Die Praxis des organischen Chemikers
 9783111509518, 9783111142180

Table of contents :
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur neunzehnten Auflage
Vorwort zur vierunddreißigsten Auflage
Vorwort zur siebenunddreißigsten Auflage
Vorwort zur neununddreißigsten Auflage
Inhaltsübersicht
Abkürzungen
A. Einige allgemeine Arbeitsregeln
B. Elementar-analytische Methoden
C. Organisch-präparativer Teil
D. Organische Gruppenanalyse
E. Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerie-Lehre
F. Verschiedenes

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GATTERMANN-WIELAND, Die Praxis des organischen Chemikers

L. GATTERMANN

Die Praxis des organischen Chemikers fortgeführt von

H. W I E L A N D f 39., durchgesehene A u f l a g e bearbeitet von

THEODOR WIELAND Professor der organischen Chemie an der Universität Frankfurt am Main

Mit 68 A b b i l d u n g e n

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J. Gßachen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Eelmer Karl J. Trübner • Veit & Comp.

Berlin 1959

© Copyright 1956,1958,1959 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, K a r l J. Trübner, Veit & Comp., Berlin — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung v o n Mikrofilmen und der "Übersetzung, vorbehalten — Printed in Germauy — A r c h i v - N r . 521959 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin — Druck: Franz Spiller, Berlin

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis des Verfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl von Studierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oft beim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunstgriffe, deren es beim organischen Arbeiten so viele gibt, aufmerksam zu machen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit des Lehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann, ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil vorausgeschickt, welcher die Kristallisation, Destillation, das Trocknen, die analytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung dieses Teiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationen der einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als vielmehr darauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß der Anfänger auch in Abwesenheit des Assistenten dieselben danach selbständig ausführen kann. Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate allgemeine Betrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und die allgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und den Zweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischen Arbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet, welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, als wenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches gewonnen sind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben den trefflichen Anleitungen von E. F i s c h e r und Levy sich hier und da einige Freunde erwerben möge. Heidelberg, August 1894

L. Gattermann

Vorwort

VI

Vorwort zur neunzehnten Auflage Vor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig G a t t e r m a n n die erste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum dem Druck übergeben. Das System, die präparativen Vorschriften mit theoretischen Erläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafür spricht schon die große Verbreitung des Buches; es hat 18 Auflagen erlebt. — Die Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Hauptziel des organischen Praktikums; als bloße Kochkunst und Laborantenfertigkeit ausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. Die Methodik beherrschen heißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre vielfältigen Ausdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auch hier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Praktikant mit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretisch vertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar soll den Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zum Gebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen anregen. Nachdem jetzt die Grundlagen der organischen Chemie beim präparativen Arbeiten an den deutschen Hochschullaboratorien vorausgesetzt werden können, lag die Gefahr, ihn zur „Eselsbrücke" zu gestalten, fern. Mit Vorbedacht sind die Anforderungen nach der praktischen und nach der theoretischen Seite in dieser Neubearbeitung gesteigert worden. Was in den vergangenen dreißig Jahren an „Schulsack" genügte, das ist jetzt zu knapp für den, der sich an der Bearbeitung der für Wissenschaft und Technik gleichermaßen zugespitzten und schwieriger gewordenen Aufgaben beteiligen will. Der Gedanke, das präparative Praktikum gleichzeitig zu einem Erfassen und Erleben der organischen Chemie werden zu lassen, hat die Anordnung des Stoffs vom Gesichtspunkt des systematischen Zusammenhangs aus gefordert. Man wird sehen, daß dem dadurch bedingten Aufbau die präparative Anstiegslinie vom Leichteren zum Schwierigeren kaum ernstlich zuwider verläuft. Und der Gewinn an abgerundeter Ausbildung, der zu erwarten steht, ist erheblich. Der allgemeine Teil und ebenso der analytische sind vollkommen umgearbeitet worden unter starker Kürzung zugunsten der Präparate. Durch ihre Vermehrung soll einige Abwechslung geboten und dem schematischen Zug im organischen Praktikum entgegengewirkt werden. Meinen Assistenten, vor allem den Herren Dr. F r a n z B e r g e l und F. G o t t w a l t Fischer bin ich für ihre unermüdliche Mithilfe bei der Ausführung zahlloser Versuche zu großem Dank verpflichtet. Herr F i s c h e r hat außerdem die in dieser Bearbeitung neuen Figuren gezeichnet und das Register angefertigt. Freiburg i. Br., Ostern 1925

Heinrich Wieland

Vorwort

VII

Vorwort zur vierunddreißigsten Auflage Für die vorliegende Ausgabe ist das Buch in allen Einzelheiten kritisch und gründlich durchgesehen worden. Einige Präparate wurden weggelassen und durch andere ersetzt; in manchen Fällen wurden die präparativen Vorschriften verbessert. Neue Methoden, wie die der Papierchromatographie und der Polymerisation sind mit geeigneten Beispielen aufgenommen. Viel einschneidender sind die Änderungen, die den theoretischen Erläuterungen zuteil geworden sind. Obwohl ich nach wie vor an der Auffassung festhalte, der „Gattermann" habe nicht die Aufgabe, dem Studenten auch die theoretischen Kenntnisse der organischen Chemie lückenlos zu vermitteln, habe ich mich doch entschlossen, entgegen meinem früheren, im Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage (1940) vertretenen Standpunkt, die moderne Elektronentheorie der chemischen Valenz wenigstens im Prinzip als Grundlage für die Erörterungen über den Mechanismus der behandelten Reaktionen heranzuziehen. In einem besonderen Kapitel (S. 377) versucht R. Huisgen die Hauptlinien dieser Betrachtungsweise, wie mir scheint mit guten Erfolgsaussichten, dem Benutzer des Buchs näherzubringen. Selbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschauliche alte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bindestriche beibehalten worden. Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung des Buches habe ich den Kollegen Prof. R. Huisgen, F. L y n e n und Th. W i e l a n d wärmstens zu danken. Starnberg, September 1952

Heinrich W i e 1 and

Vorwort zur siebenunddreißigsten Auflage Einem Vorschlag von Heinrich Wieland folgend hat mich der Verlag gebeten, von nun an die weitere Bearbeitung des „Gattermann-Wieland" zu besorgen. Die jetzt vorliegende neue Auflage, die wieder in kurzer Folge nötig geworden ist, trägt in ihrem Aufbau und Inhalt weiterhin das Charakteristische des Handbuchs an sich, wie es sich in 30 Jahren und 18 Auflagen nach seiner völligen Umgestaltung durclj H. Wieland entwickelt hat. Vor vier Jahren wurde dem Praktikum eine Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerielehre aus der Feder R. Huisgens angefügt und in den theoretischen Erläuterungen der Versuche auf dieses Kapitel mehrfach verwiesen. In der Zwischenzeit dürfte an den deutschen Hochschulen

VIII

Vorwort

die moderne Betrachtungsweise auch in den Anfängerunterricht soweit eingedrungen sein, daß die prägnanten Begriffe der Heterolyse, Homolyse, nucleophilen und elektrophilen Substitutionsreaktion und der Mesomerie das Verwirrende verloren haben und das Verständnis der organischen Reaktionen zu erleichtern beginnen. Man konnte es daher nun wagen, diese Sprache an zahlreichen Stellen des Textes einzuführen, ohne jedoch auf den theoretischen Anhang zu verzichten, dessen wiederholte Lektüre dem Praktikanten eindringlich empfohlen sei. Herrn Kollegen R. H u i s g e n habe ich für seine Unterstützung bei der Neubearbeitung herzlich zu danken. Frankfurt a. M., Frühjahr 1956

Theodor Wieland

Vorwort zur neununddreißigsten Auflage Für die neue Auflage sind einige Vorschläge für kleinere Verbesserungen herangetragen worden. Nicht unwesentlich erscheint mir ein von Herrn Kollegen A. R i e c h e gegebener Hinweis auf die Explosionsgefährlichkeit heißer Lösungen von D i b e n z o y l p e r o x y d . Ihm folgend wird zur Reinigung der Substanz jetzt nur noch die Umfällung aus Chloroform mit Methanol herangezogen (S. 115). Sonst hat sich gegenüber der letzten Auflage nicht viel geändert; die Theorie ist in einigen Punkten an den neuesten Stand herangeführt, bei den Kohlehydraten sind sterisch eindeutige Formeln eingesetzt worden. Frankfurt a. M., Frühjahr 1959

Theodor Wieland

Inhaltsübersicht A. Einige allgemeine Arbeitsregeln Reaktionsgeschwindigkeit und Temperatur Reindarstellung organischer Substanzen Kristallisation Chromatographische Adsorption Destillation Sublimation Destillation mit Wasserdampf Abdestillieren von Lösungsmitteln Ausschütteln. Extrahieren Das Arbeiten mit komprimierten Gasen Bühren und Schütteln Erhitzen unter Druck Schmelzpunktsbestimmung

Seite

1 3 4 14 15 25 26 28 30 34 35 37 39

B. Elementar-analytische Methoden Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Schwefels und der Halogene Die quantitative organische Elementaranalyse I. Stickstoffbestimmung nach D u m a s I I . Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach L i e b ig . . III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen . . 1. Halogenbestimmung nach C a r i u s S. 65. 2. Bestimmung von Chlor und Brom nach Verbrennung der Substanz im Perlenrohr S.68. 3. Jodbestimmung nach L e i p e r t - M ü n s t e r S. 71. 4. Schwefelbestimmung nach C a r i u s S. 72. 5. Schwefelbestimmung durch Verbrennung S. 73. 6. Gleichzeitige Bestimmung von Halogen und Schwefel S. 74. 7. Bestimmung der übrigen Elemente S. 74. IV. Bestimmung organischer Gruppen 1. Maßanalytische Bestimmung der Methoxylgruppe S. 74. 2. Bestimmung der Acetyl- und Benzoylgruppe S. 76. 3. Bestimmung von aktivem Wasserstoff nach T s c h u g a e f f - Z e r e w i t i n o f f S. 78. 4. Molekulargewichtsbestimmung S. 80.

41 44 45 52 64

74

C. Organisch-präparativer Teil Zur Verhütung von Unfällen Die erste Ausrüstung . . .

81

83

X

Inhaltsübersicht I. D i e S u b s t i t u t i o n v o n H y d r o x y l u n d W a s s e r s t o f f durch Halogen. Alkohole. Olefine Seite

1. Äthylbromid aus Äthylalkohol Methylbromid S. 88. 2. Äthyljodid aus Äthylalkohol Methyljodid S. 88. 3. Benzylchlorid aus Toluol 4. Brombenzol p-Dibrombenzol S. 96. 5. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe a) Äthylen aus Äthylalkohol, Äthylenbromid S. 98; b) Cyclohexen aus Cyclohexanol. Cyclohexadien S. 100. 6. Glykol aus Äthylenbromid 7. Iso-amyläther 8. Chloressigsäure aus Essigsäure und Chlor

1.

2. 3. 4.

5. 6. 7.

8.

II. C a r b o n s ä u r e n u n d i h r e e i n f a c h e n A b k ö m m l i n g e Säurechloride a) Acetylchlorid S. 111; b) Benzoylchlorid S. 112; Benzoylperoxyd S. 115. Essigsäure-anhydrid Acetamid Harnstoff und Semicarbazid a) Kaliumcyanat durch Oxydationsschmelze S. 120; b) Harnstoff S. 121; c) Semicarbazid S. 122; d) Harnstoff und Harnsäure aus Harn S. 123. Nitrile a) Acetonitril S. 125; b) Benzylcyanid S. 125. Verseifung eines Nitrils zur Säure. Phenylessigsäure Säureester a) Essigsäureäthylester aus Eisessig und Alkohol S. 128; Benzoesäureäthylester S. 129; b) Isoamylnitrit S. 132; Äthylnitrit S. 133; c) Äthylnitrat S. 134; d) Verseifung von Fett oder pflanzlichem ö l S. 136; Darstellung der freien Fettsäuren S. 135; Glycerin S. 136; Zur Fettanalyse S. 136. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen a) H o f m a n n s c h e Reaktion, Methylamin aus Acetamid S. 137; b) Curtiussche Reaktion, Phenylcyanat S. 138.

III. N i t r o v e r b i n d u n g e n u n d i h r e R e d u k t i o n s p r o d u k t e 1. Nitromethan Methylamin, N-Methylhydroxylamin, Methylnitrolsäure, Knallsilber, Phenylnitroäthylen. 2. Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs a) Nitrobenzol S. 145; b) m-Dinitrobenzol S. 146.

86 88 92 95 98

107 109 109

111

116 118 120

125 127 128

137

140

145

Inhaltsübersicht

XI Seite

3. Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin a) Anilin aus Nitrobenzol S. 147; Diphenylthioharnstoff, Phenylsenföl S. 151; b) m-Nitranilin aus m-Dinitrobenzol S. 153.

147

4. Phenylhydroxylamin p-Aminophenol, Nitrosophenylhydroxylamin.

154

5. Nitrosobenzol Nitrosobenzol aus Anilin und Caroscher Säure, Azobenzol aus Anilin und Nitrosobenzol, Azoxybenzol aus Phenylhydroxylamin und Nitrosobenzol. 6. Hydrazobenzol und Azobenzol a) Hydrazobenzol S. 162; b) Azobenzol aus Hydrazobenzol S. 163; c) Benzidin aus Hydrazobenzol S. 165. Mechanismus der Nitrobenzol-Reduktion

158

162 167

IV. S u l f o n s ä u r e n 1. Benzolmonosulfonsäure aus Benzol und Schwefelsäure Diphenylsulfon, Benzolsulfochlorid, Benzolsulfamid, hydroxamsäure 2. p-Toluolsulfonsäure 3. ^8-Naphthalinsulfonsäure 4. Sulfanilsäure aus Anilin und Schwefelsäure

168 Benzsulf-

5. Pikrinsäure und 2,4-Dimtro-a-naphthol-7-sulfonsäure (Naphtholgelb S) 6. Thiophenol

170 171 172 172 177

V. A l d e h y d e 1. Formaldehyd Gehaltsbestimmung S. 180. 2. Acetaldehyd a) aus Äthylalkohol S. 180; b) aus Acetylen S. 183. 3. Benzaldehyd aus Benzalchlorid Erläuterungen und Versuche zu 1, 2 u. 3 4. C a n n i z z a r o s c h e Reaktion. Benzoesäure und Benzylalkohol aus Benzaldehyd 5. Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzaldehyd a) Benzil aus Benzoin S. 194; b) Benzilsäure S. 196. 6. Anlagerung von Cyanwasserstoff an einen Aldehyd. Mandelsäure aus Benzaldehyd 7. Alanin 8. P e r k i n s c h e Synthese. Zimtsäure aus Benzaldehyd u. Essigsäureanhydrid Hydrierung der Zimtsäure S. 204; Natriumamalgam S. 205; Styrol S. 205. 9. R e i m e r - T i e m a n n s c h e Synthese. Salicylaldehyd aus Phenol und Chloroform

178 180 184 184 193 194

198 200 202

206

XII

Inhaltsübersicht VI. P h e n o l e u n d E n o l e .

Keto-Enol-Tautomerie

Seite

1. Überführung einer Sulfonsäure in ein Phenol. /?-Naphthol 208 Benzoesäurephenylester, Benzoesäurenaphthylester, Tribromphenol. 2. Methylierung von Phenolen 212 a) Anisol S.212; b) Nerolin S. 213. 3. o- und p-Nitrophenol 214 4. Die K o l b e s c h e Salicylsäuresynthese 216 5. Synthese eines /7-Ketonsäureesters. Acetessigester 218 6. Acetylaceton 219 Benzoylaceton S. 220. 7. Malonsäure-diäthylester 220 Äthylmalonester S. 221; Äthylmalonsäure S. 221; Buttersäure aus Äthylmalonsäure S. 221. 8. Phenylnitromethan 222 a) aci-Phenyl-nitro-acetonitril-natrium S. 222; b) aci-Phenylnitromethan-natrium S. 222. Über Keto-Enol-Tautomerie 223 Die Anwendung von Acetessigester und Malonester f ü r Synthesen . . . . 229 VII. D i e D i a z o v e r b i n d u n g e n Allgemeines A. Aliphatische Diazoverbindungen 1. Diazomethan Nitrosomethylharnstoff S. 234. 2. Diazoessigester a) Glykokollester-hydrochlorid S. 238; Hippursäure S. 240; b) Diazoessigester S. 241. B. Aromutische Diazoverbindungen 3. Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol aus Anilin. Isomerie der Diazoverbindungen a) Darstellung einer Diazoniumsalzlösung S. 244; b) Umkochung der Diazoniumsalzlösung zu Phenol S. 245; c) Jodbenzol aus Anilin, Phenyljodidchlorid, Jodosobenzol, Jodobenzol S. 246; d) Benzol aus Anilin S. 247; e) Festes Phenyldiazoniumchlorid S. 248; Phenyldiazoniumnitrat S. 248; Phenyldiazoniumperbromid S. 250; Phenylazid S. 250; f) Natrium-p-nitrophenylantidiazotat S. 251; g) p-Chlorbiphenyl S. 252. 4. p-Tolunitril aus p-Toluidin ( S a n d m e y e r s c h e Reaktion) Benzonitril S. 253; p-Toluylsäure S. 253. 5. Arsanilsäure aus p-Nitranilin 6. Phenylhydrazin Benzol aus Phenylhydrazin S. 259; Indolsynthese S. 259. 7. Darstellung von Azofarbstoffen a) Helianthin S. 260; b) Kongorot S. 262; c) /?-Naphtholorange S. 262; d) Diazoaminobenzol und p-Aminoazobenzol S. 263. Über die Kupplungsreaktion der Diazoverbindungen

232 234 238

244

252 254 256 260

264

Inhaltsübersicht

XIII

VIII. C h i n o n e u n d o h i n o i d e V e r b i n d u n g e n

Seite

1. Chinon aus Anilin Hydrochinon S. 268; Anilinochinon S. 268; Dien-Synthese S. 268; Chinhydron S. 270.

266

2. p-Nitrosodimethylanilin Dimethylamin und p-Nitrosophenol S. 272.

271

3. p-Aminodimethylanilin 273 W u r s t e r s Rot S. 275; B i n d s c h e d l e r s GrünS. 277; Methylenblau S. 277. 4. Basische Triphenylmethanfarbstoffe 279 a) Malachitgrün aus Benzaldehyd und Dimethylanilin S. 279; Bleidioxyd S. 280; b) Kristallviolett aus M i c h l e r s Keton und Dimethylanilin S. 281; c) Gesarol (DDT) S. 281. 5. Fluorescein und Eosin 282 Theoretisches über Triphenylmethanfarbstoffe 283 Phthalocyanin S. 288. 6. Alizarin

288

IX. D i e S y n t h e s e n n a c h G r i g n a r d u n d F r i e d e l - C r a f t s Organische Radikale Die G r i g n a r d s c h e Reaktion 1. Darstellung von Alkoholen 290 a) Benzhydrol aus Benzaldehyd und Phenylmagnesiumbromid S. 290; b) Triphenylcarbinol aus Benzoesäureäthylester und Phenylmagnesiumbromid S. 291. 2. Synthese eines Ketons aus einem Nitril. Acetophenon 292 Die F r i e d e l - C r a f t s s c h e Synthese 3. Ketonsynthese a) Benzophenon aus Benzoylchlorid und Benzol S. 296; b) Acetophenon aus Benzol und Essigsäureanhydrid S. 297. 4. Triphenylchlormethan aus Benzol und Tetrachlorkohlenstoff 5. 2,4-Dioxyacetophenon aus Resorcin und Acetomtrü 6. Chinizarin aus Phthalsäureanhydrid und Hydrochinon 7. B e c k m a n n s c h e Umlagerung a) Benzophenonoxim S. 302; b) Cyclohexanonoxim S. 304; Polykondensation von Caprolactam S. 305.

296

297 298 299 302

Organische Radikale 8. Hexaphenyläthan 9. Tetraphenyl-hydrazin Diphenylnitrosamin, NO S. 310.

306 308 Festlegung des Diphenylstickstoffs

durch

XIV

Inhaltsübersicht X. H e t e r o c y c l i s c h e V e r b i n d u n g e n

Seite

1. Pyridinderivate 312 a) Synthese von Collidin nach Hantzsch S. 312; b) a-Aminopyridin S. 316. 2. Chinolin 317 a) Skraupsche Chinolinsynthese S. 317; b) Chinaldinsynthese nach Doebner-Miller S. 318. 3- a-Phenylchinolin aus Chinolin und Lithiumphenyl 320 a) Lithiumphenyl S. 320; b) a-Phenylchinolin S. 321. 4. Indigo 321 Phenylglycin S. 321; Indoxylschmelze S. 322; Indigoküpe S. 325; Dehydroindigo S. 326. X I . H y d r i e r u n g und R e d u k t i o n , O x y d a t i o n mit Selendioxyd, Ozonisation 1. Katalytische Hydrierung mit Palladium. Hydrozimtsäure 328 Darstellung von Palladium-Tierkohle S. 330; Darstellung von Platinoxyd S. 330. 2. Ersatz von Sauerstoff in Carbonylverbindungen durch Wasserstoff (Reduktion nach Clemmensen) 332 a) Äthylbenzol aus Acetophenon S. 332; b) Dibenzyl aus Benzil S. 333. 3. Reduktion nach Meerwein-Ponndorf. Trichloräthylalkohol . . . . 333 Aluminiumäthylat S. 333; Trichloräthylalkohol S. 334. 4. Oxydation von Malonester zu Mesoxalsäureester mit Selendioxyd . .

335

6. Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation

335

XII. Naturstoffe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

Furfurol 337 d-Glucose aus Rohrzucker 338 Spaltung von Rohrzucker durch Saccharase 339 /J-Pentacetyl-glucose und a-Aceto-bromglucose 340 Milchzucker und Casein aus Milch 341 Säurehydrolyse desCaseins S. 342; Papierchromatographische Analyse S. 342. d-Galaktose aus Milchzucker 343 Schleimsäure S. 344; Pyrrol S. 344. Oktacetyl-cellobiose und Cellobiose 345 Einige Erläuterungen über Kohlenhydrate 345 Verzuckerung von Stärke und alkoholische Gärung 350 1-Arginin-hydrochlorid aus Gelatine 353 Coffein aus Tee 354 Nicotin aus Tabakslauge 354

Inhaltsübersicht

XV Seite

12. Hamm aus Rinderblut Chromatographische Adsorption der Blattfarbstoffe S. 368.

355

13. Die Hauptbestandteile der Rindergalle 359 Glykocholsäure S. 369; Cholsäure S. 360; Desoxycholsäure, Fettsäuren und Cholesterin S. 361. D. Organische Gruppenanalyse I. Allgemeines II. Die Merkmale der einzelnen Gruppen III. Ausführung der Analyse a) Einzelbestimmung S. 374; b) Trennung eines Substanzgemisches S. 375.

364 365 374

E. Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerie-Lehre von Rolf H u i s g e n Ionen und Atombindung Ungesättigte und aromatische Verbindungen; Mesomerie Reaktionsmechanismen

377 380 387

F. Verschiedenes Kurze Anleitung zur Benützung der organisch-chemischen Literatur . . . 396 Literaturpräparate 398 Tabelle zur Berechnung der Stickstoffbestimmungen 400 Sachregister 402

Abkürzungen A. = Liebigs Annalen. A. ch. = Annales de chimie et de physique. Am. Soc. = Journal of the American Chemical Society. Ang. Ch. = Zeitschrift f ü r angewandte Chemie (zeitweise bis 1945 „Die Chemie"; ab 1946 „Angewandte Chemie"). B. = Berichte der Deutsch, ehem. Gesellschaft (ab 1946 „Chemische Berichte"). Bl. = Bulletin de la Société chimique de France. C. = Chem. Zentralblatt. Chem.-Soc. = Journal of the Chemical Society of London. Hely. = Helvetica chimica acta. H. = Hoppe-Seylera Zeitschr. f ü r Physiolog. Chemie. J . pr. = Journal f ü r praktische Chemie. M. = Monatshefte für Chemie. Naturwiss. = Die Naturwissenschaften. Ree. = Recueil des trav. chim. des Pays-Bas.

A. Einige allgemeine Arbeitsregeln Reaktionsgeschwindigkeit und T e m p e r a t u r Von den Reaktionen, die den Inhalt des anorganisch-analytischen Praktikums bilden, unterscheiden sich die der organischen Chemie vor allem in der Geschwindigkeit des Verlaufs. Dort haben wir fast ausschließlich mit unmeßbar rasch vor sich gehenden Ionenreaktionen zu tun; die Umsetzungen der organischen Substanzen dagegen erfolgen meist viel langsamer und erfordern daher in diesen Fällen zur präparativen Durchführung die beschleunigende Wirkung erhöhter Temperatur. Mit der Steigerung der Temperatur um 10° ist eine Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit auf das 2- bis 3fache verbunden. Ist die Geschwindigkeit bei 20° v, so wird sie sich bei 80° auf durchschnittlich v • 2,5 8 erhöhen. Die Reaktion wird also in siedendem Alkohol etwa 250 mal rascher verlaufen als bei Raumtemperatur. Aus diesem Grund werden viele Umsetzungen organischer Stoffe mit erhitzten Lösungen, meist bei Siedetemper a t u r , vorgenommen. Der Dampf des Lösungsmittels wird in einem, dem Reaktionsgefaß aufgesetzten, von Leitungswasser durchströmten Kühler kondensiert, derart, daß das verdampfte Fig. 1 Lösungsmittel andauernd wieder zurückfließt. Um eine Lösung zu konzentrieren, wird das Lösungsmittel „am absteigenden K ü h l e r " abgedampft. Bequemer als der Liebigsche Kühler sind für diesen Zweck Schlangenkühler verschiedener Konstruktion, die aber für das Arbeiten „unter R ü c k f l u ß " wegen der in der Schlange zwischen Dampf und Außenatmosphäre sich bildenden Flüssigkeitsschicht weniger geeignet sind. Für beide Verwendungsarten hat sich der von Dimroth angegebene Kühler gut bewährt, bei dem die Schlange vom Kühlwasser durchströmt wird (Fig. 1). Um die Kondensation von Wasserdampf auf der Kühlschlange zu vermeiden, wird der obere Tubus zweckmäßig mit einem Calciumchloridrohr versehen. Benutzt man Lösungsmittel, die über 100° sieden, so kann der Wasserkühler durch ein langes, weites Glasrohr (Steigrohr) ersetzt werden. 1

G a t t e r m a n n , Praxis des organ.ChemikerB.

39. Aufl.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Zur Verbindung des Kühlers mit dem Reaktionsgefäß dient ein dicht anschließender K o r k s t o p f e n , der vor dem Einbohren des Loches mit der Korkpresse weich gemacht wird. Das Lumen des zu wählenden Korkbohrers soll kleiner sein als das des einzusetzenden Glasrohrs. Die Durchbohrimg erfolgt mit dem in der Bunsenflamme erhitzten Bohrer von der kleineren Fläche des Korkes aus, streng vertikal zum Laboratoriumstisch als Unterlage. Das Abdichten von Stopfen mit Kollodium sollte tunlichst vermieden werden. G u m m i s t o p f e n sollen im allgemeinen nicht verwendet werden bei Operationen, bei denen sie den Dämpfen siedender organischer Lösungsmittel ausgesetzt sind, da sie stark aufquellen und zudem lösliche Bestandteile abgeben, die die Reaktionslösung verunreinigen. Am saubersten läßt sich mit N o r m a l s c h l i f f g e r a t e n arbeiten (siehe z. B. Fig. 46, S. 95); ihr einziger Nachteil ist ihr ziemlich hoher Preis. Die Vorteile sind dagegen so groß, daß Schliffgeräte wohl an allen Hochschullaboratorien eingeführt sind. Schliffe sollen sparsam mit Fett gedichtet werden, wodurch auch ein Festbacken vermieden wird. Schlechte Schliffe werden auch durch reichliche Verwendung von Fett nicht dicht. Im übrigen ist das Umgehen mit Normalschliffgeräten so einfach, daß im folgenden die allg. Arbeitsgänge unter Verwendimg der größere Sorgfalt und Geschicklichkeit erfordernden Kork- und Gummi-Verbindungen beschrieben werden. Außenkühlung: Viele Reaktionen, die unter starker Wärmeentwicklung verlaufen, müssen gemäßigt werden. Auch wenn zersetzliche Substanzen darzustellen sind, für die erhöhte Temperatur gefahrlich ist, muß häufig für Kühlung des Reaktionsgemisches Sorge getragen werden. Der Grad der Kühlhaltung ist verschieden und wird je nach der zu beseitigenden Wärmemenge und in Abhängigkeit von der jeweils erforderlichen Reaktionstemperatur erzeugt durch f l i e ß e n d e s L e i t u n g s wasser (8—12°), durch E i s , das, fein zerstoßen, mit wenig Wasser durchtränkt wird, durch E i s - K o c h s a l z g e m i s c h (0 bis —20°) und durch eine Mischung von f e s t e r K o h l e n s ä u r e mit Äther oder Aceton (bis —80°). F l ü s s i g e L u f t wird beim organisch-präparativen Arbeiten im allgemeinen nicht benötigt. Zur Darstellung einer K ä l t e m i s c h u n g , wie man sie sehr häufig braucht, wird in der Eismühle oder im Metallmörser gut zerkleinertes Eis mit etwa Y3 der Menge Viehsalz mit Hilfe einer kleinen Holzschaufel gut durcheinander gemischt, am besten in einer niederen Glasschale mit flachem Boden oder in einem niederen Emailtopf. Um ein Kältegemisch stundenlang, unter Umständen über Nacht wirksam zu erhalten, bringt man es in eine „ T h e r m o s f l a s c h e " , in der der Inhalt eingestellter Reagenzgläser längere Zeit bei tiefer Temperatur gehalten werden kann. Dem gleichen Zwecke für größere Dimensionen dient ein von P i c c a r d angegebenes I s o l i e r g e f ä ß , das man

Reindarstellung organischer Substanzen

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sich leicht aus zwei ineinander gestellten Filtrierstutzen herstellen kann. Der Boden des äußeren Stutzens wird mit Kieselgur angefüllt, bis der Rand des zentrisch hineingestellten kleineren die Höhe des äußeren Randes erreicht hat, dann stampft man in den Zwischenraum zwischen den beiden Stutzen ebenfalls Kieselgur ein und dichtet oben zwischen den Rändern mit Pech gut ab. Die K o n z e n t r a t i o n s v e r h ä l t n i s s e werden im allgemeinen beim organisch-präparativen Arbeiten allzuwenig berücksichtigt. Mit Ausnahme seltener Fälle (z. B. bei intramolekularen Umlagerungen) handelt es sich um Reaktionen höherer Ordnung, an denen mehrere Molekülarten — meist zwei — beteiligt sind. Da die Geschwindigkeit bimolekularer Reaktionen auf Grund der kinetischen Molekulartheorie der Anzahl der gegenseitigen Zusammenstöße der gelösten Molekeln proportional ist und sich demgemäß in dem Produkt der Konzentrationen ausdrückt: dx -J— =

k • CA • CB

(k =

Geschwindigkeitskonstant©),

tit so ist es in allen Fällen, wo nicht besondere Gründe dagegen sprechen, ratsam, die K o n z e n t r a t i o n einer R e a k t i o n s l ö s u n g möglichst hoch zu wählen. Man bedenke stets, daß die Herabsetzung der Konzentration auf die Hälfte, auf ein Viertel, auf ein Zehntel gleichbedeutend ist mit einer Verlangsamung der Reaktion auf das Vier-, Sechzehn- und Hundertfache. Hier ist nur ein allgemeiner Überblick über die gebräuchlichen Methoden und Handgriffe gegeben, wie sie bei den präparativen Übungen gebraucht werden. Über spezielle Bedürfnisse unterrichte man sich in folgenden Werken: C. Weygand, Organisch-chemische Experimentierkunst, Leipzig 1938. K. B e r n h a u e r , Einführung in die organischchemische Laboratoriumstechnik, Wien 1942; A. Weißberger, Technique of Organic Chemistry, 8 Bde., New York 1950.

Reindarstellung organischer Substanzen Die Stoffe, die das Ziel des präparativen Arbeitens bilden, sind meist feste, kristallisierte Körper oder Flüssigkeiten, mitunter auch Gase. Bei der großen Vielseitigkeit der Reaktionen organischer Stoffe verläuft, im ausgesprochenen Gegensatz zu den meisten Reaktionen in der anorganischen Chemie, kaum jemals eine Reaktion scharf in einer Richtung auf ein Endprodukt, sondern es treten fast stets Nebenreaktionen ein. Dadurch wird die Isolierung reiner, einheitlicher Substanzen aus einem Reaktionsgemisch, wie sie die vornehmste Aufgabe der präparativen Übungen darstellt, erheblich erschwert. Teils entstehen mehrere definierte chemische Stoffe nebeneinander, deren Trennung erreicht werden muß, teils handelt es sich um die möglichst I*

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

verlustfreie Befreiung des angestrebten Stoffes von unerfreulichen, nicht kristallisierbaren Begleitstoffen, den sog. H a r z e n oder S c h m i e r e n . Darunter versteht man Nebenprodukte — zuweilen leider auch Hauptprodukte —, deren Ursprung und Art meist unerforscht ist und die das Interesse der klassischen organischen Chemie bisher nur im Sinne ausgesprochener Mißbilligung erweckt haben. Von allen diesen unerwünschten Begleitern muß das zu gewinnende Präparat mit aller Sorgfalt befreit werden. Es sind f ü r die hier in Frage kommenden Aufgaben grundsätzlich zwei Methoden, die zum Ziele führen, nämlich: 1. die K r i s t a l l i s a t i o n , 2. die D e s t i l l a t i o n . Kristallisation G r u n d s ä t z l i c h e s : Feste kristallisierbare Körper werden bei einer Reaktion gewöhnlich als Rohprodukte erhalten, die entweder direkt oder nach dem Einengen der Lösung in mehr oder weniger reiner Form sich beim Erkalten abscheiden. Die K r i s t a l l i s a t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t schwankt bei organischen Stoffen innerhalb sehr weiter Grenzen und die Neigung, ü b e r s ä t t i g t e L ö s u n g e n zu bilden, ist außerordentlich groß. Aber selbst, wenn durch Einbringen eines Kristalles in die Lösung — durch „ A n i m p f e n " — die Aufhebung der Übersättigung bewirkt wird, stellt sich das Gleichgewicht der kaltgesättigten Lösung manchmal äußerst langsam ein. Die Ursache liegt eben in der verschiedenen Kristallisationsgeschwindigkeit. Darum erhält man den vollen Ertrag an Rohprodukt häufig erst nach vielstündigem Stehen der Lösung. Der Prozeß der U m k r i s t a l l i s a t i o n erfolgt im einfachsten (und häufigsten) Fall in der Weise, daß eine h e i ß g e s ä t t i g t e L ö s u n g d e s R o h p r o d u k t s in einem geeigneten Lösungsmittel hergestellt wird, aus der beim E r k a l t e n die Substanz in reinerer Beschaffenheit wieder auskristallisiert. Voraussetzung f ü r den Erfolg des Verfahrens ist, daß die Begleitstoffe größere Löslichkeit haben als die Substanz selbst, also auch in der erkalteten Lösung (der M u t t e r l a u g e ) gelöst bleiben. Auch im umgekehrten Sinne findet das Prinzip der verschiedenen Löslichkeit Anwendung, dann nämlich, wenn das Nebenprodukt vermöge seiner geringeren Löslichkeit in einem passenden Lösungsmittel aus der eben gesättigten Lösung der Substanz abgetrennt werden kann. Da hierbei die Lösung für das Nebenprodukt stets gesättigt bleibt, so kann diese Methode, anders als die erste, niemals in e i n e r Operation zur reinen Substanz führen. Für die Umkristallisation aus heiß gesättigter Lösung ist weiter wichtig, daß die T e m p e r a t u r k u r v e d e r L ö s l i c h k e i t möglichst s t e i l verläuft, d. h. daß das Lösungsvermögen des Lösungsmittels mit

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steigender Temperatur stark zunimmt. Nur dann ist es erreichbar, die eingesetzte Substanzmenge in möglichst hoher Ausbeute aus der Lösung herauszuholen. Die Wahl des richtigen Lösungsmittels ist daher für die Prozedur des Umkristallisierens von großer Bedeutung. Die gebräuchlichsten Lösungsmittel sind die folgenden: Wasser, Ä t h y l a l k o h o l , M e t h y l a l k o h o l , Ä t h e r , A c e t o n , Eisessig, Essigester, Benzol, Petroläther, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, in neuerer Zeit auch T e t r a h y d r o f u r a n , Methylenchlorid, N-Dimethylformamid. Für besonders schwer lösliche S u b s t a n z e n werden außerdem Ameisensäure, P y r i d i n , B r o m b e n z o l , N i t r o b e n z o l , mitunter auch Phenol, B e n z o e s ä u r e e s t e r , Anilin, D i o x a n verwendet. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Konstitution des zu lösenden Stoffs und der vom Solvens, gemäß dem alten Prinzip: similia similibus solvuntur. So sind bekanntlich hydroxylhaltige Stoffe (z. B. Zucker, Carbonsäuren) in Wasser löslich, Kohlenwasserstoffe leichter in Benzol und Petroläther als z. B. in Alkoholen. Aber der obige Satz gilt im allgemeinen nur für einfache organische Verbindungen mit einiger Sicherheit, bei komplizierten ergeben sich verwickeitere Verhältnisse, und man ist, wenn man nicht über eine große Erfahrung verfügt, genötigt, die vorhandenen Solventien der Reihe nach durchzuprüfen. Das meist benutzte ist der Alkohol, mit dem man in der Regel beginnt; dann kämen etwa W a s s e r , B e n z o l , P e t r o l ä t h e r an die Reihe. Man kann sagen, daß im großen und ganzen von den gebräuchlichen Lösungsmitteln B e n z o l , Chloroform und Ä t h e r ein sehr großes, P e t r o l ä t h e r und Wasser ein mäßiges Lösungsvermögen für organische Stoffe besitzen. Obwohl die Gültigkeit dieser Ordnung von vielen Substanzen durchbrochen wird, gibt sie doch für die Prüfung einen gewissen Anhalt. So wird man, wenn die Probe in Alkohol zu schwer löslich ist, nach der ersten Gruppe, wenn sie zu leicht löslich ist, nach der zweiten greifen. Bei schwer löslichen Stoffen wählt man häufig ein höher siedendes Homologes der gleichen Klasse, an Stelle des niederen Alkohols P r o p y l alkohol oder Amylalkohol, an Stelle von Benzol Toluol oder X y l o l , weil durch die erhöhte Siedetemperatur auch die Löslichkeit gesteigert wird. Es kommt sehr häufig vor, daß die Darstellung einer Substanz zu einem amorphen Rohprodukt führt, teils von harzartiger, teils von flockiger Beschaffenheit, das durch Digerieren mit einem geeigneten Lösungsmittel oder auch durch direktes U m k r i s t a l l i s i e r e n kristallinisch wird. Man beachte, daß die Löslichkeit eines und desselben Stoffes im amorphen und kristallisierten Zustand durchaus verschieden ist, und zwar ist das amorphe P r ä p a r a t s t e t s viel l e i c h t e r löslich.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Für Salze gilt ganz allgemein, daß sie in Wasser leicht, wohl auch in den A l k o h o l e n , A c e t o n und Chloroform löslich sind, dagegen von Ä t h e r , B e n z o l , P e t r o l ä t h e r nicht aufgenommen werden. Infolgedessen kann man o r g a n i s c h e S ä u r e n durch wäßrige Laugen, o r g a n i s c h e B a s e n durch wäßrige Säuren aus einem Giemisch mit n e u t r a l e n S t o f f e n , z. B. in Äther, herausholen. Die K o m b i n a t i o n v e r s c h i e d e n e r L ö s u n g s m i t t e l bildet ein wertvolles Hilfsmittel zur Reinigung, wenn ein Stoff in keinem Solvens die erforderliche mittlere Löslichkeit besitzt, sondern entweder allzu leicht oder allzu schwer löslich ist. Die Lösungsmittel, die gemeinsam verwendet werden, müssen miteinander mischbar sein. Es kommen meist in Anwendung: Alkohol, Eisessig, Aceton mit W a s s e r — Äther, Aceton, Benzol, Chloroform mit P e t r o l ä t h e r — Pyridin mit W a s s e r , Ä t h e r oder A l k o h o l , und zwar verfahrt man so, daß man die konz. Lösung, kalt oder heiß, tropfenweise mit dem Verdünnungsmittel versetzt, bis e b e n eine T r ü b u n g k o m m t , die durch Stehenlassen oder R e i b e n mit einem abgeschmolzenen Glasstab zur Kristallisation angeregt wird. Wenn die Kristallisation eingesetzt hat, wird v o r s i c h t i g weiter verdünnt. Es ist fehlerhaft, die gelöste Substanz auf einmal mit großen Mengen des wenig lösenden Mittels auszufällen. B e i a l l e n O p e r a t i o n e n , die m a n n o c h n i c h t in der H a n d h a t , f ü h r e m a n V o r v e r s u c h e im R e a g i e r g l a s aus. Daran soll sich der Praktikant von allem Anfang an gewöhnen. Als Aufnahmegefaß für das Filtrat dient bei wäßrigen Lösungen das B e c h e r g l a s , bei organischen Lösungsmitteln aber der E r l e n m e y e r k o l b e n , der keine Verdunstung zuläßt und so das Ansetzen von Krusten verhindert. Schon um die Einheitlichkeit des Kristallisats durch den Anblick kontrollieren zu können, soll die Kristallisation nicht gestört werden, damit möglichst g u t a u s g e b i l d e t e K r i s t a l l e entstehen. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß eine durch sofortige starke Abkühlung der Lösung erzeugte feine Kristallisation eine besonders reine Substanz darstelle. Durch die sehr große Oberfläche ist im Gegenteil der A d s o r p t i o n v o n N e b e n p r o d u k t e n weit mehr Gelegenheit geboten, als bei der Ausbildung größerer Individuen. Dazu kommt, daß dem für den Organiker unerläßlichen Gebot der Prüfung einer Substanz auf E i n h e i t l i c h k e i t bei gut ausgebildeten Kristallen viel leichter Genüge getan werden kann. Diese Prüfung der Präparate, sei es mit der L u p e , sei es unter dem Mikroskop — 50- bis 100 fache Vergrößerung ist ausreichend — ist nicht außer acht zu lassen. Ist in der Lösimg Sättigung bei Raumtemperatur eingetreten, so kann man die Menge des Kristallisats durch Einstellen des Gefäßes in Eiswasser oder in eine Kältemischung noch weiter steigern.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Niedrig schmelzende Substanzen scheiden sich beim Abkühlen ihrer heiß gesättigten Lösung bisweilen in öliger Form ab. Dann muß die Lösung noch etwas verdünnt werden. Weiter sorgt man in solchen Fällen für langsame Abkühlung dadurch, daß man den Kolben mit der heißen Lösung mit einem Tuch umwickelt oder in einem großen, mit Wasser von der gleichen Temperatur gefüllten Becherglas erkalten läßt. Von Stoffen, die schwierig kristallisieren, halte man stets eine kleine Probe zur Verwendung als „Impfkristalle" zurück. Mit ihrer Hilfe wird man der eben erwähnten Schwierig- __ ^ keiten bequem Herr, indem man sie in die noch nicht ganz kalt gewordene Lösung unter Reiben mit einem Glasstab einbringt. Zur Ausführung: Um eine heiß gesättigte Lösung zu bereiten, übergießt man die zu reinigende Substanz, am besten in einem kurzhalsigen Rundkolben, mit wenig Lösungsmittel, erhitzt zum Sieden und fügt nach und nach mehr davon zu, bis alles sich aufgelöst hat. Da in den rohen Substanzen vielfach unlösliche Beimengungen enthalten sind, beobachte man beim Auflösen genau, wann und ob die umzukristallisierende Verbindimg vollständig in Lösung gegangen ist. Zu langes Kochen ist wegen der Zersetzlichkeit vieler Substanzen zu vermeiden. Bei Benutzung von LösungsFig. 2 mitteln, die unter 80° sieden, erhitzt man am Rückflußkühler auf siedendem Wasserbad; das hinzuzufügende Lösungsmittel kann mit einem Trichter durch den Kühler eingegossen werden. Besser bringt man, namentlich bei größeren Operationen, auf dem Kolben einen Doppelrohr-Aufsatz (nach Anschütz) an (Fig. 28, S. 36), der ein bequemes Nachgießen, in andern Fällen auch Einbringen fester Substanzen gestattet. Das im Winkel angebrachte Rohr ist mit dem schräg gestellten Kühler verbunden, das gerade Rohrende, durch das nachgefüllt wird, durch einen Korkstopfen geschlossen. Wasser und andere, höher als 80° siedende Lösungsmittel werden am zweckmäßigsten auf Asbestunterlage im Baboschen Trichter oder auf dem Asbestdrahtnetz erhitzt. Liegt der Siedepunkt beträchtlich (> 20°) über dem des Wassers, so muß der Kühler wegen Bruchgefahr mit erwärmtem Wasser gespeist oder durch ein weites und langes Glasrohr (Luftkühler) ersetzt werden, auf das man bei Bedarf feuchtes Filtrierpapier auflegt. Für Reagenzglasversuche unter Rückfluß ist der sog. „Kühlzapfen" äußerst bequem (Fig. 2). Er besteht aus einem etwa 15 cm langen Glasrohr von 6—8 mm lichter Weite, das an einem Ende zugeschmolzen ist. Ungefähr 3 cm vom anderen Ende entfernt ist ein 3 cm langes dünneres Rohr im rechten Winkel angeschmolzen und — zum Aufhängen des Kühlers an einem Eisenring — nach der längeren Seite zu abgebogen, das durch einen

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

dünnen Schlauch das Kühlwasser ableitet. Dessen Zuführung erfolgt durch ein dünnes, mit einem Stückchen überzogenen Schlauches in das Kühlrohr eingesetztes, ebenfalls abgebogenes Glasrohr, das bis zum Boden reicht. Dieser handliche Kühler wird durch einen mit Kerbe versehenen Kork auf dem Reagenzglas befestigt. Zur Vermeidung des sehr lästigen S i e d e v e r z u g s gibt man v o r dem Aufkochen einige S i e d e s t e i n c h e n — etwa halberbsengroße Tonstückchen •— in den Kolben, die man, wenn sie unwirksam geworden sind, durch neue ersetzt (nicht in die überhitzte Lösung einwerfen!). Bei starkem Stoßen sind für größere Ansätze Holzstäbe zu empfehlen. Um g e f ä r b t e V e r u n r e i n i g u n g e n , die oft einer farblosen Substanz zähe anhaften, zu beseitigen, kocht man die heiß gesättigte Lösung mit einigen Messerspitzen T i e r k o h l e oder eigens präparierter H o l z k o h l e kurze Zeit weiter. Da die aus der Kohle entweichende Luft ein heftiges Aufschäumen verursacht, muß das Eintragen v o r s i c h t i g und unter Umschütteln erfolgen. Aus wäßriger oder alkoholischer Lösung werden die gefärbten Begleitstoffe wegen ihres kolloidalen Charakters am leichtesten adsorbiert. Im unpolaren Lösungsmittel pflegt Kohle als Adsorbens unwirksam zu sein; hier bedient man sich zur Entfernung färbender Verunreinigungen mit Vorteil des Aluminiumoxyds oder der Bleicherde; die Methodik entspricht der der chromatographischen Adsorption (S.14). F i l t r i e r e n : Die Kristallisationslösungen sind, auch wenn sie nicht mit Entfarbungskohle behandelt wurden, nicht völlig klar und müssen deshalb filtriert werden. Dem F a l t e n f i l t e r ist im allgemeinen ein gewöhnliches R u n d f i l t e r vorzuziehen, das man in den meist nicht im genauen Winkel angesetzten Glastrichter dadurch dicht einpaßt, daß man bei der letzten Faltung die Quadranten unter einem kleineren Winkel zusammenlegt und dann den größeren Kegelmantel zum Filtrieren benutzt. Als F i l t r i e r p a p i e r ist beim organisch-präparativen Arbeiten nur l e i c h t d u r c h l ä s s i g e s , „ g e n a r b t e s " , brauchbar. Häufig kristallisiert die gelöste Substanz, namentlich aus sehr konzentrierter Lösung, infolge der Abkühlung schon im Trichter aus und verhindert so die Ausführung der Filtration. Diesem Mißstand kann man durch Anwendung eines Trichters mit kurz (%—1 cm) unterhalb des Konus abgeschnittenem Abflußrohr (Fig. 3) einigermaßen begegnen. Viel empfehlenswerter aber ist die Benutzung eines sog. H e i ß w a s s e r t r i c h t e r s (Fig. 4), in dem die Filtrierfläche des Trichters durch siedendes Wasser vom äußeren Blechmantel aus erhitzt wird. Bei Anwendung entzündlicher Lösungsmittel muß vor dem Filtrieren die Heizflamme abgedreht werden. Der D a m p f t r i c h t e r (gemäß Fig. 5) ist ebenfalls gut brauchbar. Hat man nur kleine Flüssigkeitsmengen zu filtrieren, so kann man den leeren Trichter über freier Flamme vorwärmen oder man befeuchtet das eingelegte Filter mit etwas Alkohol, den man anzündet und bei horizontal gehaltenem Trichter unter Drehen bis zur

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beginnenden Ankohlung des Papiers abbrennen läßt. Zum Heißfiltrieren haben sich doppehvandige Porzellannutschen, die mit Dampf geheizt werden, als besonders bequem erwiesen. Manchmal, namentlich bei schwer filtrierbaren wäßrigen Lösungen, empfiehlt sich auch Durchsaugen auf einer P o r z e l l a n n u t s c h e mit vorher gut gedichtetem Filter; Saugflaschen aus gewöhnlichem Glas müssen vor der Benutzung vorsichtig angewärmt werden, am besten derart, daß man sie in einen Emailtopf mit warmem Wasser einstellt und dieses dann bis zum Sieden erhitzt.

Fig. 5 Fig. 4 Fig. 3 Wenn sich beim Filtrieren einer Lösung durch Auskristallisieren von Substanz das Filter verstopft, so helfe man sich nicht durch Durchstoßen des Filters. Man kocht vielmehr das aufrecht stehende Filter in einem kleinen Becherglas mit frischem Lösungsmittel aus und filtriert dann die verdünntere Lösimg durch das gleiche Filter. Die Gesamtlösung muß in solchen Fällen meist durch Einengen konzentriert werden.

Will man beim Umkristallisieren s c h ö n e K r i s t a l l e erzielen, so muß das Filtrat, in dem häufig schon während des Filtrierens eine Ausscheidung erfolgt, wieder bis zur klaren Lösung erhitzt und dann l a n g s a m , ohne äußere Störung, erkalten gelassen werden. Die Isolierung der Kristalle wird in keinem Falle durch gewöhnliches Filtrieren, sondern s t e t s durch A b s a u g e n über Filtrierpapier — bei starken Laugen und Säuren auch über Glaswolle oder Asbest, am besten über S c h o t t sehen Filtern aus gefrittetem Glas — bewerkstelligt. Bei größeren Substanzmengen bedient man sich des B ü c h n e r schen T r i c h t e r s , der sog. N u t s c h e (Fig. 6), deren Dimension zu der abzusaugenden Masse in das richtige Verhältnis zu bringen ist. Es ist durchaus verkehrt, einige Gramm Substanz auf einer Nutsche von sechs oder mehr Zentimeter Durchmesser abzusaugen. Der Porzellannutsche ist in vielen Fällen, namentlich dann, wenn kleinere Mengen (5 g oder weniger) abzusaugen sind, die W i t t s c h e F i l t e r p l a t t e vorzuziehen (Fig. 7). Der Vorteil besteht darin, daß die Reinheit des Geräts viel besser kontrollierbar ist, als bei der nicht durchsichtigen Porzellannutsche, vor allem aber darin, daß wegen der viel kleineren Grundfläche das Auswaschen des Niederschlags weit weniger Lösungsmittel erfordert.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Zur Herrichtung des Filters wird ein kleines Stückchen Filtrierpapier um die obere Kante der Filterplatte herumgeknickt und dann eine Scheibe von 2—3 mm größerem Halbmesser mit der Schere herausgeschnitten. Man dichtet das mit dem Lösungsmittel befeuchtete Filter mit einem abgerundeten Glasstab oder bei größeren Platten mit dem Fingernagel, indem man die kleinen Falten ausstreicht.

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Fig. 6

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Hat man ganz k l e i n e S u b s t a n z m e n g e n von einigen Zentigramm oder weniger zu filtrieren, so benutzt man als Filtrierunterlage k l e i n e G l a s s c h e i b e n von 0,5—1 cm Durchmesser, die man aus dünnen Glasstäben in der Weise darstellt, daß man diese am äußeren Ende in der Gebläseflamme zum Erweichen bringt und jetzt auf einem Eisenblech oder Tonteller plattdrückt ( D i e p o l d e r ) . Der Glasstab muß so dünn und so lang sein, daß er in das Rohr eines ganz kleinen Trichters hineinpaßt und unten hinausragt. Als Filtrierauflage dient eine etwas größere, dicht aufsitzende Scheibe von Filtrierpapier (Fig. 8). Um die abgesaugte Substanz von der Filterplatte zu entfernen, stellt man den Trichter umgekehrt über eine Schale oder ein Uhrglas und befördert mit einem dünnen Glasstab oder Kupferdraht alles auf diese Unterlage; der „Glasknopf" wird von seinem unteren Ende aus herausgeschoben. Die Platte wird mit der Pinzette entfernt, das Filter erst nach dem Trocknen. Die am Trichter haften bleibende Substanz streicht man ohne Verlust mit einem schräg durchschnittenen Stückchen Karton (Kartenblatt) heraus.

Ein rascheres Arbeiten ermöglichen konische Porzellantrichter ( H i r s c h - T r i c h t e r ) oder Glastrichter mit eingeschmolzener durchlochter Filterplatte aus Glas mit einem Durchmesser von einigen Fig. 8 cm bis zu wenigen mm. Zur Aufnahme des Filtrats beim Absaugen dient die S a u g f l a s c h e , deren Größe dem Volumen der Lösung anzupassen ist. Zum Filtrieren im kleinen Maßstab wird das auch sonst sehr nützliche S a u g r ö h r c h e n (Fig. 8) von verschiedener Größe herangezogen. Es steht in einem Blei-

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fuß oder in einem kleinen, mit Bohrungen für mehrere Durchmesser versehenen Holzblock. Bei der großen methodischen Bedeutung der Darstellung analysenreiner Substanzen muß schon der organische Praktikant der Technik des Filtrierens die größte Aufmerksamkeit zuwenden. Das Verfahren, eine Kristallisation samt der Mutterlauge auf Ton aufzugießen und die Kristalle nachzuwaschen, ist nachdrücklich zu verwerfen. Überhaupt sollte der Sinn des Anfängers darauf gerichtet werden, schon bei der Darstellung organischer Präparate m ö g l i c h s t q u a n t i t a t i v zu arbeiten. Nicht die Anzahl der Präparate gibt den Ausschlag für den Erfolg, sondern die Sorgfalt und Gründlichkeit, mit der jede einzelne Reaktion durchgeführt wird. Aus diesen Gründen darf die „ M u t t e r l a u g e " nicht als Abfall behandelt und vernachlässigt werden. Ihre Bedeutung wird zwar erst dem wissenschaftlich arbeitenden Organiker klar, aber auch der präparative Anfanger soll aus ihr herausholen, was für seine Zwecke aus ihr herauszuholen ist Darum werden die Filtrate durch Wegdampfen von einem Teil des Lösungsmittels wieder in (kalt) übersättigte Lösungen übergeführt und so eine z w e i t e K r i s t a l l i s a t i o n erzielt, der unter Umständen noch eine weitere nachfolgen kann. In der Regel müssen die so gewonnenen Kristallisate nochmals aus neuem Lösungsmittel umkristallisiert werden (Kontrolle durch Schmelzpunkt!). Über das A u s w a s c h e n der kristallisierten Niederschläge, das ihre Befreiung von der anhaftenden Mutterlauge zum Zweck hat, ist noch einiges zu sagen. Stets ist das angewandte Lösungsmittel zu benutzen, und zwar, da sein Lösungsvermögen für die Substanz auch in der Kälte schon zu mehr oder weniger großen Verlusten führt, in m ö g l i c h s t g e r i n g e r Menge. Während des Nachwaschens darf nicht gesaugt werden; man durchtränkt den Niederschlag mit dem Lösungsmittel und setzt dann erst die Pumpe an. Es ist zweckmäßig, die Woulfsche Flasche oder Saugflasche, die jeder Wasserstrahlpumpe vorgeschaltet sein muß, mit einem Regulierhahn zu versehen, der nicht nur eine bequeme Ausschaltung der Saugwirkung, sondern auch eine in vielen Fällen notwendige Veränderung des Unterdrucks gestattet.

Bei Stoffen, die schon in der Kälte leicht löslich sind, muß das zum Waschen verwendete Lösungsmittel in einer Kältemischung vorgekühlt werden. Solange noch Mutterlauge an den Kristallen haftet, darf man durch den von tropfbarer Lauge befreiten Niederschlag k e i n e L u f t saugen, wenn leicht flüchtige Lösungsmittel in Anwendung sind. Es kommt sonst auch der unreine Inhalt der Mutterlauge zur Ausscheidung, und es besteht, namentlich bei leicht löslichen Substanzen, keine Sicherheit, daß die Verunreinigungen beim Nachwaschen wieder vollständig entfernt werden.

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Geringe Substanzmengen werden durch Auftropfen des Lösungsmittels ausgewaschen. D a z u dient ein sog. T r o p f r o h r (Fig. 9), das ist ein zu einer nicht zu dünnen Kapillare ausgezogenes Glasrohr, das auch bei Ausführung v o n vielen Reaktionen sehr nützlich ist u n d den Sinn für sauberes Arbeiten fördert. .—.

Der häufig zu beobachtende Brauch, Substanzen dadurch zu „reinigen", daß man ihre Lösung in einer Kristallisierschale zur Trockne verdampft oder eindunsten läßt, führt naturgemäß n i c h t zum Ziel, da ja auf diesem Weg die Verunreinigungen nicht entfernt werden. Kleine Mengen schwer filtrierbarer Niederschläge lassen sich mit Hilfe einer kleinen H a n d z e n t r i f u g e bequem und rasch abtrennen. Trocknen der Substanzen: E i n reines Präparat m u ß v o m anhaftenden Lösungsmittel vollkommen befreit werden. Man trocknet unempfindliche Substanzen am bequemsten zwischen Filtrierpapier auf sauberer Unterlage bei Zimmertemperatur, indem m a n sie 1 oder 2 Tage an der L u f t stehen läßt. Hochschmelzende Substanzen werden rascher im T r o c k e n s c h r a n k oder auf dem W a s s e r b a d v o m Lösungsmittel befreit; jedoch muß dies stets mit einiger Vorsicht geschehen.

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Die sicherste — für Analysenpräparate allein anwendbare — Methode ist die Trocknung im V a k u u m e x s i c c a t o r , der mit konz. Schwefelsäure beschickt ist. D a s alte S c h e i b l e r s c h e Modell halten wir für das zweckmäßigste.

Die Konsistenz des F e t t e s ist für die Dichtung des Deckelschliffes sehr wichtig; am besten eignet sich a d e p s l a n a e a n h y d r i c u s oder ein Gemisch aus gleichen Teilen R i n d e r f e t t und V a s e l i n e . Das (rundgeschmolzene) Rohr mit dem Abschlußhahn wird, mit etwas G l y c e r i n befeuchtet, in den vorher in den Tubus eingesetzten Gummistopfen hineingeschoben; die Führung muß streng sein. Den E i n s a t z bildet eine, auf drei niedere Füße aufgeschmolzene Porzellanplatte mit mehreren kreisrunden Öffnungen zur Aufnahme von kleinen Schalen, Uhrgläsern u. dgl. Um das Hin- und Herrutschen des Einsatzes zu verhindern, ist der Zwischenraum zur Exsiccatorwand mit drei entsprechend zugeschnittenen Korkstücken ausgefüllt, die fest ansitzen. Damit beim Aufheben des Vakuums durch die hereinblasende Luft keine Substanz verstäubt wird, stellt man vor dem Tubus durch den Einsatz festgehalten, ein Blatt steifen Karton, ein Kartenblatt o. dgl. auf. Den Zug der einströmenden Luft mildert man überdies dadurch, daß man ein Stückchen Filtrierpapier vor dem öffnen des Hahns an die äußere Rohröffnung hält, das dann angesaugt wird und einen ausreichenden Widerstand bildet. Um die einströmende Luft zu trocknen, ist dem Hahnrohr außen ein gerades C a l c i u m c h l o r i d r o h r aufgesetzt, dessen Inhalt durch Glaswolle oder besser Watte nach beiden Seiten gut gesichert sein muß. In Exsiccatoren, die viel umhergetragen werden, füllt man den Schwefelsäurebehälter bis zur Standhöhe der Säure mit G l a s r e s t e n — zerbrochenen Rohrstücken, Stopfen u. dgl. — oder (vorher mit verdünnter Salzsäure ausgekochten und dann getrockneten) Bimssteinstücken, wodurch ein Spritzen hintangehalten wird. Die konz. Schwefelsäure ist von Zeit zu Zeit zu erneuern. Für a n a l y t i s c h e Z w e c k e muß ein besonderer Vakuumexsiccator bereit stehen.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Zur Verstärkung der Trockenwirkung, namentlich gegenüber Wasser, stellt man auf den Einsatz eine kleine, mit festem technischem Ätz kali gefüllte Schale. Die meisten Lösungsmittel, außer Chloroform, Benzol, P e t r o l ä t h e r und S c h w e f e l k o h l e n s t o f f , werden von dieser Beschickung absorbiert. Um Substanzen von diesen vier Solventien zu befreien, bringt man dünne P a r a f f i n s c h n i t z e l in einer flachen Schale neben die Substanz in den Exsiccator, falls ihre Eigenschaften das Trocknen an der Luft verbieten.

Fig. 10

Man mache sich zur Regel, keinen Vakuumexsiccator zu benutzen, der nicht über Nacht das volle Vakuum hält (Prüfung mit Manometer). Es genügt so, einmal zu evakuieren und über Nacht stehen zu lassen. Das stundenlange Saugen an der Pumpe ist unnütze Wasserverschwendung. Manche Substanzen enthalten Wasser oder andere Lösungsmittel so fest gebunden, daß sie im Vakuum bei Raumtemperatur nicht davon befreit werden können. Man trocknet dann im Vakuum bei erhöhter Temperatur, indem man die Substanz in einem kleinen Rundkolben im Wasserbad oder Ölbad so lange erhitzt, bis keine Gewichtsabnahme mehr erfolgt. Besonders bequem ist die sog. Trockenp i s t o l e (Fig. 10). Die Dämpfe der in A zum Sieden erhitzten Flüssigkeit heizen das innere, weite Rohr B mit der auf einem Porzellanschiffchen ausgebreiteten Substanz. In C befindet sich ein T r o c k e n m i t t e l , und zwar für Wasser und Alkohole P 2 0 6 , für andere Dämpfe f e s t e s P a r a f f i n . Als H e i z f l ü s s i g k e i t verwendet man je nach der gewünschten Temperatur C h l o r o f o r m (66°), W a s s e r (100°), Toluol (111°), X y l o l (140°).

Für das Trocknen kleinerer Substanzmengen ist der auf S. 48 abgebildete K u p f e r - T r o c k e n b l o c k sehr zu empfehlen. Hat man aus schwer flüchtigen Lösungsmitteln, wie Eisessig, Xylol, hochsiedendem Petroläther, Nitrobenzol u. dgl. umkristallisiert, so wasche man vor dem Trocknen mit einem leichter entfernbaren, wie Äther, Benzol, Gasolin, das erstere weg. Im allgemeinen wird eine in

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Eisessig oder Nitrobenzol schwer lösliche Substanz auch von Äther nicht leicht gelöst. Sehr fein verteilte Niederschläge und auch solche, die die Filterporen verstopfen, werden mit Hilfe einer Z e n t r i f u g e von der flüssigen Phase abgetrennt. Chromatographische Adsorption1 So bezeichnet man ein weiteres sehr wirksames Reinigungsverfahren, das auf der unterschiedlichen Affinität der Komponenten eines gelösten Stoffgemischs zu den Oberflächen bestimmter pulvriger Adsorptionsmittel, wie Tonerde (standardisiert nach B r o c k m a n n ) , Bleicherde, Silicagel, Magnesiumoxyd, Calciumoxyd, Calciumcarbonat, Zucker, Stärke u. a. beruht. Für jeden Stoff stellt sich an der adsorbierenden Oberfläche ein charakteristisches G l e i c h g e w i c h t zwischen der Konzentration im Lösungsmittel und am Adsorbens ein. Bringt man die Lösung eines Stoffgemisches auf das obere Ende einer Säule, die aus einem vertikal stehenden, mit dem porösen Adsorptionsmittel gefüllten Glasrohr besteht, läßt eben einsickern und wäscht dann mit einem geeigneten Lösungsmittel, evtl. unter schwachem Saugen durch (bei leicht verdunstenden Flüssigkeiten empfiehlt sich die Anwendung eines schwachen Überdrucks), so wandern alle Stoffe als Zonen nach unten, und zwar diejenigen, die im Adsorptions-Gleichgewicht das Lösungsmittel bevorzugen mit größerer Geschwindigkeit als jene mit größerer Affinität zum Adsorbens. Diese Aufteilung in Zonen der reinen Stoffe läßt sich bei gefärbten Substanzen direkt, bei manchen anderen an der Fluoreszenz im ultravioletten Licht beobachten. Man kann nun die Operation abbrechen, wenn auf der Säule die Zonen genügend weit voneinander gewandert sind und dann das „Chromatogramm" aus dem Glasrohr herausstoßen, mechanisch zerlegen und die Stoffe mit geeigneten Lösungsmitteln „eluieren". Wir bringen ein charakteristisches Beispiel für diese Methode beim Chlorophyll (S. 358). Eine andere Möglichkeit, die man vor allem bei farblosen Stoffen häufig anwendet, besteht darin, daß man den aus der Säule kontinuierlich abtropfenden Durchlauf in vielen Portionen „fraktioniert" auffängt und so die Komponenten rein gewinnt. Dabei empfiehlt es sich, nach und nach der Waschflüssigkeit immer größere Mengen eines stark eluierenden Mittels, wie Alkohol, Methanol oder Wasser zuzusetzen. Neuerdings hat die Verwendimg von Filtrierpapier als Adsorptionsmittel ( P a p i e r c h r o m a t o g r a p h i e 2 ) namentlich bei biochemischen Arbeiten eine ausgedehnte Verwendung gefunden. Das Prinzip des Verfahrens besteht darin, daß man einen Tropfen der Lösung eines 1 M. T s w e t t , Ber. d. dtsch. bot. Ges. 24, 234, 361, 384 (1906). Näheres über die Ausarbeitung der Methode findet man bei Gerhard H e s s e , „Adsorptionsmethoden im chemischen Laboratorium", Verlag W. de Gruyter & Co., Berlin. 2 C o n s d e n , Gordon und Martin, Biochem. J. 38, 224 (1944).

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Substanzgemisches auf einem Streifen Filtrierpapier eintrocknen und dann ein organisches, meist wasserhaltiges Lösungsmittel sich kapillar darüber hinwegbewegen läßt. Dabei werden die Bestandteile verschieden schnell mitgenommen, so daß sie sich am Ende der Operation an verschiedenen Stellen des Papiers befinden, wo sie durch spezifische Farbreaktionen als Flecken nachgewiesen werden. Ein Beispiel findet man auf S. 342. Destillation Bei der Reinigung durch D e s t i l l a t i o n wird die Substanz im Dampfzustand weggeführt und durch Abkühlung an andrer Stelle wieder in den flüssigen oder festen Aggregatzustand gebracht. Voraussetzung f ü r die Anwendung dieser Reinigungsmethode ist die Beständigkeit des Stoffes bei seiner Siedetemperatur. Diese kann erniedrigt werden durch V e r d a m p f u n g i m Vak u u m , und zwar sinkt der Siedepunkt im üblichen Vakuum der Wasserstrahlpumpe (12 mm) gegenüber dem bei Atmosphärendruck im Durchschnitt um 100 bis 120°. Bei Stoffen, die unter gewöhnlichem Druck oberhalb 250° sieden, erhöht sich dieser Unterschied. Daher können sehr häufig Substanzen, die sich schon unterhalb ihres normalen Siedepunktes zersetzen, durch Destillation im Vakuum gereinigt werden, da sie so einer weit niedrigeren Temperatur ausgesetzt sind. Einfach zusammengesetzte, vor allem auch leicht flüchtige Substanzen, wie Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ester, die niederen Säuren, Amine u. dgl. destilliert m a n unter Atmosphärendruck. Bei allen zersetzlichen Stoffen, auch bei besonders hoch siedenden, nimmt man die Destillation unter Unterdruck vor. Bei festen kristallisierten Körpern wird m a n im allgemeinen den Weg der Destillation nur dann beschreiten, wenn die Reinigung durch Kristallisation wegen allzu großer Löslichkeit oder aus anderen Gründen nicht zum Ziel f ü h r t . Die Möglichkeit der Destillation (ohne Zersetzung) m u ß natürlich in jedem Fall vorher feststehen. Die Destillation, sei es unter Atmosphärendruck oder im Vakuum, dient nicht nur zur Abtrennung des rein darzustellenden Produkts von nicht flüchtigen Beimengungen, sondern auch zur Scheidung von Gemischen flüchtiger Stoffe auf Grund ihres verschiedenen Dampfdrucks und damit Siedepunkts ( f r a k t i o n i e r t e D e s t i l l a t i o n ) .

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Destillation bei Atmosphärendruck: Als Destillationsgefäß dient der einfache F r a k t i o n i e r k o l b e n mit abwärts geneigtem Kondensationsrohr (Fig. 11), das im allgemeinen bei leicht siedenden Flüssigkeiten hoch, bei höher siedenden tief, d. h. näher bei der Kugel, angesetzt sein soll. Das T h e r m o m e t e r ist durch einen reinen durchbohrten Kork mit dem Kolben verbunden; die Quecksilberkugel muß vollständig von den Dämpfen der Substanz umspült werden, also kurz u n t e r h a l b d e s A n s a t z r o h r e s stehen.

Da die gewöhnlichen Laboratoriumsthermometer häufig ungenau sind, müssen sie vor dem Gebrauch mit einem N o r m a l t h e r m o m e t e r verglichen werden. Am genauesten wird die Eichung, wenn man die beiden Thermometer nebeneinander in konz. Schwefelsäure oder Paraffin auf 250° bringt und dann die Abkühlungstemperaturen von 10 zu 10° beobachtet und aufschreibt. Thermometer für Destillationen sollen eine kleine Kugel haben, damit die Temperatureinstellung rasch erfolgt.

Die Größe des Destillierkolbens ist so zu wählen, daß die Kugel von der Flüssigkeit zur Hälfte bis zu zwei Drittel erfüllt ist. Um Siedeverzug und damit Überhitzung zu vermeiden, bringt man einige kleine, halberbsengroße Tonstückchen ( S i e d e s t e i n e ) vor jeder Destillation in den Siedekolben. Sie müssen bei dennoch eintretendem SiedeVerzug erneut eingetragen werden, jedoch nicht in die überhitzte Flüssigkeit, sondern erst nach kurzer Abkühlung 1 . Der Kolben wird oberhalb des Ansatzrohrs in eine mit Kork ausgekleidete Klammer eingespannt. Heizquellen: Flüssigkeiten, die nicht höher als 80° sieden, werden im W a s s e r b a d erwärmt (Emailtopf oder Becherglas); d i e T e m p e r a t u r d e s H e i z b a d e s soll u n g e f ä h r 20° ü b e r d e m S i e d e p u n k t d e r S u b s t a n z liegen. Die Einhaltung der richtigen Heiztemperatur ist von großer Bedeutung, da bei zu großer Steigerung derselben infolge von Überhitzung zu hohe Siedepunkte des Destillats gefunden werden. Bei höher siedenden Stoffen kann man für präparative Zwecke, wo ein Spielraum von einigen Graden für den Siedepunkt in Kauf genommen werden kann, meist die f r e i e , r u ß e n d e G a s f l a m m e benutzen, mit der der Kolben, anfangs vorsichtig, umfächelt wird; auch Erhitzen auf dem B a b o t r i c h t e r oder auf dem D r a h t n e t z ist anwendbar. Bei wertvollen Substanzen und wenn Anspruch auf analytische Reinheit erhoben wird, auch dann, wenn aus Gründen der Beständigkeit der Substanz Überhitzung vermieden werden soll, wird man ein ö l - oder P a r a f f i n b a d vorziehen, für Temperaturen > 220° ein M e t a l l b a d aus Woodscher oder Rosescher Legierung oder die Schmelze von gleichen Teilen K a l i - und N a t r o n s a l p e t e r , beide in einem eisernen Tiegel. Besonders angenehm im Gebrauch sind die e l e k t r i s c h e n Heizmäntel. 1

Wiederholt verwendbare Siedesteinchen liefert die Fa. Pöllath, Zeil a. M.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Niedrig siedende Substanzen werden in einem Lieb ig sehen K ü h l e r kondensiert, der mit Kork an das Ansatzrohr angeschlossen ist. Will man jeglichen Verlust durch Verflüchtigung vermeiden, so verbinde man das Kühlrohr durch einen sog. Vorstoß mit der als Vorlage dienenden Saugflasche, die durch Eis oder auch Kältegemisch gekühlt wird. Bei Flüssigkeiten, die um 100° sieden, genügt ein kurzer Kühler, und bei der Destillation geringer Mengen ist die Verwendung eines kleinen, dicht über das Ansatzrohr stülpbaren K ü h l m a n t e l s zur Einschränkung von Materialverlusten besonders ratsam. Ein solcher ist in Fig. 19 und 22 abgebildet. Bei Siedetemperaturen oberhalb 120° kühlt man im allgemeinen nicht mehr mit fließendem Wasser, weil das Kühlrohr bei der Berührung mit dem heißen Dampf leicht springen kann; hier dient das im Mantel stehende Wasser, das sich allmählich erwärmt, als Kühlflüssigkeit. j,. ^ Wenn der Siedepunkt 150° überschreitet, genügt bloße L u f t k ü h l u n g (weites Kühlrohr ohne Mantel). Substanzen, die nach der Kondensation rasch erstarren, dürfen niemals aus einem Fraktionierkolben mit engem Ansatzrohr destilliert werden; man kann zwar das Destillat im frei liegenden Rohr durch Anwärmen mit der Flamme wieder verflüssigen, aber die an den durch Korke oder andere Verbindungen gedeckten Stellen auftretenden Versperrungen sind oft kaum mehr zu öffnen und verursachen viel Zeitverlust und Ärger. Deshalb greift man sofort zu dem mit weitem Ansatz versehenen S c h w e r t - oder S ä b e l k o l b e n (Fig. 12), aus dem nach beendigter Destillation das Produkt mühelos, am besten durch H e r a u s s c h m e l z e n , entnommen werden kann. Die A u s f ü h r u n g einer D e s t i l l a t i o n gestaltet sich normalerweise folgendermaßen: Nach allmählichem Erhitzen des Kolbeninhalts steigt unter den äußeren Erscheinungen des Siedens der Quecksilberfaden des Thermometers mit einem Male rasch in die Höhe, um bei einer bestimmten Temperatur, dem S i e d e p u n k t , haltzumachen. Hat sich diese Temperatur innerhalb eines Grades fest eingestellt, so vertauscht man die Vorlage — ein kleines weites Röhrchen oder dergleichen — mit dem „Vorlauf" gegen ein der zu erwartenden Substanzmenge angepaßtes Auffanggefäß (Erlenmeyer oder enghalsige Stöpselflasche mit aufgesetztem Trichterchen) und erhitzt weiter in dem Maße, daß alle 1—2 Sekunden ein Tropfen übergeht. Das Thermometer muß dauernd im Auge behalten werden. D i e S u b s t a n z s o l l im a l l g e m e i n e n in der T e m p e r a t u r s p a n n e v o n n i c h t mehr als 1—2 Graden ü b e r g e h e n ; bei analytisch reinen Präparaten ist die Grenze enger zu 2

G a 11 e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 39. Anfl.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

ziehen. Destilliert man mit freier Flamme, so steigt gegen das Ende hin der Siedepunkt wegen Überhitzung regelmäßig um ein paar Grade, obwohl noch reine Substanz übergeht. Erhöht sich der Siedepunkt schon früher über den angegebenen Bereich, so wird die Vorlage wiederum gewechselt und unter Fortsetzung der Destillation ein drittes Kondensat, der „ N a c h l a u f " , aufgefangen. Es ist zu beachten, daß im Vorlauf wie im Nachlauf noch Anteile des Hauptprodukts enthalten sind. Der Dampfdruck einer destillierbaren Substanz ist schon unterhalb des Siedepunktes so beträchtlich, daß mit den leichter flüchtigen Bestandteilen (gewöhnlich Reste von Lösungsmitteln) des ursprünglichen Destillationseinsatzes auch Dampf der Substanz übergeht. Andererseits steigt der Siedepunkt einer Substanz, wenn sie sich im Gemisch mit höher siedenden Stoffen befindet. So läßt sich Äther, der überaus häufig zur Aufnahme organischer Präparate verwendet wird, selbst auf dem siedenden Wasserbad nicht vollständig von einer viel weniger flüchtigen Substanz abtrennen, obwohl sein Siedepunkt schon bei 35° liegt. Ein anderes bekanntes Beispiel bildet die Benzolwäsche der Kokereien, auf das aber hier nicht näher eingegangen werden kann.

Daraus erklärt sich, daß auch der Nachlauf nicht frei ist von dem Hauptprodukt, und wenn Vorlauf und Nachlauf ansehnliche Mengen darstellen, so lohnt sich eine nach den angegebenen Regeln zu wiederholende getrennte Destillation dieser beiden Anteile. Die fraktionierte Destillation: Nicht so einfach wie im vorstehenden geschildert, liegen die Verhältnisse, wenn es sich darum handelt, m e h r e r e flüchtige Produkte einer Reaktion durch Destillation voneinander zu trennen. Die Aufgabe wird erschwert in dem Maße, als die Siedepunkte der einzelnen Bestandteile sich einander nähern, und es gelingt mit den üblichen Laboratoriumsmitteln schon nicht leicht, Substanzen mit einiger Schärfe voneinander zu scheiden, deren Siedepunkte sich um 10° unterscheiden. Der Weg, der hier in der größten Annäherung das Ziel erreichen läßt, ist der der mehrfachen Wiederholung des Destillationsprozesses. Sie kann bei niedrig siedenden Stoffen in e i n e r Operation vorgenommen werden durch Anwendung von sog. F r a k t i o n i e r a u f s ä t z e n , das sind Kondensationssysteme, die vor der endgültigen Kondensation in die Dampfphase eingeschaltet sind. Durch Luftkühlung wird in den einzelnen Abteilungen dieser Destillationsaufsätze, die verschiedenartig konstruiert sein können (z. B. Fig. 13), Dampf verflüssigt und der nachdrängende Dampf muß diese Kondensate, die in seiner Bahn liegen, durchströmen. Dabei werden seine weniger flüchtigen Bestandteile kondensiert, während die leichter flüchtigen am nächsten Glied des Aufsatzes das gleiche Spiel wiederholen. So kommt eine der Anzahl der Kugeln des Aufsatzes entsprechende Menge von Einzeldestillationen zustande, die bei v o r s i c h t i g e r u n d l a n g s a m e r Ausführung der Operation eine weit-

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gehende Trennung ermöglicht. Es eignen sich für diesen Zweck auch zylindrische Aufsätze, die regellos mit R a s c h i g - R i n g e n aus Glas, Berl-Sätteln oder noch besser mit Formstücken aus Drahtnetz oder Drahtwendeln angefüllt sind. Erwähnt sei auch die in Fig. 14 abgebildete „Widmer-Spirale" 1 , die in kleinerer Ausführung in das Lumen des Destillationskolbens eingesetzt werden kann und kleinere Substanzmengen der fraktionierten Destillation zugänglich macht.

V Fig. 13

Fig. 14

Die technische Anwendung des Prinzips der fraktionierten Destillation finden wir in der Spiritusfabrikation und in der auf dem gleichen Weg erfolgenden Isolierung der aromatischen Kohlenwasserstoffe aus dem Leichtöl des Steinkohlenteers. Eine kritische Zusammenstellung der im Laboratorium verwendeten FraktionierKolonnen findet man bei F. S t a g e , Ang. Ch. B. 19, 175, 215 (1947).

Flüssigkeitsgemische von höherem Siedepunkt ( > 120°) trennt man in ihre Bestandteile, indem man sie zuerst durch Destillation in mehrere Fraktionen von ungefähr gleichem Siedepunktsintervall zerlegt; die einzelnen Destillate werden (in kleineren Siedekolben) durch Destillation erneut aufgeteilt, die in ihren Siedepunkten einander naheliegenden Fraktionen werden dann noch mehrere Male unter immer schärferer Einengung der Siedepunktsgrenzen fraktioniert überdestilliert.Will man, was sehr empfehlenswert, auch hier die obenerwähnte Widmer-Spirale benutzen, so muß der Aufsatz, in dem sie sitzt, mit Asbest gut isoliert werden. 1

W i d m e r , Helv. VII, 59 (1924). 2*

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Nicht alle Gemische sind durch Destillation trennbar; bisweilen bilden Stoffe, die bei verschiedenen Temperaturen sieden, konstant übergehende Destillate (azeotrope Gemische). Die Vakuumdestillation: Der organische Chemiker muß sich immer bewußt sein, daß fast alle Stoffe, mit denen er umgeht, vom Standpunkt der Thermodynamik aus m e t a s t a b i l sind. Die Einwirkung erhöhter Temperatur ist aber in allen Fällen der Einstellung der wahren Gleichgewichte — hier dem Zerfall — günstig und deshalb wird man es sich zweckmäßig zur Regel machen, seine Substanzen nicht unnötigerweise zu gefährden. Aus diesem Grunde gebührt der Destillation unter vermindertem Druck, wobei die Siedetemperatur um 100 und mehr Grade herabgesetzt werden kann, eine große Bedeutung beim organischen Arbeiten. Ihre Methodik muß der präparative Organiker bald beherrschen lernen, und er soll sich frühzeitig daran gewöhnen, die Vakuumdestillation nicht als „Haupt- und Staatsaktion" aufzufassen, sondern als eine der elementarsten Operationen der Laboratoriumspraxis. Das gegebene Destillationsgefaß ist der C i a i s e n k o l b e n (Fig. 15). Seine sehr zweckmäßige Rohrteilung verhindert das hier besonders gefährliche Überspritzen der siedenden Flüssigkeit. Damit der bei der Vakuumdestillation sehr leicht eintretende Siedeverzug vermieden werde, saugt man vermittels einer feinen C a p i l l a r e dauernd feine Luftbläschen — bei luftempfindlichen Substanzen Wasserstoff oder C0 2 — durch die siedende Flüssigkeit. Denselben Zweck kann auch ein sog. S i e d e s s t a b erfüllen, der aus einem mehrere cm langen Glasstab besteht, an dessen Ende ein Glasring von 3—5 mm Höhe — von einem Glasrohr etwa gleichen Durchmessers wie der Stab abgeschnitten — angeschmolzen ist. Die Capillare zieht man an einem genügend langen, 4—8 mm weiten Glasrohr, am besten Capillarrohr, in der Gebläseflamme aus und gibt ihr dann durch abermaliges Ausziehen über der Sparflamme die genügende Feinheit. Vor dem Gebrauch prüft man ihre Durchlässigkeit, indem man die Spitze in einem kleinen Reagenzglas unter Äther bringt und dann mit dem Mund hineinbläst. Die Blasen sollen e i n z e l n und l a n g s a m herausperlen. Capillaren für die H o c h v a k u u m d e s t i l l a t i o n sollen erst bei kräftigem Einblasen einzelne Luftblasen, aber schwierig, durchlassen. Bisweilen besteht das Bedürfiiis, vor allem bei schäumenden Flüssigkeiten, den Luftdurchtritt durch die Capillare zu regulieren. Dies erreicht man bei nicht allzu fein ausgezogener Capillare durch eine Q u e t s c h s c h r a u b e , die man an einem Stückchen ungebrauchten, dickwandigen Gummischlauches auf das Capillarrohr aufsetzt. Man beachte aber, daß bei einer Unterbrechung der Destillation die in

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der Kugel vorhandene Flüssigkeit durch den äußeren Luftdruck in das noch evakuierte Capillarrohr hineingedrückt wird — unter Umständen bis in den Gummischlauch — und vermeide dies dadurch, daß man vor der Unterbrechung den Schraubhahn vorsichtig öffnet. Bei hartnäckigem S c h ä u m e n setzt man einige Tropfen Octylalkohol zu oder führt unter Verzicht auf das Thermometer auch in das vordere Rohr des Ciaisenkolbens (6 in Fig. 15, S. 20) eine Capillare ein. Der durch sie eingesaugte feine Luftstrom bringt die Blasen, ehe sie übersteigen können, zum Platzen 1 .

Das Capillarrohr wird von der Spitze aus in einen eng anschließenden unversehrten Gummistopfen eingeführt (mit etwas Glycerin), der dicht in das Rohr a des Ciaisenkolbens hineinpaßt. Bei richtigem Sitz des Capillarrohrs soll sich das Capillarende in unmittelbarer Nähe des tiefsten Punktes der Kugel befinden. Im Rohr b steckt, ebenfalls durch einen Gummistopfen eingefügt, das Thermometer. Will man vermeiden, daß die Substanz mit Kautschuk in Berührung kommt, so benutzt man Ciaisenkolben mit verjüngten Rohrenden, in die Capillarrohr und Thermometer mit Hilfe kleiner übergezogener Schlauchstücke eingesetzt werden. Die Verwendung von Korkstopfen bei Vakuumdestillationen erfordert große Übung. Schliffgeräte Fig. 16 sind hier besonders angebracht. Die Kühlung erfolgt nach den gemachten Angaben; der kleine übergezogene Wasserkühler ist hier besonders empfehlenswert. Vorlagen: Wenn nur eine oder zwei Fraktionen zu erwarten sind, benutzt man als Vorlagen Saugröhrchen, wie auf Fig. 8, S. 10 abgebildet, von entsprechender Größe — für den Vorlauf die kleinsten — oder, bei größeren Substanzmengen, kleine Saugflaschen. Dem Verbindungsstopfen aus Gummi sind sie vorher anzupassen. Beim Wechseln der Vorlage muß die Destillation naturgemäß unterbrochen werden. Will man dies vermeiden und hat man mehrere Fraktionen zu erwarten, so bedient man sich mit Vorteil einer Anordnung, die gestattet, verschiedene Auffanggefäße der Reihe nach unter die Mündung des Abflußrohrs zu bringen, z. B. in der in Fig. 16 wiedergegebenen Form, in der Laboratoriumssprache je nach der Gestalt als „Spinne", „Frosch", „Schweinchen" oder „Kuheuter" bezeichnet. Schließlich sei noch der namentlich für die Destillation größerer Substanzmengen trefflich bewährte Hahnvorstoß nach AnschützThiele (Fig. 17) erwähnt, bei dem man nach Schließung der Hähne a und b mit Hilfe der Klemmschraube c das Vakuum in der Vorlage aufheben und so diese wechseln kann. Nachdem man dann bei c wieder 1

E. D o r r e r , Dissert. München 1926.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

geschlossen und durch öffnen von b wieder überall Vakuum hergestellt hat, kann man bei geöffnetem Hahn a weiter destillieren. Der dritte Hahn kann entbehrt werden. Noch einfacher ist der mit Dreiweghahn versehene W e c h s e l v o r s t o ß (Fig. 18) gebaut, an dem die Vorlage durch eine Hahnbohrung mit der Außenatmosphäre in Verbindung gebracht werden kann, während das Vakuum im Apparat erhalten bleibt.

Nach dem Wechsel des Auffanggefäßes muß der Hahn allerdings sehr vorsichtig gegen dieses geöffnet werden, damit das inzwischen über dem Hahn angesammelte Kondensat durch die von unten eingesaugte Luft nicht verspritzt wird. Die beiden zuletzt aufgeführten Apparate haben den großen Vorteil, daß die einzelnen Fraktionen alsbald völlig voneinander getrennt werden, daß sie auch nicht mit den Dämpfen in gegenseitiger Berührung sind; für zähe, viskose Flüssigkeiten, die nicht durch die Hahnbohrung gehen, sind sie dagegen nicht verwendbar. Man wird sie daher bei der Destillation von verhältnismäßig niedrig siedenden Substanzen, deren Dampfdruck nicht zu vernachlässigen ist, bevorzugen. Werden rasch erstarrende Substanzen im Vakuum destilliert, so trägt der Ciaisenkolben ein erweitertes Ansatzrohr, gerade so wie dies für die gewöhnliche Destillation beschrieben ist (Schwertkolben). Handelt es eich nur um das Eindampfen einer wäßrigen Lösung unter vermindertem Druck, so ist es bequem, als Vorlage einen Destillierkolben zu benutzen, in dessen Hals das Ansatzrohr so weit hineingesteckt wird, daß seine Mündung bis zur Mitte der Kugel reicht. Diese ruht auf einem Trichter mit Abflußschlauch für das Kühlwasser, das die Oberfläche der Kugel bespült.

Das Heizen: Nur bei großer Übung kann eine Vakuumdestillation mit freier Flamme ausgeführt werden. Weit zuverlässiger ist die in-

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direkte Heizung durch ein Wärmebad. Auch hier ist die Temperatur des Heizbades mit größter Sorgfalt der Siedetemperatur der Substanz anzupassen (etwa 20° höher; bei hoch angesetztem Kondensationsrohr muß die Differenz vergrößert werden); wenn der Siedepunkt einer Fraktion erreicht ist, soll die Temperatur des Bades konstant gehalten werden. Der Kolben wird so tief in das Heizgefaß eingesenkt, daß der Spiegel des Destillationsguts u n t e r h a l b von dem der Heizflüssigkeit liegt. Die Kugel soll nicht weiter als bis zur Hälfte mit Substanz gefüllt sein. Bei der Destillation hoch siedender Stoffe taucht man möglichst tief ein und umkleidet den Destillationskolben oberhalb des Heizbads bis zum Winkel des Ansatzrohrs mit A s b e s t papier oder A l u m i n i u m f o l i e , die durch einen dünnen Draht oder durch eine Schnur befestigt werden. Bei empfindlichen Substanzen, die an sich der Vakuumdestillation zugänglich sind, tritt bisweilen Zersetzung ein, wenn sie in der Hitze jäh einer starken Druckänderung unterworfen werden. In solchen Fällen soll das Vakuum erst nach Abkühlung des Kolbeninhalts aufgehoben werden. So zu verfahren, ist ganz allgemein zweckmäßig, weil dadurch auch die recht häufige Oxydationswirkung heißer Luft vermieden wird.

Unerläßlich für alle Destillationen unter vermindertem Druck ist die Zwischenschaltung eines abgekürzten M a n o m e t e r s (Fig. 19) zwischen Pumpe und Apparat, da der die Höhe des Siedepunktes bestimmende Druck dauernd kontrolliert werden muß. Inkonstante Siedepunkte sind recht oft die Folge wechselnden Drucks. Um die Verunreinigung des Manometers durch Dämpfe, die sich darin kondensieren, hintanzuhalten, destilliert man bei geschlossenem Hahn, den man nur von Zeit zu Zeit zur Druckprüfung öffnet. Vor dem B e g i n n jeder V a k u u m d e s t i l l a t i o n muß die g a n z e A p p a r a t u r am M a n o m e t e r a u f D i c h t i g k e i t , d. h. auf a u s r e i c h e n d e s Vakuum g e p r ü f t werden. Mit dem Anheizen des Bades beginne man erst, nachdem das Vakuum hergestellt ist. Bringt man die b e r e i t s e r w ä r m t e Flüssigkeit unter verminderten Druck, so kommt sie häufig infolge Überhitzung zum Ü b e r s c h ä u m e n . Dabei braucht der Siedepunkt der Substanz nicht erreicht zu werden: es genügt, daß im Destillationsgut noch etwas Lösungsmittel, z. B. Äther, enthalten ist, dessen Entfernung auf dem Wasserbad aus Gründen des stark herabgesetzten Dampfdruckes nie vollständig möglich ist. In manchen Fällen, wenn leicht flüchtige, niedrig siedende Stoffe im Vakuum destilliert werden, ist es nötig, durch Erhöhung des Drucks die Flüchtigkeit zu vermindern. Man arbeitet dann nicht beim vollen Vakuum der Wasserstrahlpumpe, das je nach Druck und Temperatur des Leitungswassers 10—20 mm Quecksilber beträgt, sondern bei Drucken von 20—100 mm. Da die Leistung der Pumpe nicht reguliert

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werden kann, so hilft m a n sich mit einem in die Vorlageflasche eingesetzten H a h n (o, Fig. 19), mit dem man unter Beihilfe des Manometers jeden gewünschten Druck einstellen kann. Bei Substanzen, die unter Atmosphärendruck über 150° sieden, bedient m a n sich der maximalen Leistung der Wasserstrahlpumpe. In welchem Maße die Erniedrigung des Druckes bei einer Vakuumdestillation den Siedepunkt erniedrigt, sieht man an den auf Fig. 20 wiedergegebenen Beispielen von N i t r o b e n z o l , Siedepunkt 208°/760 mm (Kurve 1) und B e n z a l d e h y d (II), Siedepunkt 179°/760 mm. Die Bedeutung eines „guten Vakuums" beim präparativen Arbeiten prägt sich in dem steilen Anstieg der Kurven im Bereich der niederen Drucke aus. Es macht ungefähr 15° Unterschied im Siedepunkt aus, ob man unter 20 mm oder unter 10 mm Quecksilber destilliert. Mit steigendem Druck verringert sich dessen Einfluß, wie die im oberen Teil der Figur — in anderem Maßstab — gezeichnete Kurve I I I des Nitrobenzols mit dem Druckgebiet von 760 mm abwärts deutlich macht. Wasser siedet unter 720 mm Hg, z. B. in München bei 98,5°.

Die quantitativen Beziehungen zwischen Druck und Siedetemperatur sind von Stoff zu Stoff verschieden, jedoch bei organischen Verbindungen innerhalb mäßiger Grenzen, so daß die hier wiedergegebenen Kurven für den praktischen Gebrauch wohl als Unterlagen benutzt werden können. Siedet z. B. ein Stoff A nach Angabe der Literatur bei 96°/12 mm, so wird er unter 18 mm Hg bei 104—105° sieden. Stoffe, deren Siedepunkt auch bei dem Unterdruck, den die Wasserstrahlpumpe schafft, noch zu hoch liegt, lassen sich häufig im H o c h v a k u u m unzersetzt destillieren, d. h. bei Drucken, die bei 1 mm oder darunter liegen. Druckverminderung bis zu dieser Grenze setzt die Siedetemperatur um durchschnittlich 150° gegenüber der bei Atmosphärendruck, um etwa 40° gegenüber dem Vakuum der Wasserstrahlpumpe herab. Die punktierte Fortsetzung der Nitrobenzol-Kurve 1 (der keine gemessenen Zahlen zugrunde liegen) bringt dies zum Ausdruck. H o c h v a k u u m p u m p e n nach dem Dampfstrahl- und Diffusionsprinzip, meist mit Queoksilberdampf betrieben, fehlen heute in keinem HochschuUaboratorium.

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Mit ihrer Hilfe ist die Destillation im Hochvakuum eine unschwer auszuführende Prozedur, und wer die gewöhnliche Vakuumdestillation gewandt und sicher auszuführen gelernt hat, wird auch im Hochvakuum destillieren können, wenn diese Aufgabe etwa bei einem Literaturpräparat an ihn herantritt. Wegen der Empfindlichkeit der Apparatur — wenigstens gegenüber dem allgemeinen Gebrauch — ist dieses Verfahren in die Übungspräparate nicht einbezogen und wird darum auch nicht aus-

führlicher beschrieben. Man mache es sich zur Gewohnheit, bei der Destillation die Pumpe durch eine zwischengeschaltete „Falle", die mit Kohlensäureschnee-Aceton oder mit flüssiger Luft gekühlt wird, vor Verunreinigung zu schützen. Bei sorgsamem Arbeiten erreicht man „Klebe-Vakuum" (etwa 10 - 4 mm). Auch die in der Handhabung besonders bequemen rotierenden ölpumpen seien hier erwähnt; in der Saugleistung (m8/h) sind sie den Dampfstrahlpumpen überlegen, besitzen aber ein geringeres Endvakuum. M a n v e r s ä u m e nie, bei V a k u u m d e s t i l l a t i o n e n die A u g e n zu s c h ü t z e n ! E i n C h e m i k e r , der nicht alle Schutzmaßnahmen ergreift, ist nicht mutig, sondern fahrlässig! Die Sublimation Flüchtige Stoffe, deren D a m p f bei der Abkühlung unter U m g e h u n g der flüssigen P h a s e sich direkt zu Kristallen verdichtet, werden unter U m s t ä n d e n mit Vorteil durch Sublimation gereinigt, vor allem dann, wenn d a s Umkristallisieren infolge besonderer Löslichkeitsverhältnisse

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

erschwert ist. Ein bekanntes Beispiel bildet die Reinigung des J o d s . In der organischen Chemie sind es namentlich Chinone, bei denen man das Verfahren anwendet. Eine Sublimation kleinerer Substanzmengen läßt sich zweckmäßig zwischen zwei gleich großen Uhrgläsern ausführen. Auf das untere bringt man die zu sublimierende Substanz, bedeckt es dann mit einem runden Filter, welches etwas über den Rand des Glases hervorragt und in seinem mittleren Teile einige Male durchlöchert ist, legt das zweite Uhrglas mit der Wölbung noch oben darauf und verbindet beide mit einer Uhrglasklammer. Erhitzt man nun das untere Glas möglichst langsam durch eine kleine Flamme auf einem Sandbade, so verdichtet sich die vergaste Substanz an dem kalten, oberen Glase zu Kristallen; das Filter verhindert, daß die Kriställchen wieder auf das untere heiße Glas zurückfallen. Zur Abkühlung des oberen Glases kann man dieses mit einer mehrfachen Lage feuchten Filtrierpapieres oder mit einem Stückchen feuchten Tuches bedecken. Will man größere Substanzmengen sublimieren, so ersetzt man in dem soeben beschriebenen Apparat das obere Uhrglas durch einen Trichter, welcher etwas kleiner als das Glas ist. Auch in Tiegeln, Kolben, Bechergläsern, Retorten, Röhren u. a. kann man Sublimationen vornehmen. Sublimiert die zu reinigende Substanz erst bei hoher Temperatur, wie etwa I n d i g o oder Alizarin, so bedient man sich auch hier des Vakuums (Rundkölbchen oder Retorte). — Bei Sublimationen beachte man stets, daß der Apparat erst nach dem vollkommenen Erkalten auseinandergenommen wird. Destillation mit Wasserdampf Von diesem wichtigen Reinigungsverfahren macht man nicht nur im Laboratorium, sondern auch in der chemischen Großindustrie außerordentlich häufig Gebrauch. Es beruht darauf, daß viele Stoffe, deren Siedepunkte beträchtlich höher liegen können als der des Wassers, von eingeblasenem Wasserdampf in dem Ausmaß ihres Dampfdrucks bei dessen Temperatur verflüchtigt und dann zusammen mit dem sie begleitenden Wasserdampf in einem angeschlossenen Kühlsystem wieder kondensiert werden. Der geeignetste und theoretisch einfachste Fall (vgl. unten) liegt vor, wenn der Stoff in Wasser schwer löslich oder praktisch unlöslich ist. Zur Prüfung auf W a s s e r d a m p f f l ü c h t i g k e i t bringt man eine kleine Probe der Substanz mit etwa 2 com Wasser in ein Reagenzglas, erhitzt zum Sieden (Siedesteine 1) und hält den Boden eines mit etwas Eis beschickten zweiten Reagenzglases in die entweichenden Dämpfe, bis sich ein Wassertropfen daran kondensiert hat. Eine T r ü b u n g des T r o p f e n s zeigt an, daß die Substanz mit Wasserdämpfen flüchtig ist.

Zur Ausführung im großen bringt man die Substanz, die abgeblasen werden soll, mit wenig Wasser in einen geräumigen langhalsigen

Relndarstellung organischer Substanzen

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Rundkolben, der nicht weiter als bis zu einem Drittel angefüllt sein darf, erwärmt mit einem untergestellten Brenner bis nahe zur Siedetemperatur (um allzu große Volumvermehrung durch Kondenswasser zu vermeiden) und leitet erst jetzt, nachdem der angeschlossene l a n g e Kühler in Gang gesetzt und die Vorlage aufgestellt ist, einen ziemlich kräftigen Dampfstrom ein. Das weite Einleitungsrohr soll bis nahe an den Boden des Kolbens reichen und vorn etwas umgebogen sein (Fig. 21). Besitzt das Laboratorium keine Dampfleitung, so wird der Dampf in einem gut zur Hälfte gefüllten, mit Steigrohr versehenen Blechtopf entwickelt. Man destilliert in — der Regel so lange, bis das Destillat k l a r abläuft. Wenn sich die Substanz kristallisiert im Kühlrohr abscheidet, so läßt man für kurze Zeit das Kühlwasser teilweise auslaufen; der Dampf bringt dann die Kristalle zum Schmelzen und Abfließen. Jedoch ist bei dieser Maßnahme darauf zu achten, daß nicht unkondensierter Dampf durch Mitführen von Substanz Verluste verursacht. Der Wiedereintritt von Kühlwasser in das heiße Rohr hat mit Vorsicht zu erfolgen. Nach Beendigung der Destillation wird vor Abstellung des Dampfes die Verbindung zwischen Dampfrohr und Kolben gelöst, weil andernfalls der Rückstand des Kolbens durch das Einleitungsrohr zurücksteigen könnte. Kleinere Substanzmengen kann man auch aus einem genügend großen Fraktionierkolben mit hochangesetztem Rohr abblasen, besonders leichtflüchtige Stoffe auch ohne Dampfzufuhr durch einfaches Erhitzen mit Wasser. Sehr schwerflüchtige Substanzen treibt man mit ü b e r h i t z t e m Wasserdampf über. Die Überhitzung erfolgt zweckmäßig in einem konisch spiralig gewundenen Kupferrohr, das zwischen Dampfleitung und Kolben eingeschaltet und durch einen darunter gestellten Brenner erhitzt wird. Der Kolben mit der Substanz befindet sich in einem auf höhere Temperatur (etwa 150°) erhitzten Ölbad. Unter Umständen kommt man auch ohne Überhitzer zum Ziel, indem man möglichst trockenen Dampf nicht zu rasch in den die trockene Substanz enthaltenden, im Heizbad erwärmten Destillationskolben einleitet. Zersetzliche Substanzen, die flüchtig sind, werden bisweilen unter vermindertem Druck, also bei erniedrigter Temperatur mit Wasserdampf destilliert.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Zur Theorie der Wasserdampfdestillation: Die reine Form des Vorgangs liegt vor, wenn der zu destillierende Stoff in W a s s e r unlöslich, oder genauer, wenig löslich ist (Beispiele: Toluol, Brombenzol, Nitrobenzol), wenn sich also die Dampfdrucke von Wasser und Substanz gegenseitig nicht oder wenig beeinflussen. Ganz andere Verhältnisse ergeben sich bei Stoffen, die mit Wasser m i s c h b a r sind (Alkohol, Essigsäure); hier tritt das theoretisch kompliziertere Bild der fraktionierten Destillation auf. Wir betrachten nur den ersten Fall und wählen als Beispiel das bei 155° siedende B r o m b e n z o l . Erwärmen wir diese Flüssigkeit mit Wasser, so wird ihr Dampfdruck im Sinne der ihr eigenen Kurve ansteigen, und zwar unabhängig von dem des Wassers. Die Erscheinung des Siedens wird eintreten, wenn die Summe der Dampfdrucke der beiden Stoffe dem herrschenden Atmosphärendruck gleich geworden ist. Dies ist, wie sich aus den Dampfdruckkurven entnehmen läßt, für Normalverhältnisse (760 mm) der Fall bei 95,25°. Bei dieser Temperatur beträgt die Tension des Brombenzols 121 mm, die des Wassers 639 mm, ihre Summe also 760 mm. Die Dampfphase wird daher nach der Avogadroschen Regel die beiden Komponenten im molekularen Verhältnis von 121: 639 enthalten, d. h. es werden 5,28 mal mehr Wassermolekeln im Dampfgemisch sein als solche von Brombenzol. Das absolute Verhältnis, in dem Brombenzol mit Wasserdampf übergeht, ergibt sich einfach unter Heranziehung der Molekulargewichte. Auf 1 Mol Brombenzol vom Mol.Gew. 157 kommen 5,28 Mole Wasser vom Mol.-Gew. 18, oder mit 157 Gewichtsteilen des ersten gehen 5,28 • 18 = 95 Gewichtsteile Wasser über, was ungefähr einem Verhältnis Brombenzol: Wasser von 5 : 3 entspricht. Man kann demnach bei Kenntnis der Tensionskurve eines mit Wasser nicht mischbaren Stoffes den Grad seiner Wasserdampfflüchtigkeit leicht angenähert berechnen, nur angenähert deshalb, weil die Voraussetzung der gegenseitigen Unlöslichkeit praktisch niemals erfüllt ist. Über die Wasserdampfdestillation unter vermindertem Druck vgl. man S. 242. Abdestillieren von Lösungsmitteln Da man beim organisch-präparativen Arbeiten sehr häufig Substanzen aus verdünnter Lösung zu isolieren hat, so gehört diese Operation zu den alltäglichen Verrichtungen. Äther wird am a b s t e i g e n d e n K ü h l e r (am besten Schlangenkühler), vom D a m p f b a d oder Wasserbad aus abdestilliert und nach eventueller Reinigung erneut verwendet. Enthält er flüchtige Säuren, so wird er mit Sodalösung, bei einem Gehalt an flüchtigen Basen dagegen mit verdünnter Schwefelsäure durchgeschüttelt.

Beindarstellung organischer Substanzen

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Um Verluste und Entzündung infolge der F l ü c h t i g k e i t des Äthers zu vermeiden, benutzt man als Auffanggefäß eine Saugflasche, die durch einen Kork mit dem Kühlrohr verbunden ist und deren Saugrohr zur Sicherheit einen über den Arbeitstisch herunterhängenden Schlauch trägt. B e i m A r b e i t e n m i t Ä t h e r und a l l e n l e i c h t e n t z ü n d lichen Lösungsmitteln läßt man keine offenen Flammen auf dem A r b e i t s t i s c h brennen. Sind große Mengen L ö s u n g s m i t t e l zu verdampfen und will man den Inhalt der Lösung nach dessen Entfernung ebenfalls destillieren, so läßt man, um ein allzu großes Gefäß zu vermeiden, die Lösung nach und nach aus einem T r o p f t r i c h t e r in den geeigneten Fraktionierkolben fließen, in dem Maße, als das Lösungsmittel verdampft (Siedesteine). Wenn man nicht über ein Dampfbad verfügt, sondern vom Wasserbad aus destillieren muß, ist dessen Flamme bei jedem Nachfüllen (Trichter!) auszudrehen. Man kommt in diesem Fall meist rascher zum Ziel, wenn man die ganze Lösung aus einem größeren Rundkolben oder Erlenmeyer abdampft und dann den Rückstand mit wenig Lösungsmittel (aber vollständig) in das kleinere Gefäß überspült. K l e i n e Mengen leicht verdampf barer Flüssigkeiten kann man aus dem Reagenzglas oder einem kleinen Kölbchen direkt auf dem Wasserbad verjagen. Das Reagenzglas fülle man jeweils nur 2—3 cm hoch und gieße immer wieder nach; während des Siedens im Wasserbad muß dauernd g e s c h ü t t e l t oder mit einem dünnen Glasstab g e r ü h r t werden. Nach dieser einfachen Methode führt man alle Vorproben m i t L ö s u n g e n aus und sehe sich den Rückstand auf seine Eigenschaften an. Die Lösungen zersetzlicher Substanzen läßt man für diesen Zweck auf einem Uhrglas oder in einer kleinen Kristallisierschale offen an der Luft verdunsten. Wenn es darauf ankommt, Lösungsmittel, wie A l k o h o l oder B e n z o l , v o l l s t ä n d i g zu entfernen, so gelingt dies auf dem Dampf- oder Wasserbad nicht, weil der Siedepunkt mit zunehmender Konzentration höher und höher steigt; auch mit Ä t h e r macht es Schwierigkeiten. Man greift hier zum Ölbad oder häufiger zum Vakuum, das man ansetzt, wenn kein Kondensat mehr abtropft. Es genügt, eine Capillare aufzusetzen und den Kolben in einer Porzellankasserolle oder einem Emailtopf auf mittlerer Temperatur zu erhalten, unter direktem Anschluß an die Pumpe, um die meisten Lösungsmittel, auch W a s s e r , rasch und völlig zu entfernen. D ü n n w a n d i g e G l a s g e r ä t e , wie E r l e n m e y e r , S t e h k o l b e n und R e a g e n z g l ä s e r , d ü r f e n n i e m a l s e v a k u i e r t w e r d e n , stets aber Rundkolben, unter Umständen Saugflaschen, die aber vorsichtig zu erwärmen sind. Wenn man, wie es bei empfindlichen Stoffen häufig verlangt wird, größere Mengen Lösungsmittel im Vakuum abzudampfen hat, kondensiert man, zur Beschleunigung, mit einem nicht zu kleinen Kühler und kühlt bei Bedarf noch die Vorlage mit Eis.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Der Kühler ist entbehrlich, wenn man als Vorlage einen einfachen Fraktionierkolben nimmt, der auf einen großen, mit Abflußschlauch versehenen Trichter aufgelegt und von oben mit Leitungswasser berieselt wird. Das Ende des Kondensationsrohrs vom Destillierkolben muß bis über die Mitte der Kugel der Vorlage reichen. Diese Anordnung ist für das Eindampfen wäßriger Lösungen besonders geeignet. Die in Fig. 22 abgebildete Anordnung gestattet, o h n e U n t e r b r e c h u n g große Mengen Flüssigkeit, insbesondere Wasser, im Vakuum

Fig. 22

Fig. 23

abzudampfen. Durch den Hahn wird von Zeit zu Zeit das Übergegangene aus dem Vorratsgeföß durch Einsaugen ersetzt. Das Lumen des Abzugsrohres soll möglichst weit sein. Besonders rasch arbeiten die sog. R o t a t i o n s Verdampfer. Anhaltendes S c h ä u m e n wäßriger Lösungen bei der Destillation verursacht häufig Ärger und Zeitverlust. Man kann ihm begegnen dadurch, daß man der Lösung etwa 3% ihres Volumens an I s o - a m y l a l k o h o l , noch besser einige Tropfen O c t y l a l k o h o l zufügt. Man kommt aber auch zum Ziel, wenn man in den l e e r e n , destillationsbereiten Kolben die Lösung in dem Maße einsaugt, als das Wasser verdampft. Das Zuführungsrohr ist in diesem Fall zweckmäßig gegen die Mündung hin zu engerem Lumen ausgezogen, das Tempo des Einspritzens läßt sich mit einer Klemmschraube (Fig. 22) genau einstellen. Ausschütteln, Extrahieren Um ein Reaktionsprodukt, das nicht fest, kristallin und filtrierbar ist, aus wäßriger Suspension oder auch aus einer Lösung herauszuholen oder auch von unlöslichen Begleitstoffen zu trennen, nimmt man es in einem geeigneten Lösungsmittel auf; als solches dient meist Ä t h e r . So sammelt man z. B. das bei einer Wasserdampfdestillation Über-

Reindarstellung organischer Substanzen

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gegangene, sofern nicht durch besonders günstige Grenzflächenverhältnisse eine direkte Abtrennung möglich ist. Zur Trennung zweier Schichten benutzt man den S c h e i d e t r i c h t e r , bei kleinen Volummengen den gleichartig konstruierten T r o p f t r i c h t e r (Fig. 23) (bis zum Inhalt von 25 ccm herab), dessen Ansatzrohr höchstens 5 cm lang und (wegen des Abfließens) schräg abgeschliffen sein soll. Zum Eingießen von Flüssigkeiten in den Trennungstrichter bedient man sich stets eines gewöhnlichen Trichters. Nach der Trennung wird die untere Schicht durch den Hahn, die obere aus dem oberen Tubus ausgegossen (Trichter). Man warte immer, bis die schwere Flüssigkeit sich am Boden angesammelt hat und vermeide beim Ausäthern, mit dem Äther auch Teile der wäßrigen Lösung abzugießen. Kleine Vorproben scheidet man nach dem Einsaugen im Tropfrohr (Fig. 9). Beim Ausschütteln einer wäßrigen Lösung, noch mehr einer Suspension, mit einem organischen Lösungsmittel treten bisweilen sehr unerfreuliche E m u l s i o n e n auf, die eine saubere Abtrennung unmöglich machen. Das sicherste Mittel, sie zu vermeiden, besteht darin, die Durchmischung mit Vorsicht vorzunehmen. Gegenmittel sind ferner: Erzeugung eines Vakuums im Scheidetrichter, Zugabe einiger Tropfen Alkohol, Sättigung der wäßrigen Phase mit Kochsalz, Stehenlassen über Nacht. Ist eine Substanz nicht nur im organischen Lösungsmittel, sondern auch in Wasser löslich, so ist der Erfolg des Ausschütteins vom Verhältnis der Löslichkeiten abhängig; je größer dieses Verhältnis z. B. von Wasser zuÄther, der „ T e i l u n g s q u o t i e n t ( Q ) " i s t , um so mehr Äther muß benutzt oder um so öfter muß ausgeschüttelt werden. Denn dieser Quotient gibt an, wie sich ein in zwei nicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten löslicher Stoff zwischen diese verteilt. Ob wir gegebenenfalls eine gewisse Menge Äther auf e i n m a l zum Ausschütteln einer wäßrigen Lösung benutzen oder ob wir besser die Operation mit kleinen Anteilen m e h r f a c h wiederholen, die prinzipielle Entscheidung darüber gibt folgende einfache Betrachtung. Nehmen wir an, der Teilungsquotient sei gleich 1 und wir hätten auf 1 Volum Wasser 2 Volumina Äther zur Verfügung, die wir in einem Fall auf einmal einsetzen, im andern Fall zu gleichen Hälften für zwei Ausschüttelungen verwenden. Die Menge der gelösten Substanz sei a. Im ersten Fall gehen dann 2 — a in den Äther, im zweiten nimmt das erste halbe Volum der Gesamtäthermenge Ú das zweite von den zurückbleibenden ¿i noch einmal „ Q/ Oo die Hälfte, also —, das sind — a. Um diese Menge in einer Operation aus dem Wasser herauszuholen, wäre das dreifache Volum Äther nötig, oder: 2 Liter einzeln eingesetzt leisten das gleiche wie 3 Liter auf einmal. Die praktische Folgerung ist klar.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Man kann den Vorgang des Ausschütteins auch zur Trennung von Substanzgemischen heranziehen, deren Komponenten verschiedene Teilungsquotienten aufweisen. In einem ähnlichen wie dem obigen Beispiel liege die Substanz 1 der Menge a (Q = 1) mit derselben Menge a' einer zweiten Substanz vom Q = 4 vermischt vor. Die Begleitsubstanz ist also in Wasser besser als in Äther löslich und verbleibt 4 1 nach dem ersten Ausschütteln mit—a'im Wasser, nachdem — o' im gleich großen Äthervolumen gelöst sind. Von Substanz 1 sind dagegen, wie erwähnt,

d

im Wasser,

— im Äther anzutreffen. Schüttelt man nun die wäßrige Lösung ein zweites Mal

a

mit demselben Äthervolumen aus, so enthält sie von Substanz 1 nur noch — , von 4 4 3 Substanz 2 aber — von — o', das sind rund — a'. Eine Re-extraktion des 1. Äthero o ö extrakts mit demselben Wasservolumen ergibt im Äther das reziproke Gewichtsverhältnis beider Substanzen. Es ist leicht einzusehen, daß eine systematische Fortsetzung dieser Arbeitsweise zur praktisch vollständigen Stofftrennung führen muß. Diese sog. „ G e g e n s t r o m e x t r a k t i o n " (Craig) 1 spielt heute im Forschungslaboratorium und in der Industrie, wo sie kontinuierlich ausgeführt wird, eine bedeutende Rolle. Der Teilungsquotient organischer Substanzen zwischen Wasser und Lipoiden (das sind fettartige Bestandteile der Zellwand) ist für biologische Prozesse von großer Bedeutung (Narkosetheorie von H. H. Meyer und Overton).

Außer Äther benutzt man zum Ausschütteln eines gelösten Stoffes aus Wasser bisweilen auch E s s i g e s t e r , C h l o r o f o r m , B e n z o l , A m y l a l k o h o l . Da Wasser rund 10% seines Volumens an Äther auflöst, vermeide man schon aus Sparsamkeitsgründen unnötige Verdünnung. Trocknen der Lösungen: Nachdem man eine Substanz aus wäßriger Lösung oder Suspension mit einem organischen Lösungsmittel aufgenommen hat, ist die Lösung mit Wasser gesättigt und muß daher getrocknet werden; unterließe man dies, so würde das gelöste Wasser nach dem Abdampfen des Lösungsmittels zum größten Teil mit der zu isolierenden Substanz zurückbleiben. Bei der Wahl des T r o c k e n m i t t e l s ist zu beachten, daß es weder mit dem Solvens noch mit dem gelösten Stoff reagieren darf und in jenem vollkommen unlöslich sein muß. Man wird die ätherische Lösung einer organischen Säure nicht mit festem Ätzkali trocknen, wohl aber die einer Base. Das wirksamste und meist benutzte Trockenmittel ist C a l c i u m c h l o r i d , das man entweder in gekörntem oder (vorher) geschmolzenem Zustand anwendet; Ätherlösungen werden fast ausschließlich mit ihm getrocknet, es sei denn, daß sie Stoffe enthalten, die mit CaCl2 Additionsverbindungen geben, wie Alkohole, Amine u. a. Alkoholhaltige Ätherlösungen dürfen daher nicht mit Calciumchlorid getrocknet werden; man muß vorher den Alkohol durch mehrfaches Ausschütteln mit Wasser entfernen. In der Regel wird viel zu viel Trockenmittel verwendet. Es genügt für gewöhnlich so viel Calciumchlorid, daß nach einigem Stehen neben gesättigter CaClj-Lösung noch etwa die gleiche Menge festen Salzes vorhanden ist. 1

Siehe Weißberger, Technique of Organic Chemistry, Bd. III, 259 (i960).

Reindarstellung organischer Substanzen

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Weit weniger wirksam als CaCl2 ist w a s s e r f r e i e s N a t r i u m s u l f a t , selbst wenn es vor dem Gebrauch f r i s c h g e g l ü h t i s t . Es wird benutzt, wenn aus den angeführten Gründen ein Ersatz für Calciumchlorid gefordert wird. Für die Lösungen basischer Stoffe sind geglühte P o t t a s c h e , festes Ä t z k a l i , B a r i u m o x y d viel gebrauchte Trockenmittel. Um die gebräuchlichsten Lösungsmittel völlig wasserfrei zu gewinnen, werden die folgenden Trockenmittel angewandt. Für Äther, Benzol und Homologe, Petroläther: N a t r i u m .

Fig. 24

Fig. 25

Fig. 26

Für Aceton, Chloroform, Essigester, Schwefelkohlenstoff: C a l c i u m chlorid. Die Alkohole werden durch mehrstündiges Kochen mit frisch gebranntem Ä t z k a l k am Rückflußkühler und anschließendes Abdestillieren entwässert. C h l o r h a l t i g e L ö s u n g s m i t t e l wie CC13H, CCli, d ü r f e n w e g e n Explosionsgefahr keinesfalls mit Natrium getrocknet werden. Extraktionsapparate: Sehr häufig ist eine organische Substanz in Wasser viel löslicher als in Äther und anderen Solventien. Dann führt auch oft wiederholtes Ausschütteln nicht zum Ziel. Man arbeitet in solchen Fällen mit dem sog. P e r f o r a t o r , das ist ein kontinuierlicher Extraktionsapparat für Lösungen, der in keinem organischen Laboratorium fehlen darf. Das Prinzip ergibt sich aus der mit einfachen Labora3

0 a 11 e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers.

39. Aufl.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

toriumsmitteln zusammenstellbaren Anordnung nach Schacherl (Fig. 24). Noch zweckmäßiger Ist die in allen Dimensionen ebenfalls leicht zu beschaffende Apparatur gemäß Fig. 25. Damit kommen wir auch zu den E x t r a k t i o n s a p p a r a t e n für feste Substanzen. Der bekannteste ist der „ S o x h l e t " , der namentlich für analytische Zwecke viel benutzt wird. Für präparative Zwecke ziehen wir den vereinfachten Extraktor (Fig. 26) vor, der billiger ist und rascher arbeitet. Damit sich durch das auftropfende Lösungsmittel im Extraktionsgut keine Gasse bildet, legt man eine dünne Siebplatte aus Porzellan (Filterplatte) darüber. Der Extraktionsapparat dient vornehmlich zum Herauslösen schwer löslicher Bestandteile aus Gemischen, zum Isoheren von Naturstoffen aus (trockenem) pflanzlichem oder tierischem Material. Mitunter ist es sehr zweckmäßig, schwer lösliche Substanzen mit dem geeigneten Lösungsmittel (besonders Äther) aus der Extraktionshülse „umzukristallisieren". Aus der bald heiß übersättigten Lösung im Siedekolben kommt meist schon während der Extraktion das Gelöste in Kristallen heraus. Bei hoch siedenden Lösungsmitteln hängt man die Extraktionshülse an einem dünnen Draht direkt in den Rundkolben ein; sie soll nicht in die Flüssigkeit eintauchen. Das Arbeiten mit komprimierten Gasen Jedes Hochschullaboratorium ist wohl zur Zeit mit Stahlflaschen versehen, in denen die wichtigsten Gebrauchsgase in komprimierter Form enthalten sind. Diese sind 1. Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff. 2. Kohlendioxyd, Chlor, Ammoniak, Schwefeldioxyd. Die Elemente unter 1., deren kritische Temperatur sehr tief liegt, sind in Gasform, die Stoffe unter 2. in verflüssigtem Zustand in den Bomben enthalten. Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff befinden sich zumeist, auf 150 Atm. komprimiert, in Stahlbomben von 10 Liter Inhalt; in ihnen sind demnach nach der Füllung 1,5 cbm Gas von Atmosphärendruck enthalten. Die Ansatzgewinde der Wasserstofflaschen haben verkehrten Schraubengang, damit nicht irrtümlich Sauerstoff in sie eingepreßt wird. Alle Gasflaschen im Laboratorium sollen mit F e i n ventilen a u s g e s t a t t e t sein, für deren Instandhaltung ein Assistent zu sorgen hat. Die Benutzung des Kopfventils allein erschwert die Regulierung des Gasstroms und führt unfehlbar zu übergroßem Verbrauch. Für alle Gase (auch Chlor) sind Kegelventile (Fig. 27) aus Aluminiumbronze verwendbar.

Das Arbeiten mit komprimierten Gasen. Rühren und Schütteln

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Bei allen Arbeiten mit Gasen — sei es aus Stahlflaschen, sei es aus dem Kippapparat — muß eine K o n t r o l l e für die S t r ö m u n g s geschwindigkeit angewandt werden. Dafür genügt ein kleiner — außer bei NH 3 —, mit konz. Schwefelsäure beschickter Blasenzähler, der an der Flasche selbst befestigt sein kann. Meist wird man, um gleichzeitig zu trocknen, eine W a s c h f l a s c h e vorschalten, am besten nicht eine zweiteilige mit Glasschliff, die oft durch den geringsten Überdruck geöffnet wird1. Müssen Gase besonders scharf getrocknet werden, so genügt eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure nicht. Man schaltet dann noch 1—2 U-Röhren vor, in die man, auf Glaswolle verteilt, Phosphor- ( ~ ) p e n t o x y d eingefüllt hat. Ammoniak leitet man durch K a l i l a u g e 1 : 1 und zum Trocknen dann noch durch einen T u r m , der mit KOH und CaO beschickt ist. Man beachte, daß man mit den üblichen Laboratoriumsgeräten mit Flaschengas nicht abgeschlossen unter Ü b e r d r u c k arbeiten kann. Will man z. B. eine Reaktionslösung unter H 2 - oder C02-Druck stehen lassen, so darf das Gefäß nicht ohne weiteres an die Gasflasche angeschlossen werden. Zur Entlastung der Apparatur von dem Überdruck setzt man in die Leitung ein T - R o h r ein, dessen sich abzweigender Teil mit einem in einen Zylinder mit Quecksilber oder Wasser eintauchenden Glasrohr verbunden ist. Bequemer ist es, in solchen Fällen sich des K i p p s zu bedienen oder, bei Stickstoff, eines damit aus der Bombe gefüllten G a s o m e t e r s .

Erfahrungsgemäß wird viel Gas verschwendet, weil sich der Anfänger meist keine Gedanken darüber macht, welche Mengen ungefähr er für Fig. 27 seine Reaktion benötigt; das soll er aber tun. Alle Gebrauchsgase außer Stickstoff können im Bedarfsfall ersatzweise nach einfachen bekannten Methoden dargestellt werden.

Rühren und Schütteln Solange man in homogener Lösung arbeitet, ist mechanische Bewegung nicht nötig, es sei denn, daß man in einem Reaktionsgemisch einen nach und nach zuzusetzenden oder zuzutropfenden Stoff alsbald in feine Verteilung — Lösung oder auch Suspension — bringen will. Dies gilt besonders auch dann, wenn lokal auftretende Reaktionswärme, z. B. bei Zugabe von konz. Schwefelsäure, ein empfindliches Präparat gefährdet. 1 Die Verbindung zwischen Stahlbombe und Waschflasche soll nach der Benutzung stets gelöst werden, damit ein Zurücksteigen der Schwefelsäure verhindert wird.

3*

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Hierbei ist es unerläßlich, die Lösung durch Umschütteln mit der Hand oder besser durch mechanisches Rühren dauernd zu bewegen. Als R ü h r er dient zweckmäßig ein Glasstab, an den nur am unteren Ende oder aber auch mehrfach übereinander propellerartige Flügel aus Glas angeschmolzen sind. Zur Führung nimmt man ein Stück etwas weiteren, an den Enden abgeschmolzenen Glasrohrs oder eine passende Hülse des Korkbohrers, die, in einem Kork gefaßt, in eine Klammer in vertikaler Richtung fest eingespannt wird und auf deren oberem Rand eine kleine Riemenscheibe oder auch Korkbzw. Gummistopfen mit Rille, in denen der Rührstab befestigt ist, sich mit möglichst wenig Reibung bewegt (mit Glycerin geschmierter, schmaler Gummiring). Als Antrieb wird die alte Rabesche Wasserturbine mehr und mehr vom kleinen Elektromotor verdrängt, dessen Tourenzahl sich bequem mit Regulierwiderstand oder Schiebetransformator regeln läßt. Bei Verwendung eines Elektromotors ist es zweckmäßig, den Rührer mit einem Stück Yakuumschlauch unmittelbar auf dem Ankerwellen-Stumpf des vertikal fixierten Motors zu befestigen. Kleine Preßluftmotoren, die auch mit dem Unterdruck der Wasserstrahlpumpe betrieben werden können, erfreuen sich in neuerer Zeit als Rührwerksantrieb großer Beliebtheit. Hat man im a b g e s c h l o s s e n e n G e f ä ß zu rühren oder bei gleichzeitigem E r h i t z e n am R ü c k f l u ß k ü h l e r , so wird der Rührer Fig. 28 durch einen Q u e c k s i l b e r v e r s c h l u ß , wie ihn die Fig. 28 zeigt, oder durch eine eingeschliffene Welle abgedichtet. Einem größeren Überdruck von innen ist die Quecksilberdichtung nicht gewachsen. Wenn man übereinandergeschichtete, nicht mischbare Flüssigkeiten durcheinanderrühren will, muß der Rührer zwischen den beiden Schichten eingesetzt werden. Spezifisch schwere Bodenkörper, z. B. Zinkstaub oder Natriumamalgam, werden im allgemeinen von den kleinen Glasrührern nicht ordentlich erfaßt. I n solchen Fällen ist das mechanische Rühren häufig illusorisch, und man erreicht eine stärkere Wirkung durch Umrühren mit einem Glasstab, einer Holzleiste oder öfteres Umschütteln mit der Hand. Hier setzt auch die Benutzung der S c h ü t t e l m a s c h i n e ein, die eine möglichst feine mechanische Aufteilung im heterogenen System zum Zweck hat. Als Gefäß benutzt man fast ausschließlich enghalsige Glasstöpselflaschen mit gutem, dichtem Schliff. Der Stopfen wird durch

Erhitzen unter Druck

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ein Stück darüber gezogenen und am Hals mit dünnem Draht festgemachtem Gummischlauch gehalten. Umsetzungen, bei denen sich ein Gas oder viel Wärme entwickelt, dürfen nicht ohne weiteres auf der Schüttelmaschine vorgenommen werden.

Erhitzen unter Druck Wenn man Lösungen oder freie Substanzen zur S t e i g e r u n g d e r R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t bei einer Temperatur zur Umsetzung bringen will, die oberhalb ihres Siedepunktes liegt, so muß man sie von der äußeren Atmosphäre abschließen, und zwar entweder durch E i n s c h m e l z e n in ein Glasrohr, in dem sie dann erhitzt werden, oder im geschlossenen Metallgefäß ( A u t o k l a v ) . Dies ist, wie leicht ersichtlich, schon erforderlich, wenn wir eine alkoholische Lösung bei 100° oder eine wäßrige etwa bei 120° reagieren lassen wollen. Der Zweck ist also ausschließlich die Erhöhung der R e a k t i o n s t e m p e r a t u r , die damit Hand in Hand gehende Steigerung des Drucks ist für die Geschwindigkeit der Umsetzung ohne Belang, da sie ja im allgemeinen von keiner wesentlichen Konzentrationsänderung begleitet ist. Da man am häufigsten L ö s u n g e n im Einschlußrohr erhitzt, in denen der Dampfdruck des Lösungsmittels den Innendruck bestimmt, so hat man bei Temperaturen, die erheblich höher als 100° liegen, mit ganz ansehnlichen Drucken zu rechnen. Zu ihnen Fig. 29 addieren sich die der eventuell bei der Reaktion entstehenden Gase. Über die Druckverhältnisse, die bei einer Einschlußreaktion zu erwarten sind, mache man sich an Hand der T e n s i o n s k u r v e des angewandten Lösungsmittels überschlagsweise eine Vorstellung. Wir haben im erhitzten Rohr bei präparativen Reaktionen stets den Druck des gesättigten Dampfes, d. h. Lösung neben dem Dampf des Lösungsmittels. Der Druck ist daher von der absoluten Menge der eingefüllten Lösung nicht abhängig. Man füllt jedoch in der Regel nicht höher als bis zur Hälfte des Rohrvolumenfl ein. Wenn bei der Reaktion Gas gebildet wird, spielt der Betrag an freiem Gasraum für die Druckverhältnisse natürlich eine Rolle. Die gebräuchlichen D r u c k r o h r e aus J e n a e r G l a s können, wenn eine chemische Einwirkung auf das Glas außer Betracht bleibt, mit einiger Sicherheit einem Druck von 20 bis 25 A t m o s p h ä r e n ausgesetzt werden.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Einschmelzröhren sind stets durch einen Trichter zu füllen, die innere Wand in der Nähe der Zuschmelzstelle muß rein bleiben. Über das Umgehen mit Einschlußröhren vgl. auf S. 65/66. Will man mit der Temperatur nur auf 100° gehen, so erhitzt man das Rohr, mit einem Tuch umwickelt und an einem Bindfaden oder einem Draht aufgehängt, in der sog. W a s s e r b a d k a n o n e . Wenn kein oder nur geringer Druck entwickelt wird, so benutzt man statt des Einschmelzrohrs eine gewöhnliche S o d a w a s s e r f l a s c h e mit Patent Verschluß, die man mit dem Wasser bad anheizt (zur Vorsicht Flasche in ein Tuch einschlagen!). Das Arbeiten in Einschmelzröhren ist präparativ umständlich wegen ihres relativ geringen Fassungsraumes. Man benutzt daher für größere Ansätze A u t o k l a v e n , das sind metallene Einschlußgefäße, die gleichzeitig auch höhere Drucke aushalten. Der Deckel wird durch einen Bleioder Kupferring gedichtet, mit 6—8 Verschlußschrauben befestigt, deren Muttern man — je ein Paar gegenüberliegende gleichzeitig—allmählich anzieht. Das Erhitzen erfolgt mit Gas (Rundbrenner) oder elektrisch (Widerstandheizung); Manometer und Thermometer gestatten eine laufende Kontrolle von Druck und Temperatur. Natürlich legt man der Wahl des Autoklavenmodells die gewünschten Reaktionsbedingungen zugrunde. Besondere Anforderungen stellt das Rühren unter Druck, wenn es gilt, eine Reaktion in heterogenem Medium (Festkörper-Flüssigkeit, Flüssigkeit-Gas) durchzuführen. Die stehend oder Hegend ausgeführten R ü h r a u t o k l a v e n besitzen eine druckfeste Rührerdichtung, die sog. Stopfbüchse, die allerdings stets eine empfindliche Stelle ist. Mehr und mehr geht man heute im Laboratorium zu Schüttel- oder rotierenden Autoklaven über; bei letzterem Typ wird der liegende Autoklav um eine horizontale Achse gedreht. Die modernste Ausführungsform ist der Magnet-Rührautoklav (A. Hofer, Mülheim); der außerhalb des Autoklaven befindliche Elektromagnet zieht periodisch den Weicheisenkern mit den Rührplatten hoch. Ein wichtiges Anwendungsgebiet der verschiedenen Typen von Rührautoklaven ist die katalytische Hydrierung (S. 328) unter Druck; ein Hydrierautoklav sollte in keinem Hochschullaboratorium fehlen. Bei allen A r b e i t e n u n t e r D r u c k s c h ü t z e m a n die Augen und verschaffe sich vorher aus den physikalischen Unterlagen ein ungefähres Bild über die dem Apparat zugemutete Leistung.

Schmelzpunktsbestimmung

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S chmelzpunktsbestimmung Die Reinheit einer kristallisierten organischen Substanz wird durch den S c h m e l z p u n k t kontrolliert. Diese leicht zu ermittelnde Konstante dient auch zur I d e n t i f i z i e r u n g von Stoffen und bei neuen Verbindungen zur Charakterisierung. Der Apparat ist ein langhalsiger Kugelkolben, in den ein geprüftes Thefmometer mit Hilfe eines Korks eingesetzt ist; um die Skala ganz zu übersehen, ist ein Streifen Kork mit einem scharfen Messer herausgeschnitten (Fig. 30). Die Heizflüssigkeit ist reine konz. Schwefelsäure, mit der die Kugel zu % ihres Inhalts angefüllt wird. Die Substanz wird feinst gepulvert in kleine dünnwandige Glasröhrchen eingebracht, die man sich aus Reagenzgläsern (zweckmäßig beschädigte, aber trockene und reine!) wie folgt herstellt. Man bringt das Rohr in der Gebläseflamme unter Drehen zum Schmelzen und zieht dann rasch aus; schon nach kurzer Übung trifft man den richtigen Durchmesser, der 1—1,5 mm sein soll. Aus dem ausgezogenen Material schneidet man mit der Feile die geeigneten Teile aus, wo es angeht, zweckmäßig in doppelter Röhrchenlänge (etwa 12 cm), so daß man durch Abschmelzen jedes Stückes in der Mitte (Sparflamme) alsbald zwei fertige Schmelzpunktröhrchen erhält. Von der scharf getrockneten Substanz zerdrückt man eine kleine Probe mit Pistill oder Spatel auf einem Uhrglas oder einem kleinen Stückchen Ton und bringt von dem Pulver eine ungefähr 2 mm hohe Schicht auf den Grund des Röhrchens. Dabei taucht man das offene Ende des Röhrchens in das Pulver und bewirkt durch vorsichtiges Aufklopfen, daß die von der Mündung gefaßte Substanz hinuntergleitet. Bei großer Adhäsion läßt man das Röhrchen einige Male durch ein langes Glasrohr auf eine Glasplatte oder ein Uhrglas auffallen. Auch durch leichtes Anstreichen des Röhrchens mit einer Feile können festhaftende Substanzen zum Hinabgleiten gebracht werden. Das Röhrchen wird dann am zweckmäßigsten mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure, den man mit der Thermometerspitze am oberen Ende aufträgt, am Thermometer angeklebt, so daß sich die Substanz auf der Höhe der Mitte der Quecksilberkugel befindet. Diese selbst muß bei der Bestimmung ganz ins Bad eintauchen. Man erhitzt nun die Kugel mit mäßig großer, schräg gehaltener Flamme, die man langsam gleichförmig um den Kolben bewegt. Der Apparat muß von auffallendem Licht beleuchtet sein. Bei hoch schmelzenden Körpern kann man anfangs rasch erhitzen, in der Nähe des Schmelzpunktes soll dis Temperatur l a n g s a m steigen. Gewöhnlich werden in diesem Stadium

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Einige allgemeine Arbeifcsregeln

im oberen Teil des Röhrchens haften gebliebene Teilchen der Substanz durch die aufsteigende heißere Schwefelsäure zum Erweichen gebracht. Jetzt erhitzt man vorsichtig weiter; die Schmelztemperatur ist erreicht, wenn die zuerst zusammengefallene Probe sich klar verflüssigt hat. Bei Stoffen, deren Schmelzpunkt man nicht kennt, dient eine Vorprüfung zur Orientierung. Viele organische Verbindungen schmelzen nicht unzersetzt. Dies äußert sich oft in einer Veränderung der Farbe und meist in einer Gasentwicklung, die man im Röhrchen sehr scharf beobachten kann (Lupe!). Solche Substanzen besitzen keinen scharfen Schmelzpunkt, sondern einen Zersetzungspunkt, der fast immer von der Geschwindigkeit des Erhitzens abhängig ist, derart, daß er bei rascher Temperatursteigerung höher gefunden wird als bei langsamer. Auch erkennt man bei ihnen den verändernden Einfluß der Hitze schon unterhalb des Zersetzungspunktes an einem Zusammenschrumpfen und Klebrigwerden der Substanzprobe, eine Formänderung, die man als „Sintern" bezeichnet. Bei der Bestimmung des Schmelzpunktes zersetzlicher Stoffe heizt man das Bad ziemlich rasch bis auf 10—20° unterhalb der Zersetzungstemperatur, um von da an das Thermometer nur etwa um 5° in der Minute höher zu treiben. Die Erscheinung vorzeitigen Sinterns ist bei unzersetzt schmelzenden Substanzen ein Kennzeichen unvollkommener Reinheit und verlangt nach der präparativen Seite erneute Umkristallisation oder Destillation. Es gibt allerdings auch Stoffe, die selbst in reinster Form nicht ohne vorheriges Sintern, also nicht ganz scharf, schmelzen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die sog. „flüssigen Kristalle" hingewiesen (Lehmann, Vorländer). Als Regel gelte, daß eine Substanz erst als rein angesehen werden kann, wenn sich ihr Schmelzpunkt bei Wiederholung der Reinigungsprozedur nicht mehr ändert. Die Ursache dafür, daß der Schmelzpunkt unreiner Stoffe tiefer liegt als der des einheitlichen Materials, liegt darin, daß die Begleitstoffe gewissermaßen als gelöste Stoffe oder Lösungsmittel wirken; der Erstarrungspunkt einer Lösung liegt aber bekanntlich immer tiefer als der des Lösungsmittels (Rryoskopie). Diese Beziehung begründet einen wichtigen I d e n t i t ä t s n a c h w e i s . Wenn wir auf neuem Weg eine Verbindung erhalten, die wir nach ihrem Schmelzpunkt mit einer schon bekannten für identisch halten, so können wir darüber einwandfrei entscheiden dadurch, daß wir den Schmelzpunkt eines innigen Gemisches der beiden Verbindungen feststellen. Ist .4 von B verschieden, so werden die beiden Stoffe als gegenseitige Verunreinigungen sich geltend machen, der Schmelzpunkt des Gemisches wird sinken, sind sie dagegen identisch, so bleibt der Schmelzpunkt unverändert. Bei der „Mischschmelzprobe" prüft

Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs usw.

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man zweckmäßig die drei Proben (A, B und A -f- B) am gleichen Thermometer, an dem bei einiger Übung zu beiden Seiten und vorn je ein Röhrchen oder, wenn die Thermometerröhre genügend dick ist, alle drei vorn nebeneinander (in gleicher Höhe!) angebracht werden können. In einem Fall versagt die Mischprobe, nämlich bei i s o m o r p h e n Stoffen. Für die Bestimmung des S i e d e p u n k t e s mit kleinen Substanz mengen im Schmelzpunktapparat gibt es auch mehrere brauchbare Verfahren, z. B. das von S i w o l o b o f f Das S c h w e f e l s ä u r e b a d kann nicht ohne Gefahr für Schmelzpunktsbestimmungen oberhalb 250° verwendet werden; sobald sich Siedeerscheinungen zeigen, stelle man das weitere Erhitzen ein, rechne auch schon vorher mit der Möglichkeit, daß der Kolben springen könne. Höhere Temperaturen (bis 350°) erreicht man mit einem Schwefelsäurebad, in dem man in der Hitze K a l i u m s u l f a t aufgelöst hat. Dieses Heizbad erstarrt in der Kälte, da prim. Kaliumsulfat auskristallisiert; es muß daher vor Einbringen des Thermometers eben geschmolzen werden. Noch höhere Schmelzpunkte bestimmt man im Metallblock. Steigende Bedeutung kommt auch der mikroskopischen Schmelzpunktsbestimmung mit Hilfe des K o f i er-Blocks zu; diese Methode ermöglicht die Beobachtung von Änderungen der Kristallstruktur und erlaubt eine exakte thermische Analyse2.

B. Elementar-analytische Methoden Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Stickstoffs, Schwefels und der Halogene Prüfung auf Kohlenstoff und Wasserstoff: Verbrennt eine Substanz beim Erhitzen auf dem Platinblech mit Flamme (Ausnahmen: z. B. S) oder zersetzt sie sich unter Abscheidung von schwarzer Kohle, so ist sie als organisch anzusprechen. Gleichzeitig auf K o h l e n s t o f f und W a s s e r s t o f f kann man prüfen, indem man eine Probe der trockenen Substanz in einem kleinen Reagenzrohr mit ihrem mehrfachen Volumen ausgeglühten, feinen Kupferoxydes mischt, über die Mischung noch etwas Kupferoxyd schichtet, das Rohr durch einen Kork mit einem rechtwinklig gebogenen Entbindungsrohre verbindet und nun stark erhitzt. Trüben die entweichenden Gase klares Barytwasser (C0 2 ), so B. 19, 175 (1885). L. K o f i e r und A. K o f i e r , Mikromethcden zur Kennzeichnung organischer Stoffe und Stoffgemische. Berlin 1945. 1

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Elementar-analytische Methoden

enthält die Substanz K o h l e n s t o f f , während der W a s s e r s t o f f g e h a l t sich dadurch zu erkennen gibt, daß sich in dem oberen, kalten Teile des Reagenzrohres Wassertröpfchen ansetzen. Prüfung auf Stickstoff: Man erhitzt eine kleine Probe in einem Reagiergläschen von etwa 5 mm Weite und 6 cm Länge so lange in einer Bunsenflamme mit einem halblinsengroßen Stückchen blanken Kaliums oder Natriums, welches man zwischen Filtrierpapier abgepreßt hat, bis meistens unter schwacher Verpuffung und Dunkelfärbung Zersetzung eintritt. Das schließlich bis zur R o t g l u t erhitzte Röhrchen taucht man noch heiß in ein kleines Becherglas ein, welches 5 ccm Wasser enthält, wobei das Röhrchen unter eventueller Entzündung des unverbrauchten Kaliums zerspringt (Abzug!). Man filtriert dann die wäßrige Lösung, welche bei Anwesenheit von Stickstoff Alkalicyanid enthält, von Kohle und Glassplittern ab, versetzt das Filtrat mit je zwei Tropfen Eisenvitriol- und Eisenchloridlösung, prüft, ob die Flüssigkeit alkalisch reagiert, und erhitzt, wenn dies der Fall ist, 1—2 Minuten, wobei sich bei Anwesenheit von KCN Ferrocyankalium bildet. Säuert man nun die alkalische Lösung nach dem Erkalten mit Salzsäure an, so lösen sich das abgeschiedene Eisenoxyd und Eisenoxydulhydrat auf, und das Ferrocyankalium reagiert mit dem Eisenchlorid in bekannter Weise unter Bildung von Berlinerblau. Bei Anwesenheit von S t i c k s t o f f erhält man demnach einen blauen N i e d e r s c h l a g . Ist nur wenig Stickstoff in der Substanz vorhanden, so erhält man bisweilen im Anfang keinen Niederschlag, sondern nur eine blaugrüne Lösung. Läßt man diese längere Zeit, unter Umständen über Nacht, stehen, so scheidet sich ein Niederschlag ab. Bei der Prüfung l e i c h t f l ü c h t i g e r Subs t a n z e n auf Stickstoff wende man ein längeres Rohr an und lasse die sich in dem kalten Teile kondensierende Substanz mehrfach auf das heiße Kalium zurückfließen. Bei Substanzen, welche ihren Stickstoff schon bei mäßiger Temperatur abgeben, wie z. B. D i a z o v e r b i n dungen, kann dieser nicht in der beschriebenen Weise erkannt werden. Man muß in derartigen Fällen prüfen, ob bei der Verbrennung der Substanz mit Kupferoxyd in einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre sich Gas bildet, welches von Kali nicht absorbiert wird (vgl. quantitative Bestimmung des Stickstoffs). Prüfung auf Schwefel: Die qualitative Prüfung auf Schwefel wird in der gleichen Weise wie die auf Stickstoff ausgeführt. Man glüht die Substanz in einem Röhrchen mit Natrium und versetzt die eine H ä l f t e der mit Wasser aufgenommenen und erkalteten Schmelze mit einigen Tropfen einer Nitroprussidnatriumlösung, welche man sich durch Schütteln einiger Körnchen des festen Salzes mit Wasser in der Kälte kurz zuvor darstellt. Eine v i o l e t t e F ä r b u n g zeigt die Anwesenheit von S c h w e f e l an. Da die Nitroprussidreaktion äußerst empfindlich ist und keinen Schluß auf die Menge des Schwefels zu ziehen gestattet,

Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs usw.

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so versetzt man die zweite Hälfte der Flüssigkeit nach dem Filtrieren mit Bleiacetatlösung und säuert darauf mit Essigsäure an. J e nachdem, ob hierbei nur eine dunkle Trübung oder ein mehr oder minder starker Niederschlag von Bleisulfid sich bildet, ist die Menge des Schwefels nur eine geringere oder eine größere. L e i c h t f l ü c h t i g e S u b s t a n z e n kann man meistens in dieser Weise nicht prüfen. Diese erhitzt man, wie unten bei der quantitativen Bestimmung des Schwefels angegeben, mit rauchender Salpetersäure in einem Bombenrohr auf etwa 200—300° und prüft die Lösung nach dem Verdünnen mit Wasser mit Bariumchlorid auf Schwefelsäure. Prüfung auf Halogene: C h l o r , B r o m und J o d kann man in organischen Verbindungen nur in s e l t e n e n Fällen direkt durch Fällen mit Silbernitrat nachweisen, da das Halogen meist nicht ionogen gebunden ist. Um homöopolar gebundenes Halogen zu erkennen, glüht man die zu prüfende Substanz in einem nicht zu engen Reagenzrohr über einer Bunsenflamme mit einem Überschuß von chemisch reinem Ätzkalk, taucht das noch heiße Rohr in wenig Wasser ein, wobei es zerspringt, säuert mit chemisch reiner Salpetersäure an, filtriert ab und versetzt mit Silbernitrat. I n Verbindungen, welche k e i n e n S t i c k s t o f f enthalten, kann man, wie dies bei der Prüfung auf Stickstoff beschrieben ist, die Halogene durch Glühen mit Natrium nachweisen. In diesem Falle säuert man die von Glasscherben und Zersetzungsprodukten abfiltrierte Lösung mit reiner Salpetersäure an und fügt Silbernitrat hinzu. Sehr schnell und bequem lassen sich die Halogene durch die B e i i s t e i n sehe Probe erkennen. Ein Stückchen Kupferoxyd von der Größe einer Linse oder ein Stäbchen des Oxyds von y 2 cm Länge wird mit einem dünnen Platindraht, der an ein Glasrohr angeschmolzen ist, umwickelt und in der Bunsenflamme so lange ausgeglüht, bis die Flamme farblos erscheint. Bringt man nach dem Erkalten des Kupferoxydes eine winzige Menge einer halogenhaltigen Substanz darauf und erhitzt in dem äußeren Teile einer Bunsenflamme, so verbrennt zunächst der Kohlenstoff, und man beobachtet eine leuchtende Flamme. Diese verschwindet bald und macht einer g r ü n e n oder b l a u g r ü n e n Platz, welche durch verdampfendes Halogenkupfer hervorgerufen wird. Aus der Dauer der Färbung läßt sich darauf schließen, ob die Substanz nur Spuren oder mehr Halogen enthält. Auch ein in einem Kork befestigtes Stück Kupferdraht kann zur Ausführung der B e i l s t einschen Probe Verwendung finden. I n n i c h t f l ü c h t i g e n S u b s t a n z e n lassen sich H a l o g e n und S c h w e f e l mit großer Sicherheit durch die S a l p e t e r s c h m e l z e ermitteln. Man verreibt 5—10 mg des Stoffs (nicht mehr!) mit 100 bis 200 mg Kaliumnitrat in einer kleinen Achatreibschale und erhitzt das

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Elementar-analytische Methoden

Gemisch in einem kleinen Reagenzglas vorsichtig über kleiner Flamme. Die Oxydation erfolgt unter schwacher Feuererscheinung und ist beendet, wenn die Schmelze farblos geworden ist. Nach dem Erkalten löst man in Wasser und bestimmt die gesuchten Elemente in bekannter Weise. (Reagentien zuvor auf Halogen- und Sulfationen prüfen!) Andere Elemente, die in organischen Verbindungen vorkommen, wie Phosphor, Arsen, weitere Metalloide und organisch gebundene Metalle, weist man nach, indem man die organische Substanz durch Oxydation (mit Salpetersäure im Einschlußrohr oder durch Schmelzen mit Salpeter oder Natriumperoxyd) zerstört und dann nach den üblichen analytischen Methoden die Prüfung vornimmt. Dem Bedürfnis nach einer qualitativen Aufklärung einer organischen Verbindung ist durch Ermittlung ihrer Elementarbestandteile nur zu einem geringen Teil Genüge getan. Die weitere und schwierigere Aufgabe ist, sie zu klassifizieren, auf Grund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften und Reaktionen festzustellen, welcher Gruppe von Verbindungen sie angehört. Die Merkmale der wichtigsten organischen Gruppen (Alkohol-, Aldehyd-, Keton-, Ester-, Amid-, Nitril-, Nitro-, um nur einige zu nennen) zu erkennen, gesättigte, ungesättigte und aromatische Stoffe durch ihre Reaktionen voneinander zu unterscheiden, solche und noch viele andere Fragen experimentell zu beantworten, soll die Beschäftigung mit der präparativen organischen Chemie als unentbehrlichen Nebenzweck lehren. Der Praktikant soll nicht nur Übung erlangen in der synthetischen Darstellung von Stoffen aus den wichtigsten Verbindungsreihen, er soll auch mit seinen Präparaten vertraut werden, er soll sich in ihre charakteristischen Reaktionsmerkmale vertiefen, ihre stoffliche Eigenart durch gründliche experimentelle Betrachtung und Beobachtung in sich aufnehmen. Darum sollen die in der folgenden p r ä p a r a t i v e n Anleitung gebrachten Versuchsbeispiele, die diesem Unterrichtszweck dienen, nicht auf die leich.te Schulter genommen werden. Ihre Ausführung ist der rein p r ä p a r a t i v e n T ä t i g keit an Bedeutung gleich zu achten. Die ernste Beachtung dieser Mahnung wird ihre Früchte tragen bei der Lösung der Aufgaben, die von der im Anschluß an den präparativen Teil auszuführenden Gruppen-Analyse (S. 364) gestellt werden. Die quantitative o r g a n i s c h e Elementaranalyse Die quantitative Bestimmung der Elemente einer organischen Substanz geschieht mit Hilfe der E l e m e n t a r a n a l y s e . Hierbei werden Kohlenstoff und Wasserstoff nebeneinander bestimmt, während zur Bestimmung aller übrigen Elemente je eine besondere Analyse auszuführen ist.

I. Stickstoffbestimmung nach Dumas

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Die hier beschriebenen m e s o - a n a l y t i s c h e n Methoden mit Einwaagen von 20—30 mg sind auf der Grundlage des Preglschen Mikroverfahrens 1 von Dr. F. H ö l s c h e r ausgearbeitet worden. Die Waage: Bei einer Einwaage von 20—-30 mg Substanz ist aus leicht ersichtlichen Gründen eine gewöhnliche Analysenwaage, deren Genauigkeit nur bis zu 0,1 mg geht, nicht verwendbar. Man benützt daher eine moderne Analysenwaage nach der Schwingungsmethode oder die Kuhlmannsche Schnellwaage oder eine ähnliche „ H a l b m i k r o w a a g e " mit einer Genauigkeitsgreaze von 0,01 mg. I. Stickstoffbestimmung nach Dumas Die abgewogene Substanz wird in einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre durch glühendes Kupferoxyd verbrannt, wobei der K o h l e n -

0,1 - proz. wässerige Lösung von Eosin - natrium (Indikator zur Bestimmung von Br'). 1 K. F a j a n s und H. W o l f f , Z. f. anorg. Chem. 137, 221 (1924); vgl. I. M. K o l t h o f f , Z. anal. Chem. 70,369 (1927); 71, 235 (1927); J . Am. Soc. 51, 3273 (1929); F . H ö l s c h e r , Z. anal. Chem. 96, 308 (1934).

m . Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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Beschickung des Perlenrohres: Zur Beschickung des gründlich gereinigten P e r l e n r o h r e s saugt man, nachdem man ein kleines, mit Watte gefülltes Mundstück auf das Rohr gesetzt hat, eine 5-proz. Lösung von Hydroperoxyd, die man sich vor Beginn einer Analysenserie jedesmal frisch aus Perhydrol herstellt, in den mit Perlen gefüllten Teil auf, bis die Flüssigkeit die Glasspirale benetzt; dann läßt man die Absorptionsflüssigkeit wieder abtropfen. Eine die Perlenschicht benetzende Flüssigkeitsmenge von 2—3 ccm ist vollkommen ausreichend. Über den mit Perlen gefüllten Teil stülpt man ein sauberes Reagenzglas und legt das Rohr auf das Verbrennungsgestell. Dann werden die mit verdünnter Salpetersäure ( 1 : 1 ) ausgekochten und stark geglühten P l a t i n k o n t ä k t e in das Rohr geschoben, so daß der vorderste etwa 6 cm vor der Hartglasspirale endet und zwischen den Kontakten ein etwa 2 cm langer Zwischenraum bleibt. Man legt das Perlenrohr nun so auf das Verbrennungsgestell, daß der mit Perlen gefüllte Teil und noch etwa 5 cm des leeren Teiles darüber hinausragen. Das herausragende Rohrende wird durch ein G a b e l s t a t i v gestützt; zum Wärmeschutz schiebt man einen Asbestschirm über das Rohr, der der Ofenwand anliegt. Dann schiebt man eine 20 cm lange E i s e n d r a h t n e t z r o l l e über den Rohrteil mit dem Platinkontakt, setzt an dieser durch einen L a n g b r e n n e r geheizten Stelle ein D r a h t n e t z d a c h als Wärmeschutz auf das Verbrennungsgestell und schiebt schließlich noch eine 5 cm lange D r a h t n e t z r o l l e für den beweglichen Brenner über das Rohr (vgl. Fig. 41, S. 71). Zur Halogenbestimmung wägt man in der üblichen Weise 20—30 mg Substanz im Platinschiffchen ab und führt dieses so in das Rohr ein, daß es 6—7 cm vor das vordere Ende der langen Drahtnetzrolle zu stehen kommt. Das Rohr wird nun mit Kautschukstopfen und zur Spitze ausgezogener Capillare verschlossen und über einen kleinen, mit 50-proz. Kalilauge gefüllten B l a s e n z ä h l e r mit dem S a u e r s t o f f gasometer verbunden. Zur Halogenbestimmung in F l ü s s i g k e i t e n wägt man die Substanz, wie bei der C,H-Bestimmung beschrieben, und führt daa Wägeschweinchen so in das Rohr ein, daß es etwa 8—10 cm vor das vordere Ende der langen Drahtnetzrolle zu liegen kommt. Bei sehr schwer verbrennlichen Flüssigkeiten tritt an Stelle von Kalium-

ohiorat Ammoniumnitrat.

Ausführung der Verbrennung: Nach dem Einführen der Substanz reguliert man mit Hilfe des P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n e s einen Sauerstoffstrom von 7—9 ccm je Minute ein (Eichung des Blasenzählers mit der Mariotteschen Flasche, vgl. S. 55) und erhitzt dann die P l a t i n k o n t a k t e mit dem L a n g b r e n n e r auf helle Rotglut. Sobald dies erreicht ist, schiebt man die kurze D r a h t n e t z r o l l e bis auf wenige Millimeter an das Platinschiffchen heran und stellt den beweglichen, entleuchteten Bunsenbrenner unter das rückwärtige Ende der Drahtnetzrolle. Man wartet nun ab, bis die Veränderungen, die die zu ver-

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Elementar-analytische Methoden

brennende Substanz erleidet, abgeklungen sind und rückt e r s t d a n n mit der Drahtnetzrolle und dem Bunsenbrenner vor, und zwar alle 2 Minuten um etwa 2—3 mm. Bei Substanzen, die nach dem Schmelzen destillieren, muß man s e h r s o r g f ä l t i g vorgehen; man wartet zunächst ab, bis das Destillat, das sich in Form eines Tropfens im leeren Rohrteil zwischen Schiffchen und Kontakten ansammelt, sich nicht mehr vermehrt. Sobald man mit dem Saum der Bunsenflamme das Platinschiffchen berührt, wartet man einige Minuten ab und beobachtet sorgfaltig, ob das Destillat sich bei unveränderter Stellung des Bunsenbrenners merklich rasch verflüchtigt. Die Verbrennung der Substanz soll m i n d e s t e n s 30 Minuten erfordern, da sonst vollkommene Verbrennung und quantitative Absorption nicht gewährleistet sind. Bei der Verbrennung von F l ü s s i g k e i t e n schiebt man die kleine Drahtnetzrolle vor Beginn der Verbrennung je nach der Flüchtigkeit der Substanz aui höchstens 1—3 cm an das Röhrchen heran und wartet, sobald die Substanz herauszudestillieren beginnt, bei unveränderter Stellung des Bunsenbrenners ab, bis die Destillation beendet ist; erst dann geht man in der oben beschriebenen Weise langsam vor.

Ausspülen des Rohres und Titration: Nach dem Erkalten entfernt man das Platinschiffchen, spannt das Rohr in senkrechter Lage in ein Stativ ein und bringt an Stelle des Reagenzglases einen sauberen E r l e n m e y e r k o l b e n (100—150 ccm) unter das Rohr. Dann spritzt man unter Abspülen der inneren Rohrwandung etwa 10 ccm Wasser ins Rohr und drückt die Flüssigkeit mit Hilfe eines kleinen H a n d b l a s e b a l g s durch die Perlenfüllung in den Erlenmeyerkolben. In gleicher Weise spült man das Rohr noch dreimal mit je 10 ccm Wasser nach, spült den Schnabel des Rohres ab und führt auch den Inhalt des Reagenzglases unter Nachspülen in den Kolben über. Vor der T i t r a t i o n stumpft man die gebildete Mineralsäure mit einigen Tropfen einer halogenfreien gesättigten Natriumacetat-Lösung ab, so daß die Lösung nur noch s c h w a c h e s s i g s a u e r reagiert. Zur B e s t i m m u n g d e s C h l o r - I o n s gibt man zur Lösung 5—10 Tropfen einer 0,01-proz. alkoholischen Lösung von Dichlor-fluorescein und titriert aus einer in 0,02 ccm geteilten M i k r o b ü r e t t e mit neutraler nj50—nliO-Silbernitratlösung. Im Anfang der Titration zeigt die Lösung nur eine geringe O p a l e s z e n z ; mit zunehmender Annäherung an den Äquivalenzpunkt trübt sie sich stark. Man titriert dann vorsichtig unter starkem Umschütteln weiter, bis das Silberhalogenid-Sol plötzlich zu rosarot gefärbten F l o c k e n koaguliert. Zur B e s t i m m u n g d e s B r o m - I o n s fügt man der Lösung 5—10 Tropfen einer 0,1-proz. wässerigen Lösung von Eosinnatrium zu. Der Umschlag ist hier sehr scharf zu erkennen; bis unmittelbar vor dem Äquivalenzpunkt bleibt die stark opaleszierende Lösung durchsichtig, die Farbe des Indikators ändert sich dabei gegen Ende der Bestimmung mehr nach B l a u . Auf Zusatz des nächsten Tropfens wird dann die

III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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Lösung plötzlich undurchsichtig und das Silberhalogenid f l o c k t bei starkem Schütteln mit intensiv rosaroter Farbe a u s . Man titriere ziemlich schnell in zerstreutem Tageslicht und vermeide direktes Sonnenlicht, da die Lichtempfindlichkeit des Silberhalogenids durch die s e n s i b i l i sierende Wirkung der Farbstoffe stark erhöht ist.

Fehlergrenze der Bestimmung: ^

l°/ 0 des Halogengehaltes.

Natürlich kann man das durch Verbrennung der organischen Substanz erhaltene Halogen-Ion auch in der üblichen Weise durch Fällung mit Silber gravimetrisch bestimmen.

3. M a ß a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g v o n J o d nach Leipert-Münster1 Die Substanz wird im S a u e r s t o f f s t r o m am P l a t i n k o n t a k t verbrannt und das gebildete Jod durch B r o m in Essigsäure zu J o d s ä u r e oxydiert. Nach der Zerstörung des überschüssigen Broms durch A m e i s e n s ä u r e fügt man K a l i u m j o d i d zur Lösung und titriert das ausgeFi schiedene J o d mit T h i o s u l f a t . g- 4 1 Da' das 6 fache des in der Substanz enthaltenen Jods zur Titration gelangt, liefert die Methode sehr genaue Resultate. Zur Bestimmung sind erforderlich: Ein Verbrennungsrohr (Fig. 41) aus Supremaxglas (lichte Weite 0,9 cm, Länge 55—60 cm; Länge des Einleitungsrohres 18 cm, innere Weite 2 mm; kurz vor dem Ansatz des Einleitungsrohres ist eine Verengerung angebracht); eine 10-proz. Lösung von reinem Natriumacetat in 96-proz. Essigsäure; Brom (jodfrei); reine 80—100-proz. Ameisensäure; Kaliumjodid und n/10-Thiosulfatlösung.

Ausführung der Bestimmung: In das gründlich gereinigte und getrocknete Rohr schiebt man die vorher durch Auskochen mit verd. Salpetersäure (1:1) und kräftiges Ausglühen gereinigten P l a t i n d r a h t n e t z - K o n t a k t e bis nahe an die Verengung heran, bringt an dieser Stelle des Rohres eine 20 cm lange E i s e n d r a h t n e t z r o l l e an und setzt zum weiteren Wärmeschutz ein E i s e n d r a h t n e t z d a c h auf das Verbrennungsgestell. Das Einleitungsrohr taucht in eine im unteren Teil zu einem schmalen Kelch auslaufende Vorlage (vgl. Fig. 41), die mit 12—15 ccm der Acetat-Essigsäurelösung gefüllt wird, der man 10—12 Tropfen Brom zugefügt hat. 1 Th. Leipert, Mikrochemie, Pregl-Festschrift, S. 266 (1929). — W. Münster, Mikrochemie 14, 23 (1933).

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Elementar-analytische Methoden

Zur Jodbestimmung wägt man 20—30 mg Substanz im Platinschiffchen ein und führt die Verbrennung der Substanz in der bei der H a l o g e n b e s t i m m u n g im P e r l e n r o h r beschriebenen Weise durch. Die Stromgeschwindigkeit des Sauerstoffs reguliert man zu 4—5 ccm je Minute ein. Nach dem Erkalten des Rohres entfernt man Schiffchen und Kontakte und läßt zur Oxydation des an der Verengung des Rohres abgeschiedenen Jods bei schräg gehaltenem Rohr etwa 4 ccm Brom-Essigsäure-Lösung einfließen; durch die Verengung wird die Lösung an dieser Stelle zurückgehalten. Nach 10 Minuten spült man das Rohi und danach die Vorlage quantitativ in einen sauberen Erlenmeyerkolben über, in dem man vorher 2 g Natriumacetat in wenig Wasser v o l l s t ä n d i g gelöst hat. Zur Zerstörung des überschüssigen Broms läßt man einige Tropfen (bis zu 0,5 ccm) Ameisensäure an der Wandung zufließen, schüttelt kräftig um, damit auch das in der Gasphase befindliche Brom zur Absorption gelangt, und wartet einige Sekunden ab. Sobald Entfärbung der Lösung eingetreten ist, setzt man etwas verd. Schwefelsäure und 1,5 g Kaliumjodid zu, läßt nach dem Umschwenken 5 Minuten stehen und titriert danach das ausgeschiedene Jod aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit n/10-Thiosulfatlösung, zunächst auf Gelbfärbung, dann nach Zusatz von Stärke auf Entfärbung. Fehlergrenze der Bestimmung: ^ 0,3%. 4. S c h w e f e l b e s t i m m u n g n a c h C a r i u s Die Schwefelbestimmung nach C a r i u s wird in derselben Weise ausgeführt wie die Halogenbestimmung; an die Stelle des Silbernitrats tritt hier entwässertes B a r i u m c h l o r i d . Zur Bestimmung sind erforderlich: Einschmelzrohre aus schwerschmelzbarem Glas; rote rauchende Salpetersäure (D. 1,5); festes Bariumchlorid; Porzellan-Sintertiegel mit Schutzschale (Berliner Manufaktur, Filter-Tiegel A 1, Höhe: 2,7 cm, Volumen: 6 ccm).

Beschickung des Einschmelzrohres: Zur Schwefelbestimmung wägt man in der bei der Halogenbestimmung beschriebenen Weise 20—30 mg Substanz in das Bombenrohr ein, fügt je nach der Einwaage 130—200 mg vorher entwässertes Bariumchlorid hinzu und läßt das mit 1—1,5 ccm roter rauchender Salpetersäure gefüllte Röhrchen vorsichtig in das schwach geneigte Bombenrohr gleiten, wobei man vermeide, daß die Substanz vorzeitig mit der Säure in Berührung kommt. Das Zuschmelzen, Erhitzen und Wiedereröffnen des Rohres erfolgt wie bei der Halogenbestimmung beschrieben. Entleeren des Rohres und Bestimmung des Bariumsulfats: Nachdem man das Rohr äußerlich gereinigt hat, bringt man den Rohrinhalt unter

III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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mehrfachem N a c h s p ü l e n mit destilliertem Wasser in ein kleines gewöhnliches Becherglas; hartnäckig an der Glaswand haftendes Bariumsvif at entfernt man mit dem G l a s s t a b , nicht mit einem Gummiwischer. Die letzten Anteile des Bariumsulfats werden durch abwechselndes Nachspülen mit wenig Alkohol und wenig Wasser in das Becherglas übergeführt. Vor der Filtration des Bariumsulfats reinigt man den P o r z e l l a n S i n t e r t i e g e l sorgfältig mit Bichromat-Schwefelsäure, spült mit destilliertem Wasser ab und saugt an der Wasserstrahlpumpe Wasser durch. Dann stellt man den mit einem sauberen Tuch abgewischten Tiegel in ein G l ü h s c h ä l c h e n aus Porzellan auf ein T o n d r e i e c k , trocknet den Tiegel zunächst durch Fächeln mit einer kleinen Bunsenflamme, heizt dann langsam an, und steigert die Temperatur allmählich bis zu dunkler Rotglut. Nachdem man 20 Minuten erhitzt hat, läßt man zunächst 5 Minuten an der Luft erkalten und bringt dann den Tiegel mit Glühschälchen in einen E x s i c c a t o r . Nach einstündigem Erkalten im Exsiccator bringt man den Tiegel (ohne Glühschälchen) zur Wägung. Nachdem man den Inhalt des Becherglases zum Sieden erhitzt hat, setzt man den gewogenen Tiegel in den F i l t r i e r v o r s t o ß einer Saugflasche ein und führt das Bariumsulfat direkt aus dem Becherglas in den Tiegel über, die letzten Anteile zweckmäßig wieder durch abwechselndes Nachspülen mit Alkohol und Wasser. Zum Schluß füllt man den Tiegel nochmals mit Wasser, saugt wieder ab und bereitet ihn dann in genau der gleichen Weise, wie oben beschrieben, zur Wägung vor. Fehlergrenze der Bestimmung: ^ 0,3%. 5. S c h w e f e l b e s t i m m u n g durch V e r b r e n n u n g Die Schwefelbestimmung im Perlenrohr wird analog der argentometrischen Halogenbestimmung (s. S. 68) ausgeführt. Die Perlenfüllung wird mit 5—10-proz. Hydroperoxyd beschickt, das etwa auftretende niedere Oxydationsprodukte des Schwefels in Schwefelsäure überführt. Nach Beschickung des Rohres leitet man die Verbrennung der Substanz genau so, wie bei der Halogenbestimmung ausführlich beschrieben ist. Da die vollkommene Absorption von Schwefeltrioxyd eine lange Berührungsdauer mit der Absorptionsflüssigkeit erfordert, hat man in einem l a n g s a m e r e n Sauerstoffstrom (3—4 ccm je Minute) zu verbrennen und dementsprechend l a n g s a m e r mit dem beweglichen Bunsenbrenner vorzugehen. Die Verbrennung der Substanz soll etwa 1 S t u n d e erfordern. Nach Beendigung der Verbrennung spült man das Rohr, wie bei der Halogenbestimmung beschrieben, in ein kleines sauberes Becherglas über, und fügt unter Nachspülen auch den Inhalt des Reagenzglases hinzu. Dann gibt man das klar filtrierte Gemisch von 2—3,5 ccm

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Elementar-analytische Methoden

Bariumchloridlösung (1: 10) und 10 Tropfen verd. Salzsäure zu, bedeckt mit einem reinen Uhrglas und erhitzt zum Sieden, bis die Abscheidung des Bariumsulfats beendet ist. Nachdem man den Inhalt des Becherglases durch Einstellen in kaltes Wasser abgekühlt hat, führt man die Bestimmung wie bei der vorhergehenden Bestimmungsmethode zu Ende. 6. G l e i c h z e i t i g e B e s t i m m u n g v o n H a l o g e n und S c h w e f e l Hat man in einer Substanz g l e i c h z e i t i g Halogen und Schwefel zu bestimmen, so bestimmt man das H a l o g e n zunächst nach der Carius-Methode. Das Filtrat vom Halogensilber-Niederschlag wird in einer sorgfältig gereinigten Saugflasche aufgefangen, in ein Jenaer Becherglas übergeführt, auf 120—150 cc. verdünnt und in der Siedehitze die S c h w e f e l s ä u r e mit 1-proz. absolut halogenfreier B a r i u m n i t r a t l ö s u n g gefällt. Zum Auswaschen des Niederschlags verwendet man destilliertes, nicht salzsäurehaltiges Wasser. 7. B e s t i m m u n g der ü b r i g e n E l e m e n t e Die meisten übrigen Elemente werden, nachdem die organische Substanz nach Carius oxydiert ist, in der salpetersauren Lösung nach den Methoden der a n o r g a n i s c h e n A n a l y s e bestimmt. Alkali- und Erdalkalimetalle werden als S u l f a t e bestimmt. Hierzu wägt man die Substanz in einen Quarz- oder Platintiegel ein, gibt einige Tropfen konz. (bei explosiven oder zersetzlichen Substanzen 30—50-proz.) Schwefelsäure hinzu, raucht vorsichtig ab, und glüht schließlich bei dunkler Rotglut. IV. Bestimmung organischer Gruppen 1. M a ß a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g der M e t h o x y l g r u p p e

1

Das Methyl der CH30-Gruppe wird durch s i e d e n d e J o d w a s s e r s t o f f s ä u r e in M e t h y l j o d i d übergeführt (Zeisel) und dieses durch B r o m in das entsprechende A l k y l b r o m i d und B r o m j o d zerlegt: CHjJ + Br2 = CH3Br + BrJ; letzteres wird durch überschüssiges Brom zu J o d s ä u r e oxydiert: BrJ + 2Br2 + 3H 2 0 = HJ0 3 + 5HBr . Überschüssiges Brom wird durch A m e i s e n s ä u r e zu B r o m w a s s e r s t o f f reduziert und schließlich nach Zugabe von K a l i u m j o d i d das ausgeschiedene J o d mit T h i o s u l f a t titriert. Da hierbei 6 Ä q u i v a l e n t e J o d für 1 Alkoxyl in Freiheit gesetzt werden, läßt sich die Bestimmung auch bei kleinsten Substanzmengen mit großer Genauigkeit durchführen. 1

F. Vieböck und A. S c h w a p p a c h B. 63, 2818, 3207 (1930).

IV. Bestimmung organischer Gruppen

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Zur Bestimmung sind erforderlich: 5 ccm Jodwasserstoffsäure (D. 1,7; „zur Methoxylbestimmung"); 10-proz. Lösung von reinem Natriumacetat in 96-proz. Essigsäure; jodfreies Brom (am besten in einer Tropfflasche aufzubewahren); 80—100-proz. reine Ameisensäure; analysenreines Natriumacetat; Kaliumjodid und 0,1 «.-Natriumthiosulfatlösung.

Die Apparatur (Fig. 42) wird vom Laboratorium gestellt. Zusammenstellen und Beschicken der Appafr ratur: Zunächst beschickt man den W ä s c h e r (IV) mit 3 ccm einer Aufschlämmung von etwa 150 mg rotem Phosphor in Wasser; der Phosphor muß gründlich mit Ammoniak gereinigt sein. Man achte darauf, daß keine Waschflüssigkeit in das Verbindungsrohr gelangt. In die A b s o r p t i o n s v o r l a g e (Vj) füllt man lOccm der 10-proz. Natriumacetat-Essigsäurelösung ein, fügt 10—12 Tropfen Brom zu und bringt nach gutem Durchmischen durch Neigen des Gefäßes etwa ein Drittel der Absorptionsflüssigkeit in das zweite Vorlagegefäß (F a ). Die Vorlage wird mit Spiralfedern am Apparat befestigt. Dann stellt man einen Kippschen K o h l e n d i o x y d A p p a r a t bereit, verbindet ihn mit einer mit verd. Bleiacetatlösung gefüllten W a s c h f l a s c h e Fig. 42 und führt den zum Methoxylbestimmungs-Apparat gehenden Gummischlauch durch einen P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n . Zur Methoxylbestimmung wägt man in der bei der Halogenbestimmung nach C a r i u s (s. S. 65) beschriebenen Weise mit Hilfe des Wägeröhrchens 20—30 mg Substanz in das Z e r s e t z u n g s k ö l b c h e n (K) ein, fügt zur Lösung der Substanz einige Kriställchen Phenol und 0,5 ccm Essigsäureanhydrid (oder Eisessig) hinzu und gibt dann noch etwa 0,2 g trocknen roten Phosphor in den Zersetzungskolben. Ausführung der Bestimmung: Nach dem Einbringen der Substanz verbindet man das Gaseinleitungsrohr des Zersetzungskolbens mit dem Kippschen Apparat und gibt unmittelbar vor dem Anschließen an die Apparatur 5 ccm Jodwasserstoff säure (D. 1,7) in den Kolben. Zum Schutz gegen Wärmestrahlung schirmt man die Absorptionsvorlage durch eine A s b e s t p l a t t e ab und hält auch aus demselben Grunde das G l y c e r i n b a d , das zum Erhitzen der Jodwasserstoffsäure dient, möglichst klein (Becherglas). Nachdem man den Gasstrom mit dem Quetschhahn so einreguliert hat, daß stets nur e i n e Blase die Vorlage durchstreicht, heizt man das

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Elementar-analytische Methoden

Glycerinbad rasch an und hält es während der Bestimmung auf 140 bis 150°. Die vorübergehende Vergrößerung der Gasstromgeschwindigkeit wird nicht berücksichtigt; sobald die Jodwasserstoffsäure zum Sieden gekommen ist, stellt sich die ursprüngliche Gasgeschwindigkeit wieder ein. Nach einstündigem Erhitzen ist alles Methyljodid sicher in die Vorlage übergetrieben; man entfernt dann zunächst die Absorptionsvorlage und danach die Zuleitung des Kippschen Apparates zum Zersetzungskolben. Mit der Jodwasserstoffsäure im Zersetzungskolben lassen sich ohne weiteres noch drei Bestimmungen ausführen. Bei der Zerlegung von Ä t h o x y l v e r b i n d u n g e n erhitzt man zunächst unter E i n s c h a l t u n g des kleinen Kühlers eine halbe Stunde lang am R ü c k f l u ß , stellt dann den Kühler ab, wobei man auch das Wasser abfließen läßt, und hält nun noch eine Stunde lang den Kolbeninhalt im Sieden.

Nach dem Abnehmen der Vorlage gibt man einige ccm Wasser in das Einleitungsrohr und entfernt den Inhalt unter mehrfachem Nachspülen in einen 250 ccm fassenden E r l e n m e y e r k o l b e n , in dem man vorher 1,5 g reines Natriumacetat in wenig Wasser vollkommen aufgelöst hat. Nach mehrfachem Ausspülen der Vorlage erhält man etwa 100—150 ccm Flüssigkeit. Nun läßt man an der Gefäßwand 5—10 Tropfen reiner Ameisensäure einlaufen und schwenkt um. Bei richtiger Ausführung ist die Bromfarbe bereits nach wenigen Sekunden verschwunden; durch kräftiges Schütteln bringt man auch das im Gasraum befindliche Brom zur Absorption. Verschwindet die Bromfarbe nach einigen Minuten nicht, so hat es an Natriumacetat gemangelt. Zur entfärbten Lösung setzt man etwas verdünnte Schwefelsäure und etwa 1 g Kaliumjodid zu, läßt 5 Minuten zugedeckt stehen und titriert dann das ausgeschiedene Jod aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit 0,1 n-Thiosulfatlösung zunächst auf Gelbfärbung, dann nach Zusatz von Stärkelösung auf Entfärbung. 1 ccm 0,1 w-Thiosulfatlösung entspricht 0,51706 mg OCH8 bzw. 0,75067 mg OC2H5. Die Methode ist auch für schwefelhaltige Substanzen ohne weiteres anwendbar; für l e i c h t f l ü c h t i g e Substanzen muß sie abgeändert werden.

Fehlergrenze der Bestimmung: ± 0,5% des Gesamtalkoxyls. 2. Bestimmung der Acetyl- und Benzoylgruppe 1 Die Substanz wird durch Kochen mit 50-proz. Schwefelsäure unter Rückfluß verseift und die gebildete Essigsäure bzw. Benzoesäure nach dem Abdestillieren (im Wasserdampfstrom) mit Natronlauge gegen Phenolphthalein titriert. Die Apparatur (Fig. 43) wird vom Laboratorium gestellt. Zur Bestimmung sind erforderlich: 50-proz. Schwefelsäure; 0,033 m-Natronlauge. 1

R. K u h n und H. R o t h , B. 66, 1274 (1933).

IV. Bestimmung organischer Gruppen

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Ausführung der Bestimmung: Der B l a s e n z ä h l e r wird mit etwas schaumfreier 50-proz. Kalilauge, das U - R o h r und das darauffolgende T r o c k e n r o h r mit Chlorcalcium gefüllt. Zur Acetyl- bzw. Benzoylbestimmung wägt man mit Hilfe des üblichen Einwägeröhrchens mit langem Stiel (s. S. 65) 20—30 mg Substanz in den Z e r s e t z u n g s k o l b e n ein. Nachdem man den K ü h l e r in R ü c k f l u ß s t e l l u n g aufgesetzt hat, wobei der Schliff C durch einen Tropfen Wasser gedichtet wird, stellt man mit Hilfe des P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n e s den die Apparatur passierenden Luftstrom auf 30 Blasen je Minute ein und dichtet den Zuführungsschliff A mit etwas zerflossenem, Phosphorpentoxyd. Durch den Trichter des ebenso gedichteten Schliffrohres B gibt man nun 2—3ccm der 50-proz. Schwefelsäure in den Reaktionskolben, setzt den Glasstab S ein und beschickt den Trichter mit 1 ccm Wasser. Darauf erhitzt man den Inhalt des Reaktionskolbens u n t e r R ü c k f l u ß zu mäßigem Sieden. Die Verseifung von O-Acet y l v e r b i n d u n g e n ist in den Fig.43 meisten Fällen nach 60 Minuten beendet. Bei N - A c e t y l - und N - B e n z o y l v e r b i n d u n g e n sind bis zu 3 Stunden zur vollständigen Verseifung erforderlich. Man kann die Verseifung auch über Nacht mit etwas konz. H a S0 4 vor sich gehen lassen. Nach Beendigung der Verseifung wird der Kühler sorgfaltig mit 10—12 ccm Wasser ausgespült; dann destilliert man durch den abs t e i g e n d e n K ü h l e r bis auf 5 ccm in ein Erlenmeyerkölbchen aus Quarz ab, wenn nötig, nach Einbringen einiger Siedecapillaren. Nach Zugabe von je 7 ccm Wasser wird dreimal nachdestilliert. Das Destillat (etwa 20 ccm) wird mit etwas Bariumchlorid auf Abwesenheit von Schwefelsäure geprüft, 7—8 Sekunden zum Sieden erhitzt und sofort aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit n/SO-NaOH1 und Phenolphthalein auf eben beginnende, mehrere Sekunden bestehenbleibende R o s a f ä r b u n g titriert. Zur zweiten Titration werden 2—3mal je 7 ccm abdestilliert, für die dritte und folgende Titration nur noch etwa 7 ccm. 1 Der Faktor der Lauge ist mit Oxalsäure bei annähernd gleicher Verdünnung zu bestimmen.

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Elementar-analytische Methoden

Beispiel für den Destillationsverlauf: 1. Titration (etwa 20 com Destillat) 5,885 ccm 2. Titration 2 x 7 ccm Destillat . . 0,680 ccm 3. Titration 2 x 7 ccm Destillat . . 0,040 ccm 4. Titration 1 x 7 ccm Destillat . . 0,040 ccm Bei der letzten Titration sollen nicht mehr als 0,05 ccm n/30-Na()H verbraucht werden.

1 ccm w/30-Natronlauge entspricht 1,434 mg —COCHs bzw. 3,5033 mg

-coc6H5.

Fehlergrenze der Bestimmung: + 0>5%. In der vorstehend beschriebenen Apparatur lassen sich auch C - s t ä n d i g e Methylgruppen durch O x y d a t i o n mit Chromsäure nach der Methode von R. K u h n und L ' O r s a 1 bestimmen.

3. B e s t i m m u n g von aktivem W a s s e r s t o f f nach T s c h u g a e f f - Z e r e w i t i n o f f 2 Aus 20 ccm über Natrium destillierten Anisols3 (AmyläthersXylols), 7 g Methyljodid und 2 g Magnesium bereitet man sich in einem schräggestellten F r a k t i o n i e r k o l b e n , dessen Ansatzrohr mit einem kleinen K ü h l e r (der hier als Rückflußkühler wirkt) versehen ist, unter Zusatz von einigen Körnchen Jod eine Grignardlösung. Tritt die Reaktion nicht von selbst ein, so leitet man sie durch kurzes Erwärmen auf 50° ein und beendet sie schließlich durch einstündiges Erhitzen auf dem Wasserbad. Dann dreht man den Fraktionierkolben in die Normallage und erhitzt nochmals eine halbe Stunde am Wasserbad unter Durchleiten von reinem, trockenem Stickstoff, wobei die letzten Reste Jodmethyl abdestillieren. Die so erhaltene Grignardlösung wird vom unverbrauchten Magnesium abgegossen oder besser durch eine getrocknete G l a s f r i t t e n n u t s c h e abgesaugt; sie läßt sich in gut verschlossener Flasche aufbewahren. Für jede Bestimmung verwendet man etwa 5 ccm davon. Die A p p a r a t u r zur Bestimmung des aktiven H ist in Fig. 44 wiedergegeben. Das Lungesche N i t r o m e t e r a, dessen N i v e a u g e f ä ß auf der Zeichnung fehlt, wird mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt. Der Übertritt von Wasserdampf in das Reaktionsgefaß wird durch ein zwischengeschaltetes kurzes C a l c i u m c h l o r i d - R o h r verhindert. Zur Bestimmung wägt man mit Hilfe eines Wägeröhrchens in den längeren Schenkel c des gut getrockneten R e a k t i o n s g e f ä ß e s je nach Molekulargewicht und Hydroxylgehalt der Substanz etwa 0,1—0,2 g genau ein6, übergießt mit Anisol bzw. Amyläther und bringt durch Ang. Ch. 44, 847 (1931); B. 66, 1274 (1933). B. 40, 2023 (1907). Darstellung siehe S. 212. 4 Darstellung siehe S. 109. 5 Von den im Praktikum dargestellten Verbindungen sind Triphenylcarbinol, /3-Naphthol, Hydrochinon, Benzoesäure verwendbar. 1

2 3

IV. Bestimmung organischer Gruppen

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vorsichtiges Schütteln zur Lösung. Dann füllt man in den anderen Schenkel d mit Hilfe einer Meßpipette 5 ccm Grignardlösung ein, verdrängt die Luft durch trockenen Stickstoff (unerläßlich!) und verbindet das Reaktionsgefaß mit Hilfe eines sauberen, dicht schließenden Gummistopfens und -schlauches mit dem C a l c i u m c h l o r i d - R o h r des N i t r o m e t e r s , dessen Hahn man herausgenommen hat. Man taucht nun das Reaktionsgefäß in ein Becherglas mit Wasser von Zimmertemperatur, wartet 5 Minuten, bis die Temperatur sich ausgeglichen hat, setzt den

Fig. 44

Hahn ein und füllt das Nitrometer durch Heben des Niveaugefäßes mit der Kochsalzlösung. Dann dreht man den Hahn um 90°, stellt das Niveaugefaß tief und verbindet durch weiteres Drehen um 90° das Reaktionsgefäß mit der B ü r e t t e . Jetzt nimmt man das Reaktionsgefäß aus dem Wasserbad, läßt die Lösung der Substanz zur Grignardlösung fließen, spült ein paarmal hin und her und schüttelt so lange, bis der Meniskus in der Bürette nicht weiter sinkt, die Entwicklung von Methan also beendet ist. Das Reaktionsgefaß wird in das Wasserbad zurückgebracht; man wartet 10 Minuten, bis es wieder die Temperatur wie vor Beginn des Versuches angenommen hat (Kontrolle mit Thermometer) und liest in der üblichen Weise die Menge des gebildeten Methans ab. Gleichzeitig bestimmt man den B a r o m e t e r s t a n d und mit Hilfe eines an der Bürette hängenden Thermometers die T e m p e r a t u r des Gases. Das Volumen wird auf 0° und 760 mm reduziert. Berechnung: Nach der Gleichung RHn + nCH3 • M g J - R • (MgJ)n + nCH4

entbindet ein Gramm - Mol der Substanz n x 22,4 Liter Methan, wobei n die Anzahl der aktiven H - Atome angibt, a g Substanz = Mole n • 22400 • a entbinden — ccm CH 4 . Dem für ein aktives H-Atom (n = 1)

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Elementar-analytische Methoden

berechneten Volumen (Vber.) muß das abgelesene und reduzierte Volumen (Vgei.) gleich sein, oder wenn mehrere aktive H-Atome vorhanden sind, so muß Vgef. ein einfaches Vielfaches von Vber. sein. Man drückt das Ergebnis zweckmäßig durch die Anzahl aktiver H-Atome gemäß dem Verhältnis Vgef./Vber. aus. Die Fehlerbreite beträgt 5—10%. 4. Molekulargewichtsbestimmung Wir führen die einzelnen Methoden hier nicht an, da sie in der Regel im physikalischen und physikal.-chem. Praktikum erlernt werden. Das kryoskopische V e r f a h r e n ist dem ebullioskopischen bei weitem vorzuziehen. Die gebräuchlichsten Lösungsmittel sind B e n z o l und E i s e s s i g , der beste Apparat ist der geschlossene von B e c k m a n n mit elektromagnetischer Rührung. Ein sehr elegantes und einfaches Verfahren, nach dem man im Schmelzpunktröhr chen das Molekulargewicht organischer Substanzen bestimmen kann, ist von K . R a s t 1 angegeben worden. Campher hat eine sehr hohe G e f r i e r p u n k t s k o n s t a n t e , sein Schmelzpunkt wird durch in ihm gelöste Stoffe stark heruntergedrückt, rund 8mal stärker als der von Benzol. E Benzol = 5.1» Campher = 40. Das heißt, eine g-molare Lösung in Campher schmilzt um 40 Grade tiefer als das Lösungsmittel, nämlich der Campher selbst. Man erhält demgemäß schon für Campherschmelzen von verhältnismäßig geringer Konzentration so große Depressionen, daß die Empfindlichkeit eines gewöhnlichen Thermometers, das auf 1 / 4 Grad abgelesen wird, für die Bestimmung vollständig ausreicht2. Die Schmelzpunktröhrchen stellt man sich, wie auf S. 39 angegeben, atis einem sauberen Reagenzglas her; die lichte Weite soll 4—5 mm betragen, die Länge ungefähr 5 cm; gegen den Boden hin, der möglichst dünnwandig und gleichmäßig verschmolzen wird, sollen sie sich nur wenig verjüngen, was man durch seitliches Wegziehen des erweichten Glases erreicht. Zum Einbringen der Substanz und des Camphers dient ein oben trichterförmig erweitertes Röhrchen. Man tariert das Schmelzröhrchen in einem Korkfuß auf der gewöhnlichen Analysenwaage, füllt etwa 10 mg Substanz unter Benutzung eines in das Trichterrohr passenden Glasstäbchens ein, wägt auf 0,1 mg genau, bringt hierauf 100—125 mg Campher in derselben Weise in das Röhrchen und wägt wieder. Nach Herausnahme des Trichters wird das Röhrchen an der Sparflamme zugeschmolzen, wobei man einen nicht zu dünnen Faden auszieht. Dann wird der Inhalt in einem auf 180° erwärmten Bad von konz. 1 B. 65, 1051, 3727 (1922). Abderhalden, Arbeitsmethoden. Abt. III, Teil A, S. 754. s Im Gegensatz zu der Arbeitsweise nach B a s t werden bei der nachstehend beschriebenen, von W. Münster ausgearbeiteten Methode nicht die Schmelzpunkte, sondern die E r s t a r r u n g s p u n k t e bestimmt.

Zur Verhütung von Unfällen

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Schwefelsäure zur homogenen Schmelze gebracht. Nach dem Abkühlen befestigt man das Röhrchen mit seinem Glasfaden durch einen Gummiring am Thermometer, erhitzt in einem Schmelzpunktskolben (Fig. 30) bis zur klaren Schmelze, läßt abkühlen und findet so den ungefähren Erstarrungspunkt. Um ihn genau festzulegen, erwärmt man erneut, diesmal sehr vorsichtig mit der Mikroflamme, deren Spitze sich etwa 4 cm unter dem Kolben befindet, so lange, bis der Inhalt des Röhrchens bis auf einige ganz kleine, am Boden haftende Kristalle klar geschmolzen ist. Die jetzt beobachtete Temperatur liegt gewöhnlich 2° über dem früheren Erstarrungspunkt. Durch Kleinerstellen der Mikroflamme wird jetzt die Abkühlung so reguliert, daß die Temperatur in der Minute etwa um 1° sinkt. Dabei sieht man mit der L u p e sehr deutlich, wie die übriggebliebenen Kristalle zu wachsen beginnen. In diesem Augenblick liest man die Temperatur ab. Zur Kontrolle kann man die Operation wiederholen und wird bei sorgfaltigem Arbeiten fast den gleichen Erstarrungspunkt wiederfinden. Es ist vorteilhaft, die Flamme mit einem W ä r m e s c h u t z , einem Zylinder von 8 cm Durchmesser aus Glas oder auch aus Papier, der bis zum Schmelzpunktskolben reichen soll, zu umgeben. Auf dieselbe Weise, wie oben beschrieben, hat man zuvor den Ers t a r r u n g s p u n k t des Camphers, der zur Bestimmung dient, festgestellt. Man verwende ein ganz reines Präparat. Die Differenz gegenüber der Erstarrungstemperatur des Camphers (177°) i s t J und das Molekulargewicht M =

£ '^j 000

_ Substanz-

menge, b = Gewicht des Camphers). Die Fehlergrenze gegenüber dem wahren Molekulargewichtswert beträgt ± 5%. Verbindungen, die in Campher schwer löslich sind, die sich bei der Schmelztemperatur zersetzen oder die mit Campher reagieren, sind natürlich nach dieser Methode nicht bestimmbar. In solchen Fällen benutzt man als „Lösungsmittel" den bei 49° schmelzenden Kohlenwasserstoff Camphen 1 .

C. Organisch-präparativer Teil Zur Verhütung von Unfällen Wer unvorsichtig und gedankenlos zu Werke geht, kann beim p r ä p a r a t i v e n Arbeiten leicht Schaden nehmen. Aber auch der B e d ä c h t i g e ist nicht gegen jede Gefahr gesichert. Die schweren U n f ä l l e , die sich in chemischen L a b o r a t o r i e n leider immer und immer wieder ereignen, v e r l a n g e n , daß P i r s c h , B . 6 5 , 862, 865 (1932).

1

6

G a t t e r m a n n , Praxis des Organ. Chemikers.

39. Aufl.

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Organisch-präparativer Teil

s i c h ein j e d e r a u s d e r L a b o r a t o r i u m s g e m e i n s c h a f t s e i n e r P f l i c h t g e g e n s e i n e K o m m i l i t o n e n v o l l u n d e r n s t bew u ß t ist. D e r w i c h t i g s t e S c h u t z g i l t d e n A u g e n . Eine solide S c h u t z b r i l l e mit starken Gläsern m u ß getragen werden bei allen Arbeiten u n t e r V a k u u m u n d D r u c k , also bei Ausführung einer Vakuumdestillation, beim erstmaligen Evakuieren eines neuen Exsiccators, beim Umgehen mit Einschmelzröhren, Druckflaschen, Autoklaven. Ferner bei Ausführung von A l k a l i - s c h m e l z e n und von allen Operationen, bei denen ä t z e n d e oder f e u e r g e f ä h r l i c h e S t o f f e verspritzt werden können. So vor allem beim Arbeiten mit m e t a l l i s c h e m N a t r i u m und K a l i u m . Das Arbeiten mit Natriummetall hat schon manchen schweren Unfall im Laboratorium verursacht. Man verfahre deshalb immer, wenn man Natrium zu handhaben hat, mit aller Sorgfalt, werfe keine Abfälle in die Ausgüsse oder Abfalleimer, lasse sie auch nicht offen liegen, sondern bringe sie sofort wieder in die Vorratsflasche oder v e r n i c h t e sie m i t d e r 15—20fachen M e n g e A l k o h o l . Man vermeide, eine Reaktion mit metallischem Natrium oder Kalium auf dem siedenden Wasser- oder Dampfbad auszuführen, sondern bediene sich stets eines S a n d - oder Ö l b a d e s , auch beim Abdestillieren getrockneten Äthers von Natriumdraht. Beim Arbeiten mit Natrium und Kalium sei man mit doppelter Peinlichkeit um die V o l l k o m m e n h e i t der A p p a r a t u r besorgt und halte sich die Folgen vor Augen, die ein undichter Kühlermantel oder der Bruch des Kolbens unter Umständen haben können. Stets Schutzbrille aufsetzen! Man arbeite n i e o h n e S c h u t z b r i l l e mit e x p l o s i v e n S u b s t a n z e n und prüfe u n b e k a n n t e S t o f f e stets zuerst mit kleinen Mengen auf dem Metallspatel auf ihr V e r h a l t e n in d e r F l a m m e . Das Präparat selbst muß dabei vorher zur Seite gestellt werden. Um das Auge auch gegen die Wirkung u n v o r h e r z u s e h e n d e r E x p l o s i o n e n , die sich nie mit aller Bestimmtheit ausschließen lassen, zu schützen, sollte jeder im Laboratorium Beschäftigte stets eine e i n f a c h e B r i l l e tragen, unbeschadet des Gebrauchs der S c h u t z b r i l l e in den angegebenen Fällen. Beim Arbeiten mit Ä t h e r und andern f l ü c h t i g e n , l e i c h t e n t z ü n d l i c h e n F l ü s s i g k e i t e n ist stets darauf zu achten, daß k e i n e F l a m m e i n d e r N ä h e b r e n n t . Kommt es zu einem B r a n d , so ist zu allererst a l l e s E n t z ü n d b a r e s o f o r t zu e n t f e r n e n . Man lösche dann mit feuchten T ü c h e r n , durch A u f g i e ß e n v o n T e t r a c h l o r k o h l e n s t o f f , n i c h t aber mit Wasser. Das beste Löschmittel ist eine kleine handliche C 0 2 - B o m b e , die in jedem Arbeitssaal vorhanden sein sollte. Bei größerer Ausdehnung des Brandes ersticke man das Feuer durch Aufschütten von S a n d ; eine g r o ß e K o h l e n s ä u r e f l a s c h e ist auch hier meist vorzuziehen.

Die erste Ausrüstung

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Bei Verletzungen mit Säuren oder k a u s t i s c h e n Alkalien wasche man zuerst gründlich mit Wasser, dann mit B i c a r b o n a t lösung bzw. v e r d ü n n t e r Essigsäure. Bei leichten Verbrennungen bespüle man die verbrannte Stelle mit Alkohol und bedecke sie dann mit L e i n ö l oder sog. B r a n d s a l b e . V e r b a n d w a t t e , B i n d e n , P f l a s t e r müssen stets bereit sein. Bei schweren U n f ä l l e n ist sofort der nächstwohnende Arzt in Anspruch zu nehmen. Wenn man eine ätzende oder in andrer Weise reizende organische S u b s t a n z auf die Haut gebracht hat, so ist das Waschen mit Wasser meist wirkungslos. Man entferne sie mit einem geeigneten Lösungsmittel, wie Alkohol oder B e n z o l , von dem man sofort eine reichliche Menge zum Abspülen verwendet. Man muß berücksichtigen, daß das organische Lösungsmittel an sich das Eindringen des schädlichen Stoffes in die Haut fördert, und muß deshalb die Bildung konzentrierter Lösungen auf ihr vermeiden. Besondere Vorsicht ist beim Arbeiten mit nachstehenden viel benutzten Stoffen geboten: B l a u s ä u r e , Phosgen, D i m e t h y l s u l f a t , D i a z o m e t h a n , einfachen S ä u r e c h l o r i d e n , Chlor, B r o m , S t i c k oxyd und S t i c k s t o f f d i o x y d , K o h l e n o x y d , N a t r i u m und K a lium. Braucht man sie in größerem Maßstab, so sollten die Operationen damit in einem besonderen R a u m ausgeführt werden; im übrigen stets unter einem guten Abzug. Unverdünnte Halogenverbindungen der Fettreihe, wie Ä t h y l bromid, Chloroform, B r o m o f o r m und ähnliche dürfen n i c h t mit m e t a l l i s c h e m N a t r i u m oder K a l i u m in Berührung gebracht, z. B. getrocknet werden, da bei Stoß sehr heftige E x p l o s i o n e n erfolgen können (Staudinger).

Die erste Ausrüstung I. Geräte B e c h e r g l ä s e r , je 1 zu 100, 500, 1000 ccm. Bürette1. C a l c i u m c h l o r i d r ö h r e n , gerade, 3 Stück. D e s t i l l i e r k o l b e n gewöhnliche und nach Ciaisen, je 1 zu 25, 50, 100 ccm. E r l e n m e y e r k o l b e n , je 2 zu 25, 50, 100, 250, 500 ccm. Etiketten. F e i l e n , je eine runde und dreikantige. F i l t r i e r s t u t z e n , je 1 zu 500 und 1000 ccm. 1 Der Praktikant muß in der Lage sein, die gebräuchlichsten maßanalytischen Bestimmungen jederzeit sofort ausführen zu können. Die B e r e i t s c h a f t zur T i t r a t i o n steht im organischen Laboratorium gewöhnlich nicht auf der dringend zu wünschenden Höhe.

6*

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Organisch-präparativer Teil

F i l t r i e r p l a t t e n aus Porzellan zu 1, 3, 5 cm. F i l t r i e r p a p i e r , einige Bogen. G l a s r ö h r e n , gerade und gebogene. G l a s r ö h r e n , ausgezogen als Pipetten (Tropfrohr, S. 12). G l a s k n ö p f e zum Absaugen, 2 Stück. G l a s s t ä b e , 20 von versch. Dicke und Länge, an beiden Enden rund geschmolzen, aber nicht an den Enden verdickt. G u m m i s c h l ä u c h e und G u m m i s t o p f e n . Handtuch. H a n d w a a g e (Tragkraft 50—100 g. Schneiden mit Vaseline gegen Rost schützen!) G e w i c h t s s a t z dazu 0,02—50g. K a r t o n s zum Wägen (Kartenblätter). Korkbohrer. K o r k e verschiedener Größen. K r i s t a l l i s i e r s c h a l e n aus Glas je 1 zu 3, 5, 7 cm. K u p f e r d r a h t für H a l o g e n p r o b e . K ü h l e r nach L i e b i g etwa 60 cm lang; desgl ein kurzer von 10—12 cm Länge. D i m r o t h - oder Schlangen-Kühler. M e ß z y l i n d e r 10, 20, 50, 100 ccm. Metallspatel. N u t s c h e n , zylindrisch und konisch. O b j e k t t r ä g e r 3 Stück. P i p e t t e n zu 5, 10, 20 ccm. Pinzette. P r ä p a r a t e n r ö h r e n verschiedener Größen. P o r z e l l a n s c h a l e n 15, 20, 25 cm Durchmesser. P o r z e l l a n s p a t e l 3 Stück. Reibschale. R u n d k o l b e n , je 2 zu 50, 100, 250, 500 ccm. R e a g e n z g l ä s e r , mindestens 50 Stück normaler Größe, 20 kleine. D a v o n die H ä l f t e s t e t s s a u b e r und t r o c k e n . Reagenzglasklammer. R e a g e n z p a p i e r , und zwar Lackmus, blau und rot, Kongo, Phenolphthalein, Universal-Indicator. Kaliumjodid-Stärke-Papier. S a u g f l a s c h e n 100, 500, 1000 ccm. S i e d e s t e i n c h e n , Tonstückchen von etwa 3 mm Durchmesser. S a u g r ö h r e n , je 3 lange und kurze. S c h e i d e t r i c h t e r 250, 500, 1000 ccm. Schere. S c h l i f f g a r n i t u r , bestehend aus Rundkolben (kurzhalsig), Liebigkühler, Kniestück, Vorstoß, Rückflußkühler, Anschützaufsatz, Rührverschluß1. S c h m e l z p u n k t r ö h r c h e n , dünne (selbst zu machen). 1 Schliffapparaturen für Vakuum- und Hochvakuumdestillation sollen nach Möglichkeit vom Assistenten auageliehen werden.

Die erste Ausrüstung

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T r i c h t e r , 2 Stück kleinste, dann je 1 mittlerer Größe bis zu 12 cm. T r o p f r o h r e , mindestens 6 Stück; dazu ein weiteres auf 1 / I 0 ccm geeichtes von 2 ccm Inhalt. T r o p f t r i c h t e r zu 25ccmmitkurzemRohr,zul00ccmmitlangem Rohr. T h e r m o m e t e r , geprüft, für Schmelzpunktsbestimmung, 2 weitere, davon 1 kurzes, für den Gebrauch. U h r g l ä s e r , hauptsächlich kleine. V a k u u m e x s i c c a t o r e n , 2 große (16 und 18 cm Durchmesser). W a s c h f l a s c h e n 2 Stück. — Zange. II. L ö s u n g s m i t t e l A c e t o n , y 2 Liter. Ä t h e r , a b s o l u t über Natrium 1 , y, Liter. Ä t h e r , g e w ö h n l i c h , 1 Liter. A l k o h o l , 96%, 1 Liter. A l k o h o l , a b s o l u t , V2 Liter. B e n z o l , y 2 Liter (über Natriumdraht). C h l o r o f o r m , l / 2 Liter. E i s e s s i g , y 2 Liter. E s s i g e s t e r , y2 Liter. M e t h y l a l k o h o l , y 2 Liter. P e t r o l ä t h e r , tiefsiedend, Liter (über Natriumdraht). P e t r o l ä t h e r , hochsiedend, 1 / 2 Liter (über Natriumdraht). III. R e a g e n z i e n , T r o c k e n m i t t e l Ä t z k a l i , techn. und rein. C a l c i u m c h l o r i d , gran. Entfärbungskohle. G l y c e r i n (Flasche mit Korkstopfen und Glasstab). Natriummetall. 1 Um a b s o l u t e n Ä t h e r darzustellen, trocknet man 1—2 Liter käuflichen Äther über etwa 10% seines Gewichts an Calciumchlorid 1—2 Wochen lang vor, filtriert dann rasch durch ein Faltenfilter in eine trockene Flasche, in die man Natriumdraht hineinpreßt. Solange sich Wasserstoff entwickelt, setzt man einen Kork mit CaCla-Rohr auf, das — um die Verdunstung einzuschränken — ein kurzes capillar ausgezogenes Glasrohr trägt. Der absolute Äther ist für die meisten Zwecke direkt zu verwenden. Am besten wird Äther im Dunkeln aufbewahrt. Beim Abdampfen größerer Mengen ungereinigten Äthers, der längere Zeit mit Luft in Berührung war, hat man mit der Möglichkeit zu rechnen, daß zum Schluß heftige Explosionen erfolgen, die auf einen Gehalt dieses Äthers an P e r o x y d e n zurückzuführen sind. Solcher Äther r i e c h t s t e c h e n d u n d macht aus angesäuerter KJ-Lösung Jod frei. Z u r Z e r s t ö r u n g d e r P e r o x y d e schüttelt man mit einer Mischung von Bisulfit und konzentrierter Ferrogulfattösung einige Stunden auf der Maschine, trennt im Scheidetrichter und entsäuert mit wenig starker Lauge (E. Sakellarios). Dann wird 1—2 mal mit wenig Wasser gewaschen und über Calciumchlorid getrocknet. Eine rasche und sehr wirksame Entfernung von Peroxyden und Feuchtigkeit aus Äthern und Kohlenwasserstoffen gelingt auch duroh Filtration durch eine Schicht von aktivem Aluminiumoxyd. (G. W o h l l e b e n , Angew. Chem. 67, 741 (1955); Mitt. M. W o e l m , Eschwege).

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

N a t r o n l a u g e e t w a 14 n ( = 4 0 % ) . Natriumsulfat wasserfrei. Th

Normallösungen :

Tt

1\>

HCl, -j^- NaOH,

Tb

Jodlösung, -JQ- Thiosulfat.

S i l b e r n i t r a t l ö s u n g 5-proz. IV. J o u r n a l e Tagebuch1. Literaturheft.

I. Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen; Alkohole, Olefine 1. Äthylbromid aus Äthylalkohol Zu 200 g (110 ccm) konzentrierter Schwefelsäure, die sich in einem Rundkolben von etwa 1 Liter Inhalt befindet, läßt man unter f o r t w ä h r e n d e m U m s c h ü t t e l n , ohne zu kühlen, schnell 110 ccm (90 g) Alkohol (95-proz.) (1,9 Mol) hinzufließen, kühlt dann die warme Mischung auf Z i m m e r t e m p e r a t u r ab, fügt unter dauernder Kühlung 75 g Eiswasser vorsichtig hinzu und versetzt schließlich mit 100 g fein pulverisiertem Kaliumbromid (0,8 Mol). Man unterwirft dann das Reaktionsgemisch unter Anwendung eines Asbestdrahtnetzes einer nicht zu langsamen Destillation. Da das Äthylbromid einen niedrigen Siedepunkt besitzt, so wende man hierbei einen möglichst langen Kühler mit Vorstoß (Fig. 45) oder auch einen Schlangenkühler an und lasse einen recht lebhaften Wasserstrom durch ihn laufen. Die Vorlage beschickt man vor Beginn der Destillation mit Wasser und Eisstückchen, so hoch, daß das Ende des Vorstoßes in das Wasser eintaucht. Die Reaktion ist beendet, sobald keine in Wasser untersinkenden ö l t r o p f e n mehr übergehen. Sollte bei der Destillation ein Zurücksteigen des Destillates in den Kühler eintreten, so hilft man diesem Übelstand dadurch ab, daß man die Vorlage so tief stellt, daß das Ende des Vorstoßes nur ein wenig in die Flüssigkeit eintaucht, was auch durch seitliches Drehen des Vorstoßes erreicht werden kann. Zum Schluß bringt man den Inhalt der Vorlage in einen geeigneten Scheidetrichter, läßt das Äthylbromid, die u n t e r e S c h i c h t , in einen Erlenmeyer (250 ccm) ab, und löst dann den bei der Reaktion mitentstandenen Äthyläther mit konz. Schwefelsäure aus dem Äthylbromid heraus. Da hierbei Wärme frei wird, die ein Verdampfen der Substanz zur Folge hätte, so kühlt man in einem K ä l t e g e m i s c h und gibt die Schwefelsäure aus einem Tropfrohr unter Um1 Der Praktikant soll sich von Anfang an daran gewöhnen, ein T a g e b u c h zu führen, in das alle Ansätze von Versuchen und alle Beobachtungen eingetragen werden. Man verlasse sich beim w i s s e n s c h a f t l i c h e n A r b e i t e n nie auf sein Gedächtnis.

Äthylbromid aus Äthylalkohol

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schütteln tropfenweise zu, so lange, bis sie sich als untere Schicht abscheidet. Jetzt trennt man wieder in einem kleineren Scheidetrichter und destilliert schließlich das durch die Schwefelsäure getrocknete Äthylbromid in eine mit K ä l t e m i s c h u n g gekühlte Vorlage ab. Der Fraktionierkolben taucht in eine mit Wasser gefüllte Porzellankasserolle oder -schale, die mit einem kleinen Brenner geheizt wird. Zwischen 35—40° geht das Äthylbromid über, und zwar der Hauptanteil bei 38—39°. Wegen des niedrigen Siedepunktes muß man bei der Darstellung

offenen Gefäß befindet. Ferner soll das fertige Präparat, vor allem bei Sommertemperatur, bis zur weiteren Verarbeitung (vgl. Äthylbenzol) n i c h t in einem dünnwandigen Kolben, sondern in einer dickwandigen P r ä p a r a t e n f l a s c h e aufbewahrt werden. Ausbeute: 70—80 g. Nach Beendigung des Versuches berechne man hier, wie bei allen noch folgenden Präparaten, wieviel P r o z e n t der t h e o r e t i s c h e n Ausbeute man erhalten hat, wobei folgendes zu beachten ist. Nach der chemischen Gleichung sollte man auf ein Mol Kaliumbromid (119) ein Mol Alkohol (46) anwenden. In Wirklichkeit wendet man jedoch meistens bei organischen Reaktionen, die nicht quantitativ verlaufen, auf Grund des Massenwirkungsgesetzes die eine der Komponenten im Überschuß an, wobei häufig ökonomische Erwägungen maßgebend sind. So kostet z. B. 1 kg Kaliumbromid etwa 7 DM, 1 kg Alkohol ungefähr 1,50 DM 1 . Der Preis einer Molekel KBr (119 x 7) verhält sich demnach zu dem einer Alkoholmolekel (46 X 1,50) annähernd wie 12 : 1. Vom ökonomischen Standpunkt aus ist es also geraten, den billigeren Alkohol im Ü b e r s c h u ß anzuwenden, damit möglichst viel der teureren Bromverbindung in Äthylbromid verwandelt wird. Dieser Erwägung sind auch die oben angewandten Mengenverhältnisse angepaßt. Auf 100 g KBr berechnen sich theoretisch 39 g Alkohol, 1

Für den technischen Gebrauch ist der Alkohol viel billiger.

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

während in Wirklichkeit 86 g (90 g von 95%) verwendet sind, d. h. mehr als das Doppelte der Theorie. Bei der Berechnung der theoretisch möglichen Ausbeute muß demnach hier die Menge des angewandten Kaliumbromids zugrunde gelegt werden. Wollte man einen Alkohol, der wertvoller als K B r ist, in sein Bromid verwandeln, so wäre natürlich dieses im Überschuß zu verwenden. Das Präparat wird verwendet für Ä t h y l m a l o n e s t e r (S. 221). M e t h y l b r o m i d : Die präparative Darstellung dieses einfachsten Alkylbromids erfolgt nach einem grundsätzlich gleichartigen Verfahren ( B y g d e n , J . pr. 83, 421 [1911]). Da sein Siedepunkt schon bei 4,5° liegt, läßt sich Methylbromid schwer auf Vorrat darstellen, doch ist es zur direkten Verwendung für Grignardsche Reaktionen an Stelle der teuren Jodverbindung sehr zu empfehlen. Verwendung analog Äthylbromid. 2. Äthyljodid aus Äthylalkohol1 In einem Kölbchen von etwa 200 ccm Inhalt übergießt man 5 g roten Phosphor mit 50 ccm (1,1 Mol) abs. Alkohol und fügt dann unter öfterem U m s c h ü t t e l n im Laufe einer Viertelstunde 50 g fein pulverisiertes Jod (0,4 Mol) allmählich hinzu, wobei man von Zeit zu Zeit den Kolben durch Eintauchen in k a l t e s Wasser abkühlt. Man setzt dann einen wirksamen Wasserkühler auf den Kolben, läßt das Reaktionsgemisch unter öfterem Schütteln 2 Stunden lang stehen, erhitzt noch 2 Stunden auf dem Wasserbad am Rückflußkühler und destilliert darauf das Äthyljodid am absteigenden Kühler ab, wobei man zweckmäßig den Kolben in das lebhaft siedende Wasser eintaucht. Sollten die letzten Anteile nur schwierig übergehen, so entfernt man das Wasserbad, trocknet den Kolben ab und erhitzt ihn noch kurze Zeit mit leuchtender Flamme, die man fortwährend bewegt. Das durch Jod braun gefärbte Destillat wird zur Entfernung des Alkohols mehrfach im Scheidetrichter mit Wasser, dem man schließlich zur Entfernung des Jods wenige Tropfen Bisulfitlösung und zum Schluß ebensoviel Natronlauge hinzufügt, gewaschen; das so farblos erhaltene ö l wird im Scheidetrichter abgelassen, mit wenig gekörntem Calciumchlorid getrocknet und dann direkt über einer kleinen Flamme rektifiziert. Sollte das Calciumchlorid auf dem Äthyljodid schwimmen, so gießt man dieses durch einen Trichter, in dessen Spitze sich etwas Asbest oder Glaswolle befindet, in den Fraktionierkolben hinein. Der Siedepunkt des Äthyljodids liegt bei 72°. Ausbeute rund 50 g. Wieviel Prozent der theoretischen Ausbeute ? Verwendung für Ä t h y l m a l o n e s t e r und für Grignardsche R e a k t i o n e n . M e t h y l j o d i d 2 . 50 g Kaliumjodid (0,3 Mol) werden in 50 ccm Wasser gelöst. Zu der schwach erwärmten Lösung läßt man 40 g Dimethylsulfat3 1 2 3

F. B e i l s t e i n , A. 126, 250 (1863). Weinland und S c h m i d , B. 88, 2327 (1905). Vorsicht wegen der großen Giftigkeit des Stoffes I Siehe S. 213.

Äthyljodid aus Äthylalkohol

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(0,4 Mol) zufcropfen. Das abdestillierende Methyljodid wird über einen Kühler in einer gut gekühlten Vorlage aufgefangen. Man trocknet mit Calciumchlorid und rektifziert. Siedepunkt 43°. Ausbeute 35—40 g. Zu 1. und 2. Die beiden Reaktionen gehören zur Klasse der nucleophilen Substitutionsreaktionen (Seite 388). Der Ersatz eines alkoholischen Hydroxyls durch ein Halogen-anion läßt sich in zweierlei Weise ausfuhren, indem man, wie bei der Darstellung des Äthylbromids 1. auf Alkohole Halogenwasserstoffsäuren einwirken läßt. Hierbei wird die Spaltung der C—0-Bindung durch die Ausbildung eines „Onium"-Komplexes begünstigt, in welchem der positive Sauerstoff die Bindungselektronen an sich zieht und das intermediäre Carboniumion das Halogenion in seine Elektronenlücke einlagert: R - C H 2 - O H + HBr —> R - C H 2 - O H 2 + Br(~> - - • R—CH a Br + H 2 0 2. kann man, wie bei der Gewinnung des Äthyljodids, Alkohole mit Halogenverbindungen des Phosphors (P + J 2 ) umsetzen, z. B.: 3C 2 H 5 • OH + P J 3 —> 3C2H5 • J + PO s H 3 . (PCl 3 ,PBr 3 ) Die erste Reaktion gelingt am leichtesten mit J o d w a s s e r s t o f f , indem in vielen Fällen bloßes Sättigen mit der gasförmigen Säure zu ihrer Herbeiführung genügt. B r o m Wasserstoff reagiert schwieriger, und es ist hier vielfach ein Erhitzen des mit dieser Säure gesättigten Alkohols im zugeschmolzenen Rohr erforderlich. Die oben ausgeführte Darstellung des Ä t h y l b r o m i d s , bei der HBr durch die konz. Schwefelsäure aus dem Kaliumbromid in Freiheit gesetzt wird, stellt einen sehr leicht verlaufenden Fall dieser Reaktion dar. C h l o r w a s s e r s t o f f reagiert am schwerigsten, und es ist hier erforderlich, wie z. B. bei der Gewinnung des M e t h y l - und Ä t h y l c h l o r i d s , ein komplexbildendes wasserentziehendes Mittel, am besten ZnCl2, anzuwenden, oder, wie bei den höher molekularen Alkoholen im geschlossenen Gefäß unter Druck zu erhitzen. Tertiäre Alkohole sind besonders leicht mit Mineralsäuren zu verestern. Beim Mischen von tert. Butanol mit konz. wäßriger Salzsäure tritt schon in der Kälte Trübung ein, verursacht durch Abscheidung des tert. Butylchlorids. Noch leichter als primäre aliphatische lassen sich a r o m a t i s c h e Alkohole, z. B. B e n z y l a l k o h o l , durch konz. Halogenwasserstoffsäuren in dieser Weise verestern, da sich das intermediäre Benzylkation infolge einer Stabilisierung durch Mesomer'e (S. 386) besonders leicht bildet. Es gelingt jedoch n i c h t , die Reaktion auf Phenole zu übertragen. Auch mit zwei- und m e h r w e r t i g e n A l k o h o l e n läßt sich die Reaktion ausführen; dabei hängt es von den Versuchsbedingungen, wie Quantität des HalogenWasserstoffes, Temperatur usw. ab, wie viele Hydroxylgruppen durch Halogen ersetzt werden; z. B.: CH, • OH CH, • OH CH, • OH CH, • Br | | | +HBr= | + H,0 CH-OH + 2HC1= CH • C1 + 2H,0 . CH, • OH CH, - OH | | CH, • OH CH, • C1 Athylenglykol Äthylenbromhydrin Glycerin Dichlorhydrin J o d w a s s e r s t o f f wirkt auf mehrwertige Alkohole nicht nur veresternd, sondern auch r e d u z i e r e n d . So geht G l y c e r i n über 1,2,3-Trijodpropan in I s o p r o p y l j o d i d über. CH2OH • CHOH • CH a OH + 3 H J —> CH 2 J • CHJ • CH 2 J + 3H a O, CH 2 J • CHJ • CH a J + 2 H J — • CHa • CHJ • CH + 2 J .

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

.Ähnlich gehen der vierwertige Alkohol E r y t h r i t in 2 - J o d b u t a n , der sechswertige Alkohol Mannit in 2 - J o d h e x a n über. Formulieren! Natürlich sind auch Oxysäuren der Reaktion zugänglich. Die zweite Reaktion verläuft bei weitem energischer als die erste, besonders wenn man fertigen Halogenphosphor anwendet. Dies ist jedoch, wenigstens beim Ersatz durch Brom und Jod, nicht immer erforderlich; vielmehr verfährt man in vielen Fällen so, daß man jenen erst in der Reaktion erzeugt, indem man zu der Mischling von Alkohol und rotem Phosphor entweder aus einem Scheidetrichter Brom tropfen läßt oder wie oben fein pulverisiertes J o d hinzufügt. Auch diese Reaktion läßt sich wie die erste auf mehrwertige sowie s u b s t i t u i e r t e Alkohole anwenden, und zwar können so sämtliche OH-Gruppen durch Halogen, auch Chlor, ersetzt werden. An Stelle von P h o s p h o r t r i c h l o r i d wird in vielen Fällen das feste, viel höher verdampfende und energischer wirkende P e n t a c h l o r i d benutzt. Hier braucht man auf 1 Mol Alkohol ein volles Mol PC15, da die Reaktion zu dem viel trägeren P h o s p h o r o x y c h l o r i d führt, z.B.: CH3 • CHaOH + PC1S > CH3 • CH2C1 + POCla + H a . Auch das Thionylchlorid wird für die gleiche Reaktion herangezogen; es hat den Vorteil, daß seine Umsetzungsprodukte gasförmig sind und darum die Verarbeitung des Reaktionsgemisches nicht stören. C4H„ • CH2OH + S0C12 C ä Hj • CHaCl + SOa + HCl . Amylalkohol

Amylchlorid

Die energischere Wirkung des Halogenphosphors gibt sich ferner darin zu erkennen, daß auch die Hydroxylgruppen der Phenole nach dieser Reaktion durch Halogen ersetzt werden können. Die Ausbeuten sind hierbei vielfach wenig befriedigend, da das Phosphoroxychlorid auf das noch nicht umgesetzte Phenol unter Bildung von Phosphors ä u r e e s t e r n einwirkt, z. B.: P0C13 + 3C,H6 • OH > PO • (OC»H5)3 -f 3HC1. Die Darstellungsmethode für Methyljodid, die oben beschrieben ist, stellt den nucleophilen Ersatz von CH 3 0S0 3 ( -> durch J ( -> im Dimethylsulfat dar. H 3 C 0 - S 0 2 - 0 C H 3 + J > H 3 C O — S 0 2 — + JCH 3 . Die Bildungstendenz des energiearmen Methylsulfat-ions macht den Diester zu einem kräftigen Methylierungsmittel, hier für das J ( — ) . Die Monoalkylhalogenide C„H2n+1 Cl(Br, J) sind farblos und in den meisten Fällen Flüssigkeiten; Ausnahmen bilden das Methylchlorid und -bromid sowie das Ä t h y l c h l o r i d , welche bei Raumtemperatur gasförmig sind, ferner die hochmolekularen Glieder, wie z. B. das Cetvljodid C16H33J, welche halbfeste, salbenähnliche Massen darstellen. Sie werden häufig inkorrekterweise als Halogenalkyle bezeichnet, z. B. Jodmethyl, Bromäthyl. Außer Methyljodid ist der Name J o d m e t h a n am Platze. Sie gehören der Klassenbeziehung nach zu den Estern. Das Halogen ist nicht ionogen gebunden, reagiert aber bei den Substitutionsreaktionen als Aiiion, und zwar leichter in der Reihenfolge C1 < Br < J. Als Ester werden die Alkylhalogenide durch Alkalien zu Alkoholen und halogenwasserstoffsauren Salzen verseift. Nascierender Wasserstoff verwandelt in K o h l e n w a s s e r s t o f f e , Ammoniak in Amine, Alkoholat in Ä t h e r , Sulfhydrat in M e r c a p t a n e . Cyankalium i n N i t r i l e , Natriumacetat in Essigester. (Diese Reaktionen formulieren!) In Wasser sind die Alkylhalogenide praktisch unlöslich, mit organischen Lösungsmitteln dagegen mischbar. Die große Verwandtschaft des Jods zum Silber hat zur Folge, daß die Alkyljodide durch wäßrig-alkoholische AgN03-Lösung fast augenblicklich zersetzt werden unter Bildung von S i l b e r j o d i d und Alkohol (S. 390). Darauf beruht die wichtige Zeiselsche Methode zur quantitativen Bestimmung ätherartig gebundener Alkylgruppen (vgl. S. 74).

Äthyljodid aus Äthylalkohol

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Mit A l k a l i j o d i d kann man Chlor und Brom durch J o d ersetzen. Diese Reaktion ist von Bedeutung in Fällen, wo die direkte Umsetzung von Alkoholen mit Jodwasserstoffsäure nicht glatt verläuft, oder überhaupt nicht zum Ziel führt, z. B. bei der Darstellung von Ä t h y l e n j o d h y d r i n : CH 2 OH • CH2C1 + N a J

>• CH2OH • CH 2 J + NaCl.

Da die Umsetzung in der Wärme vor sich geht, kann man wegen der Gefahr der Hydrolyse nicht in wäßrigem Medium arbeiten, was sich in den meisten Fällen auch wegen der Unlöslichkeit des Chlorids in Wasser verbietet. Nach F i n k e l s t e i n benützt man mit CaCl2 gut getrocknetes A c e t o n und w a s s e r f r e i e s N a t r i u m j o d i d , das in Aceton ziemlich gut löslich ist. Um die Jodverbindungen, die sich beim Aufbewahren, namentlich im Licht bald braun färben (Jod), wieder farblos zu erhalten, schüttelt man sie mit etwas Q u e c k s i l b e r oder fein verteiltem S i l b e r durch. Dadurch, daß sich aus den Alkylhalogeniden Halogenwasserstoff abspalten läßt, ist diese Körperklasse auch direkt mit den O l e f i n e n verbunden. H 3 C • CH 2 Br ~ H B r -> H 2 C = CH2 + HBr . Am zweckmäßigsten erfolgt die Abspaltung des Halogenwasserstoffs durch a l k o h o l i s c h e s K a l i 1 , in manchen Fällen werden auch t e r t i ä r e B a s e n , wie P y r i d i n , C h i n o l i n oder D i m e t h y l a n i l i n angewandt. Von s y n t h e t i s c h e n R e a k t i o n e n der Alkylhalogenide ist ihre Umsetzung mit K a l i u m c y a n i d , die nach H. K o l b e von der Methanreihe aus den Aufbau der E s s i g s ä u r e vermittelt, schon erwähnt (vgl. die Präparate S. 125 und S. 220). Von einfacheren Reaktionen dieser Art sei hier die W u r t z s c h e S y n t h e s e angeführt. Dabei wird in erster Phase das Halogen durch Na ersetzt und die metallorganische Verbindung reagiert dann weiter unter nochmaliger Abspaltung von Na-Halogenid H 3 CBr + 2 Na • H 3 CNa + NaBr H 3 CNa + BrCH 3 >• H3C—CH3 + NaBr. So entsteht im einfachsten Falle aus Methylbromid Ä t h a n . Die präparative Anwendung dieser Reaktion findet sich beim T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n , S. 306. Schließlich haben die Alkylhalogenide eine außerordentliche Bedeutung gewonnen als Ausgangssubstanzen f ü r die G r i g n a r d s c h e R e a k t i o n , von der auf S. 290 die Rede ist. Die F i t t i g s c h e S y n t h e s e unterscheidet sich von der W u r t z s c h e n dadurch, daß ein Aryl- und ein Alkylhalogenid gemeinsam der Enthalogenierung durch Natrium unterworfen werden, z. B.: C e H 5 • Br + C,H 6 • Br + 2Na

> C„H6 • C 2 H 6 + 2 N a B r . Äthylbenzol

Sie ist allgemeiner Anwendung fähig, indem auch die homologen B r o m b e n z o l e sowie D i b r o m b e n z o l und alle möglichen A l k y l b r o m i d e in sie einbezogen werden können. Auch zwischen 2 Mol. A r y l b r o m i d findet die Umsetzung, wenn auch schwieriger, statt: 2C 6 H 6 Br + 2Na > C6H5 • C6H5 + 2NaBr . Da bei Verwendung zweier verschiedenartiger Halogenide die Natriumverbindungen RNa und R'Na sowohl mit RHlg als mit R'Hlg reagieren können, ist die Bildung von 3 Reaktionsprodukten, nämlich R—R, R ' — R ' und R—R' möglioh. 1 Dieses viel gebrauchte Reagenz stellt man sich am besten auf Vorrat her, indem man in 100 cem Methylalkohol — ä t h y l alkoholisches Kali verharzt bald — 25 g Stangenkali durch Erwärmen oder durch Stehenlassen über Nacht in der Kälte löst, von Carbonat abfiltriert und den KOH-Gehalt durch Titration bestimmt.

92

Die Substitution von Hydroxyl und Waaserstoff durch Halogen

Brombenzol reagiert nun rascher mit Natrium als Äthylbromid, Phenylnatrium aber rascher mit Äthylbromid als mit Brombenzol: daher in unserem Beispiel die glatte Bildung von Äthylbenzol. Zur biphenyl-artigen Verknüpfung von 2 Molekeln Arylhalogenid ist nach Ullmann Kupfer besonders geeignet; man pflegt die Bromide oder Aryljodide mit Kupferbronze in Nitrobenzol zu kochen.

3. Benzylchlorid aus Toluol 1 Beim Arbeiten mit C h l o r , B r o m und H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n sollten Verbindungen mit Kork oder Kautschuk vermieden und nur Schliffapparaturen verwendet werden. Man bedient sich f ü r das vorliegende Präparat des in Fig. 46, S. 95 abgebildeten Kolbens 2 (mit Einleitungsrohr), in dem 100 g reinen Toluols auf dem Luftbad zum Sieden erhitzt werden. Vor der Beschickung h a t man in den (horizontal gehaltenen) Kolben ein k u r z e s Thermometer eingeführt, dessen unterer Teil in einem 3—4 cm langen, in der Mitte durch Einschmelzen verjüngten Glasrohr als F u ß ruht. Die auf der Kolbenwand aufstehende Seite dieses Fußes ist — damit der Kolben nicht geritzt wird — rund geschmolzen. Durch das im Schliff sitzende Glasrohr leitet man nun aus der Bombe mit vorgeschalteter H 2 S0 4 -Waschflasche einen kräftigen Chlorstrom ein, so lange, bis die Temperatur in der l e b h a f t siedenden Flüssigkeit auf 156° gestiegen ist. Das obere Kühlrohrende wird zur Beseitigung des abziehenden Chlors mit einer Vorlage mit Ätzlauge verbunden, in die das Überleitungsrohr n i c h t eintauchen soll. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Dauer des Einleitens von der B e l i c h t u n g a b h ä n g t 3 ; die Reaktion ist bei hellem Sonnenlicht in einigen Stunden beendet, während sie an trüben Tagen einen halben Arbeitstag in Anspruch nimmt. Man richte sich daher, soweit dies möglich ist, nach der Beleuchtung, wenn keine helle elektrische Lampe („Tageslichtlampe") zur Verfügung steht. Der Kolbeninhalt wird hierauf direkt der D e s t i l l a t i o n im V a k u u m unterworfen. Nach einem Vorlauf von unverändertem Toluol fängt man die Hauptmenge innerhalb von 7 Graden (bei 12 mm etwa zwischen 63—70°) auf. Der Siedepunkt des reinen Benzylchlorids liegt bei 64°/12 mm. Ausbeute 65—70% der Theorie. Das durch Vakuumdestillation gereinigte Präparat ist reiner und haltbarer als das unter Atmosphärendruck destillierte, da hierbei stets HCl-Abspaltung eintritt. Weitere Verwendung für B e n z y l c y a n i d (S. 125), B e n z y l m a l o n e s t e r (S. 222), G r i g n a r d s c h e R e a k t i o n . 1

Cannizzaro, A. ch. (3) 45, 468 (1855); B e i l s t e i n und Geitner, A. 139, 332 (1866); Schramm, B. 18, 608 (1885). a Er sollte vom Saalassistenten entleihbar sein. 3 G.Book und J . E g g e r t , Ztschr. f. El. 29, 521 (1923); B. 59, 1192 (1926); F. Bergel, B. 59, 153 (1926).

Benzylchlorid aus Toluol

93

Die theoretisch einfachste Methode, um Halogen am Kohlenstoff an Stelle von Wasserstoff einzuführen, besteht in der Einwirkung von freiem Halogen auf gesättigte Kohlenwasserstoffe. Sie wird, wie die Chlorknallgasreaktion, durch Licht katalytisch beschleunigt und führt, auf Methan und Chlor übertragen, diesen Kohlenwasserstoff in M o n o - , D i - , T r i - und T e t r a c h l o r m e t h a n über. Auch die höheren Paraffine werden auf diese Weise chloriert, aber das Verfahren ist präparativ unbequem und hat zudem den Übelstand, daß gleichzeitig verschiedene, schwer voneinander abtrennbare Reaktionsprodukte entstehen. In der Fettreihe bilden die Alkohole, die leichter in reinem Zustand zugänglich sind als die Kohlenwasserstoffe, nach Beispiel 1 und 2 das ausschließliche Ausgangsmaterial für die Darstellung der HalogenVerbindungen. Viel übersichtlicher gestaltet sich der Substitutionsprozeß durch Chlor beim Toluol und den homologen Methylbenzolen (Xylolen usw.). Wir haben hier zwei scharf getrennte Vorgänge. 1. Durch typische Halogenüberträger, wie E i s e n f e i l e , J o d , wird ausschließlich im Kern substituiert, und zwar entstehen aus Toluol nebeneinander o-und p-Derivat. 2. Ohne einen derartigen Überträger wird selbst in der Siedehitze der Benzolkern nicht angegriffen. Die Geschwindigkeit der Substitution der Methylgruppe (Seitenkette), die in der Kälte klein ist, steigert sich aber in der Hitze zu einer für den präparativen Zweck ausreichenden Höhe. Diese Reaktion ist l i c h t e m p f i n d l i c h , wie alle Reaktionen, bei denen Wasserstoff direkt durch Chlor ersetzt wird. Daß auch ein Zusatz von Phosphorpentachlorid beschleunigend wirke, ist irrtümlich. Dagegen kommt organischen Peroxyden, etwa Benzoylperoxyd, eine starke katalytische Funktion zu ( K h a r a s c h ) . Die Reaktion zwischen Toluol und Chlor bildet ein sehr schönes Beispiel für die spezifische Wirkung von Katalysatoren. Hinsichtlich des Mechanismus der Seitenkettensubstitution ist zu sagen, daß es sich wie bei der Chlorknallgas-Reaktion um eine Radikalkette handelt. In präparativer Hinsicht ist es von großer Bedeutung, daß der Eintritt des zweit e n Chloratoms in die Seitenkette mit viel g e r i n g e r e r Geschwindigkeit vor sich geht als die erste Phase der Reaktion. So wird fast alles Chlor vom vorhandenen Toluol aufgebraucht, ehe die weitere Chlorierung des Benzylchlorids sich merkbar äußert. Die Nachbarschaft des Benzolkerns verleiht dem Chlor an der Seitenkette geringere Haftfestigkeit, d. h. größere Beweglichkeit als im Falle der reinen Paraffine, da das nach seiner Ablösung hinterbleibende ungesättigte Gebilde (Carbonium-ion, Radikal) durch die Mesomerie mit den ir-Elektronen des Benzolrings stabilisiert wird, z. B.: (+)

Im T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n (C9H{)3CC1 ist die Bindung des Chlors eine so lockere, daß Alkalien seine sofortige hydrolytische Abspaltung herbeiführen. Wir lernen aus diesem Beispiel, daß die Bindungsstriche unserer Formeln die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs zwar f o r m a l zum Ausdruck bringen, daß sie aber über die energetischen Verhältnisse der einzelnen Bindungen nichts aussagen. B e n z y l c h l o r i d ist allen Umsetzungen der Alkylhalogenide zugänglich. Durch Verseifung mit wäßrigen Alkalien in der Hitze entsteht der zugehörige Alkohol, der B e n z y l a l k o h o l C 6 H 5 • CH 2 OH, eine bei 206° siedende farblose Flüssigkeit (Präp. V, 4. S. 193). Wenn man unter geeigneten Bedingungen Benzylchlorid mit Ammoniak umsetzt, erhält man B e n z y l a m i n C6H5 • CHa • NH 2 , eine ziemlich starke, flüssige Base, die alle chemischen Merkmale der aliphatischen Aminbasen besitzt und Bich ganz und gar von den am Benzolkern substituierten A m i n o t o l u o l e n (Toluidinen), die mit ihm isomer sind, unterscheidet. Wir können allgemein sagen, daß alle Veränderungen an der Methylgruppe des Toluols und analog gebauter Verbindungen mit denen rein alipathischer Alkylgruppen wesensgleich verlaufen.

94

Die Substitution von Hydroxy! und Wasserstoff durch Halogen

Die Fortsetzung der Chlorierung des Toluols läßt ein zweites und schließlieh ein drittes Chloratom in die Seitenkette eintreten. B e n z a l c h l o r i d C6H5 • CHC12, eine farblose, ebenso wie Benzylchlorid zu Tränen reizende Flüssigkeit, ist das technische Ausgangsmaterial f ü r die Gewinnung des B e n z a l d e h y d s . Vgl. Präp. V, 3; S. 184. B e n z o t r i c h l o r i d (Phenylchloroform) C6H5 • CC13. Der Einfluß des Benzolkerns auf die Bindungsverhältnisse des benachbarten Kohlenstoffs äußert sich hier besonders anschaulich. Während sich C h l o r o f o r m gegen Alkalien ziemlich resistent verhält, wird B e n z o t r i c h l o r i d dadurch außerordentlich leicht, und zwar unter Herausnahme aller 3 Chloratome zu B e n z o e s ä u r e verseift. Es wäre aber verkehrt, zu glauben, daß hierbei alles Chlor gleichzeitig herausgenommen werde, gemäß der Gleichung: ^ C 1 NaOH yOH. ^OH C e H 6 • C—C1 NaOH * C 0 H 5 • C—OH + 3NaCl • C„H6 • C + H ä O. X \ C 1 NaOH ^OH 0 Alle chemischen Reaktionen verlaufen s t u f e n w e i s e , und zwar zumeist zwischen 2 Molekeln (Reaktionen zweiter Ordnung oder dimolekulare Reaktionen). So werden wir auch unsere Reaktion in Teilvorgänge aufzulösen und folgendermaßen zu formulieren haben: 1 / C 1 + OH(~) C,Ht—C^-Cl > X!1

I

>•

/ 0 H + Ol1(- - )' C,Ht-C^-Cl -Ol I

+ OH(~>

>

C,Ht—C

>

+H,0+C1HC1

H H HCTHCl Während im Benzol und in seinen Derivaten die 6 Substituenten in einer Ebene, und zwar in der des Ringes liegen, verteilen sie sich i m C y c l o h e x a n auf zwei, zur Ringebene parallele Ebenen 1 . Daraus ergibt sich schon beim Ersatz zweier H-Atome an verschiedenen C-Atomen eine besondere Art von räumlicher Isomerie, die bedingt wird durch die Lage dieser beiden Substituenten. Sie können nämlich in der gleichen Ebene liegen (cis-Form), oder auf beide verteilt sein (trans-Form). Die Erscheinung ist der c i s - t r a n s - I s o m e r i e derÄthylene, wie sie am Beispiel M a l e i n s ä u r e — F u m a r s ä u r e am besten bekannt ist, nahe verwandt. So kennt man zwei stereo-isomere Formen des 1 , 4 - D i o x y - c y c l o h e x a n s (Chinit):

eis - Chinit

trans - Cblnit

Wenn aber 6 Chloratome an den Benzolkern addiert werden, so lassen sich auf Grund der verschiedenen räumlichen Verteilung 8 stereoisomere Formen voraussehen, von denen bis jetzt 5 in reinem Zustand isoliert sind, deren jeweilige Konfiguration auf physikalisch-chemischem Wege bestimmt wurde. Von ihnen besitzt das y-Benzol-hexachlorid eine hervorragend starke insekticide Wirkung als Kontaktgift. Aus dem bei der Addition von Chlor entstehenden Isomerengemisch wird heute das y-Isomere in techn. Maßstab abgetrennt (Nexit, Gammexan). Beim Inosit liegen ganz analoge sterische Verhältnisse vor. 5. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe a) Ä t h y l e n a u s Ä t h y l a l k o h o l 2 . Ä t h y l e n b r o m i d Eine frisch bereitete und am besten noch warme Mischung von 25 g (30 ccm) 96-proz. Alkohol ( ~ 0,5 Mol) und 150 g (90 ccm) konzentrierter Schwefelsäure (1,5 Mol) wird unter Zusatz von 60 g feinkörnigem Seesand3 oder ebensoviel entwässertem Aluminiumsulfat in einem großen Rundkolben von etwa 3 Liter Inhalt über einem Asbestdrahtnetz oder auf einem Sandbad n i c h t z u s t a r k erhitzt (auf 160°). Der Kolben trägt im s e h r d i c h t sitzenden Kork ein Thermometer, das in die Flüssigkeit eintaucht, 1 Dies ist eine sehr vereinfachende Modellvorstellung, da bei der räumlichen Lagerung der 6 C-Atome in einer „Wannen"- oder „Sessel"-form die Substituenten in Wirklichkeit nicht in nur zwei gemeinsamen Ebenen, sondern „äquatorial" oder „axial" angeordnet sind. Über die Unterschiede in ihrer Reaktionsfähigkeit siehe in den Lehrbüchern! — 2 E r l e n m e y e r und B u n t e , A. 168, 64 (1873); 192, 244 (1878). — 3 Quarz katalysiert die Wasserabspaltung (Senderens).

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

99

außerdem ein an zwei Enden verjüngtes "["- Rohr von 0,6—0,8 cm lichter Weite, in das oben mit einem Stückchen Gummischlauch ein Tropftrichter mit langem Rohr eingesetzt ist (Fig. 48), während der seitliche Ansatz mit den Vorlagen in Verbindung steht. Vor dem Aufsetzen des Korks füllt man das am Ende durch Ausziehen verjüngte Abflußrohr des Tropftrichters durch Aufsaugen mit einer Mischung von 190 ccm (150 g) Alkohol und 170 ccm (300 g) konz. Schwefelsäure. Sobald eine lebhafte Entwicklung von Äthylen eingetreten ist, läßt man aus dem Tropftrichter das Alkohol-Schwefelsäuregemisch zutropfen, unter steter Kontrolle der Temperatur (kleine Flamme!) und in dem Tempo, daß sich ohne starkes Aufschäumen ein regelmäßiger Strom von Äthylen entwickelt.

Fig. 48

Fig. 49

Das Gas wird zur Entfernung von Alkohol und Äther durch eine mit konzentrierter Schwefelsäure1 beschickte Waschflasche und zur Entfernung von schwefliger Säure durch eine mit 4 n-Natronlauge gefüllte, dreifach tubulierte Sicherheitswaschflasche2 (Fig. 49) geleitet. Das Gas tritt dann in zwei nicht zu enge Waschflaschen mit je 25 ccm Brom ein; das Brom ist, zur Verkleinerung des Verdampfungsverlustes, mit einer 1 cm hohen Wasserschicht bedeckt, die beiden Flaschen werden zur Kühlung in ein Gefäß mit kaltem Wasser eingestellt. Den Abschluß der Vorlagen bildet, wenn es die Druckverhältnisse gestatten, ein mit 2n-Natronlauge beschicktes Peligotrohr (Fig. 47, S. 95), wenn nicht, nimmt man die entweichenden Bromdämpfe in einem verstopften Erlenmeyer (seitlicher Einschnitt im Kork!) auf, wobei man das Rohrende ü b e r der Natronlauge münden läßt (von Zeit zu Zeit umschütteln I). 1 Da sich Äthylen mit heißer Schwefelsäure wieder zu Äthylschwefelsäure vereinigt, muß hier unter Umständen gekühlt werden. 2 Man beachte, daß während der Entwicklung die Natronlauge in dem mittleren Steigrohr etwa 20—30 cm über das innere Niveau steigen muß. Warum i



100

Die Substitution von Hydroxyl und Waaserstoff durch Halogen

Sobald das Brom entfärbt ist oder zum mindesten über dem braunroten Reaktionsprodukt keine Bromdämpfe mehr sichtbar sind, was bei normalem Verlauf nach 2—3 Stunden erfolgt sein soll, löst man die Verbindung zwischen Kolben und Vorlagen. Das rohe Äthylenbromid wird dann in einem Scheidetrichter mit Wasser und Natronlauge durchgeschüttelt, bis es farblos geworden ist, und mehrfach mit Wasser gewaschen. Nach dem Trocknen mit Calciumchlorid wird es durch Rektifikation vollkommen rein erhalten. Siedepunkt 130°. Ausbeute 125—150 g. Verwendung für Glykol (S. 107), auch als L ö s u n g s mittel. Das zuweilen recht lästige S c h ä u m e n , das auf Oxydationswirkung der Schwefelsäure zurückzuführen ist und das sich nur durch vorsichtiges Heizen unterdrücken läßt, vermeidet man bei Anwendung von h o c h k o n z e n t r i e r t e r P h o s p h o r s ä u r e . Man entwässert 150g der käuflichen sirwpösen Phosphorsäure, indem man sie in einer Porzellanschale unter dauerndem Rühren langsam bis auf 220° erhitzt. Das Äthylen erzeugt man in einem nach der gegebenen Vorschrift montierten kleineren Kolben, indem man auf die kalt eingefüllte und dann auf 210—220° erhitzte Säure durch den aufgesetzten (und vorher mit Alkohol gefüllten) Tropftrichter den Alkohol Tropfen auf Tropfen treten läßt. Es genügt, eine mit ges ättigter wäßriger Calciumchlorid-Lösung beschickte und durch Eis zu kühlende Waschflasche zur Absorption von Alkoholdämpfen vorzuschalten. Der Alkoholbedarf ist hierbei erheblich geringer. Man berechne, wieviel Alkohol für die zur Entfärbung des vorgelegten Broms notwendige Menge Äthylen theoretisch gebraucht wird. Wieviel Litern entspricht diese Menge Äthylen? Wenn man das mit Schwefelsäure erzeugte Äthylen analysiert (Methode?), findet man, daß es sehr viel K o h l e n o x y d enthält. Zur Darstellung des reinen Gases ist die Phosphorsäuremethode geeigneter, am besten aber spaltet man aus dem gebildeten Äthylenbromid das Brom mit Zinkstaub und Eisessig wieder ab, indem man es in die Suspension von (nicht zu viel) überschüssigem Zinkstaub in Alkohol und Eisessig (21/2 Mol) eintropfen läßt und das Gas in einem Gasom e t e r über Wasser auffängt. b) C y c l o h e x e n a u s C y c l o h e x a n o l . C y c l o h e x a d i e n C y c l o h e x e n 1 . 100 g Cyclohexanol werden in einem 150 ccm-Kolben mit absteigendem Kühler mit 80 g prim. Kaliumsulfat bei 130° (Ölbadtemperatur) erhitzt. Das Cyclohexen destilliert im Verlauf von 4—5 Stunden über. Das Destillat wird mit Kochsalz versetzt, solange sich noch etwas löst, das Cyclohexen dann im Scheidetrichter abgetrennt 1

L. B r u n e i , BL (3) 38, 270 (1905).

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

101

und nach dem Trocknen mit Calciumchlorid unter Anwendung einer kleinen Kolonne rektifiziert. Siedepunkt 84°. Ausbeute 80% der Theorie. C y c l o h e x e n - d i b r o m i d . 19 g Cyclohexen (etwa V 4 Mol) werden in 30 ccm Chloroform gelöst. Unter Eiskühlung läßt man dazu die Lösung von 40 g Brom (1/4 Mol) in 100 ccm Chloroform tropfen. Die Bromfarbe verschwindet augenblicklich, und erst gegen Ende der Reaktion läßt sich mit Jodkalium-Stärkepapier freies Brom nachweisen. Man destilliert jetzt im Vakuum das Lösungsmittel ab und fraktioniert dann das Dibromid, ebenfalls unter vermindertem Druck. Siedepunkt 96—98° bei 11—12 mm. Ausbeute 48—50 g. C y c l o h e x a d i e n 1 . Das Gemisch von 35 g Cyclohexendibromid und 70 g frisch destilliertem Chinolin (etwa doppelter Überschuß) oder Dirnethylanilin wird in einem langhalsigen Destillierkolben von 200 ccm Inhalt im Ölbad auf etwa 150—160° (Innentemperatur) erhitzt. Der Kolben wird mit einem gut wirkenden Kühler verbunden, an den eine mit Eis gekühlte Vorlage angeschlossen ist. Die Reaktion setzt unter Dunkelfarbung ein. Man steigert die Temperatur langsam auf 180° und hält sie, nachdem die Hauptreaktion vorüber ist, noch 10 Minuten auf 188°. Hierauf wird die Thermometerkugel aus der Flüssigkeit in die D a m p f p h a s e gebracht und so lange weiter destilliert, bis unterhalb 100° nichts mehr übergeht. Das Destillat schüttelt man mit verd. Schwefelsäure aus, trocknet es mit Calciumchlorid und fraktioniert schließlich wiederholt vorsichtig über einigen Stückchen Natrium. Die Fraktion von 80—82° stellt den d o p p e l t u n g e s ä t t i g t e n K o h l e n w a s s e r s t o f f dar, der noch 10—20% C y c l o h e x e n enthält. Ausbeute 7—8 g, bei Anwendung von Dimethylanilin ist sie etwas geringer. Die intramolekulare Wasserabspaltung aus Alkoholen, die gebräuchlichste Methode zur Darstellung der Olefine, verläuft unter Verwendung von konz. Säuren nicht so einfach, wie es die Gleichung CHS—CHjOH

* CH2 = CH2 + HaO

ausdrückt. Alkohol wird durch konz. Schwefelsäure schon bei gelinder Erwärmung zu Ä t h y l s o h w e f e l s ä u r e verestert und es ist deren Zerfall, aus dem das Ä t h y l e n hervorgeht. CH 3 .CH 2 OH H ' S 0 ' > CH3 • CH2 • O—S0 3 H • CH2 = CH2 + H 2 S0 4 . Wir erinnern uns, daß die zuerst gebildete Äthylschwefelsäure in der Hitze (130°) ü b e r s c h ü s s i g e n Alkohol äthyliert und daß auf diesem Weg der Ä t h e r dargestellt wird. CH3 • CH2 • O—SOsH + HO • CH2 • CH3 — . CH3. CHa • 0 • CH2 • OH, + H a S0 4 . Auch bei der Äthylendarstellung entsteht Ä t h y l ä t h e r als Nebenprodukt. Ä t h y l e n , das „ölbildende Gas" ist schon im Jahre 1795 von den fünf holländischen Chemikern D ei man, T r o o s t w y k , B o n d t , L o u w e r e n b u r g h und Crells aus Weingeist und Vitriolöl dargestellt worden. 1

A. W. Crossley, Chem. Soc. 85, 1416 (1904).

102

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Technisch gewinnt man das Äthylen aus Crackgasen oder aus Alkohol durch katalytische Wasserabspaltung mit T o n e r d e ( S e n d e r e n s ) , die auf 200—300° erhitzt wird und über die man Alkoholdampf leitet 1 . Gleich der Tonerde eignet sich auch A l u m i n i u m p h o s p h a t zur präparativen Ausführung solcher Reaktionen. Statt, wie in unserem Beispiel, den sauren Schwefelsäureester des Alkohols thermisch zu zersetzen, zieht man häufig die Ester anderer Säuren, z. B. der B e n z o e s ä u r e , heran, und vermeidet so die verkohlende Wirkung der Schwefelsäure. Auch p r i m . K a l i u m s u l f a t und w a s s e r f r e i e B o r s ä u r e oder O x a l s ä u r e werden benutzt (Acrolein aus Glycerin, B r e n z t r a u b e n s ä u r e aus Weinsäure). Hierher gehört auch die X a n t h o g e n a t m e t h o d e von T s c h u g a e f f . Die chemische Eigenart der Olefine gründet sich auf ihre, allen möglichen A d d i t i o n s r e a k t i o n e n zugängliche Doppelbindung. Es werden addiert: 1. H a l o g e n e , besonders leicht Chlor und Brom zu A l k y l e n d i h a l o g e n i d e n (s. S. 97). 2. H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n zu A l k y l h a l o g e n i d e n . Präparativ wird meist Bromwasserstoff, in Eisessig gelöst, angelagert, und zwar, da dieser Vorgang langsam verläuft, unter Erhitzen der Komponenten im Einschlußrohr. 3. S c h w e f e l s ä u r e (vgl. oben) und andere Säuren, z. B. E s s i g s ä u r e (technische Anwendung in der Gruppe der T e r p e n e ) . 4. S a l p e t e r s ä u r e . Äthylen liefert bei Gegenwart von konz. Schwefelsäure den S a l p e t e r s ä u r e e s t e r des N i t r o ä t h y l a l k o h o l s

CHo — CHq

> CH« • CH» I

I

> CH« • CH. I

NOa OH

I

NOj 0 - N 0 2

5. U n t e r c h l o r i g e S ä u r e , gemäß der Gleichung: H0C1 CH 2 : CH 2 > Cl—CHj—CHJOH Diese Reaktion entspricht der Addition von Halogen, nur daß in zweiter Phase an das halogenierte Carboniumion nicht Hal(~), sondern OH(~) des Lösungsmittels angelagert wird. Man erhält Ä t h y l e n - c h l o r h y d r i n durch gleichzeitiges Einleiten von Äthylen und C0 2 in Chlorkalklösung. 6. S t i c k s t o f f d i o x y d zu D i n i t r o ä t h a n e n :

R—CH = CH—R'

• R • CH • CH—R' I I

N0a NOa

Mit S t i c k s t o f f t r i o x y d entstehen unter Aufnahme von N a O a die dimolekularen Pseudonitrosite. 7. Ozon ( H a r r i e s , S t a u d i n g e r ) .

CH2 : CHa + 0 3

• H2C

ch 2

I -o Da die O z o n i d e beim Erhitzen mit Wasser nach der Gleichung: R-HC 1

CH R

i—i,

R • CHO + R • CHO + HO • OH

Eine für das Laboratorium geeignete Vorschrift findet man bei W. K e s t i n g , Ang. Ch. 88, 362 (1925).

103

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

gespalten werden, so vermitteln sie eine Synthese für A l d e h y d e (oder Ketone). Die Hydrolyse setzt an der Ätherbindung ein und läßt als Zwischenprodukte D i o x y a l k y l p e r o x y d e RH(OH)C • O—O • C(OH)HR entstehen (siehe auch S. 180), die weiter in Aldehyd (oder Keton) und Hydroperoxyd zerfallen (Rieche). Benzol addiert 3 Mol 0 3 ; sein Triozonid (Ozobenzol) CjH^O, zerfällt mit Wasser in 3 Mol Glyoxal. Glatter und ohne Nebenreaktionen verläuft die h y d r i e r e n d e Spaltung der Ozonide, die über einen unbeständigen Oxyalkyläther R • C— 0 — C-R H

OH HO

H

zu A l d e h y d bzw. K e t o n führt. Vgl. dazu die Darstellung von A d i p i n d i a l d e h y d aus Cyclohexen auf S. 335. 8. W a s s e r s t o f f . Die Olefine lassen sich durch keines der üblichen Reduktionsmittel mit nascierendem Wasserstoff hydrieren. Dies gelingt nur auf k a t a l y t i s c h e m W e g e mit Wasserstoffgas bei Gegenwart fein verteilter Metalle, wie Nickel ( S a b a t i e r ) , Palladium ( P a a l , S k i t a ) , Platin ( F o k i n , W i l l s t ä t t e r ) . Vgl. dazu die Präparate S. 328 u. f. 9. B e n z o p e r s ä u r e (Reaktion von P r i l e s c h a j e w ) . Dabei entstehen A l k y l e n oxyde. 0 . OH I R—CH:CH—R' + C9H5—C : 0 • R • CH • CH • R ' + C.H 5 • COOH

V

10. H y d r o x y l . Durch P e r m a n g a n a t werden die Olefine bei tiefer Temperatur in ihre G l y k o l e übergeführt. R • C H : CH • R ' • R • CHOH • CHOH • R ' Die Einwirkung dieses Oxydationsmittels führt aber leicht zu einer Sprengung der Doppelbindung, indem die an ihr beteiligten Kohlenstoffatome weiter oxydiert werden. Sind sie noch gleichzeitig mit Wasserstoff in Bindung, so entstehen C a r b o n s ä u r e n , andernfalls K e t o n e . /CH3 R • C H : C< CHS

• R • COOH + OC
C = 0 zu suchen. Hier finden A d d i t i o n e n statt, z . B . von Wasser und Ammoniak u. a.: /OH-, /NH2n r H 3 C—C—OH H3C—C=0 H 3 C—C—OH mit NH 3 H3C—C=0

LH3C—c=o

>• I

^>0

;

LH3C—C=0

j

Die Zwischenprodukte, die in Klammern stehen, sind äußerst labil, da sie OH und die negative Acetoxylgruppe am gleichen C-Atom tragen (vgl. S. 94); sie zerfallen daher in 2 Mol Säure oder im Fall des Ammoniaks in Essigsäure und Acetamid. In gleicher Weise ist die Reaktion mit Alkoholen zu formulieren. Man sieht, daß bei der Einführung einer Acetylgruppe mit einem Säureanhydrid (in einen Alkohol, ein Amin usw.) stets einer der beiden Säurereste des Moleküls zur Säure umgewandelt, f ü r die Acylierung also nicht ausgenützt wird. Die große Reaktionsfähigkeit der Säurechloride hat die gleiche Ursache, wie sie f ü r die Anhydride erörtert wurde. 3. A c e t a m i d 1 8 0 g (1 Mol) Ammoniumacetat — darstellbar a u s A m m o n i u m c a r b o n a t und Eisessig 2 — u n d 60 ccm Eisessig (1 Mol) werden auf d e m D r a h t n e t z in einem kleinen R u n d k o l b e n mit aufgesetzter W i d m e r - K o l o n n e 5 — 6 Stunden lang im gelinden Sieden erhalten. Man a c h t e darauf, d a ß an d e m im oberen T u b u s der K o l o n n e eingeführten T h e r m o m e t e r die Temperatur v o n 103° n i c h t oder nur wenig überschritten wird; der Eisessig u n d d a s bei der R e a k t i o n gebildete Wasser destillieren l a n g s a m o b e n a b u n d k ö n n e n durch einen kleinen, über d a s Abzugsrohr g e s t ü l p t e n K ü h l e r kondensiert u n d — zur Kontrolle — in e i n e m vorgelegten Meßzylinder aufgefangen werden. W e n n e t w a 80 c c m übergegangen sind, wird stärker erhitzt, bis d a s T h e r m o m e t e r 140° zeigt. M a n l ä ß t e t w a s erkalten, 1 Im Prinzip nach F r a n c o i s , C. 1906, I, 1099, H i t s c h und G i l b e r t , Am. Soc. 85, 1780 (1913); W. A. N o y e s und G o e b e l , ebenda 44, 2294 (1922). 2 In 60 ccm Eisessig trägt man bei 40—50° so lange fein gepulvertes Ammoniumcarbonat ein, bis eine Probe, mit Wasser verdünnt, alkalisch reagiert. Man beachte, daß hierbei pro Mol Ammon-acetat % Mol H 2 0 entsteht.

Acetamid

119

gießt die noch warme Schmelze in einen gewöhnlichen Fraktionierkolben über und fängt nach einem kleinen Vorlauf die Hauptmenge bei 195—220° auf. W e n n das Produkt beim Abkühlen und Reiben nicht vollständig erstarrt, saugt man den flüssigen Anteil auf einer Nutsche scharf ab und trocknet den Rückstand auf Ton im nicht evakuierten Exsiccator. Aus dem Filtrat läßt sich ein weiterer Anteil Acetamid herausdestillieren. Die reine Verbindung siedet bei 223°. Eine kleine Probe kann aus Benzol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 80°. Ausbeute 55—60 g. Verwendung des Präparates für A c e t o n i t r i l ( 1 1 , 5 ; S. 125) und M e t h y l a m i n ( 1 1 , 8 ; S. 137). Aus einer Säure kann man ganz allgemein das Amid darstellen, indem man ihr A m m o n i u m s a l z der trocknen Destillation unterwirft oder zweckmäßiger noch, indem man es längere Zeit auf höhere Temperatur erhitzt. Man hat Acetamid meist durch Erhitzen von A m m o n i u m a c e t a t im EinsclJußrohr auf 200° dargestellt. Dabei kann jedoch die Umsetzung nicht vollständig zum Ziel führen, weil das bei der Reaktion entstehende W a s s e r wieder z. T. spaltend auf daa Säureamid einwirkt: CHS • C—ONH4 1 > CH, • C—NH2 + H 2 0 .

4

A

Indem wir bei dem hier angegebenen Verfahren das gebildete Wasser aus dem Reaktionsgemisch herausdestillieren, drängen wir die Gegenreaktion zurück und erhöhen die Ausbeute. Gleichzeitig wirkt der Überschuß an Eisessig der Dissoziation des Salzes nach: h 3 c - c o o n h , ;—> ch3—cooh + n h s entgegen. Vgl. dazu die Ausführungen über das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z auf S. 129 u. f. Eine gute Methode zur Darstellung von Acetamid besteht auch darin, daß man in eine ätherische Lösung von E s s i g s ä u r e a n h y d r i d Ammoniakgas einleitet, den Äther abdampft und das zurückbleibende Gemisch von Ammoniumacetat und Acetamid im Extraktor (Fig. 26) mit Benzol auszieht; das Salz bleibt ungelöst zurück. Durch Umsetzung von S ä u r e c h l o r i d e n oder E s t e r n mit Ammoniak lassen sich ebenfalls Säureamide bereiten. Ferner entstehen sie aus den N i t r i l e n bei der Einwirkung starker MineralSäuren unter Wasseraufnahme. Ein Beispiel f ü r diese Reaktion ist auf S. 127 gegeben. Versuch: I n einer Porzellanschale versetzt man 10 g fein pulverisiertes kohlensaures Ammonium mit 5 g Benzoylchlorid, rührt beide mit einem Pistill gut durcheinander u n d erwärmt so lange auf dem Wasserbad, bis der Geruch des Säurechlorides verschwunden ist. Man verdünnt dann mit Wasser, saugt ab, wäscht auf dem Filter mit Wasser nach und kristallisiert aus Wasser um. Schmelzpunkt des Benzamids 128°. Die Säureamide sind mit Ausnahme des niedrigsten Glieds, des F o r m a m i d s HCO • NH 2 , welches flüssig ist, farblose, kristallisierte Substanzen, welche in den niederen Reihen in Wasser leicht löslich sind; auch die höheren Glieder werden meist aus heißem Wasser umkristallisert. Die Siedepunkte liegen bei weitem höher als die der Säuren: Essigsäure, Siedepunkt 118° Propionsäure, Siedepunkt 141°. Acetamid, Siedepunkt 223° Propionamid, Siedepunkt 213°. Formamid und N-Dimethylformamid sind wegen ihrer großen Dielektrizitätskonstanten sehr gute Lösungsmittel.

120

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Der basische Charakter der Aminogruppe ist durch den mit ihr verbundenen Acylrest beinahe ganz zum Verschwinden gebracht. Zwar kennt man Salze der Amide mit starken Säuren, die aber durch Wasser sofort vollständig in die Bestandteile zerlegt werden. Nur der H a r n s t o f f , das Diamid der Kohlensäure, bildet beständigere Salze, deren Existenz durch die zweite NH 2 - Gruppe gewährleistet wird. Charakteristisch für die Säureamide sind ihre Verbindungen mit zweiwertigem Q u e c k s i l b e r , in denen das Metall am Stickstoff haftet. Sie entstehen bei der Umsetzung der Amide mit Quecksilberoxyd, z. B. 2CH 3 • CO • NH a + HgO

>• (CH3 • CO • NH) 2 Hg + H 2 0 .

Versuch: Man löst etwas Acetamid in Wasser auf, versetzt mit wenig gelbem Quecksilberoxyd und erwärmt. Das letztere geht hierbei in Lösung, indem sich die oben formulierte Verbindung bildet. Die Reaktion der Wasserentziehimg, die zu N i t r i l e n führt, und die der Einwirkung von Hypohalogeniten auf Säureamide, werden in den nachfolgenden Präparaten behandelt. Durch hydrolysierende Agenzien wird die Aminogruppe — anders als bei den Aminen — mehr oder weniger leicht wieder abgespalten unter Rückbildung der S ä u r e n . Über die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens vgl. das auf S. 118 Gesagte.

Versuch: In einem Reagenzrohr erwärmt man etwas Acetamid mit 2 n-Natrordauge. Es tritt ein intensiver Ammoniakgeruch auf, während die Lösung essigsaures Natrium enthält. Die Essigsäure weist man nach, indem man mit Schwefelsäure gerade kongosauer macht, das Reagenzglas mit daraufgehaltenem Daumen durchschüttelt und dann zum Sieden erhitzt (Siedestein!). Ein über die Mündung gehaltenes Lackmuspapier wird rot. (Allgemeiner Nachweis von flüchtigen Säuren.) Die Reaktion der Amide mit PC15, die über die A m i d c h l o r i d e zu den I m i d c h l o r i d e n führt, sei hier nur kurz erwähnt.

4. Harnstoff und Semicarbazid a) K a l i u m c y a n a t 1 durch O x y d a t i o n s s c h m e l z e 2 200 g gelbes Blutlaugensalz werden in einer Porzellanschale oder auf einem Eisenblech durch vorsichtiges Erhitzen vollkommen entwässert; eine Probe darf, im Reagenzglas erhitzt, keinen Beschlag mehr geben, die Kristalle müssen vollkommen zerfallen sein. In gleicher Weise werden 150 g Kaliumpyrochromat durch Schmelzen von anhaftendem Wasser beireit. Die beiden ganz trockenen, vorher getrennt gepulverten Salze werden jetzt in einer Reibschale innig gemischt und dann in Portionen von 4—5 g in eine eiserne Schale oder auf ein großes Eisenblech gebracht, die durch einen kräftigen Brenner (Teclu- oder Dreibrenner) stark, jedoch n i c h t bis zum Glühen erhitzt sind. Die 1 Da es nur e i n mesomeres Cyanation gibt, halten wir es nicht für richtig, ihm diese Bezeichnung vorzuenthalten und, wie dies häufig geschieht, von iso-Cyanatcn zu sprechen. 2 C.A. Bell, Chem. News 32, 99 (1875); G a t t e r m a n n , B. 28, 1223 (1890); H. E r d m a n n . B. 26. 2442 (1893).

121

Harnstoff und Semicarbazid

Temperatur soll so hoch sein, daß jedesmal ein lebhaftes Aufglimmen eintritt; die schwarze lockere Masse, die dabei entsteht, darf keinesfalls zum Schmelzen kommen. Jeder Anteil wird nach sehr rasch beendeter Oxydation mit einem breiten Metallspatel zur Seite geschoben oder vom Blech entfernt. Die ganze Menge kann in 1—iy 2 Stunden auf diese Weise verarbeitet werden. Die vereinigten Anteile werden hierauf in einem Rundkolben mit 800 ccm heißem 80-proz. Alkohol Übergossen und in einem lebhaft siedenden Wasserbad damit 3 Minuten lang im Kochen erhalten. Dann gießt man die klare Lösung von dem schwarzen Bodenkörper in einen Erlenmeyer ab, der sofort in Eis eingestellt und dessen Inhalt durch Umschütteln möglichst schnell abgekühlt wird. Nach kurzem Stehen wird die Mutterlauge von den abgeschiedenen Cyanatkristallen in den Auskochkolben zurückgegossen und das Auslaugen so oft (5—6mal) wiederholt, bis alles Salz extrahiert ist (eine Reagenzglasprobe darf beim Abkühlen nichts mehr abscheiden). Das Salz wird nun auf einer Filterplatte scharf abgesaugt, zweimal mit Weingeist und dann noch dreimal mit Äther gewaschen und schließlich im Exsiccator scharf getrocknet. Ausbeute im Durchschnitt 80 g. Zur präparativen Darstellung von Kaliumcyanat eignet sich auch die Cyanid-Oxydation mit Permanganat in wäßriger Lösung1. b) H a r n s t o f f 40 g Kaliumcyanat (0,5 Mol) und 40 g Ammoniumsulfat (0,3 Mol) werden, in 500 ccm Wasser gelöst, in einer Prozellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne verdampft. Den Rückstand kocht man in einem Rundkolben erschöpfend mit absol. Alkohol aus und engt die alkoholische Lösung ein, bis beim Abkühlen und Impfen Kristallisation eintritt. Schmelzpunkt des Harnstoffs 132°. Aus den Mutterlaugen isoliert man nach dem Abdampfen des Alkohols den Rest als Nitrat. Zur Darstellung des N i t r a t s löst man einige Gramm Harnstoff in einigen ccm Wasser und fügt tropfenweise konz. Salpetersäure zu, wobei das Salz sich in schönen Kristallen abscheidet. H a r n s t o f f n i t r a t ist in Wasser nicht allzu schwer löslich, worauf man beim Auswaschen zu achten hat. Die Wöhlersche H a r n s t o f f s y n t h e s e , durch die zum erstenmal (1828) ein Produkt der Zelltätigkeit künstlich erhalten wurde, bildet das Vorbild für die vielen Anlagerungsreaktionen, die sich an dem reaktionsfähigen Molekül der Cyansäure und ihrer Ester und ebenso in der Reihe der analogen Thioverbindungen vollziehen. Es handelt sich hier um eine Addition von N H S an die C=N-Doppelbindung: 0=C=NH

/ 1/

2

'NNHS

1 J. V o l h a r d , A. 259, 378 (1890); F. U l i m a n n und U z b a c h i a n , B. 36,180« (1903); M a r c k w a l d , B. 56, 1325 (1923V Die beste Vorschrift stammt von G a l l und L e h m a n n , B. 61, 675 (1928).

122

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Die thermische Spaltung des Harnstoffs in Biuret und Ammoniak ist im Grunde eine Umkehr seiner Synthese. Denn die erste Stufe dieser Reaktion bildet der Zerfall des Harnstoffs in Cyansäure und NH 3 ; indem sich ein zweites Mol Harnstoff an die so entstandene Cyansäure anlagert, entsteht das Biuret. H 2 N—CO—NH a

> H N = C = 0 + NH s ; H N = C = O + H 2 N . C O - N H 2 — • H 2 N • CO • NH • CO • NH 2

Versuch: I n einem Reagenzglas erhitzt m a n eine Probe des dargestellten Harnstoffs vorsichtig über den Schmelzpunkt. E s wird N H 3 abgespalten (Nachweis), während die erstarrte Schmelze aus Wasser umkristallisiert B i u r e t v o m Schmelzpunkt 193° liefert. Versetzt man die wäßrige Lösung v o n Biuret mit wenig Kupfersulfatlösung und etwas Natronlauge, so tritt eine schöne violette Färbung auf. Die Reaktion der Cyansäure mit Aminen ergibt s u b s t i t u i e r t e H a r n s t o f f e (vgl. Methyl-harnstoff auf S. 234), die mit Hydrazin S e m i c a r b a z i d : /NH2 0 = C = N H + HjN—NH 2 • 0=C< NNH — NH a Die gleichartigen Reaktionen der oben aufgeführten, mit der Cyansäure verwandten Verbindungen, ergeben sich von selbst. Versuch: Einige ccm der Cyanatlösung säure m a n mit verdünnter Salzsäure an. C0 2 -Entwicklung und der scharfe, dem v o n S 0 2 überaus ähnliche Geruch der freien Cyansäure. Die Zersetzung der freien Cyansäure in wäßriger Lösung geht auf eine analoge Reaktionsweise zurück. Es wird Wasser addiert und die so entstehende C a r b a m i n s ä u r e zerfällt in NH S und C0 2 : 0=C=NH

0=C• K 2 S0 4 + CHS • CH 2 • CN . Die Synthese der aromatischen Nitrile aus D i a z o v e r b i n d u n g e n wird später (S. 252) behandelt. Die N i t r i l e sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren kristallisierte Stoffe, deren Wasserlöslichkeit mit steigendem Molekulargewicht immer mehr abnimmt. Acetonitril besitzt ein hohes Dissoziationsvermögen für Elektrolyte, d. h. die Lösungen von Salzen, Säuren und Basen in ihm leiten den elektrischen Strom und zwar weit besser als z. B. in Alkohol, Äther, Chloroform usw. (Waiden). Die Reaktionsfähigkeit der Nitrile gründet sich auf die dreifache Bindung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, die eine Reihe von Additionsreaktionen gestattet. So kann in Gegenwart von kochenden Säuren oder Alkalien ein Mol Wasser angelagert und das S ä u r e a m i d zurückgebildet werden: R • C=N + H20

• R • C=NH

• R • C • NH 2

¿H

l

Die Reaktion ist analog dem Übergang von Acetylen in A c e t a l d e h y d : HC=CH + H20 • HC=CH a • HC—CH3 I il OH O In beiden Fällen ist das Übergangsprodukt, die „Enolform", nicht beständig, jedoch kennt man ihre Alkylderivate, die sog. I m i n o - bzw. V i n y l ä t h e r . Energische Verseifung, Erhitzen mit mäßig verdünnter Schwefelsäure oder mit starken Laugen, spaltet das Amid in C a r b o n s ä u r e und NH 3 , so daß man mit Bolchen Mitteln vom Nitril aus praktisch direkt zur Säure gelangt. Ausführung dieser Reaktion auf S. 127. Läßt man nascierenden (z. B. aus Zink und Schwefelsäure oder aus Natrium in Alkohol) oder katalytisch erregten Wasserstoff auf Nitrile einwirken, so bilden sich unter Addition von 4 H-Atomen p r i m ä r e A m i n e (Reaktion von M e n d i u s ) : CH3 • C N + 4 H , CH3 • CH2 • NH 2 . Äthylamin

Weitere, weniger wichtige, jedoch allgemeine Reaktionen seien nur durch die folgenden Gleichungen angedeutet: CH3 • CN + H 2 S • CH3 • CS • NH 2 Thioacetamid

CH3 • CN + NH 2 OH

• H,C • C• H 3 C • C-f

Na

Imidchlorld

CHa - CN + C,HjOH -f HCl

/OC2H5 CHS • C < ^ N H • HCl salzsaurer Imlnoäther

Verseifung eines Nitrils zur Säure. Phenylessigsäure

127

Die B l a u s ä u r e verhält sieh in vielen ihrer Reaktionen wie das Nitril der Ameisensäure H • CN. Manche Tatsachen, vor allem ihre große chemische und pharmakologische Ähnlichkeit mit den I s o n i t r i l e n C = N R sprechen für eine andere Konstitution, nämlich für die des C a r b i m i n s C = N H mit „ z w e i w e r t i g e m " Kohlenstoff. Die für die Nitrile erwähnten Additionsreaktionen, die auch der Blausäure eigen sind, lassen sich ebensogut aus dieser zweiten Strukturformel ableiten. Bei der Nitrilform ist es die dreifache Bindung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, an der die Anlagerung stattfindet, bei der „Methylenform" sind es die zwei freien Valenzen am zweiwertigen Kohlenstoffatom, z. B.: HOHN. /NOH • >C=NH • HC HC (OC2H,)3 + NH4C1. ^ N H • HCl C = N H + H s NOH

Diese Synthese des Orthoameisensäureesters ist eleganter und glatter als die aus C h l o r o f o r m und N a t r i u m ä t h y l a t . Der Orthoameisensäureester findet Verwendung zur A c e t a l i s i e r u n g von Ketongruppen, z. B.: CH3 • CO • CHa • COOCaHs + HC(OC 2 H,) 3 -*CH 3 . C • CH2 • COOCsHs + H C = 0 Acetesslgester ^/N^ j H5CaO 0C 2 H s OC2H, 6. V e r s e i f u n g eines Nitrils z u r S ä u r e . P h e n y l e s s i g s ä u r e 1 40 g 3 Mol) Benzylcyanid werden mit der Mischung von 50 ccm konz. Schwefelsäure und 30 ccm Wasser im 1 2 Liter-Rundkolben mit aufgesetztem Steigrohr im Babotrichter erhitzt, bis eine an der Bildung kleiner Dampfbläschen erkennbare Reaktion einsetzt, die sich alsbald unter Aufkochen und Ausstoßen weißer Dämpfe zu großer Heftigkeit steigert. Man läßt erkalten, fügt das doppelte Volumen Wasser zu und saugt nach einigem Stehen die auskristallisierte Phenylessigsäure ab. Wenn sich eine Probe in Sodalösung nicht klar löst (Phenylacetamid), wird das ganze Rohprodukt in Soda gelöst, die Lösung filtriert und aus dem klaren Filtrat die Phenylessigsäure mit Schwefelsäure wieder ausgefallt. Die Säure kann direkt aus ziemlich viel heißem Wasser oder, nach dem Trocknen, aus Petroläther umkristallisiert werden. Bei ihrem niederen Schmelzpunkt (76°) erscheint sie häufig zu Anfang ölig. Zur Reinigung destilliert man die Phenylessigsäure zweckmäßig aus 1

S t a e d e l , B. 19, 1951 (1886).

128

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

einem Säbelkolben im Vakuum, wobei sie nach kurzem Vorlauf bei 140—144°/12 mm übergeht. Die Ausbeute beträgt 34—38 g, kann aber durch Ausäthern der ersten schwefelsauren Mutterlauge um ein Weniges erhöht werden. Die stürmische Reaktion der Verseifung, bei der stets Benzylcyanid verdampft, kann umgangen werden, wenn man das Benzylcyanid (40 g) in der Lösung eines Gemisches von je 40 ccm Wasser, konz. Schwefelsäure und Eisessig 45 Minuten unter Bückfluß kocht. Nach dem Erkalten gießt man in Wasser ein. Unter müderen Bedingungen (3 g Benzylcyanid in 8 ccm konz. Schwefelsäure lösen, nach 6 Stunden in 50 ccm Wasser eingießen) führt die Verseifung im wesentlichen nur bis zum Amid. Wie trennt man mitentstandene Phenylessigsäure ab? P h e n y l a c e t a m i d , Schmelzpunkt 155°. Die Methoden der N i t r i l v e r s e i f u n g sind verschieden; sie erfordern meist kräftige Mittel, starke Säuren oder starke Laugen. Zuweilen werden Umwege eingeschlagen. Man kann z. B. die leicht erfolgende Addition von Schwefelwasserstoff zum T h i a m i d (S. 126) benützen und dieses dann glatt weiter verseifen. Auch kommt man leicht zum E s t e r der Säure, wenn man in die heiße alkoholische Lösung Chlorwasserstoffgas einleitet. Es entsteht dabei der I m i n o ä t h e r , dessen NH-Gruppe leicht hydrolytisch durch O ersetzt werden kann. Vgl. das Beispiel auf S. 220.

7. Säureester a) E s s i g s ä u r e ä t h y l e s t e r aus E i s e s s i g und A l k o h o l 1 Ein Kolben von y 2 Liter Inhalt wird mit einem doppelt durchbohrten Kork versehen, in dessen einer Bohrung sich ein Tropftrichter befindet, während durch die zweite ein Verbindungsrohr führt, welches anderseits mit einem langen, absteigenden Kühler verbunden ist. Man füllt in den Kolben eine Mischung von 50 ccm Alkohol und 50 ccm konzentrierter Schwefelsäure, erhitzt im ölbade auf 140° und läßt, sobald diese Temperatur erreicht ist, durch den Tropftrichter allmählich eine Mischung von 400 ccm Alkohol und 400 ccm Eisessig (je 7 Mol) hinzufließen, und zwar in demselben Maße, wie der sich bildende Essigester überdestilliert. Das Destillat wird zur Entfernung der mit übergerissenen Essigsäure in einem offenen Kolben solange mit nicht zu verdünnter Sodalösung geschüttelt, bis die obere Schicht blaues Lackmuspapier nicht mehr rötet. Man trennt dann in einem Scheidetrichter die beiden Schichten und schüttelt die obere zur E n t f e r n u n g des A l k o h o l s mit einer Lösung von 100 g Calciumchlorid in 100 g Wasser durch. Es werden dann wiederum beide Schichten im Scheidetrichter getrennt, worauf die obere mit gekörntem Calciumchlorid getrocknet und auf dem Wasserbade rektifiziert wird. Siedepunkt 78°. Ausbeute 80—85% der Theorie. Verwendung für A c e t e s s i g e s t e r und A c e t y l a c e t o n (VI, 5 u. 6, S. 218/219). 1

Bl. 83, 350 (1880).

Säureester

129

B e n z o e s ä u r e ä t h y l e s t e r wird analog dargestellt, indem man 30 g Benzoesäure in 100 ccm abs. Alkohol mit 3 com konz. Schwefelsäure 4 Stunden lang am Rückflußkühler kocht, die Hauptmenge des Alkohols abdestilliert, dann mit 300 ccm Wasser versetzt und ausäthert. Der Äther wird mit Sodalösung entsäuert, mit Na 2 S0 4 über Nacht getrocknet, dann der Äther abgedampft und der Rückstand destilliert. Siedepunkt 212°. Ausbeute 30 g. Die Bildung eines Esters aus Säure und Alkohol entspricht formal der Salzbildung aus Säure und Metallhydroxyd: CH3 • COOH + C 2 H 6 OH = CH3 • COOCjHJ + H a O . Beide Prozesse verlaufen jedoch hinsichtlich der G e s c h w i n d i g k e i t und des U m s a t z g r a d e s in durchaus verschiedener Weise. Während eine Säure durch eine äquivalente Menge einer genügend starken Base praktisch sofort und vollständig in ein Salz übergeführt (neutralisiert) wird, worauf ja die Alkali- und Acidimetrie beruht, gelingt es nicht, aus äquimolekularen Mengen von Säure und Alkohol die theoretisch berechnete Menge von Ester zu gewinnen. Es bildet sich vielmehr eine gewisse maximale Menge Ester, die stets hinter der theoretischen zurückbleibt, und es gelingt durch noch so lange Fortdauer der Reaktion nicht, die nicht umgesetzte Säure mit dem unveränderten Alkohol über jene Grenze hinaus zur Esterbildung zu veranlassen. Läßt man z. B. äquimolekulare Mengen von Essigsäure und Alkohol im geschlossenen System aufeinander wirken, so treten von ihnen nur je zwei Drittel in Reaktion, und es ist unmöglich, auch das letzte Drittel der Essigsäure mit dem des Alkohols zur Reaktion zu veranlassen. Daher beträgt die maximale Ausbeute an Ester nur zwei Drittel, d. h. 66,7% der theoretischen. Dieser bequeme Zahlenwert von 1 / 3 bzw. 2/a ist nur ein zufälliger und ändert sich mit der Natur der Komponenten. Der verschiedene quantitative Verlauf obiger Reaktionen beruht nun darauf, daß die Esterbildung eine sog. „ u m k e h r b a r e R e a k t i o n " ist, d. h. eine solche, bei der die auf der rechten Seite der Gleichung stehenden Reaktionsprodukte (Ester und Wasser) auch wieder im umgekehrten Sinne aufeinander einwirken: CH 3 • COOH + HOC 2 H 5 -^zL CH 3 . COOC2H5 + H 2 0 . Streng genommen gehören alle chemischen Reaktionen zu den umkehrbaren. Wenn die entgegengesetzte Reaktion keinen meßbaren Anteil hat, die Gesamtumsetzung praktisch in e i n e m Sinn verläuft, vernachlässigen wir die Umkehrbarkeit. Die Synthese des Wassers aus den Elementen ist eine derartige Reaktion. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, daß schon bei + 2000° die Gegenreaktion der Spaltung so deutlich in Erscheinung tritt, daß wir die Gleichung: 2H 2 + 0 2 ^ z i : 2 H 2 0 . gebrauchen müssen. So beherrscht die T e m p e r a t u r die Reaktionsverhältnisse, und zwar bekanntlich in dem Sinn, daß die Reaktionsrichtung, die Energie aufnimmt (die endotherme), im allgemeinen mit steigender, die entgegengesetzte (exotherme) mit fallender Temperatur begünstigt wird. Nach dieser kurzen Charakteristik der umkehrbaren Reaktionen sei für das Beispiel der V e r e s t e r u n g zuerst die Frage erörtert, wie man sich die Begrenzung der Reaktion zu erklären hat. In dem Maße, wie Säure und Alkohol miteinander reagieren, also Ester und Wasser als Reaktionsprodukte gebildet werden, gewinnt auch die entgegenlaufende Reaktion (Ester + Wasser -»• Säure + Alkohol) an Umfang. Es wird schließlich ein Punkt erreicht, in dem ebenso viele Molekeln Säure und Alkohol sich zu Ester vereinigen, wie Molekeln Ester und Wasser zu Säure und Alkohol zerlegt werden. Die beiden Reaktionen halten sich jetzt die 9

G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 39. Aufl.

130

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Waage und es scheint, als ob das reagierende System zur Ruhe gekommen sei. Diese Ruhe wird aber vorgetäuscht dadurch, daß in der Zeiteinheit gleich viele Estermolekeln entstehen und vergehen. Es ist ein G l e i c h g e w i c h t s z u s t a n d erreicht, zu dem man auf Grund der obigen Überlegungen auch gelangt, wenn man die Reaktion von Anfang an von der Gegenseite her verlaufen läßt, also äquimolekulare Mengen Ester und Wasser zur Umsetzung bringt. Dann wird die Verseifungsreaktion durch die entgegenlaufende der Veresterung, je nach den Bedingungen mehr oder weniger rasch, ebenfalls zum Stillstand gebracht, und zwar dann, wenn 331/3°!o des Esters verseift sind. Das Gleichgewicht — und darauf beruht seine scharfe experimentelle Kontrolle auch bei vielen anderen Reaktionen — stellt sich also von beiden Seiten her auf der gleichen Höhe des Umsatzes ein. Da, wie schon früher erörtert wurde (S. 3), die Geschwindigkeit einer bimolekularen Reaktion dem Produkt der reagierenden Massen, deren Konzentrationen wir in ¡/-Molen ausdrücken, proportional ist, so ergeben sich folgende einfache Beziehungen: v = es • ca • k;

v' = ce • cw • k'.

In diesen Gleichungen ist v die Geschwindigkeit der Veresterungsreaktion, v' diejenige der Verseifung. es, ca, ce, cw sind die Konzentrationen der vier beteiligten Stoffe, k und k' sind die Geschwindigkeitskonstanten der beiden Reaktionen. Der Gleichgewichtszustand ist dadurch charakterisiert, daß nach beiden Richtungen gleichviel Molekeln umgesetzt werden, d. h. daß die beiden Geschwindigkeiten gleich sind: v = v'. Dann ist auch es • ca • k = ce • cw * k', oder es • ca _ k' _ K ce • cw k Damit ist ausgedrückt, daß im Gleichgewicht die Produkte der darin enthaltenen Konzentrationen sich umgekehrt verhalten wie die Reaktionskonstanten. Der k' Quotient ,die G l e i c h g e w i c h t s k o n s t a n t e , wird gewöhnlich mit K bezeichnet. Kennen wir den Wert dieser wichtigen Größe, so sind wir, wie nachher ausgeführt wird, imstande, auf einfache Weise zu berechnen, wie sich der Umsatz bei einer Gleichgewichtsreaktion praktisch ändert, wenn wir nicht, wie bisher, die Reaktionsteilnehmer in äquimolekularen Mengen, d. h. in gleichen molaren Konzentrationen einsetzen. Nach dem, was wir über die Lage unseres Gleichgewichts erfahren haben, macht die Berechnung von K keine Schwierigkeiten. Es sind in ihm enthalten je 1 / 3 Mol Säure und Alkohol und je 2/3 Mole Ester und Wasser. Daher ist K>r

_ 1/'3 . i/'3 _ 1/ — 2/T2/ '4 ' 13 /3

Wir wollen nun sehen, ob und in welchem Grad wir die Esterbildung beeinflussen können, wenn wir Eisessig und Alkohol nicht in stöchiometrischem Verhältnis, sondern z. B. im Verhältnis 1 : 2 Mol anwenden. Bezeichnen wir mit x die im Gleichgewicht vorhandene Menge Ester (in Molen), so ist ce = x und, da gleichviel Molekeln Wasser wie Ester entstehen, auch c w = x. Die Konzentration der Säure ist dann es = 1 — x, die des Alkohols ca = 2 — x, daher: (l-x).(2-») ^ ^ ~ 74 •

Säureester

131

Daraus errechnet sich x = 0,85. Das heißt, wir können den Stand der Umsetzung im Gleichgewicht durch Verdoppelung der Alkohol- (oder Eisessig-)Konzentration auf 85% erhöhen. Von dieser Möglichkeit, die praktische Lage des Gleichgewichts zu beeinflussen, macht man außerordentlich häufig Gebrauch. Während wir bei allen Reaktionen, die vollständig in einer Richtung verlaufen, durch einfache Anwendung der stöchiometrischen Verhältnisse die theoretisch zu erwartende Menge an Endprodukt berechnen können, bedürfen wir also bei Umsetzungen, die zu einem Gleichgewicht fähren, auf Grund der gegebenen Ableitungen der Kenntnis der Gleichgewichtskonstante, die auf analytischem Wege zu ermitteln ist. In unserem Beispiel macht dies, wie wir gesehen haben, keine Schwierigkeiten; wir brauchen nur die Konzentration der Essigsäure im Gleichgewicht durch Titration festzustellen. Eine viel angewandte Methode zur kontinuierlichen Entfernung des Wassers bei Veresterungen und anderen Reaktionen besteht darin, daß man zum Ansatz ein Lösungsmittel (Benzol, Trichloräthylen, Tetrachlorkohlenstoff) zusetzt, das mit Wasser als a z e o t r o p e s Gemisch herausdestilliert (Umwälzverfahren). D i e R o l l e der S c h w e f e l s ä u r e . Erhitzen wir Eisessig und Alkohol für sich allein, so tritt auch nach längerer Zeit keine merkbare Umsetzung ein. Erst die Protonen aus der zugesetzten Schwefelsäure — die wir auch durch HCl ersetzen können — bringen die Reaktion in Gang, dadurch daß sie, meist mit der organischen Säure (es gibt auch Systeme, in denen der Alkohol aktiviert wird) ein Anlagerungsprodukt bilden, das mit Alkohol rascher zum Ester reagiert als die zu veresternde Säure selbst. /O R—CC=NOH + C0 2 H/

NOH - C=NOH + HNO,

Die salpetrige Säure wirkt hierbei auf den Alkohol in ähnlicher Weise wie die Halogene bei der Bildung von Chloroform, Jodoform.

d) V e r s e i f u n g v o n F e t t o d e r p f l a n z l i c h e m ö l 300 g beliebiges Fett oder ö l (etwa 1 / 3 Mol) werden mit 300 ccm etwa 5 w-Natronlauge verseift: 50 ccm Lauge und 50 ccm H a O werden erwärmt, das Fett daraufgegossen und nach 1 Stunde noch 75 ccm Lauge hinzugegeben. Nach einer weiteren Stunde werden je 100 ccm Lauge und Wasser hinzugefügt. Es muß häufig umgerührt werden und darf nur zum schwachen Sieden erwärmt werden. Nach weiteren 4 Stunden wird der Rest der Lauge hinzugegeben; wenn nötig, erneuert man vorher das verdampfte Wasser. Nach einer weiteren Stunde fügt man 1 / 4 Liter Wasser hinzu und kocht weiter, bis eine dicke homogene Masse entsteht (etwa 2 bis 3 Stunden). Dann werden unter tüchtigem Umrühren 2—21/2 Liter heißes Wasser zugegeben, wobei ein dicker, durchsichtiger Leim entsteht. Man salzt schließlich in der Siedehitze mit etwa 100 g Kochsalz aus und läßt über Nacht stehen. Es ist zweckmäßig, wegen des starken Schäumens, die Operation in einem g r o ß e n Emailtopf auszuführen. Nach dem Erkalten hebt man am andern Morgen den erstarrten Seifenkuchen ab und spült die unten haftende Lauge weg. Man kann ihn mit einem dünnen Draht in kleine Stücke zerschneiden und diese durch wochenlanges Liegenlassen trocknen. Die Natriumsalze der höheren Fettsäuren sind in kaltem Wasser schwer, in heißem leichter löslich. Man bringt ein kleines Stückchen Seife in der nötigen Menge kochenden Wassers in einem kleinen Becherglas in Lösung und läßt erkalten: Steife Gallerte. Zur Reinigung kann man 20—30 g in siedendem Wasser lösen, heiß aussalzen und wieder erstarren lassen; dadurch wird die im Rohprodukt eingeschlossene kleine Menge Alkali entfernt. Die Reaktion bleibt gegen Lackmus- und Curcumapapier alkalisch. Die Hydrolyse der g a n z r e i n e n Seifen ist aber nicht so stark, daß die OH-Ionenkonzentration ausreicht, um Phenolphthalein zu färben. D a r s t e l l u n g d e r f r e i e n F e t t s ä u r e n : Etwa 150 g der rohen, feuchten Seife werden in einem Liter Wasser bis nahe zum Siedepunkt erhitzt; dann setzt man unter gutem Umrühren 2 n-Schwefelsäure zu,

136

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

bis die Lösung auf Kongopapier deutlich sauer reagiert und das Fettsäuregemisch sich als ölige Masse oben abgeschieden hat. Nach einigem Stehen in der Kälte erstarrt diese, wenn man von festem Fett ausgegangen ist. Man hebt den Kuchen ab, schmilzt ihn nochmals auf dem Wasserbad in einem kleinen Becherglas über wenig Wasser und destilliert dann die wieder erstarrten Säuren im Vakuum. Siedepunkt bei 12 mm 220—225°. Hat man öl verseift, so wird die Seife weniger fest und die Säuren kristallisieren nur teilweise (warum ?). In diesem Fall nimmt man sie in Äther auf und verfahrt dann weiter in der üblichen Weise. G l y c e r i n : Das Glycerin befindet sich in der braunen Verseifungslauge, die man zuerst mit Salzsäure genau neutralisiert (gegen Kongopapier!), zur Entfernung ausgeschiedener Fettsäuren mit Tierkohle schüttelt, durch ein Faltenfilter filtriert 1 und dann in dem auf S. 30 abgebildeten Apparat im Vakuum eindampft. Wenn sich nach einiger Zeit Kochsalz ausscheidet, versagt bisweilen die Capillare, und man setzt dann das Eindampfen auf dem Wasserbad fort. Die stark konzentrierte Lösung wird vom Kochsalz abgesaugt, dieses mit wenig Alkohol gewaschen und das Filtrat (wieder im Vakuumkolben) fast ganz vom Wasser befreit. Der Rückstand wird mit 150 ccm Alkohol digeriert und auf kleiner Nutsche abgesaugt, dann spült man mit 50 ccm Alkohol nach. Die abgesaugte alkoholische Lösung wird auf dem Wasserbad soweit wie möglich eingeengt, den Rückstand bringt man unter Nachspülen mit wenig Alkohol in einen Ciaisenkolben und destilliert aus diesem erst Alkohol und Wasser und schließlich das Glycerin im Vakuum ab. Man fangt die Hauptfraktion zwischen 180° und 195°/13 mm auf. Ausbeute etwa 35 g. Um das Glycerin völlig wasserfrei und rein zu erhalten, muß die Destillation wiederholt werden. Zur F e t t a n a l y s e . Den quantitativen Ausdruck für die Anzahl der in einem Fett oder ö l vorhandenen Kohlenstoff-Doppelbindungen gibt die „ J o d z a h l " ; darunter versteht man die Menge Jod in Gramm, die von 100 g eines Fettes chemisch gebunden wird. In einfachen organischen Verbindungen bestimmt man die Anzahl der Doppelbindungen oft mit B e n z o p e r s ä u r e (vgl. S. 103), die aber bei den Fetten nicht angewandt wird. B e s t i m m u n g der J o d z a h l . Man löst 2,5 g reines Jod und 3 g Quecksilberchlorid in je 50 ccm reinem Weingeist und vermischt die klaren Lösungen. Nach zwölfstündigem Stehen wird in einer Probe von 10 ccm der Jodtiter mit n/10-TMosulfatlösung bestimmt, nach Zugabe von 10 ccm 10 proz. KJ-Lösung. 0,5 bis 0,7 g des zu prüfenden Fettes werden in einem trockenen Erlenmeyerkolben von 500 ccm Inhalt in 15 ccm Chloroform gelöst, dazu läßt man 25 ccm der titrierten Jodlösung fließen. Geht nach kurzer Zeit die Farbe der Lösung aul Hellbraun zurück, so sind weitere 10 ccm Jodlösung erforderlich. Nach 4 Stunden soll die Farbe noch dunkelbraun sein. Es werden jetzt 20 ccm 10 proz. KJ-Lösung hinzugefügt und das noch vorhandene Jod wie oben titriert. Ausrechnung erfolgt gemäß Definition der „Jodzahl". Man untersuche S c h w e i n e f e t t , O l i v e n ö l oder L e i n ö l . 1

Die Klärung mit Tierkohle ist häufig entbehrlich.

Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen

137

Zur Bestimmung der V e r s e i f u n g s z a h l 1 eines Fettes kocht man 0,5—1 g Substanz mit 10 ccm n/2-alkoholischer KOH % Stunde lang am Rückflußkühler und titriert hierauf mit n/2-HCl unter Anwendung von Phenolphthalein das nicht gebundene Alkali zurück. Die Methode hat allgemeine Bedeutung, da sie in Estern das Ä q u i v a l e n t g e w i c h t der darin gebundenen Säure zu ermitteln erlaubt. Ester-Äquivalentgewicht =

— w o b e i a = Einwaage in g, & = ccm ver-

brauchtes n/1-Alkali. Das L e i n ö l ist das wichtigste unter den sog. „trocknenden" ölen. Darunter versteht man öle, die stark ungesättigte Säuren, namentlich L i n o l e n s ä u r e C17H29 • C0 2 H und L i n o l s ä u r e C 17 H 31 • C0 2 H enthalten und die daher imstande sind, den Sauerstoff der Luft direkt unter Bildung von P e r o x y d e n und deren festen, hochmolekularen Umwandlungsprodukten anzulagern. Die Ölsäure-Komponente ist dazu nicht befähigt. O l i v e n ö l und S e s a m ö l z. B. „trocknen" nicht. Verwendung des Leinöls als Bindemittel in der Ölmalerei und zur Herstellung von Firnissen. Als eine der Jodzahl analoge Konstante wird heute die „Rhodanzahl" bestimmt (Kaufmann). Ein Gemisch höherer gesättigter Fettsäuren wurde eine Zeitlang durch katalytische Oxydation von Paraffin, wie es bei dem F i s c h e r - T r o p s c h - V e r f a h r e n anfällt technisch hergestellt.

8. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen a) Hofmannsche R e a k t i o n . M e t h y l a m i n a u s A c e t a m i d 2 In einem Kolben von % Liter Inhalt versetzt man 30 g (0,5 Mol) Acetamid mit 80 g = 26 ccm Brom, (1 Mol) und fügt hierzu unter guter Kühlung mit Wasser so lange von einer Lösung von 50 g Kali in 350 ccm Wasser, bis die anfangs braunrote Farbe in hellgelb umgeschlagen ist, wozu der größte Teil der Kalilauge erforderlich ist. Die Lösung läßt man dann im Laufe weniger Minuten aus einem Tropftrichter in ununterbrochenem Strahl in eine Lösung von 80 g Kali in 150 ccm Wasser, die in einem Literkolben auf 70—75° erwärmt und gehalten wird, fließen. Man hält auf dieser Temperatur, bis das Reaktionsgemisch farblos geworden ist (Yi bis y 2 Stunde) und destilliert dann das Methylamin mit Wasserdampf über; das Kühlerende ist mit einem abwärts gerichteten Vorstoß verbunden, der etwa 1 cm tief in die Beschickung der Vorlage (100 ccm etwa 5 n-Salzsäure3) eintaucht. Sobald das Kondensat im Kühler nicht mehr alkalisch reagiert, dampft man den Inhalt der Vorlage in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne, läßt zur Entfernung der letzten Wasserreste eine Nacht über im Vakuumexsiccator stehen und kocht das ganz trockne Salz mit absolutem Alkohol aus; dabei bleibt Salmiak ungelöst. Das klare Filtrat engt man auf ein kleines Volumen ein und läßt dann in der Kälte das Methylammoniumchlorid auskristalli1 2 3

Man versteht darunter die mg KOH, die 1 g Fett verbraucht. B. 15, 762 (1882); B. 17, 1406 und 1920 (1884). 50 ccm konz. Salzsäure und 50 ccm Wasser.

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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

sieren. Das Salz wird nach dem Absaugen mit wenig Alkohol gewaschen und im Exsiccator getrocknet. Ausbeute 15—20 g. Man führt mit dem Präparat die I s o n i t r i l r e a k t i o n (S. 150) aus und prüft sein Verhalten beim Erwärmen mit wenig Nitrit in eben saurer wäßriger Lösung. b) D i e Curtiussche R e a k t i o n . P h e n y l c y a n a t B e n z h y d r a z i d 1 : 24 g Benzoesäureäthylester = 3 / 2 Mol. (S. 129) werden mit 9 g Hydrazinhydrat (0,18 Mol) 6 Stunden lang auf dem Wasserbad an einem kleinen Rückflußkühler erhitzt. Der feste Kristallkuchen, der sich beim Erkalten bildet, wird nach einiger Zeit möglichst scharf abgesaugt und mit wenig eiskaltem Methylalkohol gewaschen. Wenn die Ausbeute zu gering ist, wird das Filtrat eingeengt und nochmals erhitzt. Das Rohprodukt (16—18 g) ist zur Weiterverarbeitung genügend rein. Eine Probe kann aus heißem Wasser oder wenig Alkohol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 112°. B e n z a z i d 2 : 14 g (1/10 Mol) des t r o c k n e n Hydrazids werden in einem Filtrierstutzen (y 2 Liter) mit 200 ccm etwa n-Salzsäure zur klaren Lösung gebracht. Dazu läßt man unter Eiskühlung aus einem Tropftrichter unter Umrühren die Lösung von 8 g Natriumnitrit (0,12 Mol) in 50 ccm Wasser fließen. Die Umsetzung erfolgt sofort, indem das Azid sich kristallinisch abscheidet. Wenn eine abfiltrierte Probe der Lösung durch einen Tropfen Nitritlösung nicht mehr getrübt wird, saugt man den Niederschlag scharf ab, wäscht ihn gut mit Wasser aus und trocknet ihn erst auf Ton, dann im Vakuumexsiccator über konz. Schwefelsäure und Ätzkali. Ausbeute 14 g. P h e n y l c y a n a t 3 : Das Azid muß für die Verarbeitung auf Cyansäureester a b s o l u t t r o c k e n sein. Prüfung auf Gewichtskonstanz auf einer guten Handwaage. D a B e n z a z i d bei r a s c h e m E r h i t z e n , a u c h bei B e r ü h r u n g m i t konz. H 2 S0 4 e x p l o d i e r t , i s t d a s P r ä p a r a t v o r s i c h t i g zu h a n d h a b e n . B i s zur b e e n d e t e n D e s t i l l a t i o n d e s P h e n y l cyanats Schutzbrille tragen! Die Destillation des Endprodukts wird in demselben Kolben ausgeführt, der zur Spaltung dient, zweckmäßig in einem Ciaisenkolben von 75—100 ccm, dessen Capillare und Thermometer man schon vor Ausführung der Spaltung herrichtet. Alles muß gut getrocknet sein. In dem schräg gestellten Kolben, über dessen Kondensationsrohr ein kleiner Kühler gezogen ist — oben ist er durch ein CaCl2-Rohr gegen Eintritt von Luftfeuchtigkeit gesichert — erhitzt man 12 g Benzazid mit 40 ccm Benzol (über Natrium getrocknet) in einer mit Wasser gefüllten Kasserolle, auf deren Boden der Kolben nicht aufstehen darf, 1 s 3

Th. Curtius, J. pr. Ch. 50, 295 (1894). Th. Curtius, B. 23, 3029 (1890). G. Schroeter, B. 42, 2339 (1909).

Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen

139

l a n g s a m auf 60—70°, wobei eine lebhafte Stickstoffentwicklung beginnt. Wenn sie nachgelassen hat, steigert man die Temperatur bis gegen 80°, läßt dann erkalten, stellt das Gerät zur Vakuumdestillation um und destilliert zuerst das Benzol bei g e w ö h n l i c h e m Druck aus dem siedenden Wasserbad und daran anschließend aus dem vorher abgekühlten Bad bei 20—25 mm Druck das Phenylcyanat ab. Siedepunkt 60°/20 mm. Ausbeute 7—8 g. Das Destillat muß wasserklar sein und ist sofort unter guten Verschluß zu bringen (am besten einschmelzen). Vorher gießt man einige Tropfen in wenig Wasser. Der kristallinische Körper, der gebildet wird, ist D i p h e n y l h a r n s t o f f . Wie entsteht er? P h e n y l u r e t h a n . Eine andere Probe gießt man in Alkohol und verdampft das Lösungsmittel. Das nicht umgesetzte Azid (etwa 2 g) kocht man in 5 ccm absolutem Alkohol eine halbe Stunde lang am Rückflußkühler1. Nach dem Eindampfen kristallisiert ebenfalls Phenylurethan aus. Schmelzpunkt 52°. Die S p a l t u n g der U r e t h a n e in Amin, C0 2 und Alkohol wird meistens im Einschlußrohr mit Salzsäure ausgeführt. Bequemer, wenn auch weniger ertragreich, ist die Zerlegung durch Destillation mit Calciumhydroxyd. Man mischt das erhaltene Phenylurethan mit der dreifachen Gewichtsmenge gelöschten Kalks und destilliert vorsichtig aus einer kleinen Retorte. Das übergehende Anilin kann bei einiger Geschicklichkeit aus einem kleinen Kölbchen rektifiziert werden, in jedem Fall aber ist es als Acetanilid und durch die C h l o r k a l k r e a k t i o n nachzuweisen. Bei der Lösung von Strukturfragen entsteht häufig die Notwendigkeit, Carboxylgruppen, wie sie z. B. durch Oxydationswirkung gebildet werden, zu entfernen und so das Molekül „abzubauen". Der einfachste Prozeß dieser Art, die Abspaltung von K o h l e n d i o x y d , die man durchDestillation eines Salzes über N a t r o n kalk erreicht: R • COONa + NaOH • RH + Na 2 C0 3 , verläuft zumeist wenig glatt und führt außerdem zu einem Kohlenwasserstoff, an dem weitere Reaktionen schwer einsetzen können. Darum sind die beiden verwandten Reaktionen des Abbaus der Säuren, die von H o f m a n n , die von dem Säureamid ausgeht, und die vonCurtius, vom Hydrazid aus, von großer präparativer Bedeutung. Beide lassen das primäre Amin der nächst niederen Stufe erreichen, und beide führen zu diesem Ziel über das gleiche Zwischenprodukt, den Cyansäureester. Die Einwirkung von Hypobromit auf die —CONH 2 - Gruppe vermittelt den Ersatz von Wasserstoff an der NHa-Gruppe gegen Brom. Das erste Produkt der Hofmannschen Reaktion, das N - B r o m a m i d , ist in verschiedenen Fällen zu fassen. Durch Alkali verliert es HBr, und das dadurch vorübergehend gebildete Fragment (Elektronensextett!) lagert sich zum Cyansäureester um, der unter den Bedingungen der Reaktion in primäres Amin und COa zerlegt wird. 1

Th. Curtius, B. 27, 779 (1894).

140

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

R •C=0 , NH a

R •C=0 | HNBr

/R-C=0\ | — • R N = C 0 —>• R • NH a + C 0 2 . NI I

m r

I

A c e t a m i d liefert so M e t h y l a m i n , B e n z a m i d A n i l i n , H a r n s t o f f , wenn auch in geringer Menge, H y d r a z i n . Die N-Halogenamide dienen auch zur Substitution von beweglichem Wasserstoff durch Halogen. Als besonders bequemes Reagens f ü r diese Reaktion hat sich das N - B r o m s u c c i n i m i d erwiesen (K. Ziegler). Es mag hier auch das Desinfiziens C h l o r a m i n T , das Na-Salz des N-Chlor-p-toluolsulfamids erwähnt werden. Ähnlich wie die N-Halogenamide werden H y d r o x a m s ä u r e n unter H¡¡0Abspaltung in Cyansäureester umgelagert und damit zu Aminen abgebaut (Lossen). Die Reaktion von C u r t i u s , die besonders in den höheren Reihen wegen der günstigeren Löslichkeitsverhältnisse der Zwischenprodukte vorzuziehen ist, stellt als erste Phase das H y d r a z i d aus dem S ä u r e e s t e r (oder -chlorid) her, das dann durch salpetrige Säure in meist sehr glatter Reaktion in das A z i d übergeführt wird. In vielen Fällen wird das Azid bequemer durch Umsetzung von Säurechlorid mit Natriumazid dargestellt, das man vorher mit Hydrazinhydrat reaktionsfähig gemacht hat 1 . Die Azide erleiden leicht thermische Zersetzung, bei der sie die beiden „Azo"stickstoffatome als elementaren Stickstoff abspalten. Damit entsteht aber die gleiche Zwischenstufe, die den Verlauf der H o f m a n n s c h e n Reaktion erklärt hat: R . CIO

„r LwI HnU j

H N O , .

HN—NH 2

R . Ci O (



,

N—N=N

/ R • C=0 f

\

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J

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R

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C

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.

IN

C u r t i u s hat die Zersetzung der Azide gewöhnlich in Alkohol vorgenommen und hat daher in durchsichtiger Weise die U r e t h a n e erhalten, die durch kräftige Hydrolyse in p r i m ä r e s A m i n , C0 2 und Alkohol zerfallen. Eine wichtige Anwendung hat die H o f m a n n s c h e Reaktion bei der ersten technischen I n d i g o s y n t h e s e im Abbau des P h t h a l i m i d s zur A n t h r a n i l s ä u r e erfahren. Siehe S. 324.

III. Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte 1. N i t r o m e t h a n 2 94 g Chloressigsäure (1 Mol), in 200 com Wasser gelöst, werden mit wasserfreier Soda (53 g) in einem weiten Becherglas genau neutralisiert; dazu fügt man die Lösung v o n 7 5 g Natriumnitrit in 120 ccm Wasser. E t w a 100 ccm dieser Mischung bringt man in einen 750 ccm-Rundkolben, der einen Tropftrichter trägt und außerdem mit einem absteigenden Kühler verbunden ist. Beim kräftigen Erwärmen im Babotrichter oder auf dem Drahtnetz (langsam anheizen) beginnt schon vor dem Sieden der Lösung unter C0 2 -Entwicklung die stürmische Reaktion, die m a n in der siedenden Lösung durch allmähliches Zufließenlassen der Vorratslösung in Gang hält, aber nicht zu heftig werden läßt. D a s Nitromethan 1 2

N o l l e s , B. 65, 1345 (1932). H. K o l b e , J . pr.Ch. 5, 429 (1872); S t e i n k o p f , B. 42, 3438 (1909).

Nitromethan

141

geht mit Wasserdampf über und sondert sich in der Vorlage als schwerere Schicht ab. Sobald im Destillat keine Öltropfen mehr übergehen, wechselt man die Vorlage und treibt noch 100 ccm Wasser über, die noch Nitromethan gelöst enthalten. Von dem ersten Destillat trennt man das Nitromethan ab und vereinigt den wäßrigen Teil mit dem zuletzt übergegangenen. Diese Lösungen werden mit Kochsalz gesättigt (auf je 100 ccm 35 g) und nochmals destilliert. Etwa 1 / 4 der gesamten Wassermenge wird aufgefangen, später kommt wieder ein klares Destillat. Das abgetrennte Nitromethan wird mit dem zuerst erhaltenen vereinigt, mit GalciumcMorid scharf getrocknet und dann destilliert. Siedepunkt 101°. Ausbeute 20—24 g (33—39% d. Th.).

N i t r o m e t h a n ist der am leichtesten zugängliche aliphatische Nitrokörper; in den höheren Reihen verläuft die Kolbesche Darstellungsmethode viel weniger glatt. Der Verlauf der Reaktion ist klar: die zuerst gebildete N i t r o e s s i g s ä u r e zerfällt in CH 3 N0 2 und C0 2 , aus ähnlichen Gründen, wie sie auch den Zerfall der Malonsäure erklären. Die übrigen N i t r o p a r a f f i n e werden meist nach dem von V. Meyer entdeckten Verfahren — Umsetzung der Alkyljolide mit Silbernitrit — gewonnen. Auch die Methode von K o n o w a l o w — Erhitzen mit stark verdünnter Salpetersäure im Einschlußrohr auf 120—130° — führt häufig bei gesättigten Kohlenwasserstoffen, namentlich der hydroaromatischen Reihe, zum Ziel. Uber die Nitrierung von Paraffinen mit konz. Salpetersäure ist neuerdings von verschiedenen Seiten berichtet worden1. P h e n y l - n i t r o m e t h a n wird im Abschnitt VI, 8; S. 222, behandelt. Man erinnere sich der Isomerie mit den Alkylnitriten. Welche Unterschiede bestehen in den Reaktionen? Die primären und sekundären Nitroparaffine sind neutrale Substanzen, die bei Gegenwart von Alkalien ein Proton abgeben. Dabei entstehen Salze mit einem mesomeren Anion, das beim Ansäuern die aci-Nilroverbindung (Hantzsch) gibt: >CH—NO.

Base

Näheres darüber steht im Kapitel über T a u t o m e r i e bzw. M e s o m e r i e .

Versuch: Man löse lccm Nitromethan in Wasser und prüfe die Reaktion der Lösung gegen Lackmuspapier. Dann füge man etwas Phenolphthalein und tropfenweise aus einer Bürette w/10-Natronlauge hinzu. Bis zur bleibenden Rosafärbung werden etwa 2 ccm davon verbraucht, ein Zeichen, daß aus dem neutralen Nitromethan das Salz des aci-Nitromethans, H 2 C:NOOH, entstanden ist. Eine kleine Probe dieser Lösung gibt mit Eisenchlorid eine b l u t r o t e F ä r b u n g , die für aci-Nitroverbindungen charakteristisch ist. Die Salze der aci-Verbindung sind stark hydrolytisch gespalten. Dies erkennt man daran, daß der weitere Zusatz von n/10-Lauge die Lösung tief rot färbt. Hat man 10 ccm der Lauge hinzugefügt und setzt nun 5 ccm n/lO-Salzsäure hinzu, so wird die Lösung entfärbt, da die freigewordene aci-Verbindung die Hydrolyse ihres Salzes zurückdrängt. Die Umlagerung von H2C :NOaH zu H3C • N 0 2 erfolgt aber so rasch, daß in wenigen Augenblicken die Rotfärbung wiederkehrt. 1

Vgl. O. v. S c h i c k h , Ang. Ch. 62, 547 (1960).

142

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Bei der Reduktion von Nitroparaffinen entstehen unter kräftigen Bedingungen die entsprechenden A m i n e , so wie dies im nächsten Kapitel f ü r Nitrobenzol gezeigt wird. Aber ebenso wie dort kann man bei der Einwirkung von Zinkstaub in n e u t r a l e m Medium den Prozeß auf der Stufe des H y d r o x y l a m i n s festhalten.

Versuch: Zu einigen Tropfen Nitromethan, in wenig Wasser gelöst, werden einige Zinngranalien und dann leonz. Salzsäure gegeben. Heftige Reaktion. Wenn sie vorüber ist, erwärmt man noch kurz auf dem Wasserbad, übersättigt die abgegossene Lösung mit starker Lauge und erkennt am Geruch und an der Bräunung von Curcumapapier, daß ein flüchtiges Amin gebildet worden ist. Will man die Reaktion zur Darstellung von Methylamin benutzen, so muß das Nitromethan nach und nach zur Reduktionsflüssigkeit gegeben werden. Im übrigen vgl. Präp. II, 8; S. 137. N - M e t h y l h y d r o x y l a m i n . Eine wäßrige Lösung von Nitromethan versetzt man mit etwa der gleichen Menge Ammoniumchlorid und gibt dann unter Kühlung (Temperatur um 10°) und stetem Schütteln die dreifache Menge Zinkstaub in kleinen Anteilen zu. Die vom Zinkstaub abfiltrierte Lösung reduziert ammoniakalische Silberlösung und Fehlingsche Lösung. Die präparative Darstellung dieses leicht zugänglichen Alkylhydroxylamins als salzsaures Salz ist von B e c k m a n n , A. 365, 204 (1909), beschrieben. Die zahlreichen Umsetzungen der primären und sekundären Nitroparaffine lassen sich fast ausnahmslos von einem mesomeren Anion aus verstehen 0 2 N—C(R) 2




0 2 N=C(R) 2 ,

das mit elektrophilen Agentien am C reagiert und z. B. bei der Bromierung (vgl. S. 97) den Bromnitrokörper Br CH 2 —N0 2 liefert. Salpetrige Säure bildet mit primären Nitroparaffinen Nitrolsäuren, mit sekundären die sog. Pseudonitrole, die als Nitrosoverbindungen grün oder blau gefärbt sind. a)

02N—CH2 + HONO

b)

02N—C(CHS)2 + H O N O

~

0H(

~}

> 02N—CH2—NO

t OH^

02N—CH=NOH

O2N—C(CH3)2

NO Die der Nitrosierung analoge Diazokupplung ist auf Seite 144 besprochen. Es besteht im ganzen große Ähnlichkeit mit der Reaktionsweise der Ketone, jedoch der graduelle Unterschied der viel größeren Reaktionsgeschwindigkeit bei den Nitroverbindungen.

Versuch: M e t h y l n i t r o l s ä u r e 1 . 3,2 g Nitromethan werden unter Eiskühlung in 30 ccm 2 n-Natronlauge gelöst und mit einer konz. Lösung 1

B . 4 2 , 8 0 8 (1909).

Nitromethan

143

von 3,5 g Natriumnitrit versetzt. Ohne weitere Kühlung läßt man aus einem Tropftrichter In-Schwefelsäure hinzulaufen, bis die erst tiefrot gewordene Lösung eben orangegelb geworden ist und KaliumjodidStärkepapier noch nicht bläut. Dann schüttelt man zweimal mit Äther aus, kühlt die wäßrige Lösung wieder ab, tropft so lange wieder Schwefelsäure zu, bis deutlich salpetrige Säure, auftritt, und macht nun wieder mit 5 w-Natronlauge bis zu kräftiger Orangefarbung alkalisch. Dann wird wieder so weit angesäuert, daß noch keine salpetrige Säure nachzuweisen ist, und noch zweimal ausgeäthert. Die vereinigten Ätherauszüge werden mit Calciumchlorid 2 Stunden lang getrocknet, unter Außenkühlung mit Eis. Dann saugt man in einem kleinen Rundkolben den Äther mit Capillare im Vakuum aus einem Wasserbad von 15—20° an der Pumpe ab und erhält als Rückstand etwa 1 g gut kristallisierte, schwach gelb gefärbte Methylnitrolsäure. Das Präparat hält sich nur einige Stunden unzersetzt. Man prüfe mit ihm das Verhalten gegen Alkalien. Knallsilber 1 . 0,5 g irisch dargestellte Methylnitrolsäure, in 4 ccm Wasser gelöst, wird mit 1 ccm 5 n-Salpetersäure (konz. Säure vom spez. Gew. 1,4 mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt) und 4 ccm 10-proz. Silbernitratlösung über freier Flamme in einem weiten Reagenzglas zum Sieden erhitzt. Nach kurzer Zeit setzt die Reaktion unter kräftiger Gasentwicklung (NO) ein und gleichzeitig scheidet sich Knallsilber kristallinisch aus. Man kocht noch einige Minuten unter stetem Umschütteln weiter, läßt erkalten und saugt das Produkt ab, das mit Wasser gewaschen wird. Eine kleine Probe von etwa 10 mg trocknet man, ohne zu reiben, auf einem Stückchen Ton und prüft damit in der Flamme und durch Schlag mit dem Hammer die Brisanz. Schutzbrille! Die Hauptmenge bringt man noch feucht — auch in diesem Zustand ist ein festes Drücken mit einem Metallspatel oder anderen harten Gegenständen zu vermeiden — in ein Reagenzglas und übergießt sie mit 2 ccm konz. Salzsäure. Dabei kann man den der Blausäure zum Verwechseln ähnlichen Geruch der freien Knallsäure wahrnehmen. Nach einer halben Stunde erwärmt man den Inhalt des Reagenzglases noch kurz im siedenden Wasserbad, setzt 4 ccm Wasser zu, filtriert vom Silberchlorid ab und dampft das Filtrat in einer kleinen Glasschale auf dem Wasserbad zur Trockne. Das zurückbleibende Hydroxylammoniumchlorid wird an der Reduktionswirkung gegen ammoniakalische Silberlösung und gegen Fehlingache, Lösung erkannt. Knallsilber muß in jedem Fall sofort nach der Darstellung vernichtet werden, am einfachsten mit konz. Salzsäure. 1

B. 40, 419 (1907).

144

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Die N i t r o l s ä u r e n sind farblos, lösen sich aber in Alkalien mit tiefroter Farbe, indem neben der farbgebenden Nitroso- die act-Nitrogruppe gebildet wird 1 . Beim Erhitzen in salpetersaurer Lösung zerfällt Methylnitrolsäure in salpetrige Säure und K n a l l s ä u r e ; diese kann bei Gegenwart von Silbernitrat als Knallsilber festgehalten werden. >CNOH o2N/

*

N0 2 H + C = N 0 H .

Auf dem Weg über die Methylnitrolsäure kommt die Bildung der F u l m i n a t e (Knallsilber, Knallquecksilber) aus Äthylalkohol und Salpetersäure zustande. Davon war auf S. 134/135 die Rede. Das Quecksilber(II)-Salz des Nitromethans zerfällt direkt in K n a l l q u e c k s i l b e r und Wasser (Nef). (H 2 C=N0 2 ) 2 Hg

• (C=NO) 2 Hg + 2 H 2 0 .

Gleich den Ketonen kondensieren sich primäre Nitroverbindungen mit Aldehyden unter Wasserabspaltung. Auf diesem Weg ist P h e n y l n i t r o ä t h y l e n bequem darstellbar. C,HC 6 H0 + CH 3 —N0 2

• C 6 H 5 CH=CH • NO.2 •

2

P h e n y l n i t r o ä t h y l e n . 3,2 g Nitromethan u n d 5,3 g Benzaldehyd werden in 20 ccm Alkohol gelöst und bei guter Kühlung i m Kältegemisch unter kräftigem Umschütteln nach und nach mit k a l t e r alkoholischer Kalilauge versetzt, die m a n sich aus der Lösung v o n 3,5 g Ätzkali in 5 ccm Wasser und 10 ccm Methylalkohol bereitet hat. Man schüttelt so lange, bis eine Probe des entstandenen Kristallbreis — bisweilen bleibt die Kristallisation auch aus — in Wasser klar löslich ist; es h a t sich das Kaliumsalz des Phenylnitroäthylalkohols C 6 H S • CH(OH) • CH :NOOK gebildet, dessen freie Säure sich unter Wasserabspaltung in Phenylnitroäthylen umwandelt. Dies geschieht, wenn m a n das Reaktionsprodukt in Eiswasser auflöst und unter Umrühren in 60 ccm eiskalter n-Schwefelsäure einfließen läßt. D a s bald erstarrende ö l wird nach dem Absaugen und kurzem Trocknen auf T o n aus wenig Alkohol umkristallisiert. Man erhält etwa 5 g Phenylnitroäthylen in prächtigen gelben Kristallnadeln. Schmelzpunkt 58°. Alle primären Nitroverbindungen kuppeln mit Diazobenzol; statt der erwarteten Azokörper entstehen durch Umlagerung die P h e n y l h y d r a z o n e von an der Aldehydgruppe nitrierten Aldehyden: 1 Die Farbvertiefung geht wohl auf die Bildung eines mesomeren Anions zurück, von dem zwei Grenzformeln wiedergegeben seien:

CH = N — 0 ( _ ) I i NO 0(_)

CH

N—0 ( ~>

Na+

a T h i e l e und H a e c k e l , A. 326, 7 (1902); B o u v e a u l t und W a h l , Compt. rend. 186, 41 (1902).

Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs __ _ ( + ) i ^ (-)r m C»H5N=NV " + R • CH • NO,

145

i'RCH—NO, N = N • C,H t

R • C—NO,

Eine sehr interessante Umsetzung des Nitromethans durch starkes Alkali sei hier noch aufgeführt. 2 Moleküle kondensieren sich unter Wasserabspaltung zur sog. M e t h a z o n s ä u r e , die die Konstitution des N i t r o a c e t a l d o x i m s (I) besitzt (Meister) HO . ONa

HC

C==N0

II JJ I NONa • ONa

NOH

Aus ihr hat S t e i n k o p f mit Thionylchlorid das lange gesuchte N i t r o a c e t o n i t r i l 2 H2C • (N0 2 ) • CN und durch dessen Verseifung N i t r o e a s i g s ä u r e 8 dargestellt. Die neuerdings zu Aminosäure-Synthesen verwendete Nitroessigsäure kann auf einfache Weise durch Erhitzen von Nitromethan mit 50-proz. Alkali (über Methazonsäure) hergestellt werden3.

2. Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs Nitrobenzol und Dinitrobenzol a) N i t r o b e n z o l Zu 125 cem = 230 g konz. Schwefelsäure, die sich in einem Kolben von etwa y 2 Liter Inhalt befinden, gießt man allmählich unter Umschütteln 100 ccm = 140 g konz. Salpetersäure (spez. Gew. 1,4). Nachdem man die warme Mischung durch Eintauchen in kaltes Wasser auf Zimmertemperatur abgekühlt hat, fügt man unter häufigem Umschütteln zu ihr allmählich 90 ccm = 78 g (1 Mol) Benzol. Wenn hierbei die Temperatur über 50—60° steigt, so taucht man vor dem weiteren Eintragen des Benzols das Gefäß auf kurze Zeit in Eiswasser ein. Beim jedesmaligen Zugeben von Benzol ist eine vorübergehende intensive Braunfarbung zu beobachten. Nachdem man den Kolben mit aufgesetztem Steigrohr noch l / 2 Stunde lang in einem Wasserbad von 60° weiter erwärmt hat, trennt man die untere Schicht, welche aus Schwefelsäure und Salpetersäure besteht, im Scheidetrichter von der oberen, die das Nitrobenzol enthält 4 . Letztere schüttelt man im Scheidetrichter mit Wasser, dann mit verdünnter Natronlauge, zuletzt nochmals mit Wasser durch, wobei man beachte, daß das Nitrobenzol jetzt die untere Schicht bildet. Nach dem Waschen und Absitzen läßt man das Nitrobenzol in einen trocknen Kolben ab und erwärmt es auf dem Wasser bade (Steig1

Über den Mechanismus dieser Reaktion siehe A. 444, 15 (1925). B. 41, 1048 (1908). B. 42, 3925 (1909). 4 Nach dem gleichen Prinzip wird im Großbetrieb der Rest der Nitriersäure zurückgewonnen. Der Ansatz hier enthält 1 y 2 Mol HNO a . 2 3

10

G & t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 39. Aufl.

146

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

rohr) so lange mit Calciumchlorid, bis die anfangs milchige Flüssigkeit klar geworden ist. Man reinigt es schließlich durch Destillation aus einem Fraktionierkolben mit vorgelegtem Verlängerungsrohr, wobei m a n nicht ganz bis zur Trockne destilliere. Siedepunkt 206—207°. Ausbeute 100—105 g. b) m - D i n i t r o b e n z o l Eine Mischung v o n 14 ccm = 25 g konzentrierter Schwefelsäure und 10 ccm = 15 g rauchender Salpetersäure wird allmählich mit 10 g Nitrobenzol versetzt (Abzug) u n d unter häufigem Umschütteln in einem offenen Kolben eine halbe Stunde auf d e m Wasserbade erhitzt. D a s etwas erkaltete Reaktionsgemisch wird dann unter Umrühren in kaltem Wasser ausgewaschen, auf einem Tonteller abgepreßt und aus Alkohol umkristallisiert. Schmelzpunkt 90°. Ausbeute 10—12 g. Die Eigenschaft, bei Einwirkung von Salpetersäure Nitroderivate zu liefern, ist ein Charakteristikum der a r o m a t i s c h e n Substanzen. Je nach den Bedingungen, unter denen die Nitrierung ausgeführt wird, kann man e i n e Nitrogruppe oder deren mehrere einführen. Sind in einem aromatischen Stoffe gesättigte aliphatische Seitenketten vorhanden, so erfolgt die Nitrierung unter den obigen Bedingungen stets am B e n z olk e r n und nicht in der Seitenkette. Da die Benzolkohlenstoffatome nur mit e i n e m Wasserstoffatom verbunden sind, so sind die erhaltenen Nitroderivate tertiäre; sie sind demnach nicht imstande, wie die primären und sekundären Nitroverbindungen Salze, Nitrolsäuren oder Pseudonitrole zu bilden. Nitrogruppen lassen sich auch in S e i t e n k e t t e n einführen 1 . Erhitzt man z. B. Toluol oder Äthylbenzol mit schwacher Salpetersäure (spez. Gew. 1,076) in einer Bombe auf etwas über 100°, so erhält man P h e n y l n i t r o m e t h a n C 6 H 6 CH 2 • NO a oder Phenylnitroäthan C,H 5 • CH(N0 2 ) • CH 3 . Nicht nur die aromatischen Stammsubstanzen, die Kohlenwasserstoffe, lassen sich nitrieren; auch alle Derivate derselben, wie Phenole, Amine, Aldehyde, Säuren usw. sind der gleichen Reaktion zugänglich. Die Nitrierung erfolgt jedoch nicht überall mit der gleichen Leichtigkeit. Man muß daher für jeden Fall die günstigsten Versuchsbedingungen ermitteln. Wird ein Stoff, wie Phenol, sehr leicht nitriert, so kann man entweder die Nitrierung schon mit verdünnter Salpetersäure ausführen, oder man verwendet ein organisches Lösungsmittel, wie Eisessig. Beim Arbeiten in schwefelsaurer Lösung wendet man bisweilen statt der Salpetersäure Kalium- oder Natriumnitrat an. Durch den Eintritt einer Nitrogruppe wird der chemische Charakter einer Substanz nicht grundsätzlich geändert. So sind die Kern-Nitroderivate der Kohlenwasserstoffe neutrale Verbindungen, wie die Kohlenwasserstoffe selbst. Tritt eine Nitrogruppe aber z. B. in einen Stoff von saurer Natur ein, so wird diese dadurch verstärkt; die N i t r o p h e n o l e z. B. sind stärker sauer als das Phenol. Das Entsprechende tritt bei der Nitrierung basischer Substanzen ein; die N i t r a n i l i n e sind weniger basisch als Anilin. Beim zweifachen Nitrieren von Benzol bildet sich fast ausschließlich m - D i n i t r o b e n z o l , was mit den folgenden allgemeinen Substitutionsgesetzen zusammenhängt. Für die aromatischen Verbindungen sind in erster Linie drei Reaktionen typisch, die alle im Austausch eines kerngebundenen Wasserstoffs als Proton durch einen elektrophilen Substituenten bestehen: 1. die des Halogenierens, (vgl. S. 98), 2. die des Nitrierens (Reaktion des N0 2 (+) Ions) und 3. die des Sulfurierens (s. S. 173). Geht man vom Benzol selbst aus, 1

K o n o w a l o w , B. 27, R«f. 194 und 468 (1894).

Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin

147

so ist naturgemäß nur ein einziges Mono-Halogen-, Nitro- oder Sulfoderivat möglich. Geht man jedoch von einem monosubstituierten Benzol aus, so kann der Eintritt von Halogen, Nitro- oder Sulfogruppe in der o-, m- oder p-Stellung erfolgen. Die Tatsachen haben nun ergeben, daß hierbei zwei Typen von Reaktionen sich vollziehen, indem in gewissen Fällen überwiegend das o- und p-Biderivat neben nur wenig des m-Derivates gebildet wird, während im anderen Fall vorwiegend das m-Derivat neben nur wenig des o- und p-Derivates entsteht. Substituenten, welche Halogen, Nitro- und Sulfogruppe — oder auch andere Substituenten — vorwiegend in die o- u n d p - S t e l l u n g lenken, nennt man Substituenten e r s t e r O r d n u n g . Dazu gehören die Halogene, Alkylgruppen, die Hydroxylgruppe nebst O-Alkyl und O-Acyl, die Aminogruppe u. a. Substituenten, welche die Substitution vorwiegend in die m - S t e l l u n g lenken, heißen Substituenten z w e i t e r O r d n u n g . Solche sind: Nitrogruppe, Sulfogruppe, Aldehydgruppe, Carboxylgruppe nebst COO-Alkyl, CO • NH 2 und CO-Alkyl (inKetonen), C = N u . a . Aus dieser Aufzählung ergibt sich als charakteristisch, daß die Substituenten I. Ordnung durchweg f o r m a l g e s ä t t i g t sind, keine Lückenbindungen enthalten, während für die II. Ordnung das Gegenteil gilt. Es ist ferner bemerkenswert, daß die o- und p-Substitutionen sich durchweg leichter, d. h. mit viel größerer Geschwindigkeit vollziehen, als der Eintritt in m-Stellung. Auf S. 393/394 findet man einen Abriß der modernen theoretischen Deutung der Orientierungsregeln bei der aromatischen Substitution. Bei der m-Substitution steigert sich die Schwierigkeit von Stufe zu Stufe. Die Einführung der zweiten Nitrogruppe in das Nitrobenzol hat schon weit stärkerer Mittel bedurft, als die Nitrierung des Benzols. Das symmetrische T r i n i t r o b e n z o l entsteht erst beim tagelangen Kochen der Dinitroverbindung mit rauchender Salpetersäure und auch so nur in schlechter Ausbeute. Man vergleiche damit die Substitutionserleichterung durch OH und NH 2 und schon durch die Methylgruppe in Toluol. T r i n i t r o t o l u o l als Sprengstoff. Die Nitroverbindungen sind zum Teil Flüssigkeiten, zum Teil durch große Kristallisationsfähigkeit ausgezeichnete feste Stoffe, welche, falls sie ohne Zersetzung destillieren, einen viel höheren Siedepunkt als die Muttersubstanz besitzen. Unterwirft man Ä t h y l e n der Einwirkung von Nitriersäure, so entsteht, wie schon erörtert, Ni t r o ä t h y l n i t r a t CH 2 N0 2 • CH 2 • 0 N 0 2 . Das durch Anlagerung von N 0 2 ( + ) zuerst gebildete Nitroäthylkation H2C—CH2—N02 wird durch Reaktion mit 0 2 N0< - > abgefangen. Die große Bedeutung der Nitroverbindungen beruht auf ihrem Verhalten bei der Reduktion, wovon bei den nächsten Präparaten die Rede sein wird.

3. Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin a) A n i l i n a u s N i t r o b e n z o l 1 1. In einem Rundkolben (2 Liter Inhalt) versetzt man 120 g (1 g Atom) fein granuliertes Zinn2 mit 61,5 g Mol) Nitrobenzol und fügt hierzu allmählich 270 ccm = 320 g konzentrierter Salzsäure in der folgenden Weise: Man setzt zunächst nur etwa den zehnten Teil der Salzsäure hinzu, verbindet dann den Kolben sofort mit einem nicht zu engen Steigrohr und schüttelt um. Nach kurzer Zeit erwärmt sich die Mischung und gerät schließlich in lebhaftes Aufsieden. Man kühlt in kaltem Wasser, 1

A. 44, 263 (1842). Ist man nicht im Besitze von granuliertem Zinn, so stellt man sich dies dadurch her, daß man vor der Gebläseflamme in einem mit Ausguß versehenen, gestielten eisernen Löffel derbes Zinn schmilzt und dann t r o p f e n w e i s e aus einer Höhe von Y2—1 m in einen mit Wasser gefüllten Eimer gießt. 3

10*

148

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

ohne die Umsetzung völlig zu unterdrücken, und fügt dann nach und nach unter stetem Schütteln weitere Salzsäure zu, wobei man die Reaktion stets in gutem Gang hält. Zum Schluß erhitzt man noch eine Stunde lang auf dem Wasserbad, versetzt die warme Lösung mit 100 ccm Wasser und fügt allmählich eine Lösung von 150 g technischem Natron in 200 ccm Wasser bis zur stark alkalischen Reaktion hinzu 1 . Man leitet dann bei vorgelegtem, langem Kühler alsbald Wasserdampf in die heiße Flüssigkeit ein. Sobald das Destillat nicht mehr milchig, sondern wasserhell ist, läßt man noch etwa 300 ccm Flüssigkeit überdestillieren, setzt je 25 g fein pulverisierte Kochsalz auf je 100 ccm Flüssigkeit bis zur Auflösung zu und schüttelt das Anilin mit Äther aus 2 . Nachdem man die ätherische Lösung mit einigen Stückchen festen Kalis getrocknet' hat, verdampft man den Äther und unterwirft das Anilin der Destillation. Siedepunkt 184°. Ausbeute 90—100% der Theorie. 2. Dem t e c h n i s c h e n Verfahren ist die nachstehende Vorschrift angepaßt 3 : Ein Dreihalskolben von 2 Liter Inhalt trägt in der Mitte einen Rührer mit Dichtung, seitlich einen Rückflußkühler und einen Tropftrichter von 200 ccm Fassungsvermögen. Er kann in einem Ölbad erhitzt werden. Die Füllung von 200 g Gußeisenmehl4, 300 ccm Wasser und 30 ccm konz. Salzsäure wird unter kräftigem Rühren etwa 10 Minuten gekocht. Dann läßt man innerhalb % Stunden 123 g Nitrobenzol zutropfen, wobei die Heizung gemäßigt werden kann. Anschließend wird noch so lange gekocht, bis der Rücklauf farblos ist (etwa 1 Stunde), dann nach Zusatz von 15 g Natriumcarbonat das Anilin mit Wasserdampf übergetrieben. Ausbeute 90% der Theorie. Die Eigenschaft, bei einer energischen Reduktion in primäre Amine überzugehen, kommt sowohl den Nitroverbindungen der aliphatischen wie der aromatischen Reihe zu. Zur Reduktion jeder Nitrogruppe sind 6 Atome Wasserstoff erforderlich. In der Technik bedient man sich zur Reduktion des Nitrobenzols nicht des teuren Zinns, sondern man arbeitet noch heute nach dem alten Verfahren von Böohamp mit E i s e n f e i l e oder E i s e n p u l v e r . Die der Gleichung: C.Hj • N 0 2 + 3 Fe + 6 HCl = C,H6 • NH a + 3FeCl2 + 2H a O

(A)

entsprechende Menge Salzsäure wird im großen bei weitem nicht verbraucht, man kommt mit bedeutend weniger, mit etwa 3 °/ 0 aus. Dies hängt damit zusammen, daß das Eisen teilweise bis zur oxydischen Ferri stufe ausgenutzt wird. Es gilt neben A etwa die Gleichung B, d. h. FeCl2 wird ständig wieder gebildet. 1

Über die elektrolytische Abscheidung des Zinns siehe S. 273 Anm. Im großen trennt man, ohne auszusalzen, das Anilin ab und benutzt das „Anilinwasser" jeweils wieder zur Dampferzeugung. 3 Vgl. H. E. F i e r z - D a v i d , Operationen der Farbenchemie. IV. Aufl., 1938, S. 35. 4 Die üblichen Eisenpräparate des Laboratoriums sind weniger geeignet und geben gewöhnlich ein stark gefärbtes Präparat. Eisenpulver F der Bad. Anilinu. Sodafabrik, Ludwigshafen, bewährt sich besonders gut. 8

Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin

149

C,H6 • N0 2 + 2FeCI2 + 2 Fe + 4 H 2 O ^ C e H 6 . NH 2 + 2FeCla + 2Fe(OH) 3 . (B) Durch Hydrolyse des Ferrichlorids wird Ferrihydroxyd ausgeschieden und immer wieder Salzsäure für neues Eisen verfügbar. Die Eisenoxyde, die am Schluß des Prozesses gebildet sind, werden jeweils wieder durch Wasserstoff bei Rotglut in Eisenpulver zurückverwandelt. Neuerdings hat auch das k a t a l y t i s c h e H y d r i e r u n g s v e r f a h r e n , und zwar mit Kupfer als Kontaktmetall für die Bereitung von Anilin aus Nitrobenzol in der Industrie Eingang gefunden. Für Reduktionsversuche von Nitrokörpern im kleinen nimmt man am zweckmäßigsten Zinn oder Zinnchlorid und konz. Salzsäure. Feste Substanzen werden ohne Lösungsmittel oft schwer angegriffen und verlangen einen Zusatz von Alkohol oder Eisessig. Das Ende der Reduktion erkennt man daran, daß das Reaktionsgemisch auf Zugabe von Wasser klar bleibt, da die Hydrochloride der entstandenen Basen in Wasser meist löslich sind. Dabei ist zu beachten, daß häufig schwerer lösliche Doppelsalze mit Zinnchlorür auftreten, die aber von kochendem Wasser in der Regel gelöst werden. Wenn ein Doppelsalz in reichlicher Menge auskristallisiert, wird es durch Absaugen isoliert. Durch Zersetzen mit Lauge oder mit Schwefelwasserstoff liefert es die Base leicht in reinem Zustand. Die p r i m ä r e n M o n a m i n e sind zum Teil farblose Flüssigkeiten, wie z. B. das Anilin, o-Toluidin, Xylidin, oder farblose, feste Stoffe, wie das p-Toluidin, Pseudocumidin, die Naphthylamine u. a. Sie sind ohne Zersetzung destillierbar und mit Wasserdämpfen flüchtig. In Wasser sind sie ziemlich schwer löslich, Anilin zu 3°/ 0 . Die Di- und P o l y a m i n e sind meistens fest, mit Wasserdämpfen nicht flüchtig und in Wasser viel leichter löslich als die Monamine. Die Amine besitzen basischen Charakter; die Basizität ist jedoch infolge des ungesättigten Charakters des Arylrestes bedeutend schwächer als die der aliphatischen Amine. Daher reagieren die wäßrigen Lösungen der (stöchiometrisch) neutralen Anilinsalze infolge von Hydrolyse auf Lackmuspapier sauer. Aus dem gleichen Grund kann man aus einer wäßrigen Lösung von Anilinsalz mit Äther eine kleine Menge der freien Base herausschütteln. (Nachweis mit ätherischer Salzsäure oder nach Verdampfen des Äthers durch die Chlorkalkreaktion.)

Versuche: 1. Man verdünnt 10 ccm Anilinwasser (durch Schütteln von 3 Tropfen Anilin mit 10 ccm Wasser im Reagenzglas erhalten) mit 100 ccm Wasser und fügt ein wenig einer filtrierten wäßrigen Chlorkalklösung hinzu. Es tritt hierbei eine v i o l e t t e Färbung auf (Rungesche Reaktion). Diese sehr empfindliche Probe gibt nur die wäßrige Lösung des freien Anilins, nicht die der Salze; man muß daher aus diesen die Base erst isolieren. Man kann diese Reaktion auch benutzen, um kleine Quantitäten von Benzol oder Nitrobenzol zu erkennen, indem man die eben bekannt gewordenen Reaktionen im kleinen durchführt (Reagenzglas). Die C h l o r k a l k r e a k t i o n ist dem Anilin eigentümlich; der Farbstoff ist ein kompliziertes Chinonderivat, dessen Konstitution noch nicht ganz sicher steht. Die übrigen hier angegebenen Versuche stellen Klassenreaktionen der primären aromatischen Amine dar. 2. Durch Säurechloride und -anhydride werden primäre und sekundäre Amine acyliert, im besonderen auch durch Benzolsulfochlorid (S. 169). A c e t a n i l i d ist schon früher (S. 114, 117) dargestellt worden. Die Acetyl- und Benzoyl-derivate aller einfacheren primären Amine der Benzol- und Naphthalinreihe sind bekannt, so daß diese Methode in allen Fällen zum Ziel des Nachweises führt.

150

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Man stelle die Identität eines primären Amins auf dem angegebenen Weg fest. 3. B e n z y l i d e n - a n i l i n . 1 ccm Anilin wird mit ebensoviel Benzaldehyd im Reagenzglas auf dem Wasserbad erhitzt. E s scheidet sich unter Trübung Wasser aus und nach dem Erkalten erstarrt das Gemisch zur sog. S c h i f f s c h e n B a s e (Azomethin). Schmelzpunkt 72°. Beim Erwärmen mit Säure wird das schwach basische Kondensationsprodukt in die Komponenten zerlegt. Allgemeine Reaktion primärer Amine. 4. I s o n i t r i l r e a k t i o n . Ebenso wie die primären aliphatischen Amine von der Art des Methylamins geben auch das Anilin und seine Verwandten die charakteristische Geruchsreaktion mit Chloroform und Alkali. Man vermischt in einem Reagenzrohr 2 Tropfen Anilin mit 2 ccm Alkohol, fügt i/o ccm starke Kalilauge und etwa 5 Tropfen Chloroform zu und erwärmt gelinde (Abzug). /C1 C.H, • N H . + C12C< + 3KOH

(+) ( - ) • C„HS • N = C | + 3 KCl + 3 H 2 0 .

Ganz analog liefert Ammoniak C y a n i d : /Gl H • NH 2 + Cl2 • C< + 4 K O H \ h

K C,H5—i=c\0H

iso-Form des Formanilids

Es besteht also kein Einwand gegen die Carbiminstruktur der Blausäure darin, daß auch bei ihr der Zerfall durch Mineralsäuren kein Kohlenoxyd, sondern (neben Ammoniak) A m e i s e n s ä u r e auftreten läßt. Ein weiteres genau untersuchtes Derivat des „zweiwertigen" Kohlenstoffs, die ( - ) (+)

K n a l l s ä u r e , deren Konstitution als |C=NOH < >• |C=NOH feststeht, wird im gleichen Sinne in A m e i s e n s ä u r e und H y d r o x y l a m i n zerlegt (s. Versuch auf S. 143). 5. Die A l k y l i e r u n g des Anilins verläuft nach dem Schema der H o f m a n n sehen Alkylaminsynthese. Von besonderer Wichtigkeit sind die methylierten Aniline, namentlich die tertiäre Base D i m e t h y l - a n i l i n , die im Laufe des Praktikums mehrfach als Ausgangsmaterial herangezogen und die technisch sehr viel gebraucht wird. Man methyliert das Anilin im großen als salzsaures Salz mit Methylalkohol im Autoklaven. Das dabei auftretende M e t h y l c h l o r i d besorgt die Methylierung. — Bei sehr hoher Temperatur wandert Methyl vom Stickstoff in die p-Stellung, ein neues Beispiel für die mehrfach zu erwähnende Umlagerungsreaktion von Benzolderivaten (vgl. S. 165).

Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin

151

Erfolgt die Unilagerung bei Gegenwart eines Überschusses von Methylalkohol, so wird infolge weitergehender Methylierung und Wanderung schließlich M e s i d i n (Formel rechts) gebildet (A. W. H o f m a n n ) . Die Reaktion geht wenig glatt vor sich und hat keine präparative Bedeutung. 6. R e a k t i o n m i t S c h w e f e l k o h l e n s t o f f . Während Ammoniak und die primären Amine der Fettreihe sich an CS2 unter Bildung von d i t h i o c a r b a m i n s a u r e n A m m o n i u m s a l z e n addieren z . B . : gQ/

SH

.w.flR. H H,N-OH,

^HOH,

_ *

(-)

.S

(+)

HjNCH,

"= C = 0 überzuführen. Der gleiche Effekt wird in ganz ähnlicher Reaktion durch die Einwirkung von salpetriger Säure auf Ketone erreicht (vgl. die Synthese von D i a c e t y l aus Äthyl-methylketon). Schließlich läßt sich Nitrosobenzol auch der G r i g n a r d s c h e n R e a k t i o n unterwerfen. Mit Phenylmagnesiumbromid entsteht in der üblichen Weise Dip h e n y l h y d r o x y l a m i n , eine höchst reaktionsfähige Substanz: C , H 6 . N = 0 + Br Mg • CeH6

—-

C6H5 •

C„H5 . N • C,H5 + MgBr(OH) OH Diphenylhydroxylamia wird wie Phenylhydroxylamin, und zwar am besten mit Silberoxyd, dehydriert. Hier kann nur das eine H-Atom der OH-Gruppe abgespalten werden; die so darstellbare rote, kristallisierte Substanz enthält eine ungerade Elektronenzahl und zeigt wie Stickstoffdioxyd die Reaktionsweise eines freien Radikals. Es leitet sich vom Stickstoffdioxyd dadurch ab, daß in diesem ein O durch zwei C a H 6 ersetzt ist: g s p « > N - + 0 Diphenylstickstoffoxyd. Versuch: A z o x y b e n z o l a u s P h e n y l h y d r o x y l a m i n u n d N i t r o s o b e n z o l . Zur Lösung von 1 g Nitrosobenzol in 10 com Alkohol gibt m a n 1 g Phenylhydroxylamin, dann fügt man einige Tropfen starker Kalilauge ( 1 : 1 ) unter Umschütteln hinzu u n d erwärmt einige Minuten auf d e m Wasserbad. Die gelbrote Lösung wird n u n abgekühlt, wobei beim Reiben mit dem Glasstab das ßeaktionsprodukt als gelbe Kristallisation herauskommt. D a Azoxybenzol schon bei 36° schmilzt, scheidet es sieh aus übersättigter Lösung gern ölig ab. Durch Umkristallisieren aus wenig Alkohol oder aus Petroläther (Impfkristalle zurückbehalten!) wird die Verbindung hellgelb, fast farblos erhalten. 11

G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 30. Aufl.

162

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Die alte Formulierung I des Azoxybenzols wurde von A n g e l i durch eine unsymmetrische Formel gemäß II ersetzt, nachdem er Azoxykörper mit zwei verschiedenen Arylresten in zwei isomeren Formen erhalten konnte:

I. H6C6 • N—N • CsH5,

V

R—N=N • R' 0

II. H6C, • N = N . CsHt und

R—N=N. R'. 0

Der Mechanismus der angeführten Kondensation ist klar, er entspricht durchaus der Nitronbildung aus Phenylhydroxylamin und Aldehyden (S. 158):

C„HS • NH + ON • C6H6 OH



C,H 6 .N-N.C,H 5 H C 6 H 5 -N=N • C,H5 OH OH ~ '° > 0

Die Beziehungen von Azoxybenzol zu Azo- und Hydrazobenzol kommen bei den Erläuterungen zum nächsten Präparat zur Sprache. Hier sei noch die interessante Umlagerung erwähnt, die Azoxybenzol durch konzentrierte Schwefelsäure erfährt; dabei entsteht p - O x y a z o b e n z o l , die Muttersubstanz der sauren Azofarbstoffe (Wallach).

— C„H6 • N=N •

^>OH.

6. Hydrazobenzol und Azobenzol a) H y d r a z o b e n z o l Ein Rundkolben von 1 Liter Inhalt wird mit einem gut sitzenden, dünnrohrigen Anschützaufsatz versehen. Das seitliche Rohr wird durch ein kurzes Stück weiten Gummischlauchs mit dem Kühlrohr eines schräg eingespannten Liebigkühlers verbunden, derart, daß der Rundkolben ohne Mühe kräftig geschüttelt werden kann. Das vertikale Rohr des Aufsatzes wird durch einen Kork verschlossen und dient zum Einbringen des für die Reduktion erforderlichen Zinkstaubes. Es werden nun 50 g Ätznatron in 150 ccm Wasser gelöst und die noch warme Lauge zusammen mit 50 ccm Alkohol und 41 g ( 1 / 3 Mol) Nitrobenzol in den Kolben gegeben. Unter kräftigem Schütteln setzt man zuerst 6—8 g Zinkstaub zu, läßt die erste heftige Reaktion, stets weiter schüttelnd, zu Ende gehen und erhält dann durch dauernde Zugabe von Zinkstaub das Reaktionsgemisch im Sieden. Man achte darauf, daß die Umsetzung nicht allzu stürmisch wird, vermeide es aber, ihren Verlauf durch Kühlen zu unterbrechen. Der Kolbeninhalt färbt sich zuerst rot (Azobenzol), wird aber schließlich lichtgelb, wenn die nötige Menge des Reduktionsmittels zur Einwirkung gekommen ist. Man braucht etwa 120—150 g (75-proz.) Zinkstaub. Sollte die Reaktion vorzeitig zum Stillstand kommen, so erhitzt man auf einem lebhaft siedenden Wasserbad.

Hydrazobenzol und Azobenzol

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Es ist unerläßlich, den Kolbeninhalt fortwährend durch starkes Schütteln in Bewegung zu halten, damit der schwere Zinkstaub mit der organischen Substanz in stete Berührung kommt. Zu der zu Ende reduzierten und auf dem Wasserbad erhitzten Mischung gibt man schließlich 500 ccm Alkohol, der in der Siedehitze das ausgeschiedene Hydrazobenzol löst. Der ganze Kolbeninhalt wird siedend heiß auf einer Nutsche abgesaugt (vorher Flammen in der Nähe auslöschen!), der Kolben sofort mit 50 ccm heißem Alkohol nachgespült, der zum Auswaschen des auf dem Filter bleibenden übrigen Zinkstaubes dient. Das Filtrat läßt man in der verschlossenen Saugflasche erkalten, steigert die Kristallisation durch Kühlung in einer Kältemischung, saugt nach einer Stunde scharf ab und wäscht das beinahe farblose Reaktionsprodukt einige Male mit 50-proz. Alkohol, dem man eine kleine Menge wäßriger schwefliger Säure zugefügt hat, bis das Filtrat nicht mehr alkalisch reagiert. Durch Umkristallisieren aus nicht zu viel heißem Alkohol erhält man das Hydrazobenzol bei raschem Arbeiten völlig f a r b l o s und rein. Schmelzpunkt 124° unter Gelbfärbung. Bei der großen Neigung zur Autoxydation, die auch ein u n u n t e r b r o c h e n e s Arbeiten bei der Darstellung verlangt, ist Hydrazobenzol — im Vakuum gut getrocknet — nur in gut schließenden, mit C0 2 oder N 2 gefüllten Gläsern, besser noch in zugeschmolzenen Röhren, längere Zeit ohne Verfärbung haltbar. Die Ausbeute an Rohprodukt, das zu den weiteren Präparaten direkt benutzt werden kann, beträgt 20—25 g. b) A z o b e n z o l a u s H y d r a z o b e n z o l 1. D u r c h D e h y d r i e r u n g . Man läßt 10 g (Ys Mol) Brom (= 3,2 ccm) in eine Lösung von 6,0 g NaOH in 75 ccm H 2 0 (75 ccm einer 2 ra-NaOHLösung) unter Eiskühlung tropfen und schüttelt mit dieser Bromlauge 9,2 g Hydrazobenzol (1/20 Mol) in 60 ccm Äther in einem kleinen Scheidetrichter 10 Minuten lang durch, trennt die ätherische Lösung von der wäßrigen, verdampft den Äther und erhält die orangeroten Blättchen von Azobenzol, das, aus wenig Alkohol umkristallisiert, bei 68° schmilzt. Ausbeute quantitativ. Auch beim mehrstündigen Durchsaugen von Luft durch eine mit Alkali versetzte alkoholische Lösung von Hydrazobenzol entsteht in guter Ausbeute Azobenzol. 2. D u r c h D i s p r o p o r t i o n i e r u n g . 1—2 g Hydrazobenzol werden im Reagenzglas über kleiner Flamme zum Schmelzen erhitzt. Die orangerote Schmelze erhitzt man vorsichtig weiter bis zum beginnenden Sieden des gebildeten Anilins. Beim Erkalten erstarrt das Gemisch zu rotem Azobenzol, das in Anilin eingebettet ist. Man kann die Base mit Wasser herausschütteln und durch die Chlorkalkreaktion nachweisen, das Azobenzol wie oben aus Alkohol Umkristallisieren. Will man bei ii»

164

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Umsetzung von mehr Hydrazobenzol auch das Anilin in natura isolieren, so trennt man es durch verdünnte Essigsäure vom Azobenzol und setzt es aus der Lösung seines Acetats durch konzentrierte Lauge wieder in Freiheit. Ausäthern usw. A z o b e n z o l , mit dem Chromophor —N=N— die Grundsubstanz der Azofarbstoffe, ist ein sehr beständiger, unzersetzt destillierbarer Körper. Anders als bei den meisten anderen Azoverbindungen ist die N=N-Gruppe zwischen den beiden aromatischen Kernen sehr fest verankert. So erklärt sich die bedeutende Echtheit der Azofarbstoffe. Nach der Theorie ist mit der Existenz zweier s t e r e o i s o m e r e r Azobenzole zu rechnen: c„H 6 / N = \ HjC, C,H 5 ct«-Azobenzol

und

H 6 C, irans-Azobenzol

Diese Isomerie ist auch experimentell bestätigt worden: Durch Belichten einer Azobenzollösung wird die stabile, orangerote (iraws)-Form teilweise, im Kähmen eines photodynamischen Gleichgewichts, in die gelbe eia-Form umgelagert, und diese kann durch Adsorption (vgl. S. 14) abgetrennt werden ( H a r t l e y ) . Die beiden stereo-isomeren Formen unterscheiden sich auch im Ultraviolett-Spektrum sehr deutlich voneinander1. Versuch: 1 g reines Azobenzol, in 50 ccm Petroläther (Sdp. 60—60°) gelöst, wird 1 Stunde lang in einer auf Eiswasser schwimmenden Schale im direkten Licht einer Analysen - Quarzlampe im Abstand von etwa 30 cm gehalten. Sofort nach der Belichtung wird die Lösung durch eine Säule (2 cm: 20 cm) mit Aluminiumoxyd (nach B r o c k m a n n ) filtriert. Nach Entwicklung mit 150 ccm Benzol tritt eis-Azobenzol in einer etwa 2 cm breiten Zone 7 cm unter dem oberen Band der Säule in Erscheinung; die Irans-Verbindung wird eluiert. Man trennt die gelbe Zone von dem übrigen Aluminiumoxyd, und zieht sie mit 150 ccm Petroläther, der 1% Methanol enthält, aus. Um das Methanol zu entfernen wird die filtrierte Lösimg 3 mal mit je 25 ccm Wasser ausgeschüttelt und über Na a S0 4 getrocknet. Nach dem Abdampfen des Lösungsmittels bei 20° i. V. hinterbleiben 100 mg gelbes eis-Azobenzol vom Schmp. 69—71°. Um spektroskopisch reines cis-Azobenzol zu gewinnen, ist es nötig, die Aufarbeitung der belichteten Lösung im Halbdunkel vorzunehmen und möglichst schnell zu arbeiten. Mit konz. Mineralsäure gibt Azobenzol r o t g e f ä r b t e S a l z e , was man durch Übergießen der Substanz mit Salzsäure feststellt. Aufnahme von Wasserstoff führt wieder zur H y d r a z o v e r b i n d u n g . Durch Einwirkung von Hydroperoxyd oder Salpetersäure läßt sich O anlagern; es entsteht die A z o x y v e r b i n d u n g . Von der Synthese unsymmetrischer aromatischer Azokörper aus Nitrosoverbindung und primärem Amin war oben die Rede. Bei Schmelztemperatur zersetzt sich H y d r a z o b e n z o l nach der Gleichung:

h6c,.n HN—C„H5

JL + .

h,n.c,h5

H.C, • N

zu A z o b e n z o l und Anilin. Eine ganz analoge Reaktion wird später (S. 259) beim P h e n y l h y d r a z i n besprochen; ein einfaches Vorbild ist die S e l b s t z e r s e t z u n g des H y d r o p e r o x y d s in Sauerstoff und Wasser: 1

Chem. Soc. 1988, 633, 876; 1939, 232, 531, 1309.

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Hydrazobenzol und Azobenzol 0;H

OH >

0;H

OH

O HÖH II + O HÖH

Wie dieser Prozeß, so wird auch die Selbstzersetzung des Hydrazobenzols durch P l a t i n m e t a l l e katalytisch beschleunigt.

c) B e n z i d i n a u s H y d r a z o b e n z o l 9 g Hydrazobenzol werden in möglichst wenig Äther gelöst und zu 100 ccm mit Eis gekühlter etwa 7n-Salzsäure (konz. Säure mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt) unter Umschütteln getropft. Das salzsaure Benzidin scheidet sich kristallinisch aus und wird nach Zusatz von 50 ccm konz. Salzsäure und y2 stündigem Stehen der Reaktionsmischung abgesaugt und mit Salzsäure wie oben und wenig Äther gewaschen. Ausbeute 9—10 g. Das Hydrochlorid kann aus heißem Wasser unter Zusatz von konz. Salzsäure zur schwach abgekühlten Lösung umkristallisiert werden. Zur Gewinnung der f r e i e n B e n z i d i n b a s e versetzt man eine in der Wärme unter Zugabe von etwas verdünnter Salzsäure hergestellte, nicht zu konz. Lösung des Salzes, die man rasch auf 15—20° abkühlt, mit einem kleinen Überschuß von konz. Natronlauge; die kristallinisch abgeschiedene Base wird nach dem Absaugen gründlich mit Wasser ausgewaschen. Vor Zugabe der Lauge muß die Lösung des Salzes klar sein; von allenfalls auskristallisiertem Hydrochlorid muß sie abfiltriert werden. Das freie Benzidin kann aus heißem Wasser oder auch aus wenig Alkohol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 122°. Die Umlagerung des Hydrazobenzols zu dem isomeren B e n z i d i n — im Jahre 1846 von dem russischen Chemiker Zinin entdeckt —, die durch Mineralsäuren katalytisch in Gang gesetzt wird, erfolgt aus dem Bestreben des Moleküls, einen energieärmeren, d. h. gesättigteren Zustand zu finden. Man kann den Vorgang formal vergleichen mit ähnlichen, bei denen ein Substituent am Stickstoff seine Haftstelle mit einem H-Atom am Kern, und zwar meist in p-Stellung vertauscht. Hierher gehört die Umlagerung von Phenylsulfaminsäure in S u l f a n i l s ä u r e (S. 175), von Phenylhydroxylamin in p-Aminophenol (S. 156), ferner von Acetanilid in p - A m i n o - a c e t o p h e n o n und von N-Chloracetanilid in pChloracetanilid: H H

H H -NH.

H H

H H

166

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Außerdem die später zu besprechende Umlagerung der aromatischen N i t r o sa m i n e (S. 272) z. B.:

In ähnlicher Weise lagert sich bei der B e n z i d i n r e a k t i o n d i e Gruppe HN • C,H, als H S N • C6H4— an die vom Wasserstoffatom verlassene p-Lücke.

Es ist sicher, daß bei der Benzidinumlagerung die wandernden Beste nicht als „freie Radikale" abgetrennt werden, sondern daß sich diese Gruppenverschiebungen im Bereich der m o l e k u l a r e n B i n d u n g s k r ä f t e vollziehen. Die Ähnlichkeit der Umlagerung aromatischer Hydrazoverbindungen mit den oben in Parallele gestellten Austauschreaktionen wird noch deutlicher, wenn die p-Stellen der beiden Benzolkerne besetzt sind. Dann kommt es in der Regel nicht zur Bildung einer Biphenylbase, sondern der abgetrennte Rest greift mit dem Stickstoff in die o-Stellung zum anderen Stickstoff ein; es entstehen Derivate des o - A m i n o d i p h e n y l a m i n s , z. B.:

Diese Form der Isomerisation bezeichnet man als S e m i d i n - U m l a g e r u n g . Im Gegensatz zu den Hydrazo-Umlagerungen 1 , die echte innermolekulare Reaktionen sind, wird in vielen Fällen die „Umlagerung" vorgetäuscht durch eine intermolekulare Gruppenverschiebung, so etwa bei der Wanderung von Chlor und Nitrosogruppe vom Stickstoff in den Kern. Benzidin und die entsprechend seiner Bildung von o-Nitrotoluol und o-Nitroanisol abgeleiteten Biphenylbasen T o l i d i n und D i a n i s i d i n

werden in der Farbstoffindustrie als wichtige Zwischenprodukte für die Bereitung von Baumwolle direkt färbenden Azofarbstoffen in großem Maßstab dargestellt (Vgl. dazu S. 214, 262, 264). 1

P. J a c o b s o n , A. 428, 76 (1922).

Mechanismus der Nitrobenzol-Reduktion

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Zum M e c h a n i s m u s der N i t r o b e n z o l - R e d u k t i o n Die Reduktion der aromatischen Nitrokörper hat nicht nur wissenschaftlich, sondern auch technisch ein außerordentlich großes Interesse. Die Nutzbarmachung der im Steinkohlenteer enthaltenen Kohlenwasserstoffe begann mit der Entdeckung der Nitrierungsreaktion; die Umformung der Nitrogruppe zur Aminogruppe am Derivat des Benzols lieferte in technischem Ausmaß das A n i l i n , das Ausgangsmaterial f ü r zahllose Farbstoffe und pharmazeutische Präparate; ihm schließen sich die homologen T o l u i d i n e , X y l i d i n e , N a p h t h y l a m i n e usw. an. Die B i l d u n g d e s A n i l i n s aus Nitrobenzol kommt dadurch zustande, daß reaktionsfähiger Wasserstoff an die Nitrogruppe angelagert, der Sauerstoff als Wasser abgespalten und schließlich Wasserstoff endgültig angelagert wird. Sie ist kein einfacher Vorgang, sondern verläuft über eine Reihe von Zwischenphasen. C,H,-NOa

(C6H6-N/° \

)

C,H 5 • NO

H N3H/

C,H6.N