Beschaffenheit der Frau. Den Wettstreit der Meinungen beginnt der Frauenfreund Prudencio, der auf apologetische Diskurse zurückgreift, um seinen Gegner und das Publikum von den “nobles cualidades y peregrines virtudes” (Papel joqui-serio: 4) des weiblichen Geschlechts zu überzeugen. Seine Rede ist an den Freund und zugleich an das gesamte Publikum gerichtet, was auf den inszenatorischen Charakter des Textes verweist: Las autoridades y los ejemplos serán las poderosas armas que depositen en mis manos la justicia. Vosotros, Señores, me haréis el honor de escucharme; y vos, Teodoro, no interrumpáis mi discurso hasta tanto que haya puesto fin a mi argumento. (ebd.: 4f.)

Er schildert seine Frau als gute Ehefrau und unterstreicht die Vorzüge des weiblichen Geschlechts in sieben systematisch gegliederten Abschnitten, denen er Begriffe des historischen Frauenstreits voranstellt: §. I. Etimología del nombre de mujer. §. II. De la creación de la primera mujer se deducen sus alabanzas. §. III. Del honor que los Príncipes y Filósofos hicieron siempre a las mujeres se declara su excelencia. Wasser und Luft beschaffen sind und in Kombination die Qualitäten feucht/trocken und kalt/warm ergeben. Die hippokratische Lehre der Humoralbiologie beschrieb im Anschluss die vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle, welche im Fall von Krankheit aus ihrem Säftegleichgewicht geraten waren (Galenus). Je nach Konzentration der Säfte unterschied man die menschlichen Temperamente des Melancholikers, Phlegmatikers, Cholerikers und Sanguinikers. Im Sinne der Humoralpathologie führt die unterschiedliche Konzentration der Körpersäfte nicht nur zur Entstehung von Krankheiten, sondern auch den unterschiedlichen Geschlechtscharakteren. Diese physiologischen Vorstellungen beherrschten die Antike und das Mittelalter und wirkten bis weit in die Neuzeit hinein fort. Vgl. auch Fußnote 61.

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§. IV. De la fortaleza e intrepidez de ánimo de las mujeres en los ejercicios de Marte se saca e infiere que son dignas de todo honor y alabanza. §. V. Son dignas de alabanza las mujeres por su prudencia y consejos sanos. §. VI. De la pericia en las letras, elocuencia y erudición de las mujeres. §. VII. De la castidad, liberalidad y magnificencia, misericordia y piedad de las mujeres se saca su mayor alabanza sobre los hombres.

Beginnend mit einer etymologischen Betrachtung der lateinischen Bezeichnungen ‘femina’ und ‘mulier’ sowie des italienischen ‘donna’, zitiert Prudencio jene Autoren, die die Bezeichnung mit positiven Attributen verknüpfen. Er nennt Isidor von Sevilla, der ‘femina’ von ‘fetu’ ableitete und dem Wort unter Hinweis auf die Bedeutung der Zeugung einen besonderen Wert zuschrieb: “[...] la más noble entre todas las operaciones humanas es la de engendrar el feto” (ebd.: 9). Isidor war Erzbischof von Sevilla (560-636) und ging als bedeutender Vermittler antiken Wissens in die Geschichte ein. Er ist Autor der Etymologiae [Origines] in 20 Bänden, einer der wichtigsten Quellen geistlichen und profanen (spät-)antiken Wissens, welche auf der Basis der Etymologie die mittelalterliche Vorstellung vom Wesen der Dinge prägte und mit einer spezifischen Sprachkonzeption verband, derzufolge sich Wesenhaftes in den von Gott gegebenen Bezeichnungen finde. Der vorliegende Bezug auf Isidors positive Konnotierung von ‘fetu’ steht offenbar im Kontext der mittelalterlichen Kontroverse zwischen aristotelischer und hippokratischer Auffassung. Während Aristoteles den Körper der Frau im Sinne des Hylemorphismus als rein passives Gefäß für den Embryo ansah, war er in der Anschauung der Anhänger von Hippokrates, denen Isidor offenbar folgt, aktiv an der Produktion von ‘Samen’ und Nahrung und somit der Herausbildung des Embryos beteiligt (Berriot-Salvadore 1994: 368). Dass die Ableitung von Begriffen keineswegs ein kohärentes Weiblichkeitskonzept zur Folge hat, zeigt die bei Isidor ebenfalls vorhandene Ableitung von ‘mulier’ aus dem lateinischen ‘mollitie’. Während damit traditionell “weibliche Schwäche” begründet wurde – “Mulier vero a mollitie, tamquam mollier, detracta littera vel mutata, appellata est mulier” (Cescutti 2001: 31) – sieht Don Prudencio gerade in der vermeintlichen Schwäche einen Hinweis auf die besondere Verstandesfähigkeit der Frau und führt diese auf ein aristotelisches Argument zurück: “[...] las carnes más blandas denotan mas sutil entendimiento” (Papel joqui-serio: 10f.). Diese Aussage über den Zusammenhang von weichem Gewebe

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und Verstandesfähigkeit wird offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen und nur hier auf die Geschlechterfrage bezogen, denn der griechische Philosoph war kein Verfechter einer Überlegenheit des weiblichen Verstandes.194 Unter Berufung auf die Schöpfungsgeschichte geht Don Prudencio im zweiten Abschnitt seiner Rede auf ein weiteres Schlüsselthema der historischen Debatte ein. Er verwendet hierfür die in Christines de Pizan spätmittelalterlicher Frauenverteidigung kodierten Kategorien des Ortes, der Aufeinanderfolge, des Namens und der Materie sowie deren jeweils profeminine Deutungen.195 Da die Frau nicht aus Lehm, sondern “beseelter Materie” in Form der Rippe Adams geschaffen wurde, sei sie edler als der Mann (ebd.: 14), ihre posteriore Schöpfung sei somit Ausdruck ihrer höheren Perfektion: “la mujer, en cuanto al cuerpo, es más perfecta que el varón; pues ella fue la última obra [...] y la que más tiempo necesita para su perfección, y animación” (ebd.: 16). Auch eine naturwissenschaftlich-physiologische Perspektive zugunsten der weiblichen Exzellenz führt er an. In der zeitlich versetzten Beseelung des weiblichen Embryos, so die antike Vorstellung, erkennt Prudencio dessen größere Vollkommenheit: “[...] no hay quien no sepa, que en todas las obras así naturales como artificiales, cuanto son más perfectas, otro tanto más tiempo se consume en ellas” (ebd.: 15). Das Genesis-Argument einer sekundären Schöpfung der Frau wird hier physiologisch umgedeutet und positiviert. Dass Prudencios Argumentation nicht nur einseitig ist, sondern auch vor Abstrusitäten nicht halt macht, zeigt der dritte Abschnitt seines Monologs, der frauenfreundlichen Fürsten, Philosophen, Ministern und Monarchen gewidmet ist. Prudencio schließt hier Aristoteles

194 

Aristoteles’ Äußerungen zur Geschlechterfrage erfolgen in verschiedenen konzeptuellen Zusammenhängen, so finden sie sich in seinen naturwissenschaftlichen, politischen und ethischen Schriften. Beispielsweise fasst er die biologische Differenz der Geschlechter als Resultat unterschiedlicher Zeugungsbeiträge. Aufgrund fehlender Körperwärme bilde der weibliche Körper keinen Samen (die Idee des ‘imperfekten weiblichen Körpers’ geht auf den humoralpathologischen Ansatz zurück, vgl. Fußnote 61). Ob Aristoteles den weiblichen Zeugungsbeitrag unterordnet oder vielmehr als gleichwertig bestrachtete, ist Gegenstand von Debatten. Föllinger (1996: 224ff.) etwa sieht in Aristoteles‘ Abgrenzung der Zeugungsbeiträge den Ursprung für die Idee einer Äquivalenz des männlichen und weiblichen Beitrags zur Prokreation. 195  Die vier Topoi entstammen der Genesis und werden sowohl misogyn als auch philogyn ausgedeutet (Gössmann 21998: 12).

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ein und ist um eine Erklärung nicht verlegen. Bei Aristoteles unterscheide er zwischen privater und öffentlicher Person und erkenne in dessen verschiedenartigen Ideen zu Weiblichkeit einen Sinneswandel. Zwar habe Aristoteles Frauen als unvollständige Menschen betrachtet, doch in der Begegnung mit ihnen habe sich diese Einstellung verändert. Prudencio sieht darin ein untrügliches Zeichen der Wahrheit: “Esta mutación del vituperio en alabanza no pudo nacer de otro principio que del conocimiento de la verdad” (ebd.: 20).196 Der vierte Abschnitt, der mit Postulaten antiker Theorien zur Physiologie operiert, ist der Eigenschaft der körperlichen Stärke, einem ebenfalls zentralen Thema der frühneuzeitlichen Querelle gewidmet. Don Prudencio greift wiederum Versatzstücke des Geschlechterstreits auf. Da der Waffengebrauch den Frauen traditionell verboten war und ihnen die kriegerische Praxis fehle, könne ihm zufolge niemand einschätzen, über welche Kräfte eine Frau tatsächlich verfüge. Auch dies eine Anleihe bei Feijoo. Er sieht darüber hinaus in der äußeren Verweiblichung der Männer die Ursache dafür, dass Frauen demgegenüber als stark wahrgenommen werden. Männer hingegen erscheinen als schwach. Im fünften Abschnitt berührt er den neuralgischen Kern der zeitgenössischen Debatte, die Problematik weiblicher Intellektualität, und stützt sich hierbei erneut auf Feijoo und das von diesem verwendete Muster des Frauenkatalogs als beispielhafte Sammlung exzellenter Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts. Das Genre geht auf ein Element der antiken Geschichtsschreibung zurück und war in Hesiods Schöpfungsbericht Theogonia erstmals verwendet worden. Den ersten eigenständigen weiblichen Exempla-Katalog der Antike, der zum Modell für die spätere Texttradition wurde, verfasste Plutarch. So veröffentlichte Boccaccio im 14. Jahrhundert seine neulateinische Version des antiken Textmodells unter gleichem Titel, De claris mulieribus. Dieser erste Frauenkatalog der Neuzeit (ca. 1361-75) entstand analog zur männlichen Heldensammlung De casibus virorum illustrium und umfasste 104 weibliche Viten, darunter auch die von mythischen Frauenfiguren (vgl. Auszüge, Übersetzung und Kommentar in Erfen/Schmitt 1995). Autorinnen wie Christine de Pizan (in Epistre au Dieu d’Amours von 1399 196 

In der Feijoo’schen Defensa de las mujeres, welcher die Argumentation Prudencios entlehnt und sogar stellenweise wörtlich entnommen ist, erscheint die Begründung mit Bezug auf Euripides und Boccaccio, hinter deren Frauenfeindlichkeit Feijoo die Verschleierung des männlichen “torpe apetito” sieht (§ I/3).

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oder Le livre de la cité des dames, vgl. Zimmermann 31992). hatten sich des Genres bedient und ihre frauenapologetischen Argumente aus dem historischen Repertoire an Beispielen bezogen. Im Humanismus erlebte die Tradition des Katalogs in Verbindung mit der Frauenverteidigung eine Konjunktur. So erschienen die Texte Declamatio de nobilitate et praecelentia Foeminei Sexus (Antwerpen 1529 [als Rede 1509]) des deutschen Arztes und Universalgelehrten Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim und Lucretia Marinellas Le Nobilità et Eccelenze delle Donne. Et i Diffetti e Mancamenti degli Huomini (1571/1600). Auch in Spanien bildete sich eine solche Tradition heraus, zu der im 15. und 16. Jahrhundert folgende klassische Beispiele zählen: Roís de Corella, Triunfo de les dones; Álvaro de Luna, Libro de las virtuosas e claras mugeres; Martín Alonso de Córdoba, Llibre de los Dones de Eximinis; Diego de Valera, Tratado en defensa de las virtuosas mujeres; Juan Pérez de Moya, Varia historia de sanctas et illustres mugeres en todo genero de virtudes oder Juan de Espinosa, Diálogo en laude de las mujeres.197 Der Grundtenor all dieser Sammlungen ist die Würdigung hervorragender geschichtlicher Figuren, wobei dies im Fall der Frauen zugleich eine ambivalente Wertung beinhaltet, wird doch dabei stets eine allgemeine Schwäche des weiblichen Geschlechts unterstellt, welche die Frauen zu überwinden hatten. Gerade der den genannten Frauen zugewiesene Ausnahmestatus stützte vielfach, wie Bösch (2004: 141f.) betont, nachgerade die These einer prinzipiellen weiblichen Inferiorität und verhilft zu einer Festlegung der Frau auf ihre Geschlechterrolle. Typisch für die Geschichte des Umgangs mit dem Frauenkatalog war offenbar dessen subtile Umformung durch Auslassungen oder Ergänzungen, womit implizite Wertungen vorgenommen wurden und zugleich – im Sinne der imitatio – Bezüge auf Vorgängermodelle erfolgen konnten. So konstatiert Rang (1992: 525) für die europäischen Kataloge, die im 17. und 18. Jahrhundert einen wahren Aufschwung erlebten, eine interessante Akzentverschiebung. Sie verläuft vom Kriterium der physischen Stärke einer ‘femme forte’198 hin zur Aufwertung von weiblicher Gelehrsamkeit und Bildung. Außerdem ging dies

197 

Diese Beispiele werden genannt in López-Cordón (1994: 62) und Bolufer Peruga (1998: 30). 198  Mit den spanischen Frauenkatalogen des 18. Jahrhunderts und ihrem Wandel im Hinblick auf die Konzeption der “mujer fuerte” befasst sich auch Bolufer Peruga (2000).

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mit der zunehmenden Berücksichtigung von zeitgenössischen Frauen einher. Weniger die Herkunft – etwa der göttliche Ursprung mythischer Frauen – war für die Aufnahme ausschlaggebend als vielmehr das Kriterium der Gelehrsamkeit als Resultat eigener Anstrengung und Begabung. Vor diesem Hintergrund wandelt sich der Frauenkatalog von einem erstarrten Pantheon erhabener Vorbilder zu einer Art Nachschlagewerk (ebd.: 528), das tatsächlich zur Nachahmung anregen sollte. Darin manifestierte sich zudem ein modernes Zeitbewusstsein, welches nicht mehr von der Orientierung an der Vergangenheit getragen wird, sondern vom Glauben in die Errungenschaften der eigenen Epoche geprägt ist. So geht auch Prudencio vor und zitiert im Anschluss an Feijoo zahlreiche exemplarische Frauenfiguren von der heidnischen Antike bis zur Gegenwart, die seine apologetische Argumentation nach dem rhetorischen Muster der accumulatio quantitativ untermauern. Diese Beispiele – weitere könnten ergänzt werden – sollen für den Nachweis genügen, dass sich Prudencio sowohl auf das frühneuzeitliche Repertoire der Frauenverteidigung als auch den rationalistischen Diskurs Feijoos stützt. Gerade im Punkt der weiblichen Verstandesfähigkeit äußert er sich unter expliziter Nennung von Feijoo (Papel joqui-serio: 48, 57) und kompiliert, paraphrasiert und kommentiert Passagen und Argumente aus Feijoos bekannter Defensa de las mujeres. Im Unterschied zu dessen wissenschaftstheoretischem Anliegen, das gerade in einer rationalistischen Revision und Vermittlung konträrer Positionen lag, bleibt Prudencios Rede einseitig der alten Logik des Frauenstreits verhaftet. Auf die Fülle profemininer Argumentationsmuster antwortet schließlich sein Kontrahent Don Teodoro, der seinerseits klassische Topoi anführt, um die Auffassung weiblicher Verderbtheit zu belegen und die Ehe im Sinne des molestiae nuptiarum-Topos zu diskreditieren. Auch er entfaltet eine umfassende Montage an frauenfeindlichen und misogamen Äußerungen. Wie sein Vorredner unterstellt er der gegnerischen Seite Irrationalität und nimmt für sich Vernunft und Wahrheitsliebe als Motive der Rede in Anspruch: “Nada más deseo que el que triunfe la razón” (ebd.: 87). Der Sprecher reklamiert das Vernunftprinzip für sich. Ähnlich wie in den inszenierten Meinungsstreits der Wochenschriftenliteratur diskreditiert er seinen Gegner als irrational. Allerdings ist es hier nicht mehr der Vorwurf der Amoralität, sondern er bezichtigt gerade den ‘Anwalt der Frauen‘ Prudencio der Irrationalität.

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Teodoro greift wie sein Kontrahent auf antikes, biblisches und mittelalterliches Gedankengut zurück, um die Inferiorität des weiblichen Geschlechts zu belegen. Er bedient sich im Unterschied zu Prudencio etwa jener Beispiele, welche bereits in der Etymologie des Wortes die generische Schwäche der Frau verankert sehen. Körperliche Schwäche und Minderwertigkeit von Frauen findet er bei jenen Autoren begründet, die ihnen Unfähigkeit zur Kriegskunst unterstellen, während Prudencio das für Frauen geltende Waffenverbot anführte. Aus der körperlichen Schwäche leite sich, Teodoro zufolge, auch geistige flaqueza ab, aus der die häusliche Bestimmung der Frau resultiere (ebd.: 89ff.). Bezüglich der Genesis legt auch Don Teodoro seinen Ausführungen die zweite Version zugrunde, kehrt aber Prudencios Version um und votiert für männliche Überlegenheit ausgehend vom materia-Argument: Die Rippe Adams, aus der Eva gemacht ist, stelle als Ausgangsmaterial das Höherwertige dar, das aus ihm hervorgegangene Produkt sei minderwertig (ebd.: 93). Den von Prudencio angeführten Philosophen, Fürsten und Ministern, die den Frauen mit Hochachtung und Respekt begegnen, unterstellt er – nach sophistischem Prinzip –, sie befolgten lediglich den Rat des Heiligen Paulus, den schwächsten Mitgliedern einer Gesellschaft die größte Ehre zu zollen (ebd.: 98ff.). Ein ähnliches Argument war häufig in Querelle-Texten aufgetaucht, demzufolge die Schwachen von Gott befähigt seien, über die Starken zu triumphieren (Bock 2005: 48). Auch den weiblichen Erbsündemythos, Kernstück des christlichen Antifeminismus, lässt Teodoro nicht aus und sieht in Frauen generell die Anstifterinnen zur Sünde, “[...] con sus adornos, y artificio incitan a caer” (ebd.: 136).199 Ebenso konträr gestalten sich die Positionen, die die beiden Kontrahenten mit Blick auf die Ursachen des postulierten zeitgenössischen Sittenverfalls einnehmen. Während Prudencio die Feminisierung der Männer als äußeren (‘französischen‘) kulturellen Einfluss erklärt, versteht Teodoro Luxus, Mode, Verschwendungssucht und Zerstreuung – in christlicher Moraltradition – als weibliche Laster, die zu Entvöl-

199 

“[...] la belleza del sexo femenino es mucho mas elocuente que la retórica de los Abogados” (Papel joqui-serio: 139). Die Auseinandersetzung um Schönheit und Verstellung als intrinsische Merkmale des weiblichen Geschlechts hat in Literatur und Presse des 18. Jahrhunderts topischen Charakter und bietet den willkommenen Anlass für das Programm der moralischen Umerziehung.

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kerung (Reproduktion galt als patriotische Pflicht)200 und nationalem Ruin führten (ebd.: 112ff.). Teodoro spricht nun als Privatmann und beschreibt die Folgen ‘weiblicher Unsitte’ am Beispiel seiner eigenen Perspektive als Ehemann, der vor den Gläubigern seiner Frau flüchten muss.201 Obgleich der Frauenfeind das Thema der weiblichen Bildungsfähigkeit überraschend mit der vielzitierten Sentenz über die Seelengleichheit der Menschen beginnt, “[...] que es una misma el alma en el hombre y en la mujer” (ebd.: 127ff.), weist er dessen ungeachtet dem Mann die gesellschaftliche Herrschaft zu und leitet die männliche Überlegenheit, auch in geistiger Hinsicht, von einer vermeintlich gottgewollten Unterordnung der Frau ab (ebd.: 130). Die These geistig ebenbürtiger Fähigkeiten bei Frauen gehe Teodoro zufolge auf die unreflektierte Begeisterung einiger ‘Bewunderer der Frauen’ (ebd.: 131f.) zurück, womit er den Topos des Frauenfreunds als den eines Schmeichlers und verführbaren, schwachen Manns aufruft. Auch in der Betrachtung des cortejo zeigt sich Teodoros Parteinahme: Er verurteilt die Frau und solidarisiert sich mit dem Galan, der nur durch weibliche List verführt worden wäre und als verweiblichter Mann verlacht würde. Die Frauen, so sein vorläufiges Fazit, gäben zu viel Geld für die Befriedigung ihrer verrückten Launen und auf Kosten ihrer armen Ehemänner und unglückseeligen Verehrer aus (ebd.: 163). Seine Rede endet daher mit der nochmaligen Behauptung männlicher Überlegenheit: “[...] que el hombre [...] es absolutamente superior a la mujer, y que ésta en un todo le debe ceder”(ebd.: 179). Doch damit ist der Streit noch nicht beendet, vielmehr werden beide contertulios von einer Schiedsinstanz, “la señora Verdad” (ebd.: 6), über ihre jeweiligen Irrtümer aufgeklärt. Damit wird der Streit als Rechtsstreit inszeniert, als publikumswirksames literarisches Tribu200  Dieser Diskurs stammt von den französischen Physiokraten, die die Frau einem fiktiven ordre naturel zufolge als Naturwesen konzipierten und ihre primäre gesellschaftliche “nationale” Aufgabe in der Reproduktion sahen (Steinbrügge [1987] 2 1992: 35). 201  Das Motiv des ruinierten Ehemanns ist in der Literaturgeschichte fest verankert, es findet sich in mittelalterlichen Texten ebenso wie im Schelmenroman (u.a. Mateo Alemáns Guzmán de Alfarache, 1599, II/1604) und wird im 18. Jahrhundert in vielfältigen Genres der Literatur, des Theaters und der Presse aufgegriffen. Amüsant ist hier die handlungsmotivierende Konstellation, denn Teodoros Besuch bei seinem Freund – Auftakt des Streitpamphlets – lässt sich direkt mit dieser Flucht in Verbindung bringen.

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nal, das sich ähnlich auch in Genres wie den Wochenschriften findet. Im 152. Diskurs der Wochenschrift El Censor wird eine solche ‘öffentliche Verhandlung’ über das Problem der arrangierten Ehe abgehalten. Die eingesetzte richterliche Instanz geht mit den Eltern der betroffenen Frau als textinternen Adressaten “ins Gericht” (Caso González 1989: 398/699). Im verwendeten Rechtsvokabular zeigt sich der verbindliche Anspruch eines mit Unterhaltung gepaarten Erziehungsprogramms. Im Papel joqui-serio tritt hingegen eine Frauenfigur als Allegorie der Wahrheit auf und beansprucht einen höheren Wissensstand als die Kontrahenten. Ihre Autorität beruht jedoch nicht auf den von Prudencio angeführten Tugenden, sondern resultiert aus der Funktion der Allegorie selbst. In spätantiker und mittelalterlicher Tradition personifizieren weibliche Figuren bestimmte epistemologische Kategorien wie Weisheit (sapientia), Wissenschaft (sciencia), Vernunft oder Gerechtigkeit.202 Die Kluft zwischen diesem Modell abstrakter Weiblichkeit und den im Geschlechterstreit thematisierten leibhaftigen Frauen könnte größer nicht sein. Die Wahl einer weiblichen richterlichen Instanz ist demzufolge nicht als Umsetzung der Idee weiblicher Urteils- und Verstandesfähigkeit zu deuten. Die Figur symbolisiert die Kategorie der Wahrheit aufgrund des grammatikalischen Genus. Die leibhaftige Präsenz einer Frau bleibt somit aus der männlichen tertulia verbannt. Bereits Jean de Meun nutzte diese Technik im zweiten Teil des Roman de la Rose und zwar derart, dass er einer weiblichen Figur – als ‘Vernunft’ verbrämt – Obszönitäten und frauenfeindliche Aussagen in den Mund legte (Zimmermann 1993: 13). Gegen diese Art der Instrumentalisierung hatte sich dann expressis verbis Christine de Pizan in der erwähnten Epistel Au dieu d’amour (1399) ausgesprochen, der ersten neuzeitlichen Replik auf solcherart Misogynie aus ‘weiblichem Munde’. Die Suche nach Wahrheit bleibt somit auch im vorliegenden tertulia-Text eine männliche Domäne, verbunden mit dem maskulinen Vorrecht auf Rationalität. Die beiden Männer bleiben im Meinungsstreit über die Frauenfrage unter sich. Keine Frauenfigur tritt auf und ergreift etwa Partei für ihr Geschlecht. Im Hinblick auf die Performa202 

Die weibliche Figurierung von Erkenntnis geht auf das 6. Jahrhundert und die Darstellung der Philosophie als Frau bei Boëthius zurück (Schiebinger 1993: 182). So geht beispielsweise die Abbildung Iconologia (1618) auf Cesare Ripa zurück und zeigt die Wissenschaft als Körper einer Frau (ebd.: 178ff. und 183).

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tivität der Kategorie Geschlecht simuliert dieser tertulia-Text, der ein bürgerliches Frauen- und Ehemodell propagiert, anders als zahlreiche humanistische Streittexte um Ehe und Gender eine männliche Gesprächsgemeinschaft. Zwar sind die Ehefrauen der beiden Streitenden Gegenstand der Darstellung, doch sie treten nicht in Erscheinung.203 Der Text intendiert gleichwohl eine amüsante Aufklärung für Männer über die Ehe als Basis der bürgerlichen Familien- und Gesellschaftsstruktur und den gewandelten männlichen Verhaltenskodex.

₇.₄. Die abschließende Sentenz der Alti-Potente Verdad Der Streit beider Ehemänner mündet in den konfliktlösenden Urteilsspruch der unparteilichen dritten Instanz. Die Konzipierung einer “allmächtigen Wahrheit”, die als Wahrheits- und Rechtsinstanz über jeden Zweifel und jede Fehlbarkeit erhaben ist, erscheint für die Interpretation des Textes von zentraler Bedeutung. Im Zentrum steht ein Geschlechtermodell, das einen rationalistischen, profemininen Diskurs etabliert und die natürliche Gleichwertigkeit der Geschlechter unterstreicht, andererseits aber gerade deswegen eine notwendige soziale und funktionale Hierarchisierung gesellschaftlicher Bereiche durch die Kategorie Geschlecht behauptet. Ganz nach dem Vorbild Feijoos kritisiert die Richterin im Streit der Ehemänner die Einseitigkeit misogyner und philogyner Diskurse. Sie propagiert eine naturgegebene Gleichwertigkeit der Geschlechter, wobei sie die bestehende soziale Differenz der Geschlechter in Form weiblicher Subordination als gottgegebene gesellschaftliche Ordnung bekräftigt. Sie vertritt die rationalistische Position im Geschlechterstreit und setzt sich von Parteilichkeit und Vorurteil ab, ohne sich den vorgetragenen Argumenten gänzlich zu verschließen: “Ambos respectivamente decís bien, y ambos asimismo decís mal” (Papel joqui-serio: 179). Die Instanz der ‘Wahrheit’ sucht den goldenen Mittelweg und relativiert beide Positionen. Beide Perspektiven, so unterstreicht sie, beruhten auf einer unrechtmäßigen

203 

Raffinierter gestaltet sich die Inszenierung in Castigliones Verhaltenskodex Il libro del Cortegiano (1528; auf Spanisch 1538), in dem ebenfalls Männer den Streit um die Frau und die “donna di palazzo” als Pendant des Hofmanns austragen, die Frauen hier aber anwesend sind und freiwillig schweigen, weil sie sich damit “für jene soziale Kompetenz [entschließen], die ihnen seit jeher zugedacht ist” (Bösch 2004: 144).

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Verallgemeinerung, der Frauenfeind vergesse über seinen Tadel die exzellenten Frauen, während sein Gegner voll des Lobes die sündhaften unter ihnen ausblende: “ Elogiarlas a todas es imprudencia, vituperar a todas necedad” (ebd.: 180). Die ‘Richterin’ bezieht sich auch hier auf Feijoo, der pauschale Urteile und die Übertragung der Kritik einzelner Frauen auf das ganze Geschlecht zurückgewiesen hatte.204 Allerdings führt die Instanz der “allmächtigen Wahrheit” nicht wie Feijoo wissenschaftliche Einsichten ins Feld, sondern orientiert sich an biblischen Motiven wie dem folgenden, “Dios formó a la mujer de la costilla, dice el Angélico Doctor, (I. p.q.92.art.3.) no de la cabeza, porque dominase al varón; ni tampoco de los pies, porque éste no despreciase a la mujer” (ebd.: 186). Sie ist um eine gemäßigte Position bemüht, wie sie dem aufklärerischen Ideal des ‘justo medio’ entsprach, das auch die Protagonisten Gazel und Nuño Núñez in Cadalsos Cartas marruecas verkörperten: “Todas las cosas tienen su medio: ni se las debe lisonjear mucho, ni abatir demasiado” (ebd.: 187). Im Dienst der Aneignung einer modernen Bürgertugend ermuntert sie die beiden Ehemänner, ihre geschlechtsspezifische Rolle nach souveränen Maßstäben zu erfüllen und ihre Vormundschaft mit Maß und Großzügigkeit auszuüben. Denn an der auch im bürgerlichen Modell grundlegend hierarchisch organisierten Ehe lässt die Richterin keinen Zweifel. Sie sei gottgegeben und erfordere zugleich einen respektvollen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht.205 Doch obgleich sie nach all den Korrekturen der misogynen Sichtweise ohne weiteres den Vorrang des weiblichen Geschlechts konstatieren könnte, wird sie die in ‘göttlicher Ordnung’ verankerte männliche Vorherrschaft nicht unterlaufen: Bien pudiera fundar sobre lo dicho hasta el presente la total razón de una sentencia definitiva a favor del sexo injustamente despreciado; pero atendiendo a que Dios puso a la mujer bajo la potestad del varón, y a que éste es su cabeza, no quiero menoscabar tan sublime honra con preferirla al hombre. (ebd.: 198f., meine Hervorhebung) 204  Feijoo übte in der Defensa eine Kritik an Verallgemeinerungen: “cuando mirarán en común al sexo, nada se prueba de ahí” (§ I/5; § V). 205  Bereits im Alten Testament (Gen. III: 16) ist die hierarchische Ehestruktur verankert und auf Paulus geht das Diktum zurück, dass der Mann der Familie vorstehe wie Christus der Kirche. Die christliche Ehemoral verlange daher, dass der Mann eine schlechte Frau achte so wie Christus auch die sündige Gemeinde liebe.

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Ähnlich wie Feijoos Defensa de las mujeres206 verknüpft der vorliegende Dialogtext die Vorstellung gleichrangiger Geschlechter mit einer Binnenhierarchie: im Sinne der naturrechtlichen Gleichwertigkeit aller Menschen sind Mann und Frau zwar ebenbürtig, doch gebunden an naturgegebene Funktionen, denen zufolge sich die Frauen im Dienst des Gemeinwohls sozial unterzuordnen haben. Die potentiell gleichen Fähigkeiten beider Geschlechter seien aufgrund der komplementär strukturierten Aufgaben in der Gesellschaft unterschiedlich ausgebildet. Wie Feijoo votiert die Richterin für eine Egalität der Geschlechter unter Beibehaltung der sozialen und ehelichen Hierarchie. So gibt die Wahrheitsinstanz im tertulia-Text beiden Ehemännern in biblischen Worten mit auf den Weg, dass sie ihre Ehefrauen mit Respekt behandeln mögen. Der Schöpfer habe sie ihnen nicht zur Sklavin, sondern zur Gefährtin gegeben: “Pero entienda, que la [mujer] debe tratar con mucho respeto y honor, hecho cargo de que el Omnipotente que la crió, se la dio por compañera, y no por esclava.” (ebd.: 198f., meine Hervorhebung). Die hier mit einem religiösen Diskurs untermauerte Hierarchie lässt sich gleichwohl mit dem bürgerlichen Modell verbinden, in dem die Institutionen Ehe und Familie als Argument für kulturellen Fortschritt, ökonomische Prosperität und gesellschaftliches Wohlergehen im Sinne der felicidad pública propagiert werden. Der Text verbindet somit eine philosophische Denkaufgabe mit der praktischen Einweisung der Ehemänner in neue Verhaltensweisen zugunsten eines affektbasierten Modells der Ehe, das seine Stabilität nicht nur aus objektiven Abhängigkeiten bezieht, sondern aus der empfindsamen Beziehung mündiger Subjekte. Der Mann ist hier nicht nur Oberhaupt der Familie und Vormund, er ist auch für die Schaffung einer solchen affektiven ehelichen Beziehung verantwortlich und wird daher im vorliegenden Erziehungstext adressiert. Die Frauenfrage ist in diesem Text somit Anlass, den männlichen Verhaltenskodex zu vermitteln und – über die Inszenierung des Streits zwischen Männern, die im literarischen Tribunal über ihre Frauen zu Gericht sitzen – beim Leser einen Erkenntnisprozess in Gang zu setzen. Beide Männer stehen stellvertretend für das zu instruierende Publikum als “Schüler der Wahrheit” auf der Bühne des Textes. Der 206  Feijoo trennte wissenschaftliche und theologische Argumentationsbasis, so dass die empirisch nicht nachweisbare Unterlegenheit der Frau gleichwohl mit dem theologischen Diskurs weiblicher Subordination vereinbar bleibt (vgl. Kapitel 4).

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Frauenfeind Teodoro lernt, dass Frauen nicht generell schlecht, verschwenderisch und für Eheprobleme verantwortlich zu machen sind. Der Frauenverteidiger Prudencio wiederum wird vor einer – dem praktischen Leben fernen – Idealisierung des weiblichen Geschlechts gewarnt und ihm werden die Gefahren von Galanterie und weiblichen Reizen vor Augen geführt. Am Ende erkennen beide Männer ihre Vorurteile und zeigen sich von der Notwendigkeit eines nützlichen, respektvollen und zugleich nicht unterwürfigen Umgangs mit ihren Frauen überzeugt. Der hier in Szene gesetzte Erkenntnisakt dient der Vermittlung und Interiorisierung solcherart Geschlechterwissens und zielt auf die Förderung männlicher Selbstkontrolle. An den performativen Strukturen des Textes lässt sich die Konstruktion zweier geschlechtsspezifischer Sphären nachvollziehen. Dabei beschränken sich die Anforderungen an das am Gespräch aktiv beteiligte männliche Geschlecht nicht nur auf den gesellschaftlichen Bereich, sondern auch auf den Bereich der Ehe. Auch hierfür tragen die Männer Verantwortung und übernehmen eine soziale Kontrolle. Doch sollen sie hierfür nicht mehr Techniken der Repression nutzen, die ihnen in Zeiten eines verabsolutierten Ehrbegriffs nahe gelegt wurden, sondern Einfühlsamkeit, Verständnis und Mäßigung, und dies im Umgang mit ihren Ehefrauen. Das scherzhaft-ernste Durchspielen von Argumenten mit der anschließenden Aufhebung der Widersprüche und Gegensätze ist gefolgt von einer auch dramaturgisch umgesetzten Konfliktlösung: die beiden Männer finden durch das Gespräch zu ihrer ursprünglichen Freundschaft zurück. Der Männerbund wird damit als Urgrund der gesellschaftlichen Ordnung ausgestellt (vgl. 8.3. zum Aristotelischen Modell der Männerfreundschaft). Erst im Gespräch unter Männern gelangen sie zur Einsicht in das Verhalten des idealen Ehemanns. Die Wahrheitsinstanz richtet ihre Ehe-Propaganda (Papel joqui-serio: 207ff.) gezielt an zwei verheiratete Männer und rät ihnen, die Allianz der Ehe unter Androhung von Ehr- und Statusverlust eines hombre de bien fortzusetzen. In ihrem literarischen Schiedsspruch droht sie den Männern sogar mit dem Verlust ihrer geschlechtlichen Identität und dem Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Raum der Männer: [...] condeno en ella [la sentencia, C.G.] a la pena de ser borrado del catálogo de los verdaderos hombres, lo primero, a cualquiera que en adelante las ultraje, vilipendie o hable mal del honrado sexo de las mujeres; y asimismo a

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cualquiera, que por lisonjearlas, las adule con rendimientos ajenos de la seriedad de varón: lo segundo, además de sufrir la expresada pena, condeno a la pena de que vistan públicamente de sayas, y armen de rueca y uso en vez de espada a cuantos en lo sucesivo usaren de sus modas, peinados, de su modo afeminado de andar, hablar, comer reír u otro de los estilos propios de mujer: lo tercero y último, sobre las dos dichas penas, incurrirán también en la de ser excluido de toda la sociedad de los hombres, y condenado para siempre a sentarse en silleta baja como las mujeres [...]. (Papel joqui-serio: 209f., meine Hervorhebung)

Der Appell der ‘Richterin’ legt eine Geschlechterdifferenz nahe, die parallel zur Abgrenzung der sozialen Sphären konstruiert ist. Essenzialistische Geschlechterrollen werden durch Androhung von Sanktionen – Entzug des Status’ von Männlichkeit – in ihrer Normativität zementiert. Unter Hinweis auf die “silleta baja”, den Hocker als weibliches Sitzmöbel, wird zugleich eine Rangfolge etabliert: der Hocker befindet sich zwar auf dem Podest (estrado), der wiederum ist jedoch Symbol geschlechtsspezifisch getrennter sozialer Räume.207 Im Rahmen der genannten “sociedad de los hombres” kreiert die Rechtsinstanz ein Konzept von Maskulinität, das mit Rationalität, Einsichts- und Wandlungsfähigkeit sowie Willensstärke verknüpft ist und das Modell der patriarchalen Ehe ins bürgerliche Zeitalter überführt. Auf eine damit verbundene Segregation der Geschlechter weist zudem die Tatsache, dass die Ehe hier im “Männerklub” verhandelt wird, während Ehedispute in zahlreichen Querelle-Texten von einem Paar geführt werden (vgl. Suarez 1992). Der private Raum und ebenso die moralische Verantwortung für das Gelingen einer Ehe werden zudem nun auch von Männern okkupiert.

207 

Martín Gaite ([1972] 1987: 27f.) erläutert die Ausstattung des in Spanien weit verbreiteten häuslichen Treffpunkts der Frauen: “[...] amueblado con cojines, taburetes, almohadas y sillas biajas”. Dass dieser für die Segregation der Geschlechter (sogar innerhalb des Hauses) steht, hatte auch Manco de Olivares für seine Inszenierung einer weiblichen Gesprächsrunde genutzt (vgl. 5.3.).

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₇.₅. Die epistemologische Struktur der fingierten tertulia Der vorliegende tertulia-Text zielt auf eine Erziehung des Ehemanns im Dienst der Stabilisierung der bürgerlichen Ehe als Urzelle einer reformierten spanischen Gesellschaft. Er inszeniert das Mannsein als aktiven Part der Umsetzung dieses Programms, auch im privaten, vom weiblichen Häuslichkeitsideal durchdrungenen Bereich. Der Text verbindet dies mit einer Aufwertung der bürgerlichen Ehe und erteilt der Tradition einer auf Frauenverachtung gegründeten klerikalen Misogamie eine klare Absage. Im Anschluss an die Feijoo’sche rationalistische Argumentation, jedoch als Dialog inszeniert, propagiert er die Vorstellung gleichwertiger, nicht aber gleichrangiger Geschlechter. Zudem wird dem Ehemann die Verantwortung für die eheliche Gemeinschaft übertragen. Anhand zweier männlicher Protagonisten, die unter Absehung jeglicher ständischer Differenz als Ehemänner auftreten, entwirft der Text ein Ideal von Männlichkeit, das dem bürgerlichen Wertewandel entspricht. Die Ehefrau ist hier Objekt des Männerdisputs und wird in Abwesenheit thematisiert. Mit der Übernahme des Gesprächsmodells als Kommunikationsstruktur ist im Papel joqui-serio nicht die Mimesis des soziohistorischen Phänomens der tertulia verbunden. Vielmehr dient die simulierte Unterhaltung einer aufklärerischen Inszenierung des Konflikts, der eine Unterweisung in rollenkonforme männliche Verhaltensweisen zum Ziel hat. Seine Lehrhaftigkeit wird verdeckt von einem spielerischen Gewand, wobei der ironisch-scherzhafte Ton sich an den Leser als Komplizen richtet. Anstelle autoritärer Belehrung – die lediglich am Ende in Gestalt der Streitschlichterin erfolgt –, wie sie religiöse Unterweisung verbunden mit einem rigiden Sanktionsmodell prägte,208 führt der dialogische Text einen Erkenntnisprozess vor und vermittelt die Einsicht in das Rollenmuster des bürgerlichen Ehemanns. TertuliaTexte wie dieser haben somit entscheidenden Anteil an den Prozessen der Säkularisierung und tragen zum Wandel des Geschlechterdenkens bei. Nicht mehr die dem traditionellen Moraldiskurs entlehnte Sündenkategorie steht im Zentrum der Argumentation, sondern ein im weltlichen Sinne praktisches und nützliches Verhalten, das in ei208  In Frankreich etwa entwickelte sich eine hitzige Debatte über die Relevanz des Katechismus, dessen Einsatz zu erzieherischen Zwecken Claude Fleury dezidiert kritisierte.

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nem neuen, bürgerlichen Sinne als tugendhaft gilt. Der Dialogtext ist demnach – ähnlich wie seine humanistischen Vorbilder – in erster Linie ein Instrument der Didaxe und trägt zur Vermittlung und Anwendung normativer Verhaltenskodizes bei. Die Dramatisierung des Konflikts zwischen Prudencio und Teodoro, d.h. die Theatralisierung des Geschlechterproblems im vorgestellten Text erlaubt eine Beteiligung des mündigen Lesers, der Zuschauer und Protagonist zugleich ist und der das Urteil der “Wahrheit” auf sich selbst beziehen soll. Die Textstrategie zielt auf seine Vernunftund Urteilsfähigkeit. Mittels der vorgeführten divergierenden Standpunkte wird ein Konflikt simuliert, für dessen Lösung sich der Leser nicht mehr an klassischen Autoritäten orientieren, sondern den eigenen Verstand einsetzen soll. Der tertulia-Text führt das Aushandeln von Normen und die diskursive Produktion von Geschlechterwissen vor. Anstelle von Standesidealen werden hier funktionale, eheliche Rollenbilder als gesellschaftliche Erfordernisse entworfen. Der Text hat demzufolge eine soziale Funktion. Als Medium einer weitreichenden Vermittlung veränderter Wertvorstellungen – hier eines utilitaristischen Ehediskurses – trägt er zur Konstitution eines öffentlichen Raums bei. Der vorliegende tertulia-Text steht der aristokratischen Konversationskultur fern, denn er inszeniert ein Gespräch unter zwei Männern und setzt damit auf eine reduzierte gleichgeschlechtliche Dialogizität. Anstelle einer echten Polyphonie und des Meinungsstreits werden hier zwei relativ statische Texttraktate gegenüber gestellt, die sich aus einer Zusammenfassung misogyner und philogyner Topoi resultieren. Dem Text fehlt – bis auf die Besuchsszene – eine Rahmenhandlung, wie sie in anderen Gesprächstexten etwa vorzufinden ist (Platons Symposion oder Castigliones Il libro del Cortegiano). Durch den klaren Schiedsspruch der Wahrheitsinstanz werden die opponierenden Denkweisen im Sinne eines Lehrdialogs aufgelöst. Das imitierte Modell von Geselligkeit knüpft folglich eher an die aus der Antike stammenden Gesprächsmodelle an, die unter Bezug auf die platonische Mäeutik und den Typus des sokratischen Dialogs209 auf die Vermittlung von 209 

Darunter versteht man das Verfahren der Dramatisierung und Verschleierung des Monologs. In den (sokratischen) Dialogen ließ Platon seinen Lehrer Sokrates sprechen, benutzte das Verfahren zur Veranschaulichung und um die beabsichtigte Didaxe zu verschleiern.

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Erkenntnis zielen. Es entfernt sich von der Pluralisierung von Diskursen, von einer Dialogisierung des Wissens und Konstitution von Subjektivität, wie sie beispielsweise in den ergebnisoffenen RenaissanceDialogen zu finden waren. Der Reiz des höfisch-aristokratischen Dialogspiels der Renaissance bestand Hempfer (1993: 107) zufolge gerade in der “Suspendierung eines absoluten Wahrheitsanspruchs”. Dies betraf – beispielsweise in Castigliones Il libro del Cortegiano – auch die Frage der Geschlechterrollen, insofern die Aussagen dominanter Sprecher durch andere Sprecher “zumindest partiell relativiert werden” und der Widerspruch dieser Gesprächsteilnehmer nicht “durch ein schlagendes Argument” zurückgewiesen wird (ebd.: 109). Im vorliegenden tertulia-Text dagegen wird – geradezu scholastisch – eine bürgerlich umformulierte Lehrmeinung etabliert, derzufolge Männlichkeit im Sinne einer hierarchisch gegliederten funktionalen Geschlechterbestimmung auch die Wahrnehmung einer besonderen Verantwortung in der Ehe beinhaltet. Diese Konstruktion von Maskulinität und die Normierung des modellhaften Ehemanns entspricht dabei einem von zahlreichen Aspekten ‘männlicher’ Identität. Während Frauen im bürgerlichen Modell auf die häusliche Rolle der Ehefrau und Mutter reduziert bleiben, wird der Mann in seiner Funktion als Ehemann zwar ebenso normativ konzipiert, besetzt darüber hinaus aber weitere Rollen und soziale Identitätsmodelle im öffentlichen Bereich.

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8. MÄNNLICHKEITSDISKURSE IN DER LITERATUR: EINBLICKE

Wie die Texte der bisherigen Untersuchung mit Ausnahme des tertulia-Textes zeigen, werden Geschlechterfragen auch im Verlauf des 18. Jahrhunderts in der Regel über den Aspekt der Weiblichkeit dargestellt und verhandelt, so dass die Normierung von Maskulinität als wesentlicher Bestandteil des bürgerlichen Rollenmodells in ihrer Spezifik selten für sich genommen zur Sprache kommt. Unter anderen Vorzeichen als die Frau, aber dem Prinzip der utilidad, dem Gemeinwohl und der Nation ebenso verpflichtet, werden die Anforderungen an das Mannsein grundlegend neu ausgerichtet und an den Erfordernissen der bürgerlichen Gesellschaft orientiert. Somit erfährt analog zur kulturellen Konstruktion von Weiblichkeit auch Männlichkeit im 18. Jahrhundert eine gesellschaftliche Festschreibung, deren Systematisierung anhand spanischer Korpora zu weiten Teilen aussteht.210 Dass hingegen Männlichkeit nicht gegeben, sondern im Rahmen historischer und kultureller Konzepte geformt wird, haben die seit den 1990er Jahren entstandenen akademischen New Men’s Studies im Anschluss an Butlers Genderbegriff verdeutlicht.211 Ich möchte im 210  Bislang haben dies monographisch Haidt (1998) anhand der männlichen Körperpraxis untersucht sowie Heße (2008) anhand des Konzepts hegemonialer Männlichkeit in ausgewählten Wochenschriften. 211  Für einen synthetischen Überblick über die Entwicklung einer kritischen Männerforschung ausgehend von der Psychoanalyse hin zu soziologischen Rollentheorien und kulturwissenschaftlichen Konzepten von Männlichkeit als Performanz und Maskerade vgl. Stephan (2003).

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Folgenden zumindest kursorisch einen Einblick in die literarischen Diskurse über Männlichkeit geben, um den Zusammenhang zwischen Textstrategien und Geschlechterperformanz auch auf diesen Aspekt auszuweiten. Nicht um konkrete Männer als Vertreter eines vorgegebenen biologischen Geschlechts soll es dabei gehen, sondern um textuelle Performanzen von Männlichkeit, um Konstruktion und Normierung dessen, was jeweils als maskulin verstanden wird. Im Sinne von Erhart/Herrmann (1997: 25), “[...] lässt sich also über ‘Männlichkeiten’ nachdenken, ohne dass von ‘Männern’ die Rede zu sein braucht – und genauso über ‘Weiblichkeit’ ohne Frauen”. Bezüglich der Darstellung von Männlichkeit in spanischen Texten des 18. Jahrhunderts fällt auf, dass hier vor allem das Phänomen unmännlichen Verhaltens ausgestellt und thematisiert wird. Zu den komischen und lächerlichen, als defizient dargestellten Männerfiguren gehören petimetre, cortejo und majo, die man mit Penrose (2009: 357) als “metaphors of 18th-century anxieties”, als Schlüssel zu den kulturellen Verboten des Jahrhunderts beschreiben kann. In dieser Art karikierter Männlichkeit finden sich ex negativo die kulturellen Normen des Männlichen abgebildet. Der petimetre etwa vereinigt alle negativen Eigenschaften auf sich, die der vermeintlich dekadenten, für den Niedergang Spaniens verantwortlich gemachten Aristokratie zugewiesen werden. Er erscheint als wortgewandter eitler Geck, müßiggängerisch und verschwenderisch, als einfältiger Prahlhans und in seiner aufwändigen Prunk- und Putzsucht212 ist er vor allem ein Zerrbild und dient im Theater der Belustigung des Publikums. Diesem señorito in Sachen Männlichkeit ganz ähnlich ist der cortejo als Hausfreund der verheirateten Dame (vgl. 2.3.). Er wird als Verfallserscheinung einer pervertierten aristokratischen Gesellschaft gezeichnet, die, an eitlen Vergnügungen interessiert, den Tag mit unnützer Salonplauderei verbringe und dabei statt innere Tugenden artifizielle Eleganz und oberflächlichen Schein kultiviere. Auch die volkstümliche Figur des majo gehört in diese Reihe männlicher Typen, in der er eine populäre hispanisierte Variante extravaganter Männlichkeit repräsentiert. Seine artifizielle Erscheinung in spanischer Nationaltracht erscheint als pure Maskerade und damit als Gefahr für die etablierte Ständestruktur, deren repräsentative Macht ein solches Spiel subversiv durchkreuzen konnte. Die Komik eines solchen auf ‘unmännliche’ Männer 212 

Der Begriff geht auf die französische Salonfigur des petit maître zurück.

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projizierten Auftretens findet vielfach Eingang in die Literatur, wo sie entweder zu reiner Belustigung dient oder aber zu Aufklärungs- und Erziehungszwecken abschreckende Wirkung entfalten soll.

₈.₁. Weibische Männer als Volksbelustigung im Sainete Der Sainete als neuartiges populäres Genre des Dramatikers Ramón de la Cruz greift vornehmlich auf typisierte Figuren im städtischen Milieu zurück213 und nutzt hierfür das Prinzip abweichender Männlichkeit. Hier wird der afrancesado in all seiner Lächerlichkeit ausgestellt, weil er französischen Charme und Galanterie nachäfft, oder aber ein allzu nachsichtiger Ehemann wird Opfer seiner vergnügungssüchtigen Ehefrau, weil er dem sittenlosen und verschwenderischen Treiben tatenlos zusieht. Der cortejo hingegen dringt nicht nur in das Haus dieses bedauernswerten Ehemanns ein, sondern hält die Dame des Hauses nach Kräften von ihren häuslichen Pflichten ab. Diese Galerie der lächerlich-komischen Figuren von der petimetra zum gehörnten Ehemann greift Ramón de la Cruz im Sainete auf und nutzt dabei vor allem ihre theatrale Wirkung. Er widmet der Figur des Petimetre ein eigenes Sainete,214 das gleich auf mehreren Ebenen die Perversion männlicher Normen vorführt. Das Stück El petimetre (1764) stellt eine Personensatire nach dem Prinzip der verkehrten Welt dar. Protagonist der ersten Szene ist hier der titelgebende Mann, den das Publikum in einer häuslichen Ankleideszene als weibisch, ‘französelnd’ und überaus eitel kennenlernt. Diesem gegenüber tritt in der zweiten Szene der komplett um seine Autorität und Würde gebrachte Ehemann. Sie ist als Besucherszene gestaltet und spielt in dessen Haus, in das der Schönling nunmehr als cortejo zum Besuch ‘seiner Dame’, der Ehefrau des Gehörnten, eindringt. Beide Männerfiguren sind hier nicht als Charaktere im Rahmen einer komplexen Figurenkonzeption gestaltet, sondern in der Tradition des Volkstheaters auf wenige lächerliche Charakterzüge

213 

Die literarhistorische Bedeutung des Sainete sowie dessen Spezifik als Großstadtliteratur, die anhand von Menschentypen wahre Tableaux errichtet, hat Ingenschay (1988: 218) betont. 214  Der Figurentypus des petimetre, der im 19. Jahrhundert im Dandy als Sozialtypus eine Fortführung findet, schließt an die Gestaltung der barocken Theaterfigur des lindo an.

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wie Einfalt und Eitelkeit reduziert. Der Ehemann heißt nicht zufällig Don Simplicio und wird von seiner Frau dazu angehalten, in die von ihr vernachlässigte Hausfrauenrolle zu schlüpfen. Unwürdig soll er zuhause Socken stopfen, während seine Frau mit dem Hausfreund ausgeht. Dieser nennt sich Don Soplado und macht seinem Namen als überaus arroganter, aufgeblasener Herr alle Ehre. Im Zentrum des Einakters steht die Umkehrung vertrauter Verhaltensweisen und die Karikatur von Figuren, die hier, theatral in Szene gesetzt, der Belustigung des Publikums dienen. Analog zu Giuseppe Parinis Verssatire Il giorno, die ein Jahr vor diesem Stück publiziert den Mailänder Adel aufs Korn nahm und die literarische Adelskritik in Spanien beeinflusst hatte (Martín Gaite [1972] 1987: 20), beschreibt Ramón de la Cruz’ Sainete den Tagesablauf des Junggesellen Don Soplado. Noch am späten Morgen sitzt er vor seinem Schminktisch und will trotz des schlechten Wetters aus Schönheitsgründen keine Regenkleidung tragen. Gründlich reinigt er sich das Gesicht und fettet die Hände mit Luxuscreme, während er auf seinen Frisör wartet, nebenbei mechanisch sein Morgengebet herunter rattert und Freunde empfängt, um mit ihnen über die neueste Pariser Mode, die dortigen Umgangsformen, Salons und Galanterie zu fachsimpeln. Sein gesamter Putz, die feine Kleidung, Perücke und Schminke, zielen darauf ab, sich als Verehrer mit einer verheirateten Dame zu amüsieren, ganz ohne die hehre Absicht, künftig als Ehemann ein beschaulich-beflissenes bürgerliches Leben zu führen. Als Begleiter einer eitlen petimetra, Doña Verónica, die wie er selbst nur Wert auf Äußerlichkeit und Luxus legt, verbringt er sein Leben als Schmarotzer, so die übliche Kritik am cortejo, ohne einen Dienst an Nation und Gesellschaft zu leisten. So verspottet ihn der eigene Diener Tararia, der ihn als ‘Dame’ bezeichnet. Das zeitgenössische Publikum wird mit dieser Art Satire unterhalten und die Sainetes von Ramón de la Cruz werden zur Erfolgsgeschichte, die nicht auf der Besonderheit eines dramatischen Konflikts, sondern der Inszenierung und satirischen Überzeichnung von Figuren beruhte. Entgegen den verschiedenen Kommentaren des Autors, es gehe in seinen verbreiteten Stücken um die Aufklärung und Erziehung des Publikums, unterstreichen Sainetes wie El petimetre die Dominanz des Unterhaltungsaspekts, der mit dem zeitgenössischen neoklassizistischen Theater und dessen Erziehungskonzept nicht vereinbar schien. El petimetre kultiviert das ‘falsche’ Verhalten des Schönlings, ohne dass dabei eine Auseinandersetzung mit den Maximen echter Männlichkeit

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angestoßen wird. Über neue Tugenden wie Patriotismus, Nützlichkeit und Produktivität erfährt der Zuschauer der Sainete nichts. Eine wesentliche Botschaft, wie sie der Autor auch anderweitig vermittelte, besteht hingegen in der Fixierung von Heteronormativität (vgl. Tschilschke 2011).

₈.₂. ‘Spanische’ Männlichkeit im Diskurs der Wochenschrift Die humoristische Auseinandersetzung mit Männlichkeit findet auch Eingang in das Genre der moralischen Wochenschriften. Allerdings wird sie hier um eine wesentliche Dimension ergänzt, da über den Unterhaltungsaspekt hinaus das Programm einer Einweisung in die bürgerlichen Ideale patriotischer Männlichkeit zum Tragen kommt. Dies möchte ich an einem der einflussreichsten spanischen Journale, dem bereits erwähnten El Pensador (1762/63, 1767) beleuchten (vgl. Kapitel 6). Der fingierte Herausgeber dieses Journals, ein Denker, der dem Leser als launiger und wortgewandter Moderator entgegentritt, verbindet seine Alltagsbeobachtungen mit einer Sittenkritik in antiker Tradition. Der Maxime des aprovechar deleitando verpflichtet, will er seinen Lesern nützliches Wissen vermitteln. Anhand der stets aus dem Leben gegriffenen Figuren, von denen er berichtet oder die selbst als Korrespondenten des Journals schreiben, führt er dem Publikum in Form der literarischen Fiktion richtige und falsche Verhaltensweisen in actu vor. Er wendet sich in seinen wöchentlichen Beiträgen an ein Mittelschichtenpublikum, mit welchem er in einen Dialog eintritt, indem er Ratschläge erteilt, Fragen beantwortet und Ereignisse kommentiert. Im Rahmen einer solcherart etablierten polyphonen Textpraxis schult er die Urteilsfähigkeit seiner Leser. Dabei werden Tugenden und Werte nicht einfach deklariert, sondern anhand alltäglicher Konflikte ins Bild gesetzt, um den Leser von ihrer Wirksamkeit zu überzeugen. Auch in das bürgerliche Geschlechtermodell wird das Publikum auf diese Art eingewiesen. Der Pensador geht über die Satire hinaus und erklärt seinen Lesern die eigentlichen männlichen Pflichten. Zwar referiert die Wochenschrift auch auf das emblematische Modell des petimetre, doch nutzt sie dieses als Folie, um die Züge des neuen spanischen Mannes, eines rechtschaffenen bürgerlichen hombre de bien genauer zu entfalten. Die Ablehnung des Unmännlichen und die Forderung eines zeitgemäßen Modells von Männlichkeit versteht

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der Pensador als patriotische Aufgabe, wie sie aus seiner Darstellung im Pensamiento XXI, Vida ociosa de algunos caballeros hervorgeht: Aún en los Jóvenes, que llamamos Pisaverdes, gente ociosa, sin destino, ni ocupación, sería muy reprehensible esta conducta. Jamás puede haber razón para perder tan infructuosamente un tiempo tan precioso. ¿Qué hubiera dicho de nosotros un Romano de aquellos varoniles, que conoció la República en los tiempos de su esplendor, y su grandeza; y qué concepto hubiera formado de nuestro valor, juicio, y costumbres al vernos afeminados, y ansiosos de imitar a las mujeres? ¿Qué hubiera pensado al ver, que sufren tres, o cuatro horas de martirio, por el vano adorno, los mismos hombres, que serían incapaces de sufrir una ligera incomodidad por el beneficio de su Patria? Lo peor es, que no solo incurren en esta ridiculez los Mozalbetes: yo veo, que hay Tocador en todas las clases, y en todos los estados; y que esto de cuidar de la hermosura, real, o imaginaria, y procurar más adornos, que los que pide la decencia, es un contagio general, de que están tocados casi todos los hombres. Algún Abate gasta en polvos, pomadas, y encajes de Inglaterra más de lo que se necesitaría para mantener una familia honrada; y no faltará Soldado, que si tenemos otra guerra, quiera poner su Tocador en la trinchera, y perfumar la pólvora.215

Aus dem Negativmodell des egoistischen Schönlings werden hier die Ideale männlicher bürgerlicher Lebensführung herausgearbeitet: Fleiß statt Müßiggang, ländlicher Rückzug anstelle von städtischen Vergnügungen, Sparsamkeit und nicht Verschwendung, Mäßigung und Angemessenheit, weil aristokratische Künstlichkeit als verweiblichte und in höchstem Maße unehrenhafte Männlichkeit gilt. Das Beispiel verdeutlicht, dass über den Umweg der Kategorie Geschlecht ein Problem der Ständeordnung und damit auch der nationalen Werte verhandelt wird. Die höfisch-aristokratische Lebensweise wird verzerrt und als unspanische Kultur diskreditiert, um das Publikum auf ein abstraktes Gemeinwohl und die Idee einer nationalen Identität einzuschwören. Wenn folglich der Schönling ebenso wie der galante Hausfreund und der majo für den Verfall eines einst stolzen Spaniens verantwortlich gemacht werden können, erscheint die Besinnung auf ‘echte’ Männlichkeit als Rettung der Nation. Paradoxerweise tritt die

215  El Pensador zitiert nach der Ausgabe von 1762-63 unter: http://gams.uni-graz.at/ archive/objects/container:mws-pensador/methods/sdef:Context/get?locale=de&context=es (konsultiert am 27.3.2012).

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stets vordergründig geführte Diskussion um Weiblichkeit hier in den Hintergrund: über majas und petimetras, die gleichermaßen verwerflich scheinen, wird deutlich seltener als über ihre männlichen Pendants diskutiert. Offenbar besteht kein Zweifel daran, dass die Reform der spanischen Gesellschaft allein durch männliche Vorbildwirkung erfolgen kann. Im Bereich des Privaten erweist sich ideales männliches Verhalten an den Tugenden des modernen Ehemanns. Nicht mehr gesellschaftliches Ansehen durch Stand, Reichtum, Blutreinheit und Ehre sind die absolute Referenz eines hombre de bien, sondern pragmatisches und angemessenes Handeln in Familie und Gesellschaft. Nicht mehr das mächtige Familienoberhaupt ist gefragt, sondern der vernünftige, ja der empfindsame Familienvater und Ehemann. Die Wochenschriften in ihrer grundlegenden Orientierung auf ein geschlechterübergreifendes Lesepublikum thematisieren folglich auch die weibliche Perspektive auf Männlichkeit und betonen, dass sich die Frauen nicht mehr an äußerem Ansehen wie Ruhm und Ehre der Männer orientieren sollten. In dieser Hinsicht exemplarisch ist der Brief einer Dame im Pensamiento LIV (Sobre los petimetres), in dem diese dem Pensador von ihrer Erfahrung mit einem “bedauernswerten” petimetre berichtet. In seiner künstlichen Theaterkluft (“vestido de teatro”) erschien er ihr bedauernswert und sie hatte ihm prophezeit, er werde ohne innere Tugend keine Frau erobern. Denn ihm fehlen die Attribute eines echten Mannes: “modestia, discreción, agrado, sumisión y respeto”. Der fingierte Brief stellt damit zugleich eine praktische Handlungsanweisung dar, wie sich Frauen gegenüber ‘galanten’ Männern zu verhalten haben. Sie sollen kritisch und distanziert bleiben, sich keinesfalls vom oberflächlichen Charme in Bann ziehen lassen, und ihn schlicht verachten (Penrose 2009: 356). An den paradigmatischen zeitgenössischen Figuren der Unmännlichkeit wird hier ein gesellschaftliches Exempel statuiert, d.h. die Kategorie des Männlichen dient der Aushandlung nicht allein geschlechtlicher Aspekte, sondern vor allem auch gesellschaftspolitischer Fragen. Alles, was in der Öffentlichkeit als unspanisch gilt, das kulturell Verdrängte, wird nicht nur auf ‘unechte Männer’ projiziert, diese werden damit kulturell konstruiert, als Kosmopoliten, afrancesados, als sittenlose Egoisten und müßiggängerische verweiblichte Taugenichtse. Der Zweck ihrer Darstellung und Besprechung in der Wochenschrift besteht darin, aus der Kritik an ihnen die maskulinen

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Ideale, genauer die Tugenden des männlichen Bürgers abzuleiten, dem als Hauptakteur des nationalen Fortschritts eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Reformen zugewiesen wird. Seine wesentlichen Eigenschaften sind Mäßigung und Selbstkontrolle, Respekt, die Unterordnung persönlicher Interessen unter das ständeübergreifende Gemeinwohl und das Streben danach, sich selbst zu vervollkommnen und moralisches Vorbild zu sein. Die gewandelten kulturellen Ideale werden in der Wochenschrift an das Konzept von Männlichkeit geknüpft. Sie bestimmen fortan die soziale Norm maskulinen Verhaltens und ihre Übertretung kommt damit dem Verlust von Maskulinität gleich. Folglich rücken mit der Etablierung eines neuen hombre de bien zwar andere Werte in den Mittelpunkt, die nicht mehr auf ständische Strukturen, sondern ein säkulares Gemeinwohl rekurrieren. Die hierarchische Grundanordnung der Geschlechter bleibt hingegen erhalten und es konstituiert sich ein Modell “moderner hegemonialer Männlichkeit” (Heße 2008: 233). Die ständische Hierarchisierung verschiedener Formen von Maskulinität erhält eine untergeordnete Bedeutung. Bürgerliche (‘hegemoniale’) Männlichkeit konstituiert sich vielmehr im Rahmen eines komplementären Geschlechtermodells in Abgrenzung von Weiblichkeit.

₈.₃. Das ethische Modell universeller Vernunftmännlichkeit in Cadalsos Cartas marruecas Im Diskurs der Wochenschriften werden zur Warnung vor allem abschreckende Beispiele unmännlichen Verhaltens genutzt und die Annäherung an echte Maskulinität vollzieht sich über Verbote. Über ein kohärentes Modell der hombría de bien hingegen, wie es Cadalso in den Cartas marruecas (1789/1793 post./Correo de Madrid) entwickelt hat, verfügen diese nicht. Mehr noch, Cadalsos Briefroman führt die Erziehung zu echter Männlichkeit nicht nur anhand seiner Protagonisten vor, sein polyphoner, dialogischer Text ist Teil einer umfassenden Performanz des ethisch kodierten männlichen Verhaltens und stellt eine seiner innovativsten Inszenierungen dar. Meine These lautet, dass das Männlichkeitsideal hier nicht nur punktuell thematisch entfaltet und normativ vertreten wird, sondern im Rahmen der Korrespondenz performiert, d.h. im Genre des Briefromans sprachlich realisiert und anhand der Umgangsformen der Korrespondenten selbst vorgeführt wird.

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Entgegen der traditionellen Verankerung echter Männlichkeit in rein spanischer Linie, wie sie im Diskurs der Wochenschrift El Pensador vorgestellt wird, entfaltet Cadalso ein erweitertes, kulturübergreifendes Konzept von Männlichkeit, das auf universalen naturrechtlichen Prinzipien des Menschseins, auf Toleranz und Mäßigung gründet und eine reflektierte Form des Patriotismus’ einschließt. Männlichkeit und Menschsein werden als zentrale aufklärerische Konzepte entwickelt. Sie basieren nicht auf dem Besitz von echten und abstrakten Gütern, sondern sind als ethische Praxis nützlichen und vernünftigen Handelns zu verstehen, wie es Haidt (1998: 166) unterstrichen hat: “Being an hombre de bien is a state consisting in constant choices and vigilance in the use of one’s right reason toward the doing of the good”. Im Unterschied zum traditionellen, auf Besitz und Repräsentation gegründeten Konzept der männlichen Ehre, beruht das hier entworfene neue Konzept des hombre de bien auf Aneignung und Verinnerlichung. Eine ständische Restriktion besteht nicht, vielmehr realisiert es sich durch den Anspruch der permanenten Selbstoptimierung und ist nicht mehr Attribut, sondern steter Prozess. Hernández (1986-87: 49) zeigt auf, wie Cadalso das Konzept der hombría de bien anschließend an die französische Enzyklopädie und den politischen Tugendbegriff Montesquieus wesentlich erweitert. Doch deutet er den Roman selbst als literarische Inszenierung des Scheiterns dieser hombría de bien und spricht von einer “imposibilidad de aplicación de ese nuevo ideal, su fracaso, sobre todo en relación a la sociedad española en la que Nuño y Gazel se mueven”. Ich möchte hingegen argumentieren, dass das Modell hier nicht grundsätzlich aufgegeben wird, auch wenn der Briefroman mit Núños Rückzug und Gazels Abreise im 90. Brief ‘ergebnislos’ abbricht, sondern auf der Ebene der Beziehung der Korrespondenten erfolgreich umgesetzt wird. Cadalso führt in Form der Dialoge vor, wie das, was man universale Vernunftmännlichkeit nennen kann, praktisch gelingt. “Hombría de bien is the foundation of the correspondent’s friendship; the three enact facets of Aristotle’s theorized ‘other selfhood’ [...]” (Haidt 1998: 169). Die Ideale echter Männlichkeit werden in der Brieffreundschaft der drei männlichen Korrespondenten thematisch wie performativ umgesetzt, von Gazel, dem reisenden Marokkaner ebenso wie von Nuño Núñez, seinem spanischen Begleiter. Auch der Adressat von Gazels Briefen, der schriftgelehrte Mentor Ben Beley, realisiert deren ethische Prämissen im Dialog mit seinen Korrespon-

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denten. Die Handlungsebene ist wenig ausgestaltet und übermittelt die Freundschaftsbeziehung der drei Männer als kommunikatives Erlebnis. Die Spezifik des Konzeptes besteht darin, dass sich auch die beiden Marokkaner, die aus einer als despotisch und martialisch begriffenen Kultur stammen, die Prinzipien der vernünftigen Männlichkeit aneignen und somit auf deren universelle Gültigkeit verweisen. Das vernunftbasierte Mann- und Menschsein ist folglich von Religion, Kultur und Ständehierarchie unabhängig. Nuño Núñez thematisiert in seinen Gesprächen mit Gazel nicht nur die allgemeingültigen Werte der Freundschaft, Mäßigung, Angemessenheit und Unparteilichkeit, sondern setzt sie in seiner Rede vorbildhaft um (Haidt 1998: 153). In der Männerbeziehung wird, wie Haidt betont (ebd.), insbesondere das aristotelische Konzept der Freundschaft aktualisiert, das die zivilisatorische, politische und ethische Bedeutung männlicher Beziehungen unterstreicht. Cadalsos literarische Inszenierung verdeutlicht dabei einen wesentlich erneuerten konzeptuellen Aspekt der Umsetzung von Männlichkeit als einem ethischen Ideal: zum hombre de bien wird man durch das Bemühen, nach den Prämissen zu handeln und die Beziehung zu anderen daran auszurichten. Als ciudadano übernimmt der männliche Bürger zudem eine besondere Verantwortung, und die Beherrschung des eigenen Körpers – Gegenbild zur eitlen petimetría – wird zu einem zentralen Bestandteil der universalen Männlichkeit.216 Am männlichen Körper, so Haidt (1998: 171), reformiere sich die Nation. Dies wird illustriert anhand der Begegnung mit einem Pedanten, von der Nuño Núñez berichtet (Brief 68). Das Gespräch und seine Wiedergabe in Nuños Worten wird stets von dessen Griff zur Schnupftabakdose und dem Akt des Schnupfens unterbrochen. Ein Austausch, ein angemessenes, respektvolles Gespräch, wie es idealtypisch die drei Korrespondenten vorführen, kommt nicht zustande. Der Pedant vermag außerdem nicht ausgewogen zu urteilen, er kritisiert die zeitgenössische Literatur einseitig und wird so zur Kontrastfolie des neuen hombre de bien. Das ethische Prinzip universaler Männlichkeit wird derart auf verschiedenen Ebenen des Textes umgesetzt. Zum einen in Gazels Briefen (mehr als 60 der 90 Briefe stammen aus seiner Feder), der das Verhalten von Nuño Núñez reflektiert und als Inbegriff der spanischen und 216  Haidt geht in ihrer Studie Embodying Enlightenment (1998) insbesondere auf die Bedeutung der körperbasierten Techniken der Aufklärung ein.

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8. Männlichkeitsdiskurse in der Literatur

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zugleich universalen Tugend beschreibt. Des Weiteren agiert Nuño Núñez, indem er Gazel antwortet und als Modell für jenes zu perfektionierende Verhaltensideal fungiert. So wählt er selbst, auch wenn es ihm schwer fällt, einen Mittelweg zwischen räumlicher Abgeschiedenheit im Modell des filósofo und dem gesellschaftlichen Leben (Haidt 1998: 167). Analog zur Herausgeberfigur der Wochenschriften berichtet er über Beobachtungen anderer Personen und kommentiert deren Verhalten. Schließlich erweisen sich die Positionen der drei Korrespondenten kaum voneinander unterscheidbar. Sie alle berücksichtigen die ethischen Maximen, die Ausweis der neuen Männlichkeit sind, und der Stil ihrer Briefe ist kaum zu unterscheiden, was den klassischen Polyperspektivismus des Briefromans aufs Äußerste reduziert.217 Eine weitere Ebene der Inszenierung von vernünftiger Männlichkeit findet sich in der Rahmenfiktion. Der fingierte Vermittler und Herausgeber der Briefe stellt sich selbst in eine Reihe mit den Figuren, die jene universale Vernunftmännlichkeit verkörpern. Anhand des Briefromans von Cadalso wird eindrucksvoll deutlich, dass die Prinzipien echter Männlichkeit im 18. Jahrhundert nicht nur einem inhaltlichen Wandel von Werten unterliegen, sondern eine grundlegende Erneuerung auch bezüglich ihrer Aneignung erfolgt. Während der traditionelle spanische Ehrenmann diesen Titel besaß, weil er über entsprechende Güter verfügte, kann der neuen Männlichkeit jedermann teilhaftig werden, unabhängig von Herkunft, Alter, Stand, Kultur und Religion. Der Prozess der Aneignung gilt bereits als Praxis der neuen männlichen Tugend und wird zum zentralen Moment der Performanz universaler Männlichkeit. Allein das ethische Bemühen ist entscheidend, der Weg sozusagen das Ziel permanenter Selbstvervollkommnung. Dieses Konzept illustriert der Brief 69, in dem Gazel von der Begegnung mit einem spanischen Diener berichtet. Dieser hatte ihm vom beispielhaften Leben seines Herrn erzählt, der auf den ersten Blick die Prinzipien echter Männlichkeit erfüllt. Er lebt auf dem Land, sorgt für seine Familie als treuer Ehemann und guter Vater. Der Marokkaner Gazel will seinem spanischen Freund Nuño Núñez anhand des Beispiels zeigen, dass er das Modell tugendhafter Männlichkeit bereits verinnerlicht hat. Doch die Antwort in Brief 70 ist überraschend: statt 217  Die Zuordnung des Textes zum Genre des Briefromans ist daher umstritten. Hans-Joachim Lope (1973) verneint dies in seiner Monographie zu den Cartas marruecas.

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der erhofften Zustimmung kritisiert Núñez die vermeintlich perfekte Praxis männlicher Vernunft und findet selbst bei einem so beispielhaften Herren noch Potential der Selbstverbesserung. Dass dieser sich mit seiner Familie aufs Land zurückgezogen habe, so Nuño, entspreche gerade nicht dem richtigen Maß. Denn auf dem Land kann der Mann weder Vorbild sein noch in gefordertem Umfang zum Gemeinwohl beitragen. Diese an Gazel und den Leser gerichtete Erklärung vermittelt, dass das Wesentliche der neuen hombría de bien nicht in der Perfektion, sondern vielmehr dem Prozess der Aneignung, der Reflexion und des Austauschs mit dem Anderen liegt. Der Akt der Lektüre – und dies kann als die dezidiert aufklärerische Strategie des Textes gedeutet werden – befördert jene universale Vernunftmännlichkeit. Lesen und Schreiben selbst werden Teil jener Praxis der neuen Männlichkeit. Die Literatur der spanischen Aufklärung, die zugleich in höchstem Maße auf gesellschaftliche Debatten des Jahrhunderts Bezug nimmt, führt uns nicht nur die enge Verknüpfung von Männlichkeit und Menschenbild vor, sondern unterstreicht die entscheidende Rolle des Mannes in der Gestaltung der bürgerlichen Gesellschaft. Trotz der komplementär, d.h. einander ergänzend gedachten Geschlechterrollen, werden dem Mann die aktive und zweifellos auch die Vorbildrolle zugewiesen. An seiner erfolgreichen Erziehung und Normierung erweist sich der Erfolg bei der Umsetzung der neuen gesellschaftlichen Prinzipien. Für ihn gilt es in besonderer Weise, die Aufgabe der stetigen Selbstverbesserung, der Interiorisierung vernunftbasierter Tugendideale zu realisieren. Die Prozesse des Lernens und des Strebens nach richtiger Lebensführung stehen im Vordergrund und dementsprechend ist auch der hombre de bien stets im Werden begriffen.

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9. WEIBLICHE STIMMEN ZUR GESCHLECHTERDEBATTE: AUTOR SCHAFTS- UND PUBLIKATIONSSTRATEGIEN VON AUTORINNEN

₉.₁.Weiblichkeitsideologeme im ₁₈. Jahrhundert und das Paradox weiblicher Autorschaft218 Im folgenden Kapitel soll es um die Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit sowie deren textueller Performanz unter dem spezifischen Blickwinkel ihres Zusammenhangs mit Autorschaft gehen, wobei der Fokus auf spanische Autorinnen und ihre Autorisierungsstrategien gerichtet sein wird, deren Schreiben eine Ausnahmesituation darstellt. Im 18. Jahrhundert wie auch in früheren Epochen war der Eintritt von Frauen in die Öffentlichkeit eine Seltenheit und fand unter höchst ambivalenten Bedingungen statt, weil er vor dem Hintergrund spezifischer Weiblichkeitskonzeptionen und in Relation zu universalen männlichen Normen zu erfolgen hatte.219 Der weitgehende Ausschluss von Texten aus weiblicher Feder im Kanon, wie er sich im 18. Jahrhundert historisch fortsetzt, beruht folglich nicht auf einem Mangel an Autorinnen oder ihrem literarischen Potential, sondern ist einerseits auf diverse Formen der Restriktion weiblicher Äußerungen zurückzuführen (nur knapp 200 Texte von Autorinnen wurden im Laufe des Jahrhunderts in 218  Die Ausführungen zu María Rosa Gálvez de Cabrera sind dem Beitrag Gronemann (2006a) entnommen, in dem die Verquickung von imitatio und Genieästhetik eingehend erläutert wird. 219  Erst in den 70er Jahren begann die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Problematik weiblicher Autorschaft im sog. gynocriticism (Showalter 1977 und Gilbert/ Gubar 1979).

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Spanien überhaupt publiziert) und andererseits auf ein fehlendes Bewusstsein der Mechanismen weiblicher Autorschaft sowie einen Mangel an adäquaten Bewertungskriterien im Prozess der Kanonisierung. Um die Aufarbeitung dieses fundamentalen theoretischen Mankos bemühen sich zahlreiche aktuelle Projekte im Dienst einer genusbasierten Literaturhistoriographie. Sie haben zum Ziel, die Literaturgeschichte als Historie der Ambivalenzen und Brüche neu zu fassen und auch als Geschichte sich wandelnder Geschlechterbeziehungen fortzuschreiben.220 Im Mittelpunkt steht dabei eine eingehende Analyse der historischen Geschlechterepisteme und der mit ihr verbundenen Weiblichkeitsideologeme als Basis für jene Marginalisierung oder sogar Negation weiblicher Befähigung zur Autorschaft. Letzteres möchte ich im Folgenden kurz für den Zusammenhang des 18. Jahrhunderts skizzieren. Im 18. Jahrhundert verfestigt sich Autorschaft, auf der Basis eines epistemologischen Wandels, als männlich konnotiertes Modell autonomer Subjektivität in Abgrenzung vom Objekt ‘Frau’. Es bildet sich ein neuartiger, zumeist biologisch begründeter Geschlechterdualismus heraus, der fundamentale Auswirkungen auf den Bereich der literarischen Produktion hat. Der Übergang von einer hierarchisch organisierten Geschlechterdifferenz zum polarisierenden Modell der Komplementarität wird in der Genderforschung, wie in der vorliegenden Arbeit skizziert (vgl. 2.3. und 2.4.), als Naturalisierung der Geschlechter bezeichnet, weil die Geschlechtscharaktere nicht mehr als graduell changierend, sondern als natürliche, d.h. vordiskursive und essenzialistische Kategorien angesehen werden. Die bis dahin primär ständisch organisierten gesellschaftlichen Sphären werden im bürgerlichen Zeitalter nach dem Gebot gesellschaftlicher Nützlichkeit geschlechtsspezifisch neu organisiert. Dabei erfolgt, wie bereits vielfach aufgezeigt, eine Festschreibung und Normierung weiblicher (und männlicher) Verhaltensweisen, die die Spielräume der performativen Überschreitung von Geschlecht im Rahmen des traditionellen OneSex-Models (Laqueur [1990] 1996) aufhebt (vgl. Fußnote 61). Zwar galt die Frau infolge der rationalistischen Egalitätsvorstellung als grundsätzlich vernunft- und bildungsfähig, doch unter Verweis auf ihre vermeintlich naturhaft vorgegebene Funktion, wird ihre gesellschaftliche Mitwirkung auf den häuslichen Raum begrenzt. Mit dem 220  Zu den wegweisenden Studien auf diesem Gebiet zählen u.a. Weigel (1983), Kroll/Zimmermann (1995) und Schabert (1995).

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Argument einer biologisch begründeten Zuständigkeit für den in seiner gesellschaftlichen Relevanz aufgewerteten Bereich der Privatheit, der hier zugleich als Gegenstück zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit konstruiert wird, erfolgt die Relegation der Frauen aus dem Bereich der Publizistik. Zugleich wird ihr als Adressatin (z.B. von Erziehungsliteratur) eine neue Rolle zuteil. Sie ist aufgrund der Vorstellung weiblicher Verstandesfähigkeit, die in Spanien von Feijoo eingeführt wurde, zwar mündig, erscheint aber im Rahmen des bürgerlichen Zuschnitts geschlechtsspezifischer, häuslicher Themen für alle anderen Bereiche nicht mehr autorisiert. Weibliches Schreiben und Publizieren lässt sich im 18. Jahrhundert daher vor allem über die Wahl genusadäquater Themen legitimieren. Erziehungs- und Geschlechterdiskurse werden zum bevorzugten Gegenstand, über den sich Autorinnen des 18. Jahrhunderts äußern und unter dessen Deckmantel sie ihre teilweise kritischen Sichtweisen vermitteln.221 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die weibliche Äußerung im Kontext eines komplementären Geschlechtermodells stets konnotiert ist und an die historische und kulturelle – für die Ästhetik relevante – Spezifik von Gender rückgebunden werden muss. Daher kann auch die Literatur von María Rosa Gálvez de Cabrera nicht außerhalb einer solchen Darstellung zeitgenössischer Weiblichkeitsdiskurse erfolgen. Einerseits gehörte sie zu den wenigen Autorinnen des Jahrhunderts, die ihre Werke zu Lebzeiten veröffentlichen konnten.222 Doch war ihre schriftstellerische Tätigkeit stets verbun221 

Im Rahmen der Anforderung an Genusadäquatheit erschienen in Spanien Frauenapologien (Inés Joyes y Blake 1798; Teresa González 1777, vgl. 9.4. und 9.5.), Briefe über Erziehung (Rita Caveda), wissenschaftliche Erziehungstexte (Josefa Amar y Borbón 1790 [1994]) und Übersetzungen (Madame Lambert, Madame dÉpinay, Rollin, Pluche). Darüber hinaus werden in zahlreichen Textsorten, wie die vorliegende Arbeit gezeigt hat, weibliche Stimmen fingiert, um die Kategorie der Leserin als Teil eines Mittelschichtpublikums und zugleich als rollenkonform zu konstruieren. 222  Dies setzt sich bis in die hispanistische Forschung des 20. Jahrhunderts hinein fort. So etwa bei Alborg (1972: 659), der Gálvez’ Schreiben als curiosum begreift und die Autorin als Nachahmerin Moratíns präsentiert: “Casi más a título de curiosidad que por su importancia real, acogemos a continuación el nombre de esta escritora, imitadora, en algún aspecto, de Moratín”. Dies lässt sich weder thematisch noch dramentechnisch untermauern (Whitaker 1989: 1555). Weibliche Autorschaft wird in der Forschung häufig unhistorisch unter Bezug auf männliche Normen bestimmt, wie dies grundlegend im Ansatz einer Darstellung der spanischen Frauenliteratur des 18. Jahrhunderts von Palacios Fernández (2002) sichtbar wird. Wie zahlreiche Passagen in seiner Darstellung belegen, bewertet er selbst das Schaffen der Autorinnen als Besonderheit und begrün-

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den mit einem Hinweis auf den Topos der Ausnahmeautorin. Dass ihre literarische Strategie dem zuwider läuft und als Einschreibung in den Kanon sowie Transgression zeitgenössischer Geschlechterideologeme erfolgt, möchte ich daher als Verfahren der Selbstautorisierung analysieren, welche die Autorin im Kontext der Reflexion auf ihre eigene Redesituation Ende des 18. Jahrhunderts entfaltet. ₉.₂. Die Bescheidenheitsrhetorik im Prolog von María Rosa Gálvez de Cabrera Ihren Gedichten, die gesammelt im ersten Band des dreiteiligen Gesamtwerks erschienen sind, schickt Gálvez die folgende bemerkenswerte “Advertencia” voraus: Las Poesías líricas impresas en este tomo son por la mayor parte hijas de las circunstancias; y sólo las presento como una prueba de lo que he podido adelantar en este género. Tales cuales sean unas y otras, confieso ingenuamente que no es mi ánimo entrar en competencias literarias con los que corren como poetas entre nosotros. Conozco la diferencia que hay entre unos talentos mejorados por el estudio, y una imaginación guiada sólo por la naturaleza. Por tanto, espero que, leídas estas obras sin prevención, logren la indulgencia del público. (Gálvez 1804, Band I, ohne Seitenangaben, meine Hervorhebung)

Gálvez verwendet hier prologtypische Topoi der Bescheidenheit, Unterlegenheit und Schwäche, die zum standardisierten Inventar der Autorinszenierung und nicht nur der rhetorischen Ausstattung weiblicher Autorschaft gehören. Sie demonstriert ihr literarisches Wissen und bezieht sich auf zwei für die Konstitution literarischer Autorschaft zentrale Begriffe, den Gegensatz von studium und ingenium, der am Horizont einer romantischen Autorkonzeption und in den literarischen Debatten im Zuge der Neuformulierung des Geniegedankens eine Schlüsselrolle spielte.223 det dies mit deren natürlicher weiblicher Prägung – anstatt ein solches Konzept zu hinterfragen und als Ideologem der Epoche zu identifizieren (Palacios Fernández 2002: 125 und 266ff.). Vgl. auch Fußnote 9. 223  Als Begründung des Anspruchs auf das Urheberrecht gilt Edward Youngs Conjectures on Original Composition in a Letter to the Author of Sir Charles Grandison aus dem Jahr 1759. Zum Begriff des Genies und der Imagination vgl. Ortland (2001) und Schulte-Sasse (2001).

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Seit der Antike werden beide Fähigkeiten unterschiedlich gewichtet und stehen in Konkurrenz zueinander, wobei die natürliche Imagination im Sinne der Rangfolge psychischer Fähigkeiten nach Aristoteles’ De anima abgewertet war, weil sie “als Wirkung der Sinneswahrnehmung auch in Tieren nachweisbar sei” (Schulte-Sasse 2001: 89). Demgegenüber galten die durch systematisches Studium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten als privilegiert, so dass sich anhand der Kategorien ars/studium und natura/ingenium eine Opposition der Autorkonzepte poeta doctus (poeta faber) und poeta vates herausbildete. Die Kategorie Geschlecht wird hier insofern für die Konstitution von Autorschaft relevant als das traditionell hierarchisch organisierte Geschlechtermodell eine weibliche Sondernatur postuliert, jedoch auf einer Achse der graduellen Verschiebbarkeit zwischen imperfekter weiblicher Natur und perfekter Ausformung des menschlichen Körper-Geist-Gefüges beim Mann. Dieses humoralpathologisch begründete Geschlechtermodell (oder mit Laqueur One-Sex-Model), vor dessen Hintergrund auch die ingenium-Lehre betrachtet werden muss, impliziert eine mindere natürliche Befähigung der Frau sowohl in körperlicher wie geistiger Hinsicht, wie dies Huarte de San Juan in seiner Analyse der natürlichen Unterschiede des menschlichen Geistes (Examen de ingenios para las ciencias, 1575) beschrieben hatte: “que la compostura natural que la mujer tiene en el cerebro no es capaz de mucho ingenio ni de mucha sabiduría” (Serés 1989: 163, meine Hervorhebung).224 Das Naturargument wird im Rahmen der aufklärerischen Geschlechterargumentation jedoch nicht abgelöst, sondern erkenntnistheoretisch neu gefasst und umformuliert. Auf der Basis des cartesianischen Körper-Geist-Dualismus wird der Frau im Sinne des Gleichheitspostulats potentiell gleiche Intellektfähigkeit zugeschrieben, doch wird nun umgekehrt ihre vermeintlich differente Biologie zur Ursache dafür gemacht, dass sie sich nicht in gleicher Weise wie der Mann ihres Verstandes bedienen könne. Anders als das traditionelle Modell, das mit weiblicher Natur eine grundlegende Minderwertigkeit assoziiert, wird in der modernen Geschlechterdichotomie die Kategorie Natur mit Weiblichkeit gleich gesetzt.

224  Die Schrift folgt in ihrer Struktur Aristoteles’ Werk De anima, auf das auch schon Juan Luis Vives’ Auseinandersetzung mit dem Leib-Seele- bzw. Leib-Geist-Problem in De anima et vita (1538) zurückgegriffen hatte. Vgl. auch Fußnote 81.

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Gálvez konstruiert in ihrem Prolog folglich eine spezifische Form weiblicher Bescheidenheit gerade durch einen Rekurs auf das Naturargument, das üblicherweise zur Begründung eingeschränkter weiblicher Intellektfähigkeit bzw. intellektueller Applikationsmöglichkeit diente. Ihr Diskurs zielt jedoch zugleich auf eine andere Lesart – wie sich an der Ode La Poesía aufzeigen lässt –, welche die Legitimation ihrer weiblichen Autorschaft impliziert, verbunden mit dem ästhetischen Wandel der Konzepte von Nachahmung und Originalität. Die Autorin bedient sich des weiblich konnotierten naturaleza-Begriffs und neutralisiert ihn,225 indem sie ihn mit einer männlich bestimmten Genieästhetik verknüpft und zur Folie der Einschreibung ihres weiblichen lyrischen Ich “Amira” macht. Dass damit die Rhetorik des Prologs ambivalent ist, erweist die Lektüre der Gálvez’schen Poesie, in der es nicht nur um eine Aufwertung des naturaleza-Begriffs im Rahmen der Ansätze einer Genieästhetik geht, sondern den Entwurf einer geschlechtslosen Form von Vernunft, ingenium und literarischer Autorschaft. Die Beschreibung ihrer literarischen Texte als Gelegenheitsarbeiten und Resultate einer ‘naturgeleiteten Imagination’ außerhalb (maskuliner) literarischer Konkurrenz spiegelt vor allem ein Bewusstsein der neuartigen Koordinaten weiblicher Autorschaft vor dem Hintergrund der bürgerlichen Häuslichkeitsideologie. Dass Gálvez ihre Texte hier ausgerechnet als “hijas de las circunstancias” (meine Hervorhebung) deklariert, greift den aus der Antike tradierten Topos der Gleichsetzung von Zeugung/Geburt und künstlerischer Produktion auf, jedoch unter Anspielung auf die bürgerliche Geschlechtervorstellung und das Gebot genusadäquater Kommunikation.226 Darin manifestiert sich einerseits die Vertrautheit der Autorin mit der literarischen Tradition und andererseits eine originelle Aneignung und Rekodierung der abendländischen Metaphorik ästhetischer 225  Obwohl sie beide Autorkonzepte nicht explizit geschlechtsspezifisch markiert – “weibliche” Imagination und “männliches” Wissen – legt sie zumindest für den zeitgenössischen Leser eine genderspezifische Lesart für “unos talentos mejorados por el estudio“ einerseits und “una imaginación guiada sólo por la naturaleza” (Gálvez 1804, Band I, ohne Seitenangaben) andererseits durchaus nahe. 226  Die Topik der Reproduktion und der Vergleich des eigenen literarischen Werks mit einem Kind gehen auf Aristophanes zurück (Die Wolken/Ar.Nub.). Sie finden sich bei einschlägigen Autoren der Antike (Ovid, Horaz, Catull, Quintillian u.a.). Vgl. Riedner (1903) zur Antike und Begemann/Wellbery (2003) zur Metaphorik der ästhetischen Produktion in der Neuzeit.

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Produktivität, wobei sie geistige Zeugung und weibliche Körperlichkeit verbindet. Bei Gálvez erweist sich dies als Form der Inszenierung weiblicher Autorschaft, als geschlechtsspezifische Variante der humilitas, auf deren Basis sie die Anforderungen der Textsorte des Paratexts im Sinne einer captatio benevolentiae erfüllt und zugleich vorführt, dass sie die literarischen Kodes nicht nur kennt und beherrscht, sondern sie umzudeuten und anzueignen versteht.227

₉.₃. Die literarische Kodierung weiblicher Autorschaft bei Gálvez de Cabrera In ihren Gedichten – exemplarisch in der metapoetischen Ode La Poesía – konterkariert Gálvez den im Prolog verwendeten Bescheidenheitstopos und nimmt nicht nur höchste literarische Befähigung für sich in Anspruch, sondern geht so weit, sich Aspekte des zeitgenössischen Geniebegriffs zur spezifischen Legitimation ihrer literarischen Kreativität anzueignen und sich dabei höchst eigensinnig die aufklärerische Aufwertung weiblicher natürlicher Fähigkeiten anzuverwandeln. Ihre Verknüpfung verschiedener literarischer Kodes verdeutlicht, dass sie sich dieser zur Modellierung ihrer Autorschaft im Sinne des imitatioKonzepts bedient. Das hohe literarische Bewusstsein der Autorin, ihr Spiel mit den dichterischen Masken, manifestiert sich exemplarisch in dieser Ode, die sie zugleich unter dem Banner des Patriotismus entwirft. Die Autorin knüpft strategisch an den zeitgenössischen Diskurs an, der normadäquates geschlechtsspezifisches Verhalten als patriotischen Beitrag deklariert, und unterstellt ihr eigenes Vorgehen damit einem höheren, pragmatischen und unanfechtbaren Zweck. Gálvez neutralisiert die bürgerliche Geschlechterideologie, indem sie für sich selbst als Autorin in Anspruch nimmt, einen patriotischen Beitrag nicht wie üblich durch Reproduktion und häusliche Verantwortung zu leisten, sondern – wie ihre männlichen Kollegen – die Aufwertung der Nation durch Mehrung des Prestiges von Sprache und Literatur zu unterstützen. 227 

Die im Prolog annoncierte Bescheidenheit ist somit keineswegs, wie Bordiga Grinstein (2003: 35) meint, wörtlich zu nehmen. Dagegen spricht nicht nur das Selbstbewusstsein der Autorin, sondern auch ihr erfolgreicher Einsatz für die Veröffentlichung der eigenen Werke.

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Auch wenn im Fall von María Rosa Gálvez nicht von einer Autonomieästhetik im Sinne der Romantik gesprochen werden kann, scheint dennoch die in ihren Texten angelegte geschlechtsneutrale Autorschaft und die Transgression des tradierten Nachahmungskonzeptes bedeutsam. Sie vermeidet den expliziten Rekurs auf ihr Geschlecht und das – im 18. Jahrhundert dominierende – Skandalon weiblicher Autorschaft. Auf der Basis eines antikisierenden Diskurses über die Horazische imitatio und den Rekurs auf die Genieästhetik erschreibt sie sich gewissermaßen selbst die erforderlichen literarischen Bedingungen der Ebenbürtigkeit. Indem sie ihre Autorschaft als Wunsch nach Ruhm mittels Anrufung des Mäzens und Vorbilds ästhetisch verkleidet und die historischen Gewährsmänner und -frauen für ihr Schaffen aufführt, lenkt sie von der Vorstellung der Unvereinbarkeit von Autorschaft und Weiblichkeit ab und vertritt ein Modell weiblichen Schreibens, das sich unter Verweis auf den klassischen Kanon genusadäquaten Themen bewusst verweigert.228 Gerade in lyrischen Texten lässt sich der Prozess der sprachlichen Konstitution der Kategorie Geschlecht als Rekodierung von traditionellen Topoi und Diskursen aufzeigen, weshalb ich mit María Rosa Gálvez de Cabrera eine Autorin wähle, die in ihren Oden eine geschlechtsneutrale Form von Autorschaft entwirft und ihre Verfasserschaft in dieses Modell einschreibt. Sie gilt als eine der bedeutendsten spanischen Autorinnen des 18. Jahrhunderts und zählte zu den wenigen Frauen, denen es gelang, unter den Bedingungen marginalisierter weiblicher Autorschaft einen gewichtigen Beitrag zur literarischen Kultur des 18. Jahrhunderts in Spanien zu leisten. Sie wurde vor allem als Dramatikerin des Neoklassizismus bekannt, verfasste aber neben Übersetzungen auch lyrische Texte und kann als einzige Schriftstellerin ihrer Zeit auf ein zu Lebzeiten publiziertes dreibändiges Gesamtwerk verweisen.229 228  Symptomatisch dafür ist, dass sich Gálvez im Unterschied zu zahlreichen Zeitgenossinnen (María Gertrudis Hore, Margarita Hickey y Pellizoni, Sor Ana de San Jerónimo) nicht dem Thema Liebe widmet, was auf die stark patriarchale Kodierung des amourösen Diskurses einerseits und eine in Spanien problematische Wahrnehmung der aktiven weiblichen Rolle – auch in Bezug auf die Rede – andererseits zurückzuführen ist. 229  Es erschien unter dem Titel Obras poéticas in Madrid (Imprenta Real, 1804). Ihre Dichterkollegin Margarita Hickey beispielsweise publizierte 1789 unter Initialen den ersten Band ihrer Poesías varias sagradas, morales y profanas o amorosas, dessen Fortsetzung die Zensur jedoch verhinderte.

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Die Autorin wurde 1768 in Macharaviaya bei Málaga geboren und von der Familie des Armeeoberst Antonio de Gálvez adoptiert. Sie erhielt eine Ausbildung in modernen Sprachen und wurde von einem gebildeten und kosmopolitischen Adoptivelternhaus geprägt. 1789 heiratete sie den Infanterieleutnant José Cabrera y Ramírez, von dem sie nach dessen Inhaftierung geschieden wurde. 230 Sie siedelte erneut nach Madrid über, wo ihre literarische Laufbahn begann. Inspiriert durch verschiedene literarische Kreise (Jovellanos, Quintana, Cienfuegos, die Condesa del Carpio) und protegiert von dem Minister Manuel Godoy,231 aber offenbar auch aus ökonomischen Erwägungen, begann sie zu schreiben.232 Zunächst übersetzte sie, dann schrieb sie eigene Stücke im neoklassizistischen Stil, die in den Madrider Theatern (Teatro de la Cruz, Coliseo de los Caños de Peral, Teatro del Príncipe) aufgeführt wurden.233 Im Jahr 1806 starb sie im Alter von nur 38 Jahren in Madrid.234 In ihren Komödien und Tragödien greift sie nationalhistorische, politische und kulturelle Themen auf und propagiert unter patriotischem Banner ein eigenes spanisches Modell der Tragödie. Zugleich gilt sie als Autorin des Übergangs zwischen Aufklärung, Neoklassizismus und 230  Dieser soll im Glücksspiel das Vermögen der Familie aufgebraucht haben. In Folge eines Erbstreits wurde er verhaftet und es kam zur Scheidung, wie Bordiga Grinstein (2003: 23ff.) anhand einer umfangreichen Dokumentation ermittelt. 231  Gálvez engagiert sich im Sinne moderner Autorschaft für die Publikation ihrer Werke (Truxa 1998: 96) und erreicht, dass Godoy – der ihre Gesuche an den König vermittelt – auch die Finanzierung aus Staatsgeldern veranlasst. Symptomatisch für eine einseitige biographistische Deutung weiblicher Autorschaft ist die in zahlreichen Sekundärtexten thematisierte Liebesbeziehung zu Godoy. Ein solches biographistisches Vorgehen, das speziell bei Autorinnen zum Einsatz kommt, problematisiert Weigel (1990: 240) zu Recht: “Die sprechende Neugier an der Person der Schreibenden, welche nicht selten über das Interesse an ihren Texten dominiert, ist ebenfalls durch die überlieferte Unvereinbarkeit von ‘Frau’ und ‘Autor’ strukturiert”. 232  Dass ihr Schreiben auch Existenzsicherung war, lässt sich aus zahlreichen Publikations- und Aufführungsanträgen für ihre Stücke schließen, in denen die Autorin ökonomische Probleme geltend gemacht hatte. Dies zeigt, dass sich Gálvez jeweils dem Anlass entsprechend zu inszenieren wusste und dabei gerade nicht in ihren literarischen Texten als Sonderfall einer schreibenden Frau erscheinen wollte. 233  Vgl. Kahiluoto Rudat (1986); Whitaker (1989); Hormigón (1996: 474-503); Ruiz Ramón (2000: 291) u.a. 234  Ausführliche biographische Daten zur Autorin finden sich in Bordiga Grinstein (2003: 11-33), die allerdings hier im Dienst einer problematischen Rekonstruktion der “verdadera autora” (ebd.: 10) stehen.

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Romantik (Whitaker 1989: 1558). Zu den herausragenden Merkmalen ihrer Literatur gehört das poetologische Wissen verbunden mit einem hohen Autorbewusstsein, das die Autorin unter Rekurs auf klassische Topoi entfaltet und geschickt in Szene setzt. In ihren lyrischen Texten, die bislang kaum literaturwissenschaftlich analysiert sind,235 entwirft sie eine geschlechtertranszendierende Autorschaftsstrategie,236 welche sie mit Blick auf das Paradox weiblicher Autorschaft, die bürgerliche Geschlechterideologie und ein Modell ästhetischer Androgynie verhandelt. Anhand ihrer Odendichtung lässt sich aufzeigen, dass Gálvez tradierte literarische Konzepte aufgreift, sich diese aber nicht nur aneignet, sondern sie derart umkodiert, dass sie – entgegen dem Anschein ‘weiblicher’ Bescheidenheit – der Affirmation und Legitimation ihrer Autorschaft dienen (vgl. Gronemann 2006a). Das Beispiel von María Rosa Gálvez verdeutlicht, dass und inwiefern die literarischen Strategien von Autorinnen vor allem mit Blick auf relevantes Geschlechterwissen gelesen und verstanden werden müssen.

₉.₄. “O que yo era un Ricciolo con Bata o un Keplero con Surtout”: Die Frauenapologie als Strategie der Selbstautorisierung bei Teresa González Im gleichen Jahr wie die Pensatriz salmantina tritt mit Teresa González eine weitere Denkerin auf den Plan, la pensadora del cielo (González 1777: Titelblatt), die sich jedoch weder in ein Pseudonym hüllt noch satirischer Elemente bedient. Mit den Denkerinnen, die als fingierte Herausgeberinnen der moralischen Wochenschriften dienen, hat sie allerdings eines gemeinsam: auch sie stellt sich als Vermittlerin von lebenspraktischem Wissen dar und entspricht damit nicht nur der Anforderung weiblicher Themenwahl, sondern auch dem Typus des in der französischen Tradition geprägten “philosophe sans le savoir”. Dieser gibt vor, sein Wissen ohne den Anspruch auf dessen rationalistische Absicherung allein in den Dienst des allseitigen Gebrauchs und gesellschaftlicher Nützlichkeit zu stellen.

235  Einen Überblick über das lyrische Werk von Gálvez geben Zorrozua Santisteban (1997: 314-337) und Palacios Fernández (2002: 160-170). 236  Ich verwende hier einen Begriff von Schabert (1994: 114).

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Die Autorin veröffentlicht ein astronomisches Jahrbuch für das Jahr 1778, El estado del cielo para el año de 1778 (1777),237 und mit diesem Almanach einen Gebrauchstext, der anhand von Berechnungen der Mond- und Sonnenfinsternis die Bewegung der Himmelskörper für das kommende Jahr voraussagt. Interessant für unseren Diskussionszusammenhang ist der Text vor allem deshalb, weil die Autorin ihr eigenes Werk in Form eines frauenapologetischen Prologs gegen Angriffe verteidigt und dabei spezifische Topoi der Geschlechterdebatte aktualisiert. Das Jahrbuch beginnt mit einer ausführlichen Widmung an die Gräfin und Herzogin von Benavente, die sie in der Tradition weiblicher Autorisierungstaktik als höherstehende Vertreterin des eigenen Geschlechts mit positiven Eigenschaften belegt und als Schutz- und Schirmherrin der eigenen “inferioren” Produktion stilisiert. Mit dieser prologtypischen Verknüpfung von Bescheidenheitsrhetorik und Autoaffirmation, die sich – wie der Fall Cubié zeigt – auch in der Frauenapologetik keineswegs auf weibliche Autoren beschränkt,238 stellt Teresa González, die aus Córdoba stammt, ihre Kenntnis der standardisierten literarischen Ingredienzien im Kontext historischer Veröffentlichungspraktiken unter Beweis: Confieso ser bastantemente arduo el asunto y su desempeño muy superior a mis fuerzas. Pero V. Exc. que por experiencia propia conoce muy bien el fondo de sus bellas luces, no se maravillará de que una mujer aplicada haya podido arribar a tan alto punto, mediante los tales cuales progresos que ha hecho en la Astronomía, y aún en otros ramos de las Matemáticas, que sirven de preparación y adorno al espíritu. (González 1777, meine Hervorhebung)

Dabei reflektiert sie explizit die Notwendigkeit des Bezugs auf eine angesehene Schirmherrin, die ihrem Text ein mächtiges Asyl (“tan po-

237 

Als Faksimile erschien dieser Prolog kürzlich in der verdienstvollen Anthologie, die Inmaculada Urzainqui aus Texten von Autorinnen des spanischen 18. Jahrhunderts und einem Kommentar dazu zusammen gestellt hat (Urzainqui 2006: 63-92). 238  Auch Cubié, der königliche Bibliothekar, stellte seiner Frauenverteidigung eine solche Widmung voran: “A la muy noble y excelente Señora Doña Cayetana Fernandez Miranda de la Cueba, Condesa de las Amayuelas” und unterstreicht sein Protektionsbedürfnis: “No hay asunto que mas excite la murmuracion, y la critica, y por consiguiente necesita de tan sublime proteccion como la de V.S. bajo cuya sombra quedará libre de la mordacidad y rigor injurioso de los Criticos” (Cubié 1768: 2).

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deroso asilo”, ebd.) gewähre, “para que corra con seguridad este corto desvelo de mi desgreñado numen” (ebd., meine Hervorhebung). Ebenfalls dem Topos weiblicher Bescheidenheit und einer Reflexion auf die geschlechtsspezifischen Bedingungen des Publizierens entspricht ihre rhetorische Aussage, sie widme sich aus “natural inclinación, por diversión” und purer Lust dem Thema und verbinde damit keinen Anspruch auf höhere Verdienste (ebd.). So bezeichnet sie die eingefügte “Apología de nuestro Sexo disfrazada con el título de Prólogo” (ebd.) als zweiten und nebensächlichen Teil des Werks. Aus ihrer Argumentation aber geht hervor, dass sie sich aufgrund öffentlicher Anwürfe auf ein zuvor publiziertes Prognostikum für das Jahr 1773 gezwungen sieht, ihre Arbeit gegen diese zu verteidigen: “En ella [la Apología, C.G.] después de vindicar mi primera obra de las objecciones de los hombres y hacerme muy de veras partidaria en la gloria de las mujeres” (ebd.). Da die Angriffe ihren Text aus der Feder einer Verfasserin diskreditieren, kehrt González die eingezogene Geschlechterdifferenz dem Genre der Apologie entsprechend um und richtet ihre Verteidigungsschrift gegen diese Kritik, die sie Männern zuschreibt. Sie legitimiert die damit verbundene Selbstverteidigung mit einem Rekurs auf die aus dem literarischen Prologdiskurs bekannte Schöpfungsmetaphorik der Nachkommenschaft: so nennt sie ihre erste Almanachveröffentlichung “primer parto de mi tal cual entendimiento” (González 1777a: II, meine Hervorhebung). Das genannte Werk betrachtet sie als ‘Erstgeborenen’ und definiert sich – wie auch María Rosa Gálvez de Cabrera in ihrem Prolog – als Mutter, die von der Natur verpflichtet sei, ihre Werke resp. Kinder zu schützen: Por muchos títulos me parece debo volver por su estimación pública; como que este es un derecho que recibimos de mano de la Naturaleza, en cuya virtud puede cada uno defender sus propias producciones. No es madre la madre que no mira por el honor y crédito de su hijo; y con más justa razón si tiene la circunstancia de primogénito. Sin duda sería una bastardía muy grosera, abandonarlo como expósito, o dejarlo en la inclusa del desprecio. (ebd., meine Hervorhebung)

Die Autorin zeigt weiter, dass sich die gegen sie erhobenen Vorwürfe aus der Unterschätzung weiblicher Fähigkeiten ergeben und führt sie auf Boileaus X. Satire “Sur les femmes” zurück (ebd.: VI), die von den leibhaftigen ilustres Damas absehe oder diese gar lächerlich mache. Im

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Stil der Polemik weist sie ihrerseits die misogynen Gemeinplätze dieser Frauensatire zurück und meldet – das dort Gesagte für bare Münze nehmend – Zweifel an der Urteilsfähigkeit des bekannten Autors Boileau an.239 Ihr Gegenargument ist die geschichtliche Existenz herausragender Frauen, wobei sie diese Exempel keineswegs als Ausnahmen betrachtet. Damit distanziert sie sich von der üblichen Vorstellung einer prinzipiellen Schwäche von Frauen, die diese nur in seltenen Fällen überwinden könnten. González argumentiert – wenn auch mit traditioneller sophistischer Beweisführung – für spezifisch weibliche Tugenden und Stärken: “[...] que tienen en sí excelentes modelos de virtudes y esto en grande número. No acaso la Iglesia las llama el Sexo devoto” (ebd.: VIIIf.). Dass es dennoch zahlenmäßig weniger bedeutende Frauen als Männer gibt, erklärt sie mit dem bekannten Argument, dass sich weniger Frauen als Männer den Wissenschaften widmeten. Wenn sie dies jedoch täten, dann seien sie zumeist erfolgreich und den Männern ebenbürtig oder sogar überlegen. Wenn die antiken neun Musen unter anderem zur Poesie befähigten, stünden auch die Wissenschaften unter ihrem besonderen Schutz (ebd.: XIIf.), die Astronomie unter dem der schönen Urania (Aphrodite), und ebnen Frauen den Weg in diese Bereiche. Die Faszination des Himmels, so die Autorin über ihre Motivation, löse in ihr den Wunsch nach mehr Wissen über das Universum aus: noch ehe sie lesen gelernte habe, las sie den Himmel: “No conocía Libro tan digno de mi curiosidad como la belleza del Cielo” (ebd.: XIV). González fügt hier ganz typische Versatzstücke einer weiblichen Biographie ein, die sie als eine ehrbare, zurückgezogene und dem desen239  Boileaus misogyne Verssatire ist allerdings komplexer als González hier zu verstehen gibt. Sie nutzt den Text nur als Anlass für die eigene Verteidigung. Boileaus Argumentation ist in den zeitgeschichtlichen Bezügen zu deuten, insofern er sich hier gegen den Modernisten Perrault in der Querelle des Anciens et des Modernes positioniert. Frauen galten als Gegnerinnen der Anciens und wurden daher für den Sitten- und Geschmacksverfall der Zeit verantwortlich gemacht. Im Streit um die Bedeutung der Gegenwart und die Gewichtung der Antike als unerreichbares Vorbild oder ebenbürtige Epoche ist Boileau einer der Hauptgegner der Moderneverfechter und verteidigt sich hier “durch die Blume” im antiken Genre der Frauensatire (anschließend an Juvenals 6. Satire). Seine misogynen Angriffe zielen v.a. auf die Herabsetzung des Gegners Perrault (vgl. den Kommentar von Pierre le Verrier in Boileau 1906: 105). Ähnliches gilt für den spanischen Literaturstreit zwischen Quevedo und Góngora im 17. Jahrhundert, in dem Quevedo seinen Gegner für dessen conceptismo verlacht und in der Verssatire “La cultalatiniparla” (1629) als pseudo-gebildeten, feminisierten Dichter attackiert.

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gaño des öffentlichen Lebens abgewandte, doch gleichwohl gebildete Frau zeigen,240 die sich ihr Wissen ohne leibliche Gegenwart eines Lehrers (“sin voz viva de Maestro”, ebd.: XIX) angeeignet habe: Sin salir de la quietud de mi retiro, lograba enriquecerme de muy exquisitos conocimientos [...] que un libro muchas veces habla con más desengaño y tono firme que los hombres. A la verdad él es un amigo que aconseja sin agraviar y moraliza sin ofender [...]. (ebd.: XV)

Über die Lektüre und das eigene Denkvermögen – die Autorin bezeichnet sich als “pensadora del cielo” – gelangte sie zu astronomischem und mathematischem Fachwissen, das sie gleichwohl rhetorisch und anstandsgemäß einzusetzen weiß: “Pero como lo débil de mi naturaleza, junto con lo corto de mis alcances [...] me he contentado solo con algunos rudimentos Astronómicos y tales cuales noticias de sus respectivos Sistemas” (ebd.: XVII). Die Relativierung erscheint als Bestandteil weiblicher öffentlicher Äußerung erforderlich, denn die Autorin muss ihren gesellschaftlichen Rang und die Dimension ihrer Aktivitäten den geschlechtsspezifischen Normen entsprechend deklarieren, um Anfeindungen zu verhindern. So wurde die Beschäftigung mit der Mathematik als Modeerscheinung kritisiert, als Galanterie, die auch die Frauen erreichte, karikiert, und als Übernahme französischer Sitten betrachtet: Depuis que les mathématiciens ont trouvé le secret de s’introduire jusque dans les ruelles, et de faire passer dans le cabinet des dames les termes d’une science aussi solide et aussi sérieuse que la mathématique, par le moyen du Mercure Galant, on dit que l’empire de la galanterie est en déroute, qu’on n’y parle plus que de problèmes, corollaires, théorèmes [...]. (Journal des savants, 4. März 1686, zit. in Launay/Mailhos 1996: 97f.).

Einer solchen Abwertung ihrer Tätigkeit als Verfallserscheinung der Galanterie muss González entgegentreten. Sie beschreibt den schwierigen Weg der Aneignung aller notwendigen Kenntnisse – “[...] me pareció exceder la extensión general de mi espíritu [...]” (González 1777a: XIX) –, den sie jedoch erfolgreich mit Blick auf die Intention, ein Jahres-

240  Ähnlich stilisieren sich die Denkerinnen in den moralischen Wochenschriften (vgl. Kapitel 6).

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prognostikum zur Bewegung der Himmelskörper zu erstellen, abschließt. Ihre gegen dominante Weiblichkeitsvorstellungen vertretene Gelehrsamkeit legitimiert González, indem sie Argumente aus dem Diskurs der Frauenerziehung entnimmt und sich rühmt, den Tag nicht mit Äußerlichkeiten, Schmuck und Schönheitspflege, sondern zurückgezogenen und mit den der Minerva gewidmeten Studien zu verbringen (ebd.: XX). Dem Ankleidespiegel zieht sie das Teleskop zur Beobachtung unsichtbarer Himmelskörper vor und anstelle des frauentypischen Accessoires eines Stopfkissens bevorzugt sie das Himmels- und Erdmodell. Doch die Frage, was in den Sphären, Planeten und Sternen genau geschähe, könne nur von Geistesgrößen wie Huygens,241 Descartes und Fontenelle gedacht werden, so wiederum relativiert sie ihre eigenen Beobachtungen und ihren Status als Autorin (ebd.). Ein Argument aus der frühneuzeitlichen Geschlechterdebatte war die Kritik an weiblicher Eitelkeit, aktualisiert im Debattenkontext des 18. Jahrhunderts im Diskursmodell der Adelskritik und seiner Karikatur von Luxus, Pracht und Mode. González jedoch zeigt auf, dass ihr durch die tägliche Himmelsbeobachtung und häusliche Aufgaben keine Zeit für aufwändigen Putz bleibe (ebd.: XXI) und sie somit den üblichen Verdächtigungen entginge. Wenn man sie in ihrer Bibliothek beobachte, würde man sie auf den ersten Blick für einen Ricciolo im Morgenrock242 oder einen Kepler mit Damenübermantel halten. Denen allerdings, so die Autorin explizit, will sie keine Konkurrenz machen: “Pero lejos de ser esto así [...] para dar el Estado del Cielo [...] me basta el preparativo de las expresadas noticias auxiliares con el tal cual fondo de luces que he bebido en las fuentes ya indicadas [...]” (ebd.: XXIIf.). Sie verweist auf die durchaus mittelbare, eingeschränkte Intention ihres Werks im Vergleich zu den Arbeiten männlicher Philosophen, Mathematiker und Astronomen, wobei sie eine tatsächliche Konkurrenz negiert. Dies kann als Teil ihrer rhetorischen Strategie betrachtet wer241 

Christiaan Huygens (1629-1695), niederländischer Physiker und Mathematiker, war der Entdecker des ersten Saturnmondes. 242  Das italienische Adjektiv ricciolo (gelockt) wird hier substantiviert und personalisiert: der Gelockte steht für einen Mann, der ganz offensichtlich einen traditionell männlichen Bildungsbereich verkörpert, zu dem sich die Schreiberin (“con bata” – im Morgenrock) als Frau ebenfalls Zutritt verschafft. Diese Metaphorik weiblicher Rollenanverwandlung findet sich auch in den Wochenschriften, wenn beispielsweise La Pensadora Gaditana im Prolog ihres semanario die eigene Zunft als “Catones sin barbas y Licurgos con basquiñas” (vgl. Kapitel 6) bezeichnet.

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den, mit der sie ihr Werk gegen die Angriffe vermeintlicher Konkurrenten verteidigt. Denen hält sie vor Augen, dass sie als Frau nicht mit ihnen wetteifere. Daher müssten diese sich auch nicht auf die Argumente der Satire stützen, um das weibliche Geschlecht herabzusetzen. Es laufe außer Konkurrenz. In ihrem Prolog geht es demzufolge um den Respekt, den sie bezüglich ihrer weiblichen Autorschaft einfordert, und für den sie protofeministische Argumente ins Feld führt. Sie postuliert hierfür weibliche Exzellenz “en la naturalidad del espíritu, en el bello gusto, y en el sentimiento fino y delicado que adquieren desde que nacen” (ebd.: XXIII) und aktualisiert die Argumentation von Madame Lambert, die 1727 bzw. 1730 in ihrem Traktat Nouvelles réflexions sur les femmes die weibliche Erkenntnisfähigkeit durch eine angeborene Gefühlsbegabung betonte: “[...] mais chez les Femmes, les idées s’offrent d’elles-mêmes, & s’arrangent plutôt par sentiment que par réflexion: la Nature raisonne pour elles, & leur en épargne tous les frais” (Lambert 1730: 22).243 Als eine entscheidende Besonderheit weiblicher Gelehrsamkeit, die in antipreziösen Satiren stets der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, beschreibt González den fehlenden Konkurrenzneid, der hingegen das Ansehen der Männer ruiniere (ebd.: XXIV). Ihr abschließendes Plädoyer gilt der Anerkennung von Wissenschaft und Künsten unabhängig von Stand, Geschlecht und Bedingungen des Ausübenden (ebd.). Die Einfügung einer solchen Frauenapologie in Form des Prologs hat in Teresa González’ Prognostikum die Funktion, das Argument geschlechtsspezifischer Minderwertigkeit vorab zu entkräften und jeglicher Satire auf die Autorin als “Sterneguckerin” und gelehrter Frau den Wind aus den Segeln zu nehmen. Gerät doch nicht zuletzt in Molières populärer Komödie über die Lächerlichkeit gebildeter Frauen, Les femmes savantes, die Figur der Philante zur Karikatur, weil sie in ihrem Haus ein Teleskop aufstellt und damit der zeitgenössischen Mode verfällt. Die geschlechtsspezifischen Bedingungen des Veröffentlichens 243 

Den weiblichen ‘sensiblen’ Zugang zur Welt stellte Lambert über den rationalen: “Nous allons aussi sûrement à la vérité par la force & la chaleur des sentiments, que par l’étendue & la justesse des raisonnements ; & nous arrivons toujours, par eux, plus vite au but dont il s’agit, que pas les connaissances. La persuasion du cœur est au dessus de celle de l’esprit, puisque souvent notre conduite en dépend: c’est à notre imagination & à notre cœur, que la Nature a remis la conduite de nos actions, & de ses mouvements” (ebd.: 23f.) – eine durchaus ambivalente Aufwertung der Frau, denn aufgrund dieser natürlichen Differenz wurde sie später von geistigen Tätigkeiten ausgeschlossen.

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manifestieren sich darin, dass Frauen auf spezifische Weise ihr publizistisches In-Erscheinung-Treten und ihre Bildungsbemühungen zu legitimieren haben. Ähnlich wie Christine de Pizan am Beginn der frühneuzeitlichen Querelle des femmes oder im Siglo de Oro María de Zayas y Sotomayor und Sor Juana Inés de la Cruz argumentiert González mit Blick auf ihre schriftstellerische Selbstbehauptung. Sie nutzt traditionelle weibliche Schreibstrategien (Bescheidenheitsrhetorik, Widmungsdiskurs u.a.), Elemente der traditionellen protofeministischen Argumentation der Frauenapologie (Frauenexempel, Gleichrangigkeit, männliche Motive der Herabsetzung) wie auch moderne Basisdiskurse der Geschlechterdifferenz (Lamberts weibliche sensibilité, Kritik an Mode und Äußerlichkeit).

₉.₅. Inés Joyes y Blake, Apología de las mujeres: Zur Vereinbarkeit von Schreiben und Häuslichkeit im bÜrgerlichen Familienmodell Die Übersetzerin Inés Joyes y Blake verfasst ebenfalls eine Frauenapologie, die sie im typischen Stil einer Simulation weiblicher Privatheit als Brief an ihre beiden Töchter deklariert. Dieser Text erscheint im Anhang ihrer Übersetzung des englischen Romans The History of Rasselas, Prince of Abissinia (1759) von Samuel Johnson,244 der analog zu Voltaires Candide ou l’optimisme im gleichen Jahr das traditionelle und aufklärerische Menschenbild im satirischen Wirklichkeitsbezug kontrastiert (vgl. Bohnert 1987). Die Autorin übersetzte vermutlich die französische Version des Romans ins Spanische und veröffentlichte den Roman 1798 unter dem Titel El príncipe de Abisinia.245 Ihrem eigenen Paratext, Apología de las mujeres, schickt sie als Handreichung zu dessen Lektüre eine gesonderte Advertencia voraus und legitimiert ihren eigenen Text. Anschließend an die öffentlichen Dispute zum Geschlechterthema habe sie einen Brief an ihre Töchter verfasst, den sie nunmehr veröffentliche. Dieser sei nicht nur eine Verteidigung des weiblichen

244 

Als Faksimile ist der Brief von Joyes y Blake kürzlich in der bereits erwähnten Anthologie von Urzainqui (2006: 131-163) erschienen. 245  Zur geschlechtsspezifischen Problematik des Übersetzens im spanischen 18. Jahrhundert vgl. García-Garrosa sowie allgemein zur Unsichtbarkeit des (weiblichen) Übersetzers Borek (1996).

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Geschlechts, sondern zeige auch “Defekte” auf und gebe Ratschläge zur Kindererziehung (Joyes y Blake 1798: 175). Die Autorin erweckt den Eindruck, als sei sie in einer familiären Unterhaltung und durch ihre Beobachtungen im häuslichen Raum auf das Problem gestoßen und stelle dieses nun öffentlich zur Diskussion. Sie unterstreicht die private Dimension des behandelten Themas und erfüllt damit die Anforderungen an eine genusadäquate Themenwahl. Sie wendet sich an Leserinnen und liefert die übliche Bescheidenheitsrhetorik, indem sie sich unter Verweis auf die spezielle Entstehungssituation für die Unvollkommenheit und den nachlässigen Stil ihres Werkes entschuldigt. Die männlichen Leser warnt sie hingegen vor einer unangemessenen Kritik und führt – stellvertretend für die Widmung an eine höherstehende Instanz – potentielle Schutzherrinnen an, die sie zu verteidigen wüssten, wenn “sana razón natural” und “sencilla explicación de las mujeres”, die vermeintlich natürlichen Vorzüge der Frau, angezweifelt würden (ebd.: 175f., meine Hervorhebung). Joyes‘ Warnung ist dabei nicht als wörtliche Drohung zu verstehen, sondern verdeutlicht dem kundigen Leser vielmehr, dass die Autorin sich hier unter Berücksichtigung der spezifischen Regeln für weibliche Publizistik äußert. Anstelle eines “discreto Lector” wie bei González (1777a: I) erscheinen bei Joyes y Blake als Angesprochene die eigenen Töchter, “[h]ijas mías”, stellvertretend für das weibliche Publikum.246 Die Autorin beginnt standardmäßig mit einem Verweis auf die Ungerechtigkeit, mit der das weibliche Geschlecht von männlicher Seite herabgesetzt werde, macht jedoch auch Frauen dafür verantwortlich: “por no saber usar de las ventajas que nos concedió la naturaleza” (Joyes y Blake 1798: 177). Sie beginnt ihre Argumentation mit dem aus dem frühneuzeitlichen Querelle-Diskurs überlieferten Topos der Genesis, wobei sie eine Interpretation wählt, derzufolge beide Geschlechter gleichermaßen mit Sünde und demzufolge auch Gottes Strafe behaftet seien: der Mann müsse im Schweiße seines Angesichts für den Broterwerb sorgen, die Frau gebäre mit Schmerzen (ebd.: 178). Um ein Machtvakuum zu verhindern, wurde dem Mann als stärkerem Part die Herrschaft und Schutzverpflichtung für die Frau übertra246 

Sie bedient sich hier einer typischen Strategie der weiblichen Äußerung, welche die ihr zugeschriebenen Attribute (Bescheidenheit, Privatheit der Redesituation, Erziehungsfunktion für die eigenen Kinder) aneignet und formal als Legitimation für eine – diesen Prinzipien entgegenstehende – Veröffentlichung einsetzt.

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gen, ohne dass dies eine Hierarchie impliziere. So existierten unterschiedliche Autoritäten, ohne dass dies Ungleichheit bedeutete, und auch verschiedene Fähigkeiten des Geistes und der Körperkraft bestimmten nicht die Rangfolge. Aus unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Funktionen, hierin folgt sie der Argumentation Feijoos, lassen sich keinerlei Hierarchien ableiten: “Asignó Dios a cada sexo sus destinos, y conforme a ellos les dotó de aquellas propiedades que les convenían” (ebd.: 179). Nur die einfältigen Leute – hier bezieht sie sich auf Männer und die bekannte necio-Rhetorik247 – leiteten von körperlicher Stärke eine Superiorität ab: Que el mayor talento esté anexo a la mayor robustez, es idea de que se reirá toda persona juiciosa; aunque ni faltan necios, que para sostener su pretendida superioridad, lo defienden. (ebd.)

Dass die Autorin Feijoos Defensa kennt, legt nicht nur der Titel und seine Erwähnung im Text nahe (ebd.: 184),248 sondern auch ihr Rekurs auf einige seiner zentralen Argumente und Strategien, z.B. die Herstellung von Analogien, um Absurditäten der Beweisführung aufzuzeigen. Sie votiert wie Feijoo für die Gleichheit der Geschlechter trotz unterschiedlicher Bestimmungen und ordnet den Frauen perspicacia ebenso wie aplicación, den Männern fuerza bzw. robustez zu. Aus diesen individuellen Eigenschaften ließen sich, so Joyes im Anschluss an Feijoo, keine allgemeinen Wertungen ableiten. Vielmehr sieht sie darin einen Beleg für mangelnde Urteilskraft und simple Parteilichkeit, 247  Ähnlich wie Sor Juana Inés (Hombres necios) spricht sie all jenen Männern, die das Gegenteil behaupten, den Verstand ab und bezeichnet sie als “necios”. 248  Joyes diskutiert hier Eigenschaften wie Kühnheit und Bescheidenheit, die traditionell geschlechtsspezifisch interpretiert werden. Sie bestätigt Feijoos Auffassung, der Kühnheit auch bei Jungen für unangemessen hält und somit den Geschlechterdualismus kritisiert. Die Passage, auf die sich Joyes bezieht lautet: “Para no confundir la cuestión, es preciso señalar de parte de cada sexo aquellas perfecciones, que mucho más frecuentemente se hallan en sus individuos, y mucho menos en los del otro. Concedo, pues, que se hallan hombres dóciles, cándidos, y ruborosos. Añado, que el rubor, que es buena señal en las mujeres, aún lo es mejor en los hombres; porque denota, sobre índole generosa, ingenio agudo: lo que declaró más de una vez en su Satiricón Juan Barclayo, a cuyo sutilísimo ingenio no se le puede negar ser voto de muy especial nota: y aunque no es seña infalible, yo en esta materia he observado tanto, que ya no espero jamás cosa buena de muchacho, en quien advierto frente muy osada” (Feijoo 1726: § V/33).

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denn, da der kräftige und ungebildete Knecht dem Gelehrten geistig nicht überlegen sei, könne körperliche Stärke nicht proportional zur Verstandesfähigkeit betrachtet werden. Das Argument der geschlechtlichen Ungleichheit führt Joyes analog zu Feijoo auf eine andere kulturelle Herkunft zurück und nennt den Koran, der die Herabsetzung von Frauen fordere und den sie hier als äußeren Einfluss auf das Denken kenntlich macht. De facto seien alle Menschen gleichermaßen mit einer geschlechtslosen “alma racional” ausgestattet (ebd.: 180). Um die Gleichwertigkeit der beiden Geschlechter und die Exzellenz des Weiblichen mit Blick auf dessen gesellschaftliche Nützlichkeit zu betonen, greift Joyes y Blake auf die bekannte Tiermetaphorik zurück und entwirft die Frau als (fleißige) Biene: “La abeja gobierna su colmena y la llena de delicada miel y utilísima cera [...]” (ebd.: 180). Die behauptete moralische Schwäche der Frauen weist sie empirisch unter Verweis auf ungleich gravierendere Laster der Männer zurück, die der weiblichen Natur so gänzlich fremd seien (z.B. Raub, Mord, Trunkenheit, ruinöse Spielsucht; ebd.: 181). In Bezug auf jene den Frauen zugeschriebenen lasterhaften “amores ilícitos” betont sie die dabei erforderliche männliche Beteiligung am Laster, weist aber auch den Frauen selbst Schuld zu, welche sich von Äußerlichkeiten verführen und damit verbundenen Rivalitäten leiten ließen, anstatt sich auf den häuslichen Bereich zu konzentrieren. Die Ursache hierfür sieht sie – gemäß ihrer eigenen Aufklärungsintention – in der Kindererziehung: “que las gentes naturalmente se inclinan a aquello que desde sus tiernos años oyeron celebrar, y huyen de lo que oyeron vituperar y mofar” (ebd.: 185). So würden Mädchen schon früh an ihrer Schönheit gemessen und lernten häufig weder lesen noch schreiben, weil “padres tan necios” ihnen dies verböten, um sie am Verfassen von Liebesbriefen zu hindern (ebd.: 183). Anstatt ausgewählte Bücher zu lesen, korrekt und stilvoll schreiben zu lernen, bestehe ihre einzige Bildung aus Romanen und Komödien (ebd.: 183f.). In der Folge erschienen ihnen die häuslichen Pflichten als unwürdig, “asuntos sólo dignos de espíritus apocados o de personas de menos que mediana esfera” (ebd.: 184). An dieser Stelle wird die Intention der Frauenapologie von Joyes deutlich. Auf der Basis des Rousseau’schen Geschlechtermodells lässt sich in ihrer Argumentation die Verknüpfung einer abstrakten Egalität mit der Idee der Komplementarität aufzeigen: hier gilt die Frau zwar als gleichwertig, bleibt jedoch aus funktionalen Erwägungen und im

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Dienst einer gesellschaftlichen Nützlichkeit dem Mann untergeordnet. Diese Rollenzuweisung – auch wenn Joyes y Blake deren Ambiguität durchaus reflektiert, wenn sie von “yugo del matrimonio” spricht – mündet ganz rousseauistisch in eine Aufwertung der häuslichen Sphäre als Bereich der moralischen Verantwortung der Frau für die Gesellschaft. Joyes‘ Apologie zielt somit auch auf eine positive Neubestimmung weiblicher häuslicher Arbeit. Die gesamte zeitgenössische misogyne Debatte um cortejo, moda, lujo usw. weist die Autorin als Folge falscher Erziehung und irreführender gesellschaftlicher Erwartungen zurück – entendimiento und juicio würden hier nicht hoch genug geschätzt (ebd.: 184). Somit sei es verständlich und auf den (bei beiden Geschlechtern vorhandenen) amor propio zurückzuführen,249 dass sich Frauen nach dem äußeren Schein richteten. Dieses Prinzip stehe jedoch ihrem eigenen Glück und dem der Familie sowie dem Wohlergehen der gesamten Gesellschaft entgegen (ebd.: 185). So würden Frauen systematisch zu “juguetes de sus padres y familias [...] idolillos” (ebd.: 185f.) gemacht, zu Wettbewerb und Eifersüchtelei getrieben, ohne bleibende innere Werte auszubilden, die sie auch im Alter noch attraktiv erscheinen ließen (ebd.). Um ihr erzieherisches Ansinnen zu legitimieren und (gleichwohl eine geschlechtsspezifische) Autorität zu gewinnen, stimmt Joyes y Blake hier in den öffentlichen Tenor ein, der das weibliche Geschlecht – stellvertretend für eine aristokratische Kultur, die zur Abgrenzung von bürgerlichen Normen diskreditiert werden muss – für den als französelnd deklarierten Äußerlichkeitskult tadelt. Sätze wie dieser, “!Qué lamentos cuando su peluquero no llega a tiempo o no las ha peinado con aquella perfección que querían!” (ebd.: 186), könnten ebenso aus einer der populären Wochenschriften stammen. Glücklich seien nur die Frauen, die frühzeitig in die richtigen Tugenden eingewiesen werden. Die Autorin bedauert das weibliche Geschlecht, welches ohne die einzige weltliche Befriedigung einer “sincera amistad”, die sich in Tugend begründet, auskommen müsse, obwohl diese ihrer (nach Rousseau) natürlichen Veranlagung zur Tugend näher sei: “su genio

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Bei Rousseau ist dieser eine zentrale Kategorie, die von der angeborenen natürlichen Selbstliebe (amour de soi) abgegrenzt wird: im amour propre manifestiere sich eine unnatürliche Korrumption des Menschen, die Rousseau stärker am Mann als dem vermeintlich natürlich gebliebenen weiblichen Geschlecht festmacht, so dass der erzieherische Einfluss der Frauen bedeutsam wird (Rousseau [1762] 1969).

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más blando, flexible y benévolo las inclina naturalmente a la amistad” (ebd.: 188). Doch diese guten Anlagen – wiederum Rousseau’sche Argumentation – werden durch Betreten der “palestra del mundo” (ebd.) korrumpiert. Geschickt weist Joyes den männlichen Aktanten die Verantwortung zu: “Los hombres que se dedican al papel de cortejantes llevan envuelta en sus aparentes rendimientos más malicia de la que comunmente sospecha la que los oye” (ebd.: 190); sie unterstreicht das unschuldige und ursprünglich gute Naturell der Frau gegenüber der Eitelkeit der Welt. Gegen die “frívola educación” (ebd.) und die im Bild des cortejo kodierte Verderbtheit der zeitgenössischen Sitten entwickelt Joyes y Blake ihren mütterlichen Erziehungsansatz zugunsten jener “placeres más sencillos, inocentes y durables que produce el interior de una familia bien arreglada, y el trato racional y amistoso de una sociedad de gentes juiciosas y agradables” (ebd.). Sie propagiert eine frühzeitige Erziehung (“que se forme temprano el corazón de los niños”, ebd.: 202), welche, hierin liegt ihr Hauptaugenmerk, zu einer grundlegenden Reform der Sitten beitragen und durch die Mutter erfolgen solle: “Es innegable que las primeras impresiones las reciben los hombres de las mujeres [...]” (ebd.: 198). Derart stimmt die Autorin einerseits geschickt in den Chor all jener kritischen Stimmen ein, die über den Verfall der Sitten und die weibliche Eitelkeit – in Fortführung historischer Topoi – klagen,250 gibt aber andererseits den Frauen nicht die alleinige Schuld daran. Vielmehr entschuldigt sie diese und führt deren falsche Erziehung als Begründung an. Darin findet sie zugleich einen Anlass, für Frauen generell eine solide geistige Erziehung zu fordern, denn nur diese ermögliche es ihnen, sowohl Freundschaft und Achtung füreinander zu entwickeln als auch der männlichen Verführung standzuhalten und ‘hehrere’ Ziele als den Erwerb eines cortejo zu verfolgen: “que no limiten su ambición a tan bajo punto como el de ser cortejadas de los hombres” (ebd.: 189). Tugenden, so Joyes y Blake, ließen sich am besten über einen respektvollen Umgang und die Vorbildwirkung der Eltern im Rahmen einer guten Ehe erlernen. Die In-

250 

Im Stil der zeitgenössischen Disziplinierungsdiskurse warnt sie Frauen vor unerwünschten Folgen: durch zahlreiche cortejos blieben sie ehelos oder führten eine schlechte Ehe. Diese Argumentation der Abschreckung findet sich auch in der zeitgenössischen Stillpropaganda oder dem Diskurs über negative Folgen des weiblichen Wissenserwerbs.

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terrelation zwischen Weiblichkeitsfunktion und Ehemodell sowie die Überschneidung von christlichem und bürgerlichem Eheideal lassen sich in dieser Argumentationsführung gut erkennen. So gibt Joyes ihren Leserinnen zu verstehen, dass sie tolerant sein und einen positiven Einfluss auf ihre Ehemänner ausüben sollten und damit sogar eifersüchtige, impertinente und lasterhafte Männer verändern könnten (ebd.: 191). Die Bedeutung der Ehe und der richtigen Entscheidung müsse bereits in der Erziehung vermittelt werden: Yo estoy firmamente persuadida de que una de las principales causas de la perversidad de costumbre, consecuencia pésima de la mala educación que se da generalmente a los niños, es la ligereza con que suelen contraer muchos este tremendo lazo. (ebd.: 195)

Obgleich es auch Lehrer zur Vermittlung von Wissen bedarf, sind es für Joyes y Blake in erster Linie die Eltern, die den eigenen Kindern Tugend und Anstand im Sinne von virtudes, juicio y utilidad, vermitteln müssten (ebd.: 196f.). Da die ersten Einflüsse bis zum fünften Lebensjahr von den Müttern kämen, sollten die Frauen diese Zeit – im Dienst des Allgemeinwohls – für die ‘Einpflanzung’ der Tugend nutzen, “criarlo saludable y hermoso [...] arrancar [...] las semillas de los vicios de su entendimiento” (ebd.: 198), “amar la virtud, y temer a Dios” (ebd.: 199). Sie trügen damit wesentlich zur gesellschaftlichen Reform und zu einer Verbesserung der Sitten bei (ebd.: 198).251 Auch zu dem von Rousseau angestoßenen und vieldiskutierten Thema des Stillens äußert sich die Autorin. Allerdings weicht sie hier vom Dogmatismus ab und plädiert für Augenmaß, denn nicht alle Frauen seien gesundheitlich in der Lage zu stillen (ebd.: 200). Sie weist die einseitige Kritik an der Frau in den Erziehungsschriften vorrangig männlicher Feder zurück: “es asunto de moda entre los modernos eruditos escribir sobre la crianza física de los niños sacando siempre la grave falta de las mujeres que no dan de mamar a sus hijos” (ebd.: 201). Der gesellschaftliche Schaden durch nicht gestillte Säuglinge sei weit weniger tiefgreifend als der, den Männer anrichteten, die erst nach einem ausschweifenden Leben heirateten und ihre ‘zarten’ Frauen mit Krankheiten ansteckten (ebd.). Die Grenzen ihres ei251  In diesem Sinne geht es Joyes nicht um einen ‘brillanten’, sondern ein solides und effektives Erziehungstraktat: “no preferir lo brillante a lo sólido” (ebd.: 199).

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genen Zuständigkeitsbereiches markierend, empfiehlt Joyes, dass ein unparteilicher Arzt über mütterliche Erkrankungen, Vorbeugung und Heilung schreiben solle. Die Erziehung selbst wirke – hier weicht sie von Rousseau ab – hingegen nicht durch Strafe, sondern durch die Vorbildwirkung der Eltern und damit insbesondere durch die im Haus anwesende Mutter. Einer soliden Erziehung zu christlicher Tugend gibt sie dabei den Vorrang vor Brillanz und übertriebenen gesellschaftlichen Fähigkeiten. Joyes begründet mit diesem Erziehungskonzept die Notwendigkeit einer stärkeren weiblichen Bildung und verbindet diese mit einer Aufwertung der weiblichen Erziehungsfähigkeit im Sinne des gesellschaftlichen Nützlichkeitspostulats. Gleichwohl soll sich dieses Wissen nicht allein auf Äußerlichkeiten, Kindererziehung und häusliche Pflichten beschränken, denn Unwissenheit der Frauen ermögliche eine inadäquate männliche Superiorität. So gibt Joyes y Blake ihren Leserinnen wichtige Ratschläge “desde lo alto de algún monte donde fuera posible que me oyesen” (ebd.: 203f.) und betont dabei stets das Modell der Geschlechteregalität: die Frauen sollten ihren Verstand nutzen, sich für sittliche Reformen – die ohne sie nicht gelingen könnten – einsetzen, sich und die anderen Frauen respektieren, untereinander Freundschaft halten, beispielhaft leben und sich von schlecht erzogenen Männern nicht täuschen lassen. Die Rolle der Frau wird bei Joyes entsprechend dem patriarchalen bürgerlichen Modell in Relation zum Ehemann, zum Bruder und zur Familie entworfen: Lohn ihres tugendhaften Lebens, so die Autorin, sei die Liebe und Achtung des Ehemanns, das Lob der Kinder, der Stolz der Brüder, ein glückliches Leben und im Tod die Hinterlassenschaft der Tugend (ebd.: 204). Joyes’ Apologie führt zwar zu Beginn mit Bezug auf die Genesis ein Argument des historischen Frauenstreits ein, erweist sich aber im Folgenden nicht als Streitschrift im Sinne des frühzeitlichen Diskurses, sondern als utilitaristisches Plädoyer für eine geschlechtsspezifische Erziehung und Bildung. Anders als Feijoo, der die Geschlechtergleichheit rationalistisch untermauert wissen mochte, erscheint die protofeministische Strategie bei Joyes als Vorwand dafür, die Frauen aufgrund vermeintlich natürlicher Eigenschaften im Sinne des bürgerlichen Familienmodells zu instruieren und ihre Rolle auf dieses festzuschreiben. Damit hat auch ihre Schrift – ähnlich wie die Apologien Feijoos und González’ – das Ziel einer indirekten Information. Die Autorin kann

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hier ganz im Zeichen ihrer natürlichen Befähigung auch eigene Erziehungsvorstellungen publik machen und zugleich das staatliche und klerikale Bildungsmonopol unterlaufen. Vor dem Hintergrund der verschwindend geringen Zahl an Publikationen aus weiblicher Feder im spanischen 18. Jahrhundert erklärt sich ihre Strategie, mit eigenen Texten auf den reglementierten Publikationsmarkt zu gelangen, wenn auch nur in Form eines Anhangs zu einer Übersetzung. Wenngleich Joyes y Blake frauenfreundlich argumentiert, bleibt ihre Argumentation nicht frei von Ambivalenz, denn sie als Autorin legt ihre Adressatinnen auf eine den gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechende sekundäre und häusliche Frauenrolle fest. Für eine im Sinne der Egalität gebotene gleiche Chance auf Bildung geht sie an keiner Stelle konkret ein. Auch ihr eigener Beitrag geht aus den genannten Publikationsbedingungen über den gesellschaftlich abgesteckten genusspezifischen Rahmen weiblicher Themen nicht hinaus. Anders als Josefa Amar y Borbón, die ihre Argumentation für eine umfassende Frauenbildung mit entsprechendem Wissen zu untermauern und ihre Strategie geschickt zu verschleiern versteht, gelangt Joyes’ Diskurs über die allgemein bekannten Argumentationen nicht hinaus. Lediglich ihre mit der Apologie verbundene Selbstautorisierung indiziert eine Verschiebung von Autoritätsmodellen und kann als Schreibaufforderung an die Adressatinnen gedeutet werden. Joyes y Blake bedient sich der bürgerlichen Geschlechterideologie: sie macht sich die propagierte gesellschaftliche Aufgabenteilung der Geschlechter in Familie und außerfamiliären Bereich zu eigen, um mit den überwiegend männlichen Verfassern von Erziehungstexten zu konkurrieren. Sie rekurriert – in Anwendung des bürgerlichen Geschlechterdualismus – auf ein den Frauen explizit zugewiesenes geschlechtsspezifisches Wissen und sieht in ihren Geschlechtsgenossinnen, die in engem Kontakt zur nächsten Generation stünden und als Vorbilder fungieren sollten, die privilegierten Ratgeberinnen. Derart könne das gesellschaftliche Reformprojekt auch von Frauen unterstützt werden, so die Autorin, die ihren Text ebenfalls als Beitrag dazu versteht und damit den eigenen utilitaristischen Anspruch demonstriert.

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₉.₆. Weibliche Autorschaft und wissenschaftlicher Diskurs: Josefa Amar y BorbÓn, Discurso sobre la educaciÓn física y moral de las mujeres (1790) Das abschließende Kapitel befasst sich mit der einzigen wissenschaftlichen Abhandlung einer Frau zu Fragen der weiblichen Erziehung im spanischen 18. Jahrhundert. Josefa Amar y Borbóns Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres stellt keinen der üblichen vulgarisierenden Ratgeber für Frauen verschiedener Schichten dar, sondern eine auf Fachwissen und rationaler Argumentation beruhende, umfassende Erörterung der Erziehungs- und Bildungsproblematik, die sich in zwei systematische Teile und insgesamt 17 Kapitel aufgliedert.252 Die Autorin kann dabei auf ihre ungewöhnliche Bildung und exakte Kenntnisse einschlägiger wissenschaftlicher Quellen zurückgreifen, welche nach López-Cordón (1994: 44f.) unter das Etikett der Pädagogik gestellt und somit von der Autorin bewusst geschlechtsadäquat performiert werden: Es un alarde de erudición con el pretexto de hablar de educación, en el que antiguos y modernos se dan la mano y en el que deliberadamente se entronca el humanismo español con las nuevas corrientes. [...] Pretende ser un escrito de mujer que demuestre, sin palabras, con el testimonio de sus conocimientos y de su propia escritura, lo que no puede hacer explícito por otros medios a un público relativamente amplio y un tanto receloso.

Während Autorinnen wie Inés Joyes y Blake oder Teresa González ihre Positionen mit gängigen Bescheidenheitsfloskeln camouflieren, stellt Amar y Borbón die erste weibliche Stimme dar, die sich offen und dezidiert in die von Männern geführte Debatte einschaltet. Bereits im Streit um die Mitwirkung der Frauen in der Sociedad Económica Matritense hatte sie sich klar für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Frauen aus der Ober- und Mittelschicht engagiert, obgleich es schließlich dem Votum der männlichen Mehrheit entsprechend bei der Form lediglich assoziierter Ehrenmitgliedschaften für Frauen als Socias de mérito geblieben war (vgl. Kapitel 3). Amars vorliegender Er-

252  Im Anhang ihres Werks publiziert sie einen Apparat zur pädagogischen Literatur.

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ziehungstraktat ist zudem eines der wenigen monographischen Bücher, das eine Frau des 18. Jahrhunderts in Spanien publizierte. Josefa Amar y Borbón (1749-1833), geboren in einer wohlhabenden aragonesischen Familie, wuchs als Tochter eines Hofarztes (unter Ferdinand VI. und Karl III.) zusammen mit ihren Brüdern auf und erlangte bereits im Elternhaus eine exzellenten Bildung. Sie durchlief einen ungewöhnlichen Bildungsweg, geprägt durch das intellektuelle Umfeld, und wurde Übersetzerin und wissenschaftliche Autorin. Man könnte sie als die gelehrteste Frau des Jahrhunderts bezeichnen, wenn derartige Rangordnungen nicht ipso facto die Fehldeutung einer geschlechtsspezifischen, auf physischen Besonderheiten begründeten Sozialisation implizieren würden, welche in der Epoche auf die weibliche Bevölkerung projiziert wurde. Damit erklärt sich, dass auch Amar y Borbón ihren Ansatz zunächst auf den reformerisch-aufklärerischen mainstream ausrichtet und in ihrem Erziehungstext nichts anderes als die zu häuslicher Dienstbarkeit bestimmte ‘mujer doméstica’ entwirft. Vor diesem Hintergrund charakterisiert López-Cordón (1994: 45), Herausgeberin von Amars Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres ([1790] 1994), die Schrift als widersprüchlich: “resulte sorprendente que, todavía a la altura de 1790 se siga apostando por la educación doméstica”, ja sogar – in einer späteren Monographie über die Autorin – Ansatz und Arbeitsweise der Gelehrten als angepasst, “sus premisas intelectuales un tanto acomodaticias” (López-Cordón 2005: 10). Dies soll im Folgenden jedoch auf den Prüfstand gestellt werden. Denn Amar y Borbón, so meine These, setzt ihr Programm der ‘Hausfrau’ – das in christlicher Tradition kodiert und spätestens mit Fray Luis’ Perfecta casada (1583) in Spanien zur Norm des weiblichen Lebens erhoben worden war – mit einem ganz entscheidenden Unterschied sowohl zur traditionellen christlichen Ehefrau wie zu den zeitgenössischen Ehefrauenschriften um, den ich im Folgenden unter der Schicht zahlreicher Konzessionen an eine vorwiegend (männliche) Leserschaft freilegen möchte. Wenngleich sie nicht umhin kann, das ebenso ‘alte’ wie ‘neue’ domestische Frauenbild zu propagieren – das sie im übrigen auch selbst größtenteils lebt (vgl. 7.2) –, versteht sie es, hinter dieser Rollenfassade sehr viel weiterreichende Forderungen nach weiblicher Bildung an die Öffentlichkeit zu bringen, worin ihre eigentliche Leistung zu sehen ist. Gerade an ihrem Text zeigt sich erneut die Notwendigkeit, auf Vielschichtigkeit und Polyphonien in den Diskursen des Jahrhunderts zu achten und die Position von Autoren

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und Autorinnen nicht nur an den wie Aushängeschilder zur Legitimation verwendeten Begriffen, sondern vielmehr in den Besonderheiten ihrer Diskursstrategie fest zu machen. So beruht die herausragende Leistung von Josefa Amar y Borbón gerade darin, dass sie feinsinnig unterstellt, die soziale Rolle der Frau beruhe nicht auf biologischen Voraussetzungen, sondern allein auf der Legitimation durch historische Konventionen. Ihr Erziehungstext Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres, 1790, kurz nach dem Ausbruch der Französischen Revolution unter Bedingungen einer deutlich verschärften Zensur erschienen und dem zentralen Thema der Epoche, der Erziehung des Menschen, unter ‘weiblichem’ Aspekt gewidmet, ist ein “detaillierte[r] Erziehungsplan” (Kreis 1985: 33) und wird aufgrund seiner höchst komplexen Argumentation bis heute unterschiedlich gedeutet.253 Nicht zufällig spalten sich an dieser Autorin die Auffassungen und alle Versuche scheitern, sie in ein binäres Raster von Fort- und Rückschrittlichkeit einzugliedern, wie dies beispielsweise noch in der Debatte zwischen Feijoo und seinen Gegnern möglich schien. So versteht McClendon (1978; 1981), eine der ersten Forscherinnen, die dem Werk Josefa Amars noch vor Erscheinen der kritischen Textausgabe zwei verdienstvolle Einzelbeiträge widmete, die Autorin unhistorisch als Repräsentantin eines frühen Feminismus: “siempre hubo las que lucharon por los derechos femeninos” (McClendon 1978: 10), womit Amars grenzgängerische Position im Kontext ihrer Zeit verdeckt wird. Dies wird noch deutlicher, wo McClendon die aragonesische Aufklärerin zur “Schülerin” Rousseaus macht (“sus ideas son muy fieles a las del maestro francés”, ebd.: 7), dabei aber gänzlich offen lässt, welche Beziehung genau zwischen dem Weiblichkeitsideal Rousseaus – das inzwischen von einseitig misogyner Deutung befreit wurde (vgl. Steinbrügge [1987] 21992, Hauser 1992 u.a.) – und sog. “feministischen” Positionen überhaupt herzustellen sei.254 In die253 

Vgl. die wichtigsten Analysen in McClendon (1978, 1981), Kreis (1985), Sullivan (1993), Baum (1994), López-Cordón (1994, 2005), Hassauer (1997), Bolufer Peruga (1998: 291ff.), Sullivan (1992, 1993, 2001) und Morant/Bolufer Peruga (2001), letztere diskutieren Amar y Borbón im Zusammenhang mit französischen Autorinnen und Autoren (Madame d’Épinay, Rousseau, Thomas). 254  So wäre beispielsweise nach dem Zusammenhang von weiblicher Rolle und Standeszugehörigkeit zu fragen, der in den Modellen ganz unterschiedlich hergestellt wird. Während Amar schichtenspezifische Bildungsgrade für Frauen unter-

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ser Interpretationstradition bewegt sich auch Sullivan (1993), wenn sie Josefa Amars Entwurf – allerdings vorsichtiger – im Sinne eines “quiet feminism” analysiert. Dagegen betont Hassauer (1997: 216) die Engführung von weiblicher Bildungspropaganda bei Amar mit der vorherrschenden Häuslichkeitsideologie: “Weibliche Bildung wird in diesem dezidiert auf den Regelfall Hausfrau zugeschnittenen Erziehungskonzept gerühmt [...]”. Zugleich erwähnt sie neben Amars Insistieren auf weiblicher Bildung den dafür erforderlichen Rahmen, nämlich die erforderliche “Genusverträglichkeit” dieses Wissens (ebd.: 217) und markiert im Werk der Autorin die Beschränkung auf geschlechtsspezifisch deklarierte ‘weibliche’ Themen. Dem Aspekt der Vertextungsstrategie im Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres widmet sich hingegen stärker Kreis (1985) und weist der Autorin eine differenzierte Position zu, die er anhand von Diskursambivalenzen festmacht. Zwar liegt dem Beitrag die aus heutiger Sicht problematische Dichotomie progressiver vs. konservativer Richtungen zugrunde, im Rahmen einer detaillierten systematischen Textanalyse entgrenzt Kreis jedoch dieses Muster ganz wesentlich und beschreibt die Ambivalenz der meisten Diskurse, ohne diese allerdings explizit zum Thema zu erheben. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Amar y Borbón das herrschende Ideal weiblicher Funktionen im Sinne der utilidad einräumt, dies aber um den nun erhobenen Preis, die traditionellen Grenzen und männlichen Vorgaben weiblicher Bildung zu versetzen. Dass allerdings eine solche Reform weiblicher Bildung in erster Linie auf die Frauen der höheren Schichten abzielt, zu denen Amar y Borbón selbst zu zählen ist, versteht sich im Rahmen dieses von einer aufklärerischen Bildungselite inspirierten Ansatzes von selbst. Der Autorin, die ihre Ausbildung keineswegs autodidaktisch absolvierte, sondern einem höfisch-intellektuellen Klima verdankte, geht es dabei weniger um das im zeitgenössischen Kontext häufig grundsätzlich debattierte Für und Wider der Frauenbildung. Für sie steht eine gleichwertige Bildungsfähigkeit gänzlich außer Frage. Vielmehr zielen ihre Ausführungen auf das Niveau und die Inhalte der Ausbildung von Frauen der Oberschicht, die als defizitär galten, denn: stellt ([1790] 1994: 73), zielt Rousseaus Modell im Kontext seines republikanischen Gesellschaftsvertrages auf eine übergreifende und gerade nicht mehr ständisch gebundene Erziehung der Frau.

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Was den Aspekt der Qualität anbetrifft, so geht die Erziehung und Ausbildung auch der Töchter der oberen Schichten zu dieser Zeit nicht, wie wohlmeinende Kritiker aus den Reihen der Aufklärer konstatieren, über eine oberflächliche Progressivität zu Zwecken des “Brillierens” in der höheren Gesellschaft hinaus. (Kreis 1985: 35).

An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass die Frage der gesellschaftlichen Schichtenzugehörigkeit keineswegs sekundär, sondern unmittelbar mit Aspekten der Geschlechterdifferenz als sozialer Ordnungsstruktur verbunden war. Schließlich geht es Amar y Borbón in ihrem Ansatz zur Verbesserung weiblicher Bildungschancen nicht um ein Modell der Neuorganisation etablierter gesellschaftlicher Klassen, sondern um eine – unter aufklärerischen Prämissen erforderlich gewordene – Harmonisierung des bürgerlich-utilitaristischen Anspruchs an Frauenerziehung mit der aristokratischen Vorstellung individueller und autonomer Bildung. Ihre vehemente Kritik an der klösterlichen Lebensform sowie dem Status der Ledigen als genuinen Modellen des Privilegs und “Sonderfalls” weiblicher Gelehrsamkeit erklärt sich damit vor der Folie eben jenes – im bürgerlichen Identitätsdiskurs als “aristokratisch-verwerflich” deklassierten – Denkens, in welchem Ehe, Familie und Mütterlichkeit unter anderen Gesichtspunkten betrachtet und mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung vereinbar waren. Ebenso deutlich wird in diesem Zusammenhang, dass Amar der Vorstellung besonderer weiblicher Empfindsamkeit höchst skeptisch gegenüber steht, denn derart differenziell und biologisch begründete Geschlechteressenzialität widerspricht ihrer Vorstellung grundlegend egalitärer Rationalität ebenso wie der von sozial, kulturell und historisch konstruierter Geschlechtlichkeit. Dies wird – unter anderer methodischer Perspektive – auch von López-Cordón (1994: 47) eingeräumt, wenn sie im Prolog zur Amar’schen Erziehungsschrift auf die utopistischen Züge einiger Formulierungen verweist: [...] el orden social y la concordia entre los dos sexos, son meramente convencionales y, por tanto, fácilmente mudables cuando las circunstancias cambien. De ahí su insistencia en el papel de la educación, como tópico característico del pensamiento de una ilustrada, pero también como instrumento silencioso de transformación.

Dabei scheint aber noch eine entscheidende Frage offen, nämlich die, in welches Verhältnis Amar geschlechtliche und soziale Differen-

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zen setzt, denn ihre Bildungsoffensive gilt nicht dem weiblichen Geschlecht an sich – dies widerspräche dem erwähnten Anti-Essenzialismus –, sondern richtet sich an bestimmte gesellschaftliche Schichten und wird von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht: denn dass Frauen zweifelsohne geistig fähig sind, bedeute nicht, dass alle sich gleichermaßen dem Studium oder entsprechenden Berufen widmen sollten (vgl. Amar y Borbón [1790] 1994: 71): “Conviene que haya distintos ejercicios y clases, como sucede entre los mismos hombres, que unos se dedican a las letras, otros a las armas [...]” (ebd.: 72). Allerdings scheint diese Form der gesellschaftlichen Differenzierung weniger auf die biographische Bildungserfahrung der Autorin rückführbar, wie dies mit punktuellen Verweisen López-Cordón nahe legt. Vielmehr ist die historisierende und anti-essenzialistische Vorstellung kultureller und sozialer Differenzialität ein Schlüsselelement in Amars Denken.

₉.₇. Amar y BorbÓns Discurso im historischen Kommunikationskontext Bevor ich mich näher mit der Äußerungsstrategie in Amar y Borbóns Erziehungstext auseinandersetzen werde, möchte ich auf die Besonderheiten ihres Werdegangs als einer – mit dem Vokabular der Epoche gesprochen – ‘Ausnahmefigur’255 und auf den biographischen Zusammenhang ihres Schreibens eingehen. Wenngleich die Beschäftigung mit Lebenszusammenhängen nicht Gegenstandsbereich einer Untersuchung diskursiv konstruierter Geschlechterrollen ist und zu problematischen Ineinssetzungen von Text und Autor(-in) führen kann, möchte ich den Zusammenhang zwischen der historisch und kulturell geformten Sprecherposition einerseits und ihrem Selbstentwurf als Autorin andererseits problematisieren. Wenn dabei Besonderheiten der Vita Amars zur Sprache kommen, so geht es keineswegs darum, ihre Erziehungsschrift ausgehend von einem repräsentationslogisch gedachten, biographistischen Verständnis zu erklären, wie dies der eingestandene oder uneingestandene Ausgangspunkt zahlreicher Interpretationen ist, sondern darum, den gesellschaftlichen Schaffens255  Jovellanos beispielsweise hatte die Autorin in seinem Beitrag zum Streit um die Junta de damas der Madrider Ökonomischen Gesellschaft als Ausnahmefigur mit Bezug auf ihr Geschlecht bezeichnet.

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kontext der Autorin als kulturelle Verschränkung auf der Ebene ihrer Diskursstrategie mit zu denken. Gilt es doch, damit Einblick in ihren privilegierten Status, dessen gleichwohl vorhandene Begrenzungen und somit Rahmenbedingungen weiblicher Autorschaft zu gewinnen, die als historische Bezugspunkte – nicht als Realitätsparameter zur Bemessung von Widerspiegelungseffekten – für die Diskursanalyse relevant sind.256 Da Weiblichkeit im 18. Jahrhundert nicht nur soziale und geschlechtliche Statusgrenzen markiert, sondern darüber zugleich der Zugang bzw. Nichtzugang zu Öffentlichkeit und literarischen Medien geregelt wird, kann keine Autorin für ihre Äußerung eine genderunabhängige Sprecherposition beanspruchen. Vielmehr muss diese in strategischer Weise “ausgefüllt” und in Text und Schreibprozess einbezogen werden,257 wobei Möglichkeiten und Grenzen stets in ihrer Verschränkung auftauchen. Während die fingierten Herausgeberinnen der Wochenschriftenliteratur (vgl. Kapitel 6) ein neuartiges weibliches Publikum kreieren und dabei der Topos weiblicher Selbsterfahrung zum Einsatz kommt, wird in gleicher Weise bei leibhaftigen Autorinnen meist eine Rückbindung des Gesagten an die eigene Erfahrung unterstellt. Somit ist es auch Amar y Borbón unmöglich, jenseits ihrer familiären Situation und der ihr zugeschriebenen gesellschaftlichen Rolle als Hausfrau und Mutter zu schreiben bzw. diesen Status auszublenden. Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass sie ihre Position auf eigene Erfahrungen zurückführt oder diese sich in nachweisbarer Form im Text etwa “auffinden” ließen, sondern soll lediglich verständlich machen, dass der Genderbezug die Diskursstrategien von Autorinnen in spezifischer Weise bedingt. Obgleich nur wenige biographische Daten zur Autorin vorhanden sind, lässt sich festhalten, dass sie – bedingt durch die ärztliche Stellung ihres Vaters Don José Amar y Arguedas – mit höfischen Privilegien aufwuchs und von dem berühmten Hellenisten und Schreiber der

256  Baum (1994) entwickelt den hierfür beachtenswerten Ansatz, die Reflexionen auf den Schreibakt und damit verbunden einen “counter-discourse” in Josefa Amars Werk herauszuarbeiten. Seine Analyse abstrahiert dann allerdings von der historischen Äußerungssituation und deren Genderimplikationen. 257  Dass dies keineswegs gleichbedeutend ist mit einer biographischen Beziehung zum Text, zeigt das vorliegende Beispiel, denn Amar y Borbón “evitó siempre cuidadosamente cualquier referencia explícita a su vida personal” (López-Cordón 1994: 25).

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königlichen Bibliothek Rafael Casalbón sowie dem Priester Antonio Berdejo in Fächern wie Philosophie, Literatur, Geographie, Mathematik und in klassischen wie modernen Sprachen (Latein, Griechisch, Französisch, Italienisch und Englisch) unterrichtet wurde. Sie erhielt eine breite humanistische Bildung und heiratete standesgemäß 1770 den Richter Joaquín Fuertes Piquer. Zurück in Zaragoza, ihrem Geburtsort, wurde sie im Jahr 1782 als erste Frau zum Ehrenmitglied der dortigen Sociedad Económica ernannt. Im gleichen Jahr erschien der erste Band ihrer Übersetzung von Javier de Lampillas’ Ensayo históricoapologético de la Literatura Española, eine Schrift, welche der in Spanien hochaktuellen kulturellen Selbstbehauptung folgend258 die Vorurteile italienischer Modernisten gegenüber der spanischen Literatur zurückweist. Das Werk erscheint in sieben Bänden und wird von Amar y Borbón kritisch ediert, was ihren Ruf als hochgebildete Autorin prägte. Im Anschluss an den Streit um die Mitwirkung von Frauen in der Sociedad Económica Matritense de Amigos del País wird sie eines der ersten Mitglieder der 1787 gegründeten Junta de Damas, und im Jahr 1790 Ehrenmitglied der medizinischen Gesellschaft in Barcelona. Diese Mitwirkung in aufklärerischen Institutionen – wenngleich für sie als Frau nur im Ehrenamt möglich – zeigt die gesellschaftliche Anerkennung, die sie als Hochgebildete genoss. Ihre durch den väterlichen und großväterlichen Einfluss erworbenen umfangreichen medizinischen Kenntnisse setzte sie in ihrem Erziehungstext taktisch ein, um ihren Anspruch auf Mitwirkung am gesellschaftlichen Reformprozess nicht allein durch genusadäquate Diskurselemente zu untermauern. Ihr relativ umgrenztes Werk hatte sie in nur kurzer Zeit hervorgebracht, was Anlass für Spekulationen über die Motive ihres Rückzugs aus dem Geistesleben – so u.a. die Vermutung, dass dies aus Selbstzensur geschah – gab: “La viudez, la muerte del hijo y,259 entre medias, la guerra de la Independencia con sus calamidades añadidas, hacen que Josefa Amar [...] pierda su interés por el mundo [...]” (López-Cordón 1994: 19f.).

258  Ihre Übersetzungstätigkeit fällt in eine Zeit lebhafter Debatten, insbesondere die Polemik um den Wert der spanischen Kultur und der Streit um landwirtschaftliche Reformen sind hier zu nennen (López-Cordón 1994: 32). 259  Amar y Borbón soll einen Sohn gehabt haben, Felipe Fuertes y Amar (17721810), welcher in Santa Fe de Bógota den Tod durch Aufständische gefunden haben soll (López-Cordón 1994: 19).

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₉.₈. “No formemos, pues, un plan fantástico”: Josefa Amars Historisierung des Rollenmodells als Antwort auf das Postulat natÜrlicher Geschlechtscharaktere Im Prolog ihrer Erziehungsschrift Discurso sobre la educación física y moral de las mujeres, die sich entsprechend dem Wissensstand der Zeit mit körperlichen und moralischen Problematiken der Frauenrolle sowie deren positiver Beeinflussung befasst, entwirft Josefa Amar y Borbón entscheidende Nuancen ihres Verständnisses variabler Geschlechterrollen als historisch geprägte und gesellschaftlichen Erfordernissen gehorchende Kategorien: Conviene que haya distintos ejercicios y clases, como sucede entre los mismos hombres, que unos se dedican a las letras, otros a las armas [...], pues si no hubiera esta variedad, no se desempeñarían las diversas necesidades que tienen unos u otros. [...] Si se quisiese invertir este orden de manera que estuviesen estudiando todo el día [las mujeres, C.G.], se precisaría a los hombres a cuidar de casa, y si se invertía igualmente la costumbre de obtener éstos los empleos, serían inútiles para ambos fines. (Amar y Borbón [1790] 1994: 72)

Für die Autorin ist die im gesellschaftlichen Diskurs der Zeit so vehement vertretene geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung – trotz ihrer umfassenden Ausführungen zu körperlichen Besonderheiten, auf die ich zurückkommen werde – weder durch metaphysische noch biologische Argumente einer für alle Zeiten beanspruchbaren Geschlechtsnatur zu begründen, sondern stellt eine jeweils spezifische, historisch gewachsene und vor allem praktischen Bedürfnissen gehorchende Ausdifferenzierung dar. Der damit verbundenen modernen Form der Hierarchisierung von Geschlechterrollen, wie sie in zeitgenössischen spanischen Debatten vielfach daraus abgeleitet wird, folgt Amar y Borbón gleichwohl nicht. Vielmehr gilt ihr Bemühen der Vermittlung a priori gleichrangiger, historisch jedoch unterschiedlich gewachsener Rollen, welche im gesellschaftlichen Funktionszusammenhang und trotz verteilter Aufgabenbereiche weder einseitige Abhängigkeit oder Dienstbarkeit noch eine hierarchische Gliederung erlauben. Ihr Schlüsselargument ist dabei die Historisierung der Geschlechterfunktionen, bei der sie sich auf ein modernes Zeit- und Entwicklungsmodell und dementsprechende Möglichkeiten des gesellschaftlichen Wandels beruft. Die Übereinkunft im Hinblick auf

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verschiedene Aufgaben der Geschlechter hätte sich Amar zufolge auch anders gestalten können und lässt somit keine Rückschlüsse auf grundlegende physische oder intellektuelle Fähigkeitsunterschiede zwischen Mann und Frau zu. Gleichwohl versteht sie es als ihre eigentliche Aufgabe, die bestehenden Verhältnisse mit praktischen Vorschlägen zu verbessern anstatt in die Geschichte eingreifen zu wollen – was freilich eben jener Geschlechterkonvention folgend einer ‘männlichen’ Aufklärungshybris überantwortet blieb: “No formemos, pues, un plan fantástico; tratemos sólo de rectificar en lo posible el que está ya establecido” (Amar y Borbón [1790] 1994: 72), so lautet einer der Kernsätze ihrer Schrift, den die Herausgeberin López-Cordón (ebd.: Fn. 32) im Sinne einer für Amar typischen diskursiven Ambivalenz kommentiert: Se trata de una idea clave para entender la obra. ¿Supone una aceptación explícita de que la sociedad funciona razonablemente bien o, por el contrario, la expresión de una voluntad decidida de mantenerse en los límites de lo conveniente? ¿Conservadurismo o posibilismo?

Josefa Amar y Borbóns Auseinandersetzung mit der für ihre Zeit verbindlichen Ehefrauenrolle impliziert zweifelsohne die bekanntlich problematische ‘Sonderform’ einer weiblichen Erziehung, welche Frausein und Häuslichkeit (Mutterschaft, Kindererziehung und Ehefrauendasein) in Eins setzt und jene Dienstbarkeit – die freilich für den Mann als gesellschaftlichem Akteur in anderer Form galt – hinter dem Postulat der Modernität verbarg. “Nützliche” Weiblichkeit ist in diesem Sinne mit der für eine wachsende und in ihrer Entwicklung “voran-”schreitende Gesellschaft erforderlichen Reproduktion verbunden, weil die Frau in dieser Rolle unentbehrlich ist und den ökonomischpolitischen Zusammenhang zwischen staatlicher und familiärer Ordnung absichert. Ausgehend von einer grundlegend anderen Äußerungssituation, die für eine Frau des 18. Jahrhunderts galt, sollten bei Amar y Borbón die Signale mit gelesen werden, die sie auf der Diskursebene setzt und die zu einer wesentlich differenzierteren Wahrnehmung ihrer Position führen können. Schließlich ließe sich damit ihre Eingliederung als Verfechterin des aufklärerisch-utilitaristischen Modells der Ehefrau in abhängiger Stellung und einseitiger Dienstbarkeit revidieren. Der von ihr gewählte Titel verweist auf ein anonym erschienenes Plädoyer für weibliches Recht und Bildung, De l’éducation physique et morale

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des femmes (1779), verfasst von dem französischen Theologen Philibert Riballier. Dieser Text enthält im Anhang einen Frauenkatalog260 und reiht sich in die Tradition des apologetischen Schrifttums ein, von der Amar y Borbón bewusst Abstand nimmt. Auch sie verweist im Rahmen ihrer Argumentation auf kluge Frauen der Geschichte (Amar y Borbón [1790] 1994: 67f.), vermeidet es aber, diese Aufzählung als Reminiszenz an das Genre der Apologie kenntlich zu machen, weil es ihr dezidiert nicht mehr um den reinen Nachweis weiblicher Befähigung geht.261 Sie tritt nicht wie Joyes y Blake oder Teresa González als parteiliche Verfechterin weiblicher Interessen auf oder argumentiert im Anschluss an Feijoo für die Grundannahme einer intellektfähigen Frau, sondern verzichtet zugunsten ihres gesellschaftspolitischen Reformanspruchs auf solcherart ‚‘Stellungskriege’ im diskursiven Geschlechterstreit. Rein strategisch und konsensuell bezieht sie sich im Prolog ihres Textes auf die reformerischen Postulate der spanischen Aufklärung: das Gemeinwohl einer säkularen felicidad pública als oberstes Handlungsgebot für Männer und Frauen sowie Ehe und Familie als Mikrofunktionen staatlicher Ordnung: “si cada familia fuese arreglada, unida y económica, resultaría necesariamente el bien general del Estado” (ebd.: 58). Die Bedeutung dieser von ihr propagierten Frauenerziehung leitet sie aus dem Postulat gesellschaftlicher Nützlichkeit ab, aus dem sich gegen die Meinungsführer des Jahrhunderts – wie Amar weiß – mit Platon auch ein Plädoyer für gleiche Bildungsinhalte bezogen auf Mann und Frau ableiten ließ (ebd.: 81). Ausgangspunkt ihrer “Bildungsoffensive” ist somit auch der Topos, dass fehlende Kenntnisse nicht auf mangelnden weiblichen Intellekt zurückzuführen sind, sondern diese ihre Ursache vor allem in fehlenden Erziehungsprogrammen haben, weshalb sie selbst zur Behebung dieses Defizits beitragen möchte. Damit bedient sich die Autorin – freilich, wie später deutlich wird, nach ihrem ganz eigenen Verständnis – des alles beherrschenden Er-

260  Der Text erschien 1779 in Paris und Brüssel (Frères Estienne) und enthält eine notice alphabétique de celles qui se sont distinguées dans les différentes carrières des Sciences et des Beaux-Arts, ou par des talents et des actions mémorables, typisch für das Genre der Frauenapologie. Im Jahr 1996 erschien er in einer Neuedition von Nancy O’Connor. 261  Hierzu führt sie aus: “No pretendo hacer aquí una enumeración de las mujeres ilustres, porque esta clase de obras las hay en todos idiomas, y porque no se trata ahora de probar su aptitud e ingenio” (ebd.: 68).

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ziehungsoptimismus’: “No hay cosa que no se pueda enseñar en este estado, ni virtud que no se hiciese común, si los que tienen cargo de la educación supiesen aprovecharse” (ebd.). Dass sie all dies auch in den unentbehrlichen patriotischen Diskurs einzubetten versteht und sich auf die spanische Tradition beruft (ebd.: 59), verweist einmal mehr auf ihr Bewusstsein von der politischen und publikationsstrategischen Funktion von Prologen. Denn obgleich sie ihr nationales Reformbemühen unterstreicht, verzichtet sie darauf, zentrale Vertreter der spanischen Bewegung zu erwähnen. Stattdessen nennt sie europäische Aufklärer wie Locke oder Fénelon, die in Spanien gemeinhin skeptisch betrachtet wurden (ebd.: 69, 81). Ihre Legitimation weiß sie damit geschickt aus jenen Desiderata zu beziehen, die in Bezug auf Schriften zur Erziehung von Mädchen allgemein und im Besonderen in Spanien existieren: “Añádese a estas razones la de no tener en nuestro idioma una obra que comprehenda los dos puntos esenciales en la educación, como son la parte fisica y moral” (ebd.: 60). Die Ehe deutet sie im Sinne der bourbonischen Reformpropaganda als staatstragende Institution, die ihrer Interpretation nach nicht hierarchisch strukturiert ist. Die Geschlechter haben sich darin symmetrisch verteilten – sowohl gemeinsamen wie unterschiedlichen – Aufgaben zu widmen (ebd.: 62f.). Weibliche Erziehung verfolgt im Sinne Amars ein doppeltes Ziel: sie dient nicht nur staatlichen, sondern auch individuellen Interessen und führt zur Verbesserung des Einzelnen wie der Gesellschaft insgesamt (ebd.: 63). In diesem Punkt des individuellen Gewinns für Frauen durch Bildung sieht López-Cordón zu Recht einen entscheidenden Unterschied zu den herrschenden zeitgenössischen Auffassungen einer rein utilitaristischen Formung der ‘Frau’ die auch von Joyes y Blake vertreten wird. Bei Amar hingegen soll und kann die Frau aus den erworbenen Fähigkeiten auch für sich selbst einen individuellen Nutzen ziehen und sogar eine gewisse Unabhängigkeit von den Wechselfällen des Lebens erlangen: “¿Qué mayor ventaja que la de poder hacer un uso saludable del tiempo, prevenir recursos para todas las edades y sucesos de la vida, adquirir nuevas ideas, y estar contento fuera del bullicio de las demás gentes?” (ebd.: 66f.). Die Institution der Ehe betrachtet Amar y Borbón als eine historisch etablierte Organisationsform gesellschaftlicher Aufgaben, die jedem Einzelnen anerzogen und von diesem mit unterschiedlicher Gewichtung erfüllt werden, dabei jedoch keineswegs natürlichen Gegebenheiten oder gar substantiellen Differenzen entspringen. Immer wieder betont

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sie die trotz verschiedener Aufgabenfelder erforderliche Ebenbürtigkeit der Ehepartner und deren Verantwortung für die Nachkommen (ebd.: 74f.). Damit gelingt es ihr, gegen den mainstream unterschiedliche Funktionsbereiche abzugrenzen ohne diese auf biologisierende Vorstellungen wie die von Mutterliebe, Empfindsamkeit oder entsprechend binäre Umkehrschlüsse auf den Mann zurückzuführen. Amar y Borbón widmet sich dem Zusammenhang von physischer und moralischer Erziehung mit Referenz auf zwei Modelle: die Vorstellung der antiken Medizin von einem gesunden Geist in gesundem Körper (1) und die empiristischen Lehr- und Lernmodelle der Zeit (2), in denen der körperlichen Gesundheit als Voraussetzung geistiger Tätigkeit und somit medizinischer Vorsorge besondere Bedeutung beigemessen wurde. Im Anschluss an Lockes einflussreiche Pädagogik, in der die Gesundheit des Kindes als zentrale Voraussetzung für den Entwicklungsprozess verstanden wird, entfalteten sich europaweit Erziehungsschriften (u.a. Rousseaus Émile), die den Nexus von körperlicher und moralischer Gesundheit auf einer neuen epistemologischen Grundlage konzipierten und im Kontext naturwissenschaftlich-empirischer Logiken vermittelten. Das Kind rückte dabei in den Mittelpunkt des erzieherischen Interesses, wurde als Kategorie der menschlichen Entwicklung erstmals bedeutsam und zum bevorzugten Objekt, an dem sich Erziehungs- und Gesundheitsfragen demonstrieren ließen. Lockes Pädagogik war darauf ausgerichtet, den bis heute mehrdeutigen Begriff Gesundheit als inneren Prozess einer selbstbezogenen Verbesserung und Vollendung zu vermitteln, d.h. als menschliche Grundorientierung – und nicht partiell medizinische oder moralische Angelegenheit –, ein Konzept, das Amar y Borbón in ihrer Reformschrift ganz explizit und gegen die herrschende Meinung auch für die weibliche Erziehung einfordert: Anweisungen zur Erhaltung und Pflege der körperlichen Gesundheit, wie sie die Autorin im ersten Teil ihrer Schrift umfassend in Form von Ernährungs-, Kleidungs- und anderen Verhaltensratschlägen rund um Mutterschaft und Erziehung vermittelt, stehen somit im Kontext eines über reine Nützlichkeitsaspekte hinausgehenden pädagogischen Ansatzes. Sie bilden bei Amar die Voraussetzung für eine ganzheitliche, auch geistige Selbstvollendung der modernen Frau. Die aufklärerische Vorstellung von Perfektibilität, der den christlichen Schöpfungsmythos ablösende Glauben in die verändernde Kraft der Vernunft, wird hier mit aller Entschiedenheit für das weibliche Geschlecht eingefordert.

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Dabei ist die Frau nicht Adressatin einer autoritär angelegten Pädagogik, sondern vermag durch Vernunft und eigene Fähigkeiten ihre gesellschaftlichen Funktionen mit Einsicht zu übernehmen. So geht es Amar y Borbón nicht in erster Instanz um die Vermittlung von Verhaltensnormen, die es blind zu befolgen gälte oder die eine Disziplinierung der immer schon ‘fehlbaren’ Frau zum Ziel haben. Vielmehr will sie männliche Erzieher und weibliche Adressaten – vorrangig alphabetisierte Frauen der Ober- und Mittelschichten – anhand von Erklärungsmodellen und anschaulichen Darstellungen befähigen, den Zusammenhang zwischen geschlechtsspezifischen und gesellschaftlichen Rollen zu begreifen, um das Eine erfüllen zu können, ohne das Andere zu lassen, d.h. Anstrengungen zur Selbstvervollkommnung und ‘patriotische’ Pflichten gleichermaßen zu bewerkstelligen. Das von ihr vermittelte Geschlechterwissen basiert auf dem aufklärerischen Theorem der menschlichen Natur als Teil einer allgemeinen Naturgeschichte, wobei er die eigene “Natur” im Sinne seiner Befähigung zur Perfektibilität gezielt zu beeinflussen vermag. So regt sie die Abhärtung des weiblichen Körpers an, der aus ihrer Sicht durch überkommene Vorstellungen und Verhaltensweisen wie etwa zu warme Kleidung systematisch “verweichlicht” wurde (Amar y Borbón [1790] 1994: Kap. V). Die Erziehung zur Vernunft ausgehend von einem gesunden Körper gilt dabei für beide Geschlechter und ist ein Erfordernis veränderter Lebensformen. Während die christliche Erziehungsliteratur eine heilsgeschichtlich motivierte Besserung des ‘verdammten’ und sündhaften Menschen – insbesondere in seiner weiblichen Erscheinungsform – zum Gegenstand hatte, d.h. Heilung, Gesundheit und Wiedergeburt gerade durch das mit göttlicher Gnade mögliche Herauslösen aus profanen körperlichen Bindungen zu erlangen waren, betont die Reformerin die Selbstverantwortung und damit auch -verfügbarkeit des modernen Menschen. Im Unterschied zur vorherrschenden Skepsis an den weiblichen Fähigkeiten der Perfektibilität, begründet nach altem Muster mit biblischer Sündhaftigkeit oder nach neuem Modell mit der Erfindung eines biologischen Sonderstatus’ der weiblichen Physis (vgl. Steinbrügge [1987] 21992), weist Amar y Borbón – trotz ihres einseitigen Geschlechterfokus’ – auf die grundsätzliche Bedeutung der modernen Erziehung für beide Geschlechter hin sowie deren gleichgewichtete Eigenverantwortung und die Aufgabe der Selbstvollendung für jeden Einzelnen unabhängig von Geschlecht und Alter.

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Vor diesem Hintergrund erscheint ihr Hinweis auf einen – wenngleich unrealistisch erscheinenden – “plan fantástico” weniger als Abschwächung früherer Positionen oder gar Folge persönlicher Enttäuschungen, wie Kilian (2002: 61) meint, denn als ein gedankliches Spiel mit der utopistischen Aufhebung angestammter Rollenmodelle, die sich in anderen Texten der Zeit so nicht findet. Während Feijoo die – trotz Gleichwertigkeit – unterschiedlichen Geschlechterfunktionen als göttlichen Plan deklariert und den Schöpfungsmythos in theologischer Tradition bejaht,262 kann sich Amar y Borbón demgegenüber dezidiert als Aufklärerin ausweisen, die weder phantastische Pläne hegt noch über das Jenseits spekuliert, sondern diesseitige, praktische und konkrete Veränderungen der etablierten sozialen Beziehungen anstrebt. Dass eine solche Reformierung in ferner Zukunft auch zu tiefgreifenderen Veränderungen der Geschlechterordnung führen könnte, schließt sie mit ihrer Bemerkung über das zu ihrer Zeit unrealistische Projekt eines “plan fantástico” gerade nicht aus. Auch wenn sich Josefa Amars Ausführungen über die Ehefrauenund Mutterrolle aus heutiger Sicht vielleicht konservativ und überholt ausnehmen, geht sie doch bei historisierender Betrachtung über die christlich-metaphysischen und biologistischen Ansätze ihrer Zeit hinaus, wenn sie auf die soziale Konstruktion der Geschlechterrollen und damit deren generelle Veränderlichkeit verweist. Ihre Rollenbeschreibung gründet gerade nicht auf der Konstruktion einer naturgegebenen weiblichen Natur, sondern rückt immer wieder die sozialen Bedingungen von Bildung und Erziehung bei gleichen menschlichen Voraussetzungen ins Bewusstsein. “Gegen den Trend” der unter dem Primat des Nützlichen eingeforderten Erneuerung der Wissenschaften plädiert sie in zahlreichen Punkten für eine egalitäre und nicht geschlechtsspezifische Ausbildung, beispielsweise wenn sie für Frauen das Studium klassischer Sprachen vorschlägt und somit die Postulate der Selbstvervollkommnung und des individuellen Glücksanspruchs gleichermaßen auf das weibliche Geschlecht projiziert. So

262  Auch in Feijoos Argumentation wird eine Differenzierung von Geschlechterbeziehungen in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen deutlich, etwa wenn er sich auf historische Beispiele des Matriarchats aus anderen Kulturen bezieht. Diese werden jedoch immer als das Andere der christlichen Kultur markiert und lassen sich im Sinne Feijoos zwar tolerieren, jedoch nicht übertragen oder gar in praktische Reformen umsetzen.

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bezieht sie sich explizit auf den Glücksbegriff Madame de Châtelets (Discours sur le bonheur, post. 1779), in dem eine solche individuelle Vervollkommnung des Einzelnen, mithin auch der Frau, als Teil eines übergreifenden, gesellschaftlichen Wohles angelegt ist. Sie greift in diesem Zusammenhang mit weiblicher Selbstvervollkommnung auch auf den Topos der Neugier zurück, der im Laufe des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem wachsenden Interesse an Aktualität, der Institutionalisierung von öffentlichen Gesprächsrunden und dem Pressewesen neue Bedeutungsdimensionen erhielt. Neugier wird hier zunehmend als Aktualitätsbewusstsein nicht mehr als Untugend verstanden und bildet die Voraussetzung der Teilnahme am öffentlichen Prozess der Meinungsbildung. Daher mussten Frauen doppelt Vorsicht walten lassen, damit sie nicht als unangemessen neugierig erscheinen, denn ein zu großes Verlangen nach Neuigkeiten und Wissen widersprach der Vorstellung von der natürlichen Ausprägung des weiblichen Verstandes, im traditionellen wie im neuen Sinne. Wenn Amar y Borbón weibliche Neugier dagegen als Indiz für Begabung und Bildungshunger auslegt, wappnet sie sich gegenüber zwei Fronten und weist sowohl religiöse wie moderne Diskurse zurück, in denen das Attribut der curiositas als weibliches Laster diskreditiert wird. Indirekt nimmt sie hier auch auf den vielzitierten bachilleraTopos Bezug und entkräftet ganz unpolemisch den damit erhobenen Vorwurf weiblicher Pseudogelehrtheit, der durch die zeitgenössische Literatur geistert (Martín Gaite [1972] 1987: 245ff.).263 Ihr Konzept ist also durchaus auf den von Hassauer genannten “Regelfall Hausfrau” (s.o.) zugeschnitten, dieser wird als solcher aber unter Andeutung möglicher sozialer Veränderungen in seiner Dimension ahistorischer Normativität hinterfragt. Wenn sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, so gibt es im Sinne Amars keinerlei physische oder geistige Hindernisse, die gegen einen Wandel der Rollenverteilung – keineswegs ist hier eine bloße Umkehrung alter Hierarchien gemeint – stehen, was sie als Frau freilich expliziter nicht formulieren kann.

263 

Da mit der frühaufklärerischen Vorstellung weiblicher Bildungsfähigkeit und der bourbonischen Reformpolitik die Forderung nach weiblicher Erziehung gesellschaftlich Einzug hält, werden anhand der bachillera-Figur offenbar die Grenzen weiblicher Bildungsfähigkeit neu ausgehandelt.

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Demnach beruht ihre Geschlechterkonzeption auf einem ahierarchischen Modell, das nicht nur Komplementarität beinhaltet, sondern auch die Überschneidung bestimmter Funktionen zum Inhalt hat. Die Vermittlung alltagspraktischer Kenntnisse bis hin zu Elementen des klassischen Bildungskanons steht für Ehefrauen auf dem Programm. Dabei geht sie weniger auf theoretische Grundfragen der Geschlechterbeziehung ein, was im Sinne eines bei den Erneuerern verpönten “weltfernen” Philosophierens als Anmaßung hätte verstanden werden können,264 sondern erstellt einen Erziehungsplan für Frauen im Sinne der effizienten Verbesserung des Gegebenen. Dieser Plan sieht vor, die ebenbürtige und umfassende Partizipation von Frauen zu ermöglichen und alle geistigen Potentiale der Gesellschaft sowohl zur individuellen wie gemeinnützigen Vervollkommnung in den Dienst der Erneuerung der Gesellschaft zu stellen. Dies scheint aus heutiger Perspektive widersprüchlich, weil Amar y Borbón die Frau ihrer Zeit in die Pflicht zur Mutterschaft nimmt. Gleichwohl reduziert sie die Frauen nicht auf eine Existenz als Geschlechtswesen und das vorherrschende, mit Rousseau in Verbindung gebrachte Paradigma, sondern rückt unter Anerkennung frauenspezifischer Bereiche gleichwohl die ebenbürtige Stellung, die gleichen menschlichen Fähigkeiten und den in erster Instanz sozialen Konstitutionsprozess der Geschlechter ins Bewusstsein. Da Frauen mit Bildung kaum offizielle méritos erzielen konnten und ihnen eine Anwendung ihres Wissens in beruflichen Kontexten weitgehend versagt blieb, legitimierte Amar y Borbón weibliche Bildung mit der einzig anerkannten häuslichen Rolle, ohne die Notwendigkeit einer individuellen Erfüllung der Frau, verbunden mit dem Glücksanspruch der felicidad pública, zu leugnen. Sie betont den egalitären Status von Mann und Frau und ihre Äquivalenz als Gattungswesen und beschreibt eine geschlechtsspezifische Konzeption gesellschaftlicher Rollen, die nicht notwendig mit einer Biologisierung/Sexualisierung der Frau einhergehen muss. In dem von Laqueur für die Frühe Neuzeit beschriebenen Ein-Leib-Modell beruhte die Festschreibung sozialer Rollen auf der Vorstellung einer Hierarchie unterschiedlich ausentwickelter Kör264 

Diesen Topos greift beispielsweise Cadalso in den Cartas marruecas auf, wo lebensfernes Philosophieren von Nuño Núñez als unpatriotisch und gesellschaftsschädigend entlarvt sowie ein Loblied auf praktisches und nützliches Wissen angestimmt wird.

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perlichkeiten innerhalb eines menschlichen Modells, so dass den Geschlechtern unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen zugewiesen wurden, ohne diese automatisch an eine körperliche Determinierung zu knüpfen. Amar y Borbón weicht – obgleich ihr Diskurs auf der Oberfläche konformistisch erscheint – in entscheidenden Punkten von den in Spanien inoffiziell verbreiteten und einflussreichen Ideen Rousseaus ab: obgleich auch ihr Erziehungskonzept auf die Verpflichtung der Frau zur Mutter, Ehefrau und Haushälterin abzielt und damit auf der Oberfläche jener “Ideologie der Häuslichkeit” von Rousseau ähnelt, begründet sie ihren Ansatz anders: 1) weibliche Erziehung dient bei ihr nicht der Komplementierung eines l’homme naturel, sondern gilt auch der persönlichen Befriedigung, zu der Sophie in Rousseaus Modell gar nicht befähigt ist; 2) ihr Konzept basiert auf einer gegebenen Verstandesgleichheit, alle Ausprägungen von Geschlechtsspezifika sieht sie allein verursacht durch die unterschiedliche Erziehung, während Rousseau natürliche Gegebenheiten für die Komplementarität der Geschlechter unterstellt: weiblicher goût und männliche raison sind bei ihm zunächst Anlagen, die durch Erziehung verstärkt, aber als Eigenschaften nicht grundlegend erworben werden können.

Auch Amar y Borbóns Ausführungen zum emotionalen Umgang innerhalb der Familie sind hinsichtlich der Vorstellung einer sozialen Konstruktion der Geschlechter bemerkenswert. So plädiert sie für liebevolle Ernsthaftigkeit und eine zärtliche Herrschaft der Eltern, wobei sie implizit deutlich macht, dass Gefühle und Emotionen beiden Geschlechtern eigen sind und keine einseitige Zuschreibung des Sensualismus auf die Frau oder deren besondere Gefühlseigenschaften erfolgen kann. Dies widerspräche ihrer Grundvorstellung, dass sich die weibliche Natur zwar durch Erziehung entfalten lässt und auch im Sinne des Gemeinwohls entfalten muss, die Frau aber gleichwohl nicht im Rahmen angeborener physiologischer und geistiger Besonderheiten determiniert ist. Auch ihre Abwertung des Lebensentwurfs der alleinstehenden Frau (Amar y Borbón [1790] 1994, Kap. 13), die noch im 17. Jahrhundert wegen der Freiräume und künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten geschätzt wurde, ist im Zusammenhang mit der Idee des Gemeinwohls

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zu deuten. Da die Frau nach bürgerlicher Ansicht außerhalb der Familie keine Möglichkeiten besitzt, ihre Fähigkeiten gesellschaftswirksam und im Sinn der allgemeingültigen utilidad einzusetzen (die berufliche Perspektive war versperrt und auch geistliche Lebensformen galten durch das Verbot weiblicher Priesterschaft als defizitär), werden diese Lebensentwürfe diskreditiert. Im Unterschied zu den üblichen zeitgenössischen Ehefrauendidaxen, beispielsweise den zahlreichen meinungsbildenden Pensamientos der bekannten spanischen Wochenschrift El Pensador, liegt Amars Fokus nicht auf der Etablierung eines bürgerlichen Gesellschaftsmodells, in dem Ständegrenzen zunehmend durch Geschlechterdifferenz substituiert werden. Vielmehr gehören die Standesunterschiede – trotz gewisser Durchlässigkeiten – für sie zu jener Ordnung, die sie “el que está ya establecido” nennt. Dies ermöglicht ihr, einen Freiraum für ihre zentrale Forderung zu schaffen, Frauen nicht nur im Sinne gesellschaftlicher Nützlichkeit zu bilden und zu erziehen, sondern auch deren Selbstvervollkommnung als Baustein sozialer Prosperität auszuweisen. Dabei erscheinen Mündigkeit und individuell verschiedene Begabungen von Frauen nicht nur zweckmäßig, um ‘weibliche’ Rollenformate erlernen und interiorisieren zu können, d.h. “eingesperrt” in der Mutterrolle als Idol der Natur die Bewahrerin traditioneller Werte, den Hort der Moral und des Gefühls zu verkörpern. Vielmehr bietet die von Josefa Amar y Borbón postulierte Frauenrolle eben jenen gesellschaftlichen Schutzraum, den Frauen angesichts fehlender Modelle für weibliche Gelehrsamkeit zur Verwirklichung neuer individueller Bildungsansprüche benötigen.

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LA CUESTIÓN PALPITANTE LOS SIGLOS XVIII Y XIX EN ESPAÑA Vol. 1 Rodríguez Gutiérrez, Borja: Historia del cuento español (1764-1850). 2004, 424 p.; ISBN 9788484891246 Vol. 2 Dorca, Toni: Volverás a la región. El cronotopo idílico en la novela española del siglo XIX. 2004, 168 p.; ISBN 9788484891512 Vol. 3 Cebrián, José: La Musa del Saber. La poesía didáctica de la Ilustración española. 2004, 200 p.; ISBN 9788484891536 Vol. 4 Uzcanga Meinecke, Francisco: Sátira en la Ilustración española. La publicación periódica “El Censor” (1781-1787). Edición revisada. 2005, 224 p.; ISBN 9788484891475 Vol. 5 Fuentes, Yvonne: Mártires y anticristos: Análisis bibliográfico sobre la Revolución francesa en España. 2006, 206 p.; ISBN 9788484892656 Vol. 6 Caballer Dondarza, Mercedes: La narrativa española en la prensa estadounidense. Hallazgo, promoción, publicación y crítica (1875-1900). 2007, 384 p.; ISBN 9788484891871 Vol. 7 Gelz, Andreas: Tertulia. Literatur und Soziabilität im Spanien des 18. und 19. Jahrhunderts. 2006, 408 p.; ISBN 9783865273000 Vol. 8 Gunia, Inke: De la „poesía“ a la „literatura“. El cambio de los conceptos en la formación del campo literario español del siglo XVIII y principios del XIX. 2008, 308 p.; ISBN 9788484893448 Vol. 9 Tschilschke, Christian von: Identität der Aufklärung / Aufklärung der Identität. Literatur und Identitätsdis- kurs im Spanien des 18. Jahrhunderts. 2009, 372 p.; ISBN 9783865274373 Vol. 10 Sprague, Paula A.: El Europeo (Barcelona 1823-1824). Prensa, modernidad y universalismo. Con un prólogo de Carme Riera. 2009, 1326 p.; ISBN 9788484894308

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Vol. 11 Durán LÓpez, Fernando; Romero Ferrer, Alberto; Cantos Casenave, Marieta (eds.): La patria poética. Estudios sobre literatura y política en la obra de Manuel José Quintana. 2009, 590 p.; ISBN 9788484894650 Vol. 12 Ertler, Klaus-Dieter; Hodab, Renate; Urzainqui, Inmaculada (eds.): Manuel Rubín de Celis “El Corresponsal del Censor”. 2009, 380 p.; ISBN 9788484894735 Vol. 13 Freire LÓpez, Ana María: El teatro español entre la Ilustración y el Romanticismo. Madrid durante la Guerra de la Independencia. 2009, 450 p. + 1 CD; ISBN 9788484894377 Vol. 14 Hontanilla, Ana: El gusto de la razón. Debates de arte y moral en el siglo XVIII español. 2010, 368 p.; ISBN 9788484895237 Vol. 15 Jacobs, Helmut C.: Giuseppe Parini (1729-1799) en el pasado y en el presente. La recepción de un poeta italiano en España. Traducción de Victoria Lucio Dora. 2010, 184 p.; ISBN 9788484895428 Vol. 16 Versteeg, Margot: Jornaleros de la pluma. La (re)definición del papel del escritorperiodista en la revista “Madrid Cómico”. 2011, 384 p.; ISBN 9788484895671 Vol. 17 MuÑoz Sempere, Daniel; Alonso García, Gregorio (eds.): Londres y el liberalismo hispánico. Con contribuciones en castellano e inglés. 2011, 288 p.; ISBN 9788484895886 Vol. 18 GÓmez Castellano, Irene: La cultura de las máscaras: disfraces y escapismo en la poesía española de la Ilustración. Mit Abbildungen. 2012, 264 p.; ISBN 9788484896913 Vol. 19 Checa Beltrán, José (ed.): Lecturas del legado español en la Europa ilustrada. 2012, 304 p.; ISBN 9788484897002 Vol. 20 Novella, Enric: La ciencia del alma. Locura y modernidad en la cultura española del siglo XIX. 2013, 224 p.; ISBN 9788484897033

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