Die Praxis des organischen Chemikers
 9783111509549, 9783111142210

Table of contents :
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur neunzehnten Auflage
Vorwort zur vierunddreißigsten Auflage
Vorwort zur fünfunddreißigsten Auflage
Vorwort zur sechsunddreißigsten Auflage
Inhalt
Α. Einige allgemeine Arbeitsregeln
B. Elementar-analytische Methoden
C. Organisch-präparativer Teil
D. Organische Gruppenanalyse
E. Einführung in dieElektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerie-Lehre
F. Verschiedenes

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GATTERMANN · WIELAND DIE PRAXIS DES ORGANISCHEN CHEMIKERS

L. GATTERMANN

DIE PRAXIS DES

ORGANISCHEN CHEMIKERS 36. A u f l a g e bearbeitet von

HEINRICH WIELAND

M i t 68 A b b i l d u n g e n

W A L T E R DE G R U Y T E R & C O . vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung · J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer · Karl J . Trübner · Veit & Comp.

B E R L I N 1954

Alle Rechtef auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanlschen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten- Copyright 1953 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche VerlagBhandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Eeimer, Karl J . Trilbner, Veit 4 Comp., Berlin W 86. Archiv-Nr. 62 19 54. Printed in Germany Satz: Walter de Gruyter Λ Co., Berlin W 35. Druck: Günther Λ Sohn, Berlin SW 11

ν

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch ist in erster Linie einem privaten Bedürfnis des Verfassers entsprungen. Wenn man gleichzeitig eine größere Anzahl von Studierenden in das organische Arbeiten einzuführen hat, dann ist es oft beim besten Willen nicht möglich, jeden einzelnen auf die kleinen Kunstgriffe, deren es beim organischen Arbeiten so viele giebt, aufmerksam zu machen. Damit nun der Studierende sich auch in Abwesenheit des Lehrers bei der Ausführung allgemeiner Operationen Rat erholen kann, ist den speziellen Vorschriften für Präparate ein allgemeiner Teil vorausgeschickt, welcher die Krystallisation, Destillation, das Trocknen, die analytischen Operationen u. a. behandelt. Bei der Abfassung dieses Teiles wurde weniger Wert darauf gelegt, die zahlreichen Modifikationen der einzelnen Operationen möglichst vollständig aufzuzählen, als vielmehr darauf, die wichtigsten Operationen derart zu beschreiben, daß der Anfänger auch in Abwesenheit des Assistenten dieselben danach selbständig ausführen kann. Im zweiten speziellen Teile wurden jedem einzelnen Präparate allgemeine Betrachtungen angefügt, welche sich auf das Wesen und die allgemeine Bedeutung der ausgeführten Reaktionen beziehen und den Zweck verfolgen, daß der Studierende sich schon beim praktischen Arbeiten auch möglichst vielseitige theoretische Kenntnisse aneignet, welche, unter diesen Umständen erworben, bekanntlich fester haften, als wenn sie ausschließlich an Hand eines rein theoretischen Buches gewonnen sind. Und so hofft denn der Verfasser, daß sein Buch neben den trefflichen Anleitungen von E. Fischer und L e v y sich hier und da einige Freunde erwerben möge. Heidelberg, im August 1894

Gattermann

Vorwort

VI

Vorwort zur neunzehnten Auflage Vor etwas mehr als dreißig Jahren hat Ludwig G a t t e r m a n n die erste Auflage seiner Anleitung für das organ.-chemische Praktikum dem Druck übergeben. Das System, die präparativen Vorschriften mit theoretischen Erläuterungen zu versehen, hat sich zweifellos bewährt. Dafür spricht schon die große Verbreitung des Buches; es hat 18 Auflagen erlebt. — Die Erlernung der methodischen Technik ist gewiß das Hauptziel des organischen Praktikums; als bloße Kochkunst und Laborantenfertigkeit ausgeübt, leistet sie jedoch zu wenig. Die Methodik beherrschen heißt vor allem auch, den Sinn ihrer Anwendung verstehen, ihre vielfältigen Ausdrucksformen am richtigen Platz handhaben. Es ist auch hier der Geist, der sich den Körper baut. Wir verlangen, daß der Praktikant mit den Umwandlungen, die er präparativ betreibt, theoretisch vertraut sei. Der den einzelnen Präparaten angefügte Kommentar soll den Überblick über das gerade bearbeitete Gebiet erleichtern und zum Gebrauch der Lehrbücher und der Originalliteratur, zum Nachschürfen anregen. Nachdem jetzt die Grundlagen der organischen Chemie beim präparativen Arbeiten an den deutschen Hochschullaboratorien vorausgesetzt werden können, lag die Gefahr, ihn zur „Eselsbrücke" zu gestalten, fern. Mit Vorbedacht sind die Anforderungen nach der praktischen und nach der theoretischen Seite in dieser Neubearbeitung gesteigert worden. Was in den vergangenen dreißig Jahren an „Schulsack" genügte, das ist jetzt zu knapp für den, der sich an der Bearbeitung der für Wissenschaft und Technik gleichermaßen zugespitzten und schwieriger gewordenen Aufgaben beteiligen will. Der Gedanke, das präparative Praktikum gleichzeitig zu einem Erfassen und Erleben der organischen Chemie werden zu lassen, hat die Anordnung des Stoffs vom Gesichtspunkt des systematischen Zusammenhangs aus gefordert. Man wird sehen, daß dem dadurch bedingten Aufbau die präparative Anstiegslinie vom Leichteren zum Schwierigeren kaum ernstlich zuwider verläuft. Und der Gewinn an abgerundeter Ausbildung, der zu erwarten steht, ist erheblich. Der allgemeine Teil und ebenso der analytische sind vollkommen umgearbeitet worden unter starker Kürzung zugunsten der Präparate. Durch ihre Vermehrung soll einige Abwechslung geboten und dem schematischen Zug im organischen Praktikum entgegengewirkt werden. Meinen Assistenten, vor allem den Herren Dr. F r a n z B e r g e l und F. G o t t w a l t Fischer bin ich für ihre unermüdliche Mithilfe bei der Ausführung zahlloser Versuche zu großem Dank verpflichtet. Herr F i s c h e r hat außerdem die in dieser Bearbeitung neuen Figuren gezeichnet und das Register angefertigt. Freiburg i. Br., Ostern 1925

Heinrich Wieland

Vorwort

VII

Vorwort zur vierunddreißigsten Auflage Für die vorliegende Ausgabe ist das Buch in allen Einzelheiten kritisch und gründlich durchgesehen worden. Einige Präparate wurden weggelassen und durch andere ersetzt; in manchen Fällen wurden die präparativen Vorschriften verbessert. Neue Methoden, wie die der Papierchromatographie und der Polymerisation sind mit geeigneten Beispielen aufgenommen. Viel einschneidender sind die Änderungen, die den theoretischen Erläuterungen zuteil geworden sind. Obwohl ich nach wie vor an der Auffassung festhalte, der „Gattermann" habe nicht die Aufgabe, dem Studenten auch die theoretischen Kenntnisse der organischen Chemie lückenlos zu vermitteln, habe ich mich doch entschlossen, entgegen meinem früheren, im Vorwort zur siebenundzwanzigsten Auflage (1940) vertretenen Standpunkt, die moderne Elektronentheorie der chemischen Valenz wenigstens im Prinzip als Grundlage für die Erörterungen über den Mechanismus der behandelten Reaktionen heranzuziehen. In einem besonderen Kapitel (S. 377) versucht R. H u i s g e n die Hauptlinien dieser Betrachtungsweise, wie mir scheint mit guten Erfolgsaussichten, dem Benutzer des Buchs näher zu bringen. Selbstverständlich ist bei der Wiedergabe der Formeln die anschauliche alte Ausdrucksweise der chemischen Bindung durch Bindestriche beibehalten worden. Für ihre hingebende Unterstützung bei der Neubearbeitung des Buches habe ich den Kollegen Prof. R. H u i s g e n , F. L y n e n und Th. W i e l a n d wärmstens zu danken. Starnberg, September 1952

Heinrich Wieland

Vorwort zur fünfunddreißigsten Auflage Bis auf einige unwesentliche Richtigstellungen unterscheidet sich diese Auflage nicht von der vorhergegangenen. Starnberg, November 1953

Heinrich W i e l a n d

Vorwort zur sechsunddreißigsten Auflage Nach knapp 10 Monaten ist wieder eine neue Auflage des Buches nötig geworden. Wesentliches war in ihr nicht zu ändern. Starnberg, August 1954

Heinrich Wieland

IX

Inhalt Λ. Einige allgemeine Arbeitsregeln Seite

Reaktionsgeschwindigkeit und Temperatur Reindarstellung organischer Substanzen Kristallisation Chromatographische Adsorption Destillation Sublimation Destillation mit Wasserdampf Abdestillieren von Lösungsmitteln Ausschütteln. Extrahieren Das Arbeiten mit komprimierten Gasen Rühren und Schütteln Erhitzen unter Druck Schmelzpunktsbestimmung

1 3 4 14 15 25 26 28 30 34 35 37 39

B. Elementar-analytische Methoden Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Schwefels und der Halogene Die quantitative organische Elementaranalyse I. Stickstoffbestimmung nach D u m a s II. Bestimmimg von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Lie big . . III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen . . 1. Halogenbestimmung nach C a r i u s S. 65. 2. Bestimmung von Chlor und Brom nach Verbrennung der Substanz im Perlenrohr S. 68. 3. Jodbestimmung nach L e i p e r t - M ü n s t e r S. 71. 4. Schwefelbestimmung nach C a r i u s S. 72. 5. Schwefelbestimmung durch Verbrennung S. 73. 6. Gleichzeitige Bestimmung von Halogen und Schwefel S. 74. 7. Bestimmung der übrigen Elemente S. 74. IV. Bestimmung organischer Gruppen 1. Maßanalytische Bestimmung der Methoxylgruppe S. 74. 2. Bestimmung der Acetyl- und Benzoylgruppe S. 76. 3. Bestimmung von aktivem Wasserstoff nach T s c h u g a e f f - Z e r e w i t i n o f f S. 78. 4. Molekulargewichtsbestimmung S. 80.

41 44 45 52 64

74

C. Organisch-präparativer Teil Zur Verhütung von Unfällen Die erste Ausrüstung . . .

81 83

χ

Inhalt I. D i e S u b s t i t u t i o n v o n H y d r o x y l u n d W a s s e r s t o f f durch Halogen. Álkohole. Olefine 1. Äthylbromid aus Äthylalkohol Methylbromid S. 88. 2. Äthyljodid aus Äthylalkohol Methyljodid S. 88. 3. Benzylchlorid aus Toluol 4. Brombenzol p-Dibrombenzol S. 96. 6. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe a) Äthylen aus Äthylalkohol, Äthylenbromid S. 98; b) Cyclohexen aus Cyclohexanol. Cyclohexadien S. 100. 6. Glykol aus Äthylenbromid 7. Iso-amyläther 8. Chloressigsäure aus Essigsäure und Chlor

Seite

86 88

.

II. C a r b o n s ä u r e n u n d i h r e e i n f a c h e n A b k ö m m l i n g e 1. Säurechloride a) Acetylchlorid S. I l l ; b) Benzoylchlorid S. 112; Benzoylperoxyd S. 116. 2. Essigsäure-anhydrid 3. Acetamid 4. Harnstoff und Semicarbazid a) Kaliumcyanat durch Oxydationsschmelze S. 120; b) Harnstoff S. 121; c) Semicarbazid S. 122; d) Harnstoff und Harnsäure aus Harn S. 123. δ. Nitrüe a) Acetonitril S. 125; b) Benzylcyanid S. 125. 6. Verseifung eines Nitrils zur Säure. Phenylessigsäure 7. Säureester a) Essigsäureäthylester aus Eisessig und Alkohol S. 128; Benzoesäureäthylester S. 129; b) Isoamylnitrit S. 132; Äthylnitrit S. 133; c) Äthylnitrat S. 134; d) Verseifung von Fett oder pflanzlichem ö l S. 135; Darstellung der freien Fettsäuren S. 135; Glycerin S. 136; Zur Fettanalyse S. 136. 8. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen a) H o f m a n n s c h e Reaktion, Methylamin aus Acetamid S. 137; b) Curtiussche Reaktion, Phenylcyanat S. 138. III. N i t r o v e r b i n d u n g e n u n d i h r e R e d u k t i o n s p r o d u k t e 1. Nitromethan Methylamin, N-Methylhydroxylamin, Methylnitrolsäure, Knallsilber, Phenylnitroäthylen. 2. Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs a) Nitrobenzol S. 145; b) m-Dinitrobenzol S. 146.

92 95 98

107 109 109

111

116 118 120

125 127 128

137

140

145

Inhalt

XI Seite

3. Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin a) Anilin aus Nitrobenzol S. 147; Diphenylthioharnstoff, Phenylsenföl S. 151 ; b) m-Nitranilin aus m-Dinitrobenzol S. 153.

147

4. Phenylhydroxylamin p-Aminophenol, Nitrosophenylhydroxylamin.

154

5. Nitrosobenzol 158 Nitrosobenzol aus Anilin und Caroscher Säure, Azobenzol aus Anilin und Nitrosobenzol, Azoxybenzol aus Phenylhydroxylamin und Nitrosobenzol. 6. Hydrazobenzol und Azobenzol 162 a) Hydrazobenzol S. 162 ; b) Azobenzol aus Hydrazobenzol S. 163 ; c) Benzidin aus Hydrazobenzol S. 165. Mechanismus der Nitrobenzol-Reduktion 167 IV. S u l f o n s ä u r e n 1. Benzolmonosulfonsäure aus Benzol und Schwefelsäure Diphenylsulfon, Benzolsulfochlorid, Benzolsulfamid, Benzsulfhydroxamsäure. 2. p-Toluolsulfonsäure 3. /7-Naphthalinsulfonsäure 4. Sulfanilsäure aus Anilin und Schwefelsäure 5. Pikrinsäure und 2,4-Dimtro-a-naphthol-7-sulfonsäure (Naphtholgelb S) 6. Thiophenol

168

170 171 172 172 177

V. A l d e h y d e 1. Formaldehyd Gehaltsbestimmung S. 180.

178

2. Acetaldehyd a) aus Äthylalkohol S. 180; b) aus Acetylen S. 183.

180

3. Benzaldehyd aus Benzalchlorid 841 Erläuterungen und Versuche zu 1, 2 u. 3 184 4. C a n n i z z a r o s c h e Reaktion. Benzoesäure und Benzylalkohol aus Benzaldehyd 193 5. Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzaldehyd a) Benz il aus Benzoin S. 194; b) Benzilsäure S. 196. 6. Anlagerung von Cyanwasserstoff an einen Aldehyd. Mandelsäure aus Benzaldehyd 7. Alanin 8. P e r k i n sehe Synthese. Zimtsäure aus Benzaldehyd u. Essigsäureanhydrid Hydrierung der Zimtsäure S. 204; Natriumamalgam S. 205; Styrol S. 205. 9. R e i m e r - T i e m a n n s c h e Synthese. Salicylaldehyd aus Phenol und Chloroform

194

198 200 202

206

XII

Inhalt VT. P h e n o l e u n d E n o l e .

Keto-Enol-Tautomerie

1. Überführung einer Sulfonsäure in ein Phenol. /?-Naphthol Benzoesäurephenvlester, Benzoesäurenaphthylester, Tribromphenol. 2. Methylierung von Phenolen a) Aniaol S.212; b) Nerolin S. 213. 3. o- und p-Nitrophenol 4. Die K o l b e s o h e Salicylsäuresynthese 5. Synthese eines /Î-Ketonsâureesters. Acetessigester 6. Acetylaceton Benzoylaceton S. 220. 7. Malonsäure-diäthylester Äthylmalonester S. 221 ; Äthylmalonsäure S. 221 ; Buttersäure aus Äthylmalonsäure S. 221. 8. Phenylnitromethan a) oci-Phenyl-nitro-acetonitril-natrium S. 222; b) aci-Phenylnitromethan-natrium S. 222. Über Keto-Enol-Tautomerie Die Anwendung von Acetessigester und Malonester f ü r Synthesen . . . .

Seite

208 212 214 216 218 219 220 222

223 229

VII. D i e D i a z o v e r b i n d u n g e n Allgemeines A. Aliphatische Diazoverbindungen 1. Diazomethan Nitrosomethylharnstoff S. 234. 2. Diazoessigester a) Glykokollester-hydrochlorid S.238; Hippureäure S.240; b) Diazoessigester S. 241. B. Aromatische Diazoverbindungen 3. Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol aus Anilin. Isomerie der Diazoverbindungen a) Darstellung einer Diazoniumsalzlösung S. 244; b) Umkochung der Diazoniumsalzlösung zu Phenol S. 245; c) Jodbenzol aus Anilin, Phenyljodidchlorid, Jodosobenzol, Jodobenzol S. 246; d) Benzol aus Anilin S. 247 ; e) Festes Phenyldiazoniumchlorid S. 248 ; Phenyldiazoniumnitrat S. 248; Phenyldiazoniumperbromid S. 250; Phenylazid S.250; f) Natrium-p-nitrophenylantidiazotat S. 251; g) p-Chlorbiphenyl S. 252. 4. p-Tolunitril aus p-Toluidin ( S a n d m e y e r s c h e Reaktion) Benzonitril S. 253; p-Toluylsäure S. 253. 5. Arsanilsäure aus p-Nitranilin 6. Phenylhydrazin Benzol aus Phenylhydrazin S. 259; Indolsynthese S. 259. 7. Darstellung von Azofarbstoffen a) Helianthin S. 260 ; b) Kongorot S. 262 ; c) /i-Naphtholorange S. 262 ; d) Diazoaminobenzol und p-Aminoazobenzol S. 263. Über die Kupplungsreaktion der Diazoverbindungen

232 234 238

244

252 254 256 260

264

Inhalt

XTTT

VIII. C h i n o n e u n d c h i n o i d e V e r b i n d u n g e n

Seite

1. Chinon aus Anilin 266 Hydrochinon S. 268; Anilinochinon S. 268; Dien-Synthese S. 268; Chinhydron S.270. 2. p-Nitrosodimethylanilin Dimethylamin und p-Nitrosophenol S. 272.

271

3. p-Aminodimethylanilin 273 W u r s t e r s Rot S. 275; B i n d s c h e d l e r s GrünS. 277; Methylenblau S. 277. 4. Basische Triphenylmethanfarbstoffe 279 a) Malachitgrün aus Benzaldehyd und Dimethylanilin S. 279; Bleidioxyd S. 280; b) Kristallviolett aus M i c h l e r s Keton und Dimethylanilin S. 281 ; c) Gesarol (DDT) S. 281. 6. Fluorescein und Eosin Theoretisches über Triphenylmethanfarbstoffe Phthalocyanin S. 288. 6. Alizarin .

282 283 288

IX. D i e S y n t h e s e n n a c h G r i g n a r d u n d F r i e d e l - C r a f t s Organische Radikale Die G r i g n a r d s c h e Reaktion 1. Darstellung von Alkoholen a) Benzhydrol aus Benzaldehyd und Phenylmagnesiumbromid S. 290; b) Triphenylcarbinol aus Benzoesäureäthylester und Phenylmagnesiumbromid S. 291. 2. Synthese eines Ketons aus einem Nitrii. Acetophenon

290

292

Die F r i e d e l - C r a f t s s c h e Synthese 3. Ketonsynthese 296 a) Benzophenon aus Benzoylchlorid und Benzol S. 296; b) Acetophenon aus Benzol und Essigsäureanhydrid S. 297. 4. Triphenylchlormethan aus Benzol und Tetrachlorkohlenstoff 297 5. 2,4-Dioxyacetophenon aus Resorcin und Acetonitril 6. Chinizarin aus Phthalsäureanhydrid und Hydrochinon 7. B e c k m a n n sehe Umlagerung a) Benzophenonoxim S. 302; b) Cyclohexanonoxim S. 304; Polykondensation von Caprolactam S. 305.

298 299 302

Organische Radikale 8. Hexaphenyläthan 9. Tetraphenyl-hydrazin Diphenylnitrosamin, NO S. 310.

306 308 Festlegung des Diphenylstickstoffs

durch

XIV

Inhalt X. H e t e r o c y c l i s c h e V e r b i n d u n g e n

1. Pyridinderivate a) Synthese von Collidili nach H a n t z s c h S. 312; b) a-Aminopyridin S. 316. 2. Chinolin a) S k r a u p s c h e Chinolinsynthese S. 317; b) Chinaldinsyntheae nach D o e b n e r - M i l l e r S. 318. 3. α-Phenylchinolin aus Chinolin und Lithiumphenyl a) Lithiumphenyl S. 320; b) α-Phenylchinolin S. 321. 4. Indigo Phenylglycin S. 321 ; Indoxylschmelze S. 322; Indigoküpe S. 325; Dehydroindigo S. 326.

Seite

312

317

320 321

XI. H y d r i e r u n g u n d R e d u k t i o n , O x y d a t i o n mit Selendioxyd, Ozonisation 1. Katalytische Hydrierung mit Palladium. Hydrozimtsäure 328 Darstellung von Palladium-Tierkohle S. 330; Darstellung von Platinoxyd S. 330. 2. Ersatz von Sauerstoff in Carbonylverbindungen durch Wasserstoff (Reduktion nach C l e m m e n s e n ) 332 a) Äthylbenzol aus Acetophenon S. 332; b) Dibenzyl aua Benzil S. 333. 3. Beduktion nach M e e r w e i n - P o n n d o r f . Trichloräthylalkohol . . . . Aluminiumäthylat S. 333; Trichloräthylalkohol S. 334. 4. Oxydation von Malonester zu Mesoxalsäureester mit Selendioxyd . . 6. Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation

333 335 335

XII. N a t u r s t o f f e 1. 2. 3. 4. 5.

Furfurol 337 d-Glucose aus Rohrzucker 338 Spaltung von Rohrzucker durch Saccharase 339 /3-Pentacetyl-glucose und α-Aceto-bromglucose 340 Milchzucker und Casein aus Milch 341 Säurehydrolyse des Caseins S. 342; Papierchromatographische Ana· lyse S. 342. 6. d-Galaktose aus Milchzucker 343 Schleimsäure S. 344; Pyrrol S. 344. 7. Oktacetyl-cellobiose und Cellobiose 345 Einige Erläuterungen über Kohlenhydrate 345 8. Verzuckerung von Stärke und alkoholische Gärung 350 9. 1-Arginin-hydrochlorid aus Gelatine 353 10. Coffein aus Tee 354 11. Nicotin aus Tabakslauge 354

Inhalt

XV Seite

12. Hämin aus Rinderblut Chromatographische Adsorption der Blattfarbstoffe S. 358.

355

13. Die Hauptbestandteile der Rindergalle 359 Glykocholsäure S. 359; Cholsäure S. 360; Desoxycholsäure, Fettsäuren und Cholesterin S. 361. D. Organische Gruppenanalyse I. Allgemeines II. Die Merkmale der einzelnen Gruppen ΙΠ. Ausführung der Analyse a) Einzelbestimmung S. 374; b) Trennung eines Substanzgemisches S. 375.

364 365 374

E. Einführung in die Elektronentheorie der organischen Verbindungen und in die Mesomerie-Lehre von Rolf H u i s g e n Ionen und Atombindung 377 Ungesättigte und aromatische Verbindungen; Mesomerie 380 Reaktionsmechanismen 387 F. Verschiedenes Kurze Anleitung zur Benützung der organisch-chemischen Literatur . . . Literaturpräparate Tabelle zur Berechnung der Stickstoffbestimmungen Sachregister

Abkürzungen A. = A. ch. = Ατη. SOC. = Ang. Ch. = Β. = Bl. = C. = Chem.-Soc. = Helv. = H. = J . pr. = M. = Naturwiss. = Ree. =

Liebigs Annalen. Annales de chimie et de physique. Journal of the American Chemical Society. Zeitschrift für angewandte Chemie. Berichte der Deutsch, ehem. Gesellschaft. Bulletin de la Société chimique de France. Chem. Zentralblatt. Journal of the Chemical Society of London. Helvetica chimica acta. Hoppe-Seylera Zeitschr. für Physiolog. Chemie. Journal für praktische Chemie. Monatshefte für Chemie. Die Naturwissenschaften. Recueil des trav. chim. des Pays-Bas.

396 398 400 403

Α. Einige allgemeine Arbeitsregeln Reaktionsgeschwindigkeit und Temperatur Von den Reaktionen, die den Inhalt des anorganisch-analytischen Praktikums bilden, unterscheiden sich die der o r g a n i s c h e n Chemie vor allem in der G e s c h w i n d i g k e i t des Verlaufs. Dort halben wir fast ausschließlich mit unmeßbar rasch vor sich gehenden I o n e n r e a k t i o n e n z u t u n ; die Umsetzungen der organischen Substanzen dagegen erfolgen meist viel l a n g s a m e r und erfordern daher in diesen Fällen zur präparativen Durchführung die beschleunigende Wirkung erhöhter Temperatur. M i t d e r S t e i g e r u n g d e r T e m p e r a t u r u m 10° i s t e i n e S t e i g e r u n g d e r R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t a u f d a s 2- bis 3 - f a c h e v e r b u n d e n . Ist die Geschwindigkeit bei 20° v, so wird sie sich bei 80° auf durchschnittlich ν · 2,5® erhöhen. Die Reaktion wird also in siedendem Alkohol etwa 250 - mal rascher verlaufen als bei Raumtemperatur. Aus diesem Grund werden viele Umsetzungen organischer Stoffe mit erhitzten Lösungen, meist bei S i e d e t e m p e r a t u r , vorgenommen. Der Dampf des Lösungsmittels wird in einem, dem Reaktionsgefäß aufgesetzten, von Leitungswasser durchströmten K ü h l e r kondensiert, derart, daß das verdampfte Pig.l Lösungsmittel andauernd wieder zurückfließt. Um eine Lösung zu konzentrieren, wird das Lösungsmittel „ a m a b s t e i g e n d e n K ü h l e r " abgedampft. Bequemer als der L i e b i g s c h e K ü h l e r sind für diesen Zweck S c h l a n g e n k ü h l e r verschiedener Konstruktion, die aber für das Arbeiten „ u n t e r R ü c k f l u ß " wegen der in der Schlange zwischen Dampf und Außenatmosphäre sich bildenden Flüssigkeitsschicht weniger geeignet sind. Für beide Verwendungsarten hat sich der von D i m r o t h angegebene Kühler gut bewährt, bei dem die Schlange vom Kühlwasser durchströmt wird (Fig. 1). Um die Kondensation von Wasserdampf auf der Kühlschlange zu vermeiden, wird der obere Tubus zweckmäßig mit einem C a l c i u m c h l o r i d r o h r versehen. Benutzt man Lösungsmittel, die über 100° sieden, so kann der Wasserkühler durch ein l a n g e s , w e i t e s G l a s r o h r ( S t e i g r o h r ) ersetzt werden. 1

G a t t e r m a η η , Praxis des organ. Chemikers. 36. Aufl.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Zur Verbindung des Kühlers mit dem Reaktionsgefäß dient ein dicht anschließender K o r k s t o p f e n , der vor dem Einbohren des Loches mit der Korkpresse weich gemacht wird. Das Lumen des zu wählenden Korkbohrers soll kleiner sein, als das des einzusetzenden Glasrohrs. Die Durchbohrung erfolgt mit dem in der Bunsenflamme erhitzten Bohrer von der kleineren Fläche des Korkes aus, streng vertikal zum Laboratoriumstisch als Unterlage. Das Abdichten von Stopfen mit Kollodium sollte tunlichst vermieden werden. G u m m i s t o p f e n sollen im allgemeinen nicht verwendet werden bei Operationen, bei denen sie den Dämpfen siedender organischer Lösungsmittel ausgesetzt sind, da sie stark aufquellen und zudem lösliche Bestandteile abgeben, die die Reaktionslösung verunreinigen. Am saubersten läßt sich mit N o r m a l s c h l i f f g e r ä t e n arbeiten (siehe ζ. B. Fig. 46, S. 95) ; ihr einziger Nachteil ist ihr ziemlich hoher Preis. Die Vorteile sind dagegen so groß, daß Schliffgeräte wohl an allen Hochschullaboratorien eingeführt sind. Schliffe sollen sparsam mit Fett gedichtet werden, wodurch auch ein Festbacken vermieden wird. Schlechte Schliffe werden auch durch reichliche Verwendung von Fett nicht dicht. Im übrigen ist das Umgehen mit Normalschliffgeräten so einfach, daß im folgenden die allg. Arbeitsgänge unter Verwendung der größere Sorgfalt und Geschicklichkeit erfordernden Kork- und Gummi-Verbindungen beschrieben werden. Außenkühlung: Viele Reaktionen, die unter starker Wärmeentwicklung verlaufen, müssen gemäßigt werden. Auch wenn zersetzliche Substanzen darzustellen sind, für die erhöhte Temperatur gefährlich ist, muß häufig für Kühlung des Reaktionsgemisches Sorge getragen werden. Der Grad der Kühlhaltung ist verschieden und wird je nach der zu beseitigenden Wärmemenge und in Abhängigkeit von der jeweils erforderlichen Reaktionstemperatur erzeugt durch f l i e ß e n d e s L e i t u n g s wasser (8—12°), durch E i s , das, fein zerstoßen, mit wenig Wasser durchtränkt wird, durch E i s - K o c h s a l z g e m i s c h (0 bis —20°) und durch eine Mischung von f e s t e r K o h l e n s ä u r e mit Äther oder Aceton (bis —80°). F l ü s s i g e L u f t wird beim organisch-präparativen Arbeiten im allgemeinen nicht benötigt. Zur Darstellung einer K ä l t e m i s c h u n g , wie man sie sehr häufig braucht, wird in der Eismühle oder im Metallmörser gut zerkleinertes Eis mit etwa % der Menge Viehsalz mit Hilfe einer kleinen Holzschaufel gut durcheinander gemischt, am besten in einer niederen Glasschale mit flachem Boden oder in einem niederen Emailtopf. Um ein Kältegemisch stundenlang, unter Umständen über Nacht wirksam zu erhalten, bringt man es in eine „ T h e r m o s f l a s c h e " , in der der Inhalt eingestellter Reagenzgläser längere Zeit bei tiefer Temperatur gehalten werden kann. Dem gleichen Zwecke für größere Dimensionen dient ein von Pic card angegebenes I s o l i e r g e f ä ß , das man

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sieh leicht aus zwei ineinander gestellten Filtrierstutzen herstellen kann. Der Boden des äußeren Stutzens wird mit Kieselgur angefüllt, bis der Rand des zentrisch hineingestellten kleineren die Höhe des äußeren Randes erreicht hat, dann stampft man in den Zwischenraum zwischen den beiden Stutzen ebenfalls Kieselgur ein und dichtet oben zwischen den Rändern mit Pech gut ab. Die K o n z e n t r a t i o n s v e r h ä l t n i s s e werden im allgemeinen beim organisch-präparativen Arbeiten allzuwenig berücksichtigt. Mit Ausnahme seltener Fälle (ζ. B. bei intramolekularen Umlagerungen) handelt es sich um Reaktionen höherer Ordnung, an denen mehrere Molekülarten •— meist zwei — beteiligt sind. Da die Geschwindigkeit bimolekularer Reaktionen auf Grund der kinetischen Molekulartheorie der Anzahl der gegenseitigen Zusammenstöße der gelösten Molekeln proportional ist und sich demgemäß in dem Produkt der Konzentrationen ausdrückt : dx

=

k · ça · CB

(k = Geschwindigkeitskonstante),

so ist es in allen Fällen, wo nicht besondere Gründe dagegen sprechen, ratsam, die K o n z e n t r a t i o n e i n e r R e a k t i o n s l ö s u n g m ö g l i c h s t h o c h zu w ä h l e n . Man bedenke stets, daß die Herabsetzung der Konzentration auf die Hälfte, auf ein Viertel, auf ein Zehntel gleichbedeutend ist mit einer Yerlangsamung der Reaktion auf das Vier-, Sechzehn- und Hundertfache. Hier ist nur ein allgemeiner Überblick über die gebräuchlichen Methoden und Handgriffe gegeben, wie sie bei den präparativen Übungen gebraucht werden. Über spezielle Bedürfnisse unterrichte man sich in folgenden Werken : C. W e y g a n d , Organisch-chemische Experimentierkunst, Leipzig 1938. K . B e r n h a u e r , Einführung in die organischchemische Laboratoriumstechnik, Wien 1942; A. W e i ß b e r g e r , Technique of Organic Chemistry, 8 Bde., New York 1950.

Reindarstellung organischer Substanzen Die Stoffe, die das Ziel des präparativen Arbeitens bilden, sind meist feste, kristallisierte Körper oder Flüssigkeiten, mitunter auch Gase. Bei der großen Vielseitigkeit der Reaktionen organischer Stoffe verläuft, im ausgesprochenen Gegensatz zu den meisten Reaktionen in der anorganischen Chemie, kaum jemals eine Reaktion scharf in e i n e r Richtung auf ein Endprodukt, sondern es treten fast stets N e b e n r e a k t i o n e n ein. Dadurch wird die Isolierung reiner, einheitlicher Substanzen aus einem Reaktionsgemisch, wie sie die vornehmste Aufgabe der präparativen Übungen darstellt, erheblich erschwert. Teils entstehen m e h r e r e definierte chemische Stoffe nebeneinander, deren Trennung erreicht werden muß, teils handelt es sich um die möglichst α·

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

verlustfreie Befreiung des angestrebten Stoffes von unerfreulichen, nicht kristallisierbaren Begleitstoffen, den sog. H a r z e n oder S c h m i e r e n . Darunter versteht man Nebenprodukte — zuweilen leider auch Hauptprodukte —, deren Ursprung und Art meist unerforscht ist und die das Interesse der klassischen organischen Chemie bisher nur im Sinne ausgesprochener Mißbilligung erweckt haben. Von allen diesen unerwünschten Begleitern muß das zu gewinnende Präparat mit aller Sorgfalt befreit werden. Es sind für die hier in Frage kommenden Aufgaben grundsätzlich zwei Methoden, die zum Ziele führen, nämlich: 1. die K r i s t a l l i s a t i o n , 2. die D e s t i l l a t i o n . Kristallisation G r u n d s ä t z l i c h e s : Feste kristallisierbare Körper werden bei einer Reaktion gewöhnlich als Rohprodukte erhalten, die entweder direkt oder nach dem Einengen der Lösung in mehr oder weniger reiner Form sich beim Erkalten abscheiden. Die K r i s t a l l i s a t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t schwankt bei organischen Stoffen innerhalb sehr weiter Grenzen und die Neigung, ü b e r s ä t t i g t e L ö s u n g e n zu bilden, ist außerordentlich groß. Aber selbst, wenn durch Einbringen eines Kristalles in die Lösung — durch „ A n i m p f e n " — die Aufhebung der Übersättigung bewirkt wird, stellt sich das Gleichgewicht der kaltgesättigten Lösung manchmal äußerst langsam ein. Die Ursache liegt eben in der verschiedenen Kristallisationsgeschwindigkeit. Darum erhält man den vollen Ertrag an Rohprodukt häufig erst nach vielstündigem Stehen der Lösung. Der Prozeß der U m k r i s t a l l i s a t i o n erfolgt im einfachsten (und häufigsten) Fall in der Weise, daß eine h e i ß g e s ä t t i g t e L ö s u n g d e s R o h p r o d u k t s in einem geeigneten Lösungsmittel hergestellt wird, aus der beim E r k a l t e n die Substanz in reinerer Beschaffenheit wieder auskristallisiert. Voraussetzung für den Erfolg des Verfahrens ist, daß die Begleitstoffe größere Löslichkeit haben als die Substanz selbst, also auch in der erkalteten Lösung (der M u t t e r l a u g e ) gelöst bleiben. Auch im umgekehrten Sinne findet das Prinzip der verschiedenen Löslichkeit Anwendimg, dann nämlich, wenn das Nebenprodukt vermöge seiner geringeren Löslichkeit in einem passenden Lösungsmittel aus der eben gesättigten Lösung der Substanz abgetrennt werden kann. Da hierbei die Lösung für das Nebenprodukt stets gesättigt bleibt, so kann diese Methode, anders als die erste, niemals in e i n e r Operation zur reinen Substanz führen. Für die Umkristallisation aus heiß gesättigter Lösung ist weiter wichtig, daß die T e m p e r a t u r k u r v e d e r L ö s l i c h k e i t möglichst s t e i l verläuft, d. h. daß das Lösungsvermögen des Lösungsmittels mit

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steigender Temperatur stark zunimmt. Nur dann ist es erreichbar, die eingesetzte Substanzmenge in möglichst hoher A u s b e u t e aus der Lösung herauszuholen. Die Wahl des richtigen Lösungsmittels ist daher für die Prozedur des Umkristallisierens von großer Bedeutung. Die gebräuchlichsten Lösungsmittel sind die folgenden: Wasser, Ä t h y l a l k o h o l , Methylalkohol, Äther, A c e t o n , E i s e s s i g , E s s i g e s t e r , Benzol, P e t r o l ä t h e r , Chloroform, Schwefelkohlenstoff, in neuerer Zeit auch T e t r a h y d r o f u r a n , Methylenchlorid, N - D i m e t h y l f o r m a m i d . Für besonders schwer lösliche S u b s t a n z e n werden außerdem A m e i s e n s ä u r e , P y r i d i n , B r o m b e n z o l , N i t r o b e n z o l , mitunter auch Phenol, B e n z o e s ä u r e e s t e r , Anilin, D i o x a n verwendet. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Konstitution des zu lösenden Stoffs und der vom Solvens, gemäß dem alten Prinzip : similia similibus solvuntur. So sind bekanntlich hydroxylhaltige Stoffe (ζ. B. Zucker, Carbonsäuren) in Wasser löslich, Kohlenwasserstoffe leichter in Benzol und Petroläther als ζ. B. in Alkoholen. Aber der obige Satz gilt im allgemeinen nur für einfache organische Verbindungen mit einiger Sicherheit, bei komplizierten ergeben sich verwickeitere Verhältnisse, und man ist, wenn man nicht über eine große Erfahrung verfügt, genötigt, die vorhandenen Solventien der Reihe nach durchzuprüfen. Das meist benutzte ist der Alkohol, mit dem man in der Regel beginnt; dann kämen etwa Wasser, B e n z o l , P e t r o l ä t h e r an die Reihe. Man kann sagen, daß im großen und ganzen von den gebräuchlichen Lösungsmitteln Benzol, Chloroform und Äther ein sehr großes, P e t r o l ä t h e r und Wasser ein mäßiges Lösungsvermögen für organische Stoffe besitzen. Obwohl die Gültigkeit dieser Ordnung von vielen Substanzen durchbrochen wird, gibt sie doch für die Prüfung einen gewissen Anhalt. So wird man, wenn die Probe in Alkohol zu schwer löslich ist, nach der ersten Gruppe, wenn sie zu leicht löslich ist, nach der zweiten greifen. Bei schwer löslichen Stoffen wählt man häufig ein höher siedendes Homologes der gleichen Klasse, an Stelle des niederen Alkohols P r o p y l alkohol oder Amylalkohol, an Stelle von Benzol Toluol oder X y l o l , weil durch die erhöhte Siedetemperatur auch die Löslichkeit gesteigert wird. Es kommt sehr häufig vor, daß die Darstellung einer Substanz zu einem amorphen Rohprodukt führt, teils von harzartiger, teils von flockiger Beschaffenheit, das durch Digerieren mit einem geeigneten Lösungsmittel oder auch durch direktes U m k r i s t a l l i s i e r e n kristallinisch wird. Man beachte, daß die Löslichkeit eines und desselben Stoffes im amorphen und kristallisierten Zustand durchaus verschieden ist, und zwar i s t das amorphe P r ä p a r a t s t e t s viel leichter löslich.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Für Salze gilt ganz allgemein, daß sie in Wasser leicht, wohl auch in den Alkoholen, Aceton und Chloroform löslich sind, dagegen von Ä t h e r , B e n z o l , P e t r o l ä t h e r nicht aufgenommen werden. Infolgedessen kann man organische Säuren durch wäßrige Laugen, organische B a s e n durch wäßrige Säuren aus einem Gemisch mit n e u t r a l e n S t o f f e n , ζ. B. in Äther, herausholen. Die K o m b i n a t i o n v e r s c h i e d e n e r L ö s u n g s m i t t e l bildet ein wertvolles Hilfsmittel zur Reinigung, wenn ein Stoff in keinem Solvens die erforderliche mittlere Löslichkeit besitzt, sondern entweder allzu leicht oder allzu schwer löslich ist. Die Lösungsmittel, die gemeinsam verwendet werden, müssen miteinander mischbar sein. Es kommen meist in Anwendung: Alkohol, Eisessig, Aceton mit W a s s e r — Äther, Aceton, Benzol, Chloroform mit P e t r o l ä t h e r — Pyridin mit W a s s e r , Ä t h e r oder Alkohol, und zwar verfährt man so, daß man die konz. Lösung, kalt oder heiß, tropfenweise mit dem Verdünnungsmittel versetzt, bis eben eine Trübung k o m m t , die durch Stehenlassen oder R e i b e n mit einem abgeschmolzenen Glasstab zur Kristallisation angeregt wird. Wenn die Kristallisation eingesetzt hat, wird v o r s i c h t i g weiter verdünnt. Es ist fehlerhaft, die gelöste Substanz auf einmal mit großen Mengen des wenig lösenden Mittels auszufällen. B e i allen Operationen, die man noch n i c h t in der Hand h a t , führe man V o r v e r s u c h e im R e a g i e r g l a s aus. Daran soll sich der Praktikant von allem Anfang an gewöhnen. Als Aufnahmegefäß für das Filtrat dient bei wäßrigen Lösungen das B e c h e r g l a s , bei organischen Lösungsmitteln aber der E r l e n m e y e r k o Iben, der keine Verdunstung zuläßt und so das Ansetzen von Krusten verhindert. Schon um die Einheitlichkeit des Kristallisats durch den Anblick kontrollieren zu können, soll die Kristallisation nicht gestört werden, damit möglichst gut a u s g e b i l d e t e K r i s t a l l e entstehen. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß eine durch sofortige starke Abkühlung der Lösung erzeugte feine Kristallisation eine besonders reine Substanz darstelle. Durch die sehr große Oberfläche ist im Gegenteil der Adsorption von N e b e n p r o d u k t e n weit mehr Gelegenheit geboten, als bei der Ausbildung größerer Individuen. Dazu kommt, daß dem für den Organiker unerläßlichen Gebot der Prüfung einer Substanz auf E i n h e i t l i c h k e i t bei gut ausgebildeten Kristallen viel leichter Genüge getan werden kann. Diese Prüfung der Präparate, sei es mit der Lupe, sei es unter dem Mikroskop — 50- bis 100-fache Vergrößerung ist ausreichend — ist nicht außer acht zu lassen. Ist in der Lösung Sättigung bei Raumtemperatur eingetreten, so kann man die Menge des Kristallisats durch Einstellen des Gefäßes in Eiswasser oder in eine Kältemischung noch weiter steigern.

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N i e d r i g s c h m e l z e n d e S u b s t a n z e n scheiden sich beim Abkühlen ihrer heiß gesättigten Lösung bisweilen in ö l i g e r F o r m a b . Dann muß die Lösung noch etwas verdünnt werden. Weiter sorgt man in solchen Fällen für l a n g s a m e Abkühlung dadurch, daß man den Kolben mit der heißen Lösung mit einem Tuch umwickelt oder in einem großen, mit Wasser von der gleichen Temperatur gefüllten Becherglas erkalten läßt. Von Stoffen, die schwierig kristallisieren, halte man stets eine kleine Probe zur Verwendung als „ I m p f k r i s t a l l e " zurück. Mit ihrer Hilfe wird man der eben erwähnten Schwierigkeiten bequem Herr, indem man sie in die noch nicht ganz kalt gewordene Lösung unter Reiben mit einem Glasstab einbringt. Z u r A u s f ü h r u n g : Um eine heiß gesättigte Lösung zu bereiten, übergießt man die zu reinigende Substanz, am besten in einem kurzhalsigen Rundkolben, mit w e n i g Lösungsmittel, erhitzt zum Sieden und fügt nach und nach mehr davon zu, bis alles sich aufgelöst hat. Da in den rohen Substanzen vielfach unlösliche Beimengungen enthalten sind, beobachte man beim Auflösen genau, wann und ob die umzukristallisierende Verbindung vollständig in Lösung gegangen ist. Zu langes Kochen ist wegen der Zersetzlichkeit vieler J Substanzen zu vermeiden. Bei Benutzung von LösungsFig. 2 mitteln, die unter 80° sieden, erhitzt man am Rückflußkühler auf siedendem Wasser bad ; das hinzuzufügende Lösungsmittel kann mit einem Trichter durch den Kühler eingegossen werden. Besser bringt man, namentlich bei größeren Operationen, auf dem Kolben einen D o p p e l r o h r - A u f s a t z (nach A n s c h ü t z ) an (Fig. 28, S. 36), der ein bequemes Nachgießen, in andern Fällen auch Einbringen fester Substanzen gestattet. Das im Winkel angebrachte Rohr ist mit dem schräg gestellten Kühler verbunden, das gerade Rohrende, durch das nachgefüllt wird, durch einen Korkstopfen geschlossen. Wasser und andere, höher als 80° siedende Lösungsmittel werden am zweckmäßigsten auf Asbestunterlage im Baboschen T r i c h t e r oder auf dem A s b e s t d r a h t n e t z erhitzt. Liegt der Siedepunkt beträchtlich ( > 20°) über dem des Wassers, so muß der Kühler wegen Bruchgefahr mit e r w ä r m t e m Wasser gespeist oder durch ein w e i t e s u n d l a n g e s G l a s r o h r ( L u f t k ü h l e r ) ersetzt werden, auf das man bei Bedarf feuchtes Filtrierpapier auflegt. Für Reagenzglasversuche unter Rückfluß ist der sog. „ K ü h l z a p f e n " äußerst bequem (Fig. 2). Er besteht aus einem etwa 15 cm langen Glasrohr von 6—8 mm lichter Weite, das an einem Ende zugeschmolzen ist. Ungefähr 3 cm vom anderen Ende entfernt ist ein 3 cm langes dünneres Rohr im rechten Winkel angeschmolzen und — zum Aufhängen des Kühlers an einem Eisenring — nach der längeren Seite zu abgebogen, das durch einen

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

dünnen Schlauch, das Kühlwasser ableitet. Dessen Zuführung erfolgt durch ein dünnes, mit einem Stückchen überzogenen Schlauches in das Kühlrohr eingesetztes, ebenfalls abgebogenes Glasrohr, das bis zum Boden reicht. Dieser handliche Kühler wird durch einen mit Kerbe versehenen Kork auf dem Reagenzglas befestigt. Zur Vermeidung des sehr lästigen S i e d e v e r z u g s gibt man v o r dem Aufkochen einige S i e d e s t e i n c h e n — etwa halberbsengroße Tonstückchen — in den Kolben, die man, wenn sie unwirksam geworden sind, durch neue ersetzt (nicht in die überhitzte Lösung einwerfen!). Bei starkem Stoßen sind für größere Ansätze Holzstäbe zu empfehlen. U m g e f ä r b t e V e r u n r e i n i g u n g e n , die oft einer farblosen Substanz zähe anhaften, zu beseitigen, kocht man die heiß gesättigte Lösung mit einigen Messerspitzen T i e r k o h l e oder eigens präparierter H o l z k o h l e kurze Zeit weiter. Da die aus der Kohle entweichende Luft ein heftiges Aufschäumen verursacht, muß das Eintragen v o r s i c h t i g und unter Umschütteln erfolgen. Aus wäßriger oder alkoholischer Lösung werden die gefärbten Begleitstoffe wegen ihres kolloidalen Charakters am leichtesten adsorbiert. I m unpolaren Lösungsmittel pflegt Kohle als Adsorbens unwirksam zu sein; hier bedient man sich zur Entfernung färbender Verunreinigungen mit Vorteil des Aluminiumoxyds oder der Bleicherde ; die Methodik entspricht der der chromatographischen Adsorption (S. 14). F i l t r i e r e n : Die Kristallisationslösungen sind, auch wenn sie nicht mit Entfarbungskohle behandelt wurden, nicht völlig klar und müssen deshalb filtriert werden. Dem F a l t e n f i l t e r ist im allgemeinen ein gewöhnliches R u n d f i I t e r vorzuziehen, das man in den meist nicht im genauen Winkel angesetzten Glastrichter dadurch dicht einpaßt, daß man bei der letzten Faltung die Quadranten unter einem kleineren Winkel zusammenlegt und dann den größeren Kegelmantel zum Filtrieren benutzt. Als F i l t r i e r p a p i e r ist beim organisch-präparativen Arbeiten nur l e i c h t d u r c h l ä s s i g e s , „ g e n a r b t e s " , brauchbar. Häufig kristallisiert die gelöste Substanz, namentlich aus sehr konzentrierter Lösung, infolge der Abkühlung schon im Trichter aus und verhindert so die Ausführung der Filtration. Diesem Mißstand kann man durch Anwendung eines Trichters mit kurz —1 cm) unterhalb des Konus abgeschnittenem Abflußrohr (Fig. 3) einigermaßen begegnen. Viel empfehlenswerter aber ist die Benutzung eines sog. H e i ß w a s s e r t r i c h t e r s (Fig. 4), in dem die Filtrierfläche des Trichters durch siedendes Wasser vom äußeren Blechmantel aus erhitzt wird. Bei Anwendung entzündlicher Lösungsmittel muß vor dem Filtrieren die Heizflamme abgedreht werden. Der D a m p f t r i c h t e r (gemäß Fig. 5) ist ebenfalls gut brauchbar. Hat man nur kleine Flüssigkeitsmengen zu filtrieren, so kann man den leeren Trichter über freier Flamme vorwärmen oder man befeuchtet das eingelegte Filter mit etwas Alkohol, den man anzündet und bei horizontal gehaltenem Trichter unter Drehen bis zur

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beginnenden Ankohlung des Papiers abbrennen läßt. Zum Heißfiltrieren haben sieh doppelwandige Porzellannutschen, die mit Dampf geheizt werden, als besonders bequem erwiesen. Manchmal, namentlich bei schwer filtrierbaren wäßrigen Lösungen, empfiehlt sich auch Durchsaugen auf einer P o r z e l l a n n u t s c h e mit vorher gut gedichtetem Filter; Saugflaschen aus gewöhnlichem Glas müssen vor der Benutzung vorsichtig angewärmt werden, am besten derart, daß man sie in einen Emailtopf mit warmem Wasser einstellt und dieses dann bis zum Sieden erhitzt.

Fig. 5 Fig. 3 Fig. 4 Wenn sich beim Filtrieren einer Lösung durch Auskristallisieren von Substanz das Filter verstopft, so helfe man sich nicht durch Durchstoßen des Filters. Man kocht vielmehr das aufrecht stehende Filter in einem kleinen Becherglas mit frischem Lösungsmittel aus und filtriert dann die verdünntere Lösung durch das gleiche Filter. Die Gesamtlösung muß in solchen Fällen meist durch Einengen konzentriert werden.

Will man beim Umkristallisieren s c h ö n e K r i s t a l l e erzielen, so muß das Filtrat, in dem häufig schon während des Filtrierens eine Ausscheidung erfolgt, wieder bis zur klaren Lösung erhitzt und dann l a n g s a m , ohne äußere Störung, erkalten gelassen werden. Die Isolierung der Kristalle wird in keinem Falle durch gewöhnliches Filtrieren, sondern s t e t s durch A b s a u g e n über Filtrierpapier — bei starken Laugen und Säuren auch über Glaswolle oder Asbest, am besten über S c h o t t sehen Filtern aus gefrittetem Glas — bewerkstelligt. Bei größeren Substanzmengen bedient man sich des B ü c h n e r schen T r i c h t e r s , der sog. N u t s c h e (Fig. 6), deren Dimension zu der abzusaugenden Masse in das richtige Verhältnis zu bringen ist. Es ist durchaus verkehrt, einige Gramm Substanz auf einer Nutsche von sechs oder mehr Zentimeter Durchmesser abzusaugen. Der Porzellannutsche ist in vielen Fällen, namentlich dann, wenn kleinere Mengen (5 g oder weniger) abzusaugen sind, die W i t t sehe F i l t e r p l a t t e vorzuziehen (Fig. 7). Der Vorteil besteht darin, daß die Reinheit des Geräts viel besser kontrollierbar ist, als bei der nicht durchsichtigen Porzellannutsche, vor allem aber darin, daß wegen der viel kleineren Grundfläche das Auswaschen des Niederschlags weit weniger Lösungsmittel erfordert.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Zur Herrichtung des Filters wird ein kleines Stückchen Filtrierpapier um die obere Kante der Filterplatte herumgeknickt und dann eine Scheibe von 2—3 mm größerem Halbmesser mit der Schere herausgeschnitten. Man dichtet das mit dem Lösungsmittel befeuchtete Filter mit einem abgerundeten Glasstab, oder bei größeren Platten mit dem Fingernagel, indem man die kleinen Falten ausstreicht.

Fig. 6

Fie. 7

Hat man ganz k l e i n e S u b s t a n z m e n g e n von einigen Zentigramm oder weniger zu filtrieren, so benutzt man als Filtrierunterlage k l e i n e G l a s s c h e i b e n von 0,5—1 cm Durchmesser, die man aus dünnen Glasstäben in der Weise darstellt, daß man diese am äußeren Ende in der Gebläseflamme zum Erweichen bringt und jetzt auf einem Eisenblech oder Tonteller plattdrückt ( D i e p o l d e r ) . Der Glasstab muß so dünn und so lang sein, daß er in das Rohr eines ganz kleinen Trichters hineinpaßt und unten hinausragt. Als Filtrierauflage dient eine etwas größere, dicht aufsitzende Scheibe von Filtrierpapier (Fig. 8). Um die abgesaugte Substanz von der Filterplatte zu entfernen, stellt man den Trichter umgekehrt über eine Schale oder ein Uhrglas und befördert mit einem dünnen Glasstab oder Kupferdraht alles auf diese Unterlage; der „Glasknopf" wird von seinem unteren Ende aus heraus_ geschoben. Die Platte wird mit der Pinzette entfernt, das _ Filter erst nach dem Trocknen. Die am Trichter haften bleibende Substanz streicht man ohne Verlust mit einem schräg durchschnittenen Stückchen Karton (Kartenblatt) heraus.

Ein rascheres Arbeiten ermöglichen konische Porzellantrichter ( H i r s c h - T r i c h t e r ) oder Glastrichter mit eingeschmolzener durchlochter Filterplatte aus Glas mit einem Durchmesser von einigen Fig.8 cm bis zu wenigen mm. Zur Aufnahme des Filtrats beim Absaugen dient die S a u g f i a s c h e , deren Größe dem Volumen der Lösung anzupassen ist. Zum Filtrieren im kleinen Maßstab wird das auch sonst sehr nützliche S a u g r ö h r c h e n (Fig. 8) von verschiedener Größe herangezogen. Es steht in einem Blei-

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f u ß oder in einem kleinen, mit Bohrungen für mehrere Durchmesser versehenen Holzblock. Bei der großen methodischen Bedeutung der Darstellung analysenreiner Substanzen muß schon der organische Praktikant der Technik des Filtrierens die größte Aufmerksamkeit zuwenden. Das Verfahren, eine Kristallisation samt der Mutterlauge auf Ton aufzugießen und die Kristalle nachzuwaschen, ist nachdrücklich zu verwerfen. Überhaupt sollte der Sinn des Anfängers darauf gerichtet werden, schon bei der Darstellung organischer Präparate m ö g l i c h s t q u a n t i t a t i v zu arbeiten. Nicht die Anzahl der Präparate gibt den Ausschlag für den Erfolg, sondern die Sorgfalt und Gründlichkeit, mit der jede einzelne Reaktion durchgeführt wird. Aus diesen Gründen darf die „ M u t t e r l a u g e " nicht als Abfall behandelt und vernachlässigt werden. Ihre Bedeutung wird zwar erst dem wissenschaftlich arbeitenden Organiker klar, aber auch der präparative Anfänger soll aus ihr herausholen, was für seine Zwecke aus ihr herauszuholen ist Darum werden die Filtrate durch Wegdampfen von einem Teil des Lösungsmittels wieder in (kalt) übersättigte Lösungen übergeführt und so eine z w e i t e K r i s t a l l i s a t i o n erzielt, der unter Umständen noch eine weitere nachfolgen kann. I n der Regel müssen die so gewonnenen Kristallisate nochmals aus neuem Lösungsmittel umkristallisiert werden (Kontrolle durch Schmelzpunkt!). Über das A u s w a s c h e n der kristallisierten Niederschläge, das ihre Befreiung von der anhaftenden Mutterlauge zum Zweck hat, ist noch einiges zu sagen. Stets ist das angewandte Lösungsmittel zu benutzen, und zwar, da sein Lösungsvermögen für die Substanz auch in der Kälte schon zu mehr oder weniger großen Verlusten führt, i n m ö g l i c h s t g e r i n g e r M e n g e . Während des Nachwaschens darf nicht gesaugt werden; man durchtränkt den Niederschlag mit dem Lösungsmittel und setzt dann erst die Pumpe an. Es ist zweckmäßig, die Woulfsche Flasche oder Saugflasche, die jeder Wasserstrahlpumpe vorgeschaltet sein muß, mit einem Regulierhahn zu versehen, der nicht nur eine bequeme Ausschaltung der Saugwirkung, sondern auch eine in vielen Fällen notwendige Veränderung des Unterdrucks gestattet.

Bei Stoffen, die schon in der Kälte leicht löslich sind, muß das zum Waschen verwendete Lösungsmittel in einer Kältemischung vorgekühlt werden. Solange noch Mutterlauge an den Kristallen haftet, darf man durch den von tropfbarer Lauge befreiten Niederschlag k e i n e L u f t saugen, wenn leicht flüchtige Lösungsmittel in Anwendung sind. Es kommt sonst auch der unreine Inhalt der Mutterlauge zur Ausscheidung, und es besteht, namentlich bei leicht löslichen Substanzen, keine Sicherheit, daß die Verunreinigungen beim Nachwaschen wieder vollständig entfernt werden.

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Geringe S u b s t a n z m e n g e n w e r d e n d u r c h A u f t r o p f e n d e s Lösungsm i t t e l s ausgewaschen. D a z u d i e n t ein sog. T r o p f r o h r (Fig. 9), d a s i s t ein zu einer n i c h t zu d ü n n e n Capillare ausgezogenes Glasrohr, d a s a u c h bei A u s f ü h r u n g v o n vielen R e a k t i o n e n sehr n ü t z l i c h ist u n d d e n Sinn f ü r sauberes A r b e i t e n f ö r d e r t . Der häufig zu beobachtende Brauch, Substanzen dadurch zu „reinigen' daß man ihre Lösung in einer Kristallisierschale zur Trockne verdampft oder eindunsten läßt, führt naturgemäß n i c h t zum Ziel, da ja auf diesem Weg die Verunreinigungen nicht entfernt werden. K l e i n e Mengen schwer f i l t r i e r b a r e r Niederschläge lassen sich m i t H i l f e einer kleinen H a n d z e n t r i f u g e b e q u e m u n d rasch abtrennen. Trocknen der Substanzen: E i n reines P r ä p a r a t m u ß v o m anhaftenden Lösungsmittel vollkommen befreit werden. Man t r o c k n e t u n e m p f i n d l i c h e S u b s t a n z e n a m b e q u e m s t e n zwischen F i l t r i e r p a p i e r a u f s a u b e r e r U n t e r l a g e bei Z i m m e r t e m p e r a t u r , i n d e m m a n sie 1 o d e r 2 T a g e a n der L u f t s t e h e n l ä ß t . H o c h schmelzende S u b s t a n z e n w e r d e n r a s c h e r i m T r o c k e n s c h r a n k oder a u f d e m W a s s e r b a d v o m L ö s u n g s m i t t e l b e f r e i t ; j e d o c h m u ß dies s t e t s m i t einiger Vorsicht geschehen. y •p.

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D i e sicherste — f ü r A n a l y s e n p r ä p a r a t e allein a n w e n d b a r e — M e t h o d e ist die T r o c k n u n g i m Y a k u u m e x s i c c a t o r , d e r m i t k o n z . Schwefelsäure beschickt ist. D a s a l t e S c h e i b l e r s c h e Modell h a l t e n wir f ü r d a s z w e c k m ä ß i g s t e .

Die Konsistenz des F e t t e s ist f ü r die Dichtung des Deckelschliffes sehr wichtig; am besten eignet sich a d e p s l a n a e a n h y d r i c u s oder ein Gemisch aus gleichen Teilen R i n d e r f e t t und V a s e l i n e . Das (rundgeschmolzene) Rohr mit dem Abschlußhahn wird, mit etwas G l y c e r i n befeuchtet, in den vorher in den Tubus eingesetzten Gummistopfen hineingeschoben; die Führung muß streng sein. Den E i n s a t z bildet eine, auf drei niedere Füße aufgeschmolzene Porzellanplatte mit mehreren kreisrunden Öffnungen zur Aufnahme von kleinen Schalen, Uhrgläsern u. dgl. Um das Hin- und Herrutschen des Einsatzes zu verhindern, ist der Zwischenraum zur Exsiccatorwand mit drei entsprechend zugeschnittenen Korkstücken ausgefüllt, die fest ansitzen. Damit beim Aufheben des Vakuums durch die hereinblasende Luft keine Substanz verstäubt wird, stellt man vor dem Tubus, durch den Einsatz festgehalten, ein Blatt steifen Karton, ein Kartenblatt o. dgl. auf. Den Zug der einströmenden Luft mildert man überdies dadurch, daß man ein Stückchen Filtrierpapier vor dem öffnen des Hahns an die äußere Rohröffnung hält, das dann angesaugt wird und einen ausreichenden Widerstand bildet. Um die einströmende Luft zu trocknen, ist dem Hahnrohr außen ein gerades C a l c i u m c h l o r i d r o h r aufgesetzt, dessen Inhalt durch Glaswolle oder besser Watte nach beiden Seiten gut gesichert sein muß. In Exsiccatoren, die viel umhergetragen werden, füllt man den Schwefelsäurebehälter bis zur Standhöhe der Säure mit G l a s r e s t e n — zerbrochenen Rohrstücken, Stopfen u. dgl. — oder (vorher mit verdünnter Salzsäure ausgekochten und dann getrockneten) Bimssteiustücken, wodurch ein Spritzen hintangehalten wird. Die konz. Schwefelsäure ist von Zeit zu Zeit zu erneuern. Für a n a l y t i s c h e Z w e c k e muß ein besonderer Vakuumexsiccator bereit stehen.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Zur Verstärkung der Trockenwirkung, namentlich gegenüber Wasser, stellt man auf den Einsatz eine kleine, mit festem technischen Ä t z k a l i gefüllte Schale. Die meisten Lösungsmittel, außer C h l o r o f o r m , B e n z o l , P e t r o l ä t h e r und S c h w e f e l k o h l e n s t o f f , werden von dieser Beschickung absorbiert. Um Substanzen von diesen vier Solventien zu befreien, bringt man dünne P a r a f f i n s c h n i t z e l in einer flachen Schale neben die Substanz in den Exsiccator, falls ihre Eigenschaften das Trocknen an der Luft verbieten.

Fig. 10

Man mache sich zur Regel, keinen Vakuumexsiccator zu benutzen, der nicht über Nacht das v o l l e Vakuum hält (Prüfung mit Manometer). Es genügt so, einmal zu evakuieren und über Nacht stehen zu lassen. Das stundenlange Saugen an der Pumpe ist unnütze Wasserverschwendung. Manche Substanzen enthalten Wasser oder andere Lösungsmittel so fest gebunden, daß sie im Vakuum bei Raumtemperatur nicht davon befreit werden können. Man trocknet dann im Vakuum bei erhöhter Temperatur, indem man die Substanz in einem kleinen Rundkolben im Wasserbad oder Ölbad so lange erhitzt, bis keine Gewichtsabnahme mehr erfolgt. Besonders bequem ist die sog. Trockenp i s t o l e (Fig. 10). Die Dämpfe der in A zum Sieden erhitzten Flüssigkeit heizen das innere, weite Rohr Β mit der auf einem Porzellanschiffchen ausgebreiteten Substanz. In C befindet sich ein T r o c k e n m i t t e l , und zwar für Wasser und Alkohole P 2 0 5 , für andere Dämpfe f e s t e s Paraffin. Als H e i z f l ü s s i g k e i t verwendet man je nach der gewünschten Temperatur Chloroform (66°), Wasser (100°), Toluol (1110), X y l o l (140°).

Für das Trocknen kleinerer Substanzmengen ist der auf S. 48 abgebildete K u p f e r - T r o c k e n b l o c k sehr zu empfehlen. Hat man aus schwer flüchtigen Lösungsmitteln, wie Eisessig, Xylol, hochsiedendem Petroläther, Nitrobenzol u. dgl. umkristallisiert, so wasche man vor dem Trocknen mit einem leichter entfernbaren, wie Äther, Benzol, Gasolin, das erstere weg. Im allgemeinen wird eine in

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Eisessig oder Nitrobenzol schwer lösliche Substanz auch von Äther nicht leicht gelöst. Sehr fein verteilte Niederschläge und auch solche, die die Filterporen verstopfen, werden mit Hilfe einer Z e n t r i f u g e von der flüssigen Phase abgetrennt. Chromatographische Adsorption 1 So bezeichnet man ein weiteres sehr wirksames Reinigungsverfahren, das auf der unterschiedlichen Affinität der Komponenten eines gelösten Stoffgemischs zu den Oberflächen bestimmter pulvriger Adsorptionsmittel, wie Tonerde (standardisiert nach B r o c k m a n n ) , Bleicherde, Silicagel, Magnesiumoxyd, Calciumoxyd, Calciumcarbonat, Zucker, Stärke u. a. beruht. F ü r jeden Stoff stellt sich an der adsorbierenden Oberfläche ein charakteristisches G l e i c h g e w i c h t zwischen der Konzentration im Lösungsmittel und am Adsorbens ein. Bringt man die Lösung eines Stoffgemisches auf das obere Ende einer Säule, die aus einem vertikal stehenden, mit dem porösen Adsorptionsmittel gefüllten Glasrohr besteht, läßt eben einsickern und wäscht dann mit einem geeigneten Lösungsmittel, evtl. unter schwachem Saugen durch (bei leicht verdunstenden Flüssigkeiten empfiehlt sich die Anwendung eines schwachen Überdrucks), so wandern alle Stoffe als Zonen nach unten, und zwar diejenigen, die im Adsorptions-Gleichgewicht das Lösungsmittel bevorzugen mit größerer Geschwindigkeit als jene mit größerer A f f i n i t ä t zum Adsorbens. Diese Aufteilung in Zonen der reinen Stoffe läßt sich bei gefärbten Substanzen direkt, bei manchen anderen an der Fluoreszenz, im ultravioletten Licht beobachten. Man kann nun die Operation abbrechen, wenn auf der Säule die Zonen genügend weit voneinander gewandert sind und dann das „Chromatogramm" aus dem Glasrohr herausstoßen, mechanisch zerlegen und die Stoffe mit geeigneten Lösungsmitteln „eluieren". Wir bringen ein charakteristisches Beispiel f ü r diese Methode beim Chlorophyll (S. 358). Eine andere Möglichkeit, die man vor allem bei farblosen Stoffen häufig anwendet, besteht darin, daß man den aus der Säule kontinuierlich abtropfenden Durchlauf in vielen Portionen „fraktioniert" auffängt und so die Komponenten rein gewinnt. Dabei empfiehlt es sich nach und nach der Waschflüssigkeit immer größere Mengen eines s t a r k eluierenden Mittels, wie Alkohol, Methanol oder Wasser zuzusetzen. Neuerdings hat die Verwendung von Filtrierpapier als Adsorptionsmittel ( P a p i e r c h r o m a t o g r a p h i e 2 ) namentlich bei biochemischen Arbeiten eine ausgedehnte Verwendung gefunden. Das Prinzip desVerfahrens besteht darin, daß man einen Tropfen der Lösung eines· 1 M. Tswett, Ber. d. dtsch. bot. Ges. 24, 234, 361, 384 (1906). Näheres über die Ausarbeitung der Methode findet man bei Gerhard Hesse, „Adsorptionsmethoden im chemischen Laboratorium", Verlag W. de Gruyter & Co., Berlin» Consden, Gordon und Martin, Biochem. J.38, 224 (1944).

Reindarstellung organischer Substanzen

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Substanzgemisches auf einem Streifen Filtrierpapier eintrocknen und dann ein organisches, meist wasserhaltiges Lösungsmittel sich kapillar darüber hinwegbewegen läßt. Dabei werden die Bestandteile verschieden schnell mitgenommen, so daß sie sich am Ende der Operation an verschiedenen Stellen des Papiers befinden, wo sie durch spezifische Farbreaktionen als Flecken nachgewiesen werden. Ein Beispiel findet man auf S. 342. Destillation Bei der Reinigung durch D e s t i l l a t i o n wird die Substanz im Dampfzustand weggeführt und durch Abkühlung an andrer Stelle wieder in den flüssigen oder festen Aggregatzustand gebracht. Voraussetzung für die Anwendung dieser Reinigungsmethode ist die Beständigkeit des Stoffes bei seiner Siedetemperatur. Diese kann erniedrigt werden durch V e r d a m p f u n g i m Vak u u m , und zwar sinkt der Siedepunkt im üblichen Vakuum der Wasserstrahlpumpe (12 mm) gegenüber dem bei Atmosphärendruck im Durchschnitt um 100 bis 120°. Bei Stoffen, die unter gewöhnlichem Druck oberhalb 250° sieden, erhöht sich dieser Unterschied. Daher können sehr häufig Substanzen, die sich schon unterhalb ihres normalen Siedepunktes zersetzen, durch Destillation im Vakuum gereinigt werden, da sie so einer weit niedrigeren Temperatur ausgesetzt sind. Einfach zusammengesetzte, vor allem auch leicht flüchtige Substanzen, wie Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ester, die niederen Säuren, Amine u. dgl. destilliert man unter Atmosphärendruck. Bei allen zersetzliehen Stoffen, auch bei besonders hoch siedenden, nimmt man die Destillation unter Unterdruck vor. Bei festen kristallisierten Körpern wird man im allgemeinen den Weg der Destillation nur dann beschreiten, wenn die Reinigung durch Kristallisation wegen allzu großer Löslichkeit oder aus anderen Gründen nicht zum Ziel führt. Die Möglichkeit der Destillation (ohne Zersetzung) muß natürlich in jedem Fall vorher feststehen. Die Destillation, sei es unter Atmosphärendruck oder im Vakuum, dient nicht nur zur Abtrennung des rein darzustellenden Produkts von nicht flüchtigen Beimengungen, sondern auch zur Scheidung von Gemischen flüchtiger Stoffe auf Grund ihres verschiedenen Dampfdrucks und damit Siedepunkts ( f r a k t i o n i e r t e D e s t i l l a t i o n ) .

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Destillation bei Atmosphärendruck: Als Destillationsgefäß dient der einfache F r a k t i o n i e r k o l b e n mit abwärts geneigtem Kondensations rohr (Fig. 11), das im allgemeinen bei leicht siedenden Flüssigkeiten hoch, bei höher siedenden tief, d. h. näher bei der Kugel, angesetzt sein soll. Das T h e r m o m e t e r ist durch einen reinen durchbohrten Kork mit dem Kolben verbunden ; die Quecksilberkugel muß vollständig von den Dämpfen der Substanz umspült werden, also kurz u n t e r h a l b d e s A n s a t z r o h r e s stehen. Da die gewöhnlichen Laboratoriumsthermometer häufig ungenau sind, müssen sie vor dem Gebrauch mit einem N o r m a l t h e r m o m e t e r verglichen werden. Am genauesten wird die Eichung, wenn man die beiden Thermometer nebeneinander in konz. Schwefelsäure oder Paraffin auf 250° bringt und dann die Abkühlungstemperaturen von 10 zu 10° beobachtet und aufschreibt. Thermometer für Destillationen sollen eine kleine Kugel haben, damit die Temperatureinstellung rasch erfolgt

Die Größe des Destillierkolbens ist so zu wählen, daß die Kugel von der Flüssigkeit zur Hälfte bis zu zwei Drittel erfüllt ist. Um Siedeverzug und damit Überhitzung zu vermeiden, bringt man einige kleine, halberbsengroße Tonstückchen ( S i e d e s t e i n e ) vor jeder Destillation in den Siedekolben. Sie müssen bei dennoch eintretendem Siedeverzug erneut eingetragen werden, jedoch nicht in die überhitzte Flüssigkeit, sondern erst nach kurzer Abkühlung. Der Kolben wird oberhalb des Ansatzrohrs in eine mit Kork ausgekleidete Klammer eingespannt. Heizquellen: Flüssigkeiten, die nicht höher als 80° sieden, werden im W a s s e r b a d erwärmt (Emailtopf oder Becherglas); d i e T e m p e r a t u r d e s H e i z b a d e s soll u n g e f ä h r 20° ü b e r d e m S i e d e p u n k t d e r S u b s t a n z liegen. Die Einhaltung der richtigen Heiztemperatur ist von großer Bedeutung, da bei zu großer Steigerung derselben infolge von Überhitzung zu hohe Siedepunkte des Destillats gefunden werden. Bei höher siedenden Stoffen kann man für präparative Zwecke, wo ein Spielraum von einigen Graden für den Siedepunkt in Kauf genommen werden kann, meist die f r e i e , r u ß e n d e G a s f l a m m e benutzen, mit der der Kolben, anfangs vorsichtig, umfächelt wird ; auch Erhitzen auf dem B a b o t r i c h t e r oder auf dem D r a h t n e t z ist anwendbar. Bei wertvollen Substanzen und wenn Anspruch auf analytische Reinheit erhoben wird, auch dann, wenn aus Gründen der Beständigkeit der Substanz Überhitzung vermieden werden soll, wird man ein ö l - oder P a r a f f i n b a d vorziehen, für Temperaturen > 220° ein M e t a l l b a d aus Woodscher oder Rosescher Legierung oder die Schmelze von gleichen Teilen K a l i - und N a t r o n s a l p e t e r , beide in einem eisernen Tiegel.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Niedrig siedende Substanzen werden in einem Liebigschen K ü h l e r kondensiert, der mit Kork an das Ansatzrohr angeschlossen ist. Will man jeglichen Verlust durch Verflüchtigung vermeiden, so verbinde man das Kühlrohr durch einen sog. V o r s t o ß mit der als Vorlage dienenden Saugflasche, die durch Eis oder auch Kältegemisch gekühlt wird. Bei Flüssigkeiten, die um 100° sieden, genügt ein k u r z e r Kühler, und bei der Destillation geringer Mengen ist die Verwendung eines kleinen, dicht über das Ansatzrohr stülpbaren K ü h l m a n t e l s zur Einschränkung von Materialverlusten besonders ratsam. Ein solcher ist in Fig. 19 und 22 abgebildet. Bei Siedetemperaturen oberhalb 120° kühlt man im allgemeinen nicht mehr mit fließendem Wasser, weil das Kühlrohr bei der Berührung mit dem heißen Dampf leicht springen kann; hier dient das im Mantel stehende Wasser, das sich allmählich erwärmt, als Kühlflüssigkeit. Wenn der Siedepunkt 150° überschreitet, genügt bloße L u f t k ü h l u n g (weites Kühlrohr ohne Mantel). Substanzen, die nach der Kondensation rasch erstarren, dürfen niemals aus einem Fraktionierkolben mit engem Ansatzrohr destilliert werden; man kann zwar das Destillat im frei liegenden Rohr durch Anwärmen mit der Flamme wieder verflüssigen, aber die an den durch Korke oder andere Verbindungen gedeckten Stellen auftretenden Versperrungen sind oft kaum mehr zu öffnen und verursachen viel Zeitverlust und Ärger. Deshalb greift man sofort zu dem mit weitem Ansatz versehenen S c h w e r t - oder S ä b e l k o l b e n (Fig. 12), aus dem nach beendigter Destillation das Produkt mühelos, am besten durch H e r a u s s c h m e l z e n , entnommen werden kann. Die A u s f ü h r u n g e i n e r D e s t i l l a t i o n gestaltet sich normalerweise folgendermaßen : Nach allmählichem Erhitzen des Kolbeninhalts steigt unter den äußeren Erscheinungen des Siedens der Quecksilberfaden des Thermometers mit einem Male rasch in die Höhe, um bei einer bestimmten Temperatur, dem S i e d e p u n k t , haltzumachen. Hat sich diese Temperatur innerhalb eines Grades fest eingestellt, so vertauscht man die Vorlage — ein kleines weites Röhrchen oder dergleichen — mit dem „ V o r l a u f " gegen ein der zu erwartenden Substanzmenge angepaßtes Auffanggefäß (Erlenmeyer oder enghalsige Stöpselflasche mit aufgesetztem Trichterchen) und erhitzt weiter in dem Maße, daß alle 1—2 Sekunden ein Tropfen übergeht. Das Thermometer muß dauernd im Auge behalten werden. D i e S u b s t a n z soll im a l l g e m e i n e n i n d e r T e m p e r a t u r s p a n n e v o n n i c h t m e h r a l s 1—2 G r a d e n ü b e r g e h e n ; bei analytisch reinen Präparaten ist die Grenze enger zu 2

G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers.

36. Aufl.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

ziehen. Destilliert man mit freier Flamme, so steigt gegen das Ende hin der Siedepunkt wegen Überhitzung regelmäßig um ein paar Grade, obwohl noch reine Substanz übergeht. Erhöht sich der Siedepunkt schon früher über den angegebenen Bereich, so wird die Vorlage wiederum gewechselt und unter Fortsetzung der Destillation ein drittes Kondensat, der „ N a c h l a u f " , aufgefangen. Es ist zu beachten, daß im Vorlauf wie im Nachlauf noch Anteile des Hauptprodukts enthalten sind. Der Dampfdruck einer destillierbaren Substanz ist schon unterhalb des Siedepunktes so beträchtlich, daß mit den leichter flüchtigen Bestandteilen (gewöhnlich Reste von Lösungsmitteln) des ursprünglichen Destillationseinsatzes auch Dampf der Substanz übergeht. Andererseits steigt der Siedepunkt einer Substanz, wenn sie sich im Gemisch mit höher siedenden Stoffen befindet. So läßt sich Äther, der überaus häufig zur Aufnahme organischer Präparate verwendet wird, selbst auf dem siedenden Wasserbad nicht vollständig von einer viel weniger flüchtigen Substanz abtrennen, obwohl sein Siedepunkt schon bei 35° liegt. Ein anderes bekanntes Beispiel bildet die Benzolwäsche der Kokereien, auf das aber hier nicht näher eingegangen werden kann.

Daraus erklärt sich, daß auch der Nachlauf nicht frei ist von dem Hauptprodukt, und wenn Vorlauf und Nachlauf ansehnliche Mengen darstellen, so lohnt sich eine nach den angegebenen Regeln zu wiederholende getrennte Destillation dieser beiden Anteile. Die fraktionierte Destillation: Nicht so einfach wie im vorstehenden geschildert, liegen die Verhältnisse, wenn es sich darum handelt, m e h r e r e flüchtige Produkte einer Reaktion durch Destillation voneinander zu trennen. Die Aufgabe wird erschwert in dem Maße, als die Siedepunkte der einzelnen Bestandteile sich einander nähern, und es gelingt mit den üblichen Laboratoriumsmitteln schon nicht leicht, Substanzen mit einiger Schärfe voneinander zu scheiden, deren Siedepunkte sich um 10° unterscheiden. Der Weg, der hier in der größten Annäherung das Ziel erreichen läßt, ist der der mehrfachen Wiederholung des Destillationsprozesses. Sie kann bei niedrig siedenden Stoffen in e i n e r Operation vorgenommen werden durch Anwendung von sog. F r a k t i o n i e r a u f s ä t z e n , das sind Kondensationssysteme, die vor der endgültigen Kondensation in die Dampfphase eingeschaltet sind. Durch Luftkühlung wird in den einzelnen Abteilungen dieser Destillationsaufsätze, die verschiedenartig konstruiert sein können (ζ. B. Fig. 13), Dampf verflüssigt und der nachdrängende Dampf muß diese Kondensate, die in seiner Bahn liegen, durchströmen. Dabei werden seine weniger flüchtigen Bestandteile kondensiert, während die leichter flüchtigen am nächsten Glied des Aufsatzes das gleiche Spiel wiederholen. So kommt eine der Anzahl der Kugeln des Aufsatzes entsprechende Menge von Einzeldestillationen zustande, die bei v o r s i c h t i g e r u n d l a n g s a m e r Ausführung der Operation eine weit-

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gehende Trennung ermöglicht. Es eignen sich für diesen Zweck auch zylindrische Aufsätze, die regellos mit R a s c h i g - R i n g e n aus Glas, B e r i Sätteln oder noch besser mit Formstücken aus Drahtnetz oder Draht wendein angefüllt sind. Erwähnt sei auch die in Fig. 14 abgebildete „ W i d m e r - S p i r a l e " 1 , die in kleinerer Ausführung in das Lumen des Destillationskolbens eingesetzt werden kann und kleinere Substanzmengen der fraktionierten Destillation zugänglich macht.

1/ Fig. 13

Fig. 14

Die technische Anwendung des Prinzips der fraktionierten Destillation finden wir in der Spiritusfabrikation und in der auf dem gleichen Weg erfolgenden Isolierung der aromatischen Kohlenwasserstoffe aus dem Leichtöl des Steinkohlenteers. Eine kritische Zusammenstellung der im Laboratorium verwendeten FraktionierKolonnen findet man bei F. S t a g e , Ang. Ch. Β. 19, 175, 215 (1947).

Flüssigkeitsgemische von höherem Siedepunkt ( > 120°) trennt man in ihre Bestandteile, indem man sie zuerst durch Destillation in mehrere Fraktionen von ungefähr gleichem Siedepunktsintervall zerlegt; die einzelnen Destillate werden (in kleineren Siedekolben) durch Destillation erneut aufgeteilt, die in ihren Siedepunkten einander naheliegenden Fraktionen werden dann noch mehrere Male unter immer schärferer Einengung der Siedepunktsgrenzen fraktioniert überdestilliert.Will man, was sehr empfehlenswert, auch hier die obenerwähnte Widmer-Spirale benutzen, so muß der Aufsatz, in dem sie sitzt, mit Asbest gut isoliert werden. 1

Widmer, Helv. VII, 59 (1924).

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Nicht alle Gemische sind durch Destillation trennbar ; bisweilen bilden Stoffe, die bei verschiedenen Temperaturen sieden, konstant übergehende Destillate (azeotrope Gemische). Über die Theorie der fraktionierten Destillation unterrichte man sich genauer in den Lehrbüchern der physikalischen Chemie. Die Vakuumdestillation: Der organische Chemiker muß sich immer bewußt sein, daß fast alle Stoffe, mit denen er umgeht, vom Standpunkt der Thermodynamik aus m e t a s t a b i l sind. Die Einwirkung erhöhter Temperatur ist aber in allen Fällen der Einstellung der wahren Gleichgewichte — hier dem Zerfall — günstig und deshalb wird man es sich zweckmäßig zur Regel machen, seine Substanzen nicht unnötigerweise zu gefährden. Aus diesem Grunde gebührt der Destillation unter vermindertem Druck, wobei die Siedetemperatur um 100 und mehr Grade herabgesetzt werden kann, eine große Bedeutung beim organischen Arbeiten. Ihre Methodik muß der präparative Organiker bald beherrschen lernen und er soll sich Fis. 15 frühzeitig daran gewöhnen, die Vakuumdestillation nicht als „Haupt- und Staatsaktion" aufzufassen, sondern als eine der elementarsten Operationen der Laboratoriumspraxis. Das gegebene Destillationsgefäß ist der C i a i s e n k o l b e n (Fig. 15). Seine sehr zweckmäßige Rohrteilung verhindert das hier besonders gefährliche Überspritzen der siedenden Flüssigkeit. Damit der bei der Vakuumdestillation sehr leicht eintretende Siedeverzug vermieden werde, saugt man vermittelst einer feinen C a p i l l a r e dauernd feine Luftbläschen — bei luftempfindlichen Substanzen Wasserstoff oder C0 2 — durch die siedende Flüssigkeit. Die Capillare zieht man an einem genügend langen, 4—8 mm weiten Glasrohr, am besten Capillarrohr, in der Gebläseflamme aus und gibt ihr dann durch abermaliges Ausziehen über der Sparflamme die genügende Feinheit. Vor dem Gebrauch prüft man ihre Durchlässigkeit, indem man die Spitze in einem kleinen Reagenzglas unter Äther bringt und dann mit dem Mund hineinbläst. Die Blasen sollen einzeln und langsam herausperlen. Capillaren für die H o c h v a k u u m d e s t i l lation sollen erst bei kräftigem Einblasen einzelne Luftblasen, aber schwierig, durchlassen. Bisweilen besteht das Bedürfnis, vor allem bei schäumenden Flüssigkeiten, den Luftdurchtritt durch die Capillare zu regulieren. Dies erreicht man bei nicht allzu fein ausgezogener Capillare durch eine Q u e t s c h s c h r a u b e , die man an einem Stückchen ungebrauchten, dickwandigen Gummischlauches auf das Capillarrohr aufsetzt, derart, daß die Backen der Schraube den Schlauch unmittelbar über dem Ende des Capillarrohrs fassen. Man beachte aber, daß bei einer Unterbrechung der Destillation die in der Kugel vorhandene Flüssigkeit durch den äußeren Luftdruck

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in das noch evakuierte Capillarrohr hineingedrückt wird — unter Umständen bis in den Gummischlauch — und vermeide dies dadurch, daß man vor der Unterbrechung den Schraubhahn vorsichtig öffnet. Bei hartnäckigem Schäumen führt man unter Verzicht auf das Thermometer auch in das vordere Rohr des Ciaisenkolbens (b in Fig. 15, S. 20) eine Capillare ein. Der durch sie eingesaugte feine Luftstrom bringt die Blasen, ehe sie übersteigen können, zum Platzen1.

Das Capillarrohr wird von der Spitze aus in einen eng anschließenden unversehrten G u m m i s t o p f e n eingeführt (mit etwas Glycerin), der dicht in das Rohr a des Ciaisenkolbens hineinpaßt. Bei richtigem Sitz des Capillarrohrs soll sich das Capillarende in unmittelbarer Nähe des tiefsten Punktes der Kugel befinden. Im Rohr b steckt, ebenfalls durch einen Gummistopfen eingefügt, das Thermometer. Will man vermeiden, daß die Substanz mit Kautschuk in Berührung kommt, so benutzt man Ciaisenkolben mit verjüngten Rohrenden, in die Capillarrohr und Thermometer mit Hilfe kleiner überzogener Schlauchstücke eingesetzt werden. Die Verwendimg von Korkstopfen bei Vakuumdestillationen erfordert große Übung. Schliffgeräte Fig. 16 sind hier besonders angebracht. Die Kühlung erfolgt nach den gemachten Angaben; der kleine übergezogene Wasserkühler ist hier besonders empfehlenswert. Vorlagen: Wenn nur eine oder zwei Fraktionen zu erwarten sind, benutzt man als Vorlagen S a u g r ö h r c h e n , wie auf Fig. 8, S. 10 abgebildet, von entsprechender Größe — für den Vorlauf die kleinsten — oder, bei größeren Substanzmengen kleine S a u g f l a s c h e n . Dem Verbindungsstopfen aus Gummi sind sie vorher anzupassen. Beim Wechseln der Vorlage muß die Destillation naturgemäß unterbrochen werden. Will man dies vermeiden und hat man mehrere Fraktionen zu erwarten, so bedient man sich mit Vorteil einer Anordnung, die gestattet, verschiedene Auffanggefäße der Reihe nach unter die Mündung des Abflußrohrs zu bringen, z. B. in der in Fig. 16 wiedergegebenen Form, in der Laboratoriumssprache je nach der Gestalt als „ S p i n n e " , „ F r o s c h " , „ S c h w e i n c h e n " oder „ K u h e u t e r " bezeichnet. Schließlich sei noch der, namentlich für die Destillation größerer Substanzmengen trefflich bewährte H a h n v o r s t o ß nach A n s c h ü t z T h i e l e (Fig. 17) erwähnt, bei dem man nach Schließung der Hähne a und b mit Hilfe der Klemmschraube c das Vakuum in der Vorlage aufheben und so diese wechseln kann. Nachdem man dann bei c wieder 1

E. Dorrer, Dissert. München 1926.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

geschlossen und durch Öffnen von b wieder überall Vakuum hergestellt hat, kann man bei geöffnetem Hahn a weiter destillieren. Der dritte Hahn kann entbehrt werden. Noch einfacher ist der mit Dreiweghahn versehene W e c h s e l v o r s t o ß (Fig. 18) gebaut, an dem die Vorlage durch eine Hahnbohrung mit der Außenatmosphäre in Verbindung gebracht werden kann, während das Vakuum im Apparat erhalten bleibt.

Nach"dem Wechsel des Auffanggefäßes muß der Hahn allerdings sehr vorsichtig gegen dieses geöffnet werden, damit das inzwischen über dem Hahn angesammelte Kondensat durch die von unten eingesaugte Luft nicht verspritzt wird. Die beiden zuletzt aufgeführten Apparate haben den großen Vorteil, daß die einzelnen Fraktionen alsbald völlig voneinander getrennt werden, daß sie auch nicht mit den Dämpfen in gegenseitiger Berührung sind; für zähe, viscose Flüssigkeiten, die nicht durch die Hahnbohrung gehen, sind sie dagegen nicht verwendbar. Man wird sie daher bei der Destillation von verhältnismäßig niedrig siedenden Substanzen, deren Dampfdruck nicht zu vernachlässigen ist, bevorzugen. Werden rasch erstarrende Substanzen im Vakuum destilliert, so trägt der Ciaisenkolben ein erweitertes Ansatzrohr, gerade so wie dies für die gewöhnliche Destillation beschrieben ist (Schwertkolben). Handelt es sich nur um das Eindampfen einer wäßrigen Lösung unter vermindertem Druck, so ist es bequem, als Vorlage einen Destillierkolben zu benutzen, in dessen Hals das Ansatzrohr so weit hineingesteckt wird, daß seine Mündung bis zur Mitte der Kugel reicht. Diese ruht auf einem Trichter mit Abflußschlauch für das Kühlwasser, das die Oberfläche der Kugel bespült.

Das Heizen: Nur bei großer Übung kann eine Vakuumdestillation mit freier Flamme ausgeführt werden. Weit zuverlässiger ist die in-

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direkte Heizung durch ein W ä r m e b a d . Auch hier ist die Temperatur des Heizbades mit größter Sorgfalt der Siedetemperatur der Substanz anzupassen ( e t w a 20° h ö h e r ; bei hoch angesetztem Kondensationsrohr muß die Differenz vergrößert werden) ; wenn der Siedepunkt einer Fraktion erreicht ist, soll die Temperatur des Bades konstant gehalten werden. Der Kolben wird so tief in das Heizgefaß eingesenkt, daß der Spiegel des Destillationsguts u n t e r h a l b von dem der Heizflüssigkeit liegt. Die Kugel soll nicht weiter als bis zur Hälfte mit Substanz gefüllt sein. Bei der Destillation hoch siedender Stoffe taucht man möglichst tief ein und umkleidet den Destillationskolben oberhalb des Heizbads bis zum Winkel des Ansatzrohrs mit A s b e s t p a p i e r oder A l u m i n i u m f o l i e , die durch einen dünnen Draht oder durch eine Schnur befestigt werden. Bei empfindlichen Substanzen, die an sich der Vakuumdestillation zugänglich sind, tritt bisweilen Zersetzung ein, wenn sie in der Hitze jäh einer starken Druckänderung unterworfen werden. In solchen Fällen soll das Vakuum erst nach Abkühlung des Kolbeninhalts aufgehoben werden. So zu verfahren, ist ganz allgemein zweckmäßig, weil dadurch auch die recht häufige Oxydationswirkung heißer Luft vermieden wird.

Unerläßlich für alle Destillationen unter vermindertem Druck ist die Zwischenschaltung eines abgekürzten M a n o m e t e r s (Fig. 19) zwischen Pumpe und Apparat, da der die Höhe des Siedepunktes bestimmende Druck dauernd kontrolliert werden muß. Inkonstante Siedepunkte sind recht oft die Folge wechselnden Drucks. Um die Verunreinigung des Manometers durch Dämpfe, die sich darin kondensieren, hintanzuhalten, destilliert man bei geschlossenem Hahn, den man nur von Zeit zu Zeit zur Druckprüfung öffnet. V o r d e m B e g i n n j e d e r V a k u u m d e s t i l l a t i o n m u ß die g a n z e A p p a r a t u r am M a n o m e t e r a u f D i c h t i g k e i t , d. h. a u f a u s r e i c h e n d e s V a k u u m g e p r ü f t werden. Mit dem Anheizen des Bades beginne man erst, nachdem das Vakuum hergestellt ist. Bringt man die b e r e i t s e r w ä r m t e Flüssigkeit unter verminderten Druck, so kommt sie häufig infolge Überhitzung zum Ü b e r s c h ä u m e n . Dabei braucht der Siedepunkt der Substanz nicht erreicht zu werden: es genügt, daß im Destillationsgut noch etwas Lösungsmittel, ζ. B. Äther, enthalten ist, dessen Entfernung auf dem Wasserbad aus Gründen des stark herabgesetzten Dampfdruckes nie vollständig möglich ist. In manchen Fällen, wenn leicht flüchtige, niedrig siedende Stoffe im Vakuum destilliert werden, ist es nötig, durch Erhöhung des Drucks •die Flüchtigkeit zu vermindern. Man arbeitet dann nicht beim vollen Vakuum der Wasserstrahlpumpe, das je nach Druck und Temperatur des Leitungswassers 10—20 mm Quecksilber beträgt, sondern bei Drucken von 20—100 mm. Da die Leistung der Pumpe nicht reguliert

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

werden kann, so hilft man sich mit einem in die Vorlageflasche eingesetzten H a h n (α, Fig. 19), mit dem m a n unter Beihilfe des Manometers jeden gewünschten Druck einstellen kann. Bei Substanzen, die unter Atmosphärendruck über 150° sieden, bedient man sich der maximalen Leistung der Wasserstrahlpumpe. In welchem Maße die Erniedrigung des Druckes bei einer Vakuumdestillation den Siedepunkt erniedrigt, sieht man an den auf Fig. 20 wiedergegebenen Beispielen von N i t r o b e n z o l , Siedepunkt 208°/760 mm (Kurve 1) und B e n z a l d e h y d (II), Siedepunkt 179°/760 mm. Die Bedeutung eines „guten Vakuums" beim präparativen Arbeiten prägt sich in dem steilen Anstieg der Kurven im Bereich der niederen Drucke aus. Es macht ungefähr 15° Unterschied im Siedepunkt aus, ob man unter 20 mm oder unter 10 mm Quecksilber destilliert. Mit steigendem Druck verringert sich dessen Einfluß, wie die im oberen Teil der Figur — in anderem Maßstab — gezeichnete Kurve I I I des Nitrobenzols mit dem Druckgebiet von 760 mm abwärts deutlich macht. Wasser siedet unter 720 mm Hg, ζ. B. in München bei 98,5°.

Die quantitativen Beziehungen zwischen Druck und Siedetemperatur sind v o n Stoff zu Stoff verschieden, jedoch bei organischen Verbindungen innerhalb mäßiger Grenzen, so daß die hier wiedergegebenen K u r v e n für den praktischen Gebrauch wohl als Unterlagen benutzt werden können. Siedet ζ. B. ein Stoff A nach Angabe der Literatur bei 96°/12 mm, so wird er unter 18 mm Hg bei 104—105° sieden. Stoffe, deren Siedepunkt auch bei dem Unterdruck, den die Wasserstrahlpumpe schafft, noch zu hoch liegt, lassen sich häufig im H o c h v a k u u m unzersetzt destillieren, d. h. bei Drucken, die bei 1 mm oder darunter liegen. Druckverminderung bis zu dieser Grenze setzt die Siedetemperatur um durchschnittlich 150° gegenüber der bei Atmosphärendruck, um etwa 40° gegenüber dem Vakuum der Wasserstrahlpumpe herab. Die punktierte Fortsetzung der Nitrobenzol-Kurve 1 (der keine gemessenen Zahlen zugrunde liegen) bringt dies zum Ausdruck. H o c h v a k u u m p u m p e n nach dem Dampfstrahl- und Diffusionsprinzip, meist mit Quecksilberdampf betrieben, fehlen heute in keinem Hochschullaboratorium.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Mit ihrer Hilfe ist die Destillation im Hochvakuum eine unschwer auszuführende Prozedur, und wer die gewöhnliche Vakuumdestillation gewandt und sicher auszuführen gelernt hat, wird auch im Hochvakuum destillieren können, wenn diese Aufgabe etwa bei einem Literaturpräparat an ihn herantritt. Wegen der Empfindlichkeit der Apparatur — wenigstens gegenüber dem allgemeinen Gebrauch — ist dieses Verfahren in die Übungspräparate nicht einbezogen und wird darum auch nicht aus30° 35°

50° 55° 60° 65° 70° 75° 80°

85° 1 90°i 35

20

mm Hg

15

»-

10

5

* 3 2 1 0

S-

WO**

Fig. 20 führlicher beschrieben. Man mache es sich zur Gewohnheit, bei der Destillation die Pumpe durch eine zwischengeschaltete „Falle", die mit Kohlensäureschnee-Aceton oder mit flüssiger Luft gekühlt wird, vor Verunreinigung zu schützen. Bei sorgsamem Arbeiten erreicht man „Klebe-Vakuum" (etwa 10 - 4 mm). Auch die in der Handhabung besonders bequemen rotierenden ölpumpen seien hier erwähnt; in der Saugleistung (m3/h) sind sie den Dampfstrahlpumpen überlegen, besitzen aber ein geringeres Endvakuum. Man v e r s ä u m e nie, bei V a k u u m d e s t i l l a t i o n e n die A u g e n zu schützen! Ein Chemiker, der n i c h t alle Schutzmaßnahmen ergreift, ist nicht mutig, sondern fahrlässig! Die Sublimation Flüchtige Stoffe, deren D a m p f bei der Abkühlung unter U m g e h u n g der flüssigen Phase sich direkt zu Kristallen verdichtet, werden unter Umständen mit Vorteil durch Sublimation gereinigt, vor allem dann, w e n n das Umkristallisieren infolge besonderer Löslichkeitsverhältnisse

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

erschwert ist. Ein bekanntes Beispiel bildet die Reinigung des J o d s . I n der organischen Chemie sind es namentlich C h i n o n e , bei denen man das Verfahren anwendet. Eine Sublimation kleinerer Substanzmengen läßt sich zweckmäßig zwischen zwei gleich großen Uhrgläsern ausführen. Auf das untere bringt man die zu sublimierende Substanz, bedeckt es dann mit einem runden Filter, welches etwas über den Rand des Glases hervorragt und in seinem mittleren Teile einige Male durchlöchert ist, legt das zweite Uhrglas mit der Wölbung noch oben darauf und verbindet beide mit einer Uhrglasklammer. Erhitzt man nun das untere Glas möglichst langsam durch eine kleine Flamme auf einem Sandbade, so verdichtet sich die vergaste Substanz an dem kalten, oberen Glase zu Kristallen; das Filter verhindert, daß die Kriställchen wieder auf das untere heiße Glas zurückfallen. Zur Abkühlung des oberen Glases kann man dieses mit einer mehrfachen Lage feuchten Filtrierpapieres oder mit einem Stückchen feuchten Tuches bedecken. Will man größere Substanzmengen sublimieren, so ersetzt man in dem soeben beschriebenen Apparat das obere Uhrglas durch einen Trichter, welcher etwas kleiner als das Glas ist. Auch in Tiegeln, Kolben, Bechergläsern, Retorten, Röhren u. a. kann man Sublimationen vornehmen. Sublimiert die zu reinigende Substanz erst bei hoher Temperatur, wie etwa I n d i g o oder A l i z a r i n , so bedient man sich auch hier des Vakuums (Rundkölbchen oder Retorte). —• Bei Sublimationen beachte man stets, daß der Apparat erst nach dem vollkommenen Erkalten auseinandergenommen wird. Destillation mit Wasserdampf Von diesem wichtigen Reinigungsverfahren macht man nicht nur im Laboratorium, sondern auch in der chemischen Großindustrie außerordentlich häufig Gebrauch. Es beruht darauf, daß viele Stoffe, deren Siedepunkte beträchtlich höher liegen können als der des Wassers, von eingeblasenem Wasserdampf in dem Ausmaß ihres Dampfdrucks bei dessen Temperatur verflüchtigt und dann zusammen mit dem sie begleitenden Wasserdampf in einem angeschlossenen Kühlsystem wieder kondensiert werden. Der geeignetste und theoretisch einfachste Fall {vgl. unten) liegt vor, wenn der Stoff in Wasser schwer löslich oder praktisch unlöslich ist. Zur Prüfung auf W a s s e r d a m p f f l ü c h t i g k e i t bringt man eine kleine Probe der Substanz mit etwa 2 com Wasser in ein Reagenzglas, erhitzt zum Sieden (Siedesteine I) und hält den Boden eines mit etwas Eis beschickten zweiten Reagenzglases in die entweichenden Dämpfe, bis sich ein Wassertropfen daran kondensiert hat. Eine Trübung des Tropfens zeigt an, daß die Substanz mit Wasserdämpfen flüchtig ist.

Zur Ausführung im großen bringt man die Substanz, die abgeblasen werden soll, mit wenig Wasser in einen g e r ä u m i g e n langhalsigen

Reindarstellung organischer Substanzen

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Rundkolben, der nicht weiter als bis zu einem Drittel angefüllt sein darf, erwärmt mit einem untergestellten Brenner bis nahe zur Siedetemperatur (um allzu große Volumvermehrung durch Kondenswasser zu vermeiden) und leitet erst jetzt, nachdem der angeschlossene l a n g e Kühler in Gang gesetzt und die Vorlage aufgestellt ist, einen ziemlich kräftigen Dampfstrom ein. Das weite Einleitungsrohr soll bis nahe an den Boden des Kolbens reichen und vorne etwas umgebogen sein (Fig. 21). Besitzt das Laboratorium keine Dampfleitung, so wird der Dampf in einem gut zur Hälfte gefüllten, mit Steigrohr versehenen Blechtopf entwickelt. Man destilliert in der Regel solange, bis das Destillat k l a r abläuft. Wenn sich die Substanz kristallisiert im Kühlrohr abscheidet, so läßt man für kurze Zeit das Kühlwasser teilweise auslaufen; der Dampf bringt dann die Kristalle zum Schmelzen und Abfließen. Jedoch ist bei dieser Maßnahme darauf zu achten, daß nicht unkondensierter Dampf durch Mitführen von Substanz Verluste verursacht. Der Wiedereintritt von Kühlwasser in das heiße Rohr hat mit Vorsicht zu erfolgen. Nach Beendigung der Destillation wird vor Abstellung des Dampfes die Verbindung zwischen Dampfrohr und Kolben gelöst, weil andernfalls der Rückstand 21 des Kolbens durch das Einleitungsrohr zurücksteigen könnte. Kleinere Substanzmengen kann man auch aus einem genügend großen Fraktionierkolben mit hochangesetztem Rohr abblasen, besonders leichtflüchtige Stoffe auch ohne Dampfzufuhr durch einfaches Erhitzen mit Wasser. Sehr schwerflüchtige Substanzen treibt man mit ü b e r h i t z t e m Wasserdampf über. Die Überhitzung erfolgt zweckmäßig in einem konisch spiralig gewundenen Kupferrohr, das zwischen Dampfleitung und Kolben eingeschaltet und durch einen darunter gestellten Brenner erhitzt wird. Der Kolben mit der Substanz befindet sich in einem auf höhere Temperatur (etwa 150°) erhitzten Ölbad. Unter Umständen kommt man auch ohne Überhitzer zum Ziel, indem man möglichst trockenen Dampf nicht zu rasch in den die trockene Substanz enthaltenden, im Heizbad erwärmten Destillationskolben einleitet. Zersetzliche Substanzen, die flüchtig sind, werden bisweilen unter vermindertem Druck, also bei erniedrigter Temperatur mit Wasserdampf destilliert.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Zur Theorie der Wasserdampfdestillation: Die reine Form des Vorgangs liegt vor, wenn der zu destillierende Stoff in Wasser unlöslich, oder genauer, wenig löslich ist (Beispiele: Toluol, Brombenzol, Nitrobenzol), wenn sich also die Dampfdrucke von Wasser und Substanz gegenseitig nicht oder wenig beeinflussen. Ganz andere Verhältnisse ergeben sich bei Stoffen, die mit Wasser mischbar sind (Alkohol, Essigsäure); hier tritt das theoretisch kompliziertere Bild der fraktionierten Destillation auf. Wir betrachten nur den ersten Fall und wählen als Beispiel das bei 155° siedende Brombenzol. Erwärmen wir diese Flüssigkeit mit Wasser, so wird ihr Dampfdruck im Sinne der ihr eigenen Kurve ansteigen, und zwar u n a b h ä n g i g von dem des Wassers. Die Erscheinung des Siedens wird eintreten, wenn die Summe der Dampfdrucke der beiden Stoffe dem herrschenden Atmosphärendruck gleich geworden ist. Dies ist, wie sich aus den Dampfdruckkurven entnehmen läßt, für Normalverhältnisse (760 mm) der Fall bei 95,25°. Bei dieser Temperatur beträgt die Tension des Brombenzols 121 mm, die des Wassers 639 mm, ihre Summe also 760 mm. Die Dampfphase wird daher nach der Avogadroschen Regel die beiden Komponenten im molekularen Verhältnis von 121 : 639 enthalten, d. h. es werden 5,28 mal mehr Wassermolekeln im Dampfgemisch sein, als solche von Brombenzol. Das absolute Verhältnis, in dem Brombenzol mit Wasserdampf übergeht, ergibt sich einfach unter Heranziehung der Molekulargewichte. Auf 1 Mol Brombenzol vom Mol.Gew. 157 kommen 5,28 Mole Wasser vom Mol.-Gew. 18, oder mit 157 Gewichtsteilen des ersten gehen 5,28 · 18 = 95 Gewichtsteile Wasser über, was ungefähr einem Verhältnis Brombenzol : Wasser von 5 : 3 entspricht. Man kann demnach bei Kenntnis der Tensionskurve eines mit Wasser nicht mischbaren Stoffes den Grad seiner Wasserdampfflüchtigkeit leicht angenähert berechnen, nur angenähert deshalb, weil die Voraussetzung der gegenseitigen Unlöslichkeit praktisch niemals erfüllt ist. Über die Wasserdampfdestillation unter vermindertem Druck vgl. man S. 242. Abdestillieren von Lösungsmitteln Da man beim organisch-präparativen Arbeiten sehr häufig Substanzen aus verdünnter Lösung zu isolieren hat, so gehört diese Operation zu den alltäglichen Verrichtungen. Äther wird am a b s t e i g e n d e n K ü h l e r (am besten Schlangenkühler), vom D a m p f b a d oder Wasserbad aus abdestilliert und nach eventueller Reinigung erneut verwendet. Enthält er flüchtige Säuren, so wird er mit S o d a l ö s u n g , bei einem Gehalt an flüchtigen Basen dagegen mit verdünnter S c h w e f e l s ä u r e durchgeschüttelt.

Reindarstellung organischer Substanzen

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Um Verluste und Entzündung infolge der F l ü c h t i g k e i t des Äthers zu vermeiden, benutzt man als Auffanggefäß eine Saugflasche, die durch einen Kork mit dem Kühlrohr verbunden ist, und deren Saugrohr zur Sicherheit einen über den Arbeitstisch herunterhängenden Schlauch trägt. B e i m A r b e i t e n m i t Ä t h e r u n d a l l e n l e i c h t e n t z ü n d lichen Lösungsmitteln läßt man keine offenen Flammen auf dem Arbeitstisch brennen. Sind g r o ß e M e n g e n L ö s u n g s m i t t e l zu verdampfen und will man den Inhalt der Lösung nach dessen Entfernung ebenfalls destillieren, so läßt man, um ein allzu großes Gefäß zu vermeiden, die Lösung nach und nach aus einem T r o p f t r i c h t e r in den geeigneten Fraktionierkolben fließen, in dem Maße, als das Lösungsmittel verdampft (Siedesteine). Wenn man nicht über ein Dampfbad verfügt, sondern vom Wasserbad aus destillieren muß, ist dessen Flamme bei jedem Nachfüllen (Trichter!) auszudrehen. Man kommt in diesem Fall meist rascher zum Ziel, wenn man die ganze Lösung aus einem größeren Rundkolben oder Erlenmeyer abdampft und dann den Rückstand mit wenig Lösungsmittel (aber vollständig) in das kleinere Gefäß überspült. K l e i n e M e n g e n leicht verdampf barer Flüssigkeiten kann man aus dem Reagenzglas oder einem kleinen Kölbchen direkt auf dem Wasserbad verjagen. Das Reagenzglas fülle man jeweils nur 2·—3 cm hoch und gieße immer wieder nach ; während des Siedens im Wasserbad muß dauernd g e s c h ü t t e l t oder mit einem dünnen Glasstab g e r ü h r t werden. Nach dieser einfachen Methode führt man alle V o r p r o b e n m i t L ö s u n g e n aus und sehe sich den Rückstand auf seine Eigenschaften an. Die Lösungen zersetzlicher Substanzen läßt man für diesen Zweck auf einem Uhrglas oder in einer kleinen Kristallisierschale offen an der Luft verdunsten. Wenn es darauf ankommt, Lösungsmittel, wie A l k o h o l oder B e n z o l , v o l l s t ä n d i g zu entfernen, so gelingt dies auf dem Dampf- oder Wasserbad nicht, weil der Siedepunkt mit zunehmender Konzentration höher und höher steigt; auch mit Ä t h e r macht es Schwierigkeiten. Man greift hier zum Ölbad oder häufiger zum Vakuum, das man ansetzt, wenn kein Kondensat mehr abtropft. Es genügt, eine Capillare aufzusetzen und den Kolben in einer Porzellankasserolle oder einem Emailtopf auf mittlerer Temperatur zu erhalten, unter direktem Anschluß an die Pumpe, um die meisten Lösungsmittel, auch W a s s e r , rasch und völlig zu entfernen. D ü n n w a n d i g e G l a s g e r ä t e , wie E r l e n m e y e r , S t e h k o l b e n und R e a g e n z g l ä s e r , d ü r f e n n i e m a l s e v a k u i e r t w e r d e n , stets aber Rundkolben, unter Umständen Saugflaschen, die aber vorsichtig zu erwärmen sind. Wenn man, wie es bei empfindlichen Stoffen häufig verlangt wird, größere Mengen Lösungsmittel im Vakuum abzudampfen hat, kondensiert man, zur Beschleunigung, mit einem nicht zu kleinen Kühler und kühlt bei Bedarf noch die Vorlage mit Eis.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Der Kühler ist entbehrlieh, wenn man als Vorlage einen einfachen Fraktionierkolben nimmt, der auf einen großen, mit Abflußschlauch versehenen Trichter aufgelegt und von oben mit Leitungswasser berieselt wird. Das Ende des Kondensationsrohrs vom Destillierkolben muß bis über die Mitte der Kugel der Vorlage reichen. Diese Anordnung ist für das Eindampfen wäßriger Lösungen besonders geeignet. Die in Fig. 22 abgebildete Anordnung gestattet, o h n e U n t e r b r e c h u n g große Mengen Flüssigkeit, insbesondere Wasser, im Vakuum

Fig. 22

Fig. 23

abzudampfen. Durch den Hahn wird von Zeit zu Zeit das Übergegangene aus dem Vorratsgefäß durch Einsaugen ersetzt. Das Lumen des Abzugsrohres soll möglichst weit sein. Anhaltendes S c h ä u m e n wäßriger Lösungen bei der Destillation verursacht häufig Ärger und Zeitverlust. Man kann ihm begegnen dadurch, daß man der Lösung etwa 3% ihres Volumens an I s o - a m y l a l k o h o l , n o c h besser einige Tropfen O c t y l a l k o h o l zufügt. Man kommt aber auch zum Ziel, wenn man in den l e e r e n , destillationsbereiten Kolben die Lösung in dem Maße einsaugt, als das Wasser verdampft. Das Zuführungsrohr ist in diesem Fall zweckmäßig gegen die Mündung hin zu engerem Lumen ausgezogen, das Tempo des Einspritzens läßt sich mit einer Klemmschraube (Fig. 22) genau einstellen. Ausschütteln, Extrahieren Um ein Reaktionsprodukt, das nicht fest, kristallin und filtrierbar ist, aus wäßriger Suspension oder auch aus einer Lösung herauszuholen, oder auch von unlöslichen Begleitstoffen zu trennen, nimmt man es in einem geeigneten Lösungsmittel auf; als solches dient meist Ä t h e r . So sammelt man ζ. B. das bei einer Wasserdampfdestillation Über-

Reindarstellung organischer Substanzen

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gegangene, sofern nicht durch besonders günstige Grenzflächenverhältnisse eine direkte Abtrennung möglich ist. Zur Trennung zweier Schichten benutzt man den S c h e i d e t r i c h t e r , bei kleinen Volummengen den gleichartig konstruierten T r o p f t r i c h t e r (Fig. 23) (bis zum Inhalt von 25 ccm herab), dessen Ansatzrohr höchstens 5 cm lang und (wegen des Abfließens) schräg abgeschliffen sein soll. Zum Eingießen von Flüssigkeiten in den Trennungstrichter bedient man sich stets eines gewöhnlichen Trichters. Nach der Trennung wird die untere Schicht durch den Hahn, die obere aus dem oberen Tubus ausgegossen (Trichter). Man warte immer, bis die schwere Flüssigkeit sich am Boden angesammelt hat und vermeide beim Ausäthern, mit dem Äther auch Teile der wäßrigen Lösung abzugießen. Kleine Vorproben scheidet man nach dem Einsaugen im Tropfrohr (Fig. 9). Beim Ausschütteln einer wäßrigen Lösung, noch mehr einer Suspension, mit einem organischen Lösungsmittel treten bisweilen sehr unerfreuliche E m u l s i o n e n auf, die eine saubere Abtrennung unmöglich machen. Das sicherste Mittel, sie zu vermeiden, besteht darin, die Durchmischung mit Vorsicht vorzunehmen. Gegenmittel sind ferner: Erzeugung eines Vakuums im Scheidetrichter, Zugabe einiger Tropfen Alkohol, Sättigung der wäßrigen Phase mit Kochsalz, Stehenlassen über Nacht. Ist eine Substanz nicht nur im organischen Lösungsmittel, sondern auch in Wasser löslich, so ist der Erfolg des Ausschütteins vom Verhältnis der Löslichkeiten abhängig; je größer dieses Verhältnis ζ. B . von Wasser zuÄther, der , , T e i l u n g s quo t i e n t (Q)" ist, um so mehr Äther muß benutzt oder um so öfter muß ausgeschüttelt werden. Denn dieser Quotient gibt an, wie sich ein in zwei nicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten löslicher Stoff zwischen diese verteilt. Ob wir gegebenenfalls eine gewisse Menge Äther a u f e i n m a l zum Ausschütteln einer wäßrigen Lösung benutzen, oder ob wir besser die Operation mit kleinen Anteilen m e h r f a c h wiederholen, die prinzipielle Entscheidung darüber gibt folgende einfache Betrachtung. Nehmen wir an, der Teilungsquotient sei gleich 1 und wir hätten auf 1 Volum Wasser 2 Volumina Äther zur Verfügung, die wir in einem Fall auf einmal einsetzen, im andern Fall zu gleichen Hälften für zwei Ausschüttelungen verwenden. Die Menge der gelösten Substanz sei a. Im ersten Fall gehen dann 2 — a in den Äther, im zweiten nimmt das erste halbe Volum der Gesamtet em äthermenge —, das zweite von den zurückbleibenden — noch einmal a 3 die Hälfte, also —, das sind — a. Um diese Menge in e i n e r Operation aus dem Wasser herauszuholen, wäre das dreifache Volum Äther nötig, oder: 2 Liter einzeln eingesetzt leisten das gleiche wie 3 Liter auf einmal. Die praktische Folgerung ist klar.

Einige allgemeine Arbeitsregeln

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Man kann den Vorgang des Ausschüttelns auch zur Trennung von Substanzgemischen heranziehen, deren Komponenten verschiedene Teilungsquotienten aufweisen. In einem ähnlichen wie dem obigen Beispiel liege die Substanz 1 der Menge a ( Q = 1) mit derselben Menge a! einer zweiten Substanz vom Q = 0,2 vermischt vor. Die Begleitsubstanz ist also in Wasser besser als in Äther löslich und verbleibt 4

1

nach dem ersten Ausschütteln mit—a'im Wasser, nachdem — α' im gleich großen u

Äthervolumen gelöst sind. Von Substanz 1 sind dagegen, wie erwähnt, — im Wasser, im Äther anzutreffen. Schüttelt man nun die wäßrige Lösimg ein zweites Mal mit demselben Äthervolumen aus, so enthält sie von Substanz 1 nur noch — , von 4 4 4 3 Substanz 2 aber von α', das sind rund -— a'. Eine Re-extraktion des 1. Ätherö o o extrakts mit demselben Wasservolumen ergibt im Äther das reciproke Gewichtsverhältnis beider Substanzen. Es ist leicht einzusehen, daß eine systematische Fortsetzung dieser Arbeitsweise zur praktisch vollständigen Stofftrennung führen muß. Diese sog. „ G e g e n s t r o m e x t r a k t i o n " (Craig) 1 spielt heute im Forschungslaboratorium und in der Industrie, wo sie kontinuierlich ausgeführt wird, eine bedeutende Rolle. Der Teilungsquotient organischer Substanzen zwischen Wasser und Lipoiden (das sind fettartige Bestandteile der Zellwand) ist für biologische Prozesse von großer Bedeutung (Narkosetheorie von Η. H. Meyer und Overton).

Außer Äther benutzt man zum Ausschütteln eines gelösten Stoffes aus Wasser bisweilen auch E s s i g e s t e r , C h l o r o f o r m , B e n z o l , A m y l a l k o h o l . Da Wasser rund 10% seines Volumens an Äther auflöst, vermeide man schon aus Sparsamkeitsgründen unnötige Verdünnung. Trocknen der Lösungen: Nachdem man eine Substanz aus wäßriger Lösung oder Suspension mit einem organischen Lösungsmittel aufgenommen hat, ist die Lösung mit Wasser gesättigt und muß daher getrocknet werden; unterließe man dies, so würde das gelöste Wasser nach dem Abdampfen des Lösungsmittels zum größten Teil mit der zu isolierenden Substanz zurückbleiben. Bei der Wahl des T r o c k e n m i t t e l s ist zu beachten, daß es weder mit dem Solvens noch mit dem gelösten Stoff reagieren darf und in jenem vollkommen unlöslich sein muß. Man wird die ätherische Lösung einer organischen Säure nicht mit festem Ätzkali trocknen, wohl aber die einer Base. Das wirksamste und meist benutzte Trockenmittel ist C a l c i u m c h l o r i d , das man entweder in gekörntem oder (vorher) geschmolzenem Zustand anwendet; Ätherlösungen werden fast ausschließlich mit ihm getrocknet, es sei denn, daß sie Stoffe enthalten, die mit CaCla Additionsverbindungen geben, wie Alkohole, Amine u. a. Alkoholhaltige Ätherlösungen dürfen daher nicht mit Calciumchlorid getrocknet werden; man muß vorher den Alkohol durch mehrfaches Ausschütteln mit Wasser entfernen. I n der Regel wird viel zu viel Trockenmittel verwendet. Es genügt für gewöhnlich soviel Calciumchlorid, daß nach einigem Stehen neben gesättigter CaCl2-Lösung noch etwa die gleiche Menge festen Salzes vorhanden ist. 1

Siehe Weißberger, Technique of Organic Chemistry, Bd. III, 259 (1950).

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Reindarstellung organischer Substanzen

Weit weniger wirksam als CaCl2 ist w a s s e r f r e i e s N a t r i u m s u l f a t , selbst wenn es vor dem Gebrauch f r i s c h g e g l ü h t i s t . Es wird benutzt, wenn aus den angeführten Gründen ein Ersatz für Calciumchlorid gefordert wird. Für die Lösungen basischer Stoffe sind geglühte P o t t a s c h e , festes Ä t z k a l i , B a r i u m o x y d viel gebrauchte Trockenmittel. Um die gebräuchlichsten Lösungsmittel völlig wasserfrei zu gewinnen, werden die folgenden Trockenmittel angewandt. Für Äther, Benzol und Homologe, Petroläther: N a t r i u m .

Fig. 24

Fig. 25

Fig. 26

Für Aceton, Chloroform, Essigester, Schwefelkohlenstoff: C a l c i u m chlorid. Die Alkohole werden durch mehrstündiges Kochen mit frisch gebranntem Ä t z k a l k am Rückflußkühler und anschließendes Abdestillieren entwässert. C h l o r h a l t i g e L ö s u n g s m i t t e l , wie CC13H, CC14, d ü r f e n w e g e n Explosionsgefahr keinesfalls mit Natrium getrocknet werden. Extraktionsapparate: Sehr häufig ist eine organische Substanz in Wasser viel löslicher als in Äther und anderen Solventien. Dann führt auch oft wiederholtes Ausschütteln nicht zum Ziel. Man arbeitet in solchen Fällen mit dem sog. P e r f o r a t o r , das ist ein kontinuierlicher Extraktionsapparat für Lösungen, der in keinem organischen Laboratorium fehlen darf. Das Prinzip ergibt sich aus der mit einfachen Labora3

G a t t er m a n n , Praxis des organ. Chemikers.

36. Aufl.

Einige allgemeine Arbeitsregeln

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toriumsmitteln zusammenstellbaren Anordnung nach S c h a c h e r l (Fig. 24). Noch zweckmäßiger ist die in allen Dimensionen ebenfalls leicht zu beschaffende Apparatur gemäß Fig. 25. Damit kommen wir auch zu den E x t r a k t i o n s a p p a r a t e n f ü r f e s t e S u b s t a n z e n . Der bekannteste ist der „ S o x h l e t " , der namentlich für analytische Zwecke viel benutzt wird. Für präparative Zwecke ziehen wir den vereinfachten Extraktor (Fig. 26) vor, der billiger ist und rascher arbeitet. Damit sich durch das auftropfende Lösungsmittel im Extraktionsgut keine Gasse bildet, legt man eine dünne Siebplatte aus Porzellan (Filterplatte) darüber. Der Extraktionsapparat dient vornehmlich zum Herauslösen schwer löslicher Bestandteile aus Gemischen, zum Isolieren von Naturstoffen aus (trockenem) pflanzlichem oder tierischem Material. Mitunter ist es sehr zweckmäßig, schwer lösliche Substanzen mit dem geeigneten Lösungsmittel (besonders Äther) aus der Extraktionshülse ,,umzukristallisieren". Aus der bald heiß übersättigten Lösung im Siedekolben kommt meist schon während der Extraktion das Gelöste in Kristallen heraus. Bei hoch siedenden Lösungsmitteln hängt man die Extraktionshülse an einem dünnen Draht direkt in den Rundkolben ein; sie soll nicht in die Flüssigkeit eintauchen.

Das Arbeiten mit komprimierten Gasen Jedes Hochschullaboratorium ist wohl zur Zeit mit Stahlflaschen versehen, in denen die wichtigsten Gebrauchsgase in k o m p r i m i e r t e r F o r m enthalten sind. Diese sind

1. Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff. 2. Kohlendioxyd, Chlor, Ammoniak, Schwefeldioxyd.

Die Elemente unter 1., deren kritische Temperatur sehr tief liegt, sind in G a s f o r m , die Stoffe unter 2. i n v e r f l ü s s i g t e m Z u s t a n d in den Bomben enthalten. Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff befinden sich zumeist, auf 150 Atm. komprimiert, in Stahlbomben von 10 Liter Inhalt; in ihnen sind demnach nach der Füllung 1,5 cbm Gas von Atmosphärendruck enthalten. Die Ansatzgewinde der Wasserstofflaschen haben verkehrten Schraubengang, damit nicht irrtümlich Sauerstoff in sie eingepreßt wird. Alle G a s f l a s c h e n i m L a b o r a t o r i u m s o l l e n m i t F e i n v e n t i l e n a u s g e s t a t t e t s e i n , für deren Instandhaltung ein Assistent zu sorgen hat. Die Benutzung des Kopfventils allein erschwert die Regulierung des Gasstroms und führt unfehlbar zu übergroßem Verbrauch. Für alle Gase (auch Chlor) sind K e g e l v e n t i l e (Fig. 27) aus Aluminiumbronze verwendbar.

Das Arbeiten mit komprimierten Gasen. Rühren und Schütteln

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B e i allen Arbeiten mit Gasen — sei es aus Stahlflaschen, sei es aus dem Kippapparat — muß eine K o n t r o l l e f ü r die S t r ö m u n g s geschwindigkeit angewandt werden. Dafür genügt ein kleiner — außer bei NH 3 —, mit konz. Schwefelsäure beschickter Tropfenzähler, der an der Flasche selbst befestigt sein kann. Meist wird man, um gleichzeitig zu trocknen, eine W a s c h f l a s c h e vorschalten, am besten nicht eine zweiteilige mit Glasschliff, die oft durch den geringsten Überdruck geöffnet wird1. Müssen Gase besonders scharf getrocknet werden, so genügt eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure nicht. Man schaltet dann noch 1—2 U-Röhren vor, in die man, auf Glaswolle verteilt, Phosphor- ( ) p e n t o x y d eingefüllt hat. Ammoniak leitet man durch K a l i l a u g e 1: 1 und zum Trocknen dann noch durch einen T u r m , der mit KOH und CaO beschickt ist. Man beachte, daß man mit den üblichen Laboratoriumsgeräten mit Piaschengas nicht abgeschlossen unter Ü b e r d r u c k arbeiten kann. Will man ζ. B. eine Reaktionslösung unter H2- oder C0 2 -Druck stehen lassen, so darf das Gefäß nicht ohne weiteres an die Gasflasche angeschlossen werden. Zur Entlastung der Apparatur von dem Überdruck setzt man in die Leitung ein Τ - R o h r ein, dessen sich abzweigender Teil mit einem in einen Zylinder mit Quecksilber oder Wasser eintauchenden Glasrohr verbunden ist. Bequemer ist es, in solchen Fällen sich des K i p p s zu bedienen oder, bei Stickstoff, eines damit aus der Bombe gefüllten G a s o m e t e r s .

Erfahrungsgemäß wird viel Gas verschwendet, weil sich der Anfänger meist keine Gedanken darüber macht, welche Mengen ungefähr er für Kg. 27 seine Reaktion benötigt; das soll er aber tun. Alle Gebrauchsgase außer Stickstoff können im Bedarfsfall ersatzweise nach einfachen bekannten Methoden dargestellt werden.

Rühren und Schütteln

Solange man in homogener Lösung arbeitet, ist mechanische Bewegung nicht nötig, es sei denn, daß man in einem Reaktionsgemisch einen nach und nach zuzusetzenden oder zuzutropfenden Stoff alsbald in feine Verteilung — Lösung oder auch Suspension — bringen will. Dies gilt besonders auch dann, wenn lokal auftretende Reaktionswärme, ζ. B. bei Zugabe von konz. Schwefelsäure, ein empfindliches Präparat gefährdet. 1 Die Verbindung zwischen Stahlbombe und Waschflasche soll nach der Benutzung stets gelöst werden, damit ein Zurücksteigen der Schwefelsäure verhindert wird.



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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Hierbei ist es unerläßlich, die Lösung durch Umschütteln mit der Hand oder besser durch mechanisches Rühren dauernd zu bewegen. Als R ü h r e r dient zweckmäßig ein Glasstab, an den nur am unteren Ende oder aber auch mehrfach übereinander propellerartige Flügel aus Glas angeschmolzen sind. Zur Führung nimmt man ein Stück etwas weiteren, an den Enden abgeschmolzenen Glasrohrs oder eine passende Hülse des Korkbohrers, die, in einem Kork gefaßt, in eine Klammer in vertikaler Richtung fest eingespannt wird und auf deren oberem Rand eine kleine Riemenscheibe oder auch Korkbzw. Gummistopfen mit Rille, in denen der Rührstab befestigt ist, sich mit möglichst wenig Reibung bewegt (mit Glycerin geschmierter, schmaler Gummiring). Als Antrieb wird die alte Rabesche Wasserturbine mehr und mehr vom kleinen Elektromotor verdrängt, dessen Tourenzahl sich bequem mit Regulierwiderstand oder Schiebetransformator regeln läßt. Bei Verwendung eines Elektromotors ist es zweckmäßig, den Rührer mit einem Stück Vakuumschlauch unmittelbar auf dem Ankerwellen- Stumpf des vertikal fixierten Motors zu befestigen. Kleine Preßluftmotoren, die auch mit dem Unterdruck der Wasserstrahlpumpe betrieben werden können, erfreuen sich in neuerer Zeit als Rührwerksantrieb großer Beliebtheit. H a t man im a b g e s c h l o s s e n e n G e f ä ß zu rühren oder bei gleichzeitigem E r h i t z e n am R ü c k f l u ß k ü h l e r , so wird der Rührer Fig. 28 durch einen Q u e c k s i l b e r v e r s c h l u ß , wie ihn die Fig. 28 zeigt, oder durch eine eingeschliffene Welle abgedichtet. Einem größeren Überdruck von innen ist die Quecksilberdichtung nicht gewachsen. Wenn man übereinandergeschichtete, nicht mischbare Flüssigkeiten durcheinanderrühren will, muß der Rührer zwischen den beiden Schichten eingesetzt werden. Spezifisch schwere Bodenkörper, ζ. B. Zinkstaub oder Natriumamalgam werden im allgemeinen von den kleinen Glasrührern nicht ordentlich erfaßt. In solchen Fällen ist das mechanische Rühren häufig illusorisch, und man erreicht eine stärkere Wirkung durch Umrühren mit einem Glasstab, einer Holzleiste oder öfteres Umschütteln mit der Hand. Hier setzt auch die Benutzung der S c h ü t t e l m a s c h i n e ein, die eine möglichst feine mechanische Aufteilung im heterogenen System zum Zweck hat. Als Gefäß benutzt man fast ausschließlich enghalsige Glasstöpselflaschen mit gutem, dichtem Schliff. Der Stopfen wird durch

Erhitzen unter Druck

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ein Stück darüber gezogenen und am Hals mit dünnem Draht festgemachten Gummischlauch gehalten. Umsetzungen, bei denen sich ein Gas oder viel Wärme entwickelt, dürfen nicht ohne weiteres auf der Schüttelmaschine vorgenommen werden.

Erhitzen unter Druck Wenn man Lösungen oder freie Substanzen zur S t e i g e r u n g d e r R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t bei einer Temperatur zur Umsetzung bringen will, die oberhalb ihres Siedepunktes liegt, so muß man sie von der äußeren Atmosphäre abschließen, und zwar entweder durch E i n s c h m e l z e n in ein Glasrohr, in dem sie dann erhitzt werden, oder im geschlossenen Metallgefäß ( A u t o k l a v ) . Dies ist, wie leicht ersichtlich, schon erforderlich, wenn wir eine alkoholische Lösung bei 100° oder eine wäßrige etwa bei 120° reagieren lassen wollen. Der Zweck ist also ausschließlich die Erhöhung der R e a k t i o n s t e m p e r a t u r , die damit Hand in Hand gehende Steigerung des Drucks ist für die Geschwindigkeit der Umsetzung ohne Belang, da sie ja im allgemeinen von keiner wesentlichen Konzentrationsänderung begleitet ist. Da man am häufigsten L ö s u n g e n im Einschlußrohr erhitzt, in denen der Dampfdruck des Lösungsmittels den Innendruck bestimmt, so hat man bei Temperaturen, die erheblich höher als 100° liegen, mit ganz ansehnlichen Drucken zu rechnen. Zu ihnen Fig. 29 addieren sich die der eventuell bei der Reaktion entstehenden Gase. Über die Druckverhältnisse, die bei einer Einschlußreaktion zu erwarten sind, mache man sich an Hand der T e n s i o n s k u r v e des angewandten Lösungsmittels überschlagsweise eine Vorstellung. Wir haben im erhitzten Rohr bei präparativen Reaktionen stets den Druck des gesättigten Dampfes, d. h. Lösung neben dem Dampf des Lösungsmittels. Der Druck ist daher von der absoluten Menge der eingefüllten Lösung nicht abhängig. Man füllt jedoch in der Regel nicht höher als bis zur Hälfte des Rohrvolumens ein. Wenn bei der Reaktion Gas gebildet wird, spielt der Betrag an freiem Gasraum für die Druckverhältnisse natürlich eine Rolle. Die gebräuchlichen D r u c k r o h r e aus J e n a e r G l a s können, wenn eine chemische Einwirkung auf das Glas außer Betracht bleibt, mit einiger Sicherheit einem Druck von 2 0 b i s 2 5 A t m o s p h ä r e n ausgesetzt werden.

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

Einschmelzröhren sind stets durch einen Trichter zu füllen, die innere Wand in der Nähe der Zuschmelzstelle muß rein bleiben. Über das Umgehen mit Einschlußröhren vgl. auf S. 65/66. Will man mit der Temperatur nur auf 100° gehen, so erhitzt man das Rohr, mit einem Tuch umwickelt und an einem Bindfaden oder einem Draht aufgehängt, in der sog. W a s s e r b a d k a n o n e . Wenn kein oder nur geringer Druck entwickelt wird, so benutzt man statt des Einschmelzrohrs eine gewöhnliche S o d a w a s s e r f l a s c h e mit Patentverschluß, die man mit dem Wasserbad anheizt (zur Vorsicht Flasche in ein Tuch einschlagen!). Das Arbeiten in Einschmelzröhren ist präparativ umständlich wegen ihres relativ geringen Fassungsraumes. Man benutzt daher für größere Ansätze A u t o k l a v e n , das sind metallene Einschlußgefäße, die gleichzeitig auch höhere Drucke aushalten. Der Deckel wird durch einen Bleioder Kupferring gedichtet, mit 6—8 Verschlußschrauben befestigt, deren Muttern man — je ein Paar gegenüberliegende gleichzeitig—allmählich anzieht. Das Erhitzen erfolgt mit Gas (Rundbrenner) oder elektrisch (Widerstandheizung) ; Manometer und Thermometer gestatten eine laufende Kontrolle von Druck und Temperatur. Natürlich legt man der Wahl des Autoklavenmodells die gewünschten Reaktionsbedingungen zugrunde. Besondere Anforderungen stellt das Rühren unter Druck, wenn es gilt, eine Reaktion in heterogenem Medium (Festkörper-Flüssigkeit, Flüssigkeit-Gas) durchzuführen. Die stehend oder liegend ausgeführten R ü h r a u t o k l a v e n besitzen eine druckfeste Rührerdichtung, die sog. Stopfbüchse, die allerdings stets eine empfindliche Stelle ist. Mehr und mehr geht man heute im Laboratorium zu Schüttel- oder rotierenden Autoklaven über ; bei letzterem Typ wird der liegende Autoklav um eine horizontale Achse gedreht. Die modernste Ausführungsform ist der Magnet-Rührautoklav (A. Hofer, Mülheim) ; der außerhalb des Autoklaven befindliche Elektromagnet zieht periodisch den Weicheisenkern mit den Rührplatten hoch. Ein wichtiges Anwendungsgebiet der verschiedenen Typen von Rührautoklaven ist die katalytische Hydrierung (S. 328) unter Druck; ein Hydrierautoklav sollte in keinem Hochschullaboratorium fehlen. Bei allen A r b e i t e n u n t e r D r u c k s c h ü t z e m a n die Augen und verschaffe sich vorher aus den physikalischen Unterlagen ein ungefähres Bild über die dem Apparat zugemutete Leistung.

Schmelzpunktsbestimmung

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Schmelzpunktsbestimmung Die R e i n h e i t einer kristallisierten organischen Substanz wird durch den S c h m e l z p u n k t kontrolliert. Diese leicht zu ermittelnde Konstante dient auch zur I d e n t i f i z i e r u n g von Stoffen und bei neuen Verbindungen zur C h a r a k t e r i s i e r u n g . Der Apparat ist ein langhalsiger Kugelkolben, in den ein geprüftes Thermometer mit Hilfe eines Korks eingesetzt ist; um die Skala ganz zu übersehen, ist ein Streifen Kork mit einem scharfen Messer herausgeschnitten (Fig. 30). Die Heizflüssigkeit ist reine konz. Schwefelsäure, mit der die Kugel zu % ihres Inhalts angefüllt wird. Die Substanz wird feinst gepulvert in kleine dünnwandige Glasröhrchen eingebracht, die man sich aus Reagenzgläsern (zweckmäßig beschädigte, aber trockene und reine!) wie folgt herstellt. Man bringt das Rohr in der Gebläseflamme unter Drehen zum Schmelzen und zieht dann rasch aus; schon nach kurzer Übung trifft man den richtigen Durchmesser, der 1—1,5 mm sein soll. Aus dem ausgezogenen Material schneidet man mit der Schere die geeigneten Teile aus, wo es angeht, zweckmäßig in doppelter Röhrchenlänge (etwa 12 cm), so daß man durch Abschmelzen jedes Stückes in der Mitte (Sparflamme) alsbald zwei fertige Schmelzpunktröhrchen erhält. Von der scharf getrockneten Substanz zerdrückt man eine kleine Probe mit Pistill oder Spatel auf einem Uhrglas oder einem kleinen Stückchen Ton und bringt von dem Pulver eine ungefähr 2 mm hohe Schicht auf den Grund des Röhrchens. Dabei taucht man das offene Ende des Röhrchens in das Pulver und bewirkt durch vorsichtiges Aufklopfen, daß die von der Mündung gefaßte Substanz hinuntergleitet. Bei großer Adhäsion läßt man das Röhrchen einige Male durch ein langes Glasrohr auf eine Glasplatte oder ein Uhrglas auffallen. Auch durch leichtes Anstreichen des Röhrchens mit einer Feile können festhaftende Substanzen zum Hinabgleiten gebracht werden. Das Röhrchen wird dann am zweckmäßigsten mit einem Tropfen konz. Schwefelsäure, den man mit der Thermometerspitze am oberen Ende aufträgt, am Thermometer angeklebt, so daß sich die Substanz auf der Höhe der M i t t e der Quecksilberkugel befindet. Diese selbst muß bei der Bestimmung g a n z ins Bad eintauchen. Man erhitzt nun die Kugel mit mäßig großer, schräg gehaltener Flamme, die man langsam gleichförmig um den Kolben bewegt. Der Apparat muß von auffallendem Licht beleuchtet sein. Bei hoch schmelzenden Körpern kann man anfangs rasch erhitzen, in der Nähe des Schmelzpunktes soll die Temperatur l a n g s a m steigen. Gewöhnlich werden in diesem Stadium

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Einige allgemeine Arbeitsregeln

im oberen Teil des Röhrchens haften gebliebene Teilchen der Substanz durch die aufsteigende heißere Schwefelsäure zum Erweichen gebracht. Jetzt erhitzt man vorsichtig weiter ; die Schmelztemperatur ist erreicht, wenn die zuerst zusammengefallene Probe sich k l a r verflüssigt hat. Bei Stoffen, deren Schmelzpunkt man nicht kennt, dient eine Vorprüfung zur Orientierung. Viele organische Verbindungen schmelzen nicht unzersetzt. Dies äußert sich oft in einer V e r ä n d e r u n g d e r F a r b e und meist in einer G a s e n t w i c k l u n g , die man im Röhrchen sehr scharf beobachten kann (Lupe!). Solche Substanzen besitzen keinen scharfen Schmelzpunkt, sondern einen Z e r s e t z u n g s p u n k t , der fast immer von der Geschwindigkeit des Erhitzens abhängig ist, derart, daß er bei rascher Temperatursteigerung höher gefunden wird, als bei langsamer. Auch erkennt man bei ihnen den verändernden Einfluß der Hitze schon unterhalb des Zersetzungspunktes an einem Zusammenschrumpfen und Klebrigwerden der Substanzprobe, eine Formänderung, die man als „ S i n t e r n " bezeichnet. Bei der Bestimmung des Schmelzpunktes zersetzlicher Stoffe heizt man das Bad ziemlich rasch bis auf 10—20° unterhalb der Zersetzungstemperatur, um von da an das Thermometer nur etwa um 6° in der Minute höher zu treiben. Die Erscheinung vorzeitigen Sinterns ist bei unzersetzt schmelzenden Substanzen ein Kennzeichen unvollkommener Reinheit und verlangt nach der präparativen Seite erneute Umkristallisation oder Destillation. Es gibt allerdings auch Stoffe, die selbst in reinster Form nicht ohne vorheriges Sintern, also nicht ganz scharf, schmelzen. I n diesem Zusammenhang sei auch auf die sog. „ f l ü s s i g e n K r i s t a l l e " hingewiesen (Lehmann, Vorländer). Als Regel gelte, daß eine Substanz erst als rein angesehen werden kann, wenn sich ihr Schmelzpunkt bei Wiederholung der Reinigungsprozedur nicht mehr ändert. Die Ursache dafür, daß der Schmelzpunkt unreiner Stoffe tiefer liegt als der des einheitlichen Materials, hegt darin, daß die Begleitstoffe gewissermaßen als gelöste Stoffe oder Lösungsmittel wirken; der Erstarrungspunkt einer Lösung hegt aber bekanntlich immer tiefer als der des Lösungsmittels (Kryoskopie). Diese Beziehung begründet einen wichtigen I n d e n t i t ä t s n a c h w e i s . Wenn wir auf neuem Weg eine Verbindung erhalten, die wir nach ihrem Schmelzpunkt mit einer schon bekannten für identisch halten, so können wir darüber einwandfrei entscheiden dadurch, daß wir den Schmelzpunkt eines innigen Gemisches der beiden Verbindungen feststellen. Ist A von Β verschieden, so werden die beiden Stoffe als gegenseitige Verunreinigungen sich geltend machen, der Schmelzpunkt des Gemisches wird sinken, sind sie dagegen identisch, so bleibt der Schmelzpunkt unverändert. Bei der „ M i s c h s c h m e l z p r o b e " prüft

Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs usw.

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man zweckmäßig die drei Proben (Α, Β und A -f- Β) am gleichen Thermometer, an dem bei einiger Übung zu beiden Seiten und vorne je ein Röhrchen oder, wenn die Thermometerröhre genügend dick ist, alle drei vorne nebeneinander (in gleicher Höhe!) angebracht werden können. In e i n e m Fall versagt die Mischprobe, nämlich bei i s o m o r p h e n Stoffen. Für die Bestimmung des S i e d e p u n k t e s mit kleinen Substanzmengen im Schmelzpunktapparat gibt es auch mehrere brauchbare Verfahren, z . B . das von S i w o l o b o f f 1 . Das S c h w e f e l s ä u r e b a d kann nicht ohne Gefahr für Schmelzpunktsbestimmungen oberhalb250° verwendet werden; sobald sich Siedeerscheinungen zeigen, stelle man das weitere Erhitzen ein, rechne auch schon vorher mit der Möglichkeit, daß der Kolben springen könne. Höhere Temperaturen (bis 350°) erreicht man mit einem Schwefelsäurebad, in dem man in der Hitze K a l i u m s u l f a t aufgelöst hat. Dieses Heizbad erstarrt in der Kälte, da prim. Kaliumsulfat auskristallisiert ; es muß daher vor Einbringen des Thermometers eben geschmolzen werden. Noch höhere Schmelzpunkte bestimmt man im Metallblock. Steigende Bedeutung kommt auch der mikroskopischen Schmelzpunktsbestimmung mit Hilfe des Κ of 1er-Blocks zu; diese Methode ermöglicht die Beobachtung von Änderungen der Kristallstruktur und erlaubt eine exakte thermische Analyse 2 .

B. Elementar-analytische Methoden Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs, Stickstoffs, Schwefels und der Halogene Prüfung auf Kohlenstoff und Wasserstoff: Verbrennt eine Substanz beim Erhitzen auf dem Platinblech mit Flamme (Ausnahmen: z. B. S), oder zersetzt sie sich unter Abscheidung von schwarzer Kohle, so ist sie als organisch anzusprechen. Gleichzeitig auf K o h l e n s t o f f und W a s s e r s t o f f kann man prüfen, indem man eine Probe der trockenen Substanz in einem kleinen Reagenzrohr mit ihrem mehrfachen Volumen ausgeglühten, feinen Kupferoxydes mischt, über die Mischung noch etwas Kupferoxyd schichtet, das Rohr durch einen Kork mit einem rechtwinklig gebogenen Entbindungsrohre verbindet und nun stark erhitzt. Trüben die entweichenden Gase klares Barytwasser (C0 2 ), so 1

B. 19, 175 (1885). L. K o f i e r und A. K o f i e r , Mikromethoden zur Kennzeichnung organischer Stoffe und Stoffgemische, Berlin 1945. 2

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Elementar-analytische Methoden

enthält die Substanz K o h l e n s t o f f , während der W a s s e r s t o f f g e h a l t sich dadurch zu erkennen gibt, daß sich in dem oberen, kalten Teile des Reagenzrohres Wassertröpfchen ansetzen. Prüfung auf Stickstoff: Man erhitzt eine kleine Probe in einem Reagiergläschen von etwa 5 mm Weite und 6 cm Länge solange in einer Bunsenflamme mit einem halblinsengroßen Stückchen blanken Kaliums oder Natriums, welches man zwischen Filtrierpapier abgepreßt hat, bis meistens unter schwacher Verpuffung und Dunkelfärbung Zersetzung eintritt. Das schließlich bis zur R o t g l u t erhitzte Röhrchen taucht man noch heiß in ein kleines Becherglas ein, welches 5 ccm Wasser enthält, wobei das Röhrchen unter eventueller Entzündung des unverbrauchten Kaliums zerspringt (Abzug!). Man filtriert dann die wäßrige Lösung, welche bei Anwesenheit von Stickstoff Alkalicyanid enthält, von Kohle und Glassplittern ab, versetzt das Filtrat mit je zwei Tropfen Eisenvitriol- und Eisenchloridlösung, prüft, ob die Flüssigkeit alkalisch reagiert, und erhitzt, wenn dies der Fall ist, 1—2 Minuten, wobei sich bei Anwesenheit von KCN Ferrocyankalium bildet. Säuert m a n n u n die alkalische Lösung nach dem Erkalten mit Salzsäure an, so lösen sich das abgeschiedene Eisenoxyd und Eisenoxydulhydrat auf, und das Ferrocyankalium reagiert mit dem Eisenchlorid in bekannter Weise unter Bildung von Berlinerblau. Bei Anwesenheit von S t i c k s t o f f erhält man demnach einen b l a u e n N i e d e r s c h l a g . Ist nur wenig Stickstoff in der Substanz vorhanden, so erhält man bisweilen im Anfang keinen Niederschlag, sondern nur eine blaugrüne Lösung. Läßt man diese längere Zeit, unter Umständen über Nacht, stehen, so scheidet sich ein Niederschlag ab. Bei der Prüfung l e i c h t f l ü c h t i g e r S u b s t a n z e n auf Stickstoff wende man ein längeres Rohr an und lasse die sich in dem kalten Teile kondensierende Substanz mehrfach auf das heiße Kalium zurückfließen. Bei Substanzen, welche ihren Stickstoff schon bei mäßiger Temperatur abgeben, wie ζ. B. D i a z o v e r b i n d u n g e n , kann dieser nicht in der beschriebenen Weise erkannt werden. Man muß in derartigen Fällen prüfen, ob bei der Verbrennung der Substanz mit Kupferoxyd in einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre sich Gas bildet, welches von Kali nicht absorbiert wird (vgl. quantitative Bestimmung des Stickstoffs). Prüfung auf Schwefel: Die qualitative Prüfung auf Schwefel wird in der gleichen Weise wie die auf Stickstoff ausgeführt. Man glüht die Substanz in einem Röhrchen mit Natrium und versetzt die eine H ä l f t e der mit Wasser aufgenommenen und erkalteten Schmelze mit einigen Tropfen einer Nitroprussidnatriumlösung, welche m a n sich durch Schütteln einiger Körnchen des festen Salzes mit Wasser in der Kälte kurz zuvor darstellt. Eine v i o l e t t e F ä r b u n g zeigt die Anwesenheit von S c h w e f e l an. Da die Nitroprussidreaktion äußerst empfindlich ist und keinen Schluß auf die Menge des Schwefels zu ziehen gestattet,

Qualitativer Nachweis des Kohlenstoffs, Wasserstoffs usw.

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so versetzt man die zweite Hälfte der Flüssigkeit nach dem Filtrieren mit Bleiacetatlösung und säuert darauf mit Essigsäure an. J e nachdem ob hierbei nur eine dunkle Trübung oder ein mehr oder minder starker Niederschlag von Bleisulfid sich bildet, ist die Menge des Schwefels nur eine geringere oder eine größere. L e i c h t f l ü c h t i g e S u b s t a n z e n kann man meistens in dieser Weise nicht prüfen. Diese erhitzt man, wie unten bei der quantitativen Bestimmung des Schwefels angegeben, mit rauchender Salpetersäure in einem Bombenrohr auf etwa 200—300° und prüft die Lösung nach dem Verdünnen mit Wasser mit Bariumchlorid auf Schwefelsäure. Prüfung auf Halogene: C h l o r , B r o m und J o d kann man in organischen Verbindungen nur in s e l t e n e n Fällen direkt durch Fällen mit Silbemitrat nachweisen, da das Halogen meist nicht ionogen gebunden ist. Um homöopolar gebundenes Halogen zu erkennen, glüht man die zu prüfende Substanz in einem nicht zu engen Reagenzrohr über einer Bunsenflamme mit einem Überschuß von chemisch reinem Ätzkalk, taucht das noch heiße Rohr in wenig Wasser ein, wobei es zerspringt, säuert mit chemisch reiner Salpetersäure an, filtriert ab und versetzt mit Silbernitrat. In Verbindungen, welche k e i n e n S t i c k s t o f f enthalten, kann man, wie dies bei der Prüfung auf Stickstoff beschrieben ist, die Halogene durch Glühen mit Natrium nachweisen. In diesem Falle säuert man die von Glasscherben und Zersetzungsprodukten abfiltrierte Lösung mit reiner Salpetersäure an und fügt Silbernitrat hinzu. Sehr schnell und bequem lassen sich die Halogene durch die Β eils t einsehe Probe erkennen. Ein Stückchen Kupferoxyd von der Größe einer Linse oder ein Stäbchen des Oxyds von y 2 cm Länge wird mit einem dünnen Platindraht, der an ein Glasrohr angeschmolzen ist, umwickelt und in der Bunsenflamme solange ausgeglüht, bis die Flamme farblos erscheint. Bringt man nach dem Erkalten des Kupferoxydes eine winzige Menge einer halogenhaltigen Substanz darauf und erhitzt in dem äußeren Teile einer Bunsenflamme, so verbrennt zunächst der Kohlenstoff, und man beobachtet eine leuchtende Flamme. Diese verschwindet bald und macht einer g r ü n e n oder b l a u g r ü n e n Platz, welche durch verdampfendes Halogenkupfer hervorgerufen wird. Aus der Dauer der Färbung läßt sich darauf schließen, ob die Substanz nur Spuren oder mehr Halogen enthält. Auch ein in einem Kork befestigtes Stück Kupferdraht kann zur Ausführung der B e i l s t e i n s c h e n Probe Verwendung finden. In n i c h t f l ü c h t i g e n S u b s t a n z e n lassen sich H a l o g e n und S c h w e f e l mit großer Sicherheit durch die S a l p e t e r s c h m e l z e ermitteln. Man verreibt 5—10 mg des Stoffs (nicht mehr!) mit 100 bis 200 mg Kaliumnitrat in einer kleinen Achatreibschale und erhitzt das

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Elementar-analytische Methoden

Gemisch in einem kleinen Reagenzglas vorsichtig über kleiner Flamme. Die Oxydation erfolgt unter schwacher Feuererscheinung und ist beendet, wenn die Schmelze farblos geworden ist. Nach dem Erkalten löst man in Wasser und bestimmt die gesuchten Elemente in bekannter Weise. (Reagentien zuvor auf Halogen- und Sulfationen prüfen!) Andere Elemente, die in organischen Verbindungen vorkommen, wie P h o s p h o r , A r s e n , weitere M e t a l l o i d e und organisch gebundene M e t a l l e , weist man nach, indem man die organische Substanz durch Oxydation (mit Salpetersäure im Einschlußrohr oder durch Schmelzen mit Salpeter oder Natriumperoxyd) zerstört und dann nach den üblichen analytischen Methoden die Prüfung vornimmt. Dem Bedürfnis nach einer qualitativen Aufklärung einer organischen Verbindung ist durch Ermittlung ihrer Elementarbestandteile nur zu einem geringen Teil Genüge getan. Die weitere und schwierigere Aufgabe ist, sie zu k l a s s i f i z i e r e n , auf Grund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften und Reaktionen festzustellen, welcher G r u p p e v o n V e r b i n d u n g e n sie angehört. Die Merkmale der wichtigsten organischen Gruppen (Alkohol-, Aldehyd-, Keton-, Ester-, Amid-, Nitrii-, Nitro-, um nur einige zu nennen) zu erkennen, gesättigte, ungesättigte und aromatische Stoffe durch ihre Reaktionen voneinander zu unterscheiden, solche und noch viele andere Fragen experimentell zu beantworten, soll die Beschäftigung mit der präparativen organischen Chemie als unentbehrlichen Nebenzweck lehren. Der Praktikant soll nicht nur Übung erlangen in der synthetischen Darstellung von Stoffen aus den wichtigsten Verbindungsreihen, er soll auch mit seinen Präparaten vertraut werden, er soll sich in ihre c h a r a k t e r i s t i s c h e n R e a k t i o n s m e r k m a l e vertiefen, ihre stoffliche Eigenart durch gründliche experimentelle Betrachtung und Beobachtung in sich aufnehmen. D a r u m sollen die in der f o l g e n d e n p r ä p a r a t i v e n A n l e i t u n g g e b r a c h t e n Versuchsbeispiele, die diesem Unterrichtszweck d i e n e n , n i c h t auf die l e i c h t e S c h u l t e r g e n o m m e n werden. I h r e A u s f ü h r u n g ist der rein p r ä p a r a t i v e n Tätigk e i t a n B e d e u t u n g g l e i c h zu a c h t e n . Die ernste Beachtung dieser Mahnung wird ihre Früchte tragen bei der Lösung der Aufgaben, die von der im Anschluß an den präparativen Teil auszuführenden G r u p p e n - A n a l y s e (S. 364) gestellt werden.

Die quantitative organische Elementaranalyse Die quantitative Bestimmung der Elemente einer organischen Substanz geschieht mit Hilfe der E l e m e n t a r a n a l y s e . Hierbei werden Kohlenstoff und Wasserstoff nebeneinander bestimmt, während zur Bestimmung aller übrigen Elemente je eine besondere Analyse auszuführen ist.

I. Stickstoffbestimmung nach Dumas

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Die hier beschriebenen m e s o - a n a l y t i s c h e n Methoden mit Einwaagen von 20—30 mg sind auf der Grundlage des P r e g l s c h e n Mikroverfahrens 1 von Dr. F . H ö l s c h e r ausgearbeitet worden. Die Waage : Bei einer Einwaage von 20—30 mg Substanz ist aus leicht ersichtlichen Gründen eine gewöhnliche Analysenwaage, deren Genauigkeit nur bis zu 0,1 mg geht, nicht verwendbar. Man benützt daher eine moderne Analysenwaage nach der Schwingungsmethode oder die Kuhlmannsche Schnellwaage oder eine ähnliche „ H a l b m i k r o w a a g e " mit einer Genauigkeitsgrenze von 0,01 mg. I. Stickstoffbestimmung nach Dumas Die abgewogene Substanz wird in einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre durch glühendes Kupferoxyd verbrannt, wobei der K o h l e n -

s t o f f z u K o h l e n d i o x y d , der W a s s e r s t o f f zu W a s s e r oxydiert wird, während S t i c k s t o f f als solcher entweicht und, über K a l i l a u g e aufgefangen, volumetrisch bestimmt wird. Auftretende S t i c k o x y d e werden durch eine glühende Kupferspirale zu S t i c k s t o f f reduziert. Zur Stickstoffbestimmung sind erforderlich: ein Schnabel-Verbrennungsrohr aus Supremaxglas (Länge ohne Schnabel 55 cm, äußere Weite 12 mm. Länge des Schnabels 3 cm, äußere Weite 3—3,5 mm, innere Weite 2 mm), 1 F. P r e g i und H. R o t h , Die quantitative organ. Mikroanalyse, SpringerWien 1947.

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Elementar-analytische Methoden

ein einfach durchbohrter, möglichst zylindrischer Gummistopfen, der in die weite Öffnung des Rohres paßt und der Rohrwand eng anliegen muß, drahtförmiges Kupferoxyd („zur Analyse"), langfaseriger Asbest, etwas Silberwolle, 2 Asbestplatten und eine δ cm lange Eisendrahtnetzrolle. Kippscher Apparat, elektr. Verbrennungsofen, Azotometer, Nickelschale, Drahtnetzsieb, Wägegefäß und Mischrohr werden vom Laboratorium gestellt. Vorbereitungen L u f t f r e i e r K o h l e n d i o x y d - K i p p : Kleine Marmorstückchen werden in einer Porzellanschale mit verdünnter Salzsäure (1 Vol. HCl, D. 1,18 + 1 Vol. Wasser) Übergossen. Nachdem man die erste lebhafte Einwirkung abgewartet hat, gießt man den oben angesammelten Schmutz weg und spült die angeätzten Marmorstückchen mit Wasser ab. Nun füllt man die mittlere Kugel des Kippschen Apparates bis über die Hälfte mit dem Marmor; der Abschluß der unteren Kugel wird durch Glasscherben oder durch zwei halbkreisförmig gebogene Glasstäbchen bewirkt. An das innere Rohrende des Glashahnes, den man mittels eines schwach mit Vaseline gefetteten Gummistopfens im Tubus der mittleren Kugel befestigt, bringt man durch ein kurzes Schlauchstück ein hakenförmig nach oben gebogenes Glasrohr an, so daß das Gas beim Ausströmen vom höchsten Punkt der mittleren Kugel zuerst entfernt wird. Darauf füllt man den Apparat mit verdünnter Salzsäure (wie oben), bis außer der unteren Kugel noch die Hälfte der oberen Kugel gefüllt ist, und wirft zwei kleine Marmorstückchen in das Trichterrohr, so daß sie hier steckenbleiben und durch lebhafte Kohlendioxyd-Entwicklung die in der Salzsäure gelöste Luft entfernen; durch wiederholtes öffnen und Schließen des Hahnes beschleunigt man die Entlüftung. Ein neu hergerichteter Kipp gibt in der Regel erst nach 2—3-tägigem Stehen •— wenn die an der Glasoberfläche und dem Kautschuk adsorbierte Luft an die Kohlendioxyd-Atmosphäre abgegeben ist — ein ausreichend reines Kohlendioxyd. Dieses ist f ü r die Bestimmung als einwandfrei zu betrachten, wenn die im Azotometer aufsteigenden „ M i k r o b l a s e n " zu mehreren vereinigt, oft einander überholend, mit gleichförmiger Geschwindigkeit aufsteigen. Ihr Durchmesser soll, mit der Lupe betrachtet, x/s des Teilstrichabstandes (etwa 1 / 5 mm) nicht übersteigen. Die Verbindung des Kohlendioxyd-Kipps mit dem Verbrennungsrohr geschieht durch ein Z - f ö r m i g g e b o g e n e s G l a s r o h r , dessen eines Ende zu einer dickwandigen, schwach konisch zulaufenden Capillare ausgezogen ist, die in die Bohrung des im Verbrennungsrohr steckenden Kautschukstopfens hineingeschoben wird. An das andere Ende ist ein auf der einen Seite etwas erweitertes, kurzes Glasrohr angesetzt, das mit Asbestwolle gefüllt wird, um Säurenebel zurückzuhalten. Das horizontal verlaufende Hahnrohr des Kippschen Apparates verbindet man durch ein mit wenig Glyzerin befeuchtetes Schlauchstück mit dem Z-förmigen Rohr, so daß die Röhrenden möglichst dicht aneinanderstoßen (siehe Figur 31).

Füllung des Verbrennungsrohres: Das Schnabelrohr wird zunächst mit Bichromat-Schwefelsäure gereinigt, mit destilliertem Wasser nachgespült und an der Wasserstrahlpumpe unter schwachem Erwärmen getrocknet. Zur Füllung des Rohres hält man sich einen Vorrat an grobem drahtförmigen Kupferoxyd („zur Analyse") und von feinerem Kupferoxyd, das man sich aus ersterem durch Zerdrücken (nicht Reiben!) in einer Reibschale herstellt, so daß man nach dem Absieben des Staubes

I. Stickstoffbestimmung nach Dumas

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1—2 mm lange Drahtstückchen erhält. Vor Gebrauch wird das Kupferoxyd in einer Nickelschale ausgeglüht. Das gebrauchte Kupferoxyd ist nach dem Sieben und Glühen an der Luft sofort wieder gebrauchsfähig. Man hüte sich, das Kupferoxyd durch Lauge zu verunreinigen, da hierdurch stets zu niedrige Stickstoffwerte erhalten werden; hier hilft nur Auskochen mit Essigsäure und erneutes Glühen.

In das trockene Rohr bringt man zunächst zur Ausfüllung des konischen Rohrteils etwas Silberwolle·, darauf schiebt man mit einem passenden Glasstab, dessen Kanten eben rund geschmolzen sind, etwas gereinigte und ausgeglühte Asbestwolle bis zum Schnabel vor und drückt sie dort mäßig zusammen, so daß ein 2—3 mm starker Asbestpfropf entsteht. Auf den Asbest füllt man eine 12 cm lange Schicht von grobem Kupferoxyd·, durch seitliches Klopfen mit der flachen Hand bei senkrecht gehaltenem Rohr läßt man das Kupferoxyd mäßig fest aufsitzen; in gleicher Weise füllt man nun 6 cm feines und darauf 10 cm grobes Kupferoxyd ein. Diese „ b l e i b e n d e R o h r f ü l l u n g " wird durch einen zweiten, wenige Millimeter starken und schwach gestopften Asbestpfropf festgelegt. In das so gefüllte Rohr leitet man nun vom weiten Rohrende aus einen mit saurer Permanganatlösung gewaschenen Wasserstoff ström, ein, reduziert nach gründlicher Verdrängung der Luft die 6 cm lange Schicht von feinem Kupferoxyd unter mäßigem Erhitzen mit einem Bunsenbrenner und läßt im langsamen Wasserstoffstrom erkalten. Das frisch hergerichtete Rohr mit der „bleibenden Füllung" wird dann im elektrischen Verbrennungsofen in seiner ganzen Ausdehnung im Kohlendioxyd-Strom kräftig durchgeglüht und unter dem Druck des Kohlendioxyd-Kipps erkalten gelassen. Auch bei Nichtgebrauch bleibt das· Rohr stets in Verbindung mit dem Kipp unter Kohlendioxyddruck stehen. Das Halbmikro-Azotometer: Das zum Auffangen des Stickstoffs dienende Halbmikro-Azotometer hat im Meßrohr, entsprechend der Substanzeinwaage von 20—30 mg, ein Fassungsvermögen von 8—10 ccm ; durch die Unterteilung in> 0,02 ccm wird eine völlig ausreichende Genauigkeit gesichert. Das Gaseinleitungsrohr des Azotometers trägt einen angeschmolzenen Glashahn, dessen Griff zu einem längeren Hebelarm ausgezogen ist. Um die Feinregulierung noch zu steigern, wird das Hahnküken an seiner Bohrung mit zwei feinen, spitz zulaufenden seitlichen Einkerbungen versehen (Fig. 32), die man mit einer scharfen Dreikantfeile so anbringt, daß der Hebel nach oben bewegt werden muß, um dem Gas Durchlaß zu gewähren. Das Gaseinleitungsrohr des Azotometers wird mit dem Verbrennungarohr durch ein im stumpfen Winkel gebogenes Capillarrohr verbunden, das an der Berührungsstelle im äußeren Durchmesser mit dem Hahnrohr übereinstimmt und mit diesem durch einen dickwandigen Gummischlauch verbunden wird, so daß die Röhrenden möglichst dicht aufeinandersitzen. Der horizontale Schenkel des Capillarrohres ist zu einer schwach konisch zulaufenden Spitze ausgezogen, die im äußeren Durchmesser genau mit dem Schnabel des Verbrennungsrohres übereinstimmt. Zur Verbindung dient ein 2,5—3 cm langes, mit wenig Glycerin befeuchtetes Stück englumigen Vakuvmschlauches; man achte darauf, daß die Rohrenden möglichst dicht aneinanderstoßen. Beim Auseinandernehmen der Apparatur bleibt das Capillarrohr stets am Azotometer. Vor der Füllung reinigt man da»

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Elementar-analytische Methoden

Azotometer mit Bichromat-Schwefelsäure. Der Verbindungsschlauch zwischen Niveaubirne und Azotometer wird mit Drahtligaturen gesichert. Von der Birne aus füllt man reines Quecksilber ein, bis dessen Niveau 1—2 mm über dem höchsten Punkt der Einmündungsstelle des Einleitungsrohres steht. Die Hähne fettet man schwach mit Vaseline, von der die Einkerbungen frei zu halten sind. Zur Füllung des Azotometers dient 50-proz. Kalilauge (aus reinem „Ätzkali in Stangen"), die man durch Schütteln mit feingepulvertem Ätzbaryt (2 g auf 200 g Lauge) und Filtrieren durch ein t r o c k e n e s Filter völlig schaumfrei gemacht hat. Die Niveaubirne verschließt man durch einen Gummistopfen mit kurzem, zur Capillare ausgezogenem Glasrohr. Vorbereitung der Substanz: Feste Substanzen werden entweder l u f t t r o c k e n verbrannt oder vor der Analyse im evakuierten, mit Schwefelsäure gefüllten E x s i c c a t o r bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Es ist nicht zweckmäßig, die Substanz vorher bis zur Staubfeinheit zu pulverisieren; dadurch wird die Oberfläche nur unnötig vergrößert, was die Fig. 32 Wägung hygroskopischer Substanzen sehr erschwert. Wird das Lösungsmittel festgehalten, so trocknet man bei erhöhter Temperatur im Vakuum in der sog. T r o c k e n p i s t o l e oder bequemer im K u p f e r b l o c k - E x s i c c a t o r ( P r e g i ) , der sich durch Feineinstellung der den Kupferblock

Fig. 33 heizenden Mikroflamme leicht auf jede gewünschte Temperatur einstellen läßt (Fig. 33). Hygroskopische Substanzen werden im W ä g e s c h w e i n c h e n zur Wägung gebracht. Ausführung der Verbrennung Wägung: F e s t e S u b s t a n z e n werden in einem m i t Schliffstopfen v e r s e h e n e n b i r n e n f ö r m i g e n R ö h r c h e n , d a s gleichzeitig als M i s c h r o h r d i e n t , a b g e w o g e n . Seine W e i t e i s t d e r a r t , d a ß es b e q u e m a u f einige Zentimeter Länge in den zylindrischen E i n f ü l l t r i c h t e r , der auf das V e r b r e n n u n g s r o h r aufgesetzt wird, eingeführt werden k a n n . I n das W ä g e r o h r , d a s m a n m i t e i n e m u m einen d ü n n e n D r a h t g e w i c k e l t e n Wattebäuschchen gereinigt h a t u n d das stets n u r m i t der Pinzette a n g e f a ß t werden darf, bringt m a n eine kleine Menge feines Kupferoxyd u n d b e s t i m m t auf der W a a g e d a s Leergewicht auf 0,01 m g . D a s R ö h r c h e n w i r d d a b e i a u f ein p a s s e n d z u r e c h t g e m a c h t e s D r a h t g e s t e l l g e l e g t . D a n n füllt m a n mit einem d ü n n e n Nickelspatel 20—30 m g Substanz ein u n d wägt erneut.

I. Stickstoffbestimmung nach Dumas

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F l ü s s i g k e i t e n bringt man in einer G l a s c a p i l l a r e zur Wägung. Aus einem Reagenzglas zieht man sich eine 2 mm weite Capillare und schneidet mit einem scharfen Glasmesser 7—8 cm lange Stückchen ab. Zunächst schmilzt man (vgl. Fig. 34) die Glasmasse in der Mitte des Röhrchens über einer ganz kleinen, eben entleuchteten Bunsenflamme unter langsamem Drehen und ganz gelindem Zusammendrücken zusammen und zieht dann außerhalb der Flamme zu einem etwa 2,5 cm langen massiven Stäbchen aus. Durch Abzwicken in der Mitte mit dem Fingernagel erhält man 2 Capillaren mit massivem Handgriff. Auf den Boden der Capii9 lare bringt man nun ein Kriställchen Kaliumchlorat, schmilzt vorsichtig über dem Flämmchen ,^ , und läßt erstarren. Nachdem man zwei winzige Körnchen von gereinigtem Bimsstein eingebracht x hat, läßt man das Röhrchen etwa 1 cm oberhalb des Bodens unter ganz gleichmäßigem und langsamem Drehen erweichen, zieht außerhalb der Flamme zu *T=c~i—/ s einer etwa 2 cm langen, feinen Capillare aus und bricht am Ende ab. Die Capillare wird mit einem feuchten F l a n e l l t u c h , danach mit einem sauberen Fig. 34 trockenen L e i n e n t u c h abgerieben und nach dem Auakühlen auf 0,01 mg genau gewogen. Die gewogene Capillare wird nun in ihrem zweiten Teil vorsichtig, ohne das Kaliumchlorat zu schmelzen, über dem Flämmchen erwärmt und in die Flüssigkeit getaucht. Nach dem Einsaugen der geeigneten Menge Flüssigkeit ergreift man die Capillare am Stiel und bringt bei nach oben gerichteter Capillare durch leichtes Aufklopfen mit der Hand oder durch geeignete Schleuderbewegung den Rest der Flüssigkeit aus der Capillare auf den Boden des Gefäßes. Um die Flüssigkeit aus der feinen Capillare völlig auszutreiben, zieht man sie einige Male rasch durch den äußeren Saum der Flamme, wischt außen ab und überzeugt sich, daß in der Capillare k e i n e V e r k o h l u n g eingetreten ist, dann schmilzt man die Spitze der Capillare zu, reibt mit einem feuchten Flanelltuch, dann mit einem reinen Leinentuch nach und bestimmt nach einigen Minuten des Abkühlens die Gewichtszunahme auf 0,01 mg genau. Die Füllung des Verbrennungsrohres erfolgt genau wie sonst bei der Stickstoffbestimmung, nur füllt man statt mit 0,5 cm mit 2—3 cm feinem Kupferoxyd auf, steckt die gewogene Capillare, nachdem man die Spitze und den Griff durch Abbrechen verkürzt hat, in ein 4 cm langes, frisch ausgeglühtes, oxydiertes Kupferdrahtnetzröllchen und läßt beides, die Capillare mit der Spitze voraus, in das schräg gehaltene Rohr gleiten. Danach füllt man wie gewöhnlich mit Kupferoxyd auf. Füllung des Verbrennungsrohres und Zusammenstellen der Apparatur: M a n setzt auf das Verbrennungsrohr d e n Einfülltrichter, den m a n sieh aus einem weiten Reagenzglas herstellt, füllt z u n ä c h s t 7 cm grobes, d a n n 0,5 cm feines Kupferoxyd ein u n d l ä ß t d u r c h seitliches K l o p f e n m i t der H a n d das K u p f e r o x y d im senkrecht gehaltenen R o h r m ä ß i g aufsitzen. N u n überschichtet m a n die Substanz im W ä g e r o h r m i t einer 2 cm h o h e n Schicht v o n feinem K u p f e r o x y d , verschließt es m i t d e m S t o p f e n , schüttelt g u t d u r c h u n d entleert den I n h a l t in das Verbrennungsrohr. I n gleicher Weise spült m a n das R o h r 3—4 m a l m i t je 1—1,5 cm f e i n e m K u p f e r o x y d nach, l ä ß t d u r c h K l o p f e n auch die feinen Staubteilchen in das Verbrennungsrohr gleiten u n d f ü l l t schließlich noch 4—5 cm grobes K u p f e r o x y d ein. D a r a u f legt m a n das R o h r in d e n elektrischen Ofen, so d a ß auf der Schnabelseite 2 cm der K u p f e r o x y d •4

G a 11 e r m a η η , Praxis des organ. Chemikers.

36. Aufl.

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Elementar-analytische Methoden

füllung aus dem Ofen herausragen ; zum Wärmeschutz schiebt man über das Schnabelende einen kleinen A s b e s t s c h i r m , der der Ofenwand anliegt. Über das andere Rohrende schiebt man eine 5 cm lange Rolle aus E i s e n d r a h t n e t z und einen kleinen A s b e s t s c h i r m zum Wärmeschutz für den Gummistopfen. Nun schaltet man den elektrischen Ofen ein, verschließt das weite Rohrende mit einem einfach durchbohrten Gummistopfen, schiebt die Capillare des Verbindungsrohres zum Kipp in die mit wenig Glycerin befeuchtete Bohrung, so daß sie eben aus dem Stopfen herausragt, und öffnet den K i p p s c h e n A p p a r a t . Nachdem man einige Minuten Kohlendioxyd durch das Rohr geleitet hat, schließt man am Schnabelende bei geöffnetem Einleitungshahn das A z o t o m e t e r an, dessen Kalilauge man durch Tiefstellen der Niveaubirne so weit als möglich in diese übergeführt hat. Nach weiteren 2 Minuten sind auch Verbindungsrohr und Hahnspindel ausgespült; nun füllt man bei geschlossenem Verbindungshahn das Azotometer, bringt die Niveaubirne wieder in ihre tiefe Lage, öffnet den Verbindungshahn vorsichtig, so daß alle Sekunden etwa 1—2 Blasen durchstreichen, und prüft auf Mikroblasen. Sind die Blasen noch nicht klein genug, so muß das Ausspülen wiederholt werden. Sobald man Mikroblasen erhält, schließt man den Kipp und öffnet den Verbindungshahn voll. Gleichzeitig schiebt man das Drahtnetzröllchen über die letzten Anteile des eingefüllten Kupferoxyds und stellt den beweglichen Bunsenbrenner so darunter, daß der von dem Röllchen geschützte Rohrteil in den Bereich der entleuchteten vollen Flamme hineinragt. Die eigentliche Verbrennung: Sobald der elektrische Ofen zum Glühen gekommen ist — 15 bis 20 Minuten nach dem Einschalten — und die von der Erhitzung des Rohrs durch den Bunsenbrenner bewirkte G a s e n t w i c k l u n g aufgehört hat, läßt man bei geschlossenem Verbindungshahn und eben über die obere Hahnspindel gehaltenem Niveaugefaß unter raschem Hin- und Herdrehen des Hahnkükens das angesammelte Gasvolumen samt mitgerissenen Unreinigkeiten in den oberen Becher, den man mit wenig Lauge füllt. Nun rückt man bei wieder gesenkter Niveaubirne und voll geöffnetem Verbindungshahn einige Millimeter mit der Drahtnetzrolle vor, wobei der Bunsenbrenner an das rückwärtige Ende zu stehen kommt. I n der gleichen Weise rückt man mit Rolle und Brenner bzw. elektrischer Vergasungsspule vor, solange man noch unter dem erlaubten Maß der Blasengeschwindigkeit ist; m a n achte peinlich darauf, daß n i e m e h r a l s 2 B l a s e n i n 3 S e k u n d e n in das Azotometer eintreten. Bei lebhafter Gasentwicklung, zumal wenn man an die Substanz herangekommen ist, wartet man daher etwas länger zu und rückt erst vor, wenn die Blasengeschwindigkeit wesentlich nachgelassen hat. Sobald man mit dem Bunsenbrenner am elektrischen Ofen angekommen ist, was 15 bis 25 Minuten erfordert, schließt man den Verbindungshahn, öffnet den Hahn des Kippschen

I. Stickstoffbestimmung nach Dumas

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Apparates voll und stellt nun den Verbindungshahn durch vorsichtige Bewegung des Feinstellhebels so ein, daß 2 Blasen in 3 Sekunden in das Azotometer eintreten; eine auch nur kurze Überschreitung dieser Geschwindigkeit ist sorgfältig zu vermeiden. Nun glüht man während der nächsten 5—-10 Minuten die bewegliche Kupferoxydschicht nochmals mit Drahtnetzrolle und Brenner kräftig durch, stellt dann den Brenner und nach weiteren 5 Minuten auch den elektrischen Ofen ab. Man hüte sich, das Verbrennungsrohr längere Zeit mit dem Brenner allein zu erhitzen, da es dann beim Erweichen des Glases unfehlbar aufgeblasen wird. Nach dem Abstellen der Heizung steigert man die Blasengeschwindigkeit auf 2 Blasen in der Sekunde. Sobald man im Azotometer wieder Mikrobläschen erhält, schließt man den Verbindungshahn, zieht die Kautschukverbindung vom Verbrennungsrohr, setzt auf dieses die Schlauchkappe und läßt unter Kohlendioxyd-Druck erkalten. Das Azotometer stellt man zum Auskühlen in einen etwas kühleren Raum (Barometer-Zimmer), wobei man zweckmäßig durch Heben der Birne auf gleiches Niveau im Meßrohr und Niveaugefaß einstellt. Nach 10 Minuten liest man ab, indem man den Meniskus in der hinter dem Meßrohr stehenden Niveaubirne mit dem im Meßrohr genau in eine Ebene bringt. Man liest den Teilstrich ab, der sich mit dem unteren Rand des Meniskus in derselben horizontalen Ebene befindet. Ferner liest man die T e m p e r a t u r (Thermometer im Azotometerbecher) und den B a r o m e t e r s t a n d ab. Berechnung der Analyse: Der Prozentgehalt an Stickstoff beträgt:

Hierbei bedeuten: υ das abgelesene Volumen Stickstoff in ccm, s die angewandte Substanzmenge in Milligramm, t die Temperatur, « = À i = 0,003663.

b der Barometerstand, β die Korrektur des Barometerstandes auf 0°, e die Tension der Kalilauge bei i 0 . 1 Fehlergrenze der Bestimmung: 0,3% nach oben, 0,1% nach unten. 1 Die Werte des eingeklammerten Ausdruckes der Formel für die verschiedenen Größen von (b — β — e) und t findet man in der Tabelle auf S. 400 und 401. Von dem abgelesenen Barometerstand b kann man mit hinreichender Genauigkeit

-5- für ß, — für e abziehen. Ζ. B. : abgelesen b = 738 mm, t = 20° ; auf der Tabelle

ö

o

nachzuschlagen ρ = (738 — 2,5 — 4) = 731,5. Zur logarithmischen Berechnung benutzt man : Logarithmische Rechentafeln von Küster- Thiel- Fischbeck. 4*

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Elementar-analytische Methoden

II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig

Das Wesen der Methode besteht darin, daß eine abgewogene Menge Substanz im Yerbrennungsrohr im Luft- oder Sauerstoff-Strom am Platinkontakt bzw. durch Kupferoxyd-Bleichromat oxydiert und die Oxydationsprodukte, K o h l e n d i o x y d durch Ä t z n a t r o n , W a s s e r durch C a l c i u m c h l o r i d , absorbiert und gewogen werden. Durch Anwendung einer „Universalfüllung" lassen sich alle Substanzen, gleichgültig, ob sie neben Kohlenstoff und Wasserstoff noch Stickstoff,

Fig. 35

Halogen oder Schwefel enthalten, im gleichen Rohr analysieren. Auftretende S t i c k o x y d e werden an einer Schicht glühenden Kupfers zu S t i c k s t o f f reduziert, H a l o g e n wird durch S i l b e r w o l l e , S c h w e f e l durch S i l b e r w o l l e und B l e i c h r o m a t gebunden. Zur C, Η-Bestimmung sind erforderlich: ein Schnabelverbrennungsrohr (wie für die N-Bestimmung), ein passender, einfach durchbohrter Gummistopfen, der der Rohrwand eng anliegen soll, ein Chlorcalcium-Absorptionsrohr, ein Natronasbest-Absorptionsrohr, zwei 1,5 bzw. 2 cm lange, mit Vaseline im Vakuum zu imprägnierende (vgl. S. 54) Verbindungsschlauchstücke aus e n g l u m i g e m Vakuumschlauch, ein 8—10 cm langes Stück 1 mm dicken Silberdrahts, 1,0 g Silberwolle, gereinigte Asbestwolle („Gooch-Tiegel-Asbest, zur Analyse"), grobes und feines Kupferoxyd, mit Bleichromat überzogenes Kupferoxyd (vgl. S. 56), Natronasbest („Merck", zur Mikroanalyse), gewöhnliche und bei 100° getrocknete Watte. Die Platingegenstände und die eigentliche Apparatur werden vom Laboratorium gestellt.

II. Bestimmung yon Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig

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Vorbereitungen Füllung des Gasometers mit Sauerstoff: Durch Öffnen der Hähne a und b (Fig. 36) füllt man den unteren Behälter vollständig mit Wasser. Nach Schließung der beiden Hähne schraubt man die V e r s c h l u ß k a p p e c ab, führt einen Schlauch, der mit einer S a u e r s t o f f b o m b e in Verbindung steht, in den Tubus bei c ein und füllt das Gasometer mit Sauerstoff. Nach Aufschrauben der Verschlußkappe, Füllen des oberen Behälters mit Wasser, öffnen der Hähne a und b tritt bei b ein Sauerstoffstrom aus. Die Füllung des Gasometers mit Luft bedarf keiner näheren Beschreibung. Der Druckregler: Dieser Einrichtung kommt die wichtige Aufgabe zu, die gleichbleibende Geschwindigkeit des Gasstroms während der Verbrennung zu gewährleisten. Seine Wirkungsweise ergibt sich aus der Zeichnung (vgl. Fig. 35) ; er besteht im wesentlichen aus einem G l o c k e n g a s o m e t e r , der in ein mit Wasser, dem etwas N a t r o n l a u g e zugesetzt ist, bis zur Hälfte gefülltes Gefäß taucht und durch Verschieben in einer Korkringfassung die Einstellung jedes beliebigen Überdrucks bis zu etwa 15 cm Wassersäule gestattet. Die G l o c k e n - i a gasometer der Druckregler werden mit den Vorratsgasometern durch lange Schläuche verbunden, die — wie alle Schlauchverbindungen vom Gasometer bis zum Verbrennungsrohr — sicherheitshalber „künstlich gealtert" sind, um die Abgabe verbrennlicher Bestandteile des frischen Kautschukschlauchs an das durchströmende Gas zu vermeiden. Neue Schläuche werden k ü n s t l i c h g e a l t e r t , indem man sie im Trockenschrank auf 100—110° (nicht höher 1) erhitzt Fig. und gleichzeitig eine Stunde lang mit der Wasserstrahlpumpe Fig. 36 36 Luft durch sie hindurchsaugt. Die Verbindungs3chläuche laufen durch einen P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n , mit dessen Hilfe man den Zustrom aus den Vorratsgasometern so einstellt, daß in möglichst g r o ß e n Zeitabständen, etwa alle 10—15 Sekunden, eine Blase aus dem Glockengasometer entweicht. Die Ableitungsröhren der Glockengasometer werden durch künstlich gealterten Schlauch mit den Schenkeln eines D r e i w e g e h a h n e s verbunden, der eine bequeme Umschaltung vom einen auf den anderen Gasstrom erlaubt. Um die Konzentration der Kalilauge des auf den Dreiwegehahn folgenden B l a s e n z ä h l e r s aufrecht zu erhalten, schaltet man zwischen Glockengasometer und Dreiwegehahn ein kleines C h l o r c a l c i u m r ö h r c h e n , das mit g r o b e m Chlorcalcium gefüllt wird, ein. Der Blasenzähler und die Trockenapparatur: Der Blasenzähler ist an den T r o c k e n a p p a r a t , ein mit Natronasbest und Chlorcalcium gefülltes U-Rohr mit zwei Schliffstopfen, angeschmolzen. Man füllt die gereinigte und getrocknete Apparatur, indem man von der dem Blasenzähler benachbarten Schlifföffnung aus einen größeren Wattebausch bis kurz vor den tiefsten Punkt der Biegung schiebt, das Ansatzrohr zum Blasenzähler vorläufig durch einen Wattewickel, den man mit einem Stahldraht einführt, verschließt, zunächst auf den Wattebausch unter Klopfen % o m gewöhnliches, nicht besonders getrocknetes Chlorcalcium füllt, diese Schicht durch einen kleinen Wattebausch festlegt und darauf Natronasbest („Merck", zur Analyse) bis kurz unterhalb des Ansatzrohres auffüllt. Nachdem man auch diese Schicht durch einen Wattebausch festgelegt hat, ersetzt man den Wattewickel im Ansatzrohr durch einen ganz lockeren Wattepfropf, füllt bis zum Schliff mit grobem, gewöhnlichem Chlorcalcium, schließt durch einen Wattebausch ab und setzt nach dem Auswischen des Schliffs den mit Vaseline gefetteten Glasstopfen ein, so daß der Schliff eben durchsichtig erscheint. Mit Hilfe eines ausgezogenen Glasrohres füllt man nun vom freien Ansatzrohr des Blasenzählers aus etwa 50-proz. schaumfreie Kalilauge ein, so daß

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Elementar-analytische Methoden

die Spitze des Zuführungsröhrchens eben in die Lauge eintaucht; das Rohr wird innen mit einem Wattewickel und auch außen sorgfältig gesäubert. Nun führt man von der anderen Schlifföffnung aus in das Ansatzrohr einen g e t r o c k n e t e n , lockeren Wattewickel ein, verschließt dieses Ansatzröhrchen mit einer S c h l a u c h k a p p e und füllt unter Klopfen bis zum Schliff mit hirsekorngroßem Chlorcalcium. auf, das man vorher im Trockenschrank bei 180—200° getrocknet hat. Nach dem Festlegen der Chlorcalciumschicht durch einen g e t r o c k n e t e n Wattebausch dichtet man den Schliff mit Vaseline. Den Blasenzähler verbindet man nun durch einen 25 cm langen, künstlich gealterten Kautschukschlauch mit dem Dreiwegehahn. Die ganze Trockenapparatur ist, an einem Drahtbügel leicht beweglich, an einem Hakenstativ befestigt. Man muß p e i n l i c h d a r a u f a c h t e n , d a ß — solange kein Gasstrom durch die Trockenapparatur geht — das zum Verbrennungsrohr führende A n s a t z r o h r des T r o c k e n a p p a r a t e s s t e t s durch eine S c h l a u c h k a p p e verschlossen b l e i b t , um das Chlorcalcium vor der Berührung mit der feuchten Außenluft zu schützen. Ist das Chlorcalcium an der Austrittsstelle der Gase verdorben oder erschöpft — die Natronasbestfüllung hält viel länger vor —, so füllt man nach der Entfernung des Stopfens etwa in halber Höhe des Rohres mit frischem Chlorcalcium auf. Die Verbindung des Trockenapparates mit dem Verbrennungsrohr geschieht durch einen G l a s d o r n , den man sich aus einem im äußeren Durchmesser mit dem Ansatzrohr des Trockenapparates übereinstimmenden, schwach konisch ausgezogenen Capillarrohr herstellt; er wird mit einem Stück Vakuumschlauch, das im Vakuum mit geschmolzener Vaseline getränkt ist, mit dem Ansatzrohr verbunden und verbleibt stets am Trockenapparat; bei Nichtgebrauch des Trockenapparates ist der Glasdorn stets durch eine Schlauchkappe aus englumigem Vakuumschlauch verschlossen zu halten. Die Verbindungsschläuche f ü r den Trockenapparat und die Absorptionsröhrchen tränkt man mit Vaseline im Vakuum, indem man 1,5 und 2 cm lange Stückchen e n g l u m i g e n Vakuumschlauchs auf einen Bindfaden aufreiht und in einem zu 2/a mit geschmolzener Vaseline gefüllten Rundkolben in der Schmelze vollkommen untertaucht; dann verschließt man den Kolben mit einem Gummistopfen, wobei man die Enden des Fadens zwischen Stopfen und Kolbenhals klemmt und evakuiert bei W a s s e r b a d t e m p e r a t u r an der Wasserstrahlpumpe. Anfangs entweichen die okkludierten Gase unter starkem Schäumen; man hebt das Vakuum zeitweilig kurz auf und evakuiert, bis nur noch einzelne Blasen entweichen. Man erhitze nicht länger als % Stunde, da der Kautschuk sonst quillt; nach dem Abtropfen und Ab- und Auswischen sind die Schläuche gebrauchsfertig. Zur Verbindung mit dem Verbrennungsrohr schiebt man den Dorn in die Bohrung des im Verbrennungsrohr sitzenden Gummistopfens, so daß die Spitze eben herausragt. Um das Ankleben des Kautschukstopfens zu vermeiden, befeuchtet man die Bohrung und die äußere Oberfläche mit einer Spur Glycerin und entfernt den Überschuß durch sorgfältiges Ab- und Auswischen mit Watte.

Die Füllung des Verbrennungsrohres : I n den Schnabel des gereinigten und trockenen Rohres bringt man vom weiten Rohrende aus einen 1 mm dicken Silberdraht, der eben aus dem Schnabel herausschaut und am anderen Ende zu einer flachen Spirale aufgerollt ist, so daß er im Rohr festliegt; durch seine gute Wärmeleitung verhindert er, daß sich im Schnabel Wasser kondensiert. Nun schiebt man einen Bausch Silberwolle mit einem passenden Glasstab, dessen Kanten eben rund geschmolzen sind, bis zum Schnabel vor und drückt ihn mäßig fest zusammen, so daß eine 0,7 cm lange Schicht entsteht. Darauf bringt man einen kleineil Bausch aus frisch aus-

II. Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff nach Liebig

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geglühtem Gooch-Tiegel-A¿best ins Rohr und drückt ihn mit dem Glasstab gegen die Silberwolle zu einer 2 mm langen Schicht schwach zusammen. Auf den Asbestpfropf füllt man 1,5 cm feines Kupferoxyd, das man durch einen gleichen Asbestpfropf abschließt. Hierauf folgt eine 5 cm lange Schicht aus feinem Kupferoxyd, das nach beendeter Rohrfüllung im Wasserstoffstrom reduziert wird (s. unten). Bei senkrecht gehaltenem Rohr läßt man das feine Kupferoxyd durch seitliches Klopfen mit der flachen Hand gut aufsitzen und legt es durch einen kleinen Asbestpfropf fest. Um zu verhindern, daß bei den unvermeidlichen Schwankungen in der Verbrennungsgeschwindigkeit eine plötzliche Änderung in der Strömungsgeschwindigkeit und damit die Gefahr auftritt, daß unverbrannte Dämpfe die Rohrfüllung passieren, bringt man an dieser Stelle der Rohrfüllung einen B r e m s p f r o p f aus Asbest an, der bewirkt, daß durch diese Zone in gleichen Zeiten stets nur gleiche Gasmengen durchstreichen. Zu diesem Zweck bringt man ausgeglühten langfaserigen Asbest in 3 Anteilen ins Rohr, wobei man jedesmal mit dem Glasstab ganz schwach zusammendrückt, so daß ein etwa 7 mm langer Asbestpfropf entsteht; man vermeide übermäßiges Zusammendrücken. Der Bremspfropf soll dem Gasstrom einen solchen Widerstand leisten, daß bei einem Überdruck von etwa 7—10 cm Wassersäule im Druckregler in der Minute 10 ccm Gas den Querschnitt passieren; die Menge des durchströmenden Gases bestimmt man mit Hilfe des Blasenzählers, den man zu diesem Zweck in der nachfolgenden Weise bei der Einrichtung des Bremspfropfens eicht. Da der Widerstand des Asbestpfropfens in der Wärme beträchtlich größer ist als in der Kälte, muß die Prüfung seiner Durchlässigkeit bei g e h e i z t e r Rohrfüllung erfolgen. Man schließt das Verbrennungsrohr mit dem Bremspfropfen an den Trockenapparat, schaltet die Heizung ein, stellt den Druckregler auf einen Überdruck von etwa 5—7 cm ein und bestimmt — sobald Temperaturgleichgewicht eingetreten ist — bei voller Öffnung des Dreiwegehahns in Luftstellung mit der Uhr die Anzahl der Blasen in 10 Sekunden ; dann verbindet man den Schnabel des Verbrennungsrohres mit der Mariotteschen Flasche (s. unten) und senkt den Hebel so lange, bis man die gleiche Blasenzahl in 10 Sekunden erhält. Nun mißt man mit einem kleinen Meßzylinder während genau einer Minute das Volumen dea aus dem Hebel der Mariotteschen Flasche abtropfenden Wassers. Aus Versuchsdauer und Blasenzahl errechnet man die „ K o n s t a n t e " des Blasenzählers. Die Durchlässigkeit des Bremspfropfens richtet man nun durch vorsichtiges Zusammendrücken unter jeweiliger Kontrolle der Blasenfrequenz im Blassnzähler so ein, daß in der Minute 10 ccm Gas den Querschnitt des Rohres passieren; man geht dabei mit der Kubikzentimeterzahl eher etwas hinauf, (bis zu 12 ccm), da durch die auf den Bremspfropf folgende Rohrfüllung noch ein kleiner Widerstand hinzukommt. Die endgültige Eichung des Blasenzählers erfolgt erst nach beendeter Rohrfüllung.

Auf den Bremspfropf folgt eine 2 cm lange Schicht von Silberwolle, die man zweckmäßig in einem alten Verbrennungsrohr vorformt, so daß sie sich nur unter ziemlicher Reibung ins Rohr einführen läßt, um ein Zusammendrücken des Bremspfropfs zu vermeiden. Nachdem man die

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Elementar-analytische Methoden

Silberschicht durch einen kleinen lockeren Asbestpfropf abgeschlossen hat, füllt man unter beständigem Drehen und leichtem seitlichen Klopfen des Rohres (nicht durch Aufstauchen!) eine etwa 14 cm lange Schicht von mit Bleichromat überzogenem Kupferoxyd ein und legt sie durch einen lockeren Asbestpfropf fest. Mit Bleichromat überzogenes Kupferoxyd stellt man sich aus grobem Kupferoxyd her, indem man dieses in einfacher Schicht auf einem kleinen Eisenblech ausbreitet, von oben her mit dem Gebläse auf möglichst hohe Glut bringt und feingepulvertes Bleichromat in dünner Schicht daraufstreut; das sofort schmelzende Bleichromat überzieht das Kupferoxyd mit einer festhaftenden Schicht, wobei die Stücke etwas zusammenkleben. Man dreht dann den Schmelzkuchen um und behandelt die Rückseite in gleicher Weise. Nach dem Erkalten zerdrückt man die Masse leicht im Mörser und siebt pulverförmige und allzugrobe Stücke aus.

Nach dem Einfüllen und Festlegen der Kupferoxyd-Bleichromatschicht durch einen lockeren Asbestpfropf reinigt man das Rohr sehr sorgfältig mit einem großen Wattewickel, bis die Watte nicht mehr durch den Bleichromatstaub angefärbt wird. Auf die Kupferoxyd-Bleichromatschicht folgt dann eine 1,5—2 cm lange Schicht von Silberwolle, darauf ein kleiner lockerer Asbestpfropf und zum Abschluß eine 2,5 cm lange Schicht lockeren Platinasbests oder ein 3 cm langes Platin-Drahtnetzröllchen. Die zuletzt eingefüllte Silberschicht wird nach fünf hintereinander folgenden Verbrennungen h a l o g e n - oder s c h w e f e l h a l t i g e r V e r b i n d u n g e n erneuert. Das so gefüllte Rohr wird nun — wie oben beschrieben — nochmals auf seine Durchlässigkeit geprüft und der Blasenzähler endgültig geeicht. Nachdem man das Rohr in seiner ganzen Länge im t r o c k n e n Luftbzw. Sauerstoffstrom ausgeglüht hat, ist es für die Verbrennung s t i c k s t o f f f r e i e r Verbindungen gebrauchsfertig. Die Verbrennung stickstofffreier Substanzen führt man vorteilhaft im S a u e r s t o f f s t r ö m — anstatt im Luftstrom — aus. Für die Verbrennung s t i c k s t o f f h a l t i g e r Substanzen wird die 5 cm lange Kupferoxydschicht in der bei der Stickstoffbestimmung beschriebenen Weise im Wasserstoffstrom reduziert. Nach der Reduktion glüht man die Rohrfüllung eine halbe Stunde lang in einem schwachen, t r o c k e n e n Stickstoffstrom aus, läßt unter Stickstoff erkalten und verdrängt dann den Stickstoff durch Luft. Die Kupferschicht wird frisch reduziert, wenn es notwendig erscheint, frühestens nach vier Bestimmungen. Bei sorgfältiger Behandlung h a t das Verbrennungsrohr eine Lebensdauer von 100 und mehr Analysen. Die Absorptionsapparate und ihre Füllung : Zur Absorption des bei der Verbrennung gebildeten W a s s e r s und K o h l e n d i o x y d s benutzt man A b s o r p t i o n s r ö h r c h e n aus dünnwandigem Glas mit zwei Hahnschliffen (nach B l u m e r - B e r g e r , Fig. 37). Die Ansatzröhrchen sollen in ihrem äußeren Durchmesser unter sich und mit dem des Rohrschnabels streng übereinstimmen. Der eine Schliffstopfen des Chlorcalcium-Rohres

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ist zu einem „ W a s s e r s a c k " umgebildet, indem der Stopfen einen Boden mit feinem Loch erhält, auf das einCapillarrohr aufgeschmolzen ist. Man füllt das gereinigte und getrocknete C h l o r c a l c i u m - R o h r , indem man zunächst den Schliffstopfen mit Capillare leicht mit Vaseline einfettet, wobei man die oberen 2 mm ausspart bzw. mit einem Tuch von Vaseline befreit, damit beim Einfügen des Stopfens kein Hahnfett austreten kann. Der Glasschliff soll eben durchsichtig sein ; der Stopfen soll sich nur unter beträchtlicher Reibung drehen lassen. Überschüssige Vaseline entfernt man aus der Hahnöffnung und dem Ansatzrohr sorgfältig mit einem Wattewickel. Auf den Schliffstopfen bringt man nun einenkleinen Wattebausch, füllt zunächst 1 cm grobkörniges Chlorcalcium auf, legt die Schicht durch einen kleinen Wattebausch fest und füllt nun unter leichtem seitlichen Klopfen hirsekorngroßes, vorher bei 180—200° getrocknetes Chlorcalcium bis kurz unter den Schliff ein. Nach dem Pestlegen dieser Schicht durch einen g e t r o c k n e t e nWattebausch führt man in den sorgfältig ausgewischten Schliff den wie oben mit Vaseline gefetteten Schliffstopfen ein, dessen Hohlraum mit einem lockeren, g e t r o c k n e t e n Wattebausch ausgefüllt wird. Fig. 37 Da das Chlorcalcium b a s i s c h e Bestandteile enthält, muß die Füllung vor Benützung des Absorptionsrohrs durch Kohlendioxyd abgesättigt werden. Zu diesem Zweck schließt man das zum Wassersack führende Ansatzrohr unter Zwischenschaltung eines Trockenrohres an den Kippschen Apparat an, leitet 10 Minuten lang einen kräftigen Kohlendioxydstrom durch und läßt y 2 Stunde verschlossen unter dem Druck des Kipps stehen. Nachdem man mit der Mariotteschen Flasche 200 ccm trockene Luft durch das Rohr gesaugt hat, ist das Rohr gebrauchsfertig.

Eine Füllung reicht für mindestens 15 Analysen; man erneuert die Füllung zweckmäßig mit der Neufüllung des Natronasbest-Rohres. Das gereinigte und getrocknete N a t r o n a s b e s t - R o h r wird gefüllt, indem man nach sachgemäßer Einführung des gefetteten Schliffstopfens, dessen Hohlraum von einem lockeren Wattebausch ausgefüllt wird, auf diesen einen kleinen Wattebausch bringt, dann unter leichtem seitlichen Klopfen z u 2 / 3 mit Natronasbest („Merck") auffüllt, die Schicht durch einen kleinen Wattebausch abschließt, nun % c m gewöhnliches, nicht besonders getrocknetes Chlorcalcium einfüllt, erneut durch einen lockeren Wattebausch abschließt und darauf bis kurz unterhalb des Schliffes bei 180—200° getrocknetes hirsekorngroßes Chlorcalcium einfüllt; die Schicht wird nun durch einen Bausch g e t r o c k n e t e r Watte

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Elementar-analytische Methoden

abgeschlossen und der mit Vaseline gefettete Schliffstopfen eingesetzt. Das Rohr ist sogleich gebrauchsfertig. Die Füllung reicht f ü r mindestens 15 Bestimmungen. I n dem Maße, wie der Natronasbest Kohlensäure aufnimmt, wird die schmutziggraue Farbe des Absorptionsmittels bedeutend heller und m a n erkennt an dem F a r b u m s c h l a g ohne weiteres, ob die Füllung für die nächste Analyse noch ausreichend ist. Sobald der Natronasbest bis auf 1 cm Schichtlänge verbraucht ist, erneuert man die Rohrfüllung. Da die D a m p f t e n s i o n über dem Natronasbest geringer ist als über dem scharf getrockneten Chlorcalcium, muß man zwischen diese beiden Schichten etwas g e w ö h n l i c h e s , nicht besonders getrocknetes Chlorcalcium einschalten. Die Absorptionsröhrchen werden unter sich durch ein 2 cm langes, mit dem Verbrennungsrohr durch ein 1,5 cm langes Stück e n g l u m i g e n Vakuumschlauchs, der vorher im Vakuum mit Vaseline getränkt ist (vgl. S. 54), verbunden, wobei man darauf achtet, daß die Enden der Ansatzröhrchen, die vorsichtig ohne stärkere Verrundung glattgeschmolzen sind, möglichst d i c h t aneinanderstoßen. U m sich von eventuellen Abweichungen im Rohrdurchmesser unabhängig zu machen, kennzeichnet man die Verbindungsschläuche zweckmäßig durch einen Pfeil in der Stromrichtung und schließt sie stets in dieser Richtung an. Damit der Kautschuk besser gleitet, befeuchtet man die Schläuche innen mit einer Spur Glycerin, indem man einen mit einer minimalen Menge Glycerin befeuchteten Wattewickel durch die Bohrung schiebt; es ist unbedingt notwendig, danach jeglichen Überschuß an Glycerin durch einen trockenen Wattewickel sorgfältig zu entfernen. Die Mariottesche Flasche : Da die dichtgefüllten Absorptionsgefäße dem Gasstrom einen Widerstand von einigen Zentimeter Wassersäule bieten, muß bei Anschaltung der Absorptionsapparate allein an der Verbindungsstelle zwischen Rohrschnabel und Chlorcalciumrohr notwendig Überdruck herrschen; dadurch wird aber die quantitative Erfassung der Verbrennungsprodukte stark gefährdet, da bei ihrer hohen Konzentration an dieser Stelle die Möglichkeit von Verlusten nach außen in gesteigertem Maße gegeben ist. Die wirksamste Gegenmaßnahme besteht darin, im Innern der Verbindungsstelle möglichst Atmosphärendruck herzustellen. Dies erreicht man durch Anschaltung der Mariotteschen F l a s c h e , die es gestattet, einen bestimmten, leicht zu verändernden Unterdruck in den Absorptionsapparaten zu erzeugen. Die Einrichtung der Mariotteschen Flasche ergibt sich aus der Zeichnung. Das Hebelrohr wird durch einen Korkstopfen (nicht Gummistopfen) in den Tubus der Klärflasche eingepaßt, wodurch sich der Hebel in jede beliebige Stellung bringen läßt. Das zweimal rechtwinklig nach unten gebogene Einleitungsrohr trägt einen Glashahn, der es ermöglicht, die Mariottesche Flasche ohne Veränderung des in eine bestimmte Lage eingestellten Hebels abzuschalten; ein gewöhnlicher Kautschukschlauch verbindet das Rohr mit dem rechtwinklig abgebogenen Ansatzröhrchen eines kleinen Chlorcalciumrohrs. Bei der Analyse wird das Chlorcalciumrohr direkt an das Natronasbest-Rohr angeschlossen, bei Nichtgebrauch aber durch eine Schlauchkappe verschlossen.

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A u s f ü h r u n g der V e r b r e n n u n g Wägung: Die Hauptschwierigkeit bei der Wägung der A b s o r p t i o n s a p p a r a t e liegt in der Umgehung der Fehler, die durch die besondere, mit den äußeren Umständen stark schwankende Beschaffenheit der die Glasoberfläche bedeckenden W a s s e r h a u t gegeben sind. Zu diesem Zweck müssen die Absorptionsgefäße vor und nach der Analyse in ganz der gleichen Weise behandelt und nach genau gleichen Zeiten zur Wägung gebracht werden, da nur unter diesen „übereinstimmenden Zuständen" die Gewichtsdifferenz genau definiert ist. Das sachgemäß gefüllte Natronasbest-Rohr wird zunächst mit einem Paar schwach angefeuchteter F l a n e l l a p p e n und darauf mit zwei R e h l e d e r l a p p e n sorgfältig und allseitig abgewischt, indem man die Läppchen von der Mitte her unter sanftem Druck und drehender Bewegung über die Glasoberfläche gleiten läßt ; übermäßiges Reiben, zumal unter starkem Druck, muß vermieden werden. Die Ansatzröhrchen werden nun mit einem sauberen, um einen Eisendraht gedrehten W a t t e w i c k e l , der eben in die Röhrchen Fig· 38 paßt, ausgewischt; man hüte sich, zu nahe an den Hahnschliff zu kommen, da sonst leicht etwas Vaseline entfernt wird. Zum Schluß werden die Absorptionsröhrchen mit einem Paar trockener R e h l e d e r l ä p p c h e n , die leicht und ungehemmt über die Oberfläche gleiten sollen, nochmals abgewischt. Das Röhrchen wird dann, ohne daß man es mit den Fingern berührt, auf einem D r a h t g e s t e l l (Federhalterständer) unmittelbar neben der Waage abgelegt; man notiere sich genau die Zeit des Ablegens. In der gleichen Weise wird das Chlorcalcium-Rohr zur Wägung vorbereitet. Während der Zeit des Auskühlens wägt man zweckmäßig die Substanz ein (s. unten). Nun bestimmt man den N u l l p u n k t der Waage. Dann erfaßt man das Natronasbest-Rohr, das nach dem Abwischen nicht mehr mit den Fingern berührt werden darf, mit dem trockenen Rehlederläppchen, führt durch kurzes Öffnen des Hahnes D r u c k a u s g l e i c h herbei und legt es mit Hilfe der A l u m i n i u m - D r a h t g a b e l (Fig. 38) auf einen kleinen D r a h t b ü g e l , auf dem es in zwei Punkten unterstützt ruht, auf die linke Waagschale. Darauf setzt man die Tara auf (für die Tara sind stets die gleichen Gewichtsstücke zu verwenden) und bestimmt 10 Minuten nach dem Abwischen der Röhrchen das u n g e f ä h r e Gew i c h t , wobei man es durch Auflegen von Zentigramm-Gewichtsstücken so einrichtet, daß der Reiter möglichst an den A n f a n g d e s R e i t e r l i n e a l s zu stehen kommt. I n der 15. Minute bestimmt man das g e n a u e

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G e w i c h t . Unmittelbar im Anschluß daran bestimmt man das Gewicht des Chlorcalcium-Rohres. Nach Beendigung der Verbrennung werden die Absorptionsgefäße nach genau gleicher Vorbehandlung nach der gleichen Zeit gewogen. Hat man in der 15. Minute das genaue Gewicht bestimmt, so legt man rasch die dem Zuwachs entsprechende Zahl von Zentigramm-Gewichtsstücken auf, setzt den Reiter in die entsprechende Kerbe am Anfang des Reiterlineals und kontrolliert nochmals den Ausschlag, der nun wegen der Abweichung der Gewichtsstücke von den Angaben des Reiters etwas verschieden sein wird. Damit erreicht man, daß man die Wägung nach der nächsten Verbrennung mit dem Reiter allein — ohne Zuhilfenahme eines Zusatzgewichtes, das man erst zu eichen hätte — durchführen kann. Die S u b s t a n z wird im offenen P l a t i n s c h i f f c h e n eingewogen; h y g r o s k o p i s c h e Substanzen wägt man im W ä g e s c h w e i n c h e n ab. Das P l a t i n s c h i f f c h e n wird zur Reinigung im Reagenzglas mit verdünnter Salpetersäure ausgekocht, am Platindraht in der entleuchteten Bunsenflamme kurz ausgeglüht und zum Auskühlen etwa y 3 Minute lang auf einen vernickelten K u p f e r b l o c k gestellt. Das leere Schiffchen wird mit der Pinzette auf die Waagschale gebracht und sorgfaltig auf 0,01 mg genau gewogen. Nach dem Einfüllen der Substanz, wozu man das Schiffchen auf ein sauberes Stück Papier abstellt, wischt man es außen sauber mit einem feinen Haarpinsel ab und bestimmt mit einer Genauigkeit von 0,01 mg die Gewichtszunahme. Für C,H-Bestimmungen wägt man 20—30 mg ein. Nach der Einwaage bringt man das Schiffchen auf den Kupferblock zurück und bedeckt diesen mit einer kleinen Glasschale. Die Verbrennung Zweckmäßig hat man noch während der Auskühlungszeit der Absorptionsapparate den e l e k t r i s c h e n Ofen eingeschaltet, wobei man durch das Rohr L u f t im Analysentempo durchströmen läßt 1 . War das Rohr vorher nicht besonders getrocknet oder hat es längere Zeit unbenutzt gestanden, so erhitzt man vor Beginn einer Analysenserie den leeren Rohrteil, nachdem der Ofen seine Temperatur erreicht hat, kurze Zeit im L u f t s t r ö m mit dem Bunsenbrenner unter Benutzung des D r a h t n e t z r ö l l c h e n s , indem man 1 cm vom Kautschukstopfen, den man durch einen A s b e s t s c h i r m sorgfältig abschirmt, beginnt. Ist man 1

Dabei beobachtet man in der ersten Zeit des Anheizens, ohne daß der Druckregler seinen Stand ändert, eine merkliche Verminderung der B l a s e n f r e q u e n z im Blasenzähler, da der Bremspfropf einen sofortigenAusgleich des durch die Temperatursteigerung bedingten Druckanstiegs verhindert. Jeder Druckanstieg im Rohr bedingt also ein Nachlassen der Blasenfrequenz, was bei der Analyse die genaue Verfolgung des Verbrennungsvorganges sehr erleichtert.

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mit dem Bunsenbrenner beim elektrischen Ofen angelangt, so entfernt man den Brenner und schiebt das Drahtnetzröllchen an das Rohrende zurück, damit der dem elektrischen Ofen benachbarte Rohrteil zur Aufnahme des Schiffchens mit der Substanz wieder auskühlt. Nachdem man die A b s o r p t i o n s a p p a r a t e gewogen hat, schiebt man über das zum Wassersack führende Ansatzrohr des C h l o r c a l c i u m Rohres zur Hälfte den 1,5 cm langen Verbindungsschlauch, fügt das andere Rohrende durch die 2 cm lange Schlauchverbindung an das direkt zur Natronasbestfüllung führende Ansatzrohr des N a t r o n a s b e s t - R o h r e s , so daß die Rohrenden möglichst dicht aneinander passen, und befestigt die Absorptionsapparate im Halterstativ. Nun überprüft man mit der Uhr rasch die B l a s e n f r e q u e η ζ des Luftstromes in 10 Sekunden und ändert, wenn nötig, die Stellung des D r u c k r e g l e r s , so daß man eine Stromgeschwindigkeit von 9—10 ccm Luft (bzw. Sauerstoff) in der Minute erzielt, was sich aus der Blasenzahl des geeichten Blasenzählers ergibt. Das „Versagen" des Blasenzählers hat oft seinen Grund darin, daß die Lauge bei längerem Gebrauch eingeengt ist; man füllt dann frische (evtl. etwas verdünntere) Lauge nach, hat aber dann den Blasenzähler neu zu eichen. Eine andere Fehlerquelle ist durch das Verkleben des Chlorcalciums im Trockenapparat bzw. in dem am Glockengasometer befindlichen Trockenrohr gegeben. Das Zurücksteigen der Lauge aus dem Blasenzähler in den zum Dreiwegehahn führenden Gummischlauch ist peinlichst zu vermeiden.

Nun schließt man das Chlorcalcium-Rohr dicht an den Schnabel des V e r b r e n n u n g s r o h r e s an und verbindet das Natronasbest-Rohr mit dem Chlorcalcium-Rohr der M a r i o t t e s c h e n F l a s c h e . Darauf entfernt man den Kautschukstopfen aus dem Verbrennungsrohr, schiebt das Stativ mit dem Trockenapparat nach rückwärts, um freien Raum zu haben, hebt den Kupferblock mit dem S c h i f f c h e n an die Rohrmiindung, bringt das Schiffchen mit der Pinzette in die Mündung, schiebt es mit einem geeigneten sauberen Glasstab, ohne daß es zum Umkippen kommt, auf 4—5 cm bis zum elektrischen Ofen vor, fügt den, eventuell mit einem Hauch Glycerin befeuchteten Kautschukstopfen locker in das Rohr und schiebt unter leichtem Druck den Dorn des Trockenapparates in die Bohrung des Stopfens, so daß die Spitze im Innern des Rohres eben herausschaut. Das Einführen der Substanz muß möglichst r a s c h geschehen, damit keine Feuchtigkeit aus der Luft ins Rohr gelangt. Jetzt öffnet man die Hähne der Absorptionsapparate und den Hahn an der Mariotteschen Flasche und überzeugt sich, ob man die alte, früher ermittelte B l a s e n f r e q u e n z im Zähler erhält; eine Abweichung von 1—2 Einheiten von der Zahl der Blasen in 10 Sekunden wirkt nicht störend. Wenn nötig, stellt man die frühere Blasenfrequenz durch Senken oder Heben des Hebels der Mariotteschen Flasche erneut ein. Das während der Analyse aus der Mariotteschen Flasche abtropfende

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Wasser wird in einem 500 c c m - M e ß z y l i n d e r aufgefangen. Dann legt man den K u p f e r d r a h t - B ü g e l , der die Abwärme des elektrischen Ofens überträgt, auf den Rohrsohnabel und das Ansatzrohr des Chlorcalciumrohres, so daß das Metall das Glas berührt; dadurch wird die Kondensation von Wasser in den Ansatzröhren sicher vermieden. Nun beginnt man mit der e i g e n t l i c h e n V e r b r e n n u n g . Man achte darauf, daß der G l o c k e n g a s o m e t e r während der Analyse stets mit Luft (bzw. Sauerstoff) gefüllt bleibt, so daß etwa alle 10 bis 15 Sekunden eine Blase entweicht. Sobald das Rohr im Innern des Ofens auf Rotglut gekommen ist, schiebt man das 5 cm lange D r a h t n e t z r ö l l c h e n vor, so daß es mit seinem vorderen Rand fast an das Schiffchen heranreicht, und stellt die volle, entleuchtete Flamme des Bunsenbrenners an das rückwärtige Ende der Drahtnetzrolle. Die wegen der Erwärmung eintretende Verringerung der Blasenfrequenz geht nach kurzer Zeit zurück. Im allgemeinen wird die im rückwärtigen Teil des Schiffchens befindliche Substanz nach wenigen Minuten zu schmelzen oder zu destillieren bzw. zu sublimieren beginnen. M a n m a c h e s i c h zur Regel, erst dann mit dem Drahtnetzröllchen und B u n s e n b r e n n e r v o r z u r ü c k e n , wenn die an der S u b s t a n z eintretenden Veränderungen vollkommen abgeklungen sind. Dann schiebt man etwa alle 2 Minuten das Drahtnetzröllchen um 2—3 m m vor und rückt mit dem Brenner nach, so daß dieser stets an das rückwärtige Ende der Rolle zu stehen kommt. Dabei vermindert sich die B l a s e n f r e q u e n z im Blasenzähler vorübergehend; man richte das Vorrücken so ein, daß die Blasenzahl sich möglichst wenig verringert, damit man stets einen Überschuß an Sauerstoff zur Verfügung h a t ; man rückt erst dann in gleicher Weise vor, wenn die ursprüngliche Blasenfrequenz wieder erreicht ist. A u ß e r d e m V e r h a l t e n d e r S u b s t a n z h a t m a n also s t e t s auch den B l a s e n z ä h l e r zu b e o b a c h t e n . Man hüte sich, zu rasch vorzugehen, da sonst die Dämpfe ins Rohr zurückschlagen, keinesfalls soll der Blasenzähler zum Stillstand oder gar zum Zurücksteigen kommen. In den meisten Fällen bildet sich am Boden des Rohres unmittelbar vor dem Platinschiffchen durch Kondensation ein großer F l ü s s i g k e i t s t r o p f e n ; das erleichtert die sachgemäße Leitung des Verbrennungsvorganges sehr wesentlich, da sich die Auswirkung der Temperaturregulierung an der Veränderung des Tropfens sehr scharf beobachten läßt. Die ganze Kunst des Verbrennens besteht dann im l a n g s a m e n , g e d u l d i g e n V e r g a s e n d e s T r o p f e n s , wobei man beachte, daß die Wärmeleitung sehr gesteigert wird, sobald man mit dem Brenner an das Platinschiffchen rückt; man hat daher entsprechend langsamer vorzugehen. Sobald die letzten Anteile der Flüssigkeit verdampft sind, erhitzt man das Rohr an der Stelle, an der das Platinschiffchen liegt, mit der Bunsenflamme ohne Drahtnetz, bis das Rohr und das Schiffchen eben zum Glühen kommen; in gleicher Weise bringt man den Rohrteil bis zum elektrischen Ofen

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unter raschem Vorgehen auf dunkle Rotglut ; die bei der Zersetzung der Substanz abgeschiedene K o h l e läßt sich so zumeist rasch verbrennen; wenn notwendig, richtet man die Flamme auch von o b e n her gegen das Rohr. Bildet sich bei der Zersetzung der Substanz eine an der Rohrwand festhaftende s c h w e r v e r b r e n n l i c h e K o h l e , so hilft oft ein kleiner Kunstgriff, der darin besteht, daß man die Kohle vorübergehend auskühlen läßt, wobei sie Sauerstoff absorbiert und bei erneutem Glühen rasch verbrennt, zumal wenn man nach dem Vergasen der flüssigen Allteile auf einen S a u er s t off s t r ö m gleicher Blasenfrequenz umgeschaltet hat. Das wird aber nur bei sehr schwer verbrennlicher Kohle notwendig sein. H a t man im Sauerstoffstrom verbrannt, so schaltet man, sobald die Kohle restlos verbrannt ist, auf den L u f t s t r ö m zurück, um die reduzierte Kupferschicht zu schonen. Oftmals beobachtet man noch während der Verbrennung ein ziemliches A n s t e i g e n der B l a s e n f r e q u e n z im Blasenzähler; das hat seinen Grund darin, daß durch die lebhafte Absorption des entwickelten Kohlendioxyds im Natronasbestrohr ein gewisser U n t e r d r u c k entsteht; zu gleicher Zeit läßt die Tropfgeschwindigkeit der Mariotteschen Flasche nach oder kommt gar vorübergehend zum Stillstand. Diese Störung ist bedeutungslos. Es besteht zwar die Gefahr, daß bei eventuellen kleinen Undichtigkeiten am Schnabel Luft eingesaugt wird; die dadurch bedingten Abweichungen haben aber bei der kurzen Dauer der Erscheinung keinen nennenswerten Einfluß auf die Bestimmung. Selbstverständlich ist eine „Nachregulierung" der Mariotteschen Flasche während der Dauer dieser Erscheinung zu u n t e r l a s s e n ; nach kurzer Zeit stellt sich die alte Tropfgeschwindigkeit von selbst wieder ein.

Sobald man mit dem Bunsenbrenner am elektrischen Ofen angelangt ist, wozu im allgemeinen 15—20 Minuten, nur bei sehr schwer verbrennbaren Substanzen bis zu 30 Minuten erforderlich sind, rückt man mit dem Röllchen und dem Brenner wieder an das Röhrende und schiebt den elektrischen Ofen soweit zurück, daß die r e d u z i e r t e K u p f e r s c h i c h t zum größten Teil aus dem Ofen herausragt; damit erreicht man, daß diese reduzierte Schicht für die nächsten Analysen geschont wird. Von diesem Augenblick an leitet man, um die Überführung der Verbrennungsprodukte in die Absorptionsapparate vollständig zu machen, noch 180 ccm L u f t durch das Rohr. Während des Luftdurchleitens glüht man den leeren Teil des Rohres, 1 cm vom Kautschukstopfen aus beginnend, nochmals kurz mit Brenner und Röllchen durch. Sind 150 ccm Wasser abgeflossen, so schaltet man den elektrischen Ofen aus; nach Beendigung des Luftdurchleitens schließt man den Hahn der Mariotteschen Flasche, dann die Absorptionsgefaße, entfernt sie vom Verbrennungsrohr und läßt dieses, mit einer Schlauchkappe verschlossen, unter dem Druck des Luftgasometers erkalten, so daß es für die nächste Analyse sofort gebrauchsfertig ist. Die Absorptionsgefäße gelangen nach entsprechender Vorbehandlung (s. unten) zur Wägung. Flüssige Substanzen: Die Einwaage geschieht in einem etwa 4 cm langen, an der offenen Seite mit Glasfüßen versehenen und mit Schliff-

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Elementar-analytische Methoden

stopfen verschließbaren Röhrchen ( „ W ä g e s c h w e i n c h e n " ) aus Supremaxglas 1 . Am geschlossenen Ende ist ein Häkchen aus Glas angeschmolzen, an dem das Röhrchen mit Hilfe eines gebogenen Drahtes im Verbrennungsrohr bewegt werden kann. I n das gereinigte Röhrchen bringt man einen kleinen Kristall von Kaliumchlorat, den man über kleiner Flamme gerade schmelzen und dann wieder erstarren läßt. Nach dem Erkalten wägt man das so vorbereitete Röhrchen in einem passenden Drahtgestell auf 0,01 mg genau und füllt aus einer feinen Capillare 20—30 mg der zu analysierenden Flüssigkeit ein. Leicht flüchtige Substanzen werden im Röhrchen mit aufgesetztem Schliffstopfen gewogen. Zur Verbrennung schiebt man das beschickte Röhrchen, mit der offenen Seite zur Rohrfüllung gerichtet, in das Verbrennungsrohr, auf 7—9 cm an den elektrischen Ofen heran. H a t man mit aufgesetztem Stopfen abgewogen, so wird der Stopfen unmittelbar vor dem Einschieben des Röhrchens gelüftet und mit diesem in das Rohr eingeführt. Am Stopfen ist ebenfalls ein Glashäkchen angeschmolzen. Bei der Verbrennung von Flüssigkeiten wird man, wegen ihrer größeren Flüchtigkeit, im allgemeinen etwas v o r s i c h t i g e r a n h e i z e n , als dies oben f ü r feste Substanzen beschrieben ist. Wägung der Absorptionsapparate: Die Wägung der Absorptionsapparate erfolgt wie S. 59 beschrieben, nach gleicher Vorbereitung in genau der gleichen Weise. Während der Zeit des Auskühlens zieht man das Schiffchen mit einem hakenförmig umgebogenen Platindraht aus dem Verbrennungsrohr, glüht kurz in der entleuchteten Bunsenflamme aus und wägt nach dem Erkalten (auf dem Kupferblock) die Substanz für die nächste Analyse ein. Man versäume nicht, sofort nach der endgültigen Feststellung des Gewichtes der Absorptionsgefäße die dem Zuwachs entsprechende Zahl von cg-Gewichtsstücken zu der Tara zu legen und nach dem Versetzen des Reiters in die entsprechende Kerbe am Anfang des Reiterlineals den Ausschlag für die neue Tara zu bestimmen.

Berechnung : Der Prozentgehalt an Kohlenstoff und Wasserstoff läßt sich nach folgenden Formeln berechnen: gefundenes C02 300 Substanz 11 ' gefundenes H 2 0 ^ 201,6 %H = Substanz ' 18,01(5 %C =

Die Berechnung erfolgt mit Hilfe von K ü s t e r s Logarithmentafel. Die Fehlergrenze beträgt f ü r Kohlenstoff ^ 0,3%, für Wasserstoff + 0,2 und — 0,1%. Gute Analysen ergeben etwa 0,1% C zu wenig u n d 0,1% H zu viel. III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen Sind in einer Verbindung außer Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff noch andere Elemente enthalten, so wird zu deren Be1

A. Friedrich, Ang. Ch. 45, 477 (1932).

Ι Π . Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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Stimmung die Substanz entweder durch Erhitzen mit roter, rauchender Salpetersäure im Einschlußrohr oxydiert ( C a r i u s ) oder im Sauerstoffstrom am Platinkontakt verbrannt ( D e n n s t e d t ) . Halogen wird als H a l o g e n s i l b e r , Jod mit Vorteil auch als J o d s ä u r e , Schwefel als B a r i u m s u l f a t , Phosphor als M a g n e s i u m p y r o p h o s p h a t bestimmt. 1. H a l o g e n b e s t i m m u n g n a c h C a r i u s Zur Bestimmung sind erforderlich.: Einschmelzrohre aus schwerschmelzbarem Jenaer Glas (Länge 35 cm, innere Weite 2,5 cm; Wandstärke 1,2 mm) 1 ; rote rauchende Salpetersäure (D. 1,5); festes Silbernitrat; Filterröhrchen mit Jenaer Glasfritten-Filterplatte (13 f G 2) ; halogenfreier Alkohol und salpetersäurehaltiges Wasser (1: 100).

Beschickung des Einschmelzrohres: Das Bombenrohr wird zunächst mit Bichromat-Schwefelsäure gereinigt, mit Wasser ausgespült und an der Wasserstrahlpumpe unter gelindem Erwärmen getrocknet. Die Substanz wird in ein kleines W ä g e r ö h r c h e n mit etwa 8—10 cm langem Stiel eingewogen, das man sich aus einem geeigneten Glasrohr selbst herstellt; zur Wägung legt man es auf ein kleines Drahtgestell (Fig. 39). Nachdem man das u n g e f ä h r e Gewicht des Wägeröhrchens festgestellt hat, wägt man für die Halogenbestimmung 20—30 mg auf 0,01 mg genau ab, führt das Wägeröhrchen mit der Substanz möglichst weit in das horizontal gehaltene Bombenrohr, läßt die Substanz bei senkrecht gehaltenem Rohr hineingleiten, bringt das Wägeröhrchen vorsichtig wieder auf die Waage zurück und bestimmt durch Zurückwägen die g e n a u e Einwaage. Zur Substanz gibt man je nach der Einwaage 60—90 mg feingepulvertes Silbernitrat (am besten das 1 y¿ -fache der dem zu erwartenden Halogengehalt entsprechenden Menge Silbernitrat) und bei Substanzen, die in der Kälte nur langsam mit der Salpetersäure reagieren, direkt 1—1,5 ccm rote rauchende Salpetersäure. Bei Substanzen, die schon in der Kälte lebhaft mit Salpetersäure reagieren, gibt man die Säure in ein etwa 6 cm langes und 0,8 cm weites Röhrchen mit rundem Boden, das man bei ganz schwach geneigtem Rohr vorsichtig bis auf den Boden des Einschmelzrohres gleiten läßt, wobei man sorgfältig vermeidet, daß die Substanz vorzeitig mit der Säure in Berührung kommt. Zuschmelzen des Rohres: Zur Bearbeitung des schwerschmelzbaren Glases schließt man außer der Druckluft noch eine S a u e r s t o f f bomb e an das Gebläse an. Man faßt das Einschmelzrohr in der Mitte mit der linken Hand, hält es möglichst schräg geneigt, wobei man darauf achtet, daß die Salpetersäure nicht aus dem 1

ß

Die Röhren können wiederholt (3—4 mal) benutzt werden, G a t t er m a n n , Praxis des organ. Chemikers. 36. Aufl.

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Elementar-analytische Methoden

Röhrchen zur Substanz gelangt und erhitzt das Rohrende unter ständigem langsamen Drehen zunächst mit der leuchtenden, dann mit der entleuchteten Flamme, zuletzt unter Zuhilfenahme von etwas Sauerstoff, bis das Glas weich geworden ist. Dann schmilzt man einen Glasstab an die innere Seite des Rohres an, zieht ihn auf die andere Seite und bringt ihn, nachdem er auch hier angeschmolzen ist, in eine solche Lage, daß er in der Rohrachse liegt. Nun erhitzt man das Rohr kurz unterhalb, wo es noch zylindrisch ist, zunächst mit der sehwach entleuchteten Flamme, dann unter mäßiger Sauerstoffzufuhr, bis das Glas weich geworden ist. Unter ständigem Drehen und ganz schwachem Zusammendrücken läßt man das Glas an dieser Stelle zusammenfallen; sobald es stark verdickt ist, zieht man das Rohr außerhalb der Flamme langsam zu einerHickwandigen Capillare aus, die man mit einer Sauerstoff-Stichflamme zuschmilzt. Die Capillare läßt man in einer leuchtenden Flamme erkalten und bringt dann das Rohr in einen eisernen S c h u t z m a n t e l , so daß die Capillare einige Zentimeter herausragt; gegebenenfalls füllt man den eisernen Mantel mit Sand entsprechend auf.

S o l a n g e d a s R o h r z u g e s c h m o l z e n i s t , d a r f es n i c h t a u s dem Mantel h e r a u s g e n o m m e n und aus dem B o m b e n r a u m e n t f e r n t werden. Erhitzen des Rohres: Den eisernen Mantel mit Rohr legt man nun in einen B o m b e n - oder S c h i e ß o f e n derart, daß die Capillare etwas erhöht gegen die mit Splitterfänger versehene Wand zeigt, und schließt den Ofen. Es können zu gleicher Zeit mehrere Röhren erhitzt werden. Man zündet alle Brenner an und erhitzt durch Regulierung des Haupthahnes a l l m ä h l i c h auf die gewünschte Temperatur. Diese beträgt für a l i p h a t i s c h e Halogenverbindungen (und viele schwefelhaltige Substanzen) etwa 250°, für a r o m a t i s c h e (und die Sulfosäuren) etwa 300°. Die meisten Substanzen sind nach 3—4 stündigem Erhitzen vollständig oxydiert, bei aromatischen Verbindungen setzt man das Erhitzen noch einige Stunden darüber hinaus fort. öffnen und Entleeren des Rohres: Nach v ö l l i g e m Erkalten nimmt man den eisernen Mantel heraus, vertreibt mit einer kleinen leuchtenden Flamme die etwa in der Capillare vorhandene Flüssigkeit und hält die Capillare in eine spitze Gebläseflamme (Schutzbrille!). Nachdem die unter Druck befindlichen Gase die weich gewordene Capillare durchbohrt haben, nimmt man das Rohr aus dem Mantel und überzeugt sich, daß die Substanz völlig aufgeschlossen ist; gegebenenfalls schmilzt man das Rohr wieder zu und erhitzt von neuem. Ist die Substanz vollkommen aufgeschlossen, so entfernt man den oberen Teil des Rohres, indem man die Capillare zunächst wieder zuschmilzt und dann kurz unterhalb, wo das Rohr noch zylindrisch ist, eine Sauerstoff-Stichflamme gegen das Rohr richtet, so daß es an dieser Stelle aufgeblasen wird. Nun bringt man mittels der Sauerstoffstichflamme das Glas seitlich von der entstandenen Öffnung zum Erweichen und zieht es mit einem Glasstab zur Seite weg, so daß ein breiter Spalt entsteht, den man zu 2 / 3 um das Rohr herumführt. Nachdem man die nun verbleibende Verbindungsstelle zum Erweichen gebracht hat, zieht man die Glaskappe zur Seite fort, wobei man gleichzeitig einen kleinen A u s g u ß erzeugt.

III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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Das Rohr wird zunächst äußerlich gereinigt und der Rohrinhalt vorsichtig mit etwa 10 ccm Wasser verdünnt. Das an der Oberfläche schwimmende kleine Gläschen, das zur Aufnahme der Salpetersäure gedient hat, wird mit der Beinpinzette gefaßt und in ein Becherglas mit rundem Boden (Höhe 15 cm, Weite 3—3,5 cm) entleert und mit destilliertem Wasser ausgespült. Dann wird der Inhalt des Bombenrohres, nachdem man das Halogensilber mit einem Glasstab möglichst zerdrückt hat, unter wiederholtem Nachspülen quantitativ in das Becherglas übergeführt. Hartnäckig an der Wand haftendes Halogensilber wird mit dem Glasstab entfernt, die letzten Anteile durch abwechselndes Nachspülen mit wenig (halogenfreiem) Alkohol und wenig Wasser. Filtrieren und Trocknen des Halogensilbers : Der im Becherglas gesammelte Niederschlag wird zunächst im siedenden Wasserbad erhitzt. Bei Jod(und Brom-)Silber erwärmt man 2 Stunden, da Silberjodid mit Silbernitrat eine feste Verbindung eingeht, die durch Wasser nur allmählich zersetzt wird. Bei Jodbestimmungen hat man außerdem das beim Aufschluß gebildete Silberjodat durch Zugabe von reiner Schwefligsäure-Lösung vorher zu reduzieren. Zur Filtration von Halogensilber-Niederschlägen Fig. 40 dient ein Filterröhrchen mit G l a s f r i t t e n - F i l t e r (vgl. Fig. 40), auf das man eine Aufschwemmung von feinstem G o o c h t i e g e l - A s b e s t bringt, so daß nach dem Festsaugen eine 2 bis 3 mm dicke Asbestschicht entsteht. Vor Benutzung des Röhrchens filtriert man ein wenig eines kalt gefällten S i l b e r c h l o r id- Niederschlags durch das Asbestfilter; sobald das Filtrat klar abläuft, ist das Röhrchen gebrauchsfertig. Vor der Filtration spült man das Röhrchen mit Wasser, füllt es mit 96-proz. Alkohol, den man langsam durchsaugt, schließt den Schaft an die Saugpumpe an und trocknet das Röhrchen 10 Minuten lang in dem auf 130—140° geheizten K u p f e r - T r o c k e n b l o c k , indem man einen schwachen Luftstrom durchsaugt. Zum Schutz gegen den in der Luft enthaltenen Staub fügt man ein kurzes, mit Stiel versehenes Glasröhrchen, das man mit festgestopfter Watte füllt, mit einem porenfreien, sauberen Korkstopfen in den Becher des Filterröhrchens. Das getrocknete Filterröhrchen wird in der bei der Behandlung der Absorptionsgefäße (S. 59) beschriebenen Weise abgewischt und 15 Minuten nach dem Ablegen unter Berücksichtigung der Nullpunktslage genau gewogen. Der Halogensilber-Niederschlag wird mit Hilfe eines vorher sorgfältig gereinigten Hebers auf das Filter übergeführt (Fig. 40) ; dieser wird mit 5·

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Elementar-analytische Methoden

einem kleinen Gummistopfen auf das Filterröhrchen aufgesetzt. Man senkt ihn bis auf den Boden des Gefäßes und saugt den Niederschlag mit mäßiger Geschwindigkeit (etwa 2 Tropfen in der Sekunde) über; dann spült man mit wenig Alkohol und, nachdem dieser abgesaugt ist, mit wenig salpetersäurehaltigem Wasser (1: 100) nach. Wenn nötig, wiederholt man das abwechselnde Nachspülen mit wenig Alkohol und wenig Wasser; zum Schluß spült man das in das Filtrierröhrchen mündende Ende des Heberrohres mit Alkohol ab, füllt das Filterröhrchen bis zum Rand mit Alkohol, schließt es, sobald dieser durchgesaugt ist, an die Saugpumpe an und trocknet 10 Minuten lang im K u p f e r T r o c k e n b l o c k bei 130—140°; nach 15 Minuten wird gewogen. Die Carius-Methode ist zuverlässig, aber zeitraubend. J o d wird zweckmäßig nach Leipert (S. 71), Chlor und B r o m nach dem nachstehenden Verfahren bestimmt.

2. B e s t i m m u n g v o n C h l o r u n d B r o m n a c h V e r b r e n n u n g d e r S u b s t a n z im P e r l e n r o h r Die Substanz wird in einem P e r l e n r o h r im S a u e r s t o f f s t r o m am P l a t i n k o n t a k t verbrannt und die Verbrennungsgase werden in einer im vorderen Rohrteil befindlichen Perlenfüllung, die mit 5-proz. H y d r o p e r o x y d l ö s u n g benetzt ist, absorbiert. Durch die Verteilung der Absorptionsflüssigkeit auf eine große Oberfläche wird eine rasche und sichere Absorption gewährleistet; elementares Halogen wird durch das Hydroperoxyd zu Halogen-Ion reduziert. Nach dem Ausspülen des Rohres bestimmt man das Halogen-Ion in der Lösung nach der Methode von K. F a j a n s 1 durch direkte Titration mit n e u t r a l e r S i l b e r n i t r a t l ö s u n g unter Verwendung von organischen Farbstoffindikatoren („Adsorptionsindikatoren"). Zur Bestimmung sind erforderlich: Ein Perlenverbrennungsrohr aus Supremaxglas (Länge 60—70 cm, innere Weite 0,9 cm, Wandstärke 1 mm; der vordere Teil ist schnabelförmig ausgezogen und endet in ein angesetztes dickwandiges Röhrchen von 1—2 cm Länge und 1 mm lichter Weite; der an das Schnabelstück anschließende Rohrteil ist in einer Länge von 28—30 cm mit 2—3 mm langen Stückchen von 2 mm starkem Glasstab aus Jenaer Geräteglas gefüllt; die Perlenschicht wird durch eine an die Rohrwandung angeschmolzene Hartglasspirale festgelegt); drei 5 cm lange Platindrahtnetz-Kontakte; Perhydrol, säurefrei („Merck"); n/50-Silbernitratlösung, neutral; 0,01-proz. Lösung von Dichlor-fluorescein in 60-proz. Alkohol (Indikator zur Bestimmung von Cl') ; 0,1 - proz. wässerige Lösung von Eosin - natrium (Indikator zur Bestimmung von Br'). 1 K. F a j a n s und H. W o l f f , Ζ. f. anorg. Chem. 137, 221 (1924); vgl. I. M. K o l t h o f f , Z. anal. Chem. 70,369 (1927); 71, 235 (1927); J. Am. Soc. 51, 3273 (1929); F. H ö l s c h e r . Z. anal. Chem. 96, 308 (1934).

III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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Beschickung des Perlenrohres : Zur Beschickung des gründlich gereinigten P e r l e n r o h r e s saugt man, nachdem man ein kleines, mit Watte gefülltes Mundstück auf das Rohr gesetzt hat, eine 5-proz. Lösung von Hydroperoxyd, die man sich vor Beginn einer Analysenserie jedesmal frisch aus Perhydrol herstellt, in den mit Perlen gefüllten Teil auf, bis die Flüssigkeit die Glasspirale benetzt; dann läßt man die Absorptionsflüssigkeit wieder abtropfen. Eine die Perlenschicht benetzende Flüssigkeitsmenge von 2—3 ccm ist vollkommen ausreichend. Über den mit Perlen gefüllten Teil stülpt man ein sauberes Reagenzglas und legt das Rohr auf das Verbrennungsgestell. Dann werden die mit verdünnter Salpetersäure ( 1 : 1 ) ausgekochten und stark geglühten PI a t i n k o n t a k t e in das Rohr geschoben, so daß der vorderste etwa 6 cm vor der Hartglasspirale endet und zwischen den Kontakten ein etwa 2 cm langer Zwischenraum bleibt. Man legt das Perlenrohr nun so auf das Verbrennungsgestell, daß der mit Perlen gefüllte Teil und noch etwa 5 cm des leeren Teiles darüber hinausragen. Das herausragende Rohrende wird durch ein G a b e l s t a t i v gestützt; zum Wärmeschutz schiebt man einen A s b e s t s c h i r m über das Rohr, der der Ofen wand anliegt. Dann schiebt man eine 20 cm lange E i s e n d r a h t n e t z r o l l e über den Rohrteil mit dem Platinkontakt, setzt an dieser durch einen L a n g b r e n n e r geheizten Stelle ein D r a h t n e t z d a c h als Wärmeschutz auf das Verbrennungsgestell und schiebt schließlich noch eine 5 cm lange D r a h t n e t z r o l l e für den beweglichen Brenner über das Rohr (vgl. Fig. 41, S. 71). Zur Halogenbestimmung wägt man in der üblichen Weise 20—30 mg Substanz im Platinschiffchen ab und führt dieses so in das Rohr ein, daß es 6—7 cm vor das vordere Ende der langen Drahtnetzrolle zu stehen kommt. Das Rohr wird nun mit Kautschukstopfen und zur Spitze ausgezogener Capillare verschlossen und über einen kleinen, mit 50-proz. Kahlauge gefüllten B l a s e n z ä h l e r mit dem S a u e r s t o f f g a s o m e t e r verbunden. Zur Halogenbestimmung in F l ü s s i g k e i t e n wägt man die Substanz, wie bei der C,H-Bestimmung beschrieben, und führt das Wägeschweinchen so in das Rohr ein, daß es etwa 8—10 cm vor das vordere Ende der langen Drahtnetzrolle zu liegen kommt. Bei sehr schwer verbrennlichen Flüssigkeiten tritt an Stelle von Kaliumchlorat Ammoniumnitrat.

Ausführung der Verbrennung: Nach dem Einführen der Substanz reguliert man mit Hilfe des P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n e s einen Sauerstoffstrom von 7—9 ccm je Minute ein (Eichung des Blasenzählers mit der Mariotteschen Flasche, vgl. S. 55) und erhitzt dann die P l a t i n k o n t a k t e mit dem L a n g b r e n n e r auf helle Rotglut. Sobald dies erreicht ist, schiebt man die kurze D r a h t n e t z r o l l e bis auf wenige Millimeter an das Platinschiffchen heran und stellt den beweglichen, entleuchteten Bunsenbrenner unter das rückwärtige Ende der Drahtnetzrolle. Man wartet nun ab, bis die Veränderungen, die die zu ver-

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Elementar-analytische Methoden

brennende Substanz erleidet, abgeklungen sind und rückt e r s t d a n n mit der Drahtnetzrolle und dem Bunsenbrenner vor, und zwar alle 2 Minuten um etwa 2—-3 mm. Bei Substanzen, die nach dem Schmelzen destillieren, muß man s e h r s o r g f ä l t i g vorgehen; man wartet zunächst ab, bis das Destillat, das sich in Form eines Tropfens im leeren Rohrteil zwischen Schiffchen und Kontakten ansammelt, sich nicht mehr vermehrt. Sobald man mit dem Saum der Bunsenflamme das Platinschiffchen berührt, wartet man einige Minuten ab und beobachtet sorgfältig, ob das Destillat sich bei unveränderter Stellung des Bunsenbrenners merklich rasch verflüchtigt. Die Verbrennung der Substanz soll m i n d e s t e n s 30 Minuten erfordern, da sonst vollkommene Verbrennung und quantitative Absorption nicht gewährleistet sind. Bei der Verbrennung von F l ü s s i g k e i t e n schiebt man die kleine Drahtnetzrolle vor Beginn der Verbrennung je nach der Flüchtigkeit der Substanz aui höchstens 1—3 cm an das Röhrchen heran und wartet, sobald die Substanz herauszudestillieren beginnt, bei unveränderter Stellung des Bunsenbrenners ab, bis die Destillation beendet ist; erst dann geht man in der oben beschriebenen Weise langsam vor.

Ausspülen des Rohres und Titration: Nach dem Erkalten entfernt man das Platinschiffchen, spannt das Rohr in senkrechter Lage in ein Stativ ein und bringt an Stelle des Reagenzglases einen sauberen E r i e ηm e y e r k o l b e n (100—150 ccm) unter das Rohr. Dann spritzt man unter Abspülen der inneren Rohrwandung etwa 10 ccm Wasser ins Rohr und drückt die Flüssigkeit mit Hilfe eines kleinen H a n d b l a s e b a l g s durch die Perlenfüllung in den Erlenmeyerkolben. In gleicher Weise spült man das Rohr noch dreimal mit je 10 ccm Wasser nach, spült den Schnabel des Rohres ab und führt, auch den Inhalt des Reagenzglases unter Nachspülen in den Kolben über. Vor der T i t r a t i o n stumpft man die gebildete Mineralsäure mit einigen Tropfen einer halogenfreien gesättigten Natriumacetat-Lösung ab, so daß die Lösung nur noch s c h w a c h e s s i g s a u e r reagiert. Zur B e s t i m m u n g d e s C h l o r - I o n s gibt man zur Lösung 5—10 Tropfen einer 0,01-proz. alkoholischen Lösung von Dichlor-fluorescein und titriert aus einer in 0,02 ccm geteilten M i k r o b ü r e t t e mit neutraler n/50—n/éQ-Silbernitratlosung. Im Anfang der Titration zeigt die Lösung nur eine geringe O p a l e s z e n z ; mit zunehmender Annäherung an den Äquivalenzpunkt trübt sie sich stark. Man titriert dann vorsichtig unter starkem Umschütteln weiter, bis das Silberhalogenid-Sol plötzlich zu rosarot gefärbten F l o c k e n koaguliert. Zur B e s t i m m u n g d e s B r o m - I o n s fügt man der Lösung 5—10 Tropfen einer 0,1-proz. wässerigen Lösung von Eosinnatrium zu. Der Umschlag ist hier sehr scharf zu erkennen; bis unmittelbar vor dem Äquivalenzpunkt bleibt die stark opaleszierende Lösung durchsichtig, die Farbe des Indikators ändert sich dabei gegen Ende der Bestimmung mehr nach B l a u . Auf Zusatz des nächsten Tropfens wird dann die

III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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Lösung plötzlich undurchsichtig und das Silberhalogenid f l o c k t bei starkem Schütteln mit intensiv rosaroter Farbe a u s . Man titriere ziemlieh schnell in zerstreutem Tageslicht und vermeide direktes Sonnenlicht, da die Lichtempfindlichkeit des Silberhalogenids durch die s e n s i b i l i sierende Wirkung der Farbstoffe stark erhöht ist.

Fehlergrenze der Bestimmung: ^

1 °/0 des Halogengehaltes.

Natürlich kann man das durch Verbrennung der organischen Substanz erhaltene Halogen-Ion auch in der üblichen Weise durch Fällung mit Silber gravimetrisch bestimmen.

3. M a ß a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g v o n J o d nach Leipert-Münster1 Die Substanz wird im S a u e r s t o f f s t r o m am P l a t i n k o n t a k t verbrannt und das gebildete Jod durch B r o m in Essigsäure zu J o d s ä u r e oxydiert. Nach der Zerstörung des überschüssigen Broms durch A m e i s e n s ä u r e fügt man K a l i u m j o d i d zur Lösung und titriert das ausgeFig. 41 schiedene J o d mit T h i o s u l f a t . Da das 6-fache des in der Substanz enthaltenen Jods zur Titration gelangt, liefert die Methode sehr genaue Resultate. Zur Bestimmung sind erforderlich: Ein Verbrennungsrohr (Fig. 41) aus Supremaxglas (Uchte Weite 0,9 cm, Länge 65—60 cm; Länge des Einleitungsrohres 18 cm, innere Weite 2 mm; kurz vor dem Ansatz des Einleitungsrohres ist eine Verengerung angebracht); eine 10-proz. Lösung von reinem Natriumacetat in 96-proz. Essigsäure; Brom (jodfrei); reine 80—100-proz. Ameisensäure; Kaliumjodid und ii/10-Thiosulfatlösung.

Ausführung der Bestimmung: I n das gründlich gereinigte und getrocknete Rohr schiebt man die vorher durch Auskochen mit verd. Salpetersäure (1:1) und kräftiges Ausglühen gereinigten P l a t i n d r a h t n e t z - K o n t a k t e bis nahe an die Verengung heran, bringt an dieser Stelle des Rohres eine 20 cm lange E i s e n d r a h t n e t z r o l l e an und setzt zum weiteren Wärmeschutz ein E i s e n d r a h t n e t z d a c h auf das Verbrennungsgestell. Das Einleitungsrohr taucht in eine im unteren Teil zu einem schmalen Kelch auslaufende Vorlage (vgl. Fig. 41), die mit 12—15 ccm der Acetat-Essigsäurelösung gefüllt wird, der man 10—12 Tropfen Brom zugefügt hat. 1

Th. L e i p e r t , Mikrochemie, Pregl-Festschrift, S. 266 (1929). — W. Münster, Mikrochemie 14, 23 (1933).

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Elementar-analytische Methoden

Zur Jodbestimmung wägt man 20—30 mg Substanz im Platinschiffehen ein und führt die Verbrennung der Substanz in der bei der H a l o g e n b e s t i m m u n g i m P e r l e n r o h r beschriebenen Weise durch. Die Stromgeschwindigkeit des Sauerstoffs reguliert man zu 4—5 ccm je Minute ein. Nach dem Erkalten des Rohres entfernt man Schiffchen und Kontakte und läßt zur Oxydation des an der Verengung des Rohres abgeschiedenen Jods bei schräg gehaltenem Rohr etwa 4 ccm Brom-Essigsäure-Lösung einfließen ; durch die Verengung wird die Lösung an dieser Stelle zurückgehalten. Nach 10 Minuten spült man das Rohr und danach die Vorlage quantitativ in einen sauberen Erlenmeyerkolben über, in dem man vorher 2 g Natriumacetat in wenig Wasser v o l l s t ä n d i g gelöst hat. Zur Zerstörung des überschüssigen Broms läßt man einige Tropfen (bis zu 0,5 ccm) Ameisensäure an der Wandung zufließen, schüttelt kräftig um, damit auch das in der Gasphase befindliche Brom zur Absorption gelangt, und wartet einige Sekunden ab. Sobald Entfärbung der Lösung eingetreten ist, setzt man etwas verd. Schwefelsäure und 1,5 g Kaliumjodid zu, läßt nach dem Umschwenken 5 Minuten stehen und titriert danach das ausgeschiedene Jod aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit n/lO-Thiosulfatlösung, zunächst auf Gelbfärbung, dann nach Zusatz von Stärke auf Entfärbung. Fehlergrenze der Bestimmung: ¿ 0,3%. 4. S c h w e f e l b e s t i m m u n g n a c h C a r i u s Die Schwefelbestimmung nach C a r i u s wird in derselben Weise ausgeführt wie die Halogenbestimmung; an die Stelle des Silbernitrats tritt hier entwässertes B a r i u m c h l o r i d . Zur Bestimmung sind erforderlich: Einschmelzrohre aus schwerschmelzbarem Glas; rote rauchende Salpetersäure (D. 1,5); festes Bariumchlorid; Porzellan-Sintertiegel mit Schutzschale (Berliner Manufaktur, Filter-Tiegel A l , Höhe: 2,7 cm, Volumen: 6 ccm).

Beschickung des Einschmelzrohres : Zur Schwefelbestimmung wägt man in der bei der Halogenbestimmung beschriebenen Weise 20—30 mg Substanz in das Bombenrohr ein, fügt je nach der Einwaage 130—200 mg vorher entwässertes Bariumchlorid hinzu und läßt das mit 1—1,5 ccm roter rauchender Salpetersäure gefüllte Röhrchen vorsichtig in das schwach geneigte Bombenrohr gleiten, wobei man vermeide, daß die Substanz, vorzeitig mit der Säure in Berührung kommt. Das Zuschmelzen, Erhitzen und Wiedereröffnen des Rohres erfolgt wie bei der Halogenbestimmung beschrieben. Entleeren des Rohres und Bestimmung des Bariumsulfats : Nachdem man das Rohr äußerlich gereinigt hat, bringt man den Rohrinhalt unter

III. Bestimmung von Halogen, Schwefel und sonstigen Elementen

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mehrfachem N a c h s p ü l e n mit destilliertem Wasser in ein kleines gewöhnliches Becherglas ; hartnäckig an der Glaswand haftendes Bariumsulfat entfernt man mit dem G l a s s t a b , nicht mit einem Gummiwischer. Die letzten Anteile des Bariumsulfats werden durch abwechselndes Nachspülen mit wenig Alkohol und wenig Wasser in das Becherglas übergeführt. Vor der Filtration des Bariumsulfats reinigt man den P o r z e l l a n S i n t e r t i e g e l sorgfältig mit Bichromat-Schwefelsäure, spült mit destilliertem Wasser ab und saugt an der Wasserstrahlpumpe Wasser durch. Dann stellt man den mit einem sauberen Tuch abgewischten Tiegel in ein G l ü h s c h ä l c h e n aus Porzellan auf ein T o n d r e i e c k , trocknet den Tiegel zunächst durch Fächeln mit einer kleinen Bunsenflamme, heizt dann langsam an, und steigert die Temperatur allmählich bis zu dunkler Rotglut. Nachdem man 20 Minuten erhitzt hat, läßt man zunächst 5 Minuten an der Luft erkalten und bringt dann den Tiegel mit Glühschälchen in einen E x s i c c a t o r . Nach einstündigem Erkalten im Exsiccator bringt man den Tiegel (ohne Glühschälchen) zur Wägung. Nachdem man den Inhalt des Becherglases zum Sieden erhitzt hat, setzt man den gewogenen Tiegel in den F i l t r i e r v o r s t o ß einer Saugflasche ein und führt das Bariumsulfat direkt aus dem Becherglas in den Tiegel über, die letzten Anteile zweckmäßig wieder durch abwechselndes Nachspülen mit Alkohol und Wasser. Zum Schluß füllt man den Tiegel nochmals mit Wasser, saugt wieder ab und bereitet ihn dann in genau der gleichen Weise, wie oben beschrieben, zur Wägung vor. Fehlergrenze der Bestimmung: ^ 0,3%. 5. S c h w e f e l b e s t i m m u n g d u r c h V e r b r e n n u n g Die Schwefelbestimmung im Perlenrohr wird analog der argentometrischen Halogenbestimmung (s. S. 68) ausgeführt. Die Perlenfüllung wird mit 5—10-proz. Hydroperoxyd beschickt, das etwa auftretende niedere Oxydationsprodukte des Schwefels in Schwefelsäure überführt. Nach Beschickung des Rohres leitet man die Verbrennung der Substanz genau so, wie bei der Halogenbestimmung ausführlich beschrieben ist. Da die vollkommene Absorption von Schwefeltrioxyd eine lange Berührungsdauer mit der Absorptionsflüssigkeit erfordert, hat man in einem l a n g s a m e r e n Sauerstoffstrom (3—4 ccm je Minute) zu verbrennen und dementsprechend l a n g s a m e r mit dem beweglichen Bunsenbrenner vorzugehen. Die Verbrennung der Substanz soll etwa 1 S t u n d e erfordern. Nach Beendigung der Verbrennung spült man das Rohr, wie bei der Halogenbestimmung beschrieben, in ein kleines sauberes Becherglas über, und fügt unter Nachspülen auch den Inhalt des Reagenzglases hinzu. Dann gibt man das klar filtrierte Gemisch von 2—3,5 ccm

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Elementar-analytische Methoden

Bariumchloridlösung (1: 10) und 10 Tropfen verd. Salzsäure zu, bedeckt mit einem reinen Uhrglas und erhitzt zum Sieden, bis die Abscheidung des Bariumsulfats beendet ist. Nachdem man den Inhalt des Becherglases durch Einstellen in kaltes Wasser abgekühlt hat, führt man die Bestimmung wie bei der vorhergehenden Bestimmungsmethode zu Ende. 6. G l e i c h z e i t i g e B e s t i m m u n g v o n H a l o g e n u n d S c h w e f e l Hat man in einer Substanz g l e i c h z e i t i g Halogen und Schwefel zu bestimmen, so bestimmt man das H a l o g e n zunächst nach der C a r i u s - M e t h o d e . Das Filtrat vom Halogensilber-Niederschlag wird in einer sorgfältig gereinigten Saugflasche aufgefangen, in ein Jenaer Becherglas übergeführt, auf 120—150 cc. verdünnt und in der Siedehitze die S c h w e f e l s ä u r e mit 1-proz. absolut halogenfreier B a r i u m n i t r a t l ö s u n g gefällt. Zum Auswaschen des Niederschlags verwendet man destilliertes, nicht salzsäurehaltiges Wasser. 7. B e s t i m m u n g d e r ü b r i g e n E l e m e n t e Die meisten übrigen Elemente werden, nachdem die organische Substanz nach C a r i u s oxydiert ist, in der salpetersauren Lösung nach den Methoden der a n o r g a n i s c h e n A n a l y s e bestimmt. Alkali- und Erdalkalimetalle werden als S u l f a t e bestimmt. Hierzu wägt man die Substanz in einen Quarz- oder Platintiegel ein, gibt einige Tropfen konz. (bei explosiven oder zersetzlichen Substanzen 30—50-proz.) Schwefelsäure hinzu, raucht vorsichtig ab, und glüht schließlich bei dunkler Rotglut. IV. Bestimmung organischer Gruppen 1. M a ß a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g d e r M e t h o x y l g r u p p e

1

Das Methyl der CH 3 0-Gruppe wird durch s i e d e n d e J o d w a s s e r ß t o f f s ä u r e in M e t h y l j o d i d übergeführt (Zeisel) und dieses durch B r o m in das entsprechende A l k y l b r o m i d und B r o m j o d zerlegt: CH3J + Br2 = CH3Br + BrJ; letzteres wird durch überschüssiges Brom zu J o d s ä u r e oxydiert: BrJ + 2Br2 + 3H 2 0 = HJ0 3 + 5HBr . Überschüssiges Brom wird durch A m e i s e n s ä u r e zu B r o m w a s s e r s t o f f reduziert und schließlich nach Zugabe von K a l i u m j o d i d das ausgeschiedene J o d mit T h i o s u l f a t titriert. Da hierbei 6 Ä q u i v a l e n t e J o d für 1 Alkoxyl in Freiheit gesetzt werden, läßt sich die Bestimmung auch bei kleinsten Substanzmengen mit großer Genauigkeit durchführen. 1

F. Vieböck und A. S c h w a p p a c h B. 63, 2818, 3207 (1930).

IV. Bestimmung organischer Gruppen

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Zur Bestimmung sind erforderlich: 5 ccm Jodwasserstoffsäure (D. 1,7; „zur Methoxylbestimmung") ; 10-proz. Lösung von reinem Natriumacetat in 96-proz. Essigsäure ; jodfreies Brom (am besten in einer Tropfflasche "aufzubewahren) ; 80—100-proz. reine Ameisensäure; analysenreines Natriumacetat; Kaliumjodid und 0,1 n-Natriumthiosulfatlösung.

Die Apparatur (Fig. 42) wird vonT Laboratorium gestellt Zusammenstellen und Beschicken der Apparatur: Zunächst beschickt man den W ä s c h e r (W) mit 3 ccm einer Aufschlämmung von etwa 150 mg rotem Phosphor in Wasser ; der Phosphor muß gründlich mit Ammoniak gereinigt sein. Man achte darauf, daß keine Waschflüssigkeit in das Verbindungsrohr gelangt. In die A b s o r p t i o n s v o r l a g e (F x ) füllt man lOccm der 10-proz. Natriumacetat-Essigsäurelösung ein, fügt 10—12 Tropfen Brom zu und bringt nach gutem Durchmischen durch Neigen des Gefäßes etwa ein Drittel der Absorptionsflüssigkeit in das zweite Vorlagegefaß (F 2 ). Die Vorlage wird mit Spiralfedern am Apparat befestigt. Dann stellt man einen Kippschen K o h l e n d i o x y d A p p a r a t bereit, verbindet ihn mit einer mit verd. Bleiacetatlösung gefüllten W a s c h f i a s c h e Fig. 42 und führt den zum Methoxylbestimmungs-Apparat gehenden Gummischlauch durch einen P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n . Zur Methoxylbestimmung wägt man in der bei der Halogenbestimmung nach C a r i u s (s. S. 65) beschriebenen Weise mit Hilfe des Wägeröhrchens 20—30 mg Substanz in das Z e r s e t z u n g s k ö l b c h e n (K) ein, fügt zur Lösung der Substanz einige Rriställchen Phenol und 0,5 ccm Essigsäureanhydrid (oder Eisessig) hinzu und gibt dann noch etwa 0,2 g trocknen roten Phosphor in den Zersetzungskolben. Ausführung der Bestimmung: Nach dem Einbringen der Substanz verbindet man das Gaseinleitungsrohr des Zersetzungskolbens mit dem Kippschen Apparat und gibt unmittelbar vor dem Anschließen an die Apparatur 5 ccm Jodwasserstoffsäure (D. 1,7) in den Kolben. Zum Schutz gegen Wärmestrahlung schirmt man die Absorptionsvorlage durch eine A s b e s t p l a t t e ab und hält auch aus demselben Grunde das G l y c e r i n b a d , das zum Erhitzen der Jodwasserstoffsäure dient, möglichst klein (Becherglas). Nachdem man den Gasstrom mit dem Quetschhahn so einreguliert hat, daß stets nur e i n e Blase die Vorlage durchstreicht, heizt man das

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Elementar-analytische Methoden

Glycerinbad rasch an und hält es während der Bestimmung auf 140 bis 150°. Die vorübergehende Vergrößerung der Gasstromgeschwindigkeit wird nicht berücksichtigt; sobald die Jodwasserstoffsäure zum Sieden gekommen ist, stellt sich die ursprüngliche Gasgeschwindigkeit wieder ein. Nach einstündigem Erhitzen ist alles Methyljodid sicher in die Vorlage übergetrieben; man entfernt dann zunächst die Absorptionsvorlage und danach die Zuleitung des Kippschen Apparates zum Zersetzungskolben. Mit der Jodwasserstoffsäure im Zersetzungskolben lassen sich ohne weiteres noch drei Bestimmungen ausführen. Bei der Zerlegung von Ä t h o x y l v e r b i n d u n g e n erhitzt man zunächst unter E i n s c h a l t u n g des kleinen Kühlers eine halbe Stunde lang am R ü c k f l u ß , stellt dann den Kühler ab, wobei man auch das Wasser abfließen läßt, und hält nun noch eine Stunde lang den Kolbeninhalt im Sieden.

Nach dem Abnehmen der Vorlage gibt man einige ccm Wasser in das Einleitungsrohr und entfernt den Inhalt unter mehrfachem Nachspülen in einen 250 ccm fassenden E r l e n m e y e r k o l b e n , in dem man vorher 1,5 g reines Natriumacetat in wenig Wasser vollkommen aufgelöst hat. Nach mehrfachem Ausspülen der Vorlage erhält man etwa 100—150 ccm Flüssigkeit. Nun läßt man an der Gefäßwand 5—10 Tropfen reiner Ameisensäure einlaufen und schwenkt um. Bei richtiger Ausführung ist die Bromfarbe bereits nach wenigen Sekunden verschwunden; durch kräftiges Schütteln bringt man auch das im Gasraum befindliche Brom zur Absorption. Verschwindet die Bromfarbe nach einigen Minuten nicht, so hat es an Natriumacetat gemangelt. Zur entfärbten Lösung setzt man etwas verdünnte Schwefelsäure u n d etwa 1 g Kaliumjodid zu, läßt 5 Minuten zugedeckt stehen und titriert· dann das ausgeschiedene Jod aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit 0,1 n-Thiosulfatlösung zunächst auf Gelbfärbimg, dann nach Zusatz von Stärkelösung auf Entfärbung. 1 ccm 0,1 w-Thiosulfatlösung entspricht 0,51706 mg OCH 3 bzw. 0,75067 mg OC 2 H 5 . Die Methode ist auch für s c h w e f e l h a l t i g e Substanzen ohne weiteres anwendbar; für l e i c h t f l ü c h t i g e Substanzen muß sie abgeändert werden.

Fehlergrenze der Bestimmung: ^ 0,5% des Gesamtalkoxyls. 2. B e s t i m m u n g d e r A c e t y l - u n d B e n z o y l g r u p p e 1 Die Substanz wird durch Kochen mit 50-proz. S c h w e f e l s ä u r e unter Rückfluß verseift und die gebildete E s s i g s ä u r e bzw. B e n z o e s ä u r e nach dem Abdestillieren (im Wasserdampfstrom) mit N a t r o n l a u g e gegen Phenolphthalein titriert. Die A p p a r a t u r (Fig. 43) wird vom Laboratorium gestellt. Zur Bestimmung sind erforderlich: 50-proz. Schwefelsäure; 0,033 «-Natronlauge. 1

R. K u h n und H. R o t h , B. 66, 1274 (1933).

IV. Bestimmung organischer Gruppen

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Ausführung der Bestimmung: Der B l a s e n z ä h l e r wird mit etwas schaumfreier 50-proz. Kalilauge, das U - R o h r und das darauffolgende T r o c k e n r o h r mit Ghlorcalcium gefüllt. Zur Acetyl- bzw. Benzoylbestimmung wägt man mit Hilfe des üblichen Einwägeröhrchens mit langem Stiel (s. S. 65) 20—30 mg Substanz in den Z e r s e t z u n g s k o l b e n ein. Nachdem man den K ü h l e r i n R ü c k f l u ß S t e l l u n g aufgesetzt hat, wobei der Schliff G durch einen Tropfen Wasser gedichtet wird, stellt man mit Hilfe des P r ä z i s i o n s q u e t s c h h a h n e s den die Apparatur passierenden Luftstrom auf 30 Blasen je Minute ein und dichtet den Zuführungsschliff A mit etwas zerflossenem Phosphorpentozyd. Durch den Trichter des ebenso gedichteten Schliffrohres Β gibt man nun 2—3 ccm der 50-proz. Schwefelsäure in den Reaktionskolben, setzt den Glasstab S ein und beschickt den Trichter mit 1 ccm Wasser. Darauf erhitzt man den Inhalt des Reaktionskolbens u n t e r R ü c k f l u ß zu mäßigem Sieden. Die Verseifung von O - A c e t y l v e r b i n d u n g e n ist in den Fig. 43 meisten Fällen nach 60 Minuten beendet. Bei N - A c e t y l - und N - B e n z o y l v e r b i n d u n g e n sind bis zu 3 Stunden zur vollständigen Verseifung erforderlich. Man kann die Verseifung auch über Nacht mit etwas konz. H 2 S 0 4 vor sich gehen lassen. Nach Beendigung der Verseifung wird der Kühler sorgfältig mit 10—12 ccm Wasser ausgespült; dann destilliert man durch den a b s t e i g e n d e n K ü h l e r bis auf 5 ccm in ein Erlenmeyerkölbchen aus Q u a r z ab, wenn nötig, nach Einbringen einiger Siedekapillaren. Nach Zugabe von je 7 ccm Wasser wird dreimal nachdestilliert. Das Destillat (etwa 20 ccm) wird mit etwas BariumcMorid auf Abwesenheit von Schwefelsäure geprüft, 7—8 Sekunden zum Sieden erhitzt und sofort aus einer in 0,02 ccm geteilten Mikrobürette mit n/30-NaOH1 und Phenolphthalein auf eben beginnende, mehrere Sekunden bestehenbleibende R o s a f ä r b u n g titriert. Zur zweiten Titration werden 2—3mal je 7 ccm abdestilliert, für die dritte und folgende Titration nur noch etwa 7 ccm. 1 Der Faktor der Lauge ist mit Oxalsäure bei annähernd gleicher Verdünnung zu bestimmen.

Elementar-analytische Methoden

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Beispiel für den Destillationsverlauf: 1. Titration (etwa 20 com Destillat) 5,885 ccm 2. Titration 2 x 7 ccm Destillat . . 0,680 ccm 3. Titration 2 x 7 ccm Destillat . . 0,040 ccm 4. Titration 1 x 7 ccm Destillat . . 0,040 ccm Bei der letzten Titration sollen nicht mehr als 0,05 ccm n/30-NaOH verbraucht werden.

1 ccm w/30-Natronlauge entspricht 1,434 mg —COCH3 bzw. 3,5033 mg

-coc 6 H 5 .

Fehlergrenze der Bestimmung:

+0,5%.

In der vorstehend beschriebenen Apparatur lassen sich auch C - s t ä n d i g e Met h y l g r u p p e n durch O x y d a t i o n mit Chromsäure nach der Methode von R. K u h n und L'Orsa 1 bestimmen.

3. B e s t i m m u n g v o n a k t i v e m W a s s e r s t o f f nach Tschugaeff-Zerewitinoff2 Aus 20 ccm über Natrium destillierten Anisols3 (Amyläthers4, Xylols), 7 g Methyljodid und 2 g Magnesium bereitet man sich in einem schräggestellten F r a k t i o n i e r k o l b e n , dessen Ansatzrohr mit einem kleinen K ü h l e r (der hier als Rückflußkühler wirkt) versehen ist, unter Zusatz von einigen Körnchen Jod eine Grignardlösung. Tritt die Reaktion nicht von selbst ein, so leitet man sie durch kurzes Erwärmen auf 50° ein und beendet sie schließlich durch einstündiges Erhitzen auf dem Wasserbad. Dann dreht man den Fraktionierkolben in die Normallage und erhitzt nochmals eine halbe Stunde am Wasserbad unter Durchleiten von reinem, trockenem Stickstoff, wobei die letzten Reste Jodmethyl abdestillieren. Die so erhaltene Grignardlösung wird vom unverbrauchten Magnesium abgegossen oder besser durch eine getrocknete G l a s f r i t t e n n u t s c h e abgesaugt; sie läßt sich in gut verschlossener Flasche aufbewahren. Für jede Bestimmung verwendet man etwa 5 ccm davon. Die A p p a r a t u r zur Bestimmung des aktiven H ist in Fig. 44 wiedergegeben. Das L u n g e s c h e N i t r o m e t e r a, dessen N i v e a u g e f ä ß auf der Zeichnung fehlt, wird mit gesättigter Kochsalzlösung gefüllt. Der Übertritt von Wasserdampf in das Reaktionsgefäß wird durch ein zwischengeschaltetes kurzes C a l c i u m c h l o r i d - R o h r verhindert. Zur Bestimmung wägt man mit Hilfe eines Wägeröhrchens in den längeren Schenkel c des gut getrockneten R e a k t i o n s g e f ä ß e s je nach Molekulargewicht und Hydroxylgehalt der Substanz etwa 0,1—0,2 g genau ein 5 , übergießt mit Anisol bzw. Amyläther und bringt durch 1

Ang.Ch. 44, 847 (1931); B. 66, 1274 (1933). B. 40, 2023 (1907). 3 Darstellung siehe S. 212. 4 Darstellung siehe S. 109. 5 Von den im Praktikum dargestellten Verbindungen sind Triphenylcarbinol, /?-Naphthol, Hydrochinon, Benzoesäure verwendbar. 2

IV. Bestimmung organischer Gruppen

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vorsichtiges Schütteln zur Lösung. Dann füllt man in den anderen Schenkel d mit Hilfe einer Meßpipette 5 ccm Grignardlösung ein, verdrängt die Luft durch trockenen Stickstoff (unerläßlich!) und verbindet das Reaktionsgefäß mit Hilfe eines sauberen, dicht schließenden Gummistopfens und -schlauches mit dem C a l c i u m c h l o r i d - R o h r des N i t r o m e t e r s , dessen Hahn man herausgenommen hat. Man taucht nun das Reaktionsgefäß in ein Becherglas mit Wasser von Zimmertemperatur, wartet 5 Minuten, bis die Temperatur sich ausgeglichen hat, setzt den

Fig. 44 Hahn ein und füllt das Nitrometer durch Heben des Niveaugefäßes mit der Kochsalzlösung. Dann dreht man den Hahn um 90°, stellt das Niveaugefaß tief und verbindet durch weiteres Drehen um 90° das Reaktionsgeföß mit der B ü r e t t e . Jetzt nimmt man das Reaktionsgefäß aus dem Wasserbad, läßt die Lösung der Substanz zur Grignardlösung fließen, spült ein paarmal hin und her und schüttelt solange, bis der Meniskus in der Bürette nicht weiter sinkt, die Entwicklung von Methan also beendet ist. Das Reaktionsgefaß wird in das Wasserbad zurückgebracht; man wartet 10 Minuten, bis es wieder die Temperatur wie vor Beginn des Versuches angenommen hat (Kontrolle mit Thermometer) und liest in der üblichen Weise die Menge des gebildeten Methans ab. Gleichzeitig bestimmt man den B a r o m e t e r s t a n d und mit Hilfe eines an der Bürette hängenden Thermometers die T e m p e r a t u r des Gases. Das Volumen wird auf 0° und 760 mm reduziert. Berechnung: Nach der Gleichung RHn + nCHj - M g J - R · (MgJ)n + nCH4 entbindet ein Gramm-Mol der Substanz η χ 22,4 Liter Methan, wobei η die Anzahl der aktiven Η - Atome angibt, a g Substanz = entbinden —



α

ccm

Mole

CH 4 . Dem für ein aktives Η-Atom (n = 1)

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Elementar-analytische Methoden

berechneten Volumen (Vber.) muß das abgelesene und reduzierte Volumen (Vgef.) gleich sein, oder wenn mehrere aktive Η-Atome vorhanden sind, so muß Vge(. ein einfaches Vielfaches von Vber. sein. Man drückt das Ergebnis zweckmäßig durch die Anzahl aktiver H-Atome gemäß dem Verhältnis Vgef./Vber. aus. Die Fehlerbreite beträgt 5—10%. 4. M o l e k u l a r g e w i c h t s b e s t i m m u n g Wir führen die einzelnen Methoden hier nicht an, da sie in der Regel im physikalischen und physikal.-chem. Praktikum erlernt werden. Das k r y o s k o p i s c h e V e r f a h r e n ist dem ebullioskopischen bei weitem vorzuziehen. Die gebräuchlichsten Lösungsmittel sind B e n z o l und E i s e s s i g , der beste Apparat ist der geschlossene von B e c k m a n n mit elektromagnetischer Rührung. Ein sehr elegantes und einfaches Verfahren, nach dem man im Schmelzpunktröhrchen das Molekulargewicht organischer Substanzen bestimmen kann, ist von K. R a s t 1 angegeben worden. C a m p h e r hat eine sehr hohe G e f r i e r p u n k t s k o n s t a n t e , sein Schmelzpunkt wird durch in ihm gelöste Stoffe stark heruntergedrückt, rund 8-mal stärker als der von Benzol. E Bsnzoi = 5,1, E campher = 40. Das heißt, eine g-molare Lösung in Campher schmilzt um 40 Grade tiefer als das Lösungsmittel, nämlich der Campher selbst. Man erhält demgemäß schon für Campherschmelzen von verhältnismäßig geringer Konzentration so große Depressionen, daß die Empfindlichkeit eines gewöhnlichen Thermometers, das auf 1 / 1 Grad abgelesen wird, für die Bestimmung vollständig ausreicht 2 . Die Schmelzpunktröhrchen stellt man sich, wie auf S. 39 angegeben, aus einem sauberen Reagenzglas her ; die lichte Weite soll 4—5 mm betragen, die Länge ungefähr 5 cm ; gegen den Boden hin, der möglichst dünnwandig und gleichmäßig verschmolzen wird, sollen sie sich nur wenig verjüngen, was man durch seitliches Wegziehen des erweichten Glases erreicht. Zum Einbringen der Substanz und des Camphers dient ein oben trichterförmig erweitertes Röhrchen. Man tariert das Schmelzröhrchen in einem Korkfuß auf der gewöhnlichen Analysenwaage, füllt etwa 10 mg Substanz unter Benutzung eines in das Trichterrohr passenden Glasstäbchens ein, wägt auf 0,1 mg genau, bringt hierauf 100—125 mg Campher in derselben Weise in das Röhrchen und wägt wieder. Nach Herausnahme des Trichters wird das Röhrchen an der Sparflamme zugeschmolzen, wobei man einen nicht zu dünnen Faden auszieht. Dann wird der Inhalt in einem auf 180° erwärmten Bad von konz. 1 B. 55, 1051, 3727 (1922). A b d e r h a l d e n , Arbeitsmethoden. Abt. III, TeilA, S. 754. 2 Im Gegensatz zu der Arbeitsweise nach R a s t werden bei der nachstehend beschriebenen, von W. M ü n s t e r ausgearbeiteten Methode nicht die Schmelzpunkte, sondern die E r s t a r r u n g s p u n k t e bestimmt.

Zur Verhütung von Unfällen

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Schwefelsäure zur homogenen Schmelze gebracht. Nach dem Abkühlen befestigt man das Röhrchen mit seinem Glasfaden durch einen Gummiring am Thermometer, erhitzt in einem Schmelzpunktskolben (Fig. 30) bis zur klaren Schmelze, läßt abkühlen und findet so den u n g e f ä h r e n Erstarrungspunkt. Um ihn genau festzulegen, erwärmt man erneut, diesmal sehr vorsichtig mit der M i k r o f l a m m e , deren Spitze sich etwa 4 cm unter dem Kolben befindet, so lange, bis der Inhalt des Röhrchens bis auf einige ganz kleine, am Boden haftende Kristalle klar geschmolzen ist. Die jetzt beobachtete Temperatur liegt gewöhnlich 2° über dem früheren Erstarrungspunkt. Durch Kleinerstellen der Mikroflamme wird jetzt die Abkühlung so reguliert, daß die Temperatur in der Minute etwa um I o sinkt. Dabei sieht man mit der L u p e sehr deutlich, wie die übriggebliebenen Kristalle zu wachsen beginnen. In diesem Augenblick liest man die Temperatur ab. Zur Kontrolle kann man die Operation wiederholen und wird bei sorgfältigem Arbeiten fast den gleichen Erstarrungspunkt wiederfinden. Es ist vorteilhaft, die Flamme mit einem W ä r m e s c h u t z , einem Zylinder von 8 cm Durchmesser aus Glas oder auch aus Papier, der bis zum Schmelzpunktskolben reichen soll, zu umgeben. Auf dieselbe Weise, wie oben beschrieben, hat man zuvor den Ers t a r r u n g s p u n k t des Camphers, der zur Bestimmung dient, festgestellt. Man verwende ein ganz reines Präparat. Die Differenz gegenüber der Erstarrungstemperatur des Camphers {177°) ist/l und das Molekulargewicht M = ' ^ ' J 0 0 0 (« = Substanzmenge, b = Gewicht des Camphers). Die Fehlergrenze gegenüber dem wahren Molekulargewichtswert beträgt ± 5%. Verbindungen, die in Campher schwer löslich sind, die sich bei der Schmelztemperatur zersetzen oder die mit Campher reagieren, sind natürlich nach dieser Methode nicht bestimmbar. In solchen Fällen benutzt man als „Lösungsmittel" den bei 49° schmelzenden Kohlen-wasserstoff Camphen 1 .

C. Organisch-präparativer Teil Zur Verhütung von Unfällen Wer u n v o r s i c h t i g und g e d a n k e n l o s zu W e r k e g e h t , k a n n beim p r ä p a r a t i v e n A r b e i t e n l e i c h t S c h a d e n nehmen. Aber a u c h der B e d ä c h t i g e ist n i c h t gegen j e d e Gefahr g e s i c h e r t . Die schweren U n f ä l l e , die sich in chemischen L a b o r a t o r i e n l e i d e r immer und immer wieder e r e i g n e n , v e r l a n g e n , daß 1

•6

P i r s c h , B. 65, 862, 865 (1932). G a 11 e r m a η η , Praxis des organ. Chemikers. 30. Aufl.

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Organisch-präparativer Teil

sich ein jeder aus der L a b o r a t o r i u m s g e m e i n s c h a f t seiner P f l i c h t gegen seine K o m m i l i t o n e n voll u n d e r n s t bew u ß t ist. D e r w i c h t i g s t e S c h u t z g i l t d e n A u g e n . Eine solide S c h u t z b r i l l e mit starken Gläsern m u ß getragen werden bei allen Arbeiten u n t e r V a k u u m u n d D r u c k , also bei Ausführung einer Vakuumdestillation, beim erstmaligen Evakuieren eines neuen Exsiccators, beim Umgehen mit Einschmelzröhren, Druckflaschen, Autoklaven. Ferner bei Ausführung von A l k a l i - s c h m e l z e n und von allen Operationen, bei denen ä t z e n d e oder f e u e r g e f ä h r l i c h e S t o f f e verspritzt werden können. So vor allem beim Arbeiten mit m e t a l l i s c h e m N a t r i u m und K a l i u m . Das Arbeiten mit Natriummetall hat schon manchen schweren Unfall im Laboratorium verursacht. Man verfahre deshalb immer, wenn man Natrium zu handhaben hat, mit aller Sorgfalt, werfe keine Abfälle in die Ausgüsse oder Abfalleimer, lasse sie auch nicht offen hegen, sondern bringe sie sofort wieder in die Vorratsflasche oder v e r n i c h t e sie m i t d e r 15—20fachen M e n g e A l k o h o l . Man vermeide, eine Reaktion mit metallischem Natrium oder Kalium auf dem siedenden Wasser- oder Dampfbad auszuführen, sondern bediene sich stets eines S a n d - oder Ö l b a d e s , auch beim Abdestillieren getrockneten Äthers von Natriumdraht. Beim Arbeiten mit Natrium und Kalium sei man mit doppelter Peinlichkeit um die V o l l k o m m e n h e i t der A p p a r a t u r besorgt und halte sich die Folgen vor Augen, die ein undichter Kühlermantel oder der Bruch des Kolbens unter Umständen haben können. Stets Schutzbrille aufsetzen! Man arbeite n i e o h n e S c h u t z b r i l l e mit e x p l o s i v e n S u b s t a n z e n und prüfe u n b e k a n n t e S t o f f e stets zuerst mit kleinen Mengen auf dem Metallspatel auf ihr V e r h a l t e n i n d e r F l a m m e . Das Präparat selbst muß dabei vorher zur Seite gestellt werden. Um das Auge auch gegen die Wirkung u n v o r h e r z u s e h e n d e r E x p l o s i o n e n , die sich nie mit aller Bestimmtheit ausschließen lassen, zu schützen, sollte jeder im Laboratorium Beschäftigte stets eine e i n f a c h e B r i l l e tragen, unbeschadet des Gebrauchs der S c h u t z b r i l l e in den angegebenen Fällen. Beim Arbeiten mit Ä t h e r und andern f l ü c h t i g e n , l e i c h t e n t z ü n d l i c h e n F l ü s s i g k e i t e n ist stets darauf zu achten, daß k e i n e F l a m m e i n d e r N ä h e b r e n n t . Kommt es zu einem B r a n d , so ist zu allererst a l l e s E n t z ü n d b a r e s o f o r t zu e n t f e r n e n . Man lösche dann mit feuchten T ü c h e r n , durch A u f g i e ß e n v o n T e t r a c h l o r k o h l e n s t o f f , n i c h t aber mit Wasser. Das beste Löschmittel ist eine kleine handliche C 0 2 - B o m b e , die in jedem Arbeitssaal vorhanden sein sollte. Bei größerer Ausdehnung des Brandes ersticke man das Feuer durch Aufschütten von S a n d ; eine g r o ß e K o h l e n s ä u r e f l a s c h e ist auch hier meist vorzuziehen.

Die erste Ausrüstung

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Bei Verletzungen mit Säuren oder k a u s t i s c h e n Alkalien wasche man zuerst gründlich mit Wasser, dann mit B i c a r b o n a t lösung bzw. v e r d ü n n t e r Essigsäure. Bei leichten Verbrennungen bespüle man die verbrannte Stelle mit Alkohol und bedecke sie dann mit L e i n ö l oder sog. B r a n d s a l b e . V e r b a n d w a t t e , B i n d e n , P f l a s t e r müssen stets bereit sein. Bei schweren U n f ä l l e n ist sofort der nächstwohnende Arzt in Anspruch zu nehmen. Wenn man eine ätzende oder in andrer Weise reizende organische S u b s t a n z auf die Haut gebracht hat, so ist das Waschen mit Wasser meist wirkungslos. Man entferne sie mit einem geeigneten Lösungsmittel, wie Alkohol oder B e n z o l , von dem man sofort eine reichliche Menge zum Abspülen verwendet. Man muß berücksichtigen, daß das organische Lösungsmittel an sich das Eindringen des schädlichen Stoffes in die Haut fördert, und muß deshalb die Bildung konzentrierter Lösungen auf ihr vermeiden. Besondere Vorsicht ist beim Arbeiten mit nachstehenden viel benutzten Stoffen geboten: B l a u s ä u r e , Phosgen, D i m e t h y l s u l f a t , einfachen S ä u r e c h l o r i d e n , Chlor, B r o m , S t i c k o x y d und S t i c k s t o f f d i o x y d , K o h l e n o x y d , N a t r i u m und K a l i u m . Braucht man sie in größerem Maßstab, so sollten die Operationen damit in einem besonderen R a u m ausgeführt werden; im übrigen stets unter einem guten Abzug. Unverdünnte HalogenVerbindungen der Fettreihe, wie Ä t h y l bromid, Chloroform, B r o m o f o r m und ähnliche dürfen n i c h t mit m e t a l l i s c h e m N a t r i u m oder K a l i u m in Berührung gebracht, ζ. B. getrocknet werden, da bei Stoß sehr heftige E x p l o s i o n e n erfolgen können (Staudinger).

Die erste Ausrüstung I. Geräte B e c h e r g l ä s e r , je 1 zu 100, 500, 1000 ccm. Bürette1. C a l c i u m c h l o r i d r ö h r e n , gerade, 3 Stück. D e s t i l l i e r k o l b e n gewöhnliche und nach Ciaisen, je 1 zu 25, 50, 100 ccm. E r l e n m e y e r k o l b e n , je 2 zu 25, 50, 100, 250, 500 ccm. Etiketten. F e i l e n , je eine runde und dreikantige. F i l t r i e r s t u t z e n , je 1 zu 500 und 1000 ccm. 1 Der Praktikant muß in der Lage sein, die gebräuchlichsten maßanalytischen Bestimmungen jederzeit sofort ausführen zu können. Die B e r e i t s c h a f t zur T i t r a t i o n steht im organischen Laboratorium gewöhnlich nicht auf der dringend zu wünschenden Höhe.



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Organisch-präparativer Teil

F i l t r i e r p l a t t e n aus Porzellan zu 1, 3, 5 cm. F i l t r i e r p a p i e r , einige Bogen. G l a s r ö h r e n , gerade und gebogene. G l a s r ö h r e n , ausgezogen als Pipetten (Tropfrohr, S. 12). G l a s k n ö p f e zum Absaugen, 2 Stück. G l a s s t ä b e , 20 von versch. Dicke und Länge, an beiden Enden rund geschmolzen, aber nicht an den Enden verdickt. G u m m i s c h l ä u c h e und G u m m i s t o p f e n . Handtuch. H a n d w a a g e (Tragkraft 50—100 g. Schneiden mit Vaseline gegen Rost schützen!) G e w i c h t s s a t z dazu 0,02—50 g. K a r t o n s zum Wägen (Kartenblätter). Korkbohrer. K o r k e verschiedener Größen. K r i s t a l l i s i e r s c h a l e n aus Glas je 1 zu 3, 5, 7 cm. K u p f e r d r a h t für Halogenprobe. K ü h l e r nach L i e b i g etwa 60 cm lang; desgl ein kurzer von 10—12 cm Länge. D i m r o t h - oder Schlangen-Kühler. M e ß z y l i n d e r 10, 20, 50, 100 ccm. Metallspatel. N u t s c h e n , zylindrisch und konisch. O b j e k t t r ä g e r 3 Stück. P i p e t t e n zu 5, 10, 20 ccm. Pinzette. P r ä p a r a t e n r ö h r e n verschiedener Größen. P o r z e l l a n s c h a l e n 15, 20, 25 cm Durchmesser. P o r z e l l a n s p a t e l 3 Stück. Reibschale. R u n d k o l b e n , je 2 zu 50, 100, 250, 500 ccm. R e a g e n z g l ä s e r , mindestens 50 Stück normaler Größe, 20 kleine. D a v o n die H ä l f t e s t e t s sauber und trocken. Reagenzglasklammer. R e a g e n z p a p i e r und zwar Lackmus, blau und rot, Kongo, Phenolphtalein, Universal-Indicator. Kaliumjodid-Stärke-Papier. S a u g f l a s c h e n 100, 500, 1000 ccm. S i e d e s t e i n c h e n , Tonstückchen von etwa 3 mm Durchmesser. S a u g r ö h r e n , je 3 lange und kurze. S c h e i d e t r i c h t e r 250, 500, 1000 ccm. Schere. S c h l i f f g a r n i t u r , bestehend aus Rundkolben (kurzhalsig), Liebigkühler, Kniestück, Vorstoß, Rückflußkühler, Anschützaufsatz, Rührverschluß 1 . S c h m e l z p u n k t r ö h r c h e n , dünne (selbst zu machen). 1 Schliffapparaturen für Vakuum- und Hochvakuumdestillation sollen nach Möglichkeit vom Assistenten ausgeliehen werden.

Die erste Ausrüstung

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Schnur. T r i c h t e r , 2 Stück kleinste, dann je 1 mittlerer Größe bis zu 12 cm. T r o p f r o h r e , mindestens 6 Stück; dazu ein weiteres auf 1 / 1 0 ccm geeichtes von 2 ccm Inhalt. T r o p f t r i c h t e r zu 25 ccm mit k u r z e m Rohr, zu 100 ccm mit langem Rohr. T h e r m o m e t e r , geprüft, für Schmelzpunktsbestimmung, 2 weitere, davon 1 kurzes, für den Gebrauch. U h r g l ä s e r , hauptsächlich kleine. V a k u u m e x s i c c a t o r e n , 2 große (16 und 18 cm Durchmesser). W a s c h f l a s c h e n 2 Stück. Zange. II. L ö s u n g s m i t t e l A c e t o n , x/2 Liter. Ä t h e r , a b s o l u t über Natrium 1 , y 2 Liter. Ä t h e r , g e w ö h n l i c h , 1 Liter. A l k o h o l , 96%, 1 Liter. A l k o h o l , a b s o l u t , l / 2 Liter. B e n z o l , y 2 Liter (über Natriumdraht). C h l o r o f o r m , x/2 Liter. E i s e s s i g , y 2 Liter. E s s i g e s t e r , y 2 Liter. M e t h y l a l k o h o l , y 2 Liter. P e t r o l ä t h e r , tiefsiedend, 1 / 2 Liter (über Natriumdraht). P e t r o l ä t h e r , hochsiedend, y 2 Liter (über Natriumdraht). III. R e a g e n z i e n , T r o c k e n m i t t e l Ä t z k a l i , techn. und rein. C a l c i u m c h l o r i d , gran. Entfärbungskohle. G l y c e r i n (Flasche mit Korkstopfen und Glasstab). Natriummetall. 1 Um a b s o l u t e n Ä t h e r darzustellen, trocknet man 1—2 Liter käuflichen Äther über etwa 10% seines Gewichts an Calciumchlorid 1—2 Wochen lang vor, filtriert dann rasch durch ein Faltenfilter in eine trockene Flasche, in die man Natriumdraht hineinpreßt. Solange sich Wasserstoff entwickelt, setzt man einen Kork mit CaCl2-Rohr auf, das — um die Verdunstung einzuschränken — ein kurzes capillar ausgezogenes Glasrohr trägt. Der absolute Äther ist f ü r die meisten Zwecke direkt zu verwenden. Am besten wird Äther im Dunkeln aufbewahrt. Beim Abdampfen größerer Mengen ungereinigten Äthers, der längere Zeit mit Luft in Berührung war, hat man mit der Möglichkeit zu rechnen, daß zum Schluß heftige Explosionen erfolgen, die auf einen Gehalt dieses Äthers an P e r o x y d e n zurückzuführen sind. Solcher Äther r i e c h t s t e c h e n d u n d macht aus angesäuerter ΚJ-Lösung Jod frei. Z u r Z e r s t ö r u n g d e r P e r o x y d e schüttelt man mit einer Mischung von Bi • sulfit und konzentrierterFerrosulfatlösung einige Stunden auf der Maschine, trennt im Scheidetrichter und entsäuert mit wenig starker Lauge (E. Sakellarios). Dann wird 1—2 mal mit wenig Wasser gewaschen und über Calciumchlorid getrocknet.

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

N a t r o n l a u g e e t w a 14 η ( = 4 0 % ) . Natriumsulfat wasserfrei. fi

Normallösungen :



tir

Tb

HCl, -jq- NaOH, -j^- Jodlösung, -jg- Thiosulfat.

S i l b e r n i t r a t l ö s u n g 5-proz. IV. J o u r n a l e Tagebuch1. Literaturheft.

I. Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen; Alkohole, Olefine 1. Äthylbromid aus Äthylalkohol Zu 200 g (110 ccm) konzentrierter Schwefelsäure, die sich in einem Rundkolben von etwa 1 Liter Inhalt befindet, läßt m a n unter f o r t w ä h r e n d e m U m s c h ü t t e l n , ohne zu kühlen, schnell 110 ccm (90 g) Alkohol (95-proz.) hinzufließen, kühlt dann die warme Mischung auf Z i m m e r t e m p e r a t u r ab, fügt unter dauernder Kühlung 75 g Eiswasser vorsichtig hinzu und versetzt schließlich mit 100 g fein pulverisiertem Kaliumbromid. Man unterwirft dann das Reaktionsgemisch unter Anwendung eines Asbestdrahtnetzes einer nicht zu langsamen Destillation. Da das Äthylbromid einen niedrigen Siedepunkt besitzt, so wende man hierbei einen möglichst langen Kühler mit Vorstoß (Fig. 45) oder auch einen Schlangenkühler an und lasse einen recht lebhaften Wasserstrom durch ihn laufen. Die Vorlage beschickt m a n vor Beginn der Destillation mit Wasser und Eisstückchen, so hoch, daß das Ende des Vorstoßes in das Wasser eintaucht. Die Reaktion ist beendet, sobald keine in Wasser untersinkenden Ö l t r o p f e n mehr übergehen. Sollte bei der Destillation ein Zurücksteigen des Destillates in den Kühler eintreten, so hilft man diesem Übelstande dadurch ab, daß man die Vorlage so tief stellt, daß das Ende des Vorstoßes nur ein wenig in die Flüssigkeit eintaucht, was auch durch seitliches Drehen des Vorstoßes erreicht werden kann. Zum Schluß bringt man den Inhalt der Vorlage in einen geeigneten Scheidetrichter, läßt das Äthylbromid, die u n t e r e S c h i c h t , in einen Erlenmeyer (250 ccm) ab, und löst dann den bei der Reaktion mitentstandenen Äthyläther mit konz. Schwefelsäure aus dem Äthylbromid heraus. Da hierbei Wärme frei wird, die ein Verdampfen der Substanz zur Folge hätte, so kühlt man in einem K ä l t e g e m i s c h und gibt die Schwefelsäure aus einem Tropfrohr unter Um1 Der Praktikant soll sich von Anfang an daran gewöhnen, ein T a g e b u c h zu führen, in das alle Ansätze von Versuchen und alle Beobachtungen eingetragen werden. Man v e r l a s s e sich b e i m w i s s e n s c h a f t l i c h e n A r b e i t e n nie a u f sein G e d ä c h t n i s .

Äthylbromid ans Äthylalkohol

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schütteln t r o p f e n w e i s e zu, solange, bis sie sich als untere Schicht abscheidet. Jetzt trennt man wieder in einem kleineren Scheidetrichter und destilliert schließlich das durch die Schwefelsäure getrocknete Äthylbromid in eine mit K ä l t e m i s c h u n g gekühlte Vorlage ab. Der Fraktionierkolben taucht in eine mit Wasser gefüllte Porzellankasserolle oder -schale, die mit einem kleinen Brenner geheizt wird. Zwischen 35—40° geht das Äthylbromid über und zwar der Hauptanteil bei 38—39°. Wegen des niedrigen Siedepunktes muß man bei der Darstellung

offenen Gefäß befindet. Ferner soll das fertige Präparat, vor allem bei Sommertemperatur, bis zur weiteren Verarbeitung (vgl. Äthylbenzol) n i c h t in einem dünnwandigen Kolben, sondern in einer d i c k w a n d i g e n P r ä p a r a t e n f l a s c h e aufbewahrt werden. Ausbeute: 70—80 g. Nach Beendigung des Versuches berechne man hier, wie bei allen noch folgenden Präparaten, wieviel P r o z e n t d e r t h e o r e t i s c h e n A u s b e u t e man erhalten hat, wobei folgendes zu beachten ist. Nach der chemischen Gleichung sollte man auf ein Mol Kaliumbromid (119) ein Mol Alkohol (46) anwenden. In Wirklichkeit wendet man jedoch meistens bei organischen Reaktionen, die nicht quantitativ verlaufen, auf Grund des M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z e s die eine der Komponenten im Überschuß an, wobei häufig ökonomische Erwägungen maßgebend sind. So kostet ζ. Β. 1 kg Kaliumbromid etwa 4 DM, 1 kg Alkohol ungefähr 1,50 DM 1 . Der Preis einer Molekel KBr (119 X 4) verhält sich demnach zu dem einer Alkoholmolekel (46 X 1,50) annähernd wie 7 : 1 . Vom ökonomischen Standpunkte aus ist es also geraten, den b i l l i g e r e n Alkohol im Ü b e r s c h u ß anzuwenden, damit möglichst viel der teureren Bromverbindung in Äthylbromid verwandelt wird. Dieser Erwägung sind auch die oben angewandten Mengenverhältnisse angepaßt. Auf 100 g KBr berechnen sich theoretisch 39 g Alkohol, 1

Für den technischen Gebrauch ist der Alkohol viel billiger.

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

während in Wirklichkeit 86 g (90 g von 95%) verwendet sind, d. h . mehr als das Doppelte der Theorie. Bei der Berechnung der theoretisch möglichen Ausbeute muß demnach hier die Menge des angewandten Kahumbromids zugrunde gelegt werden. Wollte man einen Alkohol, der wertvoller als K B r ist, in sein Bromid verwandeln, so wäre natürlich dieses im Überschuß zu verwenden. Das P r ä p a r a t wird verwendet f ü r Ä t h y l m a l o n e s t e r (S. 221). M e t h y l b r o m i d : Die präparative Darstellung dieses einfachsten Alkylbromids erfolgt nach einem grundsätzlich gleichartigen Verfahren ( B y g d é n , J . pr. 83, 421 [1911]). Da sein Siedepunkt schon bei 4,5° Hegt, läßt sich Methylbromid schwer auf Vorrat darstellen, doch ist es zur direkten Verwendung f ü r G r i g n a r d s c h e Reaktionen an Stelle der teuren Jodverbindung sehr zu empfehlen. Verwendung analog Äthylbromid. 2. Äthyljodid aus Äthylalkohol 1 I n einem Kölbchen von etwa 200 ccm Inhalt übergießt man 5 g roten Phosphor mit 50 ccm absolutem Alkohol und fügt dann unter öfterem U m s c h ü t t e l n im Laufe einer Viertelstunde 5 0 g fein pulverisiertes Jod allmählich hinzu, wobei man von Zeit zu Zeit den Kolben durch Eintauchen in k a l t e s Wasser abkühlt. Man setzt dann einen wirksamen Wasserkühler auf den Kolben, läßt das Reaktionsgemisch unter öfterem Schütteln 2 Stunden lang stehen, erhitzt noch 2 Stunden auf dem Wasserbad am Rückflußkühler und destilliert darauf das Äthyljodid am absteigenden Kühler ab, wobei man zweckmäßig den Kolben in das lebhaft siedende Wasser eintaucht. Sollten die letzten Anteile nur schwierig übergehen, so entfernt man das Wasserbad, trocknet den Kolben ab und erhitzt ihn noch kurze Zeit mit leuchtender Flamme, die man fortwährend bewegt. Das durch J o d braun gefärbte Destillat wird zur Entfernung des Alkohols mehrfach im Scheidetrichter mit Wasser, dem man schließlich zur Entfernung des Jods wenige Tropfen Bisuljitlösung und zum Schluß ebensoviel Natronlauge hinzufügt, gewaschen; das so farblos erhaltene Öl wird im Scheidetrichter abgelassen, mit wenig gekörntem Calciumchlorid getrocknet und dann direkt über einer kleinen Flamme rektifiziert. Sollte das Calciumchlorid auf dem Äthyljodid schwimmen, so gießt man dieses durch einen Trichter, in dessen Spitze sich etwas Asbest oder Glaswolle befindet, in den Fraktionierkolben hinein. Der Siedepunkt des Äthyljodids hegt bei 72°. Ausbeute rund 50 g. Wieviel Prozent der theoretischen Ausbeute ? Verwendung für Ä t h y l m a l o n e s t e r und für G r i g n a r d s c h e R e a k t i o n e n . M e t h y l j o d i d 2 . 50 g Kaliumjodid werden in 50 ccm Wasser gelöst. Zu der schwach erwärmten Lösung läßt man 40 g Dimethylsulfat3 zu1 2 3

F. B e i l s t e i n , A. 126, 250 (1863). Weinland und Schmid, Β. 38, 2327 (1905). Vorsicht wegen der großen Giftigkeit des Stoffes 1 Siehe S. 213.

Äthyljodid aus Äthylalkohol

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tropfen. Das abdestillierende Methyljodid wird über einen Kühler in einer gut gekühlten Vorlage aufgefangen. Man trocknet mit Calciumchlorid und rektifiziert. Siedepunkt 43°. Ausbeute 35—10 g. Zu 1. und 2. Die beiden Reaktionen sind Spezialfälle einer allgemeingültigen Reaktion, nämlich des Ersatzes einer alkoholischen Hydroxylgruppe durch ein Halogenatom. Ein solcher läßt sich in zweierlei Weise ausführen, indem man, wie bei der Darstellung des Äthylbromids, 1. auf Alkohole H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n einwirken läßt; z . B . : C 2 H 5 · OH + HBr = H 2 0 + C 2 H 5 · B r , (HCl, HJ) oder indem man, wie bei der Gewinnung des Äthyljodids, 2. Alkohole mit den H a l o g e n v e r b i n d u n g e n d e s P h o s p h o r s umsetzt; ζ. B.: 3C 2 H 6 - OH + P J 3 = 3C 2 H 5 . J + P 0 3 H 3 . (PC13> PBr 3 ) Die erste Reaktion gelingt am leichtesten mit J o d w a s s e r s t o f f , indem in vielen Fällen bloßes Sättigen mit der gasförmigen Säure zu ihrer Herbeiführung genügt. B r o m w a s s e r s t o f f reagiert schwieriger, und es ist hier vielfach ein Erhitzen des mit dieser Säure gesättigten Alkohols im zugeschmolzenen Rohr erforderlich. Die oben ausgeführte Darstellung des Ä t h y l b r o m i d s , bei der HBr durch die konz. Schwefelsäure aus dem Kaliumbromid in Freiheit gesetzt wird, stellt einen sehr leicht verlaufenden Fall dieser Reaktion dar. C h l o r w a s s e r s t o f f reagiert am schwierigsten, und es ist hier erforderlich, wie ζ. B. bei der Gewinnung des M e t h y l - u n d Ä t h y l c h l o r i d s , ein wasserentziehendes Mittel, am besten C h l o r z i n k , anzuwenden, oder, wie bei den höher molekularen Alkoholen im geschlossenen Gefäß unter Druck zu erhitzen. Tertiäre Alkohole sind besonders leicht mit Mineralsäuren zu verestern. Beim Mischen von tert. Butanol mit konz. wäßriger Salzsäure tritt schon in der Kälte Trübung ein, verursacht durch Abscheidung des tert. Butylchlorids. Noch leichter als primäre aliphatische lassen sich a r o m a t i s c h e Alkohole, ζ. B. B e n z y l a l k o h o l , durch konz. Halogenwasserstoffsäuren in dieser Weise verestern. Es gelingt jedoch n i c h t , die Reaktion auf Phenole zu übertragen. Auch mit zwei- und m e h r w e r t i g e n A l k o h o l e n läßt sich die Reaktion ausführen; dabei hängt es von den Versuchsbedingungen, wie Quantität des Halogenwasserstoffes, Temperatur usw. ab, wie viele Hydroxylgruppen durch Halogen ersetzt werden; z. B.: CH2 · OH CH 2 . Br I + HBr = I +H20, CH2 · OH CH2 · OH Äthylenglykol

CH · OH + 2HCl = I CH2 - OH Glycerin

Äthylenbromhydrin

CH · Cl + 2 H 2 0 . I CH 2 . Cl Dichlorhydrin

J o d w a s s e r s t o f f wirkt auf mehrwertige Alkohole nicht nur veresternd, sondern auch r e d u z i e r e n d . So geht G l y c e r i n über 1 , 2 , 3 - T r i j o d p r o p a n in I s o p r o p y l j o d i d über. CH 2 OH · CHOH · CH 2 OH + 3 H J = CH 2 J · CHJ · CH 2 J + 3H 2 0, CH J · CHJ · CH 2 J + 2 H J = CH3 · CHJ · CH3 + 2 J 2 .

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Ähnlich gehen der vierwertige Alkohol E r y t h r i t in 2 - J o d b u t a n , der sechss e i t i g e Alkohol M a n n i t in 2 - J o d h e x a n über. Formulieren! Natürlich sind auch O x y s ä u r e n der Reaktion zugänglich. Die zweite Reaktion verläuft bei weitem energischer als die erste, besonders wenn man fertigen H a l o g e n p h o s p h o r anwendet. Dies ist jedoch, wenigstens beim Ersatz durch Brom und Jod, nicht immer erforderlich; vielmehr verfährt man in vielen Fällen so, daß man jenen erst in der Reaktion erzeugt, indem man zu der Mischung von A l k o h o l und r o t e m P h o s p h o r entweder aus einem Scheidetrichter B r o m tropfen läßt oder wie oben fein pulverisiertes J o d hinzufügt. Auch diese Reaktion läßt sich wie die erste auf m e h r w e r t i g e , sowie s u b s t i t u i e r t e Alkohole anwenden, und zwar können so s ä m t l i c h e OH-Gruppen durch Halogen, auch C h l o r , ersetzt werden. An Stelle von P h o s p h o r t r i c h l o r i d wird in vielen Fällen das feste, viel höher verdampfende und energischer wirkende P e n t a c h l o r i d benutzt. Hier braucht man auf 1 Mol Alkohol ein volles Mol PC1S, da die Reaktion zu dem viel trägeren P h o s p h o r o x y c h l o r i d führt, z . B . : CH 3 · CHjOH + PC16 = CH 3 · CH2C1 + P0C1 3 + H C l . Auch das T h i o n y l c h l o r i d wird f ü r die gleiche Reaktion herangezogen; es hat den Vorteil, daß seine Umsetzungsprodukte g a s f ö r m i g sind und darum die Verarbeitung des Reaktionsgemisches nicht stören. C 4 H„. CH 2 OH + SOClj = C4H„ · CH a Cl + S 0 2 + H a . Amylalkohol

Amylchlorid

Die energischere Wirkung des Halogenphosphors gibt sich ferner darin zu erkennen, daß auch die Hydroxylgruppen der P h e n o l e nach dieser Reaktion durch Halogen ersetzt werden können: C e H 5 - OH + PClj = C e H 6 · Cl + P0C1 3 + HCl . Phenol

(Br)

(Br)

(Br)

(Br)

Die Ausbeuten sind hierbei vielfach wenig befriedigend, da das Phosphoroxychlorid auf das noch nicht umgesetzte Phenol unter Bildung von P h o s p h o r s ä u r e e s t e r n einwirkt, z. B. : P0C1 3 + 3 C e H 6 . OH = PO . (OC„H5)3 + 3 H C l . Die Darstellungsmethode f ü r M e t h y l j o d i d , d i e oben beschrieben ist, beruht auf einer doppelten Umsetzung gemäß der Gleichung: /OCH3 /OK 0 2 S • H 3 CNa + NaBr H 3 CNa + BrCH 3 >· H 3 C—CH, + N a B r . So entsteht im einfachsten Falle aus Methylbromid Ä t h a n . Die präparative Anwendung dieser Reaktion findet sich beim T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n , S. 306. Schließlich haben die Alkylhalogenide eine außerordentliche Bedeutung gewonnen als Ausgangssubstanzen f ü r die G r i g n a r d s c h e R e a k t i o n , von der auf S. 290 die Rede ist. Die F i t t i g s c h e S y n t h e s e unterscheidet sich von der W u r t z s c h e n dadurch, daß ein Aryl- und ein Alkylhalogenid gemeinsam der Enthalogenierung durch Natrium unterworfen werden, z. B. :

C„H6 . Br + CsH5 · Br + 2Na

• C„H6 · C2H5 + 2NaBr. Äthylbenzol

Sie ist allgemeiner Anwendung fähig, indem auch die homologen B r o m b e n z o l e sowie D i b r o m b e n z o l und alle möglichen A l k y l b r o m i d e in sie einbezogen werden können. Auch zwischen 2 Mol. A r y l b r o m i d findet die Umsetzung, wenn auch schwieriger, statt: 2C„H5Br + 2 Na > C e H 5 · C„H5 + 2 NaBr . Da bei Verwendung zweier verschiedenartiger Halogenide die Natriumverbindungen RNa und R'Na sowohl mit RHlg als mit R'Hlg reagieren können, ist die Bildung von 3 Reaktionsprodukten, nämlich R—R, R'·—R' und R—R' möglich. 1 Dieses viel gebrauchte Reagenz stellt man sich am besten auf Vorrat her, indem man in 100 ccm Methylalkohol — äthylalkoholisches Kali verharzt bald — 25 g Stangenkali durch Erwärmen oder durch Stehenlassen über Nacht in der Kälte löst, von Carbonai abfiltriert und den KOH-Gehalt durch Titration bestimmt.

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Die Substitution yon Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Brombenzol reagiert nun rascher mit Natrium als Äthylbromid, Phenylnatrium aber rascher mit Äthylbromid als mit Brombenzol : daher in unserem Beispiel die glatte Bildung von Ä t h y l b e n z o l . Zur biphenyl-artigen Verknüpfung von 2 Molekeln Arylhalogenid ist nach U l i m a n n Kupfer besonders geeignet; man pflegt die Bromide oder Aryljodide mit Kupferbronze in Nitrobenzol zu kochen.

3. Benzylchlorid aus Toluol 1 Beim Arbeiten mit C h l o r , B r o m und H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n sollten Verbindungen mit Kork oder Kautschuk vermieden und nur Sehliffapparaturen verwendet werden. Man bedient sich für das vorliegende Präparat des in Fig. 46, S. 95 abgebildeten Kolbens 2 (mit Einleitungsrohr), in dem 100 g reinen Toluols auf dem Luftbad zum Sieden erhitzt werden. Vor der Beschickung hat man in den (horizontal gehaltenen) Kolben ein k u r z e s Thermometer eingeführt, dessen unterer Teil in einem 3—4 cm langen, in der Mitte durch Einschmelzen verjüngten Glasrohr als Fuß ruht. Die auf der Kolben wand aufstehende Seite dieses Fußes ist — damit der Kolben nicht geritzt wird — rund geschmolzen. Durch das im Schliff sitzende Glasrohr leitet man nun aus der Bombe mit vorgeschalteter H 2 S0 4 -^Waschflasche einen kräftigen Chlorstrom ein, so lange, bis die Temperatur in der l e b h a f t siedenden Flüssigkeit auf 156° gestiegen ist. Das obere Kühlrohrende wird zur Beseitigung des abziehenden Chlors mit einer Vorlage mit Ätzlauge verbunden, in die das Überleitungsrohr n i c h t eintauchen soll. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Dauer des Einleitens von der B e l i c h t u n g abhängt 3 ; die Reaktion ist bei hellem Sonnenlicht in einigen Stunden beendet, während sie an trüben Tagen einen halben Arbeitstag in Anspruch nimmt. Man richte sich daher, soweit dies möglich ist, nach der Beleuchtung, wenn keine helle elektrische Lampe („Tageslichtlampe") zur Verfügung steht. Der Kolbeninhalt wird hierauf direkt der D e s t i l l a t i o n im V a k u u m unterworfen. Nach einem Vorlauf von unverändertem Toluol fängt man die Hauptmenge innerhalb von 7 Graden (bei 12 mm etwa zwischen 63—70°) auf. Der Siedepunkt des reinen Benzylchlorids hegt bei 64°/12 mm. Ausbeute 65—70% der Theorie. Das durch Vakuumdestillation gereinigte Präparat ist reiner und haltbarer als das unter Atmosphärendruck destillierte, da hierbei stets HCl-Abspaltung eintritt. Weitere Verwendung für B e n z y l c y a n i d (S. 125), B e n z y l m a l o n e s t e r (S. 222), G r i g n a r d s c h e R e a k t i o n . 1

Cannizzaro, A. ch. (3) 45, 468 (1855); B e i l s t e i n und Geitner, A. 189, 332 (1866); Schramm, B. 18, 608 (1885). 2 Er sollte vom Saalassistenten entleihbar sein. 3 G . B o o k und J . E g g e r t , Ztschr. f. El. 29, 521 (1923); B. 59, 1192 (1926); F. Bergel, B. 59, 153 (1926).

Benzylchlorid aus Toluol

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Die theoretisch einfachste Methode, um Halogen am Kohlenstoff an Stelle von Wasserstoff einzuführen, besteht in der Einwirkung von freiem Halogen auf gesättigte Kohlenwasserstoffe. Sie wird, wie die Chlorknallgasreaktion, durch Licht katalytisch beschleunigt und führt, auf Methan und Chlor übertragen, diesen Kohlenwasserstoff in Mono-, D i - , T r i - und T e t r a c h l o r m e t h a n über. Auch die höheren Paraffine werden auf diese Weise chloriert, aber das Verfahren ist präparativ unbequem und hat zudem den Übelstand, daß gleichzeitig verschiedene, schwer voneinander abtrennbare Reaktionsprodukte entstehen. Es besteht die Regel, daß im allgemeinen das Chlor zuerst an das w a s s e r s t o f f ä r m s t e Kohlenstoffatom tritt. In der Fettreihe bilden die Alkohole, die leichter in reinem Zustand zugänglich sind als die Kohlenwasserstoffe, nach Beispiel 1 und 2 das ausschließliche Ausgangsmaterial für die Darstellung der Halogenverbindungen. Viel übersichtlicher gestaltet sich der Substitutionsprozeß durch Chlor beim Toluol und den homologen Methylbenzolen (Xylolen usw.). Wir haben hier zwei scharf getrennte Vorgänge. 1. Durch typische Halogenüberträger, wie E i s e n f e i l e , J o d , wird ausschließlich im Kern substituiert, und zwar entstehen aus Toluol nebeneinander o-und p-Derivat. 2. Ohne einen derartigen Überträger wird selbst in der Siedehitze der Benzolkern nicht angegriffen. Die Geschwindigkeit der Substitution der Methylgruppe (Seitenkette), die in der Kälte klein ist, steigert sich aber gemäß dem allgemeinen Gesetz, nach dem eine Erhöhung der Temperatur um je 10° eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit um das 2—-3 fache zur Folge hat, zu einer f ü r den präparativen Zweck ausreichenden Höhe. Diese Reaktion ist l i c h t e m p f i n d l i c h , wie alle Reaktionen, bei denen Wasserstoff direkt durch Chlor ersetzt wird. Daß auch ein Zusatz von Phosphorpentachlorid beschleunigend wirke, ist irrtümlich. Dagegen kommt organischen Peroxyden, etwa Benzoylperoxyd, eine starke katalytische Funktion zu ( K h a r a s c h ) . Die Reaktion zwischen Toluol und Chlor bildet, ein sehr schönes Beispiel für die spezifische Wirkung von Katalysatoren. Hinsichtlich des Mechanismus der Seitenkettensubstitution ist zu sagen, daß es sich wie bei der Chlorknallgas-Reaktion um eine Radikalkette handelt. In präparativer Hinsicht ist es von großer Bedeutung, daß der Eintritt des zweit e n Chloratoms in die Seitenkette mit viel g e r i n g e r e r Geschwindigkeit vor sich geht als die erste Phase der Reaktion. So wird fast alles Chlor vom vorhandenen Toluol aufgebraucht, ehe die weitere Chlorierung des Benzylchlorids sich merkbar äußert. Die Nachbarschaft des Benzolkerns verleiht dem Chlor an der Seitenkette geringere Haftfestigkeit, d. h. größere Beweglichkeit als im Falle der reinen Paraffine. Im T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n (C„H5)3CC1 ist die Bindung des Chlors eine so lockere, daß Alkalien seine sofortige hydrolytische Abspaltung herbeiführen. Wir lernen aus diesem Beispiel, daß die Bindungsstriche unserer Formeln die Vierwertigkeit des Kohlenstoffs zwar f o r m a l zum Ausdruck bringen, daß sie aber über die energetischen Verhältnisse der einzelnen Bindungen nichts aussagen. Erst mit der Beherrschung der systematischen Grundlagen gewinnt der Chemiker Blick und Verständnis, um aus den starren Formeln mehr herauszulesen, als was die monotone Verknüpfung von Einzelatomen an sich sagen kann. B e n z y l c h l o r i d ist allen Umsetzungen der Alkylhalogenide zugänglich. Durch Verseifung mit wäßrigen Alkalien in der Hitze entsteht der zugehörige Alkohol, der B e n z y l a l k o h o l C e H 6 · CH a OH, eine bei 206° siedende farblose Flüssigkeit (Präp. V, 4. S. 193). Wenn man unter geeigneten Bedingungen Benzylchlorid mit Ammoniak umsetzt, erhält man B e n z y la m i n C e H s · CH2 · NH 2 , eine ziemlich starke, flüssige Base, die alle chemischen Merkmale der aliphatischen Aminbasen besitzt und sich ganz und gar von den am Benzolkern substituierten A m i n o t o l u o l e n (Toluidinen), die mit ihm isomer sind, unterscheidet. Wir können allgemein sagen, daß alle Veränderungen an der Methylgruppe des Toluols und analog gebauter Verbindungen mit denen rein alipathischer Alkylgruppen wesensgleich verlaufen.

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Die Fortsetzung der Chlorierung des Toluols läßt ein zweites und schließlich ein drittes Chloratom in die Seitenkette eintreten. B e n z a l c h l o r i d C„H6 · CHC12, eine farblose, ebenso wie Benzylchlorid zu Tränen reizende Flüssigkeit, ist das technische Ausgangsmaterial f ü r die Gewinnung des B e n z a l d e h y d s . Vgl. Präp. V, 3; S. 184. B e n z o t r i c h l o r i d (Phenylchloroform) C e H 5 • C e H 5 · C—OH + 3NaCl >• C„H6 · C + H20. \ c i NaOH \ θ Η O Alle chemischen Reaktionen verlaufen s t u f e n w e i s e , und zwar zumeist zwischen 2 Molekeln (Reaktionen zweiter Ordnung oder dimolekulare Reaktionen). So werden wir auch unsere Reaktion in Teilvorgänge aufzulösen und folgendermaßen zu formulieren haben: /Ci .oh o ~~

· C^-Cl + NaOH \ a

* C„H5 · C—Cl + NaCl χ \ i +Na0H^

+ NaCl + H 2 0

+Na0H

CeH5.C II

CeH5 · C X

-+

N

ci

+NaCl. 0H

Die Zwischenprodukte I und I I unterhegen der Verseifung durch Alkali viel rascher als Benzotrichlorid. Daher treten sie nicht in Erscheinung. Zu dem Zwischenprodukt I ist noch zu bemerken, daß Verbindungen dieser Art, die Hydroxyl und Halogen am g l e i c h e n Kohlenstoffatom tragen, nicht existenzfähig sind, sondern sofort den Übergang >C C = 0 + HC1 erfahren. Versuch: M a n k o c h t einige T r o p f e n Benzylchlorid mit (halogenfreiem) alkoholischem K a l i einige M i n u t e n i m R e a g e n z g l a s a u f d e m W a s s e r b a d . D a n n v e r d ü n n t m a n m i t W a s s e r , m a c h t Salpeter sauer, s c h ü t t e l t U n gelöstes in Äther u n d l ä ß t einige T r o p f e n Silbernitratlösung einfließen. D e r analoge Versuch m i t r e i n e m Brombenzol (nächstes P r ä p . ) w i r d k e i n B r o m - I o n a u f t r e t e n lassen. U n t e r s c h i e d zwischen a l i p h a t i s c h und a r o m a t i s c h gebundenem Halogen. A n a l y s e d e s B e n z y l c h l o r i d s . Die quantitative Halogenbestimm u n g in S u b s t a n z e n , die a l i p h a t i s c h g e b u n d e n e s H a l o g e n e n t h a l t e n , f ü h r t m a n n i c h t n a c h C a r i u s i m E i n s c h m e l z r o h r (vgl. S. 65) aus, sond e r n d u r c h h y d r o l y t i s c h e A b s p a l t u n g m i t eingestellter a l k o h o l i s c h e r K a l i l a u g e . D a diese M e t h o d e sehr h ä u f i g a n g e w a n d t wird, v e r b i n d e m a n die K o n t r o l l e des dargestellten P r ä p a r a t e s m i t ihrer E r l e r n u n g .

Brombenzol

95

Man kocht in einem öfters benutzten, gut ausgedämpften kleinen Rundkölbchen eine genau gewogene Menge Benzylchlorid (etwa 1 g) mit dem 1% fachen der berechneten Menge ungefähr n/l-alkoholischer Natronlauge 1 Stunde lang am Rückflußkühler, verdünnt dann mit

dem doppelten Volumen Wasser und titriert mit n/2-Salzsäure Phenolphtaleinzusatz die überschüssige Lauge zurück.

nach

Die Methode ist natürlich nur anwendbar, wenn keine anderen Säuren entstehen. In diesem Falle wird das Halogen mit Rhodanid nach Volhard titriert. Eine weitere in der aromatischen Reihe allgemein verwendbare Methode bietet die sog. Chlormethylierung. Im vorliegenden Fall wird Benzol bei Gegenwart von Chlorzink und HCl mit Paraformaldehyd kondensiert1. Formulieren!

4. Brombenzol Ein y 2 -Liter-Rundkolben trägt in einem seitlich angeschmolzenen Ansatzrohr, durch Glasschliff eingesetzt, einen Kühler, im oberen Hals einen ebenfalls eingeschliffenen Tropftrichter (Fig. 46) (Korkoder GummiVerbindungen werden durch Brom so stark angegriffen,, daß ein sauberes Arbeiten ohne Schliffkolben sehr erschwert ist). Das· obere Ende des Kühlrohrs ist durch einen paraffinierten Kork mit einem großen Péligotrohr (Fig. 47) oder Erlenmeyerkolben (Einleitungsrohr über dem Wasser) verbunden, in dem der entstehende Bromwasserstoff durch Wasser absorbiert wird. I n den Kolben bringt man 90 ccm (1 Mol) Benzol und 2 g grobe· Eisenfeilspäne und läßt dann unter Schütteln aus dem Tropftrichter nach und nach~53 ccm Brom (160 g) eintropfen. Man wartet das u n t e r 1

Blanc, Bl. [4] 38, 313 (1923). R. Adams, Org. Reactions I, 67 (1942).

96

Die Substitution von Hydroxy! und Wasserstoff durch Halogen

HBr-Entwicklung erfolgende Eintreten der Reaktion ab und reguliert die Zufuhr des Broms so, daß die Umsetzung flott im Gang bleibt, ohne stürmisch zu werden. Sollte sie gegen Ende zu träge werden, so erwärmt man noch kurze Zeit im Wasserbad, bis alles Brom verbraucht ist. Nun wird das Reaktionsgemisch aus einem größeren Rundkolben mit Wasserdampf destilliert. Sobald sich im Kühler Kristalle von p-Dibrombenzol abscheiden, wechselt man die Vorlage und treibt noch einen Teil des Nebenprodukts über. Das zuerst abgeblasene Brombenzol wird nach dem Absitzen im Scheidetrichter abgetrennt, mit Calciumchlorid 1 Stunde lang getrocknet und dann destilliert. Die zwischen 140—170° übergehende Fraktion liefert bei wiederholter Destillation der Hauptmenge nach ein Destillat, das zwischen 152—158° übergeht und ziemlich reines Brombenzol darstellt; Ausbeute 70—80 g. Für die spätere Verwendung bei der G r i g n a r d s c h e n R e a k t i o n (S. 290) muß das Präparat in engeren Grenzen nochmals fraktioniert werden. Die reine Verbindung siedet bei 155Ί. p - D i b r o m b e n z o l . Der Rückstand, der bei der ersten Destillation im Kolben geblieben ist, wird noch heiß in eine kleine Porzellanschale gegossen und nach dem Erstarren gemeinsam mit dem Produkt aus der Wasserdampfdestillation auf einem Tonteller von Schmieren befreit bzw. getrocknet. Dabei soll die Substanz nicht mit dem Spatel in den Ton hineingedrückt werden, sondern man legt sie — das gilt für alle Operationen gleicher Art — mit l e i c h t e m Druck auf, damit die Saugwirkung des Tons voll zur Geltung kommt. Bei stark verschmierten Substanzen hebt man nach mehrstündigem Stehen das aufgelegte Gut mit dem Spatel ab und bringt es an eine unbenutzte Stelle des Tellers.

Nach dem Trocknen wird das p-Dibrombenzol aus wenig Alkohol umkristallisiert, aus dem es in prächtigen farblosen Prismen herauskommt. Schmelzpunkt 891. B r o m w a s s e r s t o f f s ä u r e a l s N e b e n p r o d u k t . Es sind bei der Reaktion 80 g HBr entstanden, die etwa 200 ccm Wasser zur Absorption erforderten. Man muß daher, wenn keine genügend große Vorlage vorgeschaltet war, die Beschickung der Vorlage erneuern, sobald Nebel sich zu zeigen beginnen. Zur Reinigung wird die Bromwasserstoffsäure aus einem Fraktionierkolben mit übergezogenem Wasserkühler (Fig. 19) destilliert. Der Siedepunkt steigt nach einem Vorlauf von Wasser auf 126°, und bei dieser Temperatur geht 48-proz. Säure über, die im Laboratorium allerorts gute Verwendung findet. So kann man ζ. B. auch das für die Darstellung der A l k y l b r o m i d e notwendige Kaliumbromid aus ihr darstellen, indem man in einem geräumigen Gefäß die berechnete Menge Pottasche bis zum Neutralpunkt einträgt. Eine nützliche Regel für derartige Operationen: Man behält einen kleinen Teil des schwerer zugänglichen Stoffes — hier der B r o m w a s s e r s t o f f s ä u r e — auf der Seite, damit man beim Überspringen des Neutralpunktes nicht in Verlegenheit kommt.

Brombenzol

97

Versuch: Reines Brombenzol spaltet beim Kochen mit Kali Bromion ab.

kein

Das Halogen ist am Benzolkern sehr fest gebunden, die a r o m a t i s c h e n H a l o g e n i d e sind den charakteristischen Reaktionen der Alkylhalogenide nicht zugänglich. Nur durch katalytisch erregten oder kräftig wirkenden nascierenden Wasserstoff (Natrium in Alkohol) ist das Halogen ersetzbar, auch mit Magnesium kann man Arylhalogenide zur Umsetzung bringen (Präparat IX, 1; S. 290); ferner erfolgt bei der Fittigschen Synthese (S. 91) eine Ablösung des Halogens. Wollen wir Brombenzol mit einem Halogenid der Fettreihe vergleichen, so kann dies naturgemäß nicht das gesättigte Äthylbromid sein, sondern wir müssen Substanzen von der Art des V i n y l b r o m i d s heranziehen. H H H

\ = / H BHr>C=CH

HBr~HBr

Das Additionsprodukt des Äthylens ist gesättigt, das des Benzols dagegen s t ä r k e r u n g e s ä t t i g t als das Benzol selbst, da der symmetrische Ausgleich der Restvalenzen (Thiele) gestört, die „aromatische" Natur aufgehoben ist. Um sie wieder herzustellen, bedarf es nur der unter Freiwerden von Energie vor sich gehenden Abspaltung von B r o m w a s s e r s t o f f , die mit außerordentlicher Geschwindigkeit, noch ehe die anderen aktiv gewordenen Doppelbindungen Zeit zur Aufnahme von Brom finden, erfolgt.

K_R

H H ^H HBr HBr



H^

^>H + HBr

Br H

Man weiß allerdings heute, daß dieser Mechanismus, ein vereinfachendes Modell, zu modifizieren ist. Das Benzoi-dibromid tritt nicht wirklich als Zwischenstufe auf, obgleich auch nach den modernen Anschauungen zur aromatischen 7

G a 11 e r m a η η , Praxis des organ. Chemikers. 36. Aufl.

98

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Substitution, über die man sich auf S. 391 orientiere, eine Addition den einleitenden Schritt des Substitutionsvorganges bildet. Daß bei der Substitution dee Benzols Zwischenprodukte der Addition auftreten, das erkennt man an der intensiven, aber vorübergehenden Färbung, von der die N i t r i e r u n g des Benzols begleitet wird (s. S. 145). Im direkten Sonnenlicht lagern sich Chlor und Brom zu je 3 Molen an die 3 Doppelbindungen des Benzols an zu H e x a - e h l o r - und - b r o m - c y c l o h e x a n (Benzolhexachlorid und -bromid) HCl HCl — C l H < f

>HC1

H H HCl H G Während im B e n z o l und in seinen Derivaten die 6 Substituenten in einer Ebene, und zwar in der des Ringes liegen, verteilen sie sich im C y c l o h e x a n auf zwei, zur Ringebene parallele Ebenen. Daraus ergibt sich schon beim Ersatz zweier H-Atome an verschiedenen C-Atomen eine besondere Art von räumlicher Isomerie, die bedingt wird durch die Lage dieser beiden Substituenten. Sie können nämlich in der gleichen Ebene liegen (cis-Form), oder auf beide verteilt sein (trans-Form). Die Erscheinung ist der c i s - t r a n s - I s o m e r i e derÄthylene, wie sie am Beispiel M a l e i n s ä u r e — F u m a r s ä u r e am besten bekannt ist, nahe verwandt. So kennt man zwei stereo-isomere Formen des 1 , 4 - D i o x y - c y c l o h e x a n s (Chinit): HO

OH " 2 -n-a cis - Chi ni t

H.

OH

^ trans - Chinit

Wenn aber 6 Chloratome an den Benzolkern addiert werden, so lassen sich auf Grund der verschiedenen räumlichen Verteilung 8 stereoisomere Formen voraussehen, von denen bis jetzt 5 in reinem Zustand isoliert sind, deren jeweilige Konfiguration auf physikalisch-chemischem Wege bestimmt wurde. Von ihnen besitzt das y-Benzol-hexachlorid eine hervorragend starke insekticide Wirkung als Kontaktgift. Aus dem bei der Addition von Chlor entstehenden Isomerengemisch wird heute das y-Isomere in techn. Maßstab abgetrennt (Nexit, Gammexan). Beim Inosit liegen ganz analoge sterische Verhältnisse vor. 5. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe a) Ä t h y l e n a u s Ä t h y l a l k o h o l 1 . Ä t h y l e n b r o m i d Eine frisch bereitete und am besten noch warme Mischung von 25 g (30 ccm) gew. Alkohol und 150 g (90 ccm) konzentrierter Schwefelsäure wird unter Zusatz von 60 g feinkörnigem Seesand2 oder ebensoviel entwässertem Aluminiumsulfat in einem großen Rundkolben von etwa 3 Liter Inhalt über einem Asbestdrahtnetz oder auf einem Sandbade n i c h t z u s t a r k erhitzt (auf 160°). Der Kolben trägt im s e h r d i c h t sitzenden Kork ein Thermometer, das in die Flüssigkeit eintaucht, 1

E r l e n m e y e r und B u n t e , A. 168, 64 (1873); 192, 244 (1878). Quarz wirkt beschleunigend auf die Reaktion der Wasserabspaltung (Senderens). 2

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

99

außerdem ein an zwei Enden verjüngtes f - Rohr von 0,6—0,8 cm lichter Weite, in das oben mit einem Stückchen Gummischlauch ein Tropftrichter mit langem Rohr eingesetzt ist (Fig. 48), während der seitliche Ansatz mit den Vorlagen in Verbindung steht. Vor dem Aufsetzen des Korks füllt man das am Ende durch Ausziehen verjüngte Abflußrohr des Tropftrichters durch Aufsaugen mit einer Mischung von 190 ccm (150 g) Alkohol und 170 ccm (300 g) konz. Schwefelsäure. Sobald eine lebhafte Entwicklung von Äthylen eingetreten ist, läßt man aus dem Tropftrichter das Alkohol-Schwefelsäuregemisch zutropfen, unter steter Kontrolle der Temperatur (kleine Flamme!) und in dem Tempo, daß sich ohne starkes Aufschäumen ein regelmäßiger Strom von Äthylen entwickelt.

ΊΠ n n Kg. 48

Fig. 49

Das Gas wird zur Entfernung von Alkohol und Äther durch eine mit konzentrierter Schwefelsäure1 beschickte Waschflasche und zur Entfernung von schwefliger Säure durch eine mit 4 n-Natronlauge gefüllte, dreifach tubulierte Sicherheitswaschflasche 2 (Fig. 49) geleitet. Das Gas tritt dann in zwei nicht zu enge Waschflaschen mit je 25 ccm Brom ein ; das Brom ist, zur Verkleinerung des Verdampfungsverlustes, mit einer 1 cm hohen Wasserschicht bedeckt, die beiden Flaschen werden zur Kühlung in ein Gefäß mit kaltem Wasser eingestellt. Den Abschluß der Vorlagen bildet, wenn es die Druckverhältnisse gestatten, ein mit 2n-Natronlauge beschicktes Péligotrohr (Fig. 47, S. 95), wenn nicht, nimmt man die entweichenden Bromdämpfe in einem verstopften Erlenmeyer (seitlicher Einschnitt im Kork!) auf, wobei man das Rohrende ü b e r der Natronlauge münden läßt (von Zeit zu Zeit umschütteln!). 1 Da sich Äthylen mit heißer Schwefelsäure wieder zu Äthylschwefelsäure vereinigt, muß hier unter Umständen gekühlt werden. a Man beachte, daß während der Entwicklung die Natronlauge in dem mittleren Steigrohr etwa 20—30 cm über das innere Niveau steigen muß. Warum Î 7·

100

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Sobald das Brom entfärbt ist oder zum mindesten über dem braunroten Reaktionsprodukt keine Bromdämpfe mehr sichtbar sind, was bei normalem Verlauf nach 2—3 Stunden erfolgt sein soll, löst man die Verbindung zwischen Kolben und Vorlagen. Das rohe Äthylenbromid wird dann in einem Scheidetrichter mit Wasser und Natronlauge durchgeschüttelt, bis es farblos geworden ist, und mehrfach mit Wasser gewaschen. Nach dem Trocknen mit Calciumchlorid wird es durch Rektifikation vollkommen rein erhalten. Siedepunkt 130°. Ausbeute 125—150 g. Verwendung für G l y k o l (S. 107), auch als L ö s u n g s mittel. Das zuweilen recht lästige S c h ä u m e n , das auf Oxydationswirkung der Schwefelsäure zurückzuführen ist und das sich nur durch vorsichtiges Heizen unterdrücken läßt, vermeidet man bei Anwendung von h o c h k o n z e n t r i e r t e r P h o s p h o r s ä u r e . Man entwässert 150g der käuflichen sirupösen Phosphorsäure, indem man sie in einer Porzellanschale unter dauerndem Rühren langsam bis auf 220° erhitzt. Das Äthylen erzeugt man in einem nach der gegebenen Vorschrift montierten kleineren Kolben, indem man auf die kalt eingefüllte und dann auf 210—220° erhitzte Säure durch den aufgesetzten (und vorher mit Alkohol gefüllten) Tropftrichter den Alkohol Tropfen auf Tropfen treten läßt. Es genügt, eine mit gesättigter wäßriger Calciumchlorid-Lösung beschickte und durch Eis zu kühlende Waschflasche zur Absorption von Alkoholdämpfen vorzuschalten. Der Alkoholbedarf ist hierbei erheblich geringer. Man berechne, wieviel Alkohol für die zur Entfärbung des vorgelegten Broms notwendige Menge Äthylen theoretisch gebraucht wird. Wieviel Litern entspricht diese Menge Äthylen ? Wenn man das mit Schwefelsäure erzeugte Äthylen analysiert (Methode ?), findet man, daß es sehr viel K o h l e n o x y d enthält. Zur Darstellung des reinen Gases ist die Phosphorsäuremethode geeigneter, am besten aber spaltet man aus dem gebildeten Äthylenbromid das Brom mit Zinkstaub und Eisessig wieder ab, indem man es in die Suspension von (nicht zu viel) überschüssigem Zinkstaub in Alkohol und Eisessig (214 Mol) eintropfen läßt und das Gas in einem G a s o m e t e r über Wasser auffängt. b) C y c l o h e x e n a u s C y c l o h e x a n o l . 1

Cyclohexadien

C y c l o h e x e n . 100 g Cyclohexanol werden in einem 150 ccm-Kolben mit absteigendem Kühler mit 80 g prim. Kaliumsulfat bei 130° (Ölbadtemperatur) erhitzt. Das Cyclohexen destilliert im Verlauf von 4—5 Stunden über. Das Destillat wird mit Kochsalz versetzt, solange sich noch etwas löst, das Cyclohexen dann im Scheidetrichter abgetrennt 1

L. Brunei, Bl. (3) 38, 270 (1905).

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

101

und nach dem Trocknen mit Calciumchlorid unter Anwendung einer kleinen Kolonne rektifiziert. Siedepunkt 84°. Ausbeute 80% der Theorie. C y c l o h e x e n - d i b r o m i d . 19 g Cyclohexen werden in 30 cem Chloroform, gelöst. Unter Eiskühlung läßt man dazu die Lösung von 40 g Brom in 100 ccm Chloroform tropfen. Die Bromfarbe verschwindet augenblicklich und erst gegen Ende der Reaktion läßt sich mit Jodkalium-Stärkepapier freies Brom nachweisen. Man destilliert jetzt im Vakuum das Lösungsmittel ab und fraktioniert dann das Dibromid, ebenfalls unter vermindertem Druck. Siedepunkt 96—98° bei 11—12 mm. Ausbeute 48—50 g. C y c l o h e x a d i e n 1 . Das Gemisch von 35 g Gyclohexendibromid und 70 g frisch destilliertem Ghinolin oder Dimethylanilin wird in einem langhalsigen Destillierkolben von 200 ccm Inhalt im Ölbad auf etwa 150—160° (Innentemperatur) erhitzt. Der Kolben wird mit einem gut wirkenden Kühler verbunden, an den eine mit Eis gekühlte Vorlage angeschlossen ist. Die Reaktion setzt unter Dunkelfärbung ein. Man steigert die Temperatur langsam auf 180° und hält sie, nachdem die Hauptreaktion vorüber ist, noch 10 Minuten auf 188°. Hierauf wird die Thermometerkugel aus der Flüssigkeit in die D a m p f p h a s e gebracht und solange weiter destilliert, bis unterhalb 100° nichts mehr übergeht. Das Destillat schüttelt man mit verd. Schwefelsäure aus, trocknet es mit Calciumchlorid und fraktioniert schließlich wiederholt vorsichtig über einigen Stückchen Natrium. Die Fraktion von 80—82° stellt den d o p p e l t u n g e s ä t t i g t e n K o h l e n w a s s e r s t o f f dar, der noch 10—20% C y c l o h e x e n enthält. Ausbeute 7—8 g, bei Anwendung von Dimethylanilin ist sie etwas geringer. Die intramolekulare Wasserabspaltung aus Alkoholen, die gebräuchlichste Methode zur Darstellung der Olefine, verläuft unter Verwendung von konz. Säuren nicht so einfach, wie es die Gleichung CH 3 —CH 2 0H

> CH2 = CH2 + H 2 0

ausdrückt. Alkohol wird durch konz. Schwefelsäure schon bei gelinder Erwärmung zu Ä t h y l s c h w e f e l s ä u r e verestert und es ist deren Zerfall, aus dem das Ä t h y l e n hervorgeht. CH 3 .CH 2 OH H , S 0 · > CH 3 .CH 2 .o—SO 3 H > CH2 = CH2 + H 2 S0 4 . Wir erinnern uns, daß die zuerst gebildete Äthylschwefelsäure in der Hitze (130°) durch ü b e r s c h ü s s i g e n Alkohol gespalten, und daß auf diesem Weg der Ä t h e r dargestellt wird. CH3 . CH2 . o—SO 3 H + HO · CH2 · CH3 — » CH3 . CH2 · O · CH2 · CH3 + H 2 S0 4 . Auch bei der Äthylendarstellung entsteht Ä t h y l ä t h e r als Nebenprodukt. Ä t h y l e n , das „ölbildende Gas" ist schon im Jahre 1795 von den fünf holländischen Chemikern D e i m a n , T r o o s t w y k , B o n d t , L o u w e r e n b u r g h und Crells aus Weingeist und Vitriolöl dargestellt worden. 1

A. W. Crossley, Chem. Soc. 85, 1416 (1904).

102

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Technisch gewinnt man das Äthylen aus Alkohol durch katalytische Wasserabspaltung mit T o n e r d e ( S e n d e r e n s ) , die auf 200—300° erhitzt wird und über die man Alkoholdampf leitet 1 . Gleich der Tonerde eignet sich auch A l u m i n i u m p h o s p h a t zur präparativen Ausführung solcher Reaktionen. Statt, wie in unserem Beispiel, den sauren Schwefelsäureester des Alkohols thermisch zu zersetzen, zieht man häufig die Ester anderer Säuren, ζ. B. der B e n z o e s ä u r e , heran, und vermeidet so die verkohlende Wirkung der Schwefelsäure. Auch p r i m . K a l i u m s u l f a t und w a s s e r f r e i e B o r s ä u r e oder O x a l s ä u r e werden benutzt (Acrolein aus Glycerin, B r e n z t r a u b e n s ä u r e aus Weinsäure). Hierher gehört auch die X a n t h o g e n a t m e t h o d e von T s c h u g a e f f . Die chemische Eigenart der Olefine gründet sich auf ihre, allen möglichen A d d i t i o n s r e a k t i o n e n zugängliche Doppelbindung. Es werden addiert: 1. H a l o g e n e , besonders leicht Chlor und Brom zu A l k y l e n d i h a l o g e n i d e n . 2. H a l o g e n w a s s e r s t o f f s ä u r e n zu A l k y l h a l o g e n i d e n . Präparativ wird meist Bromwasserstoff, in Eisessig gelöst, angelagert, und zwar, da dieser Vorgang langsam verläuft, unter Erhitzen der Komponenten im Einschlußrohr. 3. S c h w e f e l s ä u r e (vgl. oben) und andere Säuren, ζ. B. E s s i g s ä u r e (technische Anwendung in der Gruppe der T e r p e n e ) . 4. S a l p e t e r s ä u r e . Äthylen liefert bei Gegenwart von konz. Schwefelsäure den Salpetersäureester des N i t r o ä t h y l a l k o h o l s CH2 = CH2

CH2 · CH2

CH2 · CH2

NO2 OH NO2 O · N 0 2 5. U n t e r c h l o r i g e S ä u r e , gemäß der Gleichung: CH2 : CH2

— C H

2

— a n a

CI OH So erhält man Ä t h y l e n - c h l o r h y d r i n durch gleichzeitiges Einleiten Äthylen und C0 2 in Chlorkalklösung. 6. S t i c k s t o f f d i o x y d zu D i n i t r o ä t h a n e n : R—CH = CH—R'

von

• R · CH - CH—R'

¿O2 N 0 2 Mit S t i c k s t o f f t r i o x y d entstehen unter Aufnahme von N 2 0 3 die dimolekularen Pseudonitrosite. 7. Ozon ( H a r r i e s , S t a u d i n g e r ) . CHj : CH 2 + O3

>• H 2 C

OBJ

Da die O z o n i d e beim Erhitzen mit Wasser nach der Gleichung: Ο χ R · HC

CH R

R . CHO + R · CHO + HO · OH

1 Eine f ü r das Laboratorium geeignete Vorschrift findet man bei W. K e s t i n g Ang. Ch. 88, 362 (1925).

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

103

gespalten werden, so vermitteln sie eine Synthese für A l d e h y d e (oder Ketone). Die Hydrolyse setzt an der Ätherbindung ein und läßt als Zwischenprodukte D i o x y a l k y l p e r o x y d e RH(OH)C · O—O · C(OH)HR entstehen (siehe auch S. 180), die weiter in Aldehyd (oder Keton) und Hydroperoxyd zerfallen (Rieche). Benzol addiert 3 Mol O3; sein Triozonid (Ozobenzol) CeHeOe zerfällt mit Wasser in 3 Mol Glyoxal. Glatter und ohne Nebenreaktionen verläuft die h y d r i e r e n d e Spaltung der Ozonide, die über einen unbeständigen Oxyalkyläther R· C O C-R H

OH HO

H

zu A l d e h y d bzw. K e t o n führt. Vgl. dazu die Darstellung von A d i p i n d i a l d e h y d aus Cyclohexen auf S. 335. 8. W a s s e r s t o f f . Die Olefine lassen sich durch keines der üblichen Reduktionsmittel mit nascierendem Wasserstoff hydrieren. Dies gelingt nur auf k a t a l y t i schem Wege mit Wasserstoffgas bei Gegenwart fein verteilter Metalle, wie Nickel ( S a b a t i e r ) , Palladium (Paal, S k i t a ) , Platin (Fokin, W i l l s t ä t t e r ) . Vgl. dazu die Präparate S. 328 u. f. 9. B e n z o p e r s ä u r e (Reaktion von P r i l e s c h a j e w ) . Dabei entstehen A l k y l e n oxyde. 0 - OH 1 R CH : CH R' + C„H5 C : O >- R . CH · CH R' + C„H6 . COOH 10. H y d r o x y l . Durch P e r m a n g a n a t werden die Olefine bei tiefer Temperatur in ihre Glykole übergeführt. R - CH : C H . R' » R · CHOH CHOH · R' Die Einwirkung dieses Oxydationsmittels führt aber leicht zu einer Sprengung der Doppelbindung, indem die an ihr beteiligten Kohlenstoffatome weiter oxydiert werden. Sind sie noch gleichzeitig mit Wasserstoff in Bindung, so entstehen C a r b o n s ä u r e n , andernfalls K e t o n e . /CH3 R · CH : C< X CH3

/CH3 • R · COOH + OC< x CH3

Die Reaktion mit Permanganat bildet ein wertvolles und viel benütztes Erkennungsmittel für die u n g e s ä t t i g t e N a t u r einer organischen Verbindung. Man löst die Substanz in kaltem Alkohol, gibt einige Tropfen Sodalösung und dann einen Tropfen verdünnter Permanganatlösung zu. Das rasche Verschwinden der roten Farbe zeigt die Gegenwart einer D o p p e l b i n d u n g an. Auch in reinem, gegen Permanganat beständigem Eisessig läßt sich die „ B a e y e r s c h e P r o b e " ausführen. Die Entfärbung von B r o m bietet eine weitere Erkennungsmöglichkeit von Doppelbindungen. Als Lösungsmittel dient gewöhnlich C h l o r o f o r m . Eine schonende Methode, um Olefine in Glykole überzuführen, besteht in der Einwirkung Osmiumtetroxyd 0 s 0 4 (Cri e gee); als Primärprodukt läßt sich ein Ester der Säure H 2 0s0 4 fassen. Die Olefine verhalten sich nun, in Abhängigkeit von der Natur der Molekel, vielfach verschieden hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der sie die aufgeführten Additionsreaktionen eingehen. Wenn wir in einer Formel eine Doppelbindung

104

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

sehen, so ist damit nicht ohne weiteres gesagt, daß wir alle möglichen Umsetzungen auch mit ihr ausführen können. So gelingt es zum Beispiel nicht, a n T e t r a p h e n y l ä t h y l e n (CeH6)2C : C(CeH6)2 überhaupt Brom anzulagern. Dagegen wird Natrium addiert, was wiederum beim Äthylen nicht möglich ist. Die A f f i n i t ä t der Doppelbindung ist demnach von Fall zu Fall verschieden. Stehen zwei Doppelbindungen einander benachbart (konjugiert), so können sie bei Anlagerungsreaktionen als g e s c h l o s s e n e s S y s t e m reagieren. So lagert B u t a d i e n Brom teilweise im Sinne folgender Gleichung an: CH2 = C H . CH = CH2 BrCHj · CH = CH . CH 2 Br. Seine Dicarbonsäure, die Muconsäure, wird zur ^.^-ungesättigten D i h y d r o m u c o n s ä u r e hydriert: HOOC · CH = CH · CH = CH · COOH-* HOOC · CH 2 . CH = CH · CH2 · COOH In beiden Fällen verschwinden die beiden ursprünglichen Doppelbindungen und zwischen sie tritt eine neue; die Addition hat in 1,4-Stellung stattgefunden. Eine besonders interessante und präparativ wichtige Anwendung hat das Prinzip der 1,4-Addition in der schönen, von Diels und A i d e r 1 entdeckten „DienS y n t h e s e " gefunden. Nach ihr lagern sich B u t a d i e n und zahlreiche B u t a d i e n D e r i v a t e (Isopren, Cyclopentadien) an eine aktivierte Kohlenstoffdoppelbindung unter Bildung von Abkömmlingen des T e t r a h y d r o b e n z o l s . So entsteht ζ. B. aus Butadien und Maleinsäureanhydrid T e t r a h y d r o p h t h a l s ä u r e - a n h y d r i d : ^CH CH I CH V¡H2

CO

>>

CH CH C o

Durch Anlagerung von Butadien an Chinon gelangt man in die hydrierte Naphthalinreihe: CH2 CO CH2 CO HC I HC

+

\ CH2

HC CH IMI HC CH

\ / CO

HC .. HC

C

CH CH

Die Anwendung von C y c l o p e n t a d i e n als „Dien" führt zur Synthese endocyclischer R i n g s y s t e m e , wie sie die Pflanzenzelle im Campher und anderen Terpenen erzeugt, z. B.: CH CH CHO

/

CH \ CH I CH—CHO CH II CH 2 | II CH2 + II — CH / CH2 CH I CH 2 V CH Die Ausführung einer Dien-Synthese (Cyclohexadien und Chinon) ist auf S. 268 beschrieben. 1 A. 460, 98 (1926); K . A i d e r , Neuere Methoden der präparativen organischen Chemie, S. 251. Verlag Chemie 1943.

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe

105

Nach T h i e l e erklärt man die Erscheinung der 1,4-Addition so, daß die Kraftfelder, die die an ungesättigten Bindungen beteiligten Kohlenstoffatome umgeben, sich zwischen C2 und C3 wegen der räumlichen Nähe zum Teil gegenseitig aufheben, so daß an Cj und C4 ein höheres chemisches Potential besteht als an C2 und C 3 ; dort sind demgemäß die bevorzugten Stellen der Addition. Auf das Benzol übertragen sieht diese Vorstellung in ihm ein durch inneren Valenzausgleich viel stärker abgesättigtes Gebilde, als dies bei mehrwertigen Olefinen möglich ist. Im Benzol fehlen die Angriffspunkte, die der offenen Kette noch verbleiben: H H ¿^V H 2 C = c — c = CH2 II I) i * ' i W Wenn wir mit T h i e l e die Inaktivierung benachbarter C-Atome durch eine Klammer wie oben zum Ausdruck bringen, so sehen wir, daß im Benzol alle „ P a r t i a l v a l e n z e n " ausgeglichen sind. Unserer Kenntnis vom aromatischen Zustand ward eine wesentliche Vertiefung und physikalische Fundierung von Seiten der modernen Mesomerielehre zuteü (S. 377). Der Ausgleich der Restvalenzen im Rahmen der T h i e l e s c h e n Theorie ist mit einem Energiegewinn verbunden. Ein konjugiertes System ist um 2—3 kcal energieärmer als ein solches mit zwei isolierten Doppelbindungen. Die „Konjugationsenergie" des Benzols hat den außerordentlich hohen Wert von 36 kcal. Er bedingt die Eigenschaften des Benzols, die seinen „aromatischen Charakter" ausmachen. Wir glauben, daß man den Begriff der „Inaktivierung" von Partialvalenzen durch den ihrer S c h w ä c h u n g ersetzen sollte. Denn einmal gehen keineswegs alle Addenden bei Systemen benachbarter („konjugierter") Doppelbindungen in die 1,4-Stellung, und dann zeigt doch das Benzol die typischen Reaktionen eines Stoffes mit 3 Doppelbindungen, indem es, wenn auch langsamer als ein Olefin, z. B. H a l o g e n , katalytisch erregten W a s s e r s t o f f (zu Cyclohexan), Ozon, D i a z o e s s i g e s t e r (S. 243) direkt anlagert. Daß diese Anlagerungsreaktionen mit geringerer Geschwindigkeit vor sich gehen als dort, das scheint eben durch die graduell gemilderte Interpretation der Thieleschen Hypothese verständlich zu werden. — Auf die Grenze dieser Hypothese stoßen wir beim höheren Ringhomologen des Benzols, beim C y c l o - o k t a t e t r a e n (siehe weiter unten), das sich durchaus nicht als chemisches Ebenbild des Benzols erwiesen hat. Es ist gelb und zeigt die große Reaktionsfähigkeit eines vierfachen Olefins: H H H ^

\ H Η Η

Das Fehlen des aromatischen Charakters ergibt sich im Rahmen der Mesomerielehre als Folge des nicht ebenen Baues des Achtringes. Von höher konjugierten ungesättigten Systemen wird später bei den P o l y e n e n · und den C a r o t i n o i d e n (S. 203) die Rede sein. P o l y m e r i s a t i o n der O l e f i n e Auf die Reaktionsfähigkeit der C = C - Doppelbindung ist auch die Neigung der Olefine zur Polymerisation zurückzuführen. Sie ist bei Systemen mit konjugierten Doppelbindungen besonders groß und wird im technischen Maßstab für die Gewinnung wichtiger hochpolymerer Stoffe wie Kautschuk und anderer Kunststoffe verwendet. Jede Polymerisation stellt einen exothermen Absättigungsvorgang dar. Ihre erste Stufe bildet die gegenseitige Verknüpfung zweier Molekeln, deren Produkt.

106

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

aber nur in seltenen Fällen zu fassen ist. So kann ζ. B. I s o b u t y l e n , das beim Crackprozeß von Erdöl erhalten wird, durch Schwefelsäure zu Diisobutylen dimerisiert werden. Dessen katalytische Hydrierung liefert das sog. I s o - o c t a n , einen Kohlenwasserstoff, der als klopffester Treibstoff Verwendung findet. >C=CH 2 + ]

h3C

I

>C=CH2 HoC^



H3c

χ

HqC ^

:

i CH«

a—C

Λ

CH3

Ein interessantes Beispiel von Dimerisation bildet der spontane Übergang von Cy c l o p e n t a d i e n in Di-cyclopentadien, bei dem sich unter 1,4-Addition 2 Molekeln in räumlich eigenartiger Weise miteinander verbinden1. Das Butadien vermag bei der Polymerisation sowohl nach dem 1,2- wie auch nach dem 1,4-Schema in Reaktion zu treten. Nach K . Z i e g l e r vermutet man, daß bei Verwendung von Na als Katalysator ein Anlagerungsprodukt von 2 Atomen Na an Butadien die Polymerisation auslöst. Dieser Prozeß schreitet bis zur Ausbildung langer Ketten weiter, die als Folge der an ihrer Bildung beteiligten 1,2Addition teilweise verzweigt sind. Das Mischpolymerisat mit Styrol bildet den synthetischen Kautschuk Buna S. Polymerisiertes reines Styrol ist ein viel verwendeter glasartiger Kunststoff. Der natürliche K a u t s c h u k , der aus Isopren-Einheiten aufgebaut ist, besitzt — abgesehen von den ^-ständigen Methylgruppen des Isoprens, — die Gestalt einer unverzweigten Kette. Das wichtigste Kunstglas, das sog. „Plexiglas" ist ein Polymeres des Methacrylsäureesters. Auch aus Isobutylen und sogar aus Äthylen werden neuerdings unter der Wirkung geeigneter Katalysatoren wertvolle hochpolymere Kunststoffe gewonnen (Oppanol, Polythene, Lupolen). Als Leder- oder Kautschuk-Ersatz dienen die aus Vinylchlorid und Vinylacetat erzeugten Polymeren. Acrylnitril (aus Acetylen und Blausäure) liefert ein sehr widerstandsfähiges Polymerisat, das sich zu Fäden hoher Reißfestigkeit (Orionfaser) verspinnen läßt. Vom Mechanismus der Polymerisationsvorgänge — es handelt sich durchweg um Kettenreaktionen — wird später (S. 305) noch die Rede sein. Als Katalysatoren für derartige Polymerisationen haben sich geringe Mengen von organischen Peroxyden besonders bewährt. Auch das Butadien wird heute in Emulsion mit Peroxden polymerisiert. Es sei in diesem Zusammenhang auch kurz über die P o l y m e r i s a t i o n des A c e t y l e n s berichtet. Als einfachster polymerer Kohlenwasserstoff tritt hier das Vinylacetylen C H 2 = C H — C = C H auf ( N e w l a n d ) , während die höheren Polymeren cyclische Gebilde darstellen. So entsteht auf verschiedenen Reaktionswegen aus Acetylen B e n z o l ( B e r t h e l o t , R e p p e ) , bei Anwendung von Nicyanid als Katalysator kommt die sehr bemerkenswerte Polymerisation zu dem =x von W i l l s t ä t t e r aus Pseudopelletierin zuerst gewonnenen Cycloi=\ o k t a t e t r a e n in präparativem Ausmaß zustande2. Auch die fünfI—y und sechsfache Polymerisation zu verschiedenen Kohlenwasserstoffen C 10 H 10 und C 12 H 12 ist geglückt. Unter ihnen findet sich auch der blaue Kohlenwasserstoff „ A z u l e n " C 10 H 8 , von dem Derivate auch in pflanzlichen Ölen vorkommen3. 1 2 3

A i d e r und S t e i n , A. 485, 223. W. R e p p e und Mitarb. A. 560, 1 (1948). P l a t t n e r und P f a u , Helv. 19, 865 (1937).

Glykol aus Äthylenbromid

6. Glykol (Äthylenglykol) aus Äthylenbromid

107 1

G l y k o l d i a c e t a t . In einem mit Rückflußkühler verbundenen kurzhalsigen Rundkolben von 1 l t Liter Inhalt wird eine Mischung von 63 g ( 1 / 3 Mol) Äthylenbromid, 20 g Eisessig und 60 g frisch geschmolzenem, fein pulverisiertem Kaliumacetat (vgl. S. 116) auf einem Sandbade oder Drahtnetz über einer großen Flamme zwei Stunden lang zum l e b h a f t e n Sieden erhitzt. Man verbindet dann den Kolben durch ein kurzes Knierohr mit einem absteigenden Kühler und destilliert das Reaktionsprodukt direkt mit einer großen leuchtenden Flamme, welche man fortdauernd bewegt und gegen Ende der Destillation immer mehr entleuchtet, über. Das Destillat wird dann mit weiteren 60 g Äthylenbromid und 80 g Kaliumacetat versetzt, die Mischung wie oben auf einem Sandbade zwei bis drei Stunden zum lebhaften Sieden erhitzt und erneut abdestilliert. Das Destillat unterwirft man unter Anwendung einer W i d m e r - S p i r a l e (S. 19) einer fraktionierten Destillation, wobei man die folgenden Fraktionen gesondert aufsammelt: 1. von Anfang der Destillation bis 140°, 2. von 140—175°, 3. von 175° bis zum Ende. Die Fraktionen 2 und 3 werden dann nochmals gesondert destilliert, wobei reines Glykoldiacetat zwischen 180—190° (der Hauptanteil bei 186°) übergeht. Ausbeute rund 70 g. Will man die Ausbeute noch verbessern, so erhitzt man die unter 180° übergehenden Anteile mit dem gleichen Gewicht Kaliumacetat nochmals 3 Stunden und verfährt sonst wie oben beschrieben. Die Ausbeute steigert sich dann noch um weitere 15 g.

G l y k o l . Um aus dem Ester das freie Glykol zu gewinnen, wird er durch Kochen mit einer absoluten methylalkoholischen Lösung von Salzsäuregas „umgeestert". Man stellt sich durch Einleiten von HCl in absoluten Methylalkohol unter K ü h l u n g und F e u c h t i g k e i t s a u s s c h l u ß eine etwa 3-proz. Lösung her, indem man die Gewichtszunahme auf einer für 0,1 g empfindlichen Waage feststellt und ein etwaiges Zu viel an HCl durch Verdünnen mit Methylalkohol ausgleicht. 49 g Glykoldiacetat ( 1 / 3 Mol) werden in einem kleinen Rundkolben (200 ccm) mit 60 ccm der methylalkoholischen Salzsäure Y2 Stunde lang am Rückflußkühler gekocht, dann destilliert man, zuerst langsam, am absteigenden Kühler Methylacetat und einen Teil des Methylalkohols ab, den Rest aber bei etwa 50° direkt im Vakuum. Um geringe Mengen unveränderten Esters von dem zurückbleibenden Glykol zu trennen, schüttelt man den Rückstand im Kolben, dem man einen Gummistopfen aufgesetzt hat, mit je 50 ccm absoluten Äthers aus, in dem Glykol unlöslich ist. Der anhaftende Äther wird hierauf am siedenden Wasserbad entfernt und das heiß umgegossene Glykol aus einem kleinen Fraktionierkolben mit Luftkühler der Destillation unterworfen. Der Hauptteil geht bei 195° über. Ausbeute 17—18 g (80—90% der Theorie). 1

H e n r y , Bl. [3] 17 .207 (1897); C. 1907 1,1314.

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Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

Man kann Äthylenbromid auch durch d i r e k t e V e r s e i f u n g mit verdünnter Alkalicarbonatlösung in Glykol überführen; der Umstand jedoch, daß die Reaktion (im heterogenen System) sehr langsam verläuft und daß außerdem große Wassermengen einzudampfen sind, verleiht dem hier eingeschlagenen Umweg, der zudem zwei neue Reaktionen kennen lehrt, den Vorzug. Wir stellen dabei •—• eine vielfach angewandte Methode der Überführung eines Alkylhalogenids in seinen Alkohol — zuerst durch Umsetzung mit Kaliumacetat (häufig auch Silberacetat) den E s s i g e s t e r her, den man im allgemeinen in normaler Weise, mit wäßrigen Alkalien oder Mineralsäuren verseifen würde. Hier, beim w a s s e r l ö s l i c h e n Glykol als Endprodukt soll aber das Arbeiten im organischen Lösungsmittel nicht preisgegeben werden, und deshalb entzieht man dem Ester unter den Bedingungen einer V e r e s t e r u n g die Säuregruppe, die sich im Rahmen eines Gleichgewichts zwischen die beiden Alkohole, Glykol und Methylalkohol verteilt, und zwar bei dem großen Überschuß an Methylalkohol vornehmlich zugunsten von diesem. Man bezeichnet diese Art der Verseifung als U m e s t e r u n g . Näheres über Esterbildung und -verseifung findet man auf S. 129 u. f. Von den Reaktionen der einfachsten zweiwertigen Alkohole, der 1 , 2 - G l y k o l e , seien am Beispiel des Grundkörpers die folgenden angeführt: Beim Erhitzen mit Schwefelsäure entsteht unter Wasserabspaltung A c e t aldehyd. Konz. Salzsäure erzeugt Ä t h y l e n c h l o r h y d r i n ; die zweite OH-Gruppe wird weit schwieriger durch Chlor ersetzt. CH 2 OH—CH 2 0H —

- CH2OH—CH2C1 + H 2 0 .

Im Großen stellt man diese Verbindung durch Anlagerung von unterchloriger Säure an Äthylen her, indem man in eine Chlorkalklösung gleichzeitig C0 2 und Äthylen einleitet. Starke Kalilauge setzt den Chloräthylalkohol unter HCl-Abspaltung zu Ä t h y l e n o x y d um:

ch2—ch2 _HC1 ¿H

¿I

Ein moderneres Darstellungsverfahren des Äthylenoxyds, das in der Großindustrie zunehmend an Bedeutung gewinnt, bedient sich der Luftoxydation von Äthylen in Anwesenheit spezifischer Katalysatoren. Hier ist auch der glatte Übergang des Chlorhydrins mit T r i m e t h y l a m i n in das physiologisch wichtige C h o l i n zu erwähnen, dessen Chlorid sehr leicht erhalten wird, wenn man die beiden Komponenten in äquimolaren Mengen (die Base in konz. absoluter alkoholischer Lösung) einige Zeit in der Wärme aufeinander einwirken läßt. Der Essigsäureester des Cholins von der Formel H3C—CO—OCH2—CH2 · N(CH 3 ) ä besorgt im Organismus die Übertragung des Nervenreizes auf die glatte Muskulatur. Durch B l e i t e t r a c e t a t , Pb(OCOCH 3 ) 4 , werden Glykole unter Lösung der C—C-Bindung dehydriert. Aus Äthylenglykol entstehen 2 Mole F o r m a l d e h y d . P i n a k o n wird, im entgegengesetzten Sinne seiner Entstehung, in 2 Mole A c e t o n zerlegt 1 : (H3C)2C

C(CH3)2

2(HaC)2CO

OH OH Über die Anwendung dieser Methode zur S y n t h e s e v o n A l d e h y d e n siehe Chr. G r u n d m a n n , A. 524, 31 (1936). 1

R. Criegee, B. 64, 260 (1931), A. 481, 263 (1930), 507, 159 (1933).

Iso-amyläther. Chloressigsäure aus Essigsäure und Chlor

109

1

Versuch : Zur Lösung von 1 g Blei-tetracetat in 40 com Eisessig fügt man 3 Tropfen Glykol; nach einer halben Stunde wird überschüssiges Oxydationsmittel mit wenig schwefliger Säure zerstört, alles Blei mit verdünnter Schwefelsäure ausgefällt und im Filtrat vom Bleisulfat der entstandene Formaldehyd mit fuchsinschwefliger Säure nachgewiesen (s. S. 187). Die rote Lösung wird mit Zugabe von konz. Salzsäure blau (vgl. dazu S. 188). In beweglichen Methylengruppen gelingt durch Pb-tetracetat die S u b s t i t u t i o n eines Wasserstoffs durch die Gruppe —O—CO-CH3, an Doppelbindungen, besonders bei cyklischen Olefinen, erfolgt A d d i t i o n zu Glykol-diacetaten. Die Glykolspaltungläßt sich auch mit Überjodsäure durchführen ( M a l a p r a d e ) . 7. I s o - a m y l ä t h e r 2

500 g käuflicher Amylalkohol werden innerhalb der Siedegrenzen 128—132° fraktioniert, dann, mit 50 g konz. Schwefelsäure gemischt, in einem Fraktionierkolben mit hohem Ansatzrohr zum g e l i n d e n Sieden erhitzt. E s destilliert langsam ein Gemisch von Wasser u n d Amylalkohol ab, die Temperatur der siedenden Mischung, die durch ein in die Flüssigkeit eintauchendes Thermometer angezeigt wird, steigt im Verlauf von etwa 8—9 Stunden auf 140°. Einige Zeit, bevor diese Temperatur erreicht ist, bringt man den in einem Scheidetrichter vom Wasser abgetrennten übergegangenen Amylalkohol, den man kurze Zeit mit Kaliumcarbonat getrocknet hat, in den Kolben zurück. Man kühlt dann den Kolbeninhalt auf etwa 100° ab, destilliert mit Wasserdampf, trennt im Destillat die ölschicht ab und fraktioniert sie mit Hilfe eines Aufsatzes. Der rohe Amyläther geht in einer Ausbeute von 200—230 g bei 168—172° über. Zur völligen Reinigung wird er 2 Stunden lang mit fein gepulvertem Natriumamid (1,5 g auf 100° Äther) am Rückflußkühler im Ölbad gekocht, dann vom Natriumamid abdestilliert. Das Destillat schüttelt man mit veri. Salzsäure durch, trocknet über CalciumcUorid und destilliert schließlich sorgfältig über Natrium. 8. C h l o r e s s i g s ä u r e a u s E s s i g s ä u r e u n d C h l o r 3

I n eine Mischung von 150 g Eisessig und 12 g rotem Phosphor, welche eich in einem mit Einleitungsrohr und Rückflußkühler verbundenen Kolben befindet (Fig. 46, S. 95) und auf einem lebhaft siedenden Wasserbade erhitzt wird, leitet man an einem möglichst hellen Orte, am besten im d i r e k t e n S o n n e n l i c h t oder unter künstlicher Bestrahlung, trockenes Chlor ein. Der Verlauf der Chlorierung hängt wesentlich von der Belichtung ab. Die Reaktion ist beendet, 1 In 750 ccm reinen Eisessig + 20 ccm Essigsäure-anhydrid trägt man unter mechanischer Rührung bei 65° 200 g Mennige ein und wartet jedesmal, bis die rote Farbe verschwunden ist. Beim Erkalten kristallisiert das Tetracetat aus; es kann aus Eisessig umkristallisiert werden und ist bei Ausschluß von Feuchtigkeit haltbar. (O. D i m r o t h u n d R . S c h w e i z e r , B. 56,1375 [1923].) Zur Gehaltsbestimmung von Blei-tetracetat-Lösungen vgl. man R. C r i e g e e , B. 64, 260 (1931). 2 G. S c h r o e t e r und W. S o n d a g , B. 41, 1924 (1908). 3 R. H o f f m a n n , A. 102, 1 (1857); R u s s a n o w , B. 25, Ref. 334 (1892).

110

Die Substitution von Hydroxyl und Wasserstoff durch Halogen

sobald eine kleine Probe beim Abkühlen durch Eiswasser und Reiben mit einem Glasstabe erstarrt. Im Sommer genügt hierfür eintägiges Einleiten von Chlor, während an trüben Wintertagen dieses noch einen zweiten Tag fortgesetzt werden muß. Zur Abscheidung der Monochloressigsäure wird das Reaktionsprodukt aus einem Fraktionierkolben, welcher mit einem Verlängerungsrohr verbunden ist, der fraktionierten Destillation unterworfen und die von 150—200° übergehende Fraktion in einem Becherglase gesondert aufgefangen. Diese kühlt man dann unter Reiben mit einem Glasstabe in Eiswasser und filtriert den erstarrten Anteil, welcher aus reiner Monochloressigsäure besteht, schnell an der Saugpumpe ab, wobei man die lockeren Kristalle mit einem Spatel oder Mörserpistill fest zusammenpreßt. Das Absaugen darf nicht zu lange fortgesetzt werden, da sonst die Chloressigsäure durch die warme Luft allmählich verflüssigt wird. Das Filtrat unterwirft man nochmals der Destillation, wobei man den zwischen 170 und 200° übergehenden Teil gesondert auffangt. Verfährt man mit diesem wieder wie soeben (Abkühlen und Filtrieren), so erhält man noch eine zweite Menge von Monochloressigsäure, welche mit der Hauptmenge vereinigt und durch nochmalige Destillation vollkommen rein erhalten wird. Siedepunkt 186°, Schmelzpunkt 63°. Ausbeute wechselnd ; 80—125 g. Verwendung für N i t r o m e t h a n (S. 140), M a l o n e s t e r (S. 220), Glyk o k o l l (S. 238), P h e n y l g l y c i n (S. 321). Da die Monochloressigsäure, vor allem in warmem Zustande, die Haut stark angreift, so hüte man sich, mit ihr in Berührung zu kommen. Wesentlich rascher verläuft die Chlorierung, auch ohne Licht, wenn man dem obigen Ansatz von 150 g Eisessig 1,5 g Jod, 7 g POlt und 3 g roten Phosphor zusetzt 1 . Nach beendigter Reaktion dekantiert man noch heiß vom Phosphor ab, verdünnt mit 40 ccm Eisessig, saugt nach dem Erkalten die auskristallisierte Monochloressigsäure scharf ab und wäscht mit wenig Eisessig nach. Man kommt so zu einem schwach rötlichen Präparat, das im Exsiccator über Ätzkali von dem noch anhaftenden Jod befreit wird. Die Substitution einer gesättigten Kette durch Chlor oder Brom wird erleichtert durch die Gegenwart einer 0=C-Gruppe. So werden A l d e h y d e und K e t o n e mit großer Leichtigkeit halogeniert, und zwar tritt das Halogen ausschließlich in die α-Stellung. Viel geringer ist der „auflockernde" Einfluß, den die C a r b o x y l g r u p p e auf benachbarten Wasserstoff ausübt. Daher erfolgt in den C a r b o n s ä u r e n die Substitution durch Halogen weit schwieriger, kann aber durch Belichtung und durch Katalysatoren (Überträger) beschleunigt werden. Die Eintrittsstelle des Halogens ist auch hier stets das dem Carboxyl benachbarte, α-ständige Kohlenstoffatom. Als Überträger bei der Chlorierung eignet sich J o d , das sich mit Chlor zu dem reaktionsfähigen C h l o r j o d verbindet; z . B . : CHj. COOH + C1J

>· CHjCl · COOH + H J

Da der so entstehende Jodwasserstoff durch Chlor sofort wieder in Jod verwandelt wird, das dann von neuem Chlorjod bildet, so hat man hier einen anschaulichen Fall einer chemisch durchsichtigen Ü b e r t r a g u n g s k a t a l y s e . 1

H. B r ü c k n e r , Ang. Ch. 40, 973 (1927); 41, 226 (1928).

Säurechloride

111

Wesentlich anders und viel komplizierter wirkt P h o s p h o r . Der zuerst entstehende H a l o g e n p h o s p h o r setzt sich mit der Säure zum S ä u r e c h l o r i d um, das mit einem zweiten Molekül Säure das A n h y d r i d bildet: a) CHj - COCI + HOOC · CH3 • CH3 · CO · 0 · CO · CH3 + HCl. Das Anhydrid wird nun viel leichter substitutiv chloriert als die Säure, und das Zwischenprodukt, das so entsteht, wird schließlich durch den bei der Reaktion auftretenden Chlorwasserstoff wie folgt gespalten: CH2Cl · CO v CH2C1 · COOH . b) > 0 + HCl • H3C · C O ' CH3 · COCI Das zurückgebildete A c e t y l c h l o r i d kann dann nach a) erneut in Reaktion treten. Während in unserem Fall die Menge des Phosphors eine beschränkte ist, benutzt man, namentlich zur Einführung von Brom, häufig äquivalente Mengen, stellt also das S ä u r e b r o m i d her, das dann erst in α-Stellung substituiert wird. Als Reaktionsprodukt tritt hierbei das B r o m i d d e r α - b r o m i e r t e n S ä u r e auf, das man durch Behandlung mit Wasser in diese umwandeln muß; häufig stellt man auch durch Einwirkung von Alkohol den E s t e r dar ( H e l l - V o l h a r d - Z e l i n s k y s c h e s Verfahren). Die α - H a l o g e n c a r b o n s ä u r e n , deren einfachste die Chloressigsäure ist, finden für Synthesen mannigfache Verwendung. Erwähnt sei hier ihr Übergang in O x y s ä u r e n (durch hydrolytische Abspaltung des Halogens) und in A m i n o s ä u r e n (Präp. VII, 2) : CICHj · COOH + HÖH C1CH2. COOH + 2NH 3

• HOCH 2 · COOH + HCl • H 2 N · CH2 · COOH + NH 4 C1.

Die Einführung von Jod erfolgt nach der auf S. 91 erwähnten Methode. /3-Halog e n c a r b o n s ä u r e n werden durch Addition von Halogenwasserstoff an oc,/?-ungesättigte Säuren erhalten: CH2=CH.COOH Acrylsäuxe

HBr

> CHjBr· CH¡¡ COOH. /Miroin prop ionsäure

II. Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge 1. Säurechloride a) A c e t y l c h l o r i d 1 Zu 90 g (1,5 Mol) wasserfreiem Eisessig, welcher sich in einem mit absteigendem Kühler verbundenen Fraktionierkolben befindet, läßt m a n unter Kühlung mit kaltem Wasser aus einem Tropftrichter 72 g Phosphortrichlorid fließen. Man taucht dann die Kugel des Kolbens in eine nicht zu kleine, mit Wasser v o n 40—50° gefüllte Porzellanschale ein und setzt die Erwärmung solange fort, bis die i m Anfang lebhafte Salzsäureentwicklung nachgelassen und die vor dem Erwärmen homogene Flüssigkeit sich in zwei Schichten getrennt hat. D a s Acetylchlorid wird hierauf auf lebhaft siedendem Wasserbad v o n der phosphorigen Säure (untere Schicht) abdestilliert. Eine kleine Saugflasche, die durch einen Kork an das untere Ende des Kühlrohrs angeschlossen u n d durch ein 1

B e c h a m p , C. r. 40, 946 (1855); 42, 226 (1856).

112

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

mit Gummischlauch angefügtes CaCI 2 -Rohr gegen die Luftfeuchtigkeit geschützt ist, dient als Vorlage. Durch w i e d e r h o l t e Destillation (mit Thermometer) wird das Präparat gereinigt. Man fängt die Fraktion zwischen 48—-53° gesondert auf (Siedepunkt des reinen Acetylchlorids 51°). Ausbeute 70—80 g. Verwendung für E s s i g s ä u r e a n h y d r i d (S. 116) und A c e t o p h e n o n (S. 297). Man prüfe das Präparat auf P h o s p h o r g e h a l t (PC13), indem man einige Tropfen in wenig warmem Wasser zersetzt, die Lösung in einer kleinen Porzellanschale abdampft, dann z w e i m a l mit starker Salpetersäure oder Bromwasser abraucht und schließlich die üblichen Reaktionen auf Phosphorsäure anstellt. Wird Phosphor nachgewiesen, so ist das Präparat n o c h m a l s mit ein paar Tropfen Eisessig zu destillieren.

b) B e n z o y l c h l o r i d 40 g ( 1 / 3 Mol) trockene Benzoesäure werden in einem Rundkolben von 250 ccm Inhalt, der einen eingeschliffenen Kühler trägt (zur Not auch Korkverbindung), mit 100 ccm Thionylchlorid Übergossen und hierauf im Wasserbad unter Rückfluß auf 80° erwärmt (Abzug). Nach einer halben Stunde ist die kräftige G a s e n t w i c k l u n g (HCl und S0 2 ) beendigt; man gießt das abgekühlte Gemisch in einen Fraktionierkolben über und destilliert am absteigenden Wasserkühler das überschüssige Thionylchlorid auf lebhaft siedendem Wasserbad soweit als möglich ab; es ist für die gleiche Operation nochmals verwendbar. Das Benzoylchlorid wird hierauf am Drahtnetz oder mit schwach leuchtender Flamme der Destillation unterworfen. Langes Kühlrohr mit Vorlage, wie beim Acetylchlorid beschrieben, aber ohne Wassermantel. Nach einem beträchtlichen Vorlauf, der im wesentlichen aus (ebenfalls wieder verwendbarem) Thionylchlorid besteht, geht die Hauptmenge bei 194—199° über. Reines Benzoylchlorid siedet bei 194°. Ausbeute 40—42g. Auch hier empfiehlt sich die D e s t i l l a t i o n i m V a k u u m , die ein reineres Produkt liefert. Viel verwendetes Laboratoriumspräparat. Um das Hydroxyl einer COOH-Gruppe durch C h l o r zu ersetzen, kann man z.T. die gleichen Reaktionen benutzen, welche oben f ü r den Ersatz von alkoholischen Hydroxylgruppen durch Halogen beschrieben wurden. Praktisch stellt man S ä u r e c h l o r i d e fast immer durch Einwirkung von PC13, PC15 oderSOCl 2 , in selteneren Fällen von P0C13, auf die S ä u r en selbst, in manchen Fällen auch wohl auf deren A l k a Ii s a l z e , dar. Die Auswahl des Chlorids hängt ab 1. von der Leichtigkeit, mit welcher die betreffende Säure reagiert, und 2. von dem Siedepunkt des Säurechlorides. Wirkt ζ. B. wie bei der Essigsäure und ihren Homologen bereits PCI3 unter Bildung des Chlorides leicht ein, so zieht man dieses Chlorid dem noch energischer wirkenden PC1B vor. Bei der Reaktion, deren Mechanismus nachstehend erörtert wird, entsteht p h o s p h o r i g e S ä u r e nach der Gleichung: 3CH S C

\θΗ

+ PC13 = 3CH 3 · C

+H3P03.

\C1

Indem die phosphorige Säure mit Acetylchlorid oder auch mit Phosphortrichlorid reagiert, kommt die bei dem Versuch beobachtete Entwicklung von Salzsäure zustande.

Säurechloride

113

B e n z o e s ä u r e reagiert mit PC13 weniger glatt, energisch aber mit PC15. Da die Abtrennung des überschüssigen Chlorphosphors (auch des Oxychlorids) viel weniger einfach ist als bei der Anwendung von Thionylchlorid, zieht man dieses leicht zu beschaffende und wohlfeile Chlorid vor (H. Meyer). Die R e a k t i o n s w e i s e hat man sich so vorzustellen, daß zuerst unter HC1Abspaltung das g e m i s c h t e A n h y d r i d entsteht, das dann in Säurechlorid und S0 2 zerfällt: R · C : O + S0C12 • R C:O • R · C: 0 —HC1 OH Ó · SOCI Cl + S°2 * Ähnlich ist der Gang der Reaktion, wenn man die Chloride des Phosphors (oder Phosgen) verwendet. In Fällen, wo die Reaktion sehr stürmisch verläuft, benützt man Chloroform oder Benzol als Verdünnungsmittel; dies gilt auch für die Umsetzung der Alkohole. Des P h o s p h o r o x y c h l o r i d s bedient man sich meistens nur dann, wenn man die S a l z e von C a r b o n s ä u r e n anwendet, mit welchen es in folgender Weise reagiert: 2CH 3 . CO · ONa + P0C13 = 2CH 3 · CO · Cl + N a P 0 3 + NaCl. Diese Reaktion kann man mit Vorteil verwerten, um das Chlor des PC15 vollkommener auszunützen, als es bei seiner Einwirkung auf die freien Säuren geschieht. Die S ä u r e c h l o r i d e sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren farblose kristallinische Substanzen. Sie sieden meistens unter gewöhnlichem Druck ohne Zersetzung; nur die hochmolekularen werden zweckmäßig im Vakuum destilliert. Der Siedepunkt der Säurechloride liegt niedriger als der der Säuren, wie denn überhaupt der Ersatz von Hydroxyl durch Chlor eine Siedepunktserniedrigung zur Folge hat: CH3 . CO . Cl Siedepunkt 51° C 6 H 5 . CO · Cl Siedepunkt 196° CH3 · CO · OH Siedepunkt 118° C„H5 . CO • OH Siedepunkt 250°. Formylchlorid ist nicht beständig, da es in CO und HCl zerfällt; wohl aber existiert das Formylfluorid. Die Säurechloride besitzen einen heftig stechenden Geruch und rauchen an der Luft. Sie werden durch Wasser unter Bildung von S ä u r e und C h l o r w a s s e r s t o f f zersetzt. Diese Umsetzung erfolgt vielfach außerordentlich leicht, da das Chloratom an einem Säurerest viel lockerer als an einem Alkylrest haftet. Während es zur Umwandlung eines Halogenalkyls in einen Alkohol meistens erforderlich ist, jenes lange Zeit mit Wasser, oftmals unter Zusatz von Natron, Kali, einem Carbonai oder Acetat, zu kochen, erfolgt die analoge Umsetzung eines Säurechlorida bei weitem leichter. Bei den niederen Gliedern, wie ζ. B. dem A c e t y l c h l o r i d , tritt die Reaktion bereits in der K ä l t e in äußerst stürmischer Weise fast augenblicklich ein, während es bei den höheren Gliedern, wie ζ. B. beim B e n z o y l c h l o r i d , •des Erhitzens bedarf, um die Umsetzung herbeizuführen. S u l f o s ä u r e c h l o r i d e sind selbst gegen siedendes Wasser eine Zeitlang beständig (siehe Benzolsulfochlorid S. 169). Alkalien wirken naturgemäß weit lebhafter als Wasser auf Säurechloride ein. Mit Alkoholen und Phenolen reagieren die Säurechloride unter Bildung von S ä u r e e s t e r n .

Versuch: Man gieße etwa 1 '2 ccm Acetylchlorid allmählich zu 2 com Wasser, das sich in einem Reagenzrohr befindet. Ist das Wasser sehr kalt, so kann man kurze Zeit die im Wasser untersinkenden und mit diesem sich mischenden Tropfen des Chlorids beobachten. Schüttelt man das Rohr, so tritt eine lebhafte Reaktion unter Erwärmung ein. Versuch: Man führe den gleichen Prozeß mit Benzoylchlorid aus. Auch bei längerem Schütteln keine wahrnehmbare Veränderung; man muß einige Zeit kochen, um die völlige Zersetzung zu erreichen. Nach -8

G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers.

36. Aufl.

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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

dem Erkalten kristallisiert Benzoesäure aus. In gleicher Weise bringe man Benzoylchlorid mit 2 η-Lauge zusammen. Versuch: Zu 1 ccm Alkohol, welcher sich in einem durch Wasser abgekühlten Reagenzrohr befindet, fügt man tropfenweise das gleiche Volumen Acetylchlorid, versetzt dann, ebenfalls unter Kühlung, mit dem gleichen Volumen Wasser und macht vorsichtig mit Natron schwach alkalisch. Hat sich nicht schon hierbei über der wäßrigen Flüssigkeit eine leicht bewegliche Schicht des angenehm riechenden Essigesters abgeschieden, so fügt man noch so lange fein pulverisiertes Kochsalz hinzu, bis sich dies nicht mehr löst, wobei die Abscheidung des Essigesters eintreten wird. Man bringe in gleicher Weise Benzoylchlorid mit etwas überschüssigem Alkohol zusammen und prüfe am Geruch die Geschwindigkeit der Einwirkung. Säurechloride benutzt man auch, um zu entscheiden, ob eine vorliegende noch unbekannte Verbindung eine a l k o h o l i s c h e oder p h e n o l a r t i g e H y d r o x y l g r u p p e enthält oder nicht. Reagiert ein Stoff mit einem Säurechlorid, so ist dies der Fall, da alle Verbindungen, die den Sauerstoff in anderer Bindungsform, ζ. B. ätherartig gebunden enthalten, indifferent sind. Durch Zusatz von Alkali oder Alkalicarbonat kann die Reaktion wesentlich erleichtert werden. Schließlich wendet man die Einwirkung eines Säurechlorids auf A l k o h o l e und P h e n o l e noch an, um sie aus Lösungen abzuscheiden, oder um sie zu charakterisieren. Man bedient sich zu diesem Zwecke jedoch meistens des Benzoylchlorids und seiner Nitroderivate. Methylalkohol gibtz. B. mit p - N i t r o b e n z o y l c h l o r i d den schön kristallisierten Methylester, der geringe Mengen aus wäßriger Lösung herauszuholen erlaubt. Auf die Salze von Carbonsäuren wirken Säurechloride unter Bildung von S ä u r e a n h y d r i d e n ein (siehe nächstes Präparat). Es muß noch erwähnt werden, daß die Acylierung von Alkoholen, Phenolen und Aminen mit Säurechloriden (und auch Anhydriden) statt nach dem alten Verfahren von S c h o t t e n - B a u m a n n — Einwirkung von Säurechlorid in alkalisch-wäßriger Suspension — auch vielfach in Pyridinlösung vorgenommen wird. Der Chlorwasserstoff wird vom Pyridin gebunden. Auch auf A m m o n i a k , sowie auf p r i m ä r e und s e k u n d ä r e o r g a n i s c h e B a s e n wirken Säurechloride mit großer Leichtigkeit ein: CH3 - CO - Cl + 2NH 3 = CH3 · CO · NH¡¡ + NH4C1 Acetamid

CH 3 . CO · Cl + 2C e H 5 · NH 2 = C„H 5 . NH . CO · CH3 + C„H5 · N H 2 . HCl. Anilin

Acetanilid

Versuch: a) Zu 1 ccm Anilin fügt man tropfenweise Acetylchlorid, wobei unter lebhaftem Zischen eine heftige Reaktion eintritt, welche jedoch aufhört, sobald etwa das gleiche Volumen des Chlorides hinzugefügt ist. Unter Kühlung mit Wasser versetzt man dann mit dem fünffachen Volumen Wasser, wobei sich ein reichlicher Niederschlag von Acetanilid abscheidet, dessen Menge noch vermehrt werden kann, wenn man die Gefäßwände mit einem Glasstabe reibt. Der Niederschlag wird abfiltriert und aus wenig heißem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt 115°. b) Man versetze wäßriges Ammoniak mit einigen Tropfen Benzoylchlorid. Momentan scheidet sich B e n z a m i d i n farblosen Kristallen aus.

Säurechloride

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Auch diese Reaktion wird benützt, um die o r g a n i s c h e n B a s e n durch Überführung in ihre meist kristallisierten Säurederivate zu charakterisieren und um kleine Mengen, vor allem von f l ü s s i g e n B a s e n , durch eine Schmelzpunktsbestimmung zu erkennen. Um die Base voll umzusetzen — ein Mol wird ja durch die freiwerdende Salzsäure gebunden —, setzt man beim Arbeiten in wäßriger Lösimg oder SuspensionAlkalioderCarbonat, in wasserfreiem Lösungsmittel t r o c k e n e s K a l i u m c a r b o n a t oder P y r i d i n zu. Da tertiäre Basen mit Säurechloriden nicht reagieren, da sie kein ersetzbares Wasserstoffatom mehr enthalten, so kann man mit Hilfe der Einwirkung eines Säurechlorids auch entscheiden, ob eine Base einerseits p r i m ä r oder s e k u n d ä r oder andererseits t e r t i ä r ist. Ferner sei hier auf die wichtige Verwendung der Säurechloride bei der F r i e d e l Craftsschen R e a k t i o n verwiesen (S. 295). Nach Art der S c h o t t e n - B a u m a n n s c h e n Reaktion läßt sich auch H y d r o p e r o x y d acylieren. Man kommt so zu S ä u r e - p e r o x y d e n . D a r s t e l l u n g v o n B e n z o y l p e r o x y d 1 . Zu 50 ccm e t w a 10-proz. wäßrigen Hydroperoxyds läßt m a n unter guter Eiskühlung u n d stetem Schütteln (am besten in einer Glasstöpselflasche) abwechselnd 4 n - N a t r o n lauge u n d Benzoylchlorid tropfen, derart, daß die Lösung immer schwach alkalisch bleibt. N a c h d e m etwa 30 ccm Lauge u n d 15 g Benzoylchlorid verbraucht sind, ist das Hydroperoxyd umgesetzt, das Peroxyd der Benzoesäure hat sich in kristallinischen Flocken abgeschieden und der Geruch des Chlorids ist nahezu ganz verschwunden. Man saugt ab, wäscht mit Wasser aus u n d trocknet. Ausbeute 10—12 g. A u s wenig Alkohol, in dem nur k u r z zum Sieden erwärmt wird, kristallisiert die Substanz in schönen farblosen Prismen. Schmelzpunkt 106—108° unter Zersetzung. Eine k l e i n e Probe erhitze m a n i m trocknen Reagenzglas rasch über der Flamme. Besonders rein wird das P e r o x y d erhalten, wenn m a n seine konz. Lösung in Chloroform in das doppelte Volumen Methylalkohol einfließen läßt. B e n z o y l p e r o x y d m u ß wie a l l e organischen Peroxyde mit einiger Vorsicht gehandhabt werden. Das Peroxyd der Benzoesäure vermittelt die einfachste Synthese von A l k y l e n o x y d e n nach P r i l e s c h a j e w . In abs. ätherischer oder noch besser benzoÜscher Lösung wird es nämlich durch Natriumäthylat gespalten in das N a t r i u m s a l z d e r B e n z o p e r s ä u r e und in B e n z o e s ä u r e e s t e r 2 . C e H t . C—0—0—C . C„H5

• C e H 5 . C—0—ONa + H6C20—C—C„H6

Die wenig beständige P e r s ä u r e , die wie alle Persäuren viel schwächer ist als die zugehörige Carbonsäure, wird nach dem Ansäuern des Natriumsalzes in Chloroform aufgenommen. Ihre Chloroformlösung dient als Reagenz f ü r die oben erwähnte Reaktion, die auf S. 103 bereits formuliert ist. Äthylen selbst tritt nicht in Reaktion. Eine wichtige Eigenschaft der Diacylperoxyde ist ihre Fähigkeit zur Spaltung in neutrale, radikalische Bruchstücke; eine Eigenschaft, die diese Verbindungsklasse zu Initiatoren von Radikal-Kettenreaktionen macht, deren technisch wichtigste die auf S. 105 erwähnte Olefin-Polymerisation ist. 1 2



v. P e c h m a n n und V a n i n o , B. 27, 1510 (1894). B a e y e r und V i l l i n g e r , B. 33, 1575 (1900).

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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

2. Essigsäure-anhydrid 1 Zur Darstellung des Essigsäure-anhydrids benützt man die gleiche Apparatur wie beim Acetylchlorid. Zu 80 g fein pulverisiertem, wasserfreiem Natriumacetat (dessen Darstellung siehe unten) läßt man aus einem Tropftrichter tropfenweise 54 g ( % Mol) Acetylchlorid fließen. Sobald etwa die Hälfte des Chlorids hinzugefügt ist, unterbricht man die Reaktion auf kurze Zeit, um mit Hilfe eines am untern Ende der Länge nach breit gedrückten und etwas umgebogenen Glasstabs die breiige Masse durcheinander zu rühren, und läßt erst dann den Rest nachfließen, so langsam, daß kein unverändertes Acetylchlorid übergeht. Hierauf destilliert man mit l e u c h t e n d e r Flamme unter fortwährendem Bewegen des Brenners das Anhydrid von dem Salzrückstande ab. Das Destillat wird schließlich unter Zusatz von 3 g fein pulverisiertem wasserfreiem Natriumacetat, welches die letzten Anteile unveränderten Acetylchlorids vollends zu Essigsäure-anhydrid umsetzt, einer fraktionierten Destillation unterworfen. Siedepunkt des Essigsäureanhydrids 138°. Ausbeute 55—60 g. Verwendung für A c e t y l i e r u n g e n , P e r k i n s c h e R e a k t i o n (V, 8; S. 202), A c e t o p h e n o n (IX, 3 b ; S. 297). Das Präparat ist auf C h l o r zu prüfen, indem man eine Probe mit Wasser kocht und nach Zugabe von verdünnter HN03 einige Tropfen Silbernitratlösung zufügt. I n analoger Weise kann das schön kristallisierte B e n z o e s ä u r e a n h y d r i d (Schmelzpunkt 42°) präparativ gewonnen werden. Es wird auch erhalten, wenn man Benzoesäure mit einem Überschuß von Essigsäureanhydrid kocht („Umanhydrisieren"). D a r s t e l l u n g d e s w a s s e r f r e i e n N a t r i u m a c e t a t s : Das kristallwasserhaltige Salz (3 H 2 0 ) erhitzt man in einer flachen Schale aus Eisen oder Nickel direkt über dem Brenner. Nachdem das Kristallwasser verdampft ist, erstarrt die Schmelze. Es wird hierauf durch vorsichtiges Erhitzen das wasserfreie Salz auch zum Schmelzen gebracht. Nach dem Wiedererstarren wird das Salz noch warm gepulvert und sofort unter Verschluß gesetzt. Auch das käufliche wasserfreie Acetat muß noch einmal geschmolzen werden. Die Einwirkung des Acetylchlorids auf das Natriumacetat vollzieht sich nach folgender Gleichung: CH3 - C = 0 CH3 - CO - Cl + CH3 · CO · ONa = )>0 + NaCl. CH3 - C = 0 Auch gemischte Anhydride, welche zwei verschiedene Säureradikale enthalten, kann man nach dieser Reaktion bereiten, wenn man Chlorid und Salz zweier verschiedener Säuren anwendet. Da, wie oben beim Acetylchlorid ausgeführt, aus dem Alkalisalz einer Säure und P0C14 ein Säurechlorid erhalten werden kann, so ist es für die Darstellung eines 1

C. Gerhardt, A. ch. [3] 37, 313 (1853).

Essigsäure-anhydrid

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Anhydrids nicht erforderlich, das Chlorid zuerst zu isolieren; man kann es vielmehr sofort auf einen Überschuß des Salzes weiter einwirken lassen, so daß aus P0C13 und dem Salz direkt ein Anhydrid erhalten werden kann (technisches Verfahren). Man formuliere diese Reaktion. Die S ä u r e - a n h y d r i d e sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren kristallisierte feste Stoffe. Sie besitzen einen scharfen Geruch, sind in Wasser unlöslich, lösen sich jedoch in indifferenten organischen Lösungsmitteln auf. Ihr spez. Gewicht ist größer als das des Wassers. Der Siedepunkt liegt höher als der der entsprechenden Säure: Essigsäure 118°, Essigsäureanhydrid 138°. Der Schmelzpunkt liegt im allgemeinen tiefer. Die niedrigeren Glieder können unter gewöhnlichem Druck ohne Zersetzung destilliert werden; bei den höheren muß die Destillation im Vakuum vorgenommen werden. Das chemische Verhalten der Anhydride gegen Wasser, Alkohole, Phenole sowie Basen gleicht vollkommen dem der C h l o r i d e ; nur reagieren die Anhydride l a n g s a m e r als die Chloride. Versuch: Man versetze 3 ecm Wasser mit V2 com Essigsäureanhydrid. Dieses sinkt zu Boden und löst sich selbst nach längerem Schütteln nicht. Erwärmt man jedoch die Mischung des Anhydrids mit Wasser einige Zeit, so tritt unter Aufnahme von Wasser Lösung ein. N i m m t m a n statt Wasser verdünnte Lauge, so tritt die Lösung rascher ein. Essigsäureanhydrid wird überaus häufig benützt, um die A c e t y l g r u p p e in alkoholisches oder phenolisches Hydroxyl oder in ein Ammoniakderivat HN R einzuführen. Durch einen Tropfen konzentrierter Schwefelsäure wird die Reaktionsgeschwindigkeit außerordentlich gesteigert. Versuche: Man bringe Essigsäureanhydrid mit Alkohol, wäßrigem Ammoniak, Anilin, Phenol zusammen. Der Mischung mit Phenol setze man einen Tropfen konz. II2SOi zu. Durch thermische Zersetzung an einem glühenden Platindraht ist Essigsäureanhydrid unter Wasserabspaltung in das monomolekulare Anhydrid der Essigsäure, in K e t e n , übergeführt worden (Wilsmore): Η»0"00 _HO \ 0 2H2C=C=0. H 3 C · CO Präparative Darstellung von Keten im Laboratorium durch thermische Zersetzung von A c e t o n (Schmidlin): CH3 · CO · CII3 > CHa : CO + CH4 Bequem und mit guter Ausbeute läßt sich Keten mit der von E. O t t 1 angegebenen „ K e t e n l a m p e " gewinnen. Keten dient beim Ausschluß von Wasser auch als Acetylierungsmittel. Auch Essigsäure vermag als Generator für Keten zu dienen. Das technische Verfahren zur Darstellung von Essigsäure-anhydrid bedient sich dieser Spaltung. Das gebildete Keten lagert dabei eine zweite Molekel Essigsäure an (A. W a c k e r A.G.): H 2 C=CO > H 3 C—c—o—c—CH 3 O O 1 J . pr. Ch. 130, 177 (1931). — Vgl. auch Beri und K u l l m a n n , B. 65, 1114 (1932).

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

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Unter der katalytischen Wirkung von Schwefelsäure geht Keten in das dimere D i k e t e n über, das die Struktur eines /?-Lactons hat. Das einfachste /?-Lacton ,β-Propiolacton entsteht aus Keten mit Formaldelyd. H2C—CO H2C—CO I I I I H 2 C=C—O H 2 C—o Diketen

/S-Propiolakton

Die Analogie der Säureanhydride mit den Säurechloriden wird verständlich, wenn man sich die nahe Verwandtschaft der beiden Körperklassen näher ansieht. Hier wie dort ist das H y d r o x y l der Carboxylgruppe durch den anionischen Bestandteil einer Säure, beim Chlorid durch Cl, beim Anhydrid durch Acetoxyl O · CO · CH3 ersetzt. Man kann die Anhydride der organischen Säuren auch als D i a c y l o x y d e bezeichnen (Acyl = Säureradikal, z. B. CH3 · CO = Acetyl) und den Äthern, den D i a l k y l o x y d e n formal an die Seite stellen. Die Äther gehören zu den reaktionsträgsten Verbindungen der ganzen organischen Chemie. Woher kommt dann die große Reaktionsfähigkeit der gleichartig gebauten Anhydride ? Die schwache Stelle in ihrem Molekül haben wir nicht an der Sauerstoffbrücke, sondern an der Doppelbindung > C = 0 zu suchen. Hier finden A d d i t i o n e n statt, z. B. von Wasser und Ammoniak u. a. : /OH-, ,^NHj-, H 3 C—C=0

H 3 C—C—oh >

mit N H , > H,C—C=0 h3c—c=o Die Zwischenprodukte, die in Klammern stehen, sind äußerst labil, da sie OH und die negative Acetoxylgruppe am gleichen C-Atom tragen (vgl. S. 94) ; sie zerfallen daher in 2 Mol Säure oder im Fall des Ammoniaks in Essigsäure und Acetamid. In gleicher Weise ist die Reaktion mit Alkoholen zu formulieren. Man sieht, daß bei der Einführung einer Acetylgruppe mit einem Säureanhydrid (in einen Alkohol, ein Amin usw.) stets einer der beiden Säurereste des Moleküls zur Säure umgewandelt, für die Acylierung also nicht ausgenützt wird. Die große Reaktionsfähigkeit der Säurechloride hat die gleiche Ursache, wie sie für die Anhydride erörtert wurde. \ o

3. A c e t a m i d 1 80 g Ammoniumacetat — darstellbar aus Ammoniumcarbonat u n d Eisessig 2 — u n d 60 ccm Eisessig werden auf dem Drahtnetz in einem kleinen Rundkolben mit aufgesetzter Widmer-Kolonne 5 — 6 Stunden lang im gelinden Sieden erhalten. Man achte darauf, daß a n d e m im oberen Tubus der Kolonne eingeführten Thermometer die Temperatur v o n 103° nicht oder nur wenig überschritten wird ; der Eisessig u n d das bei der Reaktion gebildete Wasser destillieren langsam oben ab u n d können durch einen kleinen, über das Abzugsrohr gestülpten Kühler kondensiert u n d — zur Kontrolle — in einem vorgelegten Meßzylinder aufgefangen werden. W e n n etwa 80 ccm übergegangen sind, wird stärker erhitzt, bis das Thermometer 140° zeigt. Man läßt etwas erkalten, 1 Im Prinzip nach F r a n c o i s , C. 1906, I, 1099, H i t s c h und G i l b e r t , Am. Soc. 86, 1780 (1913); W. A. N o y e s und G o e b e l , ebenda 44, 2294 (1922). 2 In 60 ccm Eisessig trägt man bei 40—50° so lange fein gepulvertes Ammoniumcarbonat ein, bis eine Probe, mit Wasser verdünnt, alkalisch reagiert. Man beachte, daß hierbei pro Mol Ammon-acetat % Mol H 2 0 entsteht.

Acetamid

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gießt die noch warme Schmelze in einen gewöhnlichen Fraktionierkolben über und fängt nach einem kleinen Vorlauf die Hauptmenge bei 195—220° auf. W e n n das Produkt beim Abkühlen und Reiben nicht vollständig erstarrt, saugt man den flüssigen Anteil auf einer Nutsche scharf ab und trocknet den Rückstand auf Ton i m nicht evakuierten Exsiccator. Aus dem Filtrat läßt sich ein weiterer Anteil Acetamid herausdestillieren. Die reine Verbindung siedet bei 223°. Eine kleine Probe kann aus Benzol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 80°. Ausbeute 55—60 g. Verwendung des Präparates für A c e t o n i t r i l (II, 5; S. 125) und M e t h y l a m i n (II, 8; S. 137). Aus einer Säure kann man ganz allgemein das Amid darstellen, indem man ihr A m m o n i u m s a l z der trocknen Destillation unterwirft oder zweckmäßiger noch, indem man es längere Zeit auf höhere Temperatur erhitzt. Man hat Acetamid meist durch Erhitzen von A m m o n i u m a c e t a t im Einschlußrohr auf 200° dargestellt. Dabei kann jedoch die Umsetzung nicht vollständig zum Ziel führen, weil das bei der Reaktion entstehende W a s s e r wieder ζ. T. spaltend auf das Säureamid einwirkt: ch3

· c—onh4

Z¡Z±.

ch3

. c—nh2 +

h2o.

Indem wir bei dem hier angegebenen Verfahren das gebildete Wasser aus dem Reaktionsgemisch herausdestillieren, drängen wir die Gegenreaktion zurück und erhöhen die Ausbeute. Gleichzeitig wirkt der Überschuß an Eisessig der Dissoziation des Salzes nach: CHj C—ONH4 > CH3 COOH + NHj O entgegen. Vgl. dazu die Ausführungen über das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z auf S. 129 u. f. Eine gute Methode zur Darstellung von Acetamid besteht auch darin, daß man in eine ätherische Lösung von E s s i g s ä u r e a n h y d r i d Ammoniakgas einleitet, den Äther abdampft und das zurückbleibende Gemisch von Ammoniumacetat und Acetamid im Extraktor (Fig. 26) mit Benzol auszieht; das Salz bleibt ungelöst zurück. Durch Umsetzimg von S ä u r e c h l o r i d e n oder E s t e r n mit Ammoniak lassen sich ebenfalls Säureamide bereiten. Ferner entstehen sie aus den N i t r i l e n bei der Einwirkung starker MineralSäuren unter Wasseraufnahme. Ein Beispiel f ü r diese Reaktion ist auf S. 127 gegeben. Versuch: I n einer Porzellanschale versetzt m a n 10 g fein pulverisiertes kohlensaures Ammonium mit 5 g Benzoylchlorid, rührt beide mit einem Pistill g u t durcheinander u n d erwärmt solange auf d e m Wasserbade, bis der Geruch des Säurechlorides verschwunden ist. Man verdünnt d a n n mit Wasser, saugt ab, wäscht auf dem Filter mit Wasser nach u n d kristallisiert aus Wasser um. Schmelzpunkt des Benzamids 128°. Die Säureamide sind mit Ausnahme des niedrigsten Glieds, des F o r m a m i d s HCO · NH 2 , welches flüssig ist, farblose, kristallisierte Substanzen, welche in den niederen Reihen in Wasser leicht löslich sind; auch die höheren Glieder werden meist aus heißem Wasser umkristallisert. Die Siedepunkte hegen bei weitem höher als die der Säuren: Essigsäure, Siedepunkt 118° Propionsäure, Siedepunkt 141°. Acetamid, Siedepunkt 223° Propionamid, Siedepunkt 213°.

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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Der basische Charakter der Aminogruppe ist durch den mit ihr verbundenen Acylrest beinahe ganz zum Verschwinden gebracht. Zwar kennt man Salze der Amide mit starken Säuren, die aber durch Wasser sofort vollständig in die Bestandteile zerlegt werden. Nur der H a r n s t o f f , das Diamid der Kohlensäure, bildet beständigere Salze, deren Existenz durch die zweite NH a -Gruppe gewährleistet wird. Charakteristisch für die Säureamide sind ihre Verbindungen mit zweiwertigem Q u e c k s i l b e r , in denen das Metall — nicht salzartig, ionogen — am Stickstoff haftet. Sie entstehen bei der Umsetzung der Amide mit Quecksilberoxyd, z. B. 2CH 3 · CO · NH 2 + HgO

• (CH3 · CO · NH) 2 Hg + H 2 0 .

Versuch: Man löst etwas Acetamid in Wasser auf, versetzt mit wenig gelbem Quecksüberoxyd und erwärmt. Das letztere geht hierbei in Lösung, indem sich die oben formulierte Verbindung bildet. Die Reaktion der Wasserentziehung, die zu N i t r i l e n führt, und die der Einwirkung von Hypohalogeniten auf Säureamide, werden in den nachfolgenden Präparaten behandelt. Durch hydrolysierende Agenzien wird die Aminogruppe — anders als bei den Aminen — mehr oder weniger leicht wieder abgespalten unter Rückbildung der S ä u r e n . Über die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens vgl. das auf S. 118 Gesagte.

Versuch: I n einem Reagenzrohr erwärmt man etwas Acetamid mit. 2 n-Natronlauge. Es tritt ein intensiver Ammoniakgeruch auf, während die Lösung essigsaures Natrium enthält. Die Essigsäure weist man nach, indem man mit Schwefelsäure gerade kongosauer macht, das Reagenzglas mit daraufgehaltenem Daumen durchschüttelt und dann zum Sieden erhitzt (Siedestein!). Ein über die Mündung gehaltenes Lackmuspapier wird rot. (Allgemeiner Nachweis von flüchtigen Säuren.) Die Reaktion der Amide mit PC15, die über die A m i d c h l o r i d e zu den I m i d c h l o r i d e n führt, sei hier nur kurz erwähnt.

4. Harnstoff und Semicarbazid a) K a l i u m c y a n a t 1 d u r c h O x y d a t i o n s s c h m e l z e 2 200 g gelbes Blutlaugensalz werden in einer Porzellanschale oder auf einem Eisenblech durch vorsichtiges Erhitzen vollkommen entwässert; eine Probe darf, im Reagenzglas erhitzt, keinen Beschlag mehr geben, die Kristalle müssen vollkommen zerfallen sein. I n gleicher Weise werden 150 g Kaliumpyrochromat durch Schmelzen von anhaftendem Wasser befreit. Die beiden ganz trockenen, vorher getrennt gepulverten Salze werden jetzt in einer Reibschale innig gemischt und dann in Portionen von 4—5 g in eine eiserne Schale oder auf ein großes Eisenblech gebracht, die durch einen kräftigen Brenner (Teclu- oder Dreibrenner) stark, jedoch n i c h t bis zum Glühen erhitzt sind. Die 1 Da es nur e i n e Cyansäure gibt, halten wir es nicht f ü r richtig, ihr diese Bezeichnung vorzuenthalten und sie, wie dies häufig geschieht, als iso-Cyansäure zu bezei chnen. 2 C.A. B e l l , Chem. News 32, 99 (1875); G a t t e r m a n n , B. 23, 1223 (1890); H. E r d m a n n , B. 26, 2442 (1893).

Harnstoff und Semicarbazid

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Temperatur soll so hoch sein, daß jedesmal ein lebhaftes Aufglimmen eintritt; die schwarze lockere Masse, die dabei entsteht, darf keinesfalls zum Schmelzen kommen. Jeder Anteil wird nach sehr rasch beendeter Oxydation mit einem breiten Metallspatel zur Seite geschoben oder vom Blech entfernt. Die ganze Menge kann in 1—iy 2 Stunden auf diese Weise verarbeitet werden. Die vereinigten Anteile werden hierauf in einem Rundkolben mit 800 ccm heißem 80-proz. Alkohol Übergossen und in einem lebhaft siedenden Wasserbad damit 3 Minuten lang im Kochen erhalten. Dann gießt man die klare Lösung von dem schwarzen Bodenkörper in einen Erlenmeyer ab, der sofort in Eis eingestellt und dessen Inhalt durch Umschütteln möglichst schnell abgekühlt wird. Nach kurzem Stehen wird die Mutterlauge von den abgeschiedenen Cyanatkristallen in den Auskochkolben zurückgegossen und das Auslaugen so oft (5—6 mal) wiederholt, bis alles Salz extrahiert ist (eine Reagenzglasprobe darf beim Abkühlen nichts mehr abscheiden). Das Salz wird nun auf einer Filterplatte scharf abgesaugt, zweimal m i t Weinreist und dann noch dreimal mit Äther gewaschen und schließlich im Exsiccator scharf getrocknet. Ausbeute im Durchschnitt 80 g. Zur präparativen Darstellung von Kaliumcyanat eignet sich auch die Cyanid-Oxydation mit P e r m a n g a n a t in wäßriger Lösung 1 . b) H a r n s t o f f 40 g Kaliumcyanat und 40 g Ammoniumsulfat werden, in 500 ccm Wasser gelöst, in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne verdampft. Den Rückstand kocht man in einem Rundkolben erschöpfend mit absol. Alkohol aus und engt die alkoholische Lösung ein, bis beim Abkühlen und Impfen Kristallisation eintritt. Schmelzpunkt des Harnstoffs 132°. Aus den Mutterlaugen isoliert man nach dem Abdampfen des Alkohols den Rest als Nitrat. Zur Darstellung des N i t r a t s löst man einige Gramm Harnstoff in einigen ccm Wasser und fügt tropfenweise konz. Salpetersäure zu, wobei das Salz sich in schönen Kristallen abscheidet. H a r n s t o f f n i t r a t ist in Wasser nicht allzu schwer löslich, worauf man beim Auswaschen zu achten hat. Die Wöhlersche H a r n s t o f f s y n t h e s e , durch die zum erstenmal (1828) ein Produkt der Zelltätigkeit künstlich erhalten wurde, bildet das Vorbild für die vielen Anlagerungsreaktionen, die sich an dem reaktionsfähigen Molekül der Cyansäure und ihrer Ester und ebenso in der Reihe der analogen Thioverbindungen vollziehen. Es handelt sich hier um eine Addition von NH 3 an die C=N-Doppelbindung: 0=C=NH 1 J. Volhard, A. 259, 378 (1890); F. U l l m a n n und U z b a c h i a n , B. 36,1806 (1903); Marckwald, B. 66, 1325 (1923). Die beste Vorschrift stammt von Gall und L e h m a n n , B. 61, 675 (1928).

122

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Die thermische Spaltung des Harnstoffs in Biuret und Ammoniak ist im Grunde •eine Umkehr seiner Synthese. Denn die erste Stufe dieser Reaktion bildet der Zerfall des Harnstoffs in Cyansäure und NH 3 ; indem sich ein zweites Mol Harnstoff an die so entstandene Cyansäure anlagert, entsteht das Biuret. H 2 N—CO—NH¡¡

• H N = C = 0 + N H 3 ; H N = C = 0 + HAL·! · CO · N B , , • H 2 N · CO · Ν Η · CO . NHÜ

Versuch: I n einem Reagenzglas erhitzt man eine Probe des dargestellten Harnstoffs vorsichtig über den Schmelzpunkt. E s wird N H 3 abgespalten (Nachweis), während die erstarrte Schmelze aus Wasser umkristallisiert B i u r e t vom Schmelzpunkt 193° liefert. Versetzt man die wäßrige Lösung von Biuret mit wenig Kupfersulfatlösung und •etwas Natronlauge, so tritt eine schöne violette Färbung auf. Die Reaktion der Cyansäure mit Aminen ergibt s u b s t i t u i e r t e H a r n s t o f f e {vgl. Methyl-harnstoff auf S. 234), die mit Hydrazin S e m i c a r b a z i d : 0 = C = N H + H2N—NH2

>

/NH2 0=C< \NH — N H 2

Die gleichartigen Reaktionen der oben aufgeführten, mit der Cyansäure verwandten Verbindungen, ergeben sich von selbst. Versuch: Einige ccm der Gyanatlösung säure man mit verdünnter Salzsäure an. C0 2 -Entwicklung und der scharfe, dem von S 0 2 überaus ähnliche Geruch der freien Cyansäure. Die Zersetzung der freien Cyansäure in wäßriger Lösung geht auf eine analoge Reaktionsweise zurück. Es wird Wasser addiert und die so entstehende C a r b a m i n C0 2 : 0=C=NH

TT O

0=C
0=C< \NHC,H5

Die Ester der Carbaminsäuren, die U r e t h a n e , die bei der Anlagerung von Alkoholen an die Verbindungen der Cyansäurereihe entstehen, sind beständig und die Reaktion ist ebenfalls vielfacher Variationen fähig. Wir erinnern daran, daß ein zweites Verfahren zu ihrer Synthese in der Umsetzung von Chlorameisensäureestern mit Ammoniak und Aminen besteht. Über Poly-urethane siehe S. 305. c)

Semicarbazid1

52 g Hydrazinsulf at werden in 200 ccm siedenden Wassers unter Zugabe von 21 g wasserfreier Soda gelöst. Dann kühlt man auf 50° ab, setzt die Lösung von 35 g Kaliumcyanat in 100 ccm Wasser zu und läßt Thiele und S t a n g e , B. 27, 31 (1894); H . B i l t z , A. 839, 250 (1905).

Harnstoff und Semicarbazid

123

über Nacht stehen. Nachdem man von geringen Mengen Hydrazodicarbonamid, entstanden nach: H 2 N · CO · N H · NH 2 + 0 = C = N H — H 2 N · CO · N H · N H · CO · NH 2 , abfiltriert h a t ; fügt man zu der Lösung 60 ccm Aceton und läßt unter häufigem Umschütteln wiederum 24 Stunden lang stehen. Das auskristallisierte Acetonsemicarbazon wird scharf abgesaugt, mit wenig Wasser gewaschen und auf Ton oder im Vakuum getrocknet. Die Mutterlauge wird auf dem Wasserbad zur Trockne eingedampft, gepulvert und im Extraktionsapparat mit Alkohol ausgezogen, wobei Semicarbazon im Siedekolben auskristallisiert. Sollte eine Probe des Hauptprodukts beim Verbrennen auf dem Platinblech erhebliche Mengen von Asche hinterlassen, so empfiehlt sich die gleiche Maßnahme auch f ü r diesen Anteil. Zur Zerlegung des Semicarbazons werden je 10 g mit 8 ccm konz. Salzsäure übergössen und gelinde erwärmt, bis eben Lösung eingetreten ist. Beim Erkalten kristallisiert das salzsaure Semicarbazid zu einem dicken Brei, der scharf abgesaugt, mit wenig kalter Salzsäure ( 1 : 1 ) und dann noch zweimal mit je 3—5 ccm eiskaltem Alkohol gewaschen wird. Das Salz wird im Exsiccator scharf getrocknet. Ausbeute 22—25 g. Um eine Lösung von freiem S e m i c a r b a z i d zu bereiten, wie sie für die Darstellung von Semicarbazonen häufig gebraucht wird zerreibt man 5,5 g des Chlorhydrats mit 4,5 g entwässerten Natriumacetats (S. 116) in einer kleinen Reibschale, bringt den Brei, der infolge der Bildung freier Essigsäure entsteht, mit dem Spatel in einen Erlenmeyer von 100 ccm, spült mit abs. Alkohol nach und kocht auf dem Wasserbad unter Umschütteln mit (im ganzen) 50 ccm abs. Alkohol auf. Hierauf saugt man ohne Verzug vom ausgeschiedenen Kochsalz auf gut gedichteter Filterplatte ab.

Versuche: Semicarbazid reduziert als primäres Hydrazid (der Carbaminsäure) ammoniakalische Silberlösung und F e h l i n g sehe Lösung. Mit Aldehyden und Ketonen tritt es leicht unter Wasserabspaltung zu S e m i c a r b a z o n e n zusammen, die wegen ihrer leichten Spaltbarkeit vor den Phenylhydrazonen und Oximen bei der Abscheidung und Reinigung jener Verbindungen den Vorzug verdienen. Man schüttle eine wäßrige Lösung des dargestellten Salzes mit einigen Tropfen Benzaldehyd, isoliere und reinige das Semicarbazon durch Umkristallisieren aus Alkohol. Schmelzpunkt 214° (Zers.). Durch gelindes Erwärmen des Benzaldehyd-semicarbazons mit konz. Salzsäure wird es in seine Komponenten zerlegt. Die später darzustellenden Ketone und Aldehyde sollen in gleicher Weise durch ihre Semicarbazone charakterisiert werden. d) H a r n s t o f f (und H a r n s ä u r e ) a u s H a r n 2 Liter Harn werden in einer Porzellanschale auf dem Wasserbad zum Sirup eingedampft, der noch heiß (Flamme auslöschen) mit 500 ccm Alkohol durchgearbeitet wird. Nach einigem Stehen wird der klare

124

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Auszug abgegossen. Der Rückstand wird wieder erwärmt und dann in gleicher Weise erneut mit 500 com Alkohol digeriert. Von den vereinigten Auszügen, die, wenn nötig, vorher filtriert werden, dampft man den Alkohol weg, bringt den wäßrig-alkoholischen Rückstand in einer kleinen Porzellanschale auf dem Wasserbad zur Trockne und versetzt ihn nach starkem Abkühlen unter starker Außenkühlung allmählich unter gutem Durchrühren mit dem doppelten Volumen farbloser konz. Salpetersäure. Nach 12-stündigem Stehen wird der Brei von Harnstoff nitrat scharf abgesaugt, mit wenig eiskalter Salpetersäure ( 1 : 1 ) gewaschen, wiederum bis zum letzten Abtropfen trocken gesaugt und nun unter Erwärmen, in 100—150 ccm Wasser suspendiert, mit nach und nach eingetragenem Bariumcarbonat neutralisiert; man vermeide einen Überschuß davon. Wenn die Flüssigkeit neutral reagiert, kocht man mit einigen Messerspitzen Tierkohle auf, saugt heiß ab, wäscht einmal mit heißem Wasser nach und dampft das Filtrat zur Trockne ein. Aus dem Rückstand wird der Harnstoff mit heißem Alkohol, in dem er leicht löslich ist, erschöpfend ausgezogen und nach dem Einengen der alkoholischen Lösung kristallisiert erhalten. Ausbeute etwa 20—25 g. Die tägliche Ausscheidung eines Erwachsenen an Harnstoff beträgt 25—30 g (in durchschnittlich i y 2 Liter Harn). Weitere Versuche: Eine Lösung von Harnstoff wird mit Natronlauge und dann unter Schütteln mit einigen Tropfen Brom versetzt : Stickstoffentwicklung. Vgl. dazu die Hofmannsche Reaktion auf S. 137. Zu einer angesäuerten Lösung von Harnstoff fügt man Nitritlösung. Verwendung des Harnstoffs zur Beseitigung von s a l p e t r i g e r S ä u r e , ζ. B. bei der Darstellung von Äthylnitrat (S. 134). Harnstoff wird nur langsam verseift. Man koche eine Lösung mit Barytwasser. Woran erkennt man das Eintreten der Spaltung ? H a r n s ä u r e . Der Rückstand, aus dem anfangs der Harnstoff mit Alkohol extrahiert wurde, wird durch Erhitzen auf dem Wasserbad vom Alkohol befreit und mit 50 ccm konz. Balzsäure versetzt. Nach ein- bis mehrtägigem Stehen haben sich 0,3—0,5 g Harnsäure ausgeschieden, die man dadurch reinigt, daß man sie in 150 ccm heißer 1 n-Sodalösung löst, nach Zusatz von 0,4 g Tierkohle filtriert und in die kochende Lösung aus einem Tropftrichter unter Umschütteln 150 ccm 2 η-Salzsäure eintropfen läßt. Schon in der Hitze scheidet sich die Harnsäure als schönes Kristallpulver aus. M u r e x i d r e a k t i o n . Einige Zentigramm Harnsäure werden mit einigen Tropfen nicht ganz konz. Salpetersäure in einer kleinen Porzellanschale auf dem Wasserbad trocken eingedampft. Zusatz von ^enig Ammoniak erzeugt intensive P u r p u r f ä r b u n g . Harnsäure ist ein normales Stoffwechselprodukt. Chemie der PurineI Man unterrichte sich über die H a r n s ä u r e s y n t h e s e n von B a e y e r - F i s c h e r , Behr e n d - R o o s e n , W. Traube. A d e n i n , Guanin, C o f f e i n und ihre Beziehungen zur Harnsäure.

Nitrile

125

5. Nitrile a) A c e t o n i t r i l 1 I n einen kleinen, trocknen Kolben füllt man 20 g Phosphorsäureanhydrid ein, fügt darauf 12 g ( 1 / 5 Mol) trockenes Acetamid hinzu, schüttelt beide gut durcheinander, verbindet den Kolben mit einem kurzen absteigenden Kühler und erhitzt dann die Mischung v o r s i c h t i g mit einer nicht zu großen l e u c h t e n d e n Flamme, wobei unter Schäumen und Aufblähen Reaktion eintritt. Nach einigen Minuten destilliert man unter stärkerem Erhitzen das Acetonitril in die Vorlage (Reagenzrohr) über. Das Destillat wird mit seinem halben Volumen Wasser versetzt, worauf man dann so viel feste Pottasche hinzufügt, bis diese in der unteren wäßrigen Schicht sich nicht mehr auflöst. Man trennt dann im Tropftrichter (mit kurzem Ansatzrohr) und rektifiziert das Acetonitril, wobei man zur vollkommenen Entwässerung in das Fraktionierkölbchen ein wenig Phosphorsäureanhydrid einfüllt. Siedepunkt 82°. Ausbeute etwa 6 g. b) B e n z y l c y a n i d In einem Rundkolben (% Liter) mit Anschützaufsatz, auf dem Rückflußkühler und Tropftrichter aufgesetzt sind, werden 30 g Natrium•cyanid in 35 ccm Wasser heiß gelöst; die Lösung wird mit 50 ccm Alkohol vermischt und sodann läßt man aus dem Tropftrichter 62 g ( % Mol) reines Benzylchlorid im Zeitraum von 10 Minuten einfließen. Nach weiterem 3-stündigen Kochen wird das vorher erkaltete Reaktionsgemisch auf kleiner Nutsche scharf abgesaugt; aus der Saugflasche, die man mit Siedecapillare versieht, wird der Alkohol im Vakuum abdestilliert (Badtemperatur 40—50°), dann trennt man das Benzylcyanid von der Kochsalzlösung im kleinen Scheidetrichter ab und destilliert nach kurzem Trocknen mit einer kleinen Stange Calciumchlorid aus dem Ciaisenkolben im Vakuum. Siedepunkt 105—109°/12mm. Der Siedepunkt der völlig reinen Substanz liegt bei 232°/760 mm. Ausbeute etwa 45 g. Durch Redestillation von Vor- und Nachlauf kann •die Ausbeute noch erhöht werden. Verwendung für P h e n y l e s s i g s ä u r e (S. 127) und m e t h a n (VI, 8; S. 222).

Phenylnitro-

Erhitzt man ein Säureamid mit einem wasserentziehenden Mittel (P 2 0 5 , PC16), so verliert es Wasser und geht in ein N i t r i i über, z. B.: CHS · CO · NH 2 • CH3 · C = N + H 2 0 . Da, wie oben praktisch ausgeführt, ein Säureamid durch Entziehung von Wasser aus dem Ammoniumsalz einer Säure gewonnen werden kann, so kann man auch in einer e i n z i g e n Operation aus dem Ammoniumsalz direkt ein Nitrii erhalten, indem man jenes mit kräftig wasserentziehenden Agenzien, z. B. essigsaures Ammonium mit P 2 0 6 , erhitzt: CH3 · COONH4 = CH3 · CN + 2H a O . 1

D u m a s , A. 64, 332 (1847); B u c k t o n und W. H o f m a n n , A. 100,131 (1856).

126

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Säurenitrile können ferner noch nach Kolbe gewonnen werden, indem man Alkyljodide (oder Bromide und Chloride) mit Alkalicyanid erhitzt (Beispiel Benzylcyanid) oder indem man alkylschwefelsaure Salze mit K a l i u m cyanid trocken destilliert: KO3S · OC2H6 + KCN * K 2 S0 4 + CH 3 · CHS, · CN . Die Synthese der aromatischen Nitrile aus Diazoverbindungen wird später (S. 252) behandelt. Die Nitrile sind in den niederen Reihen farblose Flüssigkeiten, in den höheren kristallisierte Stoffe, deren Wasserlöslichkeit mit steigendem Molekulargewicht mmer mehr abnimmt. Acetonitril besitzt ein hohes Dissoziationsvermögen für Elektrolyte, d. h. die Lösungen von Salzen, Säuren und Basen in ihm leiten den elektrischen Strom •und zwar weit besser als ζ. B. in Alkohol, Äther, Chloroform usw. (Waiden). Die Reaktionsfähigkeit der Nitrile gründet sich auf die dreifache Bindung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, die eine Reihe von Additionsreaktionen gestattet. So kann in Gegenwart von kochenden Säuren oder Alkalien ein Mol Wasser angelagert und das Säureamid zurückgebildet werden: R · C=N + H 2 0

> R . C=NH

* R · C · NH2

OH O Die Reaktion ist analog dem Übergang von Acetylen i n A c e t a l d e h y d : HC=CH + HaO >· HC=CH 2 > HC—CH3 OH O In beiden Fällen ist das Übergangsprodukt, die „Enolform", nicht beständig, jedoch kennt man ihre Alkylderivate, die sog. Imino- bzw. Vinyläther. Energische Verseifung, Erhitzen mit mäßig verdünnter Schwefelsäure oder mit starken Laugen, spaltet das Amid in Carbonsäure und NH 3 , so daß man mit solchen Mitteln vom Nitrii aus praktisch direkt zur Säure gelangt. Ausführung dieser Reaktion auf S. 127. Läßt man nascierenden Wasserstoff (z. B. aus Zink und Schwefelsäure oder aus Natrium in Alkohol) auf Nitrile einwirken, so bilden sich unter Addition von 4 Η-Atomen primäre Amine (Reaktion von Mendius): CH3 · CN + 4H >• CH3 · CH2 . NH2 . Äthylamin

Weitere, weniger wichtige, jedoch allgemeine Reaktionen seien nur durch die folgenden Gleichungen angedeutet: CH3 - CN + H2S Thioacetamid

CH3 . CN + NH2 · OH

/NOH > H3C · C H3C · C-f \ci

Imidchlorid

CH3 . CN + C2H6OH + HCl

> CH3 · C < ^ N H . HCl salzsauier Iminoäther

Verseifung eines Nitrils zur Säure. Phenylessigsäure

127

Die B l a u s ä u r e verhält sich in vielen ihrer Reaktionen wie das Nitrii der Ameisensäure H · CN. Manche Tatsachen, vor allem ihre große chemische und pharmakologische Ähnlichkeit mit den I s o n i t r i l e n C = N R sprechen für eine andere Konstitution, nämlich für die des C a r b i m i n s C = N H mit z w e i w e r t i g e m Kohlenstoff. Die für die Nitrile erwähnten Additionsreaktionen, die auch der Blausäure eigen sind, lassen sich ebensogut aus dieser zweiten Strukturformel ableiten. Bei der Nitrilform ist es die dreifache Bindung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff, an der die Anlagerung stattfindet, bei der „Methylenform" sind es die zwei freien Valenzen am zweiwertigen Kohlenstoffatom, z. B. : HOHN. /NOH > >C=NH > HC· R · COOR' + A g J . Auch die Umsetzung der A l k a l i s a l z e m i t D i a l k y l s u l f a t führt zum Ziel. Dabei tritt im allgemeinen nur eine Alkylgruppe in Reaktion gemäß der Gleichung: R - COONa + (CH 3 ) 2 S0 4 > R . COOCH3 + CH3 · S 0 4 N a . Erst bei erhöhter Temperatur kann die Alkylgruppe des alkylschwefelsauren Salzes auch f ü r die Veresterung nutzbar gemacht werden. An die Bildung von Estern aus S ä u r e c h l o r i d e n oder S ä u r e a n h y d r i d e n und A l k o h o l e n , die auch preparative Bedeutung hat, sei hier nur erinnert. 9·

132

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Handelt es sich um die Überführung einer schwer zugänglichen Säure in einen Ester, so bedient man sich zweckmäßig der eleganten und meist sehr glatt verlaufenden D i a z o m e t h a n - M e t h o d e (S. 236). Die S ä u r e e s t e r sind in den niederen Reihen farblose, angenehm fruchtähnlich riechende Flüssigkeiten, in den höheren Reihen sowie bei aromatischen Säuren vielfach kristallisierte Substanzen. Der Siedepunkt der Ester mit niedrigmolekularen Alkylresten (CH 3 , C 2 H 5 , C3H7) liegt niedriger als der der Säuren: CH 3 -COOCH 3 Siedepunkt 57°, CH3 · COOC2H6 Siedepunkt 78°, CH3 · COOH Siedepunkt 118». Bemerkenswert ist, daß die Schmelzpunkte der Methylester meist höher hegen als die entsprechenden Ä t h y l e s t e r ; so ist, in einem einfachen Beispiel, O x a l s ä u r e d i m e t h y l e s t e r fest (Schmelzp. 54°), während der D i ä t h y l e s t e r eine Flüssigkeit darstellt. Die Ester werden vielfach um ihrer selbst willen dargestellt, technisch als Lös u n g s m i t t e l , als R i e c h s t o f f e , als E s s e n z e n f ü r Fruchtsäfte usw. Aber vor allem spielen sie eine bedeutsame Rolle f ü r Umwandlungen der Carboxylgruppe. So läßt sich die Alkoxylgruppe mit Ammoniak und zahllosen Ammoniakderivaten, die mindestens noch ein Wasserstoffatom enthalten (primäre und sekundäre Amine, Hydroxylamin, Hydrazin) durch den Rest —Ν ersetzen. Es werden so A m i d e und, worauf besonders hinzuweisen ist, H y d r a z i d e der Carbonsäuren dargestellt, die Vorprodukte des Curtiusschen Abbaues (Präparat II, 8; S. 138). Ferner sei auf das umfangreiche Gebiet der E s t e r k o n d e n s a t i o n e n hier aufmerksam gemacht. Energische Reduktion mit metallischem Natrium (und wenig Alkohol) erzeugt aus Carbonsäureestern die dazu gehörenden p r i m ä r e n A l k o h o l e ( B o u v e a u l t Blanc): R . COOR' • R · CH 2 OH + R O H . Schließlich stellt man sehr oft den Ester dar, um eine Säure zu reinigen, da die meisten Ester — häufig im Gegensatz zu den Säuren — namentlich im Vakuum bequem zu destillieren sind. Aus dem reinen Ester wird dann durch Verseifung die reine Säure erhalten. Die V e r s e i f u n g d e r E s t e r wird durch längeres Erhitzen mit wäßrigen Mineralsäuren oder Alkalilaugen vorgenommen. Siehe F e t t v e r s e i f u n g auf S. 135. Ein besonders rasch wirkendes Mittel ist a l k o h o l i s c h e s K a l i . b) I s o - a m y l - n i t r i t

(Salpetrigsäure-isoamylester) 1

44 g Amylalkohol (0,5 Mol) werden zusammen m i t der Lösung v o n 37 g technischem Natriumnitrit in 70 ccm Wasser in einem Filtrierstutzen unter mechanischem Rühren auf 0° abgekühlt (außen Eis mit etwas Viehsalz). Zu der dauernd turbinierten Mischung läßt m a n aus einem Tropftrichter langsam 44 ccm konz. Salzsäure (D. 1,18) zutropfen (Fig. 50), wobei die Temperatur nicht über -f- 5° steigen soll. Hierauf schüttelt man im Scheidetrichter mit etwa 200 ccm Wasser durch, läßt die wäßrige Schicht ab, wäscht mit verdünnter Sodalösung u n d noch einige Male 1

W i t t , B. 19, 915 (1886).

Säureester

133

m i t Wasser. N a c h der T r e n n u n g der Schichten k l ä r t u n d t r o c k n e t m a n das R e a k t i o n s p r o d u k t in einem kleinen Erlenmeyerkolben m i t wenig Calciumchlorid. Hierauf wird im V a k u u m bei 50—60 m m D r u c k u n t e r g u t e r K ü h l u n g der Vorlage destilliert. Die H a u p t m e n g e geht bei e t w a 30° als gelbes Öl über. A u s b e u t e 7 5 % d. T h . Die Ester der salpetrigen Säure sind durch ihre große Bildungs- und Vereeifungsgeschwindigkeit ausgezeichnet. Durch Mineralsäuren werden sie fast augenblicklich zerlegt, was bei der Anordnung der präparativen Methode berücksichtigt ist. Jeder Überschuß von Salzsäure muß vermieden werden. Man verwendet wegen dieser Eigenschaft die Alkylnitrite an Stelle der salpetrigsauren Salze in allen Fällen, in denen man in organischen Lösungsmitteln ·—• in denen die Salze unlöslich sind — salpetrige Säure freimachen will. Beispiele : Anlagerung von N 2 0 3 an Olefine, Darstellung fester Diazoniumsalze (S. 248), Einwirkung von HN0 2 auf Ketone unter Bildung der I s o n i t r o s o k e t o n e . Häufig wird diese Synthese auch nach Art der Acetessigestersynthese mit Keton, Alkylnitrit und Natriumalkoholat ausgeführt, wobei das Natriumsalz des Isonitrosoketons entsteht (vgl. dazu S. 225): R—CH,

+

RO—N=0

Fig. 50 R—C=NONa

+ 2ROH , R—C=0 R- -io RONa Gleichgerichtet verläuft die elegante Synthese von N a t r i u m a z i d aus Hydrazin und Alkylnitrit (Stollé): H 2 N—NH 2 + R O — N = 0 + RONa • N a N = N = N + 2ROH + H 2 0 . Sehr häufig zieht man das Ä t h y l n i t r i t dem Isoamylnitrit vor, weil die Entfernung des aus diesem entstehenden Amylalkohols wegen seines höheren Siedepunktes (136°) manchmal stört. Ä t h y l n i t r i t : I n die Mischung v o n Natriumnitritlösung wie oben u n d 60 ccm Alkohol, die sich in einem m i t Eis gekühlten Fraktionierkolben befindet, l ä ß t m a n u n t e r Schütteln 42 ccm konz. Salzsäure allmählich eintropfen. D e r K o l b e n ist m i t einem g u t wirkenden K ü h l e r v e r b u n d e n , a n d e n eine im Kältegemisch stehende Vorlage (Saugflasche) angeschlossen ist. E s empfiehlt sich, den K ü h l e r m i t E i s w a s s e r zu speisen. N a c h Zugabe der Säure destilliert m a n das Äthylnitrit aus einer Schale m i t w a r m e m Wasser (anfangs 5°, n a c h h e r 40°) ab. D a s P r ä p a r a t ist n a c h k u r z e m Trocknen m i t Pottasche f ü r die meisten Zwecke genügend rein u n d wird wegen seiner großen Flüchtigkeit (Siedepunkt 17°) a m besten alsbald verwendet.

134

Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

Versuch: Einige Tropfen Amyl- oder Äthylnitrit werden mit verdünnter Kaliumjodidlösung geschüttelt. Es darf keine Braunfärbung auftreten. Ein Tropfen verdünnter Salzsäure führt in wenigen Augenblicken intensive Jodausscheidung herbei. c) Ä t h y l n i t r a t 1 250 ccm konz. Salpetersäure (D. 1,4) werden mit 30 g Harnstoffnitrat aufgekocht. Nach dem Erkalten gießt man die Hälfte der Lösung in einen mit Kniestück, Tropftrichter und absteigendem Kühler versehenen Kolben, in dem sich 30 g Harnstoffnitrat und 150 ccm Alkohol befinden. Der Kolben wird auf einem Sandbad vorsichtig erhitzt. Nachdem etwa ein Drittel des Inhalts abdestilliert ist, vermischt man die zweite Hälfte der ausgekochten Salpetersäure mit 100 ccm Alkohol und läßt diese Mischung durch den Tropftrichter langsam zufließen. Die Operation muß in einem Zug ausgeführt werden, die Gemische von Alkohol und Salpetersäure dürfen nicht längere Zeit stehen bleiben. Wenn alles zugetropft und die Flüssigkeit im Kolben bis auf 50—100 ccm wegdestilliert ist, unterbricht man den Prozeß, schüttelt das übergegangene Äthylnitrat zur Entfernung von Alkohol im Scheidetrichter zweimal mit Wasser, einmal mit verdünnter Sodalösung und dann nochmals mit Wasser aus (Äthylnitrat ist schwerer als Wasser!), trocknet über Galciumchlorid und rektifiziert den Salpetersäureester durch Destillation aus dem Wasserbad. Der Siedekolben soll in dieses eintauchen. Siedepunkt 86°. Schutzbrille! Äthylnitrat wird später zur Darstellung von P h e n y l - n i t r o m e t h a n (VI, 8, S. 222) gebraucht. Äthylnitrat zersetzt sich beim raschen Erhitzen, ζ. B. in der Flamme, e x p l o s i o n s a r t i g ; es gehört in die gleiche Körperklasse, wie Nitroglycerin. D a r u m V o r s i c h t ! Äthylalkohol wird durch r e i n e Salpetersäure unter den angewandten Bedingungen nicht o x y d i e r t , sondern bloß verestert. Sobald aber Spuren von salpetriger Säure vorhanden sind, tritt Oxydation ein. Da das Stickoxyd, das hierbei aus der salpetrigen Säure entsteht, von der Salpetersäure alsbald wieder zu N 0 2 oxydiert wird, schreitet die Oxydation von kleinen Anfängen an sukzessive weiter, gewinnt durch die auftretende Reaktionswärme fortschreitend an Geschwindigkeit und steigert sich schließlich zu einem stürmischen, explosionsartigen Prozeß. Reaktionen dieser Art, bei denen Zwischenprodukte die Geschwindigkeit progressiv steigern, bezeichnet man als „ A u t o k a t a l y s e n " . Das erste Produkt der O x y d a t i o n des Alkohols ist A c e t a l d e h y d und ein wichtiges Endprodukt ist die K n a l l s ä u r e , die aber nur gefaßt werden kann bei Gegenwart von S i l b e r - oder Q u e c k s i l b e r i o n e n . Mit ihnen bildet sie die gegen Salpetersäure beständigen Fulminate, in denen man, ähnlich wie beim Quecksilber-2-cyanid, homöopolare — nicht ionogene — Bindung anzunehmen hat. Die Knallsäurebildung wird veranlaßt durch die der Methylgruppe durch das benachbarte Carbonyl des Aldehyds vermittelte Reaktionsfähigkeit, die der salpetrigen 1

L o s s e n , A. Suppl. 6, 220 (1868).

135

Säureester

Säure einen Angriffspunkt bietet. Die einzelnen Stadien drücken sich in nachstehenden Formeln aus: HC · CHO HC · COOH OaN · C · COOH NOH

NOH

>C=NOH + C0 2

h A

NOH > C=NOH + HN0 2

Die salpetrige Säure wirkt hierbei auf den Alkohol in ähnlicher Weise wie die Halogene bei der Bildung von Chloroform, Jodoform.

d) V e r s e i f u n g v o n F e t t o d e r p f l a n z l i c h e m Öl 300 g beliebiges Fett oder ö l (etwa 1 ¡ 3 Mol) werden mit 300 com etwa 5 «-Natronlauge verseift : 50 com Lauge und 50 com H a O werden erwärmt, das Fett daraufgegossen und nach 1 Stunde noch 75 ccm Lauge hinzugegeben. Nach einer weiteren Stunde werden je 100 ccm Lauge und Wasser hinzugefügt. Es muß häufig umgerührt werden und darf nur zum schwachen Sieden erwärmt werden. Nach weiteren 4 Stunden wird der Rest der Lauge hinzugegeben; wenn nötig, erneuert man vorher das verdampfte Wasser. Nach einer weiteren Stunde fügt man 1 / i Liter Wasser hinzu und kocht weiter, bis eine dicke homogene Masse entsteht (etwa 2 bis 3 Stunden). Dann werden unter tüchtigem Umrühren 2—2% Liter heißes Wasser zugegeben, wobei ein dicker, durchsichtiger Leim entsteht. Man salzt schließlich in der Siedehitze mit etwa 100 g Kochsalz aus und läßt über Nacht stehen. Es ist zweckmäßig, wegen des starken Schäumens, die Operation in einem g r o ß e n Emailtopf auszuführen. Nach dem Erkalten hebt man am andern Morgen den erstarrten Seifenkuchen ab und spült die unten haftende Lauge weg. Man kann ihn mit einem dünnen Draht in kleine Stücke zerschneiden und diese durch wochenlanges Liegenlassen trocknen. Die Natriumsalze der höheren Fettsäuren sind in kaltem Wasser schwer, in heißem leichter löslich. Man bringt ein kleines Stückchen Seife in der nötigen Menge kochenden Wassers in einem kleinen Becherglas in Lösung und läßt erkalten: Steife Gallerte. Zur Reinigung kann man 20—30 g in siedendem Wasser lösen, heiß aussalzen und wieder erstarren lassen ; dadurch wird die im Rohprodukt eingeschlossene kleine Menge Alkali entfernt. Die Reaktion bleibt gegen Lackmus- und Curcumapapier alkalisch. Die Hydrolyse der g a n z r e i n e n Seifen ist aber nicht so stark, daß die OH-Ionenkonzentration ausreicht, um Phenolphthalein zu färben. D a r s t e l l u n g d e r f r e i e n F e t t s ä u r e n : Etwa 150 g der rohen, feuchten Seife werden in einem Liter Wasser bis nahe zum Siedepunkt erhitzt ; dann setzt man unter gutem Umrühren 2 n-Schivefelsäure zu,

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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

bis die Lösung auf Kongopapier deutlich sauer reagiert und das Fettsäuregemisch sich als ölige Masse oben abgeschieden hat. Nach einigem Stehen in der Kälte erstarrt diese, wenn man von festem Fett ausgegangen ist. Man hebt den Kuchen ab, schmilzt ihn nochmals auf dem Wasserbad in einem kleinen Becherglas über wenig Wasser und destilliert dann die wieder erstarrten Säuren im Vakuum. Siedepunkt bei 12 mm 220—225°. Hat man Öl verseift, so wird die Seife weniger fest und die Säuren kristallisieren nur teilweise (warum ?). In diesem Fall nimmt man sie in Äther auf und verfährt dann weiter in der üblichen Weise. G l y c e r i n : Das Glycerin befindet sich in der braunen Verseifangslauge, die man zuerst mit Salzsäure genau neutralisiert (gegen Kongopapier!), zur Entfernung ausgeschiedener Fettsäuren mit Tierkohle schüttelt, durch ein Faltenfilter filtriert 1 und dann in dem auf S. 30 abgebildeten Apparat im Vakuum eindampft. Wenn sich nach einiger Zeit Kochsalz ausscheidet, versagt bisweilen die Capillare und man setzt dann das Eindampfen auf dem Wasserbad fort. Die stark konzentrierte Lösung wird vom Kochsalz abgesaugt, dieses mit wenig Alkohol gewaschen und das Filtrat (wieder im Vakuumkolben) fast ganz vom Wasser befreit. Der Rückstand wird mit 150 ccm Alkohol digeriert und auf kleiner Nutsche abgesaugt, dann spült man mit 50 ccm Alkohol nach. Die abgesaugte alkoholische Lösung wird auf dem Wasserbad soweit als möglich eingeengt, den Rückstand bringt man unter Nachspülen mit wenig Alkohol in einen Ciaisenkolben und destilliert aus diesem erst Alkohol und Wasser und schließlich das Glycerin im Vakuum ab. Man fängt die Hauptfraktion zwischen 180° und 195°/13 mm auf. Ausbeute etwa 35 g. Um das Glycerin völlig wasserfrei und rein zu erhalten, muß die Destillation wiederholt werden. Zur F e t t a n a l y s e . Den quantitativen Ausdruck für die Anzahl der in einem Fett oder Öl vorhandenen Kohlenstoff-Doppelbindungen gibt die „ J o d z a h l " ; darunter versteht man die Menge Jod in Gramm, die von 100 g eines Fettes chemisch gebunden wird. In einfachen organischen Verbindungen bestimmt man die Anzahl der Doppelbindungen oft mit B e n z o p e r s ä u r e (vgl. S. 103), die aber bei den Fetten nicht angewandt wird. B e s t i m m u n g der J o d z a h l . Man löst 2,5 g reines Jod und 3 g Quecksilberchlorid in je 50 ccm reinem Weingeist und vermischt die klaren Lösungen. Nach zwölfstündigem Stehen wird in einer Probe von 10 ccm der Jodtiter mit nßO-Thiosulfatlösung bestimmt, nach Zugabe von 10 ccm 10 proz. KJ-Lösung. 0,5 bis 0,7 g des zu prüfenden Fettes werden in einem trockenen Erlenmeyerkolben von 500 ccm Inhalt in 15 ccm Chloroform gelöst, dazu läßt man 25 ccm der titrierten Jodlösung fließen. Geht nach kurzer Zeit die Farbe der Lösung auf Hellbraun zurück, so sind weitere 10 ccm Jodlösung erforderlich. Nach 4 Stunden soll die Farbe noch dunkelbraun sein. Es werden jetzt 20 ccm 10-proz. KJ-Lösung hinzugefügt und das noch vorhandene Jod wie oben titriert. Ausrechnung erfolgt gemäß Definition der „Jodzahl". Man untersuche S c h w e i n e f e t t , O l i v e n ö l oder Leinöl. 1

Die Klärung mit Tierkohle ist häufig entbehrlich.

Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen

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Zur Bestimmung der V e r s e i f u n g s z a h l 1 eines Fettes kocht man 0,5—1 g Substanz mit 10 ccm n/2-alkoholischer KOH % Stunde lang am Rückflußkühler und titriert hierauf mit n/2-HCl unter Anwendung von Phenolphthalein das nicht gebundene Alkali zurück. Die Methode hat allgemeine Bedeutung, da sie in Estern das Ä q u i v a l e n t g e w i c h t der darin gebundenen Säure zu ermitteln erlaubt. Ester-Äquivalentgewicht = — — ~ > wobei α = Einwaage in g, 6 = ccm verbrauchtes n/l-Alkali. Das L e i n ö l ist das wichtigste unter den sog. „trocknenden" Ölen. Darunter versteht man öle, die stark ungesättigte Säuren, namentlich L i n o l e n s ä u r e C17H29 · C0 2 H und L i n o l s ä u r e C17H31 · C0 2 H enthalten und die daher imstande sind, den Sauerstoff der Luft direkt unter Bildung von P e r o x y d e n und deren festen, hochmolekularen Umwandlungsprodukten anzulagern. Die Ölsäure-Komponente ist dazu nicht befähigt. O l i v e n ö l und S e s a m ö l ζ. B. „trocknen" nicht. Verwendung des Leinöls als Bindemittel in der Ölmalerei und zur Herstellung von Firnissen. Als eine der Jodzahl analoge Konstante wird heute die „Rhodanzahl" bestimmt (Kaufmann). Ein Gemisch höherer gesättigter Fettsäuren wurde eine Zeit lang durch katalytische Oxydation von Paraffin, wie es bei dem F i s cher -Tr ops eh -Verfahren anfällt technisch hergestellt.

8. Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen

a) H o f m a n n s c h e R e a k t i o n . M e t h y l a m i n a u s A c e t a m i d 2 I n einem Kolben von % Liter Inhalt versetzt man 30 g (0,5 Mol) Acetamid mit 80 g = 26 cem Brom und fügt hierzu unter guter Kühlung mit Wasser solange von einer Lösung von 50 g Kali in 350 ccm Wasser, bis die anfangs braunrote Farbe in hellgelb umgeschlagen ist, wozu der größte Teil der Kalilauge erforderlich ist. Die Lösung läßt m a n d a n n im Laufe weniger Minuten aus einem Tropftrichter in ununterbrochenem Strahl in eine Lösung von 80 g Kali in 150 ccm Wasser, die in einem Literkolben auf 70—75° erwärmt und gehalten wird, fließen. Man h ä l t auf dieser Temperatur, bis das Reaktionsgemisch farblos geworden ist ( 1 / 4 bis Y2 Stunde) und destilliert dann das Methylamin mit Wasserdampf über ; das Kühlerende ist mit einem abwärts gerichteten Vorstoß· verbunden, der etwa 1 cm tief in die Beschickung der Vorlage (100 ccm etwa 5 η-Salzsäure3) eintaucht. Sobald das Kondensat im Kühler nicht mehr alkalisch reagiert, d a m p f t man den Inhalt der Vorlage in einer Porzellanschale auf dem Wasser bad zur Trockne, läßt zur Entfernung der letzten Wasserreste eine Nacht über im Vakuumexsiccator stehen und kocht das ganz trockne Salz mit absolutem Alkohol aus ; dabei bleibt Salmiak ungelöst. Das klare Filtrat engt man auf ein kleines Volumen ein und läßt dann in der Kälte das Methylammoniumchlorid auskristalli1 2 3

Man versteht darunter die mg KOH, die 1 g Fett verbraucht. B. 15, 762 (1882); B. 17, 1406 und 1920 (1884). 50 ccm konz. Salzsäure und 50 ccm Wasser.

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Carbonsäuren und ihre einfachen Abkömmlinge

sieren. Das Salz wird nach dem Absaugen mit wenig Alkohol gewaschen und im Exsiccator getrocknet. Ausbeute 15—20 g. Man führt mit dem Präparat die I s o n i t r i l r e a k t i o n (S. 150) aus und prüft sein Verhalten beim Erwärmen mit wenig Nitrit in eben saurer wäßriger Lösung. b) D i e C u r t i u s s c h e R e a k t i o n . P h e n y l c y a n a t B e n z h y d r a z i d 1 : 24 g Benzoesäureäthylester = 3 / 20 Mol. (S. 129) werden mit 9 g Hydrazinhydrat 6 Stunden lang auf dem Wasserbad an einem kleinen Rückflußkühler erhitzt. Der feste Kristallkuchen, der sich beim Erkalten bildet, wird nach einiger Zeit möglichst scharf abgesaugt und mit wenig eiskaltem Methylalkohol gewaschen. Wenn die Ausbeute zu gering ist, wird das Filtrat eingeengt und nochmals erhitzt. Das Rohprodukt (16—18 g) ist zur Weiterverarbeitung genügend rein. Eine Probe kann aus heißem Wasser oder wenig Alkohol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 112°. B e n z a z i d 2 : 14 g (1/10 Mol) des t r o c k n e n Hydrazids werden in einem Filtrierstutzen (γ2 Liter) mit 200 ccm etwa n-Salzsäure zur klaren Lösung gebracht. Dazu läßt man unter Eiskühlung aus einem Tropftrichter unter Umrühren die Lösung von 8 g Natriumnitrit in 50 ccm Wasser fließen. Die Umsetzung erfolgt sofort, indem das Azid sich kristallinisch abscheidet. Wenn eine abfiltrierte Probe der Lösung durch einen Tropfen Nitritlösung nicht mehr getrübt wird, saugt man den Niederschlag scharf ab, wäscht ihn gut mit Wasser aus und trocknet ihn erst auf Ton, dann im Vakuumexsiccator über konz. Schwefelsäure und Ätzkali. Ausbeute 14 g. P h e n y l c y a n a t 3 : Das Azid muß für die Verarbeitung auf Cyansäureester a b s o l u t t r o c k e n sein. Prüfung auf Gewichtskonstanz auf einer guten Handwaage. Da Benzazid bei r a s c h e m E r h i t z e n , auch bei B e r ü h r u n g m i t konz. H2S04 e x p l o d i e r t , ist d a s P r ä p a r a t v o r s i c h t i g zu h a n d h a b e n . B i s z u r b e e n d e t e n D e s t i l l a t i o n d e s P h e n y l cyanats Schutzbrille tragen! Die Destillation des Endprodukts wird in demselben Kolben ausgeführt, der zur Spaltung dient, zweckmäßig in einem Ciaisenkolben von 75—100 ccm, dessen Capillare und Thermometer man schon vor Ausführung der Spaltung herrichtet. Alles muß gut getrocknet sein. In dem schräg gestellten Kolben, über dessen Kondensationsrohr ein kleiner Kühler gezogen ist — oben ist er durch ein CaCl 2 -Rohr gegen Eintritt von Luftfeuchtigkeit gesichert — erhitzt man 12 g Benzazid mit 40 ccm Benzol (über Natrium getrocknet) in einer mit Wasser gefüllten Kasserolle, auf deren Boden der Kolben nicht aufstehen darf, 1 Th. Curtius, J.pr. Ch. 50, 295 (1894). » Th. Curtius, Β. 23, 3029 (1890). 3 G. Schroeter, Β. 42, 2339 (1909)

Abbau der Carbonsäuren zu den nächst niederen Aminen

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l a n g s a m auf 60—70°, wobei eine lebhafte Stickstoffentwicklung beginnt. Wenn sie nachgelassen hat, steigert man die Temperatur bis gegen 80°, läßt dann erkalten, stellt das Gerät zur Vakuumdestillation um und destilliert zuerst das Benzol bei g e w ö h n l i c h e m D r u c k aus dem siedenden Wasserbad und daran anschließend aus dem vorher abgekühlten Bad bei 20—25 mm Druck das Phenylcyanat ab. Siedepunkt 60°/20 mm. Ausbeute 7—8 g. Das Destillat muß wasserklar sein und ist sofort unter guten Verschluß zu bringen (am besten einschmelzen). Vorher gießt man einige Tropfen in wenig Wasser. Der kristallinische Körper, der gebildet wird, ist D i p h e n y l h a r n s t o f f . Wie entsteht er ? P h e n y l u r e t h a n . Eine andere Probe gießt man in Alkohol und verdampft das Lösungsmittel. Das nicht umgesetzte Azid (etwa 2 g) kocht man in 5 ccm absolutem Alkohol eine halbe Stunde lang am Rückflußkühler 1 . Nach dem Eindampfen kristallisiert ebenfalls Phenylurethan aus. Schmelzpunkt 52°. Die S p a l t u n g d e r U r e t h a n e i n A m i n , C 0 2 und Alkohol wird meistens im Einschlußrohr mit Salzsäure ausgeführt. Bequemer, wenn auch weniger ertragreich, ist die Zerlegung durch Destillation mit Calciumhydroxyd. Man mischt das erhaltene Phenylurethan mit der dreifachen Gewichtsmenge gelöschten Kalks und destilliert vorsichtig aus einer kleinen Retorte. Das übergehende Anilin kann bei einiger Geschicklichkeit aus einem kleinen Kölbchen rektifiziert werden, in jedem Fall aber ist es als Acetanilid und durch die C h l o r k a l k r e a k t i o n nachzuweisen. Bei der Lösung von Strukturfragen entsteht häufig die Notwendigkeit, Carboxylgruppen, wie sie ζ. B. durch Oxydationswirkung gebildet werden, zu entfernen und so das Molekül „abzubauen". Der einfachste Prozeß dieser Art, die A b s p a l t u n g v o n K o h l e n d i o x y d , die man durch Destillation eines Salzes über N a t r o n kalk erreicht: R . COONa + NaOH • RH + Na 2 C0 3 , verläuft zumeist wenig glatt und führt außerdem zu einem Kohlenwasserstoff, an dem weitere Reaktionen schwer einsetzen können. Darum sind die beiden verwandten Reaktionen des Abbaus der Säuren, die von H o f m a n n , die von dem Säureamid ausgeht, und die von Curtius, vom Hydrazid aus, von großer präparativer Bedeutung. Beide lassen das primäre Amin der nächst niederen Stufe erreichen und beide führen zu diesem Ziel über das gleiche Zwischenprodukt, den Cyansäureester. Die Einwirkung von Hypobromit auf die — CONH2-Gruppe vermittelt den Ersatz von Wasserstoff an der NH2-Gruppe gegen Brom. Das erste Produkt der Hofmannschen Reaktion, das N - B r o m a m i d , ist in verschiedenen Fällen zu fassen. Durch Alkali verliert es HBr und das dadurch vorübergehend gebildete Fragment {Elektronensextett!) lagert sich zum Cyansäureester um, der unter den Bedingungen der Reaktion in primäres A m i n und C0 2 zerlegt wird. 1

Th. Curtius, Β. 27, 779 (1894).

140

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte • R N = C O — » R - NH 2 + C0 2

A o e t a m i d liefert so M e t h y l a m i n , B e n z a m i d A n i l i n , H a r n s t o f f , wenn auch in geringer Menge, H y d r a z i n . Die N-Halogenamide dienen auch zur Substitution von beweglichem Wasserstoff durch Halogen. Als besonders bequemes Reagens f ü r diese Reaktion hat sich das N - B r o m s u c c i n i m i d erwiesen (K. Ziegler). Es mag hier auch das Desinfiziens C h l o r a m i n T, das Na-Salz des N-Chlor-p-toluolsulfamids erwähnt werden. Ähnlich wie die N-Halogenamide werden H y d r o x a m s ä u r e n unter H¡¡0Abspaltung in Cyansäureester umgelagert und damit zu Aminen abgebaut (Lossen). Die Reaktion von C u r t i u s , die besonders in den höheren Reihen wegen der günstigeren Löslichkeitsverhältnisse der Zwischenprodukte vorzuziehen ist, stellt als erste Phase das H y d r a z i d aus dem S ä u r e e s t e r (oder -chlorid) her, das dann durch salpetrige Säure in meist sehr glatter Reaktion in das A z i d übergeführt wird. In vielen Fällen wird das Azid bequemer durch Umsetzung von Säurechlorid mit Natriumazid dargestellt, das man vorher mit Hydrazinhydrat reaktionsfähig gemacht hat 1 . Die Azide erleiden leicht thermische Zersetzung, bei der sie die beiden „Azo"stickstoffatome als elementaren Stickstoff abspalten. Damit entsteht aber die gleiche Zwischenstufe, die den Verlauf der H o f m a n n s c h e n Reaktion erklärt hat: R-CO 1

R-CO — *

c

w

N—N=N

/ R · C=0 I ] — • l IN

RNCO.

C u r t i u s hat die Zersetzung der Azide gewöhnlich in Alkohol vorgenommen und hat daher in durchsichtiger Weise die U r e t h a n e erhalten, die durch kräftige Hydrolyse in p r i m ä r e s A m i n , C0 2 und Alkohol zerfallen. Eine wichtige Anwendung hat die H o f m a n n s c h e Reaktion bei der ersten technischen I n d i g o s y n t h e s e im Abbau des P h t h a l i m i d s zur A n t h r a n i l s ä u r e erfahren. Siehe S. 324.

III. Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte 1. N i t r o m e t h a n 2 94 g Chloressigsäure, in 200 ccm Wasser gelöst, werden mit wasserfreier Soda (53 g) in einem weiten Becherglas genau neutralisiert ; dazu fügt man die Lösung v o n 75 g Natriumnitrit in 120 ccm Wasser. E t w a 100 ccm dieser Mischung bringt m a n in einen 750 ccm-Rundkolben, der einen Tropftrichter trägt u n d außerdem mit einem absteigenden Kühler verbunden ist. Beim kräftigen Erwärmen im Babotrichter oder auf dem Drahtnetz (langsam anheizen) beginnt schon vor d e m Sieden der Lösung unter C0 2 -Entwicklung die stürmische Reaktion, die m a n i n der siedenden Lösung durch allmähliches Zufließenlassen der Vorratslösung in Gang hält, aber nicht zu heftig werden läßt. D a s Nitromethan 1 2

N e l l e s , B. 65, 1345 (1932). H. K o l b e , J . pr.Ch. 5, 429 (1872); S t e i n k o p f , B. 42, 3438 (1909).

Nitromethan

141

geht mit Wasserdampf über und sondert sich in der Vorlage als schwerere Schicht ab. Sobald im Destillat keine öltropfen mehr übergehen, wechselt man die Vorlage und treibt noch 100 ccm Wasser über, die noch Nitromethan gelöst enthalten. Von dem ersten Destillat trennt man das Nitromethan ab und vereinigt den wäßrigen Teil mit dem zuletzt übergegangenen. Diese Lösungen werden mit Kochsalz gesättigt (auf je 100 ccm 35 g) und nochmals destilliert. Etwa 1 / 4 der gesamten Wassermenge wird aufgefangen, später kommt wieder ein klares Destillat. Das abgetrennte Nitromethan wird mit dem zuerst erhaltenen vereinigt, mit Galciumchlorid scharf getrocknet und dann destilliert. Siedepunkt 101°. Ausbeute 20—24 g (33—39% d. Th.). N i t r o m e t h a n ist der am leichtesten zugängliche aliphatische Nitrokörper; in den höheren Reihen verläuft die Kolbesehe Darstellungsmethode viel weniger glatt. Der Verlauf der Reaktion ist klar: die zuerst gebildete N i t r o e s s i g s ä u r e zerfällt in CH 3 N0 2 und C0 2 , aus ähnlichen Gründen, wie sie auch den Zerfall der Malonsäure erklären. Die übrigen N i t r o p a r a f f i n e werden meist nachdem von V. Meyer entdeckten Verfahren — Umsetzung der Alkyljolide mit Silbernitrit — gewonnen. Auch die Methode von K o n o w a l o w — Erhitzen mit stark verdünnter Salpetersäure im Einschlußrohr auf 120—-130° — führt häufig bei gesättigten Kohlenwasserstoffen, namentlich der hydroaromatischen Reihe, zum Ziel. Uber die Nitrierung von Paraffinen mit konz. Salpetersäure ist neuerdings von verschiedenen Seiten berichtet worden1. P h e n y l - n i t r o m e t h a n wird im Abschnitt VI, 8 ; S. 222, behandelt. Man erinnere sich der Isomerie mit den Alkylnitriten. Welche Unterschiede bestehen in den Reaktionen? Die primären und sekundären Nitroparaffine sind neutrale Substanzen, die bei Gegenwert von Alkalien ein Proton abzugeben imstande sind. Auf diesem Wege entstehen die Salze einer isomeren aci-Form ( H a n t z s c h ) : χνχ R. >C=NO '2 r / Näheres darüber steht im Kapitel über T a u t o m e r i e bzw.

Mesomerie.

Versuch : Man löse lccm Nitromethan in Wasser und prüfe die Reaktion der Lösung gegen Lackmuspapier. Dann füge man etwas Phenolphthalein und tropfenweise aus einer Bürette n/lO-Natronlauge hinzu. Bis zur bleibenden Rosafärbung werden etwa 2 ccm davon verbraucht, ein Zeichen, daß aus dem neutralen Nitromethan das Salz des aci-Nitromethans, H 2 C:NOOH, entstanden ist. Eine kleine Probe dieser Lösung gibt mit Eisenchlorid eine b l u t r o t e F ä r b u n g , die für aci-Nitroverbindungen charakteristisch ist. Die Salze der aci-Verbindung sind stark hydrolytisch gespalten. Dies erkennt man daran, daß der weitere Zusatz von n/10-Lauge die Lösung tief rot färbt. Hat man 10 ccm der Lauge hinzugefügt und setzt nun 5 ccm n/10-Salzsäure hinzu, so wird die Lösung entfärbt, da die freigewordene aci-Verbindung die Hydrolyse ihres Salzes zurückdrängt. Die Umlagerung von H 2 C : N 0 2 H zu H 3 C · N 0 2 erfolgt aber so rasch, daß in wenigen Augenblicken die Rotfärbung wiederkehrt. 1

Vgl. Ο. v. S c h i c k h , Ang. Ch. 62, 547 (1950).

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Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Bei der Reduktion von Nitroparaffinen entstehen unter kräftigen Bedingungen die entsprechenden A m i n e , so wie dies im nächsten Kapitel für Nitrobenzol gezeigt wird. Aber ebenso wie dort kann man bei der Einwirkung von Zinkstaub in n e u t r a l e m Medium den Prozeß auf der Stufe des H y d r o x y l a m i n s festhalten.

Versuch: Zu einigen Tropfen Nitromethan, in wenig Wasser gelöst, werden einige Zinngranalien und dann konz. Salzsäure gegeben. Heftige Reaktion. Wenn sie vorüber ist, erwärmt man noch kurz auf dem Wasserbad, übersättigt die abgegossene Lösung mit starker Lauge und erkennt am Geruch und an der Bräunung von Curcumapapier, daß ein flüchtiges Amin gebildet worden ist. Will man die Reaktion zur Darstellung von Methylamin benutzen, so muß das Nitromethan nach und nach zur Reduktionsflüssigkeit gegeben werden. Im übrigen vgl. Präp. II, 8; S. 137. N - M e t h y l h y d r o x y l a m i n . Eine wäßrige Lösung von Nitromethan versetzt man mit etwa der gleichen Menge Ammoniumchlorid und gibt dann unter Kühlung (Temperatur um 10°) und stetem Schütteln die dreifache Menge Zinkstaub in kleinen Anteilen zu. Die vom Zinkstaub abfiltrierte Lösung reduziert ammoniakalische Silberlösung und Fehlingsche Lösung. Die präparative Darstellung dieses leicht zugänglichen Alkylhydroxylamins als salzsaures Salz ist von B e c k m a n n , A. 365, 204 (1909), beschrieben. Die zahlreichen Umsetzungen der primären und sekundären Nitroparaffine leiten sich fast ausnahmslos von der ad -Form ab, d. h. sie erfolgen unter Bedingungen, unter denen sich das Salz bildet. Es besteht hier große Ähnlichkeit mit der Reaktionsweise der Ketone, jedoch der graduelle Unterschied der viel größeren Reaktionsgeschwindigkeit bei den Nitroverbindungen. 1. Bei der Einwirkung von Brom entstehen B r o m n i t r o k ö r p e r , z. B. : H 2 C=NO BR I —-> ONa

H2C—NO2 I +NaBr. Br

2. Salpetrige Säure bildet mit primären Nitroparaffinen N i t r o l s ä u r e n , m i t s e k u n d ä r e n die sog. P s e u d o n i t r o l e , die als Nitrosoverbindungen grün oder blau gefärbt sind. a)

H 2 C=NO

I

OH b)

CH3.C.CH3 ON—OH

+HONO

+ HON O



HC—NOS;

H

NOH

+H20

NO I • CHS · C · CHJ + HA© NO,

1

Versuch: M e t h y l n i t r o l s ä u r e . 3,2 g Nitromethan werden unter Eiskühlung in 30 ccm 2 n-Natronlauge gelöst und mit einer konz. Lösung 1

B, 42, 808 (1909).

Nitromethan

143

von 3,5 g Natriumnitrit versetzt. Ohne weitere Kühlung läßt man aus einem Tropftrichter 4 n-Schwefelsäure, hinzulaufen, bis die erst tiefrot gewordene Lösung eben orangegelb geworden ist und KaliumjodidStärkepapier noch nicht bläut. Dann schüttelt man zweimal mit Äther aus, kühlt die wäßrige Lösung wieder ab, tropft solange wieder Schwefelsäure zu, bis deutlich salpetrige Säure auftritt, und macht nun wieder mit 5 w-Natronlauge bis zu kräftiger Orangefärbung alkalisch. Dann wird wieder soweit angesäuert, daß noch keine salpetrige Säure nachzuweisen ist, und noch zweimal ausgeäthert. Die vereinigten Ätherauszüge werden mit Calciumchlorid 2 Stunden lang getrocknet, unter Außenkühlung mit Eis. Dann saugt man in einem kleinen Rundkolben den Äther mit Capillare im Vakuum aus einem Wasserbad von 15—20° an der Pumpe ab und erhält als Rückstand etwa 1 g gut kristallisierte, schwach gelb gefärbte MethylnitrÖlsäure. Das Präparat hält sich nur einige Stunden unzersetzt. Man prüfe mit ihm das Verhalten gegen Alkalien. K n a l l s i l b e r 1 . 0,5 g frisch dargestellte Methylnitrolsäure, in 4 ccm Wasser gelöst, wird mit 1 ccm 5 n-Salpetersäure (konz. Säure vom spez. Gew. 1,4 mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt) und 4 ccm 10-proz. Silbernitratlösung über freier Flamme in einem weiten Reagenzglas zum Sieden erhitzt. Nach kurzer Zeit setzt die Reaktion unter kräftiger Gasentwicklung (NO) ein und gleichzeitig scheidet sich Knallsilber kristallinisch aus. Man kocht noch einige Minuten unter stetem Umschütteln weiter, läßt erkalten und saugt das Produkt ab, das mit Wasser gewaschen wird. Eine kleine Probe von etwa 10 mg trocknet man, o h n e zu r e i b e n , auf einem Stückchen Ton und prüft damit in der Flamme und durch Schlag mit dem Hammer die Brisanz. S c h u t z brille! Die Hauptmenge bringt man noch feucht — auch in diesem Zustand ist ein festes Drücken mit einem Metallspatel oder anderen harten Gegenständen zu vermeiden — in ein Reagenzglas und übergießt sie mit 2 ccm konz. Salzsäure. Dabei kann man den der Blausäure zum Verwechseln ähnlichen Geruch der freien Knallsäure wahrnehmen. Nach einer halben Stunde erwärmt man den Inhalt des Reagenzglases noch kurz im siedenden Wasserbad, setzt 4 ccm Wasser zu, filtriert vom Silberchlorid ab und dampft das Filtrat in einer kleinen Glasschale auf dem Wasserbad zur Trockne. Das zurückbleibende Hydroxylammoniumchlorid wird an der Reduktionswirkung gegen ammoniakalische Silberlösung und gegen Fehlingsche Lösung erkannt. K n a l l s i l b e r m u ß in j e d e m stellung vernichtet werden, Salzsäure. 1

B. 40, 419 (1907).

Fall sofort nach der Daram einfachsten mit konz.

144

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Die N i t r o l s ä u r e n sind farblos, lösen sich aber in Alkalien mit tiefroter Farbe, indem neben der farbgebenden Nitroso- die aci-Nitrogruppe gebildet wird 1 . Beim Erhitzen in salpetersaurer Lösung zerfällt Methylnitrolsäure in salpetrige Säure und K n a l l s ä u r e ; diese kann bei Gegenwart von Silbernitrat als Knallsilber festgehalten werden. >CNOH o2N/

->

N02H + C = N O H .

Auf dem Weg über die Methylnitrolsäure kommt die Bildung der F u l m i n a t e (Rnallsilber, Knallquecksilber) aus Äthylalkohol und Salpetersäure zustande. Davon war auf S. 134/135 die Rede. Das Quecksilber(II)-Salz des Nitromethans zerfällt direkt in K n a l l q u e c k s i l b e r und Wasser (Nef). (H 2 C=N0 2 ) 2 Hg

- (C=NO) 2 Hg + 2 H 2 0 .

3. Gleich den Ketonen kondensieren sich primäre Nitroverbindungen mit Aldehyden unter Wasserabspaltung. Auf diesem Weg ist P h e n y l n i t r o ä t h y l e n bequem darstellbar. C6H5CHO + CH 3 —NO 2

C e H 5 CH=CH · NO.

2

P h e n y l n i t r o ä t h y l e n . 3,2 g Nitromethan u n d 5,3 g Benzaldehyd werden in 20 ccm Alkohol gelöst und bei guter Kühlung im Kältegemisch unter kräftigem Umschütteln nach u n d nach m i t k a l t e r alkoholischer Kalilauge versetzt, die m a n sich aus der Lösung v o n 3,5 g Ätzkali in 5 ccm Wasser und 10 ccm Methylalkohol bereitet hat. Man schüttelt solange, bis eine Probe des entstandenen Kristallbreis — bisweilen bleibt die Kristallisation auch aus — in Wasser klar löslich ist; es hat sich das Kaliumsalz des Phenylnitroäthylalkohols C 6 H 5 · CH(OH) · CH :NOOK gebildet, dessen freie Säure sich unter Wasserabspaltung in Phenylnitroäthylen umwandelt. Dies geschieht, wenn m a n das Reaktionsprodukt in Eiswasser auflöst u n d unter Umrühren in 60 ccm eiskalter n-Schwefelsäure einfließen läßt. D a s bald erstarrende ö l wird nach d e m Absaugen u n d kurzem Trocknen auf T o n aus wenig Alkohol umkristallisiert. Man erhält etwa 5 g Phenylnitroäthylen in prächtigen gelben Kristallnadeln. Schmelzpunkt 58°. 4. Alle primären Nitroverbindungen kuppeln mit Diazobenzol; statt der erwarteten Azokörper entstehen durch Umlagerung die P h e n y l h y d r a z o n e von an der Aldehydgruppe nitrierten Aldehyden: 1 Die Farbvertiefung geht wohl auf die Bildung eines mesomeren Anions zurück, von dem zwei Grenzformeln wiedergegeben seien:

CH = N — 0 ( _ ) I ι NO 0(_)

CH

VT/

,

N - O

ν

H

Na+

2 T h i e l e und H a e c k e l , A. 325, 7 (1902); B o u v e a u l t und W a h l , Compt. rend. 135, 41 (1902).

Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs R · CH=NOONa + HO—N=N · C„H5 '

145

/RCH—N0 2 ν | \ N = N · CeH5/

R - C—N02 II + NaOH Ν—NH · C„H6

5. Eine sehr interessante Umsetzung des Nitromethans durch starkes Alkali sei hier noch angeführt. 2 Moleküle kondensieren sich unter Wasserabspaltung zur sog. Methazonsäure, die die Konstitution des N i t r o a e e t a l d o x i m s (I) besitzt (Meister) 1 . 2H,C=NO „ „ HC C=NO HC—H.CNO, I H H I ; I H ONa NONa ONa NOH Aus ihr hat Steinkopf mit Thionylchlorid das lange gesuchte N i t r o a c e t o n i tril 2 H2C · (N0 2 ) · CN und durch dessen Verseifung Nitroessigsäure 8 dargestellt. Die neuerdings zu Aminosäure-Synthesen verwendete Nitroessigsäure kann auf einfache Weise durch Erhitzen von Nitromethan mit 50-proz. Alkali (über Methazonäure) hergestellt werden3.

2. Nitrierung eines aromatischen Kohlenwasserstoffs Nitrobenzol und Dinitrobenzol

a) N i t r o b e n z o l Zu 125 ccm = 230 g konz. Schwefelsäure, die sich in einem Kolben von etwa l / 2 Liter Inhalt befinden, gießt man allmählich unter Umschütteln 100 ccm = 140 g konz. Salpetersäure (spez. Gew. 1,4). Nachdem man die warme Mischung durch Eintauchen in kaltes Wasser auf Zimmertemperatur abgekühlt hat, fügt man unter häufigem Umschütteln zu ihr allmählich 90 ccm = 78 g (1 Mol) Benzol. Wenn hierbei die Temperatur über 50—60° steigt, so taucht man vor dem weiteren Eintragen des Benzols das Gefäß auf kurze Zeit in Eiswasser ein. Beim jedesmaligen Zugeben von Benzol ist eine vorübergehende intensive Braunfarbung zu beobachten. Nachdem man den Kolben mit aufgesetztem Steigrohr noch % Stunde lang in einem Wasserbad von 60° weiter erwärmt hat, trennt man die untere Schicht, welche aus Schwefelsäure und Salpetersäure besteht, im Scheidetrichter von der oberen, die das Nitrobenzol enthält 4 . Letztere schüttelt man im Seheidetrichter mit Wasser, dann mit verdünnter Natronlauge, zuletzt nochmals mit Wasser durch, wobei man beachte, daß das Nitrobenzol jetzt die untere Schicht bildet. Nach dem Waschen und Absitzen läßt man das Nitrobenzol in einen trocknen Kolben ab und erwärmt es auf dem Wasserbade ( Steig 1

Über den Mechanismus dieser Reaktion siehe A. 444, 15 (1925). B. 41, 1048 (1908). B. 42, 3925 (1909). Nach dem gleichen Prinzip wird im Großbetrieb der Rest der Nitriersäure zurückgewonnen. Der Ansatz hier enthält 1% Mol HN0 3 . 2

8 4

10

G a t t er m a n n , Praxis des organ. Chemikers.

36. Aufl.

146

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

rohr) solange mit Calciumchlorid, bis die anfangs milchige Flüssigkeit klar geworden ist. Man reinigt es schließlich durch Destillation aus einem Fraktionierkolben mit vorgelegtem Verlängerungsrohr, wobei man nicht ganz bis zur Trockne destilliere. Siedepunkt 206—207°. Ausbeute 100—105 g. b) m - D i n i t r o b e n z o l Eine Mischung von 14 ccm = 25 g konzentrierter Schwefelsäure und 10 ccm = 15 g rauchender Salpetersäure wird allmählich mit 10 g Nitrobenzol versetzt (Abzug) und unter häufigem Umschütteln in einem offenen Kolben eine halbe Stunde auf dem Wasserbade erhitzt. Das etwas erkaltete Reaktionsgemisch wird dann unter Umrühren in kaltem Wasser ausgewaschen, auf einem Tonteller abgepreßt und aus Alkohol umkristallisiert. Schmelzpunkt 90 1 . Ausbeute 10—12 g. Die Eigenschaft, bei Einwirkung von Salpetersäure Nitroderivate zu liefern, ist ein Charakteristikum der a r o m a t i s c h e n Substanzen. Je nach den Bedingungen, unter denen die Nitrierung ausgeführt wird, kann man eine Nitrogruppe oder deren mehrere einführen. Sind in einem aromatischen Stoffe gesättigte aliphatische Seitenketten vorhanden, so erfolgt die Nitrierung unter den obigen Bedingungen stets am Benz olk e r n und nicht in der Seitenkette. Da die Benzolkohlenstoffatome nur mit e i n e m Wasserstoffatom verbunden sind, so sind die erhaltenen Nitroderivate tertiäre ; sie sind demnach nicht imstande, wie die primären und sekundären Nitroverbindungen Salze, Nitrolsäuren oder Pseudonitrole zu bilden. Nitrogruppen lassen sich auch in S e i t e n k e t t e n einführen 1 . Erhitzt man z. B. Toluol oder Äthylbenzol mit schwacher Salpetersäure (spez. Gew. 1,076) in einer Bombe auf etwas über 100°, so erhält man P h e n y l n i t r o m e t h a n CeH5CH2 · NOj. oder Phenylnitroäthan C„H5 · CH(N0 2 ) · CH 3 . Nicht nur die aromatischen Stammsubstanzen, die Kohlenwasserstoffe, lassen sich nitrieren; auch alle Derivate derselben, wie Phenole, Amine, Aldehyde, Säuren usw. sind der gleichen Reaktion zugänglich. Die Nitrierung erfolgt jedoch nicht überall mit der gleichen Leichtigkeit. Man muß daher für jeden Fall die günstigsten Versuchsbedingungen ermitteln. Wird ein Stoff, wie Phenol, sehr leicht nitriert, so kann man entweder die Nitrierung schon mit verdünnter Salpetersäure ausführen, oder man verwendet ein organisches Lösungsmittel, wie Eisessig. Beim Arbeiten in schwefelsaurer Lösung wendet man bisweilen statt der Salpetersäure Kalium- oder Natriumnitrat an. Durch den Eintritt einer Nitrogruppe wird der chemische Charakter einer Substanz nicht grundsätzlich geändert. So sind die Kern-Nitroderivate der Kohlenwasserstoffe neutrale Verbindungen, wie die Kohlenwasserstoffe selbst. Tritt eine Nitrogruppe aber z. B. in einen Stoff von saurer Natur ein, so wird diese dadurch verstärkt; die N i t r o p h e n o l e z. B. sind stärker sauer als das Phenol. Das Entsprechende tritt bei der Nitrierung basischer Substanzen ein; die N i t r a n i l i n e sind weniger basisch als Anilin. Die große Bedeutung der Nitroverbindungen beruht auf ihrem Verhalten bei der Reduktion, wovon bei den nächsten Präparaten die Rede sein wird. Beim zweifachen Nitrieren von Benzol bildet sich fast ausschließlich ra-Dinitrob e n z o l , was mit den folgenden allgemeinen Substitutionsgesetzen zusammenhängtFür die aromatischen Verbindungen sind in erster Linie drei Reaktionen typisch: 1

K o n o w a l o w , B. 27, Ref. 194 und 468 (1894).

Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin

147

1. die des Halogenierens, 2. die des Nitrierens und 3. die des Sulfurierens. Geht man vom Benzol selbst aus, so ist naturgemäß nur ein einziges Mono-Halogen-, Nitrooder Sulfoderivat möglich. Geht man jedoch von einem monosubstituierten Benzol aus, so kann der Eintritt von Halogen, Nitro- oder Sulfogruppe in der o-, m- oder p-Stellung erfolgen. Die Tatsachen haben nun ergeben, daß hierbei zwei Typen von Reaktionen sich vollziehen, indem in gewissen Fällen überwiegend das o- und p-Biderivat neben nur wenig des m-Derivates gebildet wird, während im anderen Fall vorwiegend das m-Derivat neben nur wenig des o- und p-Derivates entsteht. Substituenten, welche Halogen, Nitro- und Sulfogruppe — oder auch andere Substituenten —· vorwiegend in die o- u n d p - S t e l l u n g lenken, nennt man Substituenten e r s t e r O r d n u n g . Dazu gehören die Halogene, Alkylgruppen, die Hydroxylgruppe nebst O-Alkyl und O-Acyl, die Aminogruppe u. a. Substituenten, welche die Substitution vorwiegend in die m- S t e l l u n g lenken, heißen Substituenten z w e i t e r O r d n u n g . Solche sind:-Nitrogruppe, Sulfogruppe, Aldehydgruppe, Carboxylgruppe nebst COO-Alkyl, CO · NH 2 und CO-Alkyl (inKetonen), C = N u . a . Aus dieser Aufzählung ergibt sich als charakteristisch, daß die Substituenten I. Ordnung durchweg f o r m a l g e s ä t t i g t sind, keine Lückenbindungen enthalten, während f ü r die II. Ordnimg das Gegenteil gilt. Es ist ferner bemerkenswert, daß die o- und p-Substitutionen sich durchweg leichter, d. h. mit viel größerer Geschwindigkeit vollziehen, als der Eintritt in m-Stellung. Auf S. 393/394 findet man einen Abriß der modernen theoretischen Deutung der Orientierungsregeln bei der aromatischen Substitution. Bei der m-Substitution steigert sich die Schwierigkeit von Stufe zu Stufe. Die Einführung der zweiten Nitrogruppe in das Nitrobenzol hat schon weit stärkerer Mittel bedurft, als die Nitrierung des Benzols. Das symmetrische T r i n i t r o b e n z o l entsteht erst beim tagelangen Kochen der Dinitroverbindung mit rauchender Salpetersäure und auch so nur in schlechter Ausbeute. Man vergleiche damit die Substitutionserleichterung durch OH und NH a und schon durch die Methylgruppe in Toluol. T r i n i t r o t o l u o l als Sprengstoff. Die Nitroverbindungen sind zum Teil Flüssigkeiten, zum Teil durch große Kristallisationsfähigkeit ausgezeichnete feste Stoffe, welche, falls sie ohne Zersetzung destillieren, einen viel höheren Siedepunkt als die Muttersubstanz besitzen. Unterwirft man Ä t h y l e n der Einwirkung von Nitriersäure, so entsteht, wie schon erörtert, N i t r o ä t h y l n i t r a t CH 2 N0 2 · CH2 . 0 N 0 2 . Der durch Anlagerung von Salpetersäure zuerst gebildete N i t r o ä t h y l a l k o h o l wird durch Veresterung festgehalten.

3. Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin a) A n i l i n a u s N i t r o b e n z o l 1 1. In einem Rundkolben (2 Liter Inhalt) versetzt man 120 g fein granuliertes Zinn2 mit 61,5 g (% Mol) Nitrobenzol und fügt hierzu allmählich 270 ccm = 320 g konzentrierter Salzsäure in der folgenden Weise: Man setzt zunächst nur etwa den zehnten Teil der Salzsäure hinzu, verbindet dann den Kolben sofort mit einem nicht zu engen Steigrohr und schüttelt um. Nach kurzer Zeit erwärmt sich die Mischung und gerät schließlich in lebhaftes Aufsieden. Man kühlt in kaltem Wasser, 1

A. 44, 263 (1842). Ist man nicht im Besitze von granuliertem Zinn, so stellt man sich dies dadurch her, daß man vor der Gebläseflamme in einem mit Ausguß versehenen, gestielten eisernen Löffel derbes Zinn schmilzt und dann t r o p f e n w e i s e aus einer Höhe von %—1 m in einen mit Wasser gefüllten Eimer gießt. 2

10*

148

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

ohne die Umsetzung völlig zu unterdrücken, und fügt dann nach und nach unter stetem Schütteln weitere Salzsäure zu, wobei man dieReaktion stets in gutem Gang hält. Zum Schluß erhitzt man noch eine Stunde lang auf dem Wasserbad, versetzt die warme Lösung mit 100 ccm Wasser und fügt allmählich eine Lösung von 150 g technischem Natron in 200 ccm Wasser bis zur stark alkalischen Reaktion hinzu 1 . Man leitet dann bei vorgelegtem, langem Kühler alsbald Wasserdampf in die heiße Flüssigkeit ein. Sobald das Destillat nicht mehr milchig, sondern wasserhell ist, läßt man noch etwa 300 ccm Flüssigkeit überdestillieren, setzt je 25 g fein pulverisiertes Kochsalz auf je 100 ccm Flüssigkeit bis zur Auflösung zu und schüttelt das Anilin mit Äther aus 2 . Nachdem man die ätherische Lösung mit einigen Stückchen festen Kalis getrocknet hat, verdampft man den Äther und unterwirft das Anilin der Destillation. Siedepunkt 184°. Ausbeute 90—100% der Theorie. 2. Dem t e c h n i s c h e n V e r f a h r e n ist die nachstehende Vorschrift angepaßt 3 : Ein Dreihalskolben von 2 Liter Inhalt trägt in der Mitte einen Rührer mit Dichtung, seitlich einen Rückflußkühler und einen Tropftrichter von 200 ccm Fassungsvermögen. Er kann in einem Ölbad erhitzt werden. Die Füllung von 200 g Chißeisenmehl4, 300 ccm Wasser und 30 ccm konz. Salzsäure wird Tinter kräftigem Rühren etwa 10 Minuten gekocht. Dann läßt man innerhalb % Stunden 123 g Nitrobenzol zutropfen, wobei die Heizung gemäßigt werden kann. Anschließend wird noch solange gekocht, bis der Rücklauf farblos ist (etwa 1 Stunde), dann nach Zusatz von 15 g Natriumcarbonat das Anilin mit Wasserdampf übergetrieben. Ausbeute 90% d. Th. Die Eigenschaft, bei einer energischen Reduktion in p r i m ä r e A m i n e überzugehen, kommt sowohl den Nitroverbindungen der aliphatischen wie der aromatischen Reihe zu. Zur Reduktion jeder Nitrogruppe sind 6 Atome Wasserstoff erforderlich. In der Technik bedient man sich zur Reduktion des Nitrobenzols nicht des teuren Zinns, sondern man arbeitet noch heute nach dem alten Verfahren von B é c h a m p mit E i s e n f e i l e oder E i s e n p u l v e r . Die der Gleichung: CeHfi · N 0 2 + 3 Fe + 6 HCl = C„H5 . NH¡¡ + 3FeCla + 2H a O

(A)

entsprechende Menge Salzsäure wird im großen bei weitem nicht verbraucht, man kommt mit bedeutend weniger, mit etwa 3 °/ 0 aus. Dies hängt damit zusammen, daß das Eisen teilweise bis zur oxydischen Ferristufe ausgenutzt wird. Es gilt neben A etwa die Gleichung B, d. h. FeCl2 wird ständig wieder gebildet. 1

Über die elektrolytische Abscheidung des Zinns siehe S. 273 Anm. Im großen trennt man, ohne auszusalzen, das Anilin ab und benutzt das „Anilinwasser" jeweils wieder zur Dampferzeugung. 3 Vgl. H. E. F i e r z - D a v i d , Operationen der Farbenchemie, IV. Aufl., 1938, S. 35. 4 Die üblichen Eisenpräparate des Laboratoriums sind weniger geeignet und geben gewöhnlich ein stark gefärbtes Präparat. Eisenpulver F der Bad. Anilinu. Sodafabrik, Ludwigshafen, bewährt sich besonders gut. 2

Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin

149

C,H 6 . N 0 2 + 2FeCl 2 + 2 Fe + 4 H 2 O ^ C e H 5 . NH 2 + 2FeCl 2 + 2Fe(OH) 3 . (B) Durch Hydrolyse des Ferrichlorids wird Ferrihydroxyd ausgeschieden und immer wieder Salzsäure für neues Eisen verfügbar. Die Eisenoxyde, die am Schluß des Prozesses gebildet sind, werden jeweils wieder durch Wasserstoff bei Rotglut in Eisenpulver zurückverwandelt. Neuerdings hat auch das k a t a l y t i s c h e H y d r i e r u n g s v e r f a h r e n , und zwar mit Kupfer als Kontaktmetall f ü r die Bereitung von Anilin aus Nitrobenzol in der Industrie Eingang gefunden. Für Reduktionsversuche von Nitrokörpern im kleinen nimmt man am zweckmäßigsten Zinn oder Zinnchlorid und konz. Salzsäure. Feste Substanzen werden ohne Lösungsmittel oft schwer angegriffen und verlangen einen Zusatz von Alkohol oder Eisessig. Das Ende der Reduktion erkennt man daran, daß das Reaktionsgemisch auf Zugabe von Wasser klar bleibt, da die Hydrochloride der entstandenen Basen in Wasser meist löslich sind. Dabei ist zu beachten, daß häufig schwerer lösliche Doppelsalze mit Zinnchlorür auftreten, die aber von kochendem Wasser in der Regel gelöst werden. Wenn ein Doppelsalz in reichlicher Menge auskristallisiert, wird es durch Absaugen isoliert. Durch Zersetzen mit Lauge oder mit Schwefelwasserstoff liefert es die Base leicht in reinem Zustand. Die p r i m ä r e n M o n a m i n e sind zum Teil farblose Flüssigkeiten, wie ζ. B. das Anilin, o-Toluidin, Xylidin, oder farblose, feste Stoffe, wie das p-Toluidin, Pseudocumidin, die Naphthylamine u. a. Sie sind ohne Zersetzung destillierbar und mit Wasserdämpfen flüchtig. In Wasser sind sie ziemlich schwer löslich, Anilin zu 3°/ 0 . Die Di- und P o l y a m i n e sind meistens fest, mit Wasserdämpfen nicht flüchtig und in Wasser viel leichter löslich als die Monamine. Die Amine besitzen basischen Charakter; die Basizität ist jedoch infolge des ungesättigten Charakters des Arylrestes bedeutend schwächer als die der aliphatischen Amine. Daher reagieren die wäßrigen Lösungen der (stöchiometrisch) neutralen Anilinsalze infolge von Hydrolyse auf Lackmuspapier sauer. Aus dem gleichen Grund kann man aus einer wäßrigen Lösung von Anilinsalz mit Äther eine kleine Menge der freien Base herausschütteln. (Nachweis mit ätherischer Salzsäure oder nach Verdampfen des Äthers durch die Chlorkalkreaktion.) Versuche: 1. Man verdünnt 10 ccm Anilinwasser (durch Schütteln v o n 3 Tropfen Anilin mit 10 ccm Wasser im Reagenzglas erhalten) mit 100 ccm Wasser und fügt ein wenig einer filtrierten wäßrigen Chlorkalklösung hinzu. E s tritt hierbei eine v i o l e t t e F ä r b u n g auf ( R u n g e s c h e R e a k t i o n ) . Diese sehr empfindliche Probe gibt nur die wäßrige Lösung des freien Anilins, nicht die der Salze; man m u ß daher aus diesen die B a s e erst isolieren. Man kann diese Reaktion auch benutzen, u m kleine Quantitäten v o n Benzol oder Nitrobenzol zu erkennen, indem m a n die eben bekannt gewordenen Reaktionen im kleinen durchführt (Reagenzglas). Die C h l o r k a l k r e a k t i o n ist dem Anilin eigentümlich; der Farbstoff ist ein kompliziertes Chinonderivat, dessen Konstitution noch nicht ganz sicher steht. Die übrigen hier angegebenen Versuche stellen Klassenreaktionen der primären aromatischen Amine dar. 2. Durch Säurechloride und -anhydride werden primäre und sekundäre Amine acyliert, im besonderen auch durch Benzolsulfochlorid (S. 169). A c e t a n i l i d ist schon früher (S. 114, 117) dargestellt worden. Die Acetyl- und Benzoyl-derivate aller einfacheren primären Amine der Benzol- und Naphthalinreihe sind bekannt, so daß diese Methode in allen Fällen zum Ziel des Nachweises führt.

150

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Man stelle die Identität eines primären Amins auf dem angegebenen Weg fest. 3. B e n z y l i d e n - a n i l i n . 1 com Anilin wird mit ebensoviel Benzaldehyd im Reagenzglas auf dem Wasserbad erhitzt. E s scheidet sich unter Trübung Wasser aus und nach dem Erkalten erstarrt das Gemisch zur sog. S c h i f f s c h e n B a s e (Azomethin). Schmelzpunkt 72°. Beim Erwärmen mit Säure wird das schwach basische Kondensationsprodukt in die Komponenten zerlegt. Allgemeine Reaktion primärer Amine. 4. I s o n i t r i l r e a k t i o n . Ebenso wie die primären aliphatischen Amine von der Art des Methylamins geben auch das Anilin und seine Verwandten die charakteristische Geruchsreaktion mit Chloroform und Alkali. Man vermischt in einem Reagenzrohr 2 Tropfen Anilin mit 2 ccm Alkohol, fügt y 2 c c m starke Kalilauge und etwa 5 Tropfen Chloroform zu und erwärmt gelinde (Abzug). C e H 6 . NH, + CLC
• CeH6 . N = C + 3KC1 + 3H„0 .

Ganz analog liefert Ammoniak B l a u s ä u r e : /Cl H . NH 2 + Cl2 · C< + 3 K O H \H

• H N = C + 3KCl + 3 H 2 0 .

Die Konstitutionsfrage der B l a u s ä u r e wurde schon an anderer Stelle (S. 127) behandelt. Hier sei nur noch erwähnt, daß die I s o n i t r i l e bei der Hydrolyse in p r i m ä r e s A m i n und A m e i s e n s ä u r e zerlegt werden; es entsteht kein Kohlenoxyd, wie man nach der Formel erwarten sollte. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß der erste Eingriff der Säure in einer Addition von Wasser an die beiden freien Kohlenstoffvalenzen beruht. Wir haben daher zu formulieren: C6H5 . N = C + H 2 0

-* CeH5 - N = C < ° H

• C6H6 . NH 2 + O C < ° H

iso-Form des Formanilida

Es besteht also kein Einwand gegen die Carbiminstruktur der Blausäure darin, daß auch bei ihr der Zerfall durch Mineralsäuren kein Kohlenoxyd, sondern (neben Ammoniak) A m e i s e n s ä u r e auftreten läßt. Ein weiteres genau untersuchtes Derivat des zweiwertigen Kohlenstoffs, die K n a l l s ä u r e , deren Konstitution als Carboxim C : N O H feststeht, wird im gleichen Sinne in A m e i s e n s ä u r e und H y d r o x y l a m i n zerlegt (s. Versuch auf S. 143). 5. Die A l k y l i e r u n g des Anilins verläuft nach dem Schema der H o f m a n n schen Alkylaminsynthese. Von besonderer Wichtigkeit sind die methylierten Aniline, namentlich die tertiäre Base D i m e t h y l - a n i l i n , die im Laufe des Praktikums mehrfach als Ausgangsmaterial herangezogen und die technisch sehr viel gebraucht wird. Man methyliert das Anilin im großen als salzsaures Salz mit Methylalkohol im Autoklaven. Das dabei auftretende M e t h y l c h l o r i d besorgt die Methylierung. — Bei sehr hoher Temperatur wandert Methyl vom Stickstoff in die p-Stellung, ein neues Beispiel für die mehrfach zu erwähnende Umlagerangsreaktion von Benzolderivaten (vgl. S. 165)

Reduktion einer Nitroverbindung zu einem Amin

151

Erfolgt die Umlagerung bei Gegenwart eines Überschusses von Methylalkohol, so wird infolge weitergehender Methylierung und Wanderung schließlieh Me s idi η (Formel rechts) gebildet (A. W. Hofmann). Die Reaktion geht wenig glatt vor eich und hat keine präparative Bedeutung. 6. R e a k t i o n mit S c h w e f e l k o h l e n s t o f f . Während Ammoniak und die primären Amine der Fettreihe sich an CS2 unter Bildimg von d i t h i o c a r b a m i n e a u r e n A m m o n i u m s a l z e n addieren z.B.:

scs + h2n-ch3

(-)

/SH

• SC

R·CH II + HBr. ON—CH3

Das Nitron aus Phenylhydroxylamin und Benzaldehyd ist in schön kristallisierter Form leicht aus den Komponenten in alkoholischer Lö3ung darzustellen. Von Interesse ist schließlich die Reduktion einer dem Nitrobenzol analog gebauten olefinischen Nitroverbindung, des N i t r o ä t h y l e n s . Dabei entsteht A c e t a l doxim: H 2 C=CH - N 0 2 + 4 H > H3C-C=NOH + H20. H Das viel leichter zugängliche P h e n y l n i t r o ä t h y l e n (siehe S. 144) reagiert analog unter Bildimg von P h e n y l a c e t a l d o x i m CeH6 · CH¡¡—CH=NOH (Bouve au It). Jedenfalls entsteht auch aus den beiden Nitroäthylenen zuerst das dem Phenylhydroxylamin entsprechende Derivat, das sich aber sofort in die stabile Oximform umlagert: R · CH=C—NHOH > R.CH2-C=NOH. H H Der Benzolkern, der in seinen drei benachbarten Doppelbindungen den vollkommensten Ausdruck der Sättigung findet, gibt einer gleichartigen Umlagerung nicht statt. Hier bleibt die NHOH-Gruppe aus dem Ring hinausgedrückt, die „aromatische" Verfassung des Kerns bleibt gewahrt. Aus ähnlichen Beziehungen ist es verständlich, daß bisher noch kein einfache» „ a l i p h a t i s c h e s A n i l i n " vom Typus

erhalten werden konnte.

R . CH=C—R' I nh2

5. Nitrosobenzol 12 g frisch bereitetes Phenylhydroxylamin werden in einer eiskalten Mischung v o n 50 ccm Schwefelsäure und 250 ccm Wasser unter allmählichem Eintragen möglichst rasch gelöst. Dann läßt man die auf 0° abgekühlte Lösung unter weiterer Kühlung und Schütteln des ReaktionsNatriumpyrochromat kolbens in die ebenfalls eiskalte Lösung v o n 12 g in 200 ccm Wasser aus einem Tropftrichter ziemlich rasch einlaufen.

Nitrosobenzol

159-

Das Nitrosobenzol scheidet sich alsbald in gelben kristallinischen Flocken aus. Man saugt auf kleiner Nutsche ab, wäscht zweimal mit Wasser, bringt den Niederschlag samt Filter in einen Rundkolben und bläst das leicht flüchtige Nitrosobenzol mit Wasserdampf ab. Die grünen Dämpfe setzen sich schon im Kühlrohr in fast farblosen Kristallkrusten nieder, die zum Schluß nach Abstellung des Kühlwassers durch vorsichtige Dampfzufuhr in die Vorlage hinunter geschmolzen werden können. Das abfiltrierte Nitrosobenzol wird auf Ton abgepreßt und im Yakuumexsiccator über Calciumchlorid (nicht über konz. Schwefelsäure!) getrocknet. Ausbeute 8 g. Eine Probe der trockenen Substanz wird im Reagenzglas mit wenig Äther gewaschen (grüne Lösungsfarbe!) und zur Schmelzpunktsbestimmung nochmals getrocknet. Nitrosobenzol verflüssigt sich bei 68° zu einer g r ü n e n Schmelze. Aus der doppelten Menge Alkohol umkristallisiert, läßt es sich in absolut reiner, haltbarer Form gewinnen. A r o m a t i s c h e N i t r o s o k ö r p e r sind auch durch Oxydation primärer Amine darstellbar, aber es ist nur ein Oxydationsmittel bekannt, das diese Umformung glatt leistet, nämlich die S u l f o m o n o p e r s ä u r e (Carosche Säure): C6H5 · NH¡¡ + 2 0

> C e H 5 · NO + I I 2 0 .

Versuch1: 18 g fein pulverisiertes Kaliumpersulfat werden in einer Reibschale unter guter Eiskühlung mit 15 ccm konz. Schwefelsäure innig verrieben. Nach 15 Minuten gießt man die Mischung auf 100 g Eisund neutralisiert unter Kühlung mit Kristallsoda. I n diese Lösung, läßt man 100 ccm Anilinwasser (2,8 g in 100 ccm Wasser) einfüeßen,. wobei sich nach kurzer Zeit das Nitrosobenzol in gelben Flocken abscheidet. Nachdem die gerührte Lösung klar geworden ist, saugt m a n den Niederschlag ab und treibt das Nitrosobenzol mit Wasserdampf über. Man erhält davon etwas mehr als die Hälfte des angewandten Anilins.. Es gibt, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, nur Nitrosoverbindungen, in denen die NO-Gruppe am t e r t i ä r e n Kohlenstoffatom haftet, wie im Nitrosobenzol. Ein aliphatischer Vertreter ist z. B. das N i t r o s o - i s o b u t a n (H3C)3 · C · NO. In f e s t e m Zustand sind fast alle Nitrosokörper f a r b l o s 2 , in L ö s u n g und g e s c h m o l z e n b l a u oder g r ü n . Die farblose Form ist, wie Molekulargewichtsbestimmungen am Nitrosobenzol in flüssiger Blausäure (Piloty) ergeben haben, d i m o l e k u l a r . Die NO-Gruppen zweier Moleküle befinden sich in loser gegenseitiger Bindung, vielleicht nach Art eines der nachstehenden Formelbilder: Q A - N U I C6H5-N-0 1 2

oder

C6H5.N-0 I | O—Ν · CjH 5

C a r o , Ang. Ch. 11, 845(1898); B a e y e r , Β. 33, 124 (1900); 34, 855 (1901). Eine Ausnahme macht ζ. B. das auch in fester Form prachtvoll smaragd-

grüne p - N i t r o s o - d i m e t h y l a n i l i n O N — — N ( C H

3

)

2

und ihm verwandte-

Basen. Vgl. S. 271. Auch die meisten P s e u d o n i t r o l e sind grün.

100

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Mit der Zerstörung des Kristallgefüges, in der Schmelze oder in Lösung, setzt eine Dissoziation in die farbigen Einzelmoleküle ein, die mit steigender Temperatur zunimmt. Die Verhältnisse sind überaus ähnlich den beim S t i c k s t o f f d i o x y d .bekannten: (CeH5NO)a V - - 2 C e H s . NO;

(N0 2 ) 2

2N0 2 .

Die Gruppe NO stellt den wirksamsten Farbträger (Chromophor) dar, den wir "kennen. Mit einem für die Lichtabsorption belanglosen Rest, wie Isobutyl, erzeugt sie den blauen Nitrosokohlenwasserstoff. Trotz ihrer intensiven Färbung sind die .Nitrosoverbindungen keine Farbstoffe, da ihnen die für die Vereinigung mit der Faser notwendige „auxochrome" Gruppe (ζ. B. NH 2 , OH) fehlt. Die N i t r o s o g r u p p e ähnelt in vielfacher Hinsicht der Aldehydgruppe, d. h. -die Umsetzungen, die durch die Reaktionsfähigkeit der Doppelbindung >CO i n den Aldehyden vermittelt werden, sind zum großen Teil auf die Doppelbindung —NO übertragbar. Ein Beispiel wird in der Kondensation von Nitrosobenzol mit Phenylhydroxylamin weiter unten gegeben. Aldehyde treten mit primären Aminen zu den sog. A z o m e t h i n e n (Schi f f reche Basen) unter Wasseraustritt zusammen (S. 150), ζ. B.: C e H s —C=0 + H 2 N · C e H s H

* C 6 H 5 - C = N · C6H5 + H 2 0 . H Benzylidenanilin

Nitrosobenzol und Anilin geben in gleicher Weise Azobenzol. C e H s . N = 0 + H 2 N . CeH5 — - C e H 5 . N = N · C6H5 + H 2 0 . Versuch 1 : Zu 1 ccm Anilin in 3 com Eisessig wird 1 g Nitrosobenzol i n 10 ccm Alkohol hinzugefügt. Beim gelinden Erwärmen schlägt die Farbe nach Dunkelorange um. Man läßt noch 10 Minuten auf dem siedenden Wasserbad, setzt einige ccm Wasser zu, worauf beim Erkalten das Azobenzol in orangeroten Blättchen auskristallisiert. Auf dem Filter mit 50-proz. Alkohol gewaschen und auf Ton getrocknet, zeigt es den Schmelzpunkt 68°. Azobenzol kann sehr gut aus wenig Alkohol umkristallisiert werden. W Auf diesem Wege lassen sich bequem und in guter Ausbeute unsymmetrische A z o k ö r p e r darstellen. Man stelle nach der gegebenen Vorschrift ζ. B. aus Nitrosobenzol und p-Toluidin p - M e t h y l a z o b e n z o l dar. Der Kondensation von Aldehyden mit reaktionsfähiger Methyl- oder Methylengruppe, bei der ungesättigte Ketone entstehen, z. B. : CeH5 · C = 0 + H3C · CO · CHj H

>- C6H6 · C=CH . CO CH3 H Benzalaceton

entspricht die analoge Reaktion der aromatischen Nitrosoverbindungen. Sie verlangt besonders stark aufgelockerte Wasserstoffatome und ist daher mit einfachen Ketonen, wie Aceton, nicht durchführbar. Die Produkte sind, wie ohne weiteres verständlich, A z o m e t h i n e . Mit Hilfe dieser Kondensation ist die Synthese von 1,2,3-Triketonen möglich gewesen (F. Sachs), ζ. B.: 1

A. B a e y e r , B. 7, 1638 (1874).

161

Nitrosobenzol C H j . CO . CH 2 . CO . CH3 + ON ·

CH 3 . CO H,0

o

O

• N(CH3)2

• N(CH3)2 + HjO

CH3 . CO · CO . CO . CH3 + h 2 n Triketopentan

O

• N(CH3),

Die letzte Phase der Reaktion beruht darauf, daß Azomethine durch Säuren eicht in Carbonylverbindung und primäre Base zerlegt werden. Der praktische Zweck der Kondensation läuft also darauf hinaus, Methylen in > C = 0 überzuführen. Der gleiche Effekt wird in ganz ähnlicher Reaktion durch die Einwirkung von salpetriger Säure auf Ketone erreicht (vgl. die Synthese von D i a c e t y l aus Äthyl-methylketon). Schließlich läßt sich Nitrosobenzol auch der G r i g n a r d s c h e n R e a k t i o n unterwerfen. Mit Phenylmagnesiumbromid entsteht in der üblichen Weise D i p h e n y l h y d r o x y l a m i n , eine höchst reaktionsfähige Substanz: C , H 5 . N = 0 + Br Mg.C„H 6



CH +h,Q Ο β Η 5 · Ν N = 0 Diphenylstickstoffoxyd. Versuch: A z o x y b e n z o l a u s P h e n y l h y d r o x y l a m i n u n d N i t r o s o b e n z o l . Z u r L ö s u n g v o n 1 g Nitrosobenzol in 10 ccm Alkohol g i b t m a n 1 g Phenylhydroxylamin, d a n n f ü g t m a n einige T r o p f e n s t a r k e r Kalilauge ( 1 : 1 ) u n t e r U m s c h ü t t e l n h i n z u u n d e r w ä r m t einige M i n u t e n a u f d e m W a s s e r b a d . Die g e l b r o t e L ö s u n g w i r d n u n a b g e k ü h l t , wobei b e i m R e i b e n m i t d e m G l a s s t a b d a s R e a k t i o n s p r o d u k t als gelbe Kristallis a t i o n h e r a u s k o m m t . D a Azoxybenzol schon bei 36° schmilzt, scheidet es sich a u s ü b e r s ä t t i g t e r L ö s u n g g e r n ölig a b . D u r c h U m k r i s t a l l i s i e r e n a u s wenig Alkohol oder a u s Petroläther ( I m p f k r i s t a l l e z u r ü c k b e h a l t e n ! ) w i r d die V e r b i n d u n g hellgelb, f a s t f a r b l o s e r h a l t e n . 11

G a t t e r m a n n , Praxis dea organ. Chemikers. 36. Aufl.

162

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Die alte Formulierung I des Azoxybenzola wurde von A n g e l i durch eine unsymmetrische Formel gemäß II ersetzt, nachdem er Azoxykörper mit zwei verschiedenen Arylresten in zwei isomeren Formen erhalten konnte: I. H6C„ - Ν — Ν . CjHj,

II. HjC, · N = N . C,H5

\ / O

R — N = N · R'

O

0

und

R — N = N . R'.

O

Der Mechanismus der angeführten Kondensation ist klar, er entspricht durchaus der Nitronbildung aus Phenylhydroxylamin und Aldehyden (S. 158) : C , H 6 . N H + ON.C e H 5 OH



C„H5.N-N.CeH6 OH OH

~H'° >

C e H 5 - N = N . CeHs O

Die Beziehungen von Azoxybenzol zu Azo- und Hydrazobenzol kommen bei den Erläuterungen zum nächsten Präparat zur Sprache. Hier sei noch die interessante Umlagerung erwähnt, die Azoxybenzol durch konzentrierte Schwefelsäure erfährt ; dabei entsteht p - O x y a z o b e n z o l , die Muttersubstanz der sauren Azofarbstoffe (Wallach).

O

OH.

6. Hydrazobenzol und Azobenzol a) H y d r a z o b e n z o l Ein Bundkolben von 1 Liter Inhalt wird mit einem gut sitzenden, dünnrohrigen Anschützaufsatz versehen. Das seitliche Rohr wird durch ein kurzes Stück weiten Gummischlauchs mit dem Kühlrohr eines schräg eingespannten Liebigkühlers verbunden, derart, daß der Rundkolben ohne Mühe kräftig geschüttelt werden kann. Das vertikale Rohr des Aufsatzes wird durch einen Kork verschlossen und dient zum Einbringen des für die Reduktion erforderlichen Zinkstaubes. Es werden nun 50 g Ätznatron in 150 ccm Wasser gelöst und die noch warme Lauge zusammen mit 50 ccm Alkohol und 41 g ( ] / 3 Mol) Nitrobenzol in den Kolben gegeben. Unter kräftigem Schütteln setzt man zuerst 6—8 g Zinkstaub zu, läßt die erste heftige Reaktion, stets weiter schüttelnd, zu Ende gehen und erhält dann durch dauernde Zugabe von Zinkstaub das Reaktionsgemisch im Sieden. Man achte darauf, daß die Umsetzung nicht allzu stürmisch wird, vermeide es aber, ihren Verlauf durch Kühlen zu unterbrechen. Der Kolbeninhalt färbt sich zuerst rot (Azobenzol), wird aber schließlich lichtgelb, wenn die nötige Menge des Reduktionsmittels zur Einwirkung gekommen ist. Man braucht etwa 120—150 g (75-proz.) Zinkstaub. Sollte die Reaktion vorzeitig zum Stillstand kommen, so erhitzt man auf einem lebhaft siedenden Wasserbad.

Hydrazobenzol und Azobenzol

163

Es ist unerläßlich, den Kolbeninhalt fortwährend durch starkes Schütteln in Bewegung zu halten, damit der schwere Zinkstaub mit der organischen Substanz in stete Berührung kommt. Zu der zu Ende reduzierten und auf dem Wasser bad erhitzten Mischung gibt man schließlich 500 ccm Alkohol, der in der Siedehitze das ausgeschiedene Hydrazobenzol löst. Der ganze Kolbeninhalt wird siedend heiß auf einer Nutsche abgesaugt (vorher Flammen in der Nähe auslöschen!), der Kolben sofort mit 50 ccm heißem Alkohol nachgespült, der zum Auswaschen des auf dem Filter bleibenden übrigen Zinkstaubes dient. Das Filtrat läßt man in der verschlossenen Saugflasche erkalten, steigert die Kristallisation durch Kühlung in einer Kältemischung, saugt nach einer Stunde scharf ab und wäscht das beinahe farblose Reaktionsprodukt einige Male mit 50-proz. Alkohol, dem man eine kleine Menge wäßriger schwefliger Säure zugefügt hat, bis das Filtrat nicht mehr alkalisch reagiert. Durch Umkristallisieren aus nicht zu viel heißem Alkohol erhält man das Hydrazobenzol bei raschem Arbeiten völlig f a r b l o s und rein. Schmelzpunkt 124° unter Gelbfärbung. Bei der großen Neigung zur Autoxydation, die auch ein u n u n t e r b r o c h e n e s Arbeiten bei der Darstellung verlangt, ist Hydrazobenzol — im Vakuum gut getrocknet — nur in gut schließenden, mit COa oder N 2 gefüllten Gläsern, besser noch in zugeschmolzenen Röhren, längere Zeit ohne Verfärbung haltbar. Die Ausbeute an Rohprodukt, das zu den weiteren Präparaten direkt benutzt werden kann, beträgt 20—25 g. b) A z o b e n z o l a u s H y d r a z o b e n z o l 1. D u r c h D e h y d r i e r u n g . Man läßt 10 g Brom ( = 3,2 ccm) in eine Lösung von 6,0 g NaOH in 75 ccm H 2 0 (75 ccm einer 2 w-NaOHLösung) unter Eiskühlung tropfen und schüttelt mit dieser Bromlauge 9,2 g Hydrazobenzol ( 1 / 21 Mol) in 60 ccm Äther in einem kleinen Scheidetrichter 10 Minuten lang durch, trennt die ätherische Lösung von der wäßrigen, verdampft den Äther und erhält die orangeroten Blättchen von Azobenzol, das, aus wenig Alkohol umkristallisiert, bei 68° schmilzt. Ausbeute quantitativ. Auch beim mehrstündigen Durchsaugen von Luft durch eine mit Alkali versetzte alkoholische Lösung von Hydrazobenzol entsteht in guter Ausbeute Azobenzol. 2. D u r c h D i s p r o p o r t i o n i e r u n g . 1—2 g Hydrazobenzol werden im Reagenzglas über kleiner Flamme zum Schmelzen erhitzt. Die orangerote Schmelze erhitzt man vorsichtig weiter bis zum beginnenden Sieden des gebildeten Anilins. Beim Erkalten erstarrt das Gemisch zu rotem Azobenzol, das in Anilin eingebettet ist. Man kann die Base mit Wasser herausschütteln und durch die Chlorkalkreaktion nachweisen, das Azobenzol wie oben aus Alkohol Umkristallisieren. Will man bei 11·

164

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Umsetzung von mehr Hydrazobenzol auch das Anilin in natura isolieren, so trennt man es durch verdünnte Essigsäure vom Azobenzol und setzt es aus der Lösung seines Acetats durch konzentrierte Lauge wieder in Freiheit. Ausäthern usw. A z o b e n z o l , mit dem Chromophor —N=N— die Grundsubstanz der Azofarbstoffe, ist ein sehr beständiger, unzersetzt destillierbarer Körper. Anders als bei den meisten anderen Azoverbindungen ist die N=N-Gruppe zwischen den beiden aromatischen Kernen sehr fest verankert. So erklärt sich die bedeutende Echtheit der Azofarbstoffe. Nach der Theorie ist mit der Existenz zweier s t e r e o i s o m e r e r Azobenzole zu rechnen: CeH5 N=N , N=NX und / \ / H5C6 CeH5 HjCg cts-Äzobenzol (rans-Azobenzol Diese Isomerie ist auch experimentell bestätigt worden: Durch Belichten einer Azobenzollösung wird die stabile, orangerote (iraws)-Form teilweise, im Kähmen eines photodynamischen Gleichgewichts, in die gelbe cis-Form umgelagert und diese kann durch Adsorption (vgl. S. 14) abgetrennt werden ( H a r t l e y ) . Die beiden stereo-isomeren Formen unterscheiden sich auch im Ultraviolett-Spektrum sehr deutlich voneinander1. Versuch: 1 g reines Azobenzol, in 50 ccm Petroläther (Sdp. 50—60°) gelöst, wird 1 Stunde lang in einer auf Eiswasser schwimmenden Schale im direkten Licht einer Analysen - Quarzlampe im Abstand von etwa 30 cm gehalten. Sofort nach der Belichtung wird die Lösung durch eine Säule (2 cm : 20 cm) mit Aluminiumoxyd (nach B r o c k m a n n ) filtriert. Nach Entwicklung mit 150 ccm Benzol tritt eis-Azobenzol in einer etwa 2 cm breiten Zone 7 cm unter dem oberen Band der Säule in Erscheinung; die trans·Verbindimg wird eluiert. Man trennt die gelbe Zone von dem übrigen Aluminiumoxyd, und zieht sie mit 150 ccm Petroläther, der 1% Methanol enthält, aus. Um das Methanol zu entfernen wird die filtrierte Lösung 3-mal mit je 25 ccm Wasser ausgeschüttelt und über Na 2 S0 4 getrocknet. Nach dem Abdampfen des Lösungsmittels bei 20° i. V. hinterbleiben 100 mg gelbes eis-Azobenzol vom Schmp. 69—71°. Um spektroskopisch reines cis-Azobenzol zu gewinnen, ist es nötig, die Aufarbeitung der belichteten Lösung im Halbdunkel vorzunehmen und möglichst schnell zu arbeiten. Mit konz. Mineralsäure gibt Azobenzol r o t g e f ä r b t e S a l z e , was man durch Übergießen der Substanz mit Salzsäure feststellt. Aufnahme von Wasserstoff führt wieder zur H y d r a z o v e r b i n d u n g . Durch Einwirkung von Hydroperoxyd oder Salpetersäure läßt sich O anlagern; es entsteht die A z o x y v e r b i n d u n g . Von der Synthese unsymmetrischer aromatischer Azokörper aus Nitrosoverbindung und primärem Amin war oben die Rede. Bei Schmelztemperatur zersetzt sich H y d r a z o b e n z o l nach der Gleichung:

HjCJ—N;H

HN—CeH6

H 5 C 6 -N H 2 N · CeH6 II + WV J

zu A z o b e n z o l und Anilin. Eine ganz analoge Reaktion wird später (S. 259) beim P h e n y l h y d r a z i n besprochen; ein einfaches Vorbild ist die S e l b s t z e r s e t z u n g des H y d r o p e r o x y d s in Sauerstoff und Wasser: 1

Chetn. Soc. 1938, 633, 876; 1939, 232, 531, 1309.

165

Hydrazobenzol und Azobenzol 0:H

OH

OH

OH

O

HÖH

Wie dieser Prozeß, so wird auch die Selbstzersetzung des Hydrazobenzols durch P l a t i n m e t a l l e katalytisch beschleunigt.

c) B e n z i d i n a u s H y d r a z o b e n z o l 9,2 g Hydrazobenzol werden in möglichst wenig Äther gelöst und zu 100 com mit Eis gekühlter etwa In-Salzsäure (konz. Säure mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt) unter Umschütteln getropft. Das salzsaure Benzidin scheidet sich kristallinisch aus und wird nach Zusatz von 50 ccm konz. Salzsäure und % stündigem Stehen der Reaktionsmischung abgesaugt und mit Salzsäure wie oben und wenig Äther gewaschen. Ausbeute 9—10 g. Das Chlorhydrat kann aus heißem Wasser unter Zusatz von konz. Salzsäure zur schwach abgekühlten Lösung umkristallisiert werden. Zur Gewinnung der f r e i e n B e n z i d i n b a s e versetzt man eine in der Wärme unter Zugabe von etwas verdünnter Salzsäure hergestellte, nicht zu konz. Lösung des Salzes, die man rasch auf 15—20° abkühlt, mit einem kleinen Überschuß von konz. Natronlauge; die kristallinisch abgeschiedene Base wird nach dem Absaugen gründlich mit Wasser ausgewaschen. Vor Zugabe der Lauge muß die Lösimg des Salzes klar sein; von allenfalls auskristallisiertem Chlorhydrat muß sie abfiltriert werden. Das freie Benzidin kann aus heißem Wasser oder auch aus wenig Alkohol umkristallisiert werden. Schmelzpunkt 122°. Die Umlagerung des Hydrazobenzols zu dem isomeren B e n z i d i n — i m Jahre 1846 von dem russischen Chemiker Zinin entdeckt —, die durch Mineralsäuren katalytisch in Gang gesetzt wird, erfolgt aus dem Bestreben des Moleküls, einenenergieärmeren, d. h. gesättigteren Zustand zu finden. Wir reihen den Vorgang zweckmäßig andern analogen an, bei denen es sich grundsätzlich darum handelt, daß ein Substituent am Stickstoff seine Haftstelle mit einem Η-Atom am Kern, und zwar meist in p-Stellung vertauscht. Hierher gehört die Umlagerung von Phenylsulfaminsäure in S u l f a n i l s ä u r e (S. 175), von Phenylhydroxylamin in p - A m i n o p h e n o l (S. 156), ferner von Acetanilid in p - A m i n o - a c e t o p h e n o n und von N-Chloracetanilid in p - C h l o r a c e t a n i l i d : H H H Η Η

O

H H i—Ν - CO - CH, -3 Η

Ν - C O - C H ,3 Cl

;—NH,

H3C · CO · Η Η

166

Nitroverbindungen und ihre Reduktionsprodukte

Außerdem die später zu besprechende Unilagerung der aromatischen a m i n e (S. 272) z . B . :

Nitros-

I n gleicher Weise trennt sich bei der E e n z i d i n r e a k t i o n die Gruppe HN · C e H s vom Stickstoff ab und lagert sich als H 2 N · C e H 4 — an die vom Wasserstoffatom verlassene p-Lücke.

Es sei besonders darauf hingewiesen, daß die wandernden Reste nicht als „freie Radikale" abgetrennt werden, sondern daß sich diese Gruppenverschiebungen im Bereich der m o l e k u l a r e n B i n d u n g s k r ä f t e vollziehen. Die Ähnlichkeit der Umlagerung aromatischer Hydrazoverbindungen mit den oben in Parallele gestellten Austauschreaktionen wird noch deutlicher, wenn die p-Stellen der beiden Benzolkerne besetzt sind. Dann kommt es in der Regel nicht zur Bildung einer Biphenylbase, sondern der abgetrennte Rest greift mit dem Stickstoff in die o-Stellung zum anderen Stickstoff ein; es entstehen Derivate des o - A m i n o d i p h e n y l a m i n s , z. B.: NH. >NH

Diese Form der Isomerisation bezeichnet man als S e m i d i n - U m l a g e r u n g Im Gegensatz zu den Hydrazo-Umlagerungen 1 , die echte innermolekulare Reaktionen sind, wird in vielen Fällen die „Umlagerung" vorgetäuscht durch eine intermolekulare Gruppenverschiebung, so etwa bei der Wanderung von Chlor und Nitrosogruppe vom Stickstoff in den Kern. Benzidin und die entsprechend seiner Bildung von o-Nitrotoluol und o-Nitroanisol abgeleiteten Biphenylbasen T o l i d i n und D i a n i s i d i n

werden in der Farbstoffindustrie als wichtige Zwischenprodukte f ü r die Bereitung von Baumwolle direkt färbenden Azofarbstoffen in großem Maßstab dargestellt Vgl. dazu S. 214, 262, 264). 1

P. J a c o b s o n , A. 428, 76 (1922).

Mechanismus der Nitrobenzol-Beduktion

167

Zum Mechanismus der N i t r o b e n z o l - R e d u k t i o n Die Reduktion der aromatischen Nitrokörper hat nicht nur wissenschaftlich, sondern auch technisch ein außerordentlich großes Interesse. Die Nutzbarmachung der im Steinkohlenteer enthaltenen Kohlenwasserstoffe begann mit der Entdeckung der Nitrierungsreaktion; die Umformung der Nitrogruppe zur Aminogrupp eam Derivat des Benzols lieferte in technischem Ausmaß das Anilin, das Ausgangsmaterial für zahllose Farbstoffe und pharmazeutische Präparate; ihm schließen sich die homologen Toluidine, X y l i d i n e , Naphtylamine usw. an. Die Bildung des Anilins aus Nitrobenzol kommt dadurch zustande, daß reaktionsfähiger Waeserstoff an die Nitrogruppe angelagert, der Sauerstoff als Wasser abgespalten und schließlich Wasserstoff endgültig angelagert wird. Sie ist kein einfacher Vorgang, sondern verläuft über eine Reihe von Zwischenphasen. C 6 H 5 -N0 2

(c e H 6 -Nκ +> Phenanthrenchinon liefert in gleichlaufender Reaktion B i p h e n y l e n g l y k o l s ä u r e (Formulieren). Die Benzilsäureumlagerung spielt außerdem bei anderen Verbindungen, wie z. B. beim Trichinoyl und bei den Tropolonen eine Rolle. 1 2 3 4

(

S c h e u i n g , A. 440, 72 (1924). A. 266, 23 (1891). B. 46, 2840 (1913). Vgl. dazu A. W e i ß b e r g e r , H. Mainz und E. S t r a s s e r , B. 62, 1942 (1929).

Acyloin-kondensation. Benzoin aus Benzldehyd

197

Ihr verwandt ist die sog. Pinakolinumlagerung, die in Gegenwart von konz. Schwefelsäure abläuft: /CH3 + H(+) H3Cn /CH, HA '·*·., /CH, HAΧο- — ι ΝCH, GR, H 3 c/1 h 3 c/ h 3 c/| X3H, OH OH2 OH OH OH (+) Pinakoii Η , C6H60A1C12 + C1-CH3 j 3HjO C 6 H 5 OH + Al(OH)3 + 2 HCl

Die A l l y l ä t h e r lagern sich in der Hitze spontan in A l l y l p h e n o l e um (Ciaisen): /"N-CH,-CH=CH, r^N-OH

Die Allyläther der Enole > C = C — sind dieser Reaktion auch zugänglich. OR In den Allylphenolen sowie deren Äthern wird unter der Einwirkung von Alkali die Doppelbildung gegen den Benzolkern hin verschoben: Eugenol >• Isoeugenol; Safrol > Isosafrol. Besonders interessant ist die Spaltbarkeit der Phenoläther (und auch aliphatischer Äther) durch metallisches Natrium (Ziegler, S c h o r i g i n ) , z . B . : C6H6OCH3 + 2 Na > C6H6ONa + NaCH 3 . Von substituierten Phenoläthern sind anzuführen die Aminoderivate des Anisols (Anisidin) und Phenetols ( P h e n e t i d i n ) . Sie werden durch Alkylierung der Nitrophenole und nachherige Reduktion der Nitrogruppe bereitet.

214

Phenole und Enoie. Keto-Enol-Tautomerie

Die alkalische Reduktion des o - N i t r o - a n i s o l s führt (wie beim Nitrobenzol) zur Hydrazoverbindung, die durch Benzidinumlagerung in die Biphenylbase „Dianisidin", ein wichtiges Zwischenprodukt für blaue substantive Azofarbstoffe, übergeführt wird (S. 166). Vom p-Phenetidin leiten sich das bekannte Antipyretikum „ P h e n a c e t i n " (I) und der Süßstoff „Dulcin" (II) ab:

Methylierte Phenole bilden vielfach den Bestandteil von Naturstoffen, vor allem von Alkaloiden. Bei deren Konstitutionsermittlung hat die quantitative Bestimmung der in einer Molekel vorhandenen Methoxylgruppen eine große Bedeutung. Ihr dient die treffliche Z e i s e l s c h e Methode, bei der die Methylgruppe durch konzentrierte Jodwasserstoffsäure als M e t h y l j o d i d abgespalten wird. Ea sei empfohlen, an dem hier dargestellten Präparat diese Methode kennenzulernen (Anleitung S. 74).

3. o- und p-Nitrophenol 80 g Natron- oder 95 g Kalisalpeter werden im Rundkolben unter Erwärmen in 200 g Wasser gelöst, die Lösung wird vor dem völligen Erkalten unter Umrühren mit 100 g konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Zu der auf 20° abgekühlten Mischung läßt man dann aus einem Tropftrichter unter häufigem Umschütteln eine durch Erwärmen verflüssigte Mischung von 50 g kristallisiertem Phenol und 5 ccm Wasser tropfenweise hinzufließen, wobei man die Temperatur stets zwischen 20—25° hält. Nachdem man das Reaktionsgemisch unter öfterem Schütteln 2 Stunden stehengelassen hat, versetzt man mit dem doppelten Volumen Wasser, läßt absitzen, gießt die wäßrige Schicht so gut wie möglich von dem Öl ab, wiederholt das Auswaschen mit Wasser noch zweimal und destilliert dann mit Wasserdampf das o-Nitrophenol ab. Wie man dem Erstarren der Substanz im Kühlrohr begegnet, siehe S. 27. Das abgesaugte und zwischen Filtrierpapier getrocknete Präparat ist direkt rein, wo nicht, wiederholt man die Dampfdestillation. Schmelzpunkt 45°. Ausbeute 30 g. Die isomere, nicht flüchtige p-Verbindung wird, gleich anschließend, aus dem Rückstand über ihr Natriumsalz isoliert : Man fügt erst solange 2 n-Natronlauge zu, bis die Reaktion auf Kongopapier eben verschwunden ist, dann noch weitere 100 ccm, kocht nach Zugabe von etwas Tierkohle nochmals durch Einleiten von Wasserdampf auf, filtriert durch ein Faltenfilter und dampft bis auf ein Volumen von etwa 100 ccm ein. Beim Erkalten soll das Natriumsalz auskristallisieren. Sollte dies bei einer Probe nicht der Fall sein, so setzt man der noch heißen Lösung 30 ccm Natronlauge 1 : 1 zu und läßt dann langsam erkalten. Aus dem abgesaugten und mit 2 w-Natronlauge gewaschenen Salz scheidet man mit verdünnter Salzsäure in der Wärme das beim Erkalten kristallisierende (erst ölige) v-Nitrophenol ab, das bei un-

o- und p-Nitrophenol

215

genügender Reinheit, d. h. wenn sich eine Probe nicht aus sehr verdünnter heißer Salzsäure Umkristallisieren läßt, nochmals über das Natriumsalz gereinigt wird. Schmelzpunkt 114°. Ausbeute 5—10 g. Von der Leichtigkeit, mit der Phenole nitriert werden, war schon die Rede. Der Prozeß verläuft indes auch bei Anwendung von verdünnter Salpetersäure nicht glatt, da infolge von Oxydation und von Kondensation harzige Nebenprodukte •entstehen. Bessere Ergebnisse liefert die Nitrierung mit Stickstoffdioxyd in nicht wäßrigen Lösungsmitteln wie Benzol, Petroläther (B. 54, 1776 [1921]). o- und p-Nitrophenol gehen bei weiterer Nitrierung mit stärkerer Säure in das gleiche 2 , 4 - D i n i t r o p h e n o l und schließlich in P i k r i n s ä u r e über. Hochnitrierte Benzolderivate, wie Pikrinsäure, T r i n i t r o t o l u o l lassen sich durch eine brisante Vorexplosion (Initialzündung) mit Knallquecksilber oder Bleiazid zur Explosion bringen. Sie sind endotherm, d. h. der in der Molekel enthaltene Sauerstoff der Nitrogruppen kann intramolekular Kohlenstoff und Wasserstoff unter positiver Wärmetönung verbrennen. Diese innere Verbrennung ist bei der Pikrinsäure gemäß der Gleichung: 2 C6H307N3 • 12 CO + 2 H 2 0 + 3 Na + H , eine ziemlich weitgehende. Die unmittelbare Überführung des Benzols in Polynitrophenole, die sog. Oxynitrierung, gelingt unter Mercurisalz-Katalyse in interessanter Reaktion ( W o l f f e n etein, Westheimer1). m - N i t r o p h e n o l läßt sich nicht direkt durch Nitrierung von Phenol bereiten, da •die OH-Gruppe ein Substituent 1. Ordnung ist und daher vorwiegend o- und p-Derivat liefert. Man ist auf den Umweg der Diazotierung von m-Nitranilin und die Umkochung des Diazoniumsalzes zum Phenol angewiesen (S. 245). m- und p-Nitrophenol sind in reinem Zustand f a r b l o s , die o-Verbindung dagegen ist gelb. Die Salze aller drei Nitrophenole aber sind i n t e n s i v f a r b i g , und zwar in der o- und m-Reihe rotorange und gelborange, in der p-Reihe tiefgelb. {Anwendung von p-Nitrophenol als Indikator.) Man hat die starke Färbung der Nitrophenolsalze durch eine Umlagerung in eine das Licht kräftiger absorbierende chinoide Säureform (aci-Typus nach H a n t z s c h ) zu erklären versucht. OH V, N02 p-Nitrophenol

0=N—ONa p-Nitrophenolnatrium

Dagegen sprechen jedoch verschiedene Erwägungen. Vor allem verhält sich m-Nitrophenol wie die beiden Isomeren, die Alkalisalze müßten also auch chinoid sein. m-Chinone sind aber in der ganzen aromatischen Chemie unbekannt. Ferner gibt es noch mehrfach Beispiele von Substanzen, die bei der Salzbildung eine Farbvertiefung erfahren, wo aber die Umlagerung in ein tautomeres Chinon ausgeschlossen ist. So sind die zweibasischen Salze des gelbbraunen A n t h r a h y d r o c h i n o n s tief blutrot (S. 289). 1

Am. Soc. 69, 773 (1947

216

Phenole und Enoie. Keto-Enol-Tautomerie OH / S . / V / V

gelbbraun

ONa

ONa blutrot

Schließlich sind auch die Alkalisalze des einfachen Phenols tiefer farbig als das Phenol selbst. Diese Tatsache ist zwar subjektiv nicht erkennbar, jedoch durch Untersuchung der Absorption in ultraviolettem Licht. Dabei hat sich ergeben, daß die Absorption von Phenolnatrium weit näher als die des freien Phenols an den subjektiv sichtbaren Teil des Spektrums heranrückt. Die Differenz ist so bedeutend, daß sie auch f ü r eine subjektiv wahrnehmbare Farbvertiefung von farblos zu gelb eine befriedigende Erklärung enthält. Wir führen also die Färbung der Nitrophenolsalze auf die „ b a t h o c h r o m e " ( = f ä r b vertiefende) W i r k u n g d e r S a l z b i l d u n g zurück. Da o- und p-ständige Nitrogruppen die Beweglichkeit von Halogen im aromatischen Kern erhöhen (S. 97), so sind die Nitrophenole auch aus N i t r o c h l o r · b e n z o l e n zugänglich. So läßt sich p-Nitro-chlorbenzol im Autoklaven durch Laugen spalten, das als Zwischenprodukt f ü r Schwefelfarbstoffe wichtige 2,4-Din i t r o - p h e n o l geht schon bei milderen Bedingungen aus dem entsprechenden Chlorbenzol hervor. Durch Umsetzung mit Ammoniak entsteht p - N i t r a n i l i n . Auffällig ist die Leichtigkeit, mit der sich der Dinitrophenyl-Rest mit Hilfe von 2,4-Dinitro f l u o r - benzol in NH^-Gruppen von Aminosäuren und Peptiden einführen läßt ( S a n g e r ) . Im T r i n i t r o - c h l o r b e n z o l ( P i k r y l c h l o r i d ) ist das Chlor von der gleichen Beweglichkeit wie in einem Säurechlorid. 4. D i e K o l b e s c h e Salicylsäuresynthese 1 13,5 g reinen Ätznatrom werden in einer Porzellan- oder zweckmäßiger in einer Nickelschale in 20 ccm Wasser gelöst und unter Umrühren allmählich m i t 31 g Mol) kristallisiertem Phenol versetzt. Man d a m p f t dann auf d e m Drahtnetz unter fortdauerndem Umrühren d a s Wasser ab, gegen E n d e mit direkter leuchtender F l a m m e , die m a n dauernd unter der Schale hin u n d her bewegt. Sobald die einzelnen Teile nicht mehr zusammenbacken, pulverisiert m a n die Masse schnell in einer trockenen Reibschale u n d erhitzt das feine Pulver n o c h m a l s solange unter gutem Umrühren in der Nickelschale, bis es staubtrocken 2 geworden ist. E s wird dann in eine tubulierte Retorte v o n etwa 200 c c m Inhalt eingefüllt und diese so tief wie möglich in ein Ölbad eingetaucht. Man erhitzt dieses nun auf 110° u n d leitet bei dieser Temperatur 1 S t u n d e lang trockne Kohlensäure über das Phenolnatrium (das Ende des Einleitungsrohres 1 cm über der Oberfläche des Phenolnatriums). I m L a u f e v o n 4 Stunden steigert m a n unter fortwährendem Durchleiten eines 1

J . pr. (2) 10, 89 (1874); 27, 39 (1883); 31, 397 (1885). V ö l l i g e T r o c k e n h e i t des Phenolats ist Voraussetzung f ü r das Gelingen des Versuchs. Die Zeiteinteüung erlaubt bequem, das in der Schale getrocknete Salz vor Ausführung der Synthese über Nacht im Vakuumexsiccator über Schwefelsäure und festem Ätzkali stehenzulassen. 2

Die Kolbesche Salicylsâuresynthese

217

nicht zu lebhaften Kohlensäurestromes die Temperatur allmählich auf 190°, so daß in jeder Stunde eine Temperaturerhöhung um etwa 20° eintritt, und erhitzt schließlich noch 1—2 Stunden auf 200°. Während dieser Operation rührt man den Retorteninhalt mehrere Male mit einem Glasstab um. Nach dem Erkalten gießt man den Retorteninhalt aus· dem Tubus in ein großes Becherglas, spült mehrfach mit Wasser nach und fällt die Salicylsäure durch viel konzentrierte Salzsäure aus. Nachdem sie unter Eiskühlung kristallinisch geworden ist, saugt man ab, wäscht mit wenig Wasser und trocknet auf Ton. Wenn eine Probe der feuchten Säure sich aus heißem Wasser (unter Zugabe von Entfärbungskohle) direkt rein um kristallisieren läßt, kann man das ganze Präparat auf diese Weise reinigen. Es ist aber auch dann anzuraten, das Rohprodukt mit überhitztem Wasserdampf zu destillieren, schon um die Methode kennenzulernen. Man erhitzt es zu diesem Zweck in t r o c k n e m Z u s t a n d e in einem k u r z h a l s i g e n Kölbchen, welches in einem ölbade auf 170° erwärmt wird, und leitet einen nicht zu lebhaften Wasserdampfstrom von 170—180° darüber (vgl. S. 27). Die Verbindung des Kolbens mit dem Dampfüberhitzer darf erst dann hergestellt werden, wenn Ölbad und Wasserdampf die angegebene Temperatur besitzen. Verbindungsrohr und Kühlrohr müssen b e s o n d e r s w e i t sein. Erhitzt man die aus dem Kühlrohr entfernte Säure mit dem in der Vorlage befindlichen wäßrigen Destillate bis zur Lösung, so kristallisiert beim Erkalten eine vollkommen farblose Säure in langen Nadeln aus. Schmelzpunkt 156°. Ausbeute 10—12 g. Die erste Phase der K o l b e s c h e n R e a k t i o n verläuft analog der aus der Fettreihe bekannten Synthese von A l k y l c a r b o n a t e n aus Alkoholat und Kohlendioxyd: O H5C2 · ONa + CO,'2 H5C2OCN—OH >- N = N + 2 H „ 0 H3N + 0 = N — O H lh2N/ Grundsätzlich das gleiche gilt f ü r p r i m ä r e s aliphatisches A m i n . OH R · NH 2 + 0 = N — O H > (R-NH—N—OH) > (R · N = N O H ) >· N = N + R · OH Vom zweiten eingeklammerten Zwischenprodukt, dessen Salze bekannt sind,, wissen wir, daß es unter den Bedingungen seiner Entstehung in Stickstoff und Alkohol zerfallen muß. Bei den einfachen primären Aminen der Fettreihe ist ein Diazokörper n i c h t isolierbar, weil die Reaktion, die ihn entstehen läßt, erst bei einer Temperatur zustandekommt, die ihn zerstört. — Die Reaktionsfähigkeit der NH 2 -Gruppe kann' aber durch eine nachbarständige Carbonylgruppe gesteigert werden. Wir kommen zum Fall der a- A m i n o c a r b o n s ä u r e e s t e r und oc- A m i n o k e t o n e . Glykokollester läßt sich schon in der Kälte diazotieren. Der Diazokörper zerfällt hier nicht,, sondern unterhegt einer anderen Folgereaktion, der Stabilisierung unter H 2 0Abspaltung zum D i a z o e s s i g e s t e r : RO · C · CH2 · NH 2 + 0 = N — O H

y

ο —Hs0

RO— C— CH 2 —N=N—OH II o

RO · C · CH, · N H NN—OH O HOν —H.O

(-) (+) RO · C · C H — N = N II o Diazo-essigester

Das Unerwartete bei der Reaktion der primären a r o m a t i s c h e n Amine mitsalpetriger Säure besteht nun darin, daß der bei tiefer Temperatur zweifellos nach dem bisher gebrauchten Schema entstehende Diazokörper unter der Wirkimg der in der Reaktionslösung vorhandenen Säure zu einer Base umgelagert wird, deren Salz, das D i a z o n i u m s a l z , wir als Diazotierungsprodukt erhalten. (Peter G r i e s s 1858).. HCl

(+)

C,H 6 · N = N + H 2 0 CI Hier treffen wir auf eine Sondereigenschaft der aromatischen Verbindungen. Diazoniumsalze sind in der Fettreihe nicht bekannt, weil der Typus des Anilin» —C=C— nicht existenzfähig ist. NH 2 Es ist nicht ausgeschlossen, daß Glykokollester auf Grund einer tautomeren. Umlagerung ROC—CH, ROC=CH C„H6NH2 + 0 = N · OH

O NH„

OH N H .

234

Aliphatische DiazoVerbindungen

so leicht diazotiert wird. Aber auch dann bleibt in dem Fehlen basischer Eigenschaften bei den aliphatischen Diazokörpern der grundlegende Unterschied zwischen beiden Reihen bestehen. Daß der aromatische Kern, nicht aber Alkyl, den an ihn gebundenen Stickstoff einer Diazogruppe zum Träger stark basischer Eigenschaften umbilden kann, macht erst die moderne Mesomerielehre verständlich. Die Fähigkeit des Kerns, im Zustand der Mesomerie die positive Ladung zu übernehmen, vermag das Kation zu stabilisieren (näheres S. 380). Einen ähnlichen Einfluß üben, wie wir S. 308 erfahren werden, mehrere aromatische Kerne auf ein mit ihnen verbundenes Kohlenstoffatom aus (Carboniumsalze). Es sei daran erinnert, daß bei den Aminen selbst der aromatische Ring die Basizität stark herabsetzt, während sie durch Alkylgruppen geringfügig gesteigert wird; diese Basizitäts Verminderung wird auf S. 386 auf eine Stabilisierung der freien Base gegenüber dem Kation zurückgeführt. Für das Studium der Diazoverbindungen sei das von R e d d e l i e n bearbeitete Werk von A. H a n t z s c h , Die Diazoverbindungen, Leipzig 1921 und als neuere Monographie K. H o l z a c h , Die aromatischen Diazoverbindungen, Stuttgart 1947 empfohlen.

A. Aliphatische Diazoverbindungen 1. D i a z o m e t h a n 1

N i t r o s o m e t h y l h a r n s t o f f . Die Lösung von 20 g Methylammoniumchlorid2 (S. 137) und 30 g Kaliumcyanat (S. 120) in 120 ccm Wasser wird 1 / i Stunde lang auf 60—80° erhitzt, dann kocht man kurz auf, filtriert und kühlt die Lösung auf 0°. Eine vorher bereitete, ebenfalls 1 E . A . W e r n e r , Chem. Soc. 115, 1098 (1919); F. A r n d t und J . A m e n d e , Ang. Ch. 43, 444 (1930). 2 Zur Darstellung größerer Mengen von M e t h y l a m m o n i u m c h l o r i d dient das nachstehend beschriebene billige Verfahren ( B r o c h e t und C a m b i e r , Bl. [3] 18, 533 [1895]). 250 g Ammoniumchlorid werden mit 570 g 35-proz. Formaldehydlösung in einem Destillierkolben mit absteigendem Kühler allmählich erhitzt. Man steigert langsam bis auf 104° —• Thermometer in der Flüssigkeit — und hält so lange auf dieser Temperatur, bis nichts mehr überdestilliert, etwa 4% Stunden von Anfang an. Es haben sich dann 100—120 g Wasser und Methylalkohol (aus dem Formalin stammend) in der Vorlage kondensiert. Nachdem der Kolbeninhalt erkaltet ist, saugt man vom ausgeschiedenen Ammoniumchlorid scharf ab und dampft das Filtrat auf dem Dampfbad auf das halbe Volumen ein, saugt nochmals vom Ammoniumchlorid ab und engt das Filtrat so weit ein, daß sich auf der Oberfläche eine Kristallhaut bildet. Nach dem Erkalten wird das auskristallisierte Methylammoniumchlorid scharf abgesaugt. Das Filtrat engt man so weit als möglich ein und entfernt schließlich den Rest des Wassers im Vakuumexsiccator über festem Ätznatron und konzentrierter Schwefelsäure. Der Rückstand wird durch Digerieren mit Chloroform von Di- und Trimethylammoniumchlorid befreit und schließlich scharf abgesaugt. Ausbeute 110—125 g. Diese Reaktion kommt dadurch zustande, daß die zuerst entstehende N-Methylolverbindung durch überschüssigen Formaldehyd reduziert wird: OH H 2 C : 0 + HNH 2 — • H 2 C—NH 2 — » . H 3 C—NH 2 .

Der Formaldehyd wird dabei (als Hydrat) zu Ameisensäure und C0 2 dehydriert. Steigert man die Aldehydmenge, so gelangt man auf analoge Weise zum T r i ni e t h y l a m m o n i u m c h l o r i d .

Diazomethan

235

gekühlte Lösung von 20 g Natriumnitrit in 40 ccm Wasser wird nun zu der Lösung des Methylharnstoffs hinzugefügt ; zu der Mischung läßt man unter Eiskühlung und mechanischer Rührung 100 ccm kalter 25-proz. Schwefelsäure zutropfen. Die in kristallinen Flocken sich ausscheidende Nitrosoverbindung wird nach beendeter Operation abgesaugt, mit Eiswasser gewaschen und nach dem Trocknen im Vakuumexsiccator aus etwa der doppelten Menge Methylalkohol umkristallisiert. Zur Erhöhung der Ausbeute kühlt man die Lösung in Eis-Kochsalz auf —15°, saugt nach einigem Stehen ab und wäscht mit Äther. Hellgelbe Kristalle vom Schmelzpunkt 124° (Zers.). Ausbeute 20 g. Die Substanz ist im Eisschrank aufzubewahren. Auf billigere Weise läßt sich Nitrosomethylharnstoff auf folgendem Wege darstellen1: Zu 165 com konz. Ammoniaks läßt man bei Kühlung mit Eis-Kochsalz unter kräftigem Turbinieren 100 g Dimethylsulfat zutropfen; die Temperatur soll dabei nicht über 20° hinaufgehen. Dann erwärmt man zwei Stunden auf dem Wasserbad, kocht weitere 15 Minuten lang, fügt 85 g Harnstoff hinzu und kocht nochmals 3 Stunden. Dann wird die Lösung von 40 g Natriumnitrit in 70 ccm Wasser zugesetzt und abgekühlt. Die kalte Lösung bringt man in kleinen Anteilen zu einem Gemisch von 50 g kcmz. Schwefelsäure und 200 g Eis und verfährt im übrigen wie oben angegeben. Ausbeute 25 g. Zur Ü b e r f ü h r u n g i n D i a z o m e t h a n trägt man 10 g Nitrosomethylharnstoff in kleinen Anteilen in 100 ccm reinen Äther ein, der mit 30 ccm stark gekühlter 40-proz. Kalilauge unterschichtet ist. Die Spaltung wird in einem weithalsigen Erlenmeyer unter dem Abzug vorgenommen. Man muß dauernd schütteln und die Temperatur auf + 5 ° halten. Nach 5—10 Minuten ist die Reaktion beendet; man gießt die tiefgelbe Ätherlösung ab, spült mit etwas Äther nach und trocknet die ätherische Diazomethanlösung etwa 3 Stunden lang mit einigen kleinen Stückchen Ätzkali. Die Lösung wird in einer kleinen enghalsigen Glasflasche, die, wie bei Äther über Natrium angegeben (S. 85, Anm.), verschlossen ist, an einem kühlen Platz aufbewahrt, falls das Präparat nicht sofort Verwendung findet. Die Diazomethanlösung hält sich mehrere Tage, erleidet aber doch eine stetige, wenn auch langsame Zersetzung unter Stickstoffentwicklung. Darum darf das Aufbewahrungsgefäß nicht fest verschlossen werden. Da Nitrosomethylharnstoff, in der Kälte aufbewahrt, längere Zeit haltbar ist, stellt man sich jeweils nur die für den augenblicklichen Bedarf notwendige Menge Diazomethan her. Diazomethan ist ein gelbes, sehr giftiges Gas vom Siedep. —24°, das für präparative Zwecke nur in Lösung gewonnen wird. In freiem Zustand ist es explosiv. Schon beim Destillieren von Diazomethan kommt es bisweilen zur Explosion ; daher Vorsicht! Als indifferente Lösungsmittel können außer Äther auch die Alkohole, Benzol und Petroläther verwendet werden, für kurze Zeit auch Aceton. G e h a l t s b e s t i m m u n g der D i a z o m e t h a n l ö s u n g (nach M a r s h a l l und A e r e e , Β. 43, 2324 [1910]). Einen aliquoten Teil der Diazomethanlösung (etwa V20) läßt man, mit absolutem Äther verdünnt, in 1

F. Arndt, L. Loewe und S. Avan, B. 73, 608 (1940).

liphatische Diazoverbindungen

236

eine mit Eis gekühlte w/6- ätherische Benzoesäurelösung unter Schütteln einfließen. Diese wird dargestellt durch Auflösen von 1,22 g reinster Benzoesäure im 50 ccm-Meßkolben in absolutem Äther; sie muß gegen das Diazomethan im Überschuß sein, was man daran erkennt, daß bis zum Schluß der Zugabe N 2 -Entwicklung eintritt und die Lösung farblos bleibt. Die übrige Benzoesäure wird mit n/10-NaOH zurückgemessen. Das Präparat wird bei der hier beschriebenen bequemen Bereitungaweise für wissenschaftliche Arbeiten viel benützt, da es bei wertvollen Säuren und Phenolen eine elegante und glatt verlaufende Methylierung erlaubt. A l k o h o l i s c h e OHGruppen werden praktisch nicht methyliert, auch nicht Amine. Über Methoden zur Methylierung von A l k o h o l e n mit Diazomethan siehe H. Meerwein und G . H i n z , A.484, 1 (1930).

Versuche: Man löst 2—3 g eines Phenols (Phenol, Rresol, /?-Naphthol, Salicylaldehyd, Hydrochinon) in wenig Äther oder Methylalkohol und fügt unter Eiskühlung in kleinen Anteilen von der dargestellten Diazomethanlösung zu, bis die Gasentwicklung nicht mehr einsetzt und die Lösung schwach gelb gefärbt ist. Um bei g e f ä r b t e n Lösungen einen Überschuß an Diazomethan zu erkennen, gießt man einige Tropfen in ein kleines Reagenzglas ab und bringt einen in Eisessig getauchten Glasstab hinein: sofortige Gasentwicklung. Die Reaktionsprodukte werden nach dem Abdampfen des Lösungsmittels entweder durch Destillation oder, wenn sie fest sind, durch Kristallisation gereinigt. Man bearbeite hier eines der im Laboratorium zugänglichen P h e n o l e selbständig und mache Angaben über die Natur des gewonnenen Methyläthers. In gleicher Weise verfährt man mit C a r b o n s ä u r e n (p-Toluylsäure, Phenylessigsäure, Zimtsäure, Oxalsäure, Terephthalsäure, Salicylsäure usw.). Es gibt Phenole, die mit Diazomethan langsam reagieren. In solchen Fällen bringt man sie mit einem Überschuß über den errechneten Bedarf an Diazomethan zusammen und läßt mehrere Tage mit aufgesetztem Capillarrohr stehen. D i a z o m e t h a n , die einfachste aliphatische Diazoverbindung, ist von P e c h mann 1 auf folgendem Weg zuerst dargestellt worden: 0=C
0=C< x NH-CH3

Chlorameisensäureester 3 E P H

)

KON=N—CH 3 + K 2 C0 3 +

O=C—OC2H6 CHa—N—NO

Methylurethan

C

2

H

5

O H

Nitro somethylurethan

(-)

(+)

„ H 2 C—N=N + KOH

Methyldiazotat1

Unser Weg verläuft der Pechmannschen Synthese durchaus parallel. An Stelle des Urethans verwenden wir den Harnstoff. 1

B. 28, 855 (1895). H a n t z s c h und L e h m a n n , B.35, 897 (1902). Aus dem (wohl stereoisomeren) Methylisodiazotat entsteht nach T h i e l e (A. 376, 253 [1910]) Diazomethan. 2

Diazomethan

237

Die höchst charakteristische Stickstoffentwicklung bei der Einwirkung von Säuren auf Diazomethan und allgemein auf aliphat. Diazokörper geht auf die schon S. 233 erwähnte Labilität des Alkyl-diazoniumkations zurück: CI2

+

H 2 N.NH 2

î ™

2

H 2 ( CL^LN.

Έ/ HCC1 In ätherischer Lösimg ist Diazomethan längere Zeit haltbar. Über seine zahlreichen Umsetzungen (mit Blausäure, Acetylen, Chinon usw.) unterrichte man sich in der Spezialliteratur. Seine wichtigste präparative Verwendung findet Diazomethan, wie schon erwähnt, als Methylierungsmittel, namentlich f ü r Phenole. Es reagiert mit ihnen in der Weise, daß die beiden Stickstoffatome als elementarer Stickstoff abgespalten und die beiden frei werdenden Valenzen durch H und OR besetzt werden. H j C M S Í W + HO · C„H6

• H 2 Ck^ x

o

· c,h 6

+ N»

Allisol

Erwähnenswert ist die Acylierung des Diazomethans mit Säurechloriden zu Diazoketonen: R—CO · Cl + CH2N2 • R—CO—CHN2 + HC1. Da die Diazoketone bei der Berührung mit feinverteiltem Silber in alkalischem Medium eine Umlagerung zur homologen Carbonsäure erleiden 3 nach R—CO · CHN 2 + H 2 0 • R—CH 2 —COOH + K 2 , gründeten A r n d t u. E i s t e r t 4 auf diese Reaktionsfolge eine wertvolle Methode zur Kettenverlängerung von Carbonsäuren. Vgl. dazu die Bildung von Diphenylketen aus Azibenzil (S. 198). Aldehyde und Ketone lassen sich mit Diazomethan sogar unmittelbar in die um CH 2 reicheren Verbindungen überführen 6 , eine Reaktion, der wiederum eine molekulare Umlagerung zugrunde liegt. Besonders glatt und präparativ bedeutungsvoll ist der Übergang des Cyclohexanons in Cycloheptanon und weiter in Cyclooctanon bei der Behandlung mit Diazomethan. Die a l i p h a t i s c h e n D i a z o v e r b i n d u n g e n lassen sich auch durch vorsichtige Dehydrierung der H y d r a z o n e (mit HgO) darstellen ( C u r t i u s , S t a u d i n g e r ) , und umgekehrt gehen sie durch Hydrierung in diese über: -2H >C=N—NH, - — >C—N=N +2H

1

B. 45, 505 (1912). 2 In den früheren Auflagen dieses Werkes ist die präparative Durchführung der S t a u d i n g e r s c h e n Methode beschrieben. 3 L. W o l f f , Α. 394, 40 (1912). 4 Β. 68, 204 (1935); 69, 1805 (1936). 5 Übersicht: Β. E i s t e r t , Neuere Methoden der präp. organischen Chemie, Berlin 1943, 359.

238

Aliphatische DiazoVerbindungen

Deshalb und aus verschiedenen anderen Gründen hat man ihnen später die offene Formel gegeben (Angeli, Thiele), an Stelle der früher gebräuchlichen von ihrem Entdecker Th. Curtius aufgestellten Ringformel. CH CH Das dem Azobenzol entsprechende A z o m e t h a n I 3 ι 3 CH 3 -N=N-CH 3 ist ein farbloses, explosives Gas (bei j^ç ^ ¿ tiefer Temperatur hellgelbe Flüssigkeit), das durch , " ι Dehydrierung des entsprechenden Hydrazins (HyCH CH drazomethan) erhalten wurde (Thiele, B. 42, 2575 3 3 [1909]). Das Azoisobuttersäure-nitril hat Bedeutung als Initiator für Kettenreaktionen erlangt, da es in der Hitze Stickstoff und 2 freie Radikale liefert. Weitere Reaktionen der aliphatischen Diazoverbindungen siehe bei Diazoessigester.

2. Diazoessigester a) Gly k o k o l l e s t e r - h y d r o c h l o r i d 1 , H5C2OOC · CH 2 · NH 2 · HCl. 94 g Chloressigsäure (1 Mol), in 30 com Wasser gelöst, läßt man bei 15° in 1 Liter konzentrierten Ammoniaks (D. 0,913) unter Schütteln einfließen. Der Kolben bleibt verstopft 24 Stunden stehen. Hierauf dampft man den großen Überschuß Ammoniak in einer Schale auf dem Drahtnetz a b (Abzug!), macht, wenn sein Geruch kaum mehr wahrnehmbar ist, mit 100 ccm konzentrierter Salzsäure deutlich kongosauer und dampft nun, gegen Ende unter s t e t e m R ü h r e n , auf offenem Feuer so lange weiter ein, bis eine Probe der in der Hitze schon halbstarren hellgelben Masse beim Erkalten vollständig hart wird. Durch Kleinstellung der Flammen und intensives Rühren muß in diesem Stadium Überhitzung vermieden werden. Die heiße Masse reibt man nun während des Erkaltens in einem Porzellanmörser gut durcheinander und entfernt vor der nachfolgenden Veresterung das noch anhaftende Wasser in der Weise, daß man das gepulverte Gemenge von Salmiak und Glykokoll-hydrochlorid in einem kurzhalsigen Rundkolben, der in ein siedendes Wasserbad eingehängt ist, an der Vakuumpumpe erhitzt. Nach 4 Stunden pulvert man die Masse abermals und setzt das Erhitzen im Vakuum noch 3 Stunden lang im Ölbad bei 115° fort. Das staubtrockne Salzgemisch 2 wird sodann in einem mit Glasschliffen und Rückflußkühler versehenen Veresterungskolben (Fig. 46, S. 95) mit 350 ccm absolutem Alkohol aufgekocht (Wasserbad, wegen des Stoßens ist der aufliegende Rand des Kolbens durch eine Tuchunterlage zu sichern) ; in das siedende Gemenge leitet man so lange einen starken Strom trocknen Salzsäuregases, bis aus dem Kühlrohr dicke Nebel austreten. Man löst jetzt die Verbindung mit dem HCl-Entwickler, hält noch eine Stunde lang im Kochen und saugt schließlich die heiße Lösung vom Salmiak auf einer Nutsche ab ; man wäscht zweimal mit heißem absoluten Alkohol nach. Aus dem Filtrat kristallisiert beim Er1

H a n t z s c h und Silberrad, B.33, 70 (1900). Für den nachfolgenden Versuch der Darstellung von H i p p u r s ä u r e lege man einige Gramm des Salzgemischs zurück. 2

Diazoessigester

239-

kalten das Glykokóllester-hydrochlorid aus, das nach 12-stündigem Stehen abgesaugt wird. Durch Umkristallisation aus möglichst wenig absolutem Alkohol — etwas Salmiak bleibt häufig ungelöst, darum nicht zu viel Alkohol! — wird das Salz vollkommen rein erhalten. Schmelzpunkt 144°. Für die Bereitung des Diazoessigesters kann das scharf getrocknete Rohprodukt Verwendung finden. Die Ausbeute daran beträgt 50—60 g. Sie kann durch Einengen der Mutterlauge oder auch durch Zugabe v o n Äther gesteigert werden. Außer der hier ausgeführten einfachsten α-Aminosäuresynthese, die in höheren Reihen weniger glatt verläuft, gibt es noch deren zwei, die von niedereren Aldehyden auagehen, die (V, 7 ; S. 200) präparativ durchgeführte S t r e c k e r sehe (Anlagerung von C y a n a m m o n i u m zum Nitrii) und die von E r l e n m e y e r jun., bei welcher der um 2 C-Atome niedrigere Aldehyd mit H i p p u r s ä u r e kondensiert wird. Es entsteht dabei das „Azlakton" einer α,^-ungesättigten N - B e n z o y l - a a m i n o s ä u r e , das hydriert wird; durch hydrolytische Aufspaltung und Abspaltung der Benzoylgruppe wird die α-Aminosäure erhalten. R · CO + H2C · COOH H |

R—CH=C

CO I Ν O ^c/C0H3 I

R-CH2-CHCOOH I ΝΗ · COC,Hfr

• R - C H 2 - C H - C O O H + C,H 6 -COOH Ìh2 Wenn man α-Ketocarbonsäuren bei Gegenwart von Ammoniak katalytisch hydriert, so wird über die zuerst entstehende Iminosäure die α-Aminosäure gebildet (F. Knoop). Ebenso kann man α-Isonitroso- und Nitrosäuren zu Aminosäuren hydrieren. Zur Variierung der Seitenketten ist die Tatsache nützlich, daß Alkylacetessigester oder -malonester mit salpetriger Säure nach folgendem Schema reagieren : R' R02C—CH—CO—R" + HONO

> ROaC—C—R' + H0 2 C—R"

NOH Auch vom Acetamido-malonester aus lassen sich durch Alkylierung Aminosäuren aufbauen. Die Bedeutimg der Aminosäuren als Bausteine der Proteine. Welche Aminosäuren hat man bis jetzt bei der Verdauung und Säurehydrolyse von Eiweiß isoliert ? Die T r e n n u n g der einzelnen α-Aminosäuren gelingt einigermaßen quantitativ nach E. F i s c h e r dadurch, daß wie oben verestert wird und daß die Aminosäureester dann durch fraktionierte Destillation im Vakuum voneinander geschieden werden. In letzter Zeit hat hier die Papierchromatographie große Bedeutung erlangt (s. S. 342). Man nimmt an, daß die einzelnen Aminosäuren in der Eiweißmolekel amidartig verknüpft sind. Zur S y n t h e s e der Peptide bzw. ihrer Ester hat E . F i s c h e r ein Mol Aminosäurechlorid mit einem Mol Aminosäureester kondensiert, ζ. B. : (+)

H 3 N-CH 2 -C0C1+ H 2 N-CH-C00-C 2 H 5 I CH3

TT PI

(+)

H 3 N-CH 2 -CO-NH-CHCOOC 2 H 5 I CH3 Glycyl-alaninester

240

Aliphatische Diazoverbindungen

I n gleicher Weise wie die Chloride eignen sich die Azide zu Peptidsynthesen, wobei die Azidogruppe als H N 3 abgespalten wird. Da die Azide über die Hydrazide •durch Einwirkung von salpetriger Säure gewonnen werden, bedarf die freie Aminogruppe der Aminosäure eines Schutzes durch Acylierung. Besonders gut hat sich •die Einführung der Benzylcarboxygruppe bewährt: R—CH—CO„H I NH—C—OCH 2 C e H, O Die so abgeleiteten Benzylurethane werden nach vollzogener Peptid-Synthese •durch katalytisch erregten Wasserstoff in Toluol, C0 2 und die freie Aminoverbindung zerlegt (M. B e r g m a n n und L. Z e r v a s ) . Diese reduktive Abspaltung der Benzylgruppe, die noch in vielen anderen Fällen Verwendung gefunden hat, vermeidet die scharfen Bedingungen einer Hydrolyse. Nach diesem Prinzip sind auch hochmolekulare Polypeptide aufgebaut worden. Zusammenfassung s. Ang. Ch. 68, 7 (1951); 66, 507 (1954). Quantitative Bestimmung von Aminosäuren in Lösung: 1. Nach v a n S l y k e . Durch Messung des mit Nitrit in saurer Lösung entwickelten Stickstoffs. 2. Nach S o e r e n s e n . Kondensation mit Formaldehyd und dann Titration der jetzt genügend starken Säuren. 3. Nach W i l l s t ä t t e r - W a l d s c h m i d t . Direkte Titration in alkoholischer Lösung mit η/ 10 -Lauge und Phenolphthalein. 4. Bestimmung des beim Erhitzen mit Ninhydrin gebildeten C0 2 oder •Colorimetrie der violetten Lösung. Die Aminosäuren zeigen in ihren Eigenschaften und Löslichkeits Verhältnissen den Charakter innerer Salze ; in wäßriger Lösung bilden sie gemäß ihrer amphoteren Natur „ Z w i t t e r i o n e n " der Form CH 2 —CO. Diese dipolare Natur kommt besonders (+>nh 3

O(-)

•deutlich in den quartären Aminosäuren, den B e t a i n e n , zum Ausdruck, die sich wie neutrale Salze verhalten. I m Sinne dieser Dipol-Struktur ist die räumliche Nachbarschaft der beiden polaren Gruppen nicht bestimmend f ü r das Auftreten von Betainen. So leiten sich von der cis-Form, wie auch von der irans-Form der p - D i m e t h y l a m i n o - z i m t s ä u r e Betaine ab (P. P f e i f f e r , A. 465, 20 (1928)) : C02

Mit T r i k e t o h y d r i n d e n ( N i n h y d r i n ) geben die Aminosäuren eine violette Farbreaktion (S. 372).

Versuch : Hippur säure. Einige Gramm des oben erhaltenen Gemisches von salzsaurem Glykokoll und Ammoniumchlorid werden mit 10—14 com absoluten Alkohols ausgekocht; das Filtrat vom nicht gelösten Salmiak dampft man auf dem Wasserbad zur Trockne (Alkohol v o l l s t ä n d i g entfernen!), n i m m t d e n R ü c k s t a n d i n wenig Wasser auf

und schüttelt die stets a l k a l i s c h zu haltende Lösung nach den Regeln der S c h o t t e n - B a u m a n n s c h e n Reaktion (S. 210) in einer kleinen

Diazoessigester

241

Stöpselflasche mit einem Überschuß (etwa 2—3 Mol) von BenzoylcMorid, das man nach und nach zusetzt, anhaltend durch. Man arbeite in möglichst konzentrierter Lösung. Wenn der Geruch des Säurechlorids nicht mehr wahrnehmbar ist, säuert man mit konzentrierter Salzsäure bis zur Kongobläuung an, läßt einige Stunden stehen, saugt den Kristallbrei ab und befreit das Reaktionsprodukt nach dem Trocknen durch Äther von beigemengter Benzoesäure. Die Hippursäure wird hierauf aus heißem Wasser umkristallisiert. Schmelzpunkt 187°. Hippursäure ist ein normales Stoffwechselprodukt und wird in der Niere durch enzymatische Vereinigung von Benzoesäure und Glykokoll gebildet (Schmiedeberg und Bunge 1877). Der Organismus der Vögel paart die Benzoesäure zum Zweck der Entgiftung mit Ornithin (α, ό-Diaminovaleriansäure) zum Dibenzoylderivat, der sog. Ornithursäure (Jaffé).

b) D i a z o e s s i g e s t e r 1 . 47 g (% Mol) durch scharfes Trocknen von überschüssiger Salzsäure befreites Glykokollester-hydrochlorid werden in einem Scheidetrichter von % Liter Inhalt in der eben nötigen Menge Wasser gelöst; die Lösung überschichtet man mit Äther und fügt die kalte gesättigte wäßrige Lösung von 26 g techn. Natriumnitrit und weiter tropfenweise (mit dem Tropfrohr) unter lebhaftem Umschütteln 4 nSchwefelsäure hinzu. Die auftretende Trübung von Diazoessigester wird durch Schütteln mit übergeschichtetem Äther jeweils aufgenommen. Nachdem 20 ccm Schwefelsäure in nicht zu langsamem Tempo eingetropft sind, läßt man die wäßrige Lösung ab, um den gebildeten Diazoessigester nicht allzu konzentriert der Wirkung der freien Säure auszusetzen, und fährt dann mit dem Eintropfen der Schwefelsäure im Scheidetrichter nach Erneuerung des Äthers fort. Dabei wird die Abtrennung und Erneuerung des Äthers noch 5—6 mal wiederholt. Wenn schließlich keine Trübung mehr auftritt, sondern salpetrige Säure mit grüner Farbe in den Äther geht, hört man mit dem Zutropfen von Säure auf und schüttelt jetzt die vereinigtenÄtherauszüge mit wenig Sodalösung (bis zur bleibenden Rotfärbung mit Phenolphthalein), dann noch zweimal mit wenig Wasser aus. Hierauf trocknet man etwa 14 Stunde lang unter öfterem Schütteln mit wenig Calciumchlorid, destilliert aus einem hoch angesetzten Fraktionierkolben von etwa 250 ccm Inhalt die Hauptmenge des Äthers aus einem Wasserbad, das nicht höher als auf 40° geheizt werden darf, bei gewöhnlichem Druck, das letzte Drittel aber bei höchstens 25° im Vakuum ab 2 . Man gibt zu dem Rückstand 20 ccm Wasser und 2 g festes Bariumhydroxyd und treibt den Diazoessigester zur Reinigung aus dem gleichen Kolben mit W a s s e r d a m p f i m V a k u u m 1 Curtius, J. pr. 38, 396 (1888); Ch. Grundmann u. G. Ottmann, A. 582, 173 (1953). 2 Die im folgenden beschriebene Reinigungsoperation liefert ein sehr reines Präparat, wie es für die Bestimmung der H'-Konzentration nach Bredig und P r ä n k e l (siehe S. 243) erforderlich ist. Die Ausbeute ist jedoch etwas geringer als wie sie bei sogleich hier angeschlossener Vakuumdestillation erreicht werden kann.

16

G a t t e r m a n n , Praxis des organ. Chemikers.

36.Aufl.

Aliphatische Diazoverbindungen

242

über. Die Anordnung ist die einer gewöhnlichen Wasserdampfdestillation und ergibt sich aus der Abbildung (Fig. 55). Als Dampfentwicklungsgefaß dient ein schwach zur Hälfte mit Wasser gefüllter Rundkolben, der im doppelt durchbohrten Gummistopfen eine nicht zu feine, durch Schraubhahn regulierbare Capillare trägt. Der Vorlagekolben wird bis zum oberen Rand von einer kräftig wirkenden Kältemischung umgeben.

Hi

Fig. 55

Der Dampfentwicklungskolben wird nun in einem Wasserbad auf 40® erwärmt, der Destillationskolben wird durch eine untergestellte Schale mit warmem Wasser auf30—35° gehalten. Dabei destilliert bei 20—30 mm Druck der Diazoessigester mit Wasser innerhalb 45 bis 60 Minuten in die Vorlage über. Der Inhalt der Vorlage wird nun in Äther aufgenommen, die wäßrige Phase nochmals ausgeäthert, die vereinigten Ätherauszüge werden mit Calciumchlorid getrocknet, der Äther wird aus einem 40 a warmen Wasser bad, zum Schluß im Vakuum abdestilliert und schließlich der Diazoessigester durch Vakuumdestillation gereinigt (kurzer Kühler, Vorlage in Kältegemisch kühlen). Siedep. 45°/12 mm. Ausbeute 20—25 g (Theorie 38 g). Das reine Präparat ist längere Zeit haltbar, soll aber nicht ganz fest verschlossen aufbewahrt werden. Der im Jahre 1888 von Th. Curtius entdeckte Diazoessigester war der Vorläufer des H y d r a z i n s und der S t i c k s t o f f w a s s e r s t o f f s ä u r e . Das Hydrazin wurde zuerst durch hydrolytische Spaltung der „ B i s d i a z o e s s i g säure" gewonnen. Diese, ein Tetrazinderivat, entsteht aus Diazoessigester unter gleichzeitiger Verseifung der Estergruppe unter der (katalytischen) Einwirkung von starkem Alkali als Alkalisalz, indem sich 2 Moleküle einfach zusammenlegen. (+) CH-C0 2 R

Phenylessigester

./ " " " Χχ / Hu >11 χ Cycloheptatriencarbonsäureester

Verwendung dieser Reaktion zur Synthese von Azulenen (s. S. 106). Weitere interessante Verbindungen mit Siebenring sind Tropolon, Colchicin und Purpurogallin. Mit Malonester kondensiert sich Diazoessigester zu einem Derivat des 4 - O x y p y r a z o l s ( B e r t h o und N ü s s e l , A. 457, 278 [1927]): ^N—NH H 2 C(C0 2 C 2 H 5 ) 2

>• R 0 2 C - C 3

\ Jj \c=( OH

B. Aromatische Diazoverbindungen 3. Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol aus Anilin Isomerie der Diazoverbindungen a) D a r s t e l l u n g e i n e r D i a z o n i u m s a l z l ö s u n g . Zu 150 ccm Wasser läßt man in einem 1-Liter-Stutzen oder -Becherglas unter gutem Rühren 30 ccm konzentrierter Schwefelsäure laufen und in die heiße verdünnte Säure 30 g frisch destillierten Anilins. Nachdem man hierauf nach und nach 250 g Eis hinzugefügt hat, läßt man zu der auch außen mit Eis (nicht mit Kältemischung!) gekühlten Anilinsulfatlösung, aus der sich das schwer lösliche Salz teilweise ausgeschieden hat, aus einem Tropftrichter allmählich die Lösung von 22 g Natriumnitrit in 90 ccm Wasser fließen; dabei muß tüchtig gerührt werden. Wenn die Hauptmenge des Nitrits hinzugegeben ist, prüft man mit Kaliumjodid-Stärkepapier 1 , ob überschüssige salpetrige Säure vorhanden ist. Dabei ist zu beachten, daß gegen Ende der Reaktion hin — also bei stark abnehmender Konzentration der Reaktionsteilnehmer — die Umsetzung langsam vor sich geht ; man muß daher jeweils einige Minuten warten, ehe man die Prüfung vornimmt. Wenn man schließlich nach 5 Minuten noch freie salpetrige Säure in geringer Menge nachweisen kann, ist die Diazotierung beendet ; das Anilinsulfat muß natürlich vollständig in Lösung gegangen sein. 1 Ein Stückchen Stärke von der Größe einer Erbse wird fein pulverisiert in 200 ccm siedenden Wassers eingetragen und unter gutem Umrühren kurze Zeit aufgekocht. Nach dem Erkalten fügt man die Lösung eines linsengroßen Stückchens Kaliumjodid in wenig Wasser hinzu und tränkt mit der Mischung lange, etwa 3 cm breite Streifen von Filtrierpapier, welche man dann über einer ausgespannten Schnur an einem säurefreien Orte trocknet. Nach dem Trocknen zerschneidet man die langen Streifen und bewahrt sie in einem verschlossenen Gefäß auf.

Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol usw.

245

Eine Probe darf durch zugesetzte Natriumacetatlösung keine Trübung erfahren. Fügt man ihr aber jetzt einige Tropfen der Lösung eines Anilinsalzes zu, so fällt gelbes Diazo-aminobenzol aus, das nach Zugabe einiger Eisstückchen mit konzentrierter Salzsäure wieder in Lösung geht. Ferner löse man einige Körnchen ß-Naphthol oder B-Säure in einem kleinen Überschuß von 2 n-Natrordauge und setze zu dieser Lösimg eine Probe der Diazoniumsalzlösung, Die intensiv rote Farbstofflösung, die aus dieser „Kupplung" hervorgeht, bildet ein untrügliches Erkennungsmittel für das Diazoniumsalz und damit auch für das ihr zugrunde hegende primäre aromatische Amin. b) U m k o c h u n g der D i a z o n i u m s a l z - L ö s u n g zu P h e n o l . Man verwendet dazu ein Drittel der frisch bereiteten Diazoniumsulfat-Lösung, die beiden andern Drittel für die Reaktionen c und d. Schon beim Stehen der Lösung ohne Kühlung entwickelt sich allmählich Stickstoff. Man läßt aber die Zersetzung bei etwas erhöhter Temperatur (40—50°) auf schwach siedendem Wasserbad in einem Rundkolben vor sich gehen. Nachdem die Gasentbindung sich gemäßigt hat, treibt man das entstandene Phenol direkt mit Wasserdampf über. Man prüft an einer Probe mit Bromwasser, ob alles Phenol übergegangen ist, sättigt dann das Destillat mit Kochsalz, äthert mehrere Male aus, trocknet die Ätherlösung mit Calciumchlorid und destilliert nach der üblichen Behandlung das Phenol aus einem kleinen Fraktionierkolben. Siedep. 183°. Ausbeute 6—7 g. Das Präparat muß alsbald erstarren. Bei der präparativen Ausführung der Diazotierungsreaktion kommt es darauf an, daß ein ausreichender Ü b e r s c h u ß v o n S ä u r e angewandt wird und daß man die Temperatur niedrig hält. Auf 1 Mol Amin werden 2 Mol Säure verlangt, eines zur Salzbildung, das zweite zur Befreiung der salpetrigen Säure aus dem Nitrit. Man nimmt in der Regel 2%—3 Mol. Der Überschuß ist erforderlich, um die Kondensation des Diazoniumsalzes mit noch unberührter Base zur D i a z o a m i n o v e r b i n d u n g zu verhindern, die in schwach saurem Medium eintritt. So p r ü f t man auf noch nicht umgesetztes Amin, indem man in einer Probe der Diazolösung die freie Mineralsäure mit Natriumacetat abstumpft und so die Bedingungen — schwach essigsaure Lösung — zur Bildung eines Diazoaminokörpers schafft. Durch Mineralsäuren wird dieser in D i a z o n i u m s a l z und A m i n s a l z gespalten, z . B . : C e H s . N = N — N H · CeH5

2HC] 2HC1

( + ) CK") > CeH5 · N = N + H C 1 · H 2 N — C 6 H 5 .

E s gibt übrigens auch eine kleine Anzahl von Diazoniumsalzen, die schon in saurer Lösung mit der eigenen Base kuppeln, so m - P h e n y l e n d i a m i n (Bismarckbraun). Die Zuführung von Nitrit bei der Diazotierung wird mit Kaliumjodid-Stärkepapier kontrolliert; es soll zum Schluß gebläut werden, aber der Überschuß von Nitrit soll m ö g l i c h s t gering sein. Man beachte, daß die Diazotierung Zeit braucht und daß man, namentlich gegen das Ende hin, vor der Prüfung einige Minuten lang zuwarten muß. Schwer lösliche Salze primärer aromatischer Amine werden unter Anwendung eines kräftigen Rührwerks in Suspension diazotiert. Sehr schwache Basen, wie H a l o g e n a n i l i n e , N i t r a n i l i n e , brauchen zur Salzbildung einen größeren Überschuß an Säure. Hier löst man zuerst in der eben zureichenden Menge heißer starker Salzsäure, verdünnt dann unter gleichzeitiger äußerer Kühlung mit Eis und bringt

246

Aromatische Diazoverbindungen

so das meist schwer lösliche Salz fein verteilt zur Abscheidung. Auch Auflösen in konzentrierter Schwefelsäure und direktes Diazotieren des durch Eis fein ausgeschiedenen Sulfats ist häufig empfehlenswert. Es dürfen aber niemals die f r e i e n Amine in saurer S u s p e n s i o n zur Diazotierung gebracht werden, weil sie viel zu langsam reagieren, man muß stets der vorher erfolgten S a l z b i l d u n g sicher sein. Die Zersetzlichkeit der Diazoniumsalze ist verschieden groß; es gibt, ζ. B. in der Anthrachinonreihe, solche, die sich aus heißem Wasser Umkristallisieren lassen.

c) J o d b e n z o l a u s A n i l i n . Dem für dieses Präparat bestimmten Drittel der Diazoniumsulfat-Lösung (S. 244) fügt man in einem y 2 - Liter Rundkolben die Lösung von 15 g Kaliumjodid in 20 ccm Wasser zu und läßt das Gemisch einige Stunden unter Wasserkühlung stehen. Dann erwärmt man mit aufgesetztem Kühlrohr auf dem mäßig siedenden Wasserbad, bis die Stickstoffentwicklung vorüber ist, macht mit konzentrierter Natronlauge stark alkalisch — um mitgebildetes Phenol zu binden — und treibt nun das Jodbenzol mit Wasserdampf ab. I m Scheidetrichter trennt man dann ab — bei scharfer Scheidung ohne Äther —, trocknet mit einigen Körnern Galciumchlorid und unterwirft schließlich der Destillation. Siedep. 189—190°. Ausbeute 14—16 g. Von den a r o m a t i s c h e n J o d v e r b i n d u n g e n ist bemerkenswert ihre Fähigkeit, über Additionsprodukte von Chlor in o r g a n i s c h e J o d d e r i v a t e m i t h ö h e r w e r t i g e m J o d überzugehen ( V . M e y e r , W i l l g e r o d t ) .

P h e n y l j o d i d c h l o r i d . 3 g Jodbenzol werden in 15 ccm Chloroform gelöst. Unter Eiskühlung leitet man aus der Bombe Chlor ein, bis keine Absorption mehr erfolgt. Die schönen hellgelben Kristalle werden abgesaugt, mit Chloroform gewaschen und auf Filtrierpapier an der Luft getrocknet. /Cl Das so hergestellte P h e n y l j o d i d c h l o r i d C e H 5 J ^ hat den Charakter des X C1 /OH Salzes einer schwachen zweisäurigen B a s e C„H 5 J^ von der auch andere Salze, x OH wie das Diacetat, bekannt sind. Von der Base selbst kennt man nur das Anhydrid C e H 5 J = 0 , das J o d o s o b e n z o l .

J o d o s o b e n z o l . 2 g Phenyljodidchlorid werden in einer Reibschale mit 10 ccm 3 n-NaOH gut zerrieben. Nach dem Stehen über Nacht saugt man das gebildete Jodosobenzol ab, wäscht mit Wasser aus und trocknet auf Ton. Die Substanz ist nicht kristallinisch. Aus dem alkalischen Filtrat (ohne die Waschwässer) fällt beim Einleiten von Schwefeldioxyd — zur Reduktion der gebildeten Jodsäure — ein farbloses Salz, das nach einigem Stehen abgesaugt und aus heißem Wasser umkristallisiert wird: Diphenyljodoniumjodid. J o d o b e n z o l . Die Hauptmenge des dargestellten Jodosobenzols wird, mit wenig Wasser zu einem Brei angeteigt, im Rundkolben mit strömendem Wasserdampf behandelt, bis alle Substanz gelöst und das gebildete Jodbenzol übergegangen ist (Kühler, Vorlage). Die (wenn noch trüb)

Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol usw.

247

heiß filtrierte Lösung wird auf dem Wasserbad eingedampft, bis eine abgegossene Probe im Reagenzglas reichlich kristallisiert. Nach dem Abkühlen wird abgesaugt usw. Die J o d o n i u m b a s e n entstehen allgemein aus Jodoso- und Jodoverbindung in Gegenwart von Alkalien, am besten Silberoxyd; die beiden jodhaltigen Molekeln vereinigen sich unter Abspaltung von J o d a t . CeH5 · J = 0 / ) j - C

A

CeH5-^CeH5

+ N a J ( v

J o d o b e n z o l bildet sich aus Jodosobenzol durch intermolekulare Disproportionierung neben J o d b e n z o l : C e H 5 · JO + OJ · C e H s

- CjH 5 ·

+ C e H 5 J,

ähnlich wie sich salpetrige Säure zu Salpetersäure und Stickoxyd disproportioniert. Diese Reaktion findet in geringem Umfang schon in der Kälte statt und so erklärt eich das Auftreten der Jodoniumbase als Nebenprodukt bei der Darstellung von Jodosobenzol. Die Jodoso- und namentlich die Jodoverbindungen verpuffen beim Erhitzen, da sie den Sauerstoff in gespannter Bindung enthalten. Aus angesäuerter Kaliumjodidlösung setzen sie die äquivalente Menge Jod in Freiheit, wobei sie in Jodbenzol zurückverwandelt werden. Am interessantesten ist die basische Punktion des Jods in den Jodoniumbasen, die den Ammonium-, Sulfonium- und Oxoniumbasen durchaus entsprechen. Dip h e n y l j o d o n i u m j o d i d ist dimer zu Jodbenzol und zerfällt beim Erhitzen in exothermer Reaktion (Gegensatz zu andern Dissoziationen wie N 2 0 4 , NH4C1, PCI5) in 2 Mab C e H 6 J. Versuch mit einer kleinen Probe im Reagenzglas! Die gleichzeitig und unabhängig von V. Meyer und C. W i l l g e r o d t entdeckten aromatischen Verbindungen des mehrwertigen Jods hat man lange Zeit, wie heute noch die Diazoniumverbindungen, für eine Monopolklasse der aromatischen Chemie angesehen, bis T h i e l e (1909) die ganze Verbindungsreihe auch bei den Olefinen, im einfachsten Beispiel am C h l o r j o d ä t h y l e n CHC1=CHJ kennen lehrte. Selbst Methyljodid vermag bei tiefer Temperatur Chlor anzulagern, aber dieses Produkt zerfällt leicht wieder und zwar in Methylchlorid und Chlorjod (Ersatz von Jod durch Chlor). Die Derivate des mehrwertigen Jods werden erst beständig, wenn das Jod an einem doppelt gebundenen C-Atom haftet. d) B e n z o l aus Anilin. Man bereitet eine alkalische Stannitlösung, indem man die trübe Lösung von 40 g Zinn-(II)-chlorid in 200 ccm Wasser mit der Lösung v o n 50 g Natriumhydroxyd in 60 ccm Wasser zusammenbringt und dann alsbald abkühlt. Unter guter Eiskühlung bringt man hierauf die Stannitlösung nach und nach in das letzte Drittel Diazoniumsalzlösung·, man wartet mit der erneuten Zugabe, bis die jedesmal eintretende Stickstoffentwicklung aufgehört hat. Nach Beendigung der Reaktion destilliert man das gebildete Benzol am absteigenden Kühler ab ; es geht über, ehe größere Mengen von Wasser kommen, und wird in einem Reagenzglas aufgefangen. Nach dem Trocknen mit wenig CaCl2 wird das Benzol aus einem kleinen Destillierkölbchen mit übergezogenem Kühler rektifiziert, aus dem es fast restlos bei 81° übergeht. Ausbeute 6 g.

248

Aromatische Diazoverbindungen

Der Ersatz einer NH 2 -Gruppe durch Wasserstoff über die Diazoverbindung hat im hier durchgeführten Beispiel natürlich keine praktische Bedeutung, wohl aber in andern Fällen. So wird m - N i t r o t o l u o l (und aus ihm m-Toluidin) aus p-Toluidin derart gewonnen, daß man die (acetylierte) Base nitriert und die NH 2 -Gruppe (nach Abspaltung des Acetyls) wie oben durch H ersetzt. CH«

CIT.,

!

I

CH3

I

NO, Der Verlauf der Reaktion ist sehr merkwürdig. Man wird anzunehmen haben, daß das Diazotat zu dem unbeständigen P h e n y l d i i m i n reduziert wird, das in Benzol und Stickstoff zerfällt.

2TT

C„H6 · N = N O N a — > · C„H6 · N = N H + NaOH

• CeH„ + N 2 .

An Stelle alkalischer Stannitlösung kann man für den Ersatz der Diazogruppe durch Wasserstoff auch A l k o h o l verwenden, der dabei unter Abgabe zweier Η-Atome zu Aldehyd dehydriert wird. In diesem Fall wird das Diazoniumsalz eine Zeitlang in Alkohol gekocht. Als Produkt einer Nebenreaktion wird gleichzeitig unter Ersatz der Diazoniumgruppe durch Alkoxyl der P h e n o l ä t h e r gebildet. Die Parallele zur Umkochung der Diazoniumsalze zu Phenolen ist deutlich. (+) Ι—NE^N f NOCA (_) + HO · C2H6 - I I + N 2 + HCl.

e) F e s t e s P h e n y l - d i a z o n i u m c h l o r i d . 3,5 g salzsauren Anilins werden in 20 ccm absoluten Alkohols gelöst, dazu fügt man y 2 ccm alkoholischer Salzsäure und hiernach unter Eiskühlung 3 g Äthylnitrit oder 4 g Isoamylnitrit. Man läßt 5 bis 10 Minuten lang stehen und bringt dann das Diazoniumsalz durch allmähliche Zugabe von Äther zur völligen Abscheidung. Absaugen und mit wenig Alkohol-Äther 1: 1, dann mit Äther waschen. Man halte das Salz ä t h e r f e u c h t und trockne nur eine kleine Probe auf Filtrierpapier, die man durch Schlag oder in der Flamme zur Explosion bringt. Auch das ätherfeuchte Präparat sollte nicht mit dem Spatel oder einem andern harten Gegenstand berührt werden. Man löst das Diazoniumsalz vom Filter weg in Eiswasser und benützt die Lösung zur Darstellung von P h e n y l d i a z o n i u m p e r b r o m i d und P h e n y l a z i d (siehe unten). P h e n y l d i a z o n i u m n i t r a t erhält man in kristallisierter Form, wenn man in eine gut gekühlte Suspension von Anilinnitrat in Wasser unter Kühlung nitrose Gase (aus Arsenik und Salpetersäure 1,35) bis zur Lösung einleitet, und dann langsam Alkohol und Äther zugibt. Man nehme den Versuch mit höchstens 2 g Anilin vor und trockne nur eine gute Mefiserspitze des Salzes, das nach dem Absaugen mit AlkoholÄther (1:1) gewaschen wird, auf Ton.

Diazotierung von Anilin. Phenol, Jodbenzol und Benzol usw.

249

Das Nitrat detoniert beim Erhitzen auf dem Spatel und durch Schlag mit dem Hammer; weniger heftig ist die Zersetzung des Chlorids, aber auch dieses Salz darf nicht trocken aufbewahrt werden, wie überhaupt das Arbeiten mit t r o c k n e n Diazoniumsalzen mit Vorsicht zu betreiben ist. Die Diazoniumsalze der einfachen primären Amine lassen sich wegen ihrer großen Zersetzlichkeit aus der wäßrigen Lösung nicht isolieren. Dagegen kristallisieren sie aus alkoholischer Lösung bei Ätherzugabe aus. Da die Salze der salpetrigen Säure in Alkohol nicht löslich sind, diazotiert man in diesem Fall mit ihren Estern, die ja durch Säure außerordentlich rasch verseift werden und sich daher beinahe wie Salze verhalten (siehe S. 133). Die Diazoniumsalze sind farblos, ihre wäßrigen Lösungen reagieren neutral. Entzieht man den Salzen die Säuren durch Alkalien, so bilden sich zuerst die nur in Lösung ganz kurze Zeit nachweisbaren, sehr unbeständigen D i a z o n i u m h y d r o x y d e , die in die Salze des sauren Diazohydroxyds, in die sog. D i a z o t a t e übergehen. (+) KaQH (+) C , H 5 - N = N z¡==*L C 6 H 5 —N=N HC1 CK") OH« Diazoniumsalz

^

Diazoniumhydroxyd

C e H 6 —N=N—OH

NaOH HC1

C,H 5 · N = N - 0 "> Na C e H 6 —Ar + N 2 + H X .

Man hat es hier mit einer eleganten Synthese auch unsymmetrischer Biarylkörper zu tun, da bezüglich der Substitution der Diazokomponente und des aromatischen Lösungsmittels große Freiheiten bestehen ( B a m b e r g e r , G o m b e r g , Hey). Auch mehrkernige und heterocyclische aromatische Systeme sind der Phenylierung zugänglich. Bei der Phenylierung als Zweitsubstitution des aromatischen Kerns werden mit Vorzug o- und p-Stellung zum Erstsubstituenten, unabhängig von dessen Natur besetzt. 1 2

S c h r a u b e und S c h m i d t , B. 27, 518 (1894). Über R-Säure siehe S. 262.

252

Aromatische Diazoverbindungen

Ein bequemes und in großer Reinheit zugängliches Ausgangsmaterial bieten die auch in unserem Fall verwendeten Nitrosoacylarylamine, die sich spontan zu den Diazoestern isomerisieren ( B a m b e r g e r , H u i s g e n ) , wie für Nitrosoacetanilid gezeigt: xNO C„H 5 —N< • C e H 5 · N = N · 0 · CO • CH3 . x C O · CH 3 Der Zerfall der Diazoverbindung erfolgt nach einem radikalischen Mechanismus ( H e y , W a t e r s ) . Entsprechende Phenylierungsreaktionen können auch mit Phenylazo-triphenylmethan sowie mit Dibenzoylperoxyd durchgeführt werden. Über die Polymerisationsauslösung durch die dabei auftretender Radikale siehe S. 305.

g) p - C h l o r - b i p h e n y l (Arylsubstitution des aromatischen Kernes). 15 g p-Chloranilin werden in 60 ccm Eisessig warm gelöst und mit 40 ccm Acetanhydrid versetzt. Nach einigen Minuten kühlt man auf 0°, wobei sich das Acetylderivat kristallin ausscheidet. In die Suspension leitet man nitrose Gase ein, die man sich durch langsames Zutropfen etwa 60-proz. Schwefelsäure zu Natriumnitrit, am besten in einer Saugflasche, unter Zwischenschaltung einer leeren Waschflasche, bereitet. Im Laufe von 20 bis 30 Minuten erhält man eine klare grüne Lösung, aus der beim weiteren Einleiten das N-Nitroso-p-chlor-acetanilid auszukristallisieren beginnt. Der beim Zusatz von 70 ccm Eiswasser erhaltene Kristallbrei wird abgesaugt, nach dem Auswaschen mit Wasser scharf abgepreßt und in 200 ccm Benzol gelöst. Man schüttelt die Lösung bei Raumtemperatur 10 Minuten unter Zusatz von 10 g geglühtem Natriumsulfat, filtriert unter gelindem Saugen und wäscht mit 50 ccm Benzol nach. Nach 24 Stunden ist die spontane Stickstoffentwicklung abgeschlossen. Die dunkle Lösung wird mit Wasser gewaschen, alsdann auf dem Wasserbad das Benzol möglichst vollständig abdestilliert. Bei der anschließenden Vakuumdestillation des Rückstandes im Schwertkolben mit Ciaisenaufsatz ist die Ölbadtemperatur sorgfaltig zu regulieren wegen der Gefahr des Schäumens. Bei 151—154°/11 mm gehen 10 g Chlor-biphenyl als beim Erkalten erstarrendes ö l über. Nach Umlösen aus wenig siedendem Alkohol derbe Tafeln von aromatischem Geruch, die bei 78° schmelzen. 4. p-Tolunitril aus p-Toluidin (Sandmeyersche Reaktion) 1 In einem Kolben von 2 Liter Inhalt löst man unter Erhitzen auf dem Wasserbad 50 g Kupfervitriol in 200 ccm Wasser auf und fügt unter fortwährendem Erwärmen allmählich eine Lösung von 55 g Kaliumcyanid in 100 ccm Wasser hinzu. Da sich hierbei Cyan entwickelt, so führe man diese Reaktion unter dem Abzüge aus. Während die komplexe Kupfercyanürlösung auf dem Wasserbade gelinde (auf 60—70°) weiter erhitzt wird, stellt man sich eine p-Tolyldiazoniurachloridlösung in der folgenden Weise her: 20 g p-Toluidin 1

B. 17, 2650 (1884); 18, 1490 (1885); 22, 2178 (1889).

p-Tolunitril aus p-Toluidin (Sandmeyersche Reaktion)

253

werden mit einer Mischung von 50 g konzentrierter Salzsäure und 150 ccm Wasser bis zur Lösung erhitzt, worauf die Flüssigkeit in Eiswasser eingetaucht und mit einem Glasstab lebhaft umgerührt wird, damit sich das salzsaure Toluidin möglichst feinkristallinisch abscheidet. Man fügt dann zu dem salzsauren Amin unter Kühlung mit Eis so lange eine Lösung von 16 g Natriumnitrit in 80 ccm Wasser, bis man eine bleibende Reaktion auf salpetrige Säure mit Kaliumjodid-Stärkepapier erhält. Das so erhaltene Diazoniumchlorid fügt man dann aus einem Kolben etwa im Laufe von 10 Minuten zu der warmen Kupfercyanürlösung, wobei man letztere häufig umschüttelt. Nachdem man nach beendetem Eintragen das Reaktionsgemisch noch etwa 1 ¡ i Stunde mit aufgesetztem Steigrohr auf dem Wasserbade erwärmt hat, treibt man das Tolunitril mit Wasserdämpfen ab (Abzug, HCN!). Das Nitrii geht hierbei als gelbliches Öl über ; man äthert aus, schüttelt die Ätherlösung zur Entfernung von mitgebildetem p-Kresol zweimal mit 2 n-Natronlauge durch, verdampft den Äther und beseitigt das die Gelbfärbung des Präparats verursachende Azotoluol durch Schütteln des warmen Rückstandes mit der Lösung von 4 g Zinn(II) - chlorid in 10 ccm konzentrierter Salzsäure. Dann verdünnt man mit Wasser, saugt das bald erstarrende Tolunitril ab und trocknet auf Ton. Wenn das Präparat teilweise ölig bleibt, nimmt man in Äther auf, schüttelt die Ätherlösung zur Entfernung von aufgenommenem SnCl2 nochmals mit Lauge, trocknet sie und unterwirft schließlich das Nitrii der Destillation. Siedep. 218°, Schmelzp. 29°. Ausbeute 12—14 g. B e n z o n i t r i l . In dem gleichen Ansatz läßt sich mit etwa der entsprechenden Ausbeute die Diazoniumchloridlösung aus 18,6 g Anilin in B e n z o n i t r i l überführen. Flüssigkeit vom Siedepunkt 186°. p - T o l u y l s ä u r e . Wer nicht schon früher die Verseifung eines Nitrils zur Säure (Benzylcyanid » Phenylessigsäure, S. 127) ausgeführt hat, soll diese Reaktion hier kennenlernen. 5,5 g Tolunitril werden nach und nach in die Mischung von 20 ccm konzentrierter Schwefelsäure mit 10 ccm Wasser, die sich in einem kleinen Rundkolben befindet, eingebracht und unter Rückfluß auf dem Drahtnetz oder Sandbad etwa 1 Stunde lang im Sieden gehalten. Nach dem Erkalten verdünnt man mit Wasser, saugt die kristallinische p-Toluylsäure ab, beseitigt etwa beigemengtes Amid durch Lösen des Rohproduktes in verdünnter Lauge und Filtrieren und fällt das Filtrat mit Salzsäure. Ein reineres Produkt erhält man, wenn man die Verseifung bei 150° (im Ölbad) 5 Stunden lang vor sich gehen läßt. Zur Reinigung löst man, ohne vorher zu trocknen, in möglichst wenig siedendem Alkohol, spritzt so viel Wasser zu, daß eben keine Trübung eintritt und kocht noch einige Minuten mit wenig Tierkohle, die man jedoch nicht in die siedende Lösung eintragen darf. Die beim Abkühlen der filtrierten Lösung auskristallisierende Säure schmilzt bei 177°. Ausbeute 4 g.

254

Aromatische Diazoverbindungen

Von der p-Toluylsäure führt der präparativ beste Weg zur T e r e p h t h a l s ä u r e , indem man die Lösung ihres Natriumsalzes mit Permanganat bei Wasserbadtemperatur oxydiert. Längere Seitenketten werden durch Oxydation bis zur Kern-carbonsäure abgebaut. Der biologische Abbau von ω - Arylfettsäuren geht nach dem Prinzip der ß - O x y d a t i o n vor sich ( F . K n o o p ) . S a n d m e y e r s c h e R e a k t i o n . Die glatte Bildung des oben dargestellten Jodbenzols ist auf den spontanen Zerfall des Diazoniumjodids in J o d b e n z o l und S t i c k s t o f f zurückzuführen. C,H5—NLN J M » C6H5J + N 2 . B r o m i d und C h l o r i d lassen aber nur in geringem Umfang das Halogen an die nach Absprengung des Stickstoffs freiwerdende „Lücke" wandern; bei ihrer Zersetzung wiegt das Auftreten von P h e n o l vor. S a n d m e y e r hat nun im Jahre 1884 die wichtige Entdeckung gemacht, daß bei Gegenwart der entsprechenden C u p r o s a l z e auch hier das Halogen an den Kern dirigiert wird. Worauf diese katalytische Wirkung beruht, ist noch nicht aufgeklärt. Ein Radikalmechanismus 1 sowie ein Ionenmechanismus 2 werden diskutiert. Nach G a t t e r m a n n läßt sich das Cuprosalz durch K u p f e r p u l v e r ersetzen. Kupfer beschleunigt allgemein die Zersetzung labiler Diazoverbindungen, die Eliminierung von elementarem Stickstoff. Der Ersatz der Aminogruppe durch Halogen hat große Bedeutung. Für die Gewinnung der aromatischen Jodverbindungen bietet dieser Weg besondere Vorteile. Die Einführung von Chlor und Brom ist deshalb wichtig, weil aus dem Amin einheitliche Halogenderivate gewonnen werden, was durch direkte Chlorierung und Bromierung des Grundkörpers bekanntlich nicht immer möglich ist. So entsteht bei der Kernbromierung des Toluols gleichzeitig o- und p-Bromtoluol, die schwer vollständig voneinander zu trennen sind. Mit Hilfe der S a n d meyerschen Reaktion liefern aber die beiden Toluidine ausschließlich o- bzw. p-Bromtoluol, und m-Bromtoluol ist nur vom m-Toluidin aus zugänglich. Die Einführung von Fluor in den Benzolkern gelingt durch thermische Zersetzung von Diazonium-borfluoriden ( S c h i e m a n n 3 ) . Die Synthese der a r o m a t i s c h e n N i t r i l e nach S a n d m e y e r ist ein viel eleganteres Verfahren, als das auch bei Benzolderivaten anwendbare aus den Ammoniumsalzen der Carbonsäuren. Vor allem können wir hier über die Nitrile die Carbonsäuren aufbauen und haben so einen vollwertigen Ersatz für die K o l b e s c h e Synthese (Alkylhalogenid und Kaliumcyanid), der die aromatischen Halogenverbindungen nicht zugänglich sind. Im einfachsten Beispiel können wir Anilin in Benzoesäure überführen. Die umgekehrte Reaktion gelingt mit Hilfe der H o f mannschen Abbaureaktion (Benzamid >- Anilin, siehe S. 137). 5. A r s a n i l s ä u r e a u s p - N i t r a n i l i n 4

p - N i t r o p h e n y l a r s i n s ä u r e . 13,8 g p-Nitranilin werden, wie bei der Darstellung des anti-Diazotats (S. 251) beschrieben, diazotiert. Man verdünnt mit Wasser und Eis auf 1 Liter, stumpft unter Rühren mit 4 n-Natronlauge die freie Säure so weit ab, daß Kongopapier eben nicht 1

W. A. W a t e r s , Chem. Soc. 1942, 266. Η. H. H o d g s o n , Chem. Rev. 40, 251 (1947). Β. 60, 1186 (1927); Zusammenfassung: Organic Reactions V, 193 (1949). * H . B a r t , Α. 429, 96 (1922). 2

3

Arsanilsäure aus ρ-Nitranilin

255

mehr gebläut wird, und läßt dann die Diazoniumsalzlösung in 800 com 5-proz. sekundäre Natriumarsenitlösung1, die man vorher bereitet und in einen großen Filtrierstutzen gebracht hat, in dünnem Strahl einfließen. Die Reaktion geht beim Umrühren mit einem Glasstab unter heftiger Stickstoffentwicklung fast augenblicklich zu Ende. Man engt jetzt in einer Porzellanschale auf etwa 400 ccm ein und fällt aus der dunklen Lösung durch Salzsäure schwach saure, harzige Nebenprodukte aus. Wenn die Fällung beendet ist, filtriert man die heller gewordene Lösung durch ein Faltenfilter und dampft die jetzt kongosaure Lösung so weit ein, bis die Ausscheidung von Kristallen beginnt. Beim Erkalten kristallisieren 8—10 g p-Nitrophenylarsinsäure in schwach gelb gefärbten Nadeln aus. Sollte die Lösung nach dem Filtrieren noch stark gefärbt sein, so kocht man sie vor dem Eindampfen mit Tierkohle auf. Das Präparat muß in kalter Sodalösung leicht löslich sein, andernfalls ist ihm Arsenik beigemischt, von dem man es auf diese Weise abtrennt. R e d u k t i o n 2 . 10 g Eisenpulver (ferrum reductum), 100 ccm Wasser und 1 g Eisenchlorid werden in einem Becherglas auf dem Wasserbad auf 60—70° erwärmt und mit einem Rührwerk 15 Minuten gerührt, bis das Ferrisalz reduziert ist. Dann werden bei der gleichen Temperatur und unter fortgesetztem Rühren 6,5 g Nitrophenylarsinsäure portionsweise zugesetzt. Nach Beendigung der Reduktion, die etwa y 2 —1 Stunde in Anspruch nimmt, fügt man 15 ccm 5n-NaOH und 100 ccm kochendes Wasser zu, kocht kurz auf und gießt nach dem Absitzen des Eisenschlammes noch warm durch eine Nutsche. Zum Schluß bringt man auch den Schlamm aufs Filter und wäscht ihn mit kochendem Wasser nach. Dann wird der Schlamm noch dreimal mit je 70 ccm Wasser, dem etwas NaOH beigefügt ist, ausgekocht. Die Filtrate werden auf 60 ccm eingeengt, mit Salzsäure versetzt, bis Kongopapier eben violett gefärbt wird (evtl. muß ein Uberschuß an Säure mit Natriumacetat abgestumpft werden) und von Verunreinigungen abfiltriert. Beim Erkalten, evtl. erst nach einigem Stehen, scheidet sich die Arsanilsäure aus. Sie wird aus 40—50 ccm heißem Wasser, wenn nötig unter Zusatz von Tierkohle, umkristallisiert. Ausbeute 4 g. Versuch: Man weise die primäre NH 2 -Gruppe nach, indem man eine kleine Menge der Säure in wenig Natronlauge löst, ungefähr ein Äquivalent Natriumnitrit zufügt und unter Innenkühlung mit Eis mit Salzsäure ansäuert. In alkalischer ß-Naphthollösung erzeugt die Diazoniumsalzlösung die r o t e F ä r b u n g des entsprechenden Azofarbstoffs. Formel! Die Einführung der Arsinsäuregruppe in den aromatischen Kern hat großes Interesse im Hinblick auf die therapeutische Verwendung der Arsenverbindungen bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten (Atoxyl = arsanilsaures Natrium, Salvarsan). 1 Dargestellt durch Auflösen von 23,5 g gepulvertem Arsenik in 240 ccm 2 n-NaOH (vorher titrieren!) und Verdünnen auf 800 ccm. a Vgl. L. K a l b , A.423. 56 (1921).

256

Aromatische Diazoverbindungen

Die erste Synthese der Arsanilsäure erfolgte (mit sehlechter Ausbeute) durch Verschmelzen von Anilin mit Arsensäure: /

\

H2N-/

0

)+HOÄs:(OH)2

/

> H 2 N—
N
—N=NOH+
CeH6 · C„H6 + MgBr2

Die Veresterung der Diaryl- und Triarylcarbinole erfolgt mit großer Leichtigkeit. So bilden sich die Chloride schon beim Einleiten von Chlorwasserstoff in die kalte Lösung der Carbinole in Benzol oder Petroläther. Ebenso leicht erfolgt die Hydrolyse, wie auch die Umsetzung mit Alkoholen zu Äthern. Schon beim Erhitzen von Benzhydrol in indifferenten Lösungsmitteln bildet sich bei Gegenwart minimaler Säuremengen der Di-benzhydryläther. Daa ist der Grund, warum bei der präparativen Darstellung von Benzhydrol die vollständige Entfernung von schwefliger Säure notwendig ist.

b) T r i p h e n y l c a r b i n o l a u s B e n z o e s ä u r e ä t h y l e s t e r u n d Phenylmagnesiumbromid Zu der wie eben, aber aus der doppelten Menge Magnesium und Brombenzol bereiteten Grignardlösung läßt man 15 g Benzoesäureester, gemischt mit 15 ccm absoluten Äthers, unter den gleichen Bedingungen wie 10·

292

Die Synthesen nach Grignard und Friedel-Crafts

dort zutropfen, hält zum Schluß noch eine halbe Stunde lang im Sieden und arbeitet wie beschrieben auf. Der feste Rückstand von Triphenyl· carbinol wird aus Benzol umkristallisiert. Farblose Prismen vom Schmelzpunkt 162°. Ausbeute gut 20 g. Näheres über diesen wichtigen Alkohol siehe S. 308. 2. Synthese eines Ketons aus einem Nitrii. Acetophenon 1

Man stellt sich nach der unter 1 a) gegebenen Vorschrift aus 40 g Brombenzol und 6,4 g Magnesium eine ätherische Lösung von Phenylmagnesiumbromid her, läßt dazu 8 g Acetonitril, mit dem gleichen Volumen Äther verdünnt, tropfen und erhält das Reaktionsgemisch noch eine Stunde lang auf dem Wasserbad im Sieden. Dann gießt man in einen Liter-Rundkolben auf Eis, fügt 100 ccm etwa 8 η-Schwefelsäure zu, treibt den Äther und das entstandene Acetophenon mit Wasserdampf über, äthert das Destillat aus, trocknet mit CaCl2 und bringt das Keton nach dem Wegdampfen des Äthers zur Rektifikation. Siedep. 202°. Ausbeute 10—12 g = 45—50% d. Th. Auch hier wird das Präparat durch Destillation im Vakuum reiner erhalten. Siedep. 88°/]2· I n jedem Fall muß Acetophenon wasserhell sein und beim Abkühlen in Eis kristallisieren. Schmelzp. 22°. Zur Abwechslung mag aus Benzylmagnesiumchlorid und Acetonitril Phenylaceton bereitet werden. Das Keton wird über die Bisulfitverbindung gereinigt und im Vakuum destilliert. Die Ausbeute übersteigt nicht 25%, bezogen auf Acetonitril. E r l ä u t e r u n g e n zu 1 u n d 2 D a s G r i g n a r d s c h e R e a g e n s . Alkylhalogenide lösen bei Gegenwart von absolutem Ä t h e r metallisches Magnesium auf zu m e t a l l o r g a n i s c h e n V e r b i n d u n g e n der Form R—Mg—Hai. Aromatische Halogenide sind der gleichen Reaktion zugänglich. Am raschesten reagieren in beiden Reihen die Jodide, dann kommen die Bromide, schließlich die Chloride. Durch Zugabe von etwas Jod oder auch Äthyljodid wird die manchmal etwas widerspenstige Reaktion eingeleitet. Bisweilen ist es erforderlich, das Magnesium durch Erhitzen mit Jod zu aktivieren (v. Baeyer). Der für das Eintreten der Reaktion notwendige Äther ist mit zwei Molen komplex angelagert (Meisenheimer); er kann durch tertiäre Amine vertreten werden. In Lösung sind Organomagnesiumhaloide z. T. im Sinne eines Gleichgewichts: 2 RMgHal < ; MgR2 + Mg(Hal)2 aufgeteilt (W. S c h l e n k jun.). Die Verbindungen, die das G r i g n a r d s c h e R e a g e n s darstellen, werden ganz allgemein durch Substanzen, die r e a k t i o n s f ä h i g e n W a s s e r s t o f f enthalten, nach folgendem Schema zersetzt: R—Mg—Hai + H — R j >• RH + Rx—Mg—Hai Es entsteht also in allen Fällen der dem angewandten Halogenid zugehörige K o h l e n w a s s e r s t o f f RH. 1

B l a i s e , Compt. rend. 138, 1217 (1901).

293

Synthese eines Ketons aus einem Nitrii. Acetophenon Das einfachste Beispiel dieser Art ist die Zerlegung durch W a s s e r : H 3 C—Mg—J + HÖH

> CH4 + HO—Mg—J

Daher: v o l l s t ä n d i g e r F e u c h t i g k e i t s a u s s c h l u ß bei a l l e n G r i g n a r d s c h e n R e a k t i o n e n . In analoger Weise wie Wasser reagieren A l k o h o l e , P h e n o l e , C a r b o n s ä u r e n , p r i m ä r e und s e k u n d ä r e A m i n e , O x i m e , A c e t y l e n usw. Da ein reaktionsfähiges Wasserstoffatom stets e i n Mol Kohlenwasserstoff freimacht, so hat man bei Anwendung von M e t h y l m a g n e s i u m j o d i d eine brauchbare Methode, um durch volumetrische Messung des von einer gewogenen Menge der zu untersuchenden Substanz entwickelten M e t h a n s das Vorhandensein von aktivem Wasserstoff quantitativ zu bestimmen ( Z e r e w i t i n o f f ) . Das Verfahren besitzt f ü r Konstitutionsfragen erheblichen Wert. Über seine praktische Ausführung siehe S. 78. Eine weit größere Bedeutung kommt den G r i g n a r d s c h e n Magnesiumverbindungen vermöge ihrer großen A d d i t i o n s f ä h i g k e i t f ü r synthetische Zwecke zu. Was früher mit den schwer zu handhabenden Z i n k a l k y l e n erreicht wurde, wird heute in größerem Rahmen mit dem leicht darzustellenden G r i g n a r d s c h e n Reagens ausgeführt. Es findet ganz allgemein A n l a g e r u n g an u n g e s ä t t i g t e S y s t e m e ,

wie

> C = 0 , > C=N—, —C=N, — N = 0 , statt; > C = C < und —C=C— reagieren nicht oder nur in Konjugation zu einer der erstgenannten Gruppen (1,4 - Addition). Die Addition geht in der Weise vor sich, daß das G r i g n a r d s c h e Reagens in Gestalt der beiden Komponenten R und MgHal aufgenommen wird und zwar begibt sich im Falle der C=0-Doppelbindung der Mg-haltige Bestandteil stets an den Sauerstoff, R stets an den Kohlenstoff. Wenn wir als Beispiel die Einwirkung von M e t h y l m a g n e s i u m b r o m i d auf A c e t a l d e h y d wählen, so ergibt sich nachstehende Gleichung: /CH3 CH 3 · C = 0 + CH3—Mg—Br H

• CH 3 · CH \o—MgBr

Durch Wasser wird das Anlagerungsprodukt zersetzt nach CH3-C C = C — + Cl · CO · CH 3 H

> >C—C—CO · CH3 Cl H

>• > C = C — C 0 - C H 3 + HCl, so ist man berechtigt, einen analogen Reaktionsverlauf auch f ü r die aromatische Reihe anzunehmen (vgl. B. 55, 2246 [1922]). Die F u n k t i o n d e s A l u m i n i u m c h l o r i d s ist eine katalytische und seine Menge daher an sich nicht an stöchiometrische Verhältnisse gebunden. Da aber im Fall der Ketonsynthese das Reaktionsprodukt mit einem Mol A1C13 eine feste komplexe Additionsverbindung bildet, so muß hierbei mindestens ein Mol davon verwendet werden. Die Auswahl der L ö s u n g s m i t t e l ist bei der F r i e d e l - C r a f t s s c h e n Reaktion wegen der großen Reaktionsfähigkeit der Reaktionsteilnehmer eine beschränkte, im wesentlichen kommen S c h w e f e l k o h l e n s t o f f , gut gereinigter P e t r o l ä t h e r , C h l o r b e n z o l und N i t r o b e n z o l in Betracht. Über die W i r k u n g s w e i s e des Aluminiumchlorids besteht noch keine Klarheit. Da es mit Acyl- und Alkylchloriden komplexe, isolierbare Additionsprodukte bildet, so ist wohl in ihnen die Bindung zwischen Chlor und Kohlenstoffrest im Sinne einer Polarisation gelockert und dadurch die Additionsfähigkeit erhöht. Darüber hinaus dürfte aber auch das Aluminiumchlorid durch Zusammentreten mit dem Kohlenwasserstoff dessen Reaktionsfähigkeit steigern. Auch C y c l o p a r a f f i n e sind der F r i e d e l - C r a f t s s c h e n Reaktion zugänglich.. Phenole und P h e n o l ä t h e r zeichnen sich durch besondere Reaktionsbereitschaft aus. Von einzelnen Anwendungsformen seien angeführt: Die Reaktion von P h t h a l y l c h l o r i d mit B e n z o l , bei der die Muttersubstanz, der Phthaleine, das P h t h a l o p h e n o n entsteht: /\/C C,H 6 · CO · C e H 5 + 2 HCl Die Einführung des einfachen oder substituierten C a r b o n a m i d r e s t e s bei A n wendung von H a r n s t o f f c h l o r i d e n (Cyansäure und -estern + HCl). + C1CONH, — » I

I

2

+HC1.

301

Chinizarin

Damit werden auch die a r o m a t i s c h e n C a r b o n s ä u r e n 'der Synthese nach F r i e d e l - C r a f t s zugänglich. Eine Erweiterung hat die Reaktion durch die schöne A l d e h y d s y n t h e s e v o n G a t t e r m a n n - K o c h erfahren. Läßt man auf Toluol — Benzol ist weniger geeignet — bei Gegenwart von A1C13 (und Cuprochlorid) ein Gemisch von K o h l e n o x y d und C h l o r w a s s e r s t o f f g a s einwirken, so findet die von dem an sich nicht beständigen F o r m y l c h l o r i d zu erwartende Umsetzung statt. H + >

—^

I I CH/

+ HCl.

p-Tolylaldehyd

Es sieht so aus, als ob in Gestalt einer Komplexverbindung mit Cu2Cl2 das Chlorid der Ameisensäure vorübergehend gebildet würde. Der Ersatz des Kohlenoxyds durch B l a u s ä u r e erlaubt auch P h e n o l - und P h e n o l ä t h e r - a l d e h y d e im weitesten Umfang darzustellen, und zwar begibt sich auch hier die Aldehydgruppe gewöhnlich in die p-Stellung zu dem schon vorhandenen Substituenten. Das Cuprochlorid ist in diesem Falle entbehrlich. Da Blausäure und HCl zu F o r m i m i d c h l o r i d Q > C = N H zusammentreten, so ist ersichtlich, daß hier zuerst das Aid i m i n entsteht, das dann bei der Aufarbeitung des Reaktionsgemisches durch Wasser unter NH 3 -Abspaltung in den Aldehyd umgewandelt wird. E n o l e d e r F e t t r e i h e (Acetessigester, Acetylaceton) reagieren in grundsätzlich gleicher Weise. Die Anwendung von K n a l l q u e c k s i l b e r , aus dem mit Chlorwasserstoff das isolierbare, schön kristallisierte F o r m h y d r o x a m s ä u r e c hl or id entsteht (C=N0) 2 Hg + 4 HCl — H g C J

2

+ 2^>C=N0H .

f ü h r t in der aromatischen Reihe zur Bildung von A l d o x i m e n (Scholl). Von großem Interesse ist die Umsetzung von K o h l e n o x y d - A I u m i n i u m c h l o r i d mit g e s ä t t i g t e n K o h l e n w a s s e r s t o f f e n . Dabei wird die CO-Gruppe in die Kette eingeschoben1, z. B. : C 6 H ]2 + CO • H 3 C · CH2 · CO · CH(CH 3 ) 2 . Einen sehr glatten Verlauf nimmt die von H o u b e n - H o e s c h nach den Leitlinien der G a t t e r m a n n s c h e n Reaktion variierte Ketonsynthese unter Anwendung der N i t r i l e , die namentlich bei m e h r w e r t i g e n P h e n o l e n sehr günstige Resultate bringt. Es sind hier die I m i d c h l o r i d e R — C = N H , die sich analog wie bei Cl der Anwendung von Blausäure zu K e t i m i n e n und dann weiter zu K e t o n e n umbilden. C h l o r o f o r m tritt mit seinen drei C h l o r a t o m e n in die F r i e d e l - C r a f t s s c h e Reaktion ein; das Reaktionsprodukt mit Benzol ist der wichtige Kohlenwasserstoff T r i p h e n y l m e t h a n , die Grundsubstanz der bekannten Farbstoffklasse. P a r a le u k a n i l i n [(p) NH 2 · C„H4]3 · CH ist durch reduktive Spaltung seiner Trisdiazoverbindung in ihn übergeführt worden (E. und O. F i s c h e r ) . Die Übertragung der Reaktion mit Benzol und A1C13 auf T e t r a c h l o r m e t h a n führt nicht, wie man erwarten sollte, zum Tetraphenylmethan. Das vierte Cl-Atom bleibt hier im Reaktionsprodukt stehen. T r i p h e n y l c h l o r m e t h a n (CeHs)3CCl hat 1

H o p f f , B. 64, 2739 (1931).

302

Die Synthesen nach Grignard und Friedel-Crafts

eine außerordentliche Bedeutung gewonnen, weil seine Einführung in die W u r t z sche Reaktion die Entdeckung des ersten freien organischen Radikals ermöglicht hat ( G o m b e r g 1900). Vgl. dazu S. 306. In vielen Fällen kann man bei der F r i e d e l - C r a f t s s c h e n Reaktion das Säurechlorid durch das S ä u r e a n h y d r i d ersetzen. Die Darstellung des A c e t o p h e n o n s (S. 297) bietet ein präparatives Beispiel für diese Methode. + 0
C„H5 • C :N · C,H S > C e H s · CO · N H · C,H 6 . c.h5/ t I I 1 1 OH Es wird unter katalytischem Einfluß (PC15, konz. H 2 S0 4 ) eine energiereichere· Verbindung in ihr stabiles Isomeres umgelagert, in ähnlicher Weise, wie dies bei den Beziehungen zwischen Hydrazobenzol und Benzidin auf S. 165 erörtert worden, ist. Der Vergleich mit der B e n z i l s ä u r e u m l a g e r u n g liegt nahe. C,H 5 ·

· C„H6

• KOCO-C· (Baco · C,H 4 ) 2 NH + [(H3CO · C,H 4 ) 2 N—1H] C e H 4 OCH 3

2 [(H3CO • C e H 4 ) 2 N—1 H ]

Der Wasserstoff ist demnach von den mit * bezeichneten Stellen weggenommen worden. Das einfachste Beispiel dieser Disproportionierung von Radikalen finden wir bei dem entladenen OH-Ion, dem Radikal Hydroxy1 : 2 OH * H 0 H + 0; 2 0 • 02. Erwähnt seien noch die Radikale mit zweiwertigem Stickstoff, die sich von Hydrazinen ableiten, die sog. H y d r a z y l e , tief gefärbte Verbindungen, die durch Dehydrierung tertiärer Hydrazine erhalten worden sind und die zu den farblosen T e t r a z a n e n im Dissoziationsgleichgewicht stehen (St. G o l d s c h m i d t ) , ζ. B.: (C e H 6 ) 2 N-N N-N(C e H 5 ) 2 I I C,H 6 C e H 6

2 (C,H 6 ) 2 N—Ν—C,H S .

Auch das Radikal N 0 2 hat sein Ebenbild in der aromatischen Reihe gefunden. Durch Dehydrierung von Diphenylhydroxylamin mit Silberoxyd entsteht das prachtvoll kristallisierte, granatrote D i p h e n y l s t i c k s t o f f o x y d . HO-N(C,H 5 ) 2 >- 0 = N ( C , H 5 ) 2 . Nicht nur in der Farbe, sondern auch in vielen Reaktionen zeigt diese Verbindimg eine auffallende Übereinstimmung mit N0 2 . Aber es fehlt ihr jede Neigung, den Radikalzustand aufzugeben, sich gleich ihm zu dimerisieren. I n dieser Hinsicht gleicht es dem Stickoxyd, während dessen organische Verwandte sich mehr dem Stickstoffdioxyd anschließen. Eine ausführliche Beschreibung des Gebietes findet man in W. A. W a t e r s , The Chemistry of Free Radicals, Oxford 1948.

X. Heterocyclische Verbindungen 1. P y r i d i n d e r i v a t e a) S y n t h e s e v o n C o l l i d i n n a c h H a n t z s c h 1 D i h y d r o c o l l i d i n - d i c a r b o n s ä u r e e s t e r . Eine Mischung v o n 33 g Acetessigester und 10 g Aldehydammoniak erwärmt m a n in einem kleinen Becherglase auf einem Drahtnetz unter Umrühren mit einem Thermometer 3 Minuten lang auf 100—110°. Man versetzt dann das warme Reaktionsgemisch mit seinem doppelten Volumen 2 n-Salzsäure und rührt, ohne weiter zu erhitzen, so lange kräftig um, bis die anfangs flüssige Masse erstarrt ist. Diese wird dann in einer Reibschale fein zerrieben, abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet. 1

A. 215, 1 (1882).

Pyridinderivate

315

Für die weitere Verarbeitung kann das Rohprodukt direkt verwendet, werden. Eine Probe kristallisiert man aus wenig Alkohol um. Farblose, bläulich, fluoreszierende Tafeln vom Schmelzpunkt 131°. Collidin-dicarbonsäureester. In die durch Wasser gekühlte Mischling des rohen Esters mit der gleichen Gewichtsmenge Alkohol leitet man so lange nitrose Gase1 ein, bis der Dihydroester in Lösung gegangen ist und eine Probe sich in verdünnter Salzsäure klar auflöst. Jetzt gießt man die Lösung unter Nachspülen mit Wasser auf 100 g Eis, die sich in einem mittelgroßen (Y 2 —% Liter) Scheidetrichter befinden, stumpft die Säure durch langsames Eintragen von fein gepulverter Soda ab und nimmt dann den als ö l abgeschiedenen Ester in Äther auf. Mit aufgesetztem Stopfen darf erst geschüttelt werden, wenn die Kohlensäureentwicklung aufgehört hat. Das Ausäthern wird wiederholt, die vereinigten Ätherlösungen schüttelt man nochmals mit Wasser aus, u m die Hauptmenge des Alkohols zu entfernen, trocknet sie kurz mit Kaliumcarbonat, dampft dann den Äther ab und destilliert den Rückstand im Vakuum. Siedep. 175—178°/21. Ausbeute 15 g Collidindicarbonsäureester aus 20 g Dihydroester. C o l l i d i n - d i c a r b o n s a u r e s K a l i u m . Man löst 30 g gereinigten. Ätzkalis in 100 ccm absoluten Alkohols in einem 1 / 4 -Liter-Rundkolben. durch längeres Kochen auf dem Drahtnetz unter Rückfluß auf, setzt diegewonnenen 15 g Collidindicarbonester langsam zu und kocht die Lösung 3—4 Stunden lang auf lebhaft siedendem Wasserbad. Das in Alkohol schwer lösliche Salz scheidet sich nach und nach in Kristallkrusten aus. und wird nach Beendigung der Verseifung von der erkalteten Lösung abgesaugt und erst zweimal mit Alkohol, dann mit Äther gewaschen. Ausbeute 12—14 g. C o l l i d i n . Die Abspaltung der Carboxylgruppe erfolgt durch Erhitzen des Kaliumsalzes mit gelöschtem Kalk. Man mischt das gewonneneSalz mit seiner doppelten Gewichtsmenge Ca(OH)2 in einer Reibschale gut durcheinander und füllt das Gemenge in ein Verbrennungsrohr von. etwa 60 cm Länge ein, das man, 10 cm vom Ende entfernt, mit einem Asbestpfropfen für das Einfüllen gedichtet hat. Das eingefüllte Pulver schließt man auch auf der andern Seite durch einen lockeren Asbestpfropfen ab, verstopft das eine Ende mit einem dichten Kork, während das andere durch einen Vorstoß mit einer Vorlage in Verbindung steht. Das Rohr wird in einem kurzen, schräg gestellten Verbrennungsofen (das geschlossene Ende erhöht) durch kleine Flammen vorgewärmt, n a c h 1 Zu 50 g zerkleinerten (Vorsicht!) Arseniks läßt man aus einem Tropftrichter langsam die Mischung von 75 ccm konzentrierter Salpetersäure (Spez. Gew. 1,4) und 30 ccm Wasser fließen; der Rundkolben, in dem die nitrosen Gase entwickelt werden, trägt in seinem doppelt durchbohrten Korkstopfen neben dem Tropftrichter ein Ableitungsrohr, das über eine leere und trockene Waschflasche zu dem Reaktionsgefäß führt. Das Gemisch von Arsenik und Salpetersäure wird auf dem Drahtnetz gelinde erwärmt.

Heterocyclische Verbindungen

314

d e m m a n vorher über der e i n g e f ü l l t e n Mischung durch K l o p f e n e i n e n n i c h t z u e n g e n G a n g e r z e u g t h a t . D a n n vergrößert m a n d i e Flammen, am oberen Teil des Rohres beginnend, mehr u n d mehr, bis m a n schließlich bei geschlossenen Kacheln zu heller R o t g l u t gelangt. D a s hierbei übergehende Collidili wird mit Äther aufgenommen, mit wenig Ätzkali getrocknet u n d dann destilliert. Siedep. 172°. Ausbeute 3 - 4 g. W e n n eine Stickstoffbombe zur Verfügung steht, so n i m m t m a n die Brenzreaktion in einem langsamen Gasstrom vor. Die außerordentlich glatt verlaufende Synthese des Pyridinrings aus Acetessigester, Aldehyden und Ammoniak kommt dadurch zustande, daß Aldehyde in erster Phase unter Bildung von A l k y l i d e n - b i s - a c e t e s s i g e s t e r n reagieren und daß die so entstandenen 1,5-Diketonderivate durch eine eingefügte Ammoniakmolekel unter Abspaltung von 2 Mol. Wasser Ringschluß erfahren.

ROOC-CHj I H,C · CO

O

OR ,



ROOCC II E j e • COH

HOC · CH 3 nh,

Nimmt man die Kondensation ohne Ammoniak vor, so kommt aus dem Zwischenprodukt, das oben in der Di-enolform aufgezeichnet ist, die K n o e v e n a g e l s c h e S e c h a r i n g s y n t h e s e zustande, die durch Basen wie Diäthylamin, Piperidin katalytisch herbeigeführt wird. R

R

CH

¿H

ROOC-CH H3C · CO H /

CH-COOR CO

ROOC-CH

CH-COOR

H3C · ¿

CO \

/

Das Kondensationsprodukt bei der Synthese nach H a n t z s c h ist ein Derivat des D i h y d r o p y r i d i n s , das erst durch Dehydrierung in ein echtes Pyridin umgewandelt wird. Durch die Wegnahme der beiden Wasserstoffatome aus 1,4- Stellung wird erst das dem Benzol analoge heterocyclische Ringsystem gebildet. Viel leichter .geht auf diesem Weg Δ 2 , 5 - D i h y d r o t e r e p h t h a l s ä u r e e s t e r in T e r e p h t h a l s ä u r e e s t e r über.

315

Pyridinderivate R H

H C0 2 R C0 2 R Daß das echte Pyridinderivat basischer ist, als die Dihydroverbindung, hängt damit zusammen, daß bei dieser die NH-Gruppe mit zwei doppelt gebundenen C-Atomen in Bindung steht. Aber auch das Pyridin und seine Abkömmlinge sind nur schwache Basen. Die chemische Natur des in vieler Hinsicht mit dem Benzol zu vergleichenden „aromatischen" Pyridins (und Chinolins) ändert sich von Grund aus bei der Hydrierung zum P i p e r i d i n , das vollkommen den Charakter eines sekundären a l i p h a t i s c h e n Amins besitzt. Die perhydrierten heterocyclischen Basen vermitteln wichtige Abbaureaktionen, die namentlich bei der Konstitutionserforschung von Alkaloiden bedeutungsvoll geworden sind. Wir wollen die Methode der Ringaufsprengung mit Hilfe der „ e r s c h ö p f e n d e n M e t h y l i e r u n g " nach A. W. H o f m a n n am Piperidin erörtern. Aus der q u a r t ä r e n A m m o n i u m b a s e löst sich bei der thermischen Zersetzung eine C—N-Bindung auf, während gleichzeitig Wasser abgespalten wird. (112 CH2 / \ CHo

/ CH

CH*

\ N / OH X CH,/ CH,

\ CHo

+h2o

N(CH3)2

Das offene und ungesättigte tertiäre Amin wird wieder erschöpfend methyliert und seine quartäre Ammoniumbase erneut in gleicher Weise gespalten. CH, CH« CH II CHj ( C H3 3^ N ^

CH2 I CH2

CH II CII2

CH II + N(CH 3 ) 3 + H 2 O CH2

OH(-)

+ CH3 · C H = C H · CH=CH 2 Auf diesem Weg ist das Piperidin in den Kohlenwasserstoff „ P i p e r y l e n " , NV

NCH 3 CN CH3 CN Η Br Nebenbei entsteht auch die entmethylierte sekundäre cyclische Base. Ein weiteres Verfahren desselben Autors zum Abbau s e k u n d ä r e r Amine erläutern wir am Piperidin: N - B e n z o y l p i p e r i d i n wird mit PC16 umgesetzt und dabei zerlegt in B e n z o n i t r i l und 1 , 5 - D i c h l o r p e n t a n . CH» CH« CHN CH»

CH3

CH«

CH,

CH» •

Ν · CO · CgHj

I C1CH,

I + NC-C.H, CHOCL

Ν · C(C1)2 · C,H 6

Einem einfachen Derivat des Pyridins, dem Amid seiner /?-Carbonsäure ( N i c o t i n s ä u r e ) , kommt eine wichtige Bolle im Zellstoffwechsel zu. Ein von ihm abgeleitetes quartäres Salz, an dessen basischem Stickstoff eine mit Adenosin-diphosphorsäure veresterte Pentose (B) haftet, dient bei der enzymatischen Dehydrierung ( 0 . W a r b u r g , P . K a r r e r ) und bei der alkoholischen Gärung (H. v o n E u l e r ) in reversibler Funktion als WasserstoffÜberträger (Codehydrase I und II).

ICONH»

+2H ~

2

H

CONH» \

/

N

H

HOH 2 C x

2

Β

X

—OH '

%

/

^

*

Pyridoxin

Zu den biologisch wichtigen Pyridin-Derivaten gehört auch das Vitamin B e (Pyridoxin). b) a - A m i n o p y r i d i n 1 16 g (0,2 Mol) über g e p u l v e r t e m Ätzkali oder Bariumoxyd getrockneten u n d destillierten Pyridins w e r d e n i n 30 c c m Xylol (über Natrium getrocknet) m i t 10 g i n der Reibschale unter X y l o l zerriebenen Natriumamids versetzt u n d 7 S t u n d e n lang i m Ölbad a m R ü c k f l u ß k ü h l e r auf 140 bis 150° erhitzt. D e r Z u t r i t t v o n F e u c h t i g k e i t ist streng auszuschließen. N a c h d e m E r k a l t e n s e t z t m a n vorsichtig n a c h u n d n a c h 2 0 c c m g e k ü h l t e r Sodalösung zu, s c h ü t t e l t durch u n d t r e n n t d a n n i m Scheidetrichter. D i e wäßrige Schicht w i r d n o c h einige Male m i t Benzol a u s g e s c h ü t t e l t . V o n 1

T s c h i t s c h i b a b i n , C. 1915 I, 1065, Wibaut, Bec. 42, 240 (1923).

Chinolin

317

den vereinigten Auszügen wird nach kurzem Trocknen mit festem Ätzkali das Lösungsmittel abdestilliert. Das höher siedende Aminopyridin reinigt man durch Destillation im Vakuum (Schwertkolben) ; der Vorlauf besteht zum größten Teil aus Xylol. Die Base siedet bei 93°/ n , 96%3· Ausbeute 6—7 g. Aus Vor- und Nachlauf läßt sich noch eine kleine Menge herausfraktionieren. «-Aminopyridin kristallisiert leicht und kann aus Ligroin umkristallisiert werden. Schmelzp. 57°. Die sehr bemerkenswerte Reaktion, mit Natriumamid die NH2-Gruppe in einen aromatischen Ring einzuführen, stammt von F. Sachs (B. 39, 3006 [1906]), der sie an mehreren Beispielen in der Naphthalin- und Anthrachinonreihe studiert hat. Im Falle des Pyridins verläuft die Synthese nach T s c h i t s c h i b a b i n besonders glatt. Sie überschreitet wohl ein Zwischenprodukt der Anlagerung von NH 2 Na an die —N=CH— Doppelbindung von der Form —NNa—CH(NH2)—. Das nach der summarischen Gleichung C6H5N + NaNH 2 • C5H4N · NH 2 + Na + H . entstehende α - A m i n o p y r i d i n verhält sich in seinen Reaktionen wie eine tautomere Verbindung. Viele, namentlich cyclische Derivate leiten sich von einer D i i m i n f o r m ab, die sich auf Grund folgender Umlagerung bilden kann:

Η 2. Chinolin a) S k r a u p s c h e C h i n o l i n - S y n t h e s e 1 In einem Kolben von Liter Inhalt wird eine Mischung von 20 g Nitrobenzol, 31 g Anilin und 100 g w a s s e r f r e i e n 2 Glycerins unter Umschütteln mit 45 ccm konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Man verbindet den Kolben dann mit einem langen, weiten Rückflußkühler und erhitzt ihn auf einem Drahtnetz. Sobald der Eintritt der Reaktion durch Entwicklung von Dampfblasen, die plötzlich aus der Flüssigkeit aufsteigen, sich zu erkennen gibt, entfernt man sofort die Flamme und läßt die bisweilen äußerst heftige Hauptreaktion 3 ohne äußere Erhitzung sich vollziehen. Hat das Reaktionsgemisch sich beruhigt, so erhitzt man noch 3 Stunden auf dem Sandbade oder Drahtnetz zum Sieden, verdünnt mit wenig Wasser und treibt aus der sauren Flüssigkeit das unveränderte Nitrobenzol mit Wasserdampf vollständig ab. Man macht dann die im Destillierkolben zurückgebliebene, noch warme Flüssigkeit mit konzentrierter Natronlauge alkalisch und destilliert das in Freiheit 1 M.l, 316 (1880); 2, 139 (1881). M. Wyler, B.60, 398 (1927). D a r z e n s , B . 4 7 227 (1930). 2 Man erhitzt das käufliche Glycerin in einer Porzellanschale so lange (Abzug), bis ein eingehängtes Thermometer auf 180° gestiegen ist. 3 Deren Mäßigung wird erreicht, wenn man zu Anfang nur die Hälfte der Schwefelsäure zufügt, mit kleiner Flamme vorsichtig zum gelinden Sieden erhitzt und nach 1 Stunde den Rest der Säure ganz langsam zutropfen läßt. Sodann wird das Gemisch wie oben noch 3 Stunden lang im Sieden gehalten.

318

Heterocychsche Verbindungen

gesetzte Chinolin mit unverändertem Anilin ebenfalls mit Wasserdampf über. Das Destillat wird ausgeäthert, der Äther abdestilliert, die rohen Basen werden in der Mischung von 50 ccm konz. Salzsäure und 200 ccm Wasser gelöst. Zu der warmen, klaren Lösung fügt man 30 g Zinkchlorid in 50 ecm 2 n-HCl. Das nach dem Erkalten auskristallisierte Doppelsalz wird nach einigem Stehen unter Eiskühlung abgesaugt und mit kalter 2 n- Salzsäure gewaschen. Hierauf zersetzt man mit starker Natronlauge und treibt das Chinolin abermals mit Wasserdampf über. Nach dem Ausäthern wird die Ätherlösung mit festem Ätzkali getrocknet und das Chinolin nach dem Verdampfen des Äthers schließlich destilliert. Siedep. 237°. Ausbeute 24—25 g. Das Präparat ist wasserhell. b) C h i n a l d i n - S y n t h e s e n a c h D o e b n e r - M i l l e r 1 I n einem Kolben von 1 Liter Inhalt wird eine Mischung von 31 g Anilin und 60 ccm roher, konzentrierter Salzsäure unter Umschütteln mit 45 ccm Paraldehyde versetzt (oder mit 60 ccm Acetaldehyd, der unter Außenkühlung mit Eis vorsichtig durch einen langen Rückflußkühler zugetropft wird). Man läßt die Mischung bei Zimmertemperatur stehen, wobei nach und nach die Kondensation stattfindet, durch gelinde Selbsterwärmung sich äußernd. Man erwärmt noch 3 Stunden unter Rückfluß zum Sieden, macht mit starker Natronlauge alkalisch und destilliert die Rohbase mit Wasserdampf über. Die öligen Basen werden abgetrennt, der wäßrige Anteil wird 3 mal ausgeäthert. In den Auszügen wird das abgetrennte Öl gelöst, die Ätherlösung wird mit festem Ätzkali getrocknet. Nach dem Verdampfen des Äthers kocht man die Rohbase zur Bindung des nicht verbrauchten Anilins mit 10 ccm Essigsäureanhydrid eine Viertelstunde lang am Rückflußkühler, macht nach dem Erkalten mit gesättigter Sodalösung deutlich alkalisch und destilliert erneut mit Wasserdampf. Das Chinaldin wird nach der üblichen Aufarbeitung durch Destillation im Vakuum rein erhalten. Siedepunkt 115—120°/12» Als Nachlauf erhält man eine kleine Menge höher siedender Basen. Ausbeute 18—20 g. Man kann auch aus dem Rohbasengemisch das Chinaldin in der beim Chinolin angegebenen Weise über das ZnCl2-Doppelsalz abtrennen. Das Präparat wird reiner, die Ausbeute ist etwas geringer. Das erste auf dem unter a) durchgeführtenWeg gewonnene Chinolinderivat war der Farbstoff „Alizarinblau" (Prudhomme 1877), der beim Erhitzen von 0 - N i troalixarin mit Glyzerin und Schwefelsäure erhalten und von Graebe aufgeklärt wurde: CO OH CO OH

1

B. 14, 2816 (1881); 16, 1664 (1883); 17, 1712 (1884).

Chinolin

31»

Während des Prozesses wird die N0 2 - zur NH 2 -Gruppe reduziert. Die S k r a u p s c h e Synthese erfolgt unter Wasserabspaltung. Dabei wird sich A c r o l e i n bilden, das mit dem Anilin zu einem Azomethin (Schiffsche Base)· zusammentreten kann (I), viel wahrscheinlicher aber die Base an der C=C-Doppelbindung aufnehmen wird (II):

Es entsteht, mag die erste oder die zweite Erklärung zutreffen, ein D i h y d r o c h i n o l i n , dessen überständiger Wasserstoff von dem vorhandenen Nitrobenzoi gebunden wird. Eine zweite, ähnlich verlaufende Synthese, die von D o e b n e r - M i l l e r , führt z u s u b s t i t u i e r t e n Chinolinen. Einfachstes Beispiel: C h i n a l d i n aus Anilin und Paraldehyd durch Erhitzen mit konzentrierter Salzsäure. Der Verlauf der Reaktion, schließt sich eng dem der S k r a u p sehen Synthese nach I I an, wenn man das Anilin, wie dort mit Acrolein, so hier mit C r o t o n a l d e h y d , der unter den Bedingungen sich leicht bildet, zusammentreten läßt 1 : NH

NH 2

NH CH CH,

yïï * CHg

CjH—CH, CH

CH,

/

OHC

OG H Auch hier sind zwei überständige Η-Atome, die von Nebenreaktionen — es entstehen hydrierte Produkte — verschluckt werden. Das bekannte Gichtmittel A t o p h a n , a-PhenylchinoIin-y-carbonsäure, ist das Produkt einer analogen Kondensation von Anilin mit B e n z a l d e h y d und B r e n z t r a u b e n s ä u r e : NH, H OC—CeH5 CH, COOH

OC COOH 1

Die Reaktion ist ein Gegenstück der Claisen-Michael-Addition, bei der Substanzen mit beweglichem Wasserstoff an die Doppelbindung von α, /¡-ungesättigten Carbomylverbindungen angelagert werden ζ. B. : (R0 2 C)CH 2 + H 2 C =CH—C—CH 3 ^ (RO2C) CH—OBJ—CH* -C—CH 3 . Ο

Ο

320

Heterocyclische Verbindungen

Atophan kann auch durch alkalische Kondensation von I s a t i n mit A c e t o p h e n o n gewonnen werden. Formulieren! Als biologisches Abbauprodukt des Tryptophans verdient d i e K y n u r e n s ä u r e Erwähnung. Zum analytischen Nachweis von mehrwertigen Metallen, mit denen es unlösliche Komplexsalze bildet, findet das 8 - O x y - c h i n o l i n (Oxin) vielfache Verwendung. Das Antimalariamittel P l a s m o c h i n leitet sich ebenfalls vom Chinolin ab. OH

U v -

c o

*

Kynurensäure

h

OH 0 xin

v / U

I .p f r HN—CH(CH2),N< I \υ2±ι5 CH3 Plasmochin

Sehr wichtige Chinolinderivate sind auch die als C y a n i n e bezeichneten, in der Photographie als Sensibilisatoren benützten Farbstoffe, deren einfachster Typ durch die Formel des Äthylrots wiedergegeben sei.

^

I

•νΛΐν-

0

J

C2H5 Äthylrot C2H5 Das Prinzip der Bildung dieser Farbstoffe beruht auf der Reaktionsfähigkeit der im Chinolin (und auch im Pyridin) α- oder y-ständigen Methylgruppe. Diese läßt sich nämlich wie die von Ketonen mit Aldehyden u. dgl. kondensieren. Das Chinolin hat seinen Namen vom Chinin, das dessen Ringsystem enthält. Eine noch umfassendere Bolle im Aufbau von Alkaloiden kommt dem I s o c h i n o lin zu (Opiumalkaloide). 3. a-Phenyl-chinolin aus Chinolin und Lithium-phenyl 1 a) L i t h i u m p h e n y l . D a s käufliche Lithium wird v o n d e n d u n k l e n K r u s t e n befreit u n d u n t e r abs. Äther m i t d e m Messer in m ö g l i c h s t f e i n e Schnitzel zerteilt. D a v o n wiegt m a n u n t e r abs. Ä t h e r 1,4 g a b . E i n Dreihalskolben v o n 300 ccm I n h a l t oder ein K o l b e n m i t A n s c h ü t z Aufsatz t r ä g t einen g u t w i r k s a m e n R ü c k f l u ß k ü h l e r , einen T r o p f t r i c h t e r u n d ein Einleitungsrohr f ü r Bombenstickstoff, der d u r c h k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure u n d ü b e r Natronasbest u n d Phosphorpento xyd geleitet wird. D a s Einleitungsrohr wird bei B e n ü t z u n g eines Anschütz-Aufsatzes d u r c h den K ü h l e r g e f ü h r t u n d soll wegen der Y e r s t o p f u n g s g e f a h r n i c h t in die Reaktionsflüssigkeit eintauchen. D a s abgewogene Lithium gießt m a n n u n — bei l e b h a f t e m Stickstoffstrom — z u s a m m e n m i t 50 ccm abs. Äthers in d e n K o l b e n ein u n d schließt ihn wieder. Sobald alle L u f t v e r d r ä n g t ist, k a n n m a n d e n Stick1

K. Ziegler, A.479, 147 (1930); 483, 185 (1931).

321

Indigo

stoffstrom langsamer stellen. Nun läßt man 16 g (0,1 Mol) mit Calciumchlorid getrocknetes und destilliertes Brombenzol durch den Tropftrichter zutropfen. Die Reaktion beginnt manchmal sofort, manchmal auch erst nach einigem Warten. Sie ist anfänglich meist ziemlich heftig und muß gut überwacht werden. Dabei ist häufig umzuschüttein und eventuell mit Eiswasser zu kühlen. Wenn die Reaktion nachläßt, so erhitzt man noch 30 Minuten zum Sieden. Das Lithium ist dann zum größten Teil unter Braunfärbung in Lösung gegangen. b) λ - P h e n y l c h i n o lin. Zu dieser Lösung läßt man nach dem Abkühlen durch den Tropftrichter 9 g (0,07 Mol) Chinolin tropfen, das man über Bariumoxyd getrocknet und i. V. destilliert hat. Es fällt sofort das gelbe Additionsprodukt des Lithiumphenyls an Chinolin aus. Nach etwa 2-stündigem Stehen wird durch Zutropfen von Wasser unter Eiskühlung vorsichtig zersetzt. Dann wird die gleiche Menge Äther zugefügt und, wenn alles Lithium in Lösung gegangen ist, im Scheidetrichter abgetrennt. Die alkalisch-wäßrige Schicht wird nachgeäthert, die vereinigten Ätherlösungen werden abgedampft. Den Rückstand — ein dickes gelbliches ö l (Gemisch von Phenylchinolin und seiner DihydroVerbindung) — kocht man mit 60 ccm Nitrobenzol einige Minuten lang (Kolben mit Steigrohr als Rückflußkühler). Nach dem Erkalten wird die Base durch Ausschütteln mit verdünnter Schwefelsäure dem Nitrobenzol entzogen. Die saure Lösung befreit man mit wenig Äther von Nitrobenzol und stumpft sie zuerst mit Natronlauge, den Rest der Säure mit Soda ab. Die ausgefallene Base wird durch zweimaliges Ausschütteln in Äther aufgenommen. Nach dem Abdampfen der mit Pottasche getrockneten Ätherlösung hinterbleibt bereits recht reines tx-Phenylchinolin. Ausbeute an Rohprodukt etwa 12 g, d. h. 85% des eingesetzten Chinoline. Umkristallisieren aus Alkohol liefert die reine Base vom Schmelzp. 83—84°. Da diese Kristallisationen verlustreich sind, müssen zur Erhöhung der Ausbeute die Mutterlaugen unbedingt aufgearbeitet werden. Der Reaktionsverlauf stellt sich in der Weise dar, daß zuerst das Lithiumphenyl «n die vom Stickstoff ausgehende Doppelbindung des Chinoline angelagert wird. Es entsteht α - P h e n y l - d i h y d r o c h i n o l i n - l i t h i u m

Li das nach der Hydrolyse durch das Nitrobenzol zu a - P h e n y l - c h i n o l i n dehydriert wird.

4. Indigo 1

P h e n y l g l y c i n . 19 g Chloressigsäure werden mit 100 ccm 2 n-Natronlauge in der Kälte genau neutralisiert ; dann kocht man nach Zugabe von 18,6 g Anilin kurze Zeit am Rückflußkühler, bis das Anilin sich 1

21

J. H o u b e n , B.47, 3988 (1913). Gattermann,

Praxis des organ. Chemikers.

36.Aufl.

322

Heterocyclische Verbindungen

umgesetzt hat und in Lösung gegangen ist. Beim Abkühlen scheidet sich das Phenylglycin erst ölig, beim Reiben aber bald kristallinisch aus. Nach einigem Stehen in Eis wird abgesaugt und mit wenig eiskalten Wassers gewaschen. Ausbeute 22—24 g an trockner Substanz. Zur Darstellung des K a l i u m s a l z e s neutralisiert man 20 g Phenylglycin unter Anwendung von Phenolphthaleinpapier genau mit 2 η-Kalilauge, von der etwa 70 ccm gebraucht werden und dampft dann die klare Lösung auf dem Wasserbad ein. Für die Indoxylschmelze muß der Salzrückstand mehrere Stunden bei 100° im Trockenschrank getrocknet werden. I n d o x y l s c h m e l z e 1 . 15 g Ätznatron und 20 g Ätzkali werden in einem Nickeltiegel zusammengeschmolzen und durch Erhitzen auf etwa 500° (dunkle Rotglut) sorgfaltig entwässert. Die eben erstarrte Masse wird durch gelindes Erhitzen wieder gerade zur Schmelze gebracht und in einen Erlenmeyerkolben aus Jenaer Glas von 100 ccm Inhalt, der in einem Ölbad auf 220° erhitzt ist, eingegossen. Wird diese Vorschrift eingehalten, so ist ein Springen des Kolbens nicht zu befürchten. Zu der im Kolben befindlichen Schmelze gibt man 10 g Natriumamid, das sich unter geringer Ammoniakentwicklung in der Schmelze auflöst, und trägt in 5—10 Minuten 20 g reinen, im Trockenschrank bei 100° völlig getrockneten Phenylglycinkaliums löffelchenweise unter Umrühren mit einem Glasstab ein. Es soll eine homogene Schmelze entstehen. Augen und Hände schützen! Die Temperatur des Ölbades wird auf 200—220° gehalten. 2 Minuten, nachdem man den Rest des Kaliumsalzes eingetragen hat, wird der Kolben, den man mit einem Korkstopfen lose verschlossen hat, aus dem Ölbad herausgenommen und erkalten gelassen. Nach vollständigem Erkalten wird der Kolben zerschlagen und die Schmelze in kleinen Stückchen in ein Becherglas von 1 Liter Inhalt, das mit 500 ccm Wasser gefüllt ist, eingetragen. Nach völliger Lösung wird rasch durch ein großes Faltenfilter in einen Rundkolben oder eine Saugflasche von i y 2 Liter filtriert 2 und nun mit der Wasserstrahlpumpe so lange Luft durch die Lösung gesaugt, bis ein Tropfen der wäßrigen Indigosuspension, auf Filtrierpapier gebracht, nicht mehr an der Luft nachblaut und einen scharfen Rand von gefälltem Indigo zurückläßt. Der Indigo wird nach völliger Oxydation abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen, vom Filter in ein Becherglas gespritzt, mit 10-proz. Salzsäure gekocht, wieder abgenutscht, mit heißem Wasser gewaschen und getrocknet. Die Ausbeute erreicht 60—70% der Theorie. Eine einfache qualitative Prüfung auf Reinheit des erhaltenen Indigos· läßt sich so ausführen, daß man etwas von dem trocknen Präparat in einem Reagenzglas zu Pyridin gibt, einige Zeit unter Umschütteln erhitzt und auf Filtrierpapier einige Tropfen ausgießt. Bei reinem Indigotin wird 1

Nach einer Vorschrift von Dr. J. Pfleger, Frankfurt a. M. * Das Filtrieren ist nicht unbedingt notwendig, liefert aber ein reineres Produkt.

Indigo

323

Pyridin nicht gefärbt, während Verunreinigungen, die sich beim Arbeiten in dem kleinen Maßstab bilden können, sich durch schwächere oder stärkere schmutzig-braune Färbung des auslaufenden Pyridins anzeigen. Will man den gesamten erhaltenen Indigo durch Pyridin reinigen, dann muß m a n den v o m Pyridin abgesaugten und mit reinem heißen Pyridin nachgewaschenen Indigo noch einmal mit Salzsäure kochen, abnutschen, mit heißem Wasser auswaschen und trocknen 1 . Die hier durchgeführte Indigo-Synthese stellt den Farbstoff aus den Grundmaterialien Koks und Kalk (Acetylen ->• Essigsäure), Chlor und Anilin her und bildet das jetzt gebräuchliche technische Verfahren. Der Anbau der indigoliefernden Pflanzen ist damit entbehrlich geworden, wenn auch diese Produktionsart noch nicht von dem gleichen Schicksal betroffen worden ist, wie die Krappkultur durch das synthetische Alizarin. Die Alkalischmelze des Phenylglycins als Indigo-Synthese ist schon im Jahre 1892 von H e u m a n n entdeckt worden, aber erst der Zusatz von N a t r i u m a m i d (J. P f l e g e r ) hat das Verfahren ertragreich gestaltet. Die Konstitution des Farbstoffs ist in klassischen Arbeiten von A. B a e y e r erforscht worden. Auf die zahlreichen Synthesen kann hier nicht eingegangen werden; nur die schönste von ihnen, die auch eine Zeitlang technisch durchgeführt wurde, sei hier erwähnt 2 . Bei ihr wird o - N i t r o b e n z a l d e h y d in alkalischer Lösung mit A c e t o n kondensiert. Dabei entsteht ein aldolartiges Kondensationsproiukt, das Essigsäure verliert und — vielleicht über o-Nitrostyrol — unter intramolekularer Abspaltung von einem Mol Wasser in den halbmolekularen Indigo, das I n d o l o n übergeht, das, selbst nicht existenzfähig, sich alsbald zum Farbstoff dimerisiert: HqOH , " C H 0 + CH33 . CO · CH33 J—NO,



Τ

CH

' ·

0 0

·CH*

CH

Die Verschiebung des Sauerstoffs von einer Nitrogruppe an ein o-ständiges C-Atom ist wenig übersichtlich, aber durch mehrere ähnliche Reaktionen belegt. So geht o - N i t r o t o l u o l unter der Wirkung von Alkalien in A n t h r a n i l s ä u r e (Binz), o - N i t r o b e n z a l d e h y d bei Belichtung in o - N i t r o s o b e n z o e s ä u r e über (Ciamician) : 1 a

21·

D.R.P. 134139 der Höchster Farbwerke. B. 15, 2856 (1882).

Heterocyclisehe Verbindungen

324

CHO

s

,—COOH

J—NO ferner y - N i t r o a n t h r a c e n in A n t h r a c h i n o n - o x i m

(Meisenheimer):

NO»

NOH Wem etwas o-Nitrobenzaldehyd zugänglich ist, der sollte sich die schöne B a e y e r sehe Indigo-Synthese nicht entgehen lassen. Versuch: 1 g o-Nitrobenzaldehyd wird in 3 ccm r e i n e n Acetons gelöst ; m a n f ü g t e t w a die gleiche Menge W a s s e r s u n d d a n n zu der k l a r geblieb e n e n L ö s u n g T r o p f e n a u f T r o p f e n n-Natronlauge zu. U n t e r E r w ä r m u n g f ä r b t sich die L ö s u n g d u n k e l b r a u n u n d l ä ß t n a c h k u r z e r Zeit d e n F a r b stoff i n kristallinischen F l o c k e n h e r a u s k o m m e n . M a n s a u g t n a c h 5 Min u t e n a b u n d w ä s c h t m i t Alkohol, d a n n m i t Äther. D e r so g e w o n n e n e Indigo zeichnet sich d u r c h b e s o n d e r e R e i n h e i t a u s u n d zeigt s c h ö n e n v i o l e t t e n Oberflächenglanz. Die erste technische Darstellung des Indigos in großem Maßstab ging aus vom N a p h t h a l i n , das mit rauchender Schwefelsäure (bei Gegenwart von Quecksilber(Il)-sulfat) zur P h t h a l s ä u r e aufoxydiert wurde. Das aus ihr gewonnene P h t h a l i m i d erfuhr als (offene) P h t h a l a m i d s ä u r e den H o f m a n n s c h e n Abbau zu A n · t h r a n i l s ä u r e , die, mit Chloressigsäure kombiniert, in der P h e n y l g l y c i n - o e a r b o n s ä u r e ein der Indoxylschmelze zugängliches Material lieferte. Formulieren! In entsprechender Weise verläuft die Synthese des namentlich in Derivaten technisch wichtigen roten T h i o i n d i g o s ( F r i e d l ä n d e r ) aus T h i o s a l i c y l s ä u r e : COOH s

,—COOH

J—SH

+ ClCH 2 COOH

—-

CH„—COOH

-CO I CH · C0 2 H

Oxydation

γ ν/

Die H e u m a n n - P f l e g e r s c h e Synthese führt in der Schmelze zu I n d o x y l k a l i u m , das schon durch Luftsauerstoff — unter gleichzeitiger Bildung von H y d r o p e r o x y d (siehe S. 156) — zu Indigo dehydriert wird.

Indigo

325

Kaum eine andere organische Verbindung ist so nach allen Ecken und Enden hin untersucht worden, wie der Indigo. Wir müssen uns daher hier auf die allerwichtigsten Reaktionen beschränken. Die C h e m i e d e r I n d i g o f ä r b u n g . Der Farbstoff selbst kann wegen seiner Unlöslichkeit nicht direkt auf die Faser gebracht werden. Man führt ihn daher seit uralten Zeiten — der antike Purpur ist 6,6' - D i b r o m i n d i g o 1 ( F r i e d l ä n d e r ) — durch Reduktion in alkalischer Lösung in das A l k a l i s a l z s e i n e r D i h y d r o v e r b i n d u n g und so in wasserlösliche Form über, oder wie man sich färbetechnisch ausdrückt — man v e r k ü p t ihn. Die Naturvölker haben von jeher b i o l o g i s c h , d. h. durch hydrierende Bakterien, verküpt, die Industrie hat sich des E i s e n (II)h y d r o x y d s oder des Z i n k s t a u b s bedient, heute benützt man hauptsächlich Natrium - dithionit. Versuch: E t w a 50 mg des dargestellten Indigos werden in einer kleinen Reibsehale mit wenigen Tropfen Wasser zu einem feinen Brei zerrieben, hierauf aus der Spritzflasche in einen kleinen Erlenmeyer gespült und nun unter Erwärmen auf 30—40° mit einem geringen Überschuß v o n alkalischer Natriumdithionitlösung reduziert. E s entsteht bald eine grüngelbe, dann braunstichig gelbe Lösung, die Küpe, auf deren Oberfläche infolge der Berührung mit der L u f t sich eine feine blaue H a u t v o n Indigo, die sogenannte „ B l u m e " bildet. Man verdünnt m i t Wasser auf 25—30 ccm, bringt einen vorher benetzten Streifen Leinwand in die Lösung, digeriert ihn darin etwa eine Minute lang mit einem Glasstab, n i m m t ihn heraus, preßt ihn ab und hängt ihn über zwei parallel gespannten Schnüren oder dünnen Glasstäben auf. Schon nach 5 Minuten ist der Stoff tief blau gefärbt. Aus der K ü p e fällt man mit durchgesaugter L u f t den Farbstoff wieder aus. Dieses Verfahren ist auch zur Reinigung v o n Indigo geeignet. Die Verküpung findet chemisch ihren Ausdruck in einer 1,6-Addition von Wasserstoff und erinnert ganz und gar an die Überführung von Chinon in Hydrochinon. Wie dieses ist auch das „ I n d i g w e i ß " ein zweiwertiges „Phenol", eine schwache Säure, deren Alkalisalze intensiv gelb gefärbt sind: ,0 II

O, II

OH

OH

H

H

H

H

Aus dem teilweise hydrolytisch gespaltenen Alkalisalz der Küpe wird die große Molekel des „Indigweiß" von der Faser adsorbiert und dann in dieser feinen Verteilung durch den Sauerstoff der Luft — analog wie Indoxyl — wieder zum Farbstoff dehydriert, der nun als fest haftendes Pigment die Färbung bedingt. — Als fertige Küpen sind die Alkalisalze des I n d i g w e i ß - s c h w e f e l s ä u r e e s t e r s unter dem Namen „Indigosol" im Handel. Die K ü p e n f a r b s t o f f e , deren wichtigste neben den eigentlich indigoiden -— so bezeichnet man durch Doppelbindung zusammengefügte Ringsysteme von der Art des Indigos — sich in der Anthrachinonreihe finden, sind durch ganz besondere 1

Die beiden Br-Atome stehen in m-Stellung zum Stickstoff.

326

Heterocyclische Verbindungen

Echtheit ausgezeichnet. Sie enthalten fast ausnahmslos kondensierte Ringe von großer chemischer Widerstandsfähigkeit. Es sei als Beispiel eines Anthrachinonküpenfarbstoffes das blaue I n d a n t h r e n angeführt, das aus dem technisch höchst wichtigen / ? - A m i n o - a n t h r a c h i n o n durch Alkalischmelze unter Wasserstoffabspaltung gewonnen wird (R. B o h n ) :

Nimmt der Indigo bei der Verküpung W a s s e r s t o f f a u f — energische Reduktion spaltet bis zum I n d o x y l und I n d o l —, so läßt er sich durch eine nicht weniger bemerkenswerte Reaktion — am besten durch Bleidioxyd — auch d e h y d r i e r e n und zwar an den beiden NH-Gruppen der Indolringe (Kalb):

Der so entstehende D e h y d r o - i n d i g o ist eine viel leichter lösliche, braunrot gefärbte und schön kristallisierte Substanz, die sehr leicht, schon ζ. B. durch Hydrochinon, wieder zu Indigo hydriert wird im Sinne des in obiger Gleichung nach links gerichteten Pfeiles. Aus dem Hydrochinon entsteht dabei natürlich Chinon.

Versuch1: Eine gute Messerspitze trocknen, fein gepulverten Indigos wird zusammen mit etwa der doppelten Menge Bleidioxyd und einigen Körnern Calciumchlorid in 5 ccm Benzol im Reagenzglas 5 Minuten lang auf dem Wasserbad im Sieden gehalten. Die braunrote Lösung wird filtriert, auf zwei Reagenzgläser verteilt und der darin enthaltene Dehydro-indigo im einen Fall mit ganz wenig in Alkohol gelösten Hydrochinons, im andern mit verdünnter salzsaurer SnCl2-Lösung zum Farbstoff hydriert, der sich in blauen Flocken ausscheidet. Auch eine Suspension von fein verteiltem Indigo in Chloroform kann man unter Zugabe von wenig Calciumhydroxyd durch tropfenweises Zufügen von Brom in die schön rotbraune Lösung von Dehydroindigo umwandeln. 1

L . K a l b , B.42, 3649 (1909).

Indigo

327

Zur I s o l i e r u n g des schönen Präparates halte man sich an die erste der von K a l b gegebenen Vorschriften. Die bekannteste oxydative Umwandlung de3 Indigos ist die in Isa tin, die unter normaler Spaltung der Doppelbindung vor sieh geht:

C=C

2O

COOH

Isatin ist das innere Anhydrid (Lactam) einer y-Amino-a-keto-carbonsäure, der Isatinsäure (A), zu deren Salzen der Stoff durch Alkalien aufgespalten wird. Die Ketogruppe in 3 ist der Kondensation mit vielen anderen Stoffen zugänglich und darum wird Isatin technisch dargestellt und in wertvolle indigoide Küpenfarbstoffe übergeführt. Wir nennen als Beispiel den prächtigen Thioindigo-scharlach, der aus Isatin und dem Indoxyl der Thioreihe, dem sog. Oxythionaphthen erhalten wird: O

H

H

Die schöne I s a t i n - S y n t h e s e von Sandmeyer, die auch präparativ empfohlen sei, entschwefelt den bekannten Diphenylthioharnstoff (I) (S. 151) mit basischem Bleicarbonat. An das so gebildete reaktionsfähige Diphenylcarbodiimid (II) wird Blausäure angelagert und so ein Nitrii (III) erhalten, das mit H2S zuerst in das Thiamid (IV) übergeführt wird. Durch konzentrierte H 2 S0 4 wird der Ringschluß bewirkt zum α-Anil des Isatins (V), aus dem dann durch verdünntere Schwefelsäure die Anilgruppe hydrolytisch herausgeholt wird: CN I (C„H5NH)2 · CS ->• II C6H5 · N=C=N • C„H5

III

C=NC„H6 SN"/ Η

Die erste Indigosynthese Baeyers ging, woran erinnert sein möge, vom Isatinchlorid aus. Formulieren!

328

Hydrierung und Reduktion

XI. H y d r i e r u n g und Reduktion, Oxydation mit Selendioxyd, Ozonisation 1. Katalytische Hydrierung mit Palladium. Hydrozimtsäure

Die Anordnung der Apparatur ist aus Fig. 56 ersichtlich1. Als Sperrflüssigkeit im Gasometer benützt man Wasser. Das Schütteln erfolgt

Fig. 56

mit Hilfe einer Rabeschen Turbine, eines kleinen Elektromotors oder eines Heißluftmotors durch Drehen der E x c e n t e r s c h e i b e , die mit der Birne durch einen starren Draht verbunden ist. (Die Apparatur ist jedoch bequemer auseinander zu nehmen, wenn, wie in der Figur angegeben, der Draht geteilt ist und die beiden Teile durch eine mit Schraube versehene Messingöse vereinigt sind.) Sämtliche Stative sind durch größere Eisenstücke beschwert. Die Schüttelbirne selbst (Fig. 57) trägt seitlich einen Tubus, der mit einem (reinen) Gummistopfen verschlossen werden kann. Ihr horizontales Rohr, zugleich Achse der Schüttelbirne, läuft in einer Messinghülse (Korkbohrerhülse), die auf beiden Seiten durch kurze, übers Glas gezogene Stücke Gummischlauch festgehalten wird. Sie wird, durch einen Kork festgeklemmt, in einer starken Klammer gehalten. Das Rohr steht durch einen dickwandigen Schlauch, 1 Die Stative für Gasometer, Birne und Excenterscheibe sind auf der Figur nicht wiedergegeben.

Katalytiache Hydrierung. Hydrozimtsäure

329

der einen Quetschhahn trägt, in direkter Verbindung mit dem Gasometer. Dessen M e ß z y l i n d e r wird von einer weiten Kühlerklammer gehalten. Vor der Hydrierung wird die ganze Apparatur auf D i c h t i g k e i t geprüft. Dies erfolgt so : Der Tubus an der Birne wird geschlossen, das Gasometer nach öffnen von A und Β provisorisch mit Wasserstoff gefüllt. Nach Schließen der Glashähne wird der Stand im Glaszylinder bei gleichem Niveau des Sperrwassers mit dem Wasser im Behälter markiert und nun 14 Stunde bei leerer Birne geschüttelt. Ist nach dieser Zeit bei gleicher Zimmertemperatur der Stand derselbe, so kann man zur Hydrierung selbst schreiten. I n die nach der Dichtigkeitsprüfung kurze Zeit offen gehaltene trockene Hydrierbirne bringt man 0,5 g PalladiumTierkohle (s. S. 330) und fügt dazu vorsichtig die Lösung von 5 g Zimtsäure in 30 ccm 80-proz. Methylalkohol, derart, daß der Katalysator vollständig bedeckt ist. (Wenn Spuren des Katalysators an der Glaswand haften, kann beim Durchleiten von Wasserstoff eine Explosion erfolgen.) Nun leitet man bei geschlossenem Hahn Β und offenem A Wasserstoff aus der Bombe (gewaschen mit .Of«0 4 -Lösung) durch die Birne, bis die Luft in ihr und der ganzen Leitung verdrängt ist ; schon vorher hat man den Gasometer (1 Liter Inhalt) und die Rohrleitung bis zu Hahn Β mit Wasser gefüllt. Jetzt verschließt man den Tubus der Birne und verdrängt nach Öffnung des Glashahnes Β bei tief gestelltem Wasserbehälter das Wasser durch Wasserstoff. Dann wird die Verbindung mit der Wasserstoff-Flasche (oder dem Kipp) gelöst, der Stand des Gases wie bei der Dichtigkeitsprüfung abgelesen und unter geringem Überdruck (Behälterflasche auf dem Gasometer) die Schüttelei in Gang gebracht 1 . Wir arbeiten hier mit sehr geringen Mengen Katalysator (etwa 15 mg Pd); trotzdem ist nach 3 Stunden die zur Absättigung der ÄthylenDoppelbindung notwendige Menge (bei 740 mm Barometerstand und 20° 840 ccm) Wasserstoffs aufgenommen. Man filtriert vom Katalysator ab, verdampft den Methylalkohol und kristallisiert die hydrierte Säure, wie auf S. 204 beschrieben, um. 1 Ist man infolge Verbrauchs des Gases im Zylinder genötigt, während des Versuches den Gasometer neu zu füllen, so wird die Bombe bei A angeschlossen, der Schraubhahn des Verbindungsschlauches am h o r i z o n t a l e n Birnenrohr zugedreht und bei offenen Hähnen A und Β vorsichtig aufgefüllt.

330

Hydrierung und Reduktion

Als katalytische Nebenwirkung des Palladiums tritt bei Anwendung von unverdünntem Methylalkohol als Lösungsmittel E s t e r b i l d u n g ein 1 . In diesem Fall hat man die Lösung nach Zugabe von 5 g Atzkali einzudampfen und die Hydrozimtsäure mit verdünnter Salzsäure auszufällen.

B e r e c h n u n g des W a s s e r s t o f f v e r b r a u c h s Ein g-Mol Substanz braucht f ü r je eine Doppelbindung 22,4 Liter Wasserstoff unter Normalbedingungen. Nach der Formel Τ -760 V - V ° 273 · ρ wobei ρ gleich dem abgelesenen Barometerstand weniger der Dampftension des Wassers bei der betreffenden Temperatur, Τ gleich der abs. Temperatur ist, läßt sich das Volumen eines g-MoIs bei den jeweiligen Arbeitsbedingungen ausrechnen. Es beträgt durchschnittlich g(für ρ = 720 mm und t = 1 7 ° ) 25 Liter. 5 g Zimtsäure (Mol.-Gew. 148) sind = -j^gg-Mol; der Bedarf an Wasserstoff beträgt daher 25 · ~ L i t e r = 8 4 5 ccm H22 . 148

Darstellung von Palladium-Tierkohle 2 g Tierkohle werden in einer Schüttelbirne von etwa 300 ccm Inhalt in 100 ccm Wasser suspendiert. In den Tubus der Birne ist mit Hilfe eines Gummistopfens ein gebogener Tropftrichter eingeführt. Man leitet jetzt durch die Birne — bei geöffnetem Hahn des Tropfrichters — so lange Wasserstoff, bis eine Probe des austretenden Gases im Reagenzrohr mit ruhiger Flamme abbrennt. Dann schließt man den Hahn des Tropfrichters, senkt das Niveaugefäß und läßt durch den Trichter unter dauerndem (maschinellen) Schütteln allmählich eine Lösung von 0,1 g Palladiumchlorid in 10 ccm etwa 0,1 η-Salzsäure eintropfen. Wenn die Lösung entfärbt ist, läßt man den Wasserstoff durch Öffnen der Birne entweichen. Der Katalysator wird auf einer Filterplatte abgesaugt und mit viel Wasser in der Weise nachgewaschen, daß man den Katalysator immer bedeckt hält, da an der Luft leicht Verglimmen eintritt. Wenn im Filtrat keine Säure mehr nachweisbar ist, wäscht man schnell zweimal mit Alkohol und abs. Äther und bringt das ätherfeuchte Präparat sofort in einen Exsiccator, der evakuiert wird. Nach 24 Stunden wird der Exsiccator durch vorsichtiges Einleiten von Stickstoff oder Kohlendioxyd geöffnet; der vollständig trockene Katalysator verglimmt an der Luft nicht mehr und ist gut haltbar.

Darstellung von P l a t i n o x y d , Pt022 Neuerdings benützt man wegen seiner bequemen Darstellung und Handhabung und zugleich ausgezeichneten Wirksamkeit den Platinoxydkatalysator nach R . A d a m s , der beim Gebrauch im Schüttelgefäß zuerst vom Wasserstoff zu sehr fein verteiltem Platin reduziert wird.

Die Lösung von 2,1 g Platinchlorid (H2PtCl6) in 5 ccm Wasser wird in einem großen Porzellantiegel mit 20 g reinen Natriumnitrats vermischt und mit einer kleinen Flamme unter ständigem Rühren mit einem dicken Glasstab vom Wasser befreit. Dann steigert man die Temperatur allmählich bis zur vollständigen Schmelze des Tiegelinhalts. Es entwickelt 1 2

Vgl. dazu E . W a s e r , Helv. VIII, 117 (1925). Am. Soc.44, 1397 (1922); 45, 2171 (1923).

Katalytische Hydrierung. Hydrozimtsäure

331

sich Stickstoffdiozyd, währenddem man mit der Temperatur unter Benützung zweier kräftiger Bunsenbrenner bis zu mittlerer Rotglut (500 bis 600°) geht. Nach 5—10 Minuten geht die NO r Entwicklung stark zurück. Man läßt erkalten, laugt mit destilliertem Wasser aus, wäscht den schweren Bodenkörper durch Dekantieren mehrere Male aus, saugt ab und trocknet im Exsiccator. Die Farbe des so erhaltenen Platinoxyds eoli ein mittleres Braun sein. Das Verfahren der katalytischen Hydrierung hat für alle Zweige der organischchemischen Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten eine ungemein große Bedeutung gewonnen. Zuerst (1901) hat S a b a t i e r gezeigt, daß ungesättigte Substanzen verschiedenster Art beim Überleiten ihrer Dämpfe zusammen mit Wasserstoff über erwärmtes, fein verteiltes N i c k e l hydriert werden. Die Übertragung der Methode auf die Hydrierung von F l ü s s i g k e i t e n geschah durch N o r m a n n , der fette öle mit Hilfe des darin suspendierten Nickelkatalysators durch Bindung von Wasserstoff in höher schmelzende Fette umwandeln lehrte (Technischer Prozeß der F e t t h ä r t u n g ) . Nach dem gleichen Prinzip werden die H y d r i e r u n g s p r o d u k t e des Naphthalins, T e t r a l i n und D e k a l i n , die des Phenols, Cycloh e x a n o n und C y c l o h e x a n o l sowie C y c l o h e x a n aus Benzol von der Industrie dargestellt (Schröter). Für die Laboratoriumspraxis hat die Sabatiersche Methode keine große Bedeutung mehr. Dagegen hat der Nickelkatalysator nach R a n e y , eine Legierung aus Nickel und Aluminium, aus der das Aluminium vor dem Gebrauch mit Natronlauge herausgelöst wird1, große Bedeutung erlangt 2 . Die Hydrierung der Kohlenstoffdoppelbindung als präparative Laboratoriumsaufgabe wird in der Regel mit den fein verteilten Platinmetallen Platin oder Palladium ausgeführt, sei es in Form von P l a t i n m o h r oder P a l l a d i u m s c h w a r z , sei es mit P l a t i n o x y d oder mit den auf indifferenten Trägern in feiner Verteilung niedergeschlagenen Metallen. Vor der Anwendung von Überträgermetallen bestand keine Möglichkeit, Wasserstoff direkt an die reine Kohlenstoffdoppelbindung anzulagern. Mit ihr haben wir es in der Hand, so gut wie alle ungesättigten Systeme mit Wasserstoff zu sättigen, und zwar ist es gerade die olefinische Lückenbindung, zu der der katalytisch erregte Wasserstoff am leichtesten Zutritt hat. Geringer ist seine Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber der Carbonylgruppe von Aldehyden und Ketonen, Carboxyl und Estergruppen läßt er unversehrt. Als L ö s u n g s m i t t e l für die kalte katalytische Hydrierung, die im wissenschaftlichen Laboratorium weitaus die größte Bedeutung hat, dienen E i s e s s i g , E s s i g e s t e r , die A l k o h o l e , Ä t h e r , Wasser. Der Erfolg einer Hydrierung hängt in noch nicht ganz durchsichtiger Weise von der Natur des Lösungsmittels ab. Die stärkste Wirkung erzielt man im allgemeinen mit P l a t i n o x y d in Eisessig. Bei der geringen Löslichkeit des Wasserstoffs in allen Lösungsmitteln muß der suspendierte oder kolloidal gelöste Katalysator durch S c h ü t t e l n dauernd mit der Gasphase in Berührung gebracht werden, damit er immer von neuem Wasserstoff aufnehmen und an die zu hydrierende Substanz weitergeben kann. An Stelle der hier angegebenen Birne ( W i l l s t ä t t e r und Waser) kann ebensogut eine „Schüttelente" benutzt werden. Manchmal kommt eine Hydrierung nach anfänglich gutem Gang vor dem vollen Wasserstoffverbrauch zum Stillstand; man kann dann den Katalysator in vielen Fällen durch Schütteln mit Luft r e a k t i v i e r e n (Wills t ä t t e r ) . Hierbei hat man zu beachten, daß ein Wasserstoff-Luftgemisch durch die fein verteilten Katalysatormetalle gezündet wird, und muß darum vor jener Maßnahme den im Hydrierungsgefäß vorhandenen Wasserstoff durch Stickstoff oder einfacher durch Evakuieren entfernen. 1 2

C o v e r t und A d k i n s , Am. Soc. 54, 4116 (1932). R. S c h r ö t e r , „Neuere Methoden der präp. org. Chemie", Berlin 1943, S. 75.

332

Hydrierung und Reduktion

Der kataly tischen Hydrierung sollen nur v o l l k o m m e n r e i n e Substanzen unterworfen werden. Diese Regel gründet sich darauf, daß vor allem Schwefel- und oft auch halogenhaltige Stoffe den Katalysator desaktivieren und daß oft ganz unberechenbare Einflüsse der Durchführung einer Hydrierung im Wege stehen. Das sicherste Mittel zur Vermeidung solcher Störungen beruht in der Verwendung reiner Materialien, auch der Lösungsmittel. Dieselben Katalysatoren, durch deren Mitwirkung elementarer Wasserstoff an eine Doppelbindung angelagert wird, vermögen bei geänderten Temperaturverhältnissen auch den entgegengesetzten Vorgang, den der D e h y d r i e r u n g oder Wasserstoffabspaltung zu beschleunigen. So zerfällt C y c l o h e x a n , bei etwa 300° über Nickel oder Palladiumschwarz geleitet, in B e n z o l und W a s s e r s t o f f (Sabat i e r , Zelinsky). Das Gleichgewicht: C„He + 3 H 2

C„H12

liegt bei tiefer Temperatur auf der rechten Seite der Gleichung, bei höherer hat die Energie verbrauchende der Dehydrierung den Vorrang. Beide Reaktionen verlaufen ohne Katalysator unmeßbar langsam, werden aber durch seine Gegenwart in der gleichen Weise beschleunigt. Eine wertvolle Ergänzung finden diese Hydrierkatalysatoren, die alle der 8. Nebengruppe des Periodensystems angehören, durch den Kupfer-Chromoxyd-Kontakt (Adkins), der besonders auf sauerstoffhaltige Gruppen anspricht, aromatische Kerne dagegen nicht angreift. Näheres bei Ch. G r u n d m a n n , Neuere Methoden, Berlin 1943, S. 117. Über die D e h y d r i e r u n g mit Selen vgl. S. 364. 2. Ersatz von Sauerstoff in Carbonylverbindungen durch Wasserstoff (Reduktion nach

Clemmensen)

Ketone und Aldehyde lassen sich mit amalgamiertem Zink und Salzsäure meist sehr glatt desoxydieren ; aus den Gruppen > C = 0 und — C = 0 wird > C H 2 und —CH 3 . H D a r s t e l l u n g d e s Z i n k a m a l g a m s . D ü n n e Zinkgranalien oder noch besser kleine Streifen geschnittenen Zinkblechs von 0,15—0,25 mm Dicke werden mit der gleichen Gewichtsmenge 5-proz. wäßriger Quecksilber (Il)-chloridlösung unter häufigem Umschütteln eine Stunde lang in Berührung gelassen. Dann gießt man ab und spült noch einmal mit frischem Wasser nach. a) Ä t h y l b e n z o l a u s A c e t o p h e n o n 1 . Zu 30 g verquecksilberten Zinks gibt man 12 g Acetophenon und 60 ccm Salzsäure (aus 1 Teil konzentrierter und 2 Teilen Wasser) und erhitzt in einem Kolben mit eingeschliffenem Rückflußkühler auf dem Drahtnetz zu lebhaftem Sieden. Nach je einer Stunde fügt man noch je 10 ccm konzentrierter Salzsäure zu, hält die Reaktion i m ganzen 5 Stunden lang im Gang und treibt dann den gebildeten Kohlenwasserstoff mit Wasserdampf in wenigen Minuten über. Das v o n Wasser in einem kleinen Tropftrichter befreite 1

E. C l e m m e n s e n , B.46, 1838 (1913).

Reduktion nach Meerwein-Ponndorf. Trichloräthylalkohol

333

Destillat wird mit Galciumchlorid getrocknet und dann destilliert. Siedepunkt 135—136°. Ausbeute 6—8 g. Die Ausbeute erhöht sich, wenn man das Acetophenon langsam zutropfen läßt. b) D i b e n z y l a u s B e n z i l 1 . 7 g Benzil werden mit 30 g amalgamierten Zinks und 100 ccm Salzsäure (1:1) 5 Stunden lang unter Rückfluß gekocht. Wie unter a) läßt man von Zeit zu Zeit konzentrierte Salzsäure (im ganzen 20 ccm) nachfließen. Zum Schluß gießt man vom Zink ab, trennt das beim Erkalten fest werdende Reduktionsprodukt von der Flüssigkeit, wäscht einige Male mit Wasser und destilliert es aus einem kleinen Schwertkolben. Siedepunkt 280°. Schmelzpunkt 50—52°. Der Kohlenwasserstoff kann aus wenig Alkohol umkristallisiert werden. Ausbeute 5 g, beinahe theoretisch. Mit dem gleichen Ergebnis kann B e n z o i n zu D i b e n z y l reduziert werden. Ebenso häufig wie die Clemmensen - Reaktion wird die Methode von W o l f f Kishner zum Ersatz von Sauerstoff durch Wasserstoff in Ketonen und Aldehyden angewandt. Dabei wird das H y d r a z o n oder S e m i c a r b a z o n der Carbonylverbindung — am besten in Gegenwart von Hydrazinhydrat — mit N a t r i u m ä t h y l a t durch mehrstündiges Erhitzen auf 160° im Einschlußrohr oder Autoklaven reduktiv gespalten. Die Reaktion ist wohl so zu erklären, daß unter der katalytischen Wirkung des Äthylats eine Umlagerung des Hydrazons zum D i i m i n zustande kommt, das dann analog wie Phenyldiimin (S. 248) zerfällt. R

Bemerkenswert ist noch, daß sich Ketogruppen in Konjugation zum aromatischen Kern auch durch katalytisch erregten Wasserstoff leicht zur Methylengruppe reduzieren lassen.

3. Reduktion nach Meerwein-Ponndorf. Trichloräthylalkohol A l u m i n i u m ä t h y l a t 2 . In einem 300 ccm-Kolben mit Rückflußkühler übergießt man 5 g Aluminiumspäne oder -grieß mit 60 ccm abs. Alkohol und gibt etwa 30 mg Sublimat und eine Spur Jod hinzu. Nach einigen Sekunden setzt heftige Wasserstoffentwicklung ein 3 . Wenn die Reaktion sich verlangsamt, läßt man sie durch 2—3 stündiges Sieden auf dem Wasserbad zu Ende gehen. Das Metall hat sich dann bis auf wenige geringfügige Flocken gelöst. Dann wird der überschüssige Alkohol aus einem Ölbad von 210—220° abdestilliert; den dunklen flüssigen Rückstand gießt man rasch in einen Claisenkolben um und destilliert ihn mit der leuchtenden Flamme unter Verwendung eines kurzen und weiten 1

B. 47, 688 (1914). D.R.P. 286596. Tritt die Reaktion nicht sofort ein, so erwärmt man vorsichtig unter Schütteln auf dem Wasserbad; sollte das Aluminium auch dann nicht reagieren, so muß es mit verd. Natronlauge kurz angeätzt werden, die man durch wiederholtes Dekantieren mit abs. Alkohol wieder entfernt. 2

3

334

Hydrierung und Reduktion

Luftkühlers rasch i. V. Sdp. 200—210% 0 . Das noch flüssige Destillat wird in eine gut schließende Glasstöpselflasche umgefüllt, in der es beim Erkalten erstarrt. Ausbeute etwa 90 °/0 d. Th. Zum Gebrauch pulvert man die nötige Menge Äthylat rasch in einem Mörser und wiegt sie ab. Trichloräthylalkohol1. In einem 500 ccm-Dreihalskolben bringt man 60 g wasserfreies Chloral2, 150 ccm abs. Alkohol und 18 g Aluminiumäthylat. Auf den mittleren Hals kommt ein Liebigkühler, der so langsam mit Kühlwasser gespeist wird, daß sich während des nun folgenden Kochens des Kolbeninhalts eine Temperatur von 30—40° im Kühler einstellt. Auf diese Weise soll der bei der Reaktion entstehende Acetaldehyd, der Veranlassung zur rückläufigen Reaktion geben würde, aus dem Gleichgewicht entfernt werden. Durch einen zweiten Ansatz wird aus einer Bombe trockener Stickstoff langsam durch die Lösung geleitet. Die dritte Öffnung, die durch einen Stopfen verschlossen wird, dient zur Entnahme von Proben. Der Kolben wird jetzt im Ölbad auf 135° erhitzt. Nach etwa 24 Stunden (verteilt auf 2—3 Tage) ist alles Chloral verbraucht, was mit folgender Reaktion zu erkennen ist. Man entnimmt einige Tropfen des Reaktionsgemisches mit einer Pipette und versetzt sie in einem Reagenzglas mit Wasser. Nach dem Absitzen des Aluminiumhydroxyds wird von diesem abgegossen und etwas gelbes Ammoniumsulfid zugegeben. Solange Chloral anwesend ist, entsteht beim Aufkochen eine dunkelbraune Färbung.

Nachdem mit dieser Probe das Ende der Reaktion festgestellt ist, wird bei 120° der Alkohol abdestilliert und der Rückstand von Aluminiumtrichloräthylat nach dem Erkalten mit 60 ccm 4 n-Schwefelsäure zerlegt. Darauf destilliert man mit Wasserdampf und trennt im Destillat das ö l im Scheidetrichter ab. Die Wasserphase sättigt man mit Natriumsulfat und schüttelt sie dreimal mit wenig Äther aus. Öl und ätherische Lösung werden vereinigt, mit Natriumsulfat getrocknet und nach dem Abdampfen des Äthers wird der Trichloräthylalkohol i. V. destilliert. Sdp. 94—97% 25 . Schmelzp. 16—17°. Ausbeute etwa 8 0 % . Auf die Verwandtschaft der M e e r w e i n - P o n n d o r f s c h e n R e a k t i o n mit der von C a n n i z z a r o ist in Zusammenhang mit dieser bereits auf S. 194 hingewiesen worden. Auch ihre Umkehrung, die durch dieses Gleichgewicht gekennzeichnet ist, und die Dehydrierung eines gegen die üblichen Oxydationsmittel empfindlichen (ζ. B . ungesättigten) Alkohols hat erhebliche präparative Bedeutung (Methode von 1 M e e r w e i n und S c h m i d t , A. 444, 221 (1925). Diss, von B o c k , Königsberg 1926. 2 Das wasserfreie Chloral kann man sich aus Chloralhydrat durch Schütteln mit konz. Schwefelsäure, Trennung der beiden Schichten und Destillation darstellen; Sdp. 98°.

Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation

335

Oppenauer 1 ). Die Schwierigkeit, die Al-Verbindung des zu dehydrierenden Alkohols zu bereiten, umgeht man dadurch, daß man Al-teri.butylat oder -phenolat als Al-Überträger anwendet.

4. Oxydation von Malonester zu Mesoxalsäure-ester mit Selendioxyd 2 32 g Malonester und 22,5 g Selendioxyd werden mit 30 g Xylol unter Rückfluß 16 Stunden auf 130° erhitzt. Dann wird das Selen abfiltriert und gut mit Äther ausgewaschen 3 . Aus der mit Natriumsulfat getrockneten Äther-Xylol-Lösung d a m p f t man den Äther weg und fraktioniert den Rückstand i. V. Nach Übergehen des Xylols wird die Fraktion von 66—100° aufgefangen und einer zweiten Destillation unterworfen. Die dabei erhaltene Fraktion von 90—100° (12 mm) scheidet bei längerem Stehen an der Luft große, glasklare Kristalle von MesoxalsäureesterHydrat aus. Ausbeute 5 g. Nach Umkristallisieren aus Aceton Schmelzp u n k t 57°. Der der Clemmensen-Reduktion entgegengesetzte Prozeß, die Überführung von >CH 2 in >CO gelingt bei Ketonen mit Selen-dioxyd. So läßt sich, als einfachstes Beispiel, Aceton direkt zu Methylglyoxal oxydieren. Bei seiner mannigfachen Wirkungsweise wird dieses Oxydationsmittel neuerdings häufig angewandt.

5. Adipin-dialdehyd aus Cyclohexen durch Ozonisation 4 Die Ozonisation wird in einer 400 ccm großen, dünnwandigen Gaswaschflasche mit glockenförmig erweitertem Eintauchrohr oder Schraubengang ausgeführt. Zur Verbindung der Flasche mit dem Ozonisationsapparat ist an ihrer Einleitungsröhre ein Kniestück angeblasen, das über dem Gasaustrittsrohr des Ozonisators in eine Quecksilberdichtung eingetaucht werden kann. Man löst 12 g Cyclohexen (S. 100) in 140 ccm reinem, trockenem Essigester5 und bringt die Waschflasche mit der Lösung in ein Dewar-Gefäß oder in eine große Thermosflasche mit Aceton, das man durch langsames Eintragen von festem Kohlendioxyd auf —50 bis —70° abkühlt. Dann verbindet man mit dem Ozonisationsapparat. Bei Verwendung eines Ozonisators mit mindestens 5 Entladungsröhren kann man den ozonisierten Sauerstoff sehr lebhaft durchströmen lassen und die Ozonisation in 3—4 Stunden beenden. Wenn ζ. B. 20 Liter in der Stunde durchfließen und der Sauerstoff 5 Vol. °/0 Ozon enthält, ist die Absättigung des Cyclohexens in 4 Stunden erreicht. 1

Ree. 56, 137 (1937). R. Müller, B. 66, 1668 (1933). 3 Das Selen wird gesammelt und wieder auf Selendioxyd verarbeitet. 4 P. G. Fischer und K. Loewenberg, B. 66, 666 (1933). 6 Essigester wird viermal mit dem gleichen Volumen Wasser ausgeschüttelt,, über Chlorcalcium getrocknet und abdestilliert. 2

336

Oxydation mit Selendioxyd, Ozonisation

Es empfiehlt sieh sehr, vor Beginn des Versuches, etwa 10 Minuten nach dem Einschalten des Ozonisators, die in einer bestimmten Zeit austretende Ozonmenge jodometrisch zu ermitteln und die Stärke des Sauerstoffstromes mit einer Gasuhr oder einem Strömungsmesser zu kontrollieren.

Da eine Ü b e r o z o n i s a t i o n auf alle Fälle vermieden werden muß, wird vor Ablauf der berechneten Zeit eine zweite Waschflasche mit Kaliumjodid-Lösung hinter die erste geschaltet. Zur Verbindung verwendet man, wenn kein Schliff 1 vorhanden ist, einen langen, gebohrten Korkstopfen, der in geschmolzenes Paraffin getaucht wurde. An der eintretenden Weingelbfarbung der Kaliumjodidlösung erkennt man das Ende der Ozonisation. Die k l a r und d ü n n f l ü s s i g gebliebene Lösung des Ozonids wird noch kalt mit Hilfe von 0,5 g f r i s c h d a r g e s t e l l t e n Palladium-Trägerkatalysators (s. S. 330) hydriert. Man mäßigt die schnelle Aufnahme von Wasserstoff nach ihrem Einsetzen anfänglich durch Kühlen der Schüttelbirne mit Eiswasser und läßt sie schließlich unter Selbsterwärmung sich beenden. Nach etwa einer Stunde und Aufnahme von % der berechneten Menge Wasserstoff kommt die Hydrierung zum Stillstand. Die Lösung wird nun durch ein Faltenfilter abfiltriert. Weniger Wasserstoff wird gebraucht, wenn bei der Ozonisation nicht hinreichend gekühlt oder überozonisiert wurde. Die Gegenwart von polymerem Ozonid, das nicht hydriert wird, verrät sich dadurch, daß eine Probe des Rückstandes auf Zusatz von Äther eine F ä l l u n g gibt. Da sich das polymere Ozonid bei der nachfolgenden Destillation explosionsartig zersetzen kann, muß es entfernt werden. Man fügt Äther zu der Lösung und schüttelt durch, bis mit weiterem Äther keine Fällung mehr entsteht. Wenn sich nach kurzem Stehen das polymere Ozonid abgesetzt hat, gießt man die Lösung davon ab und verdampft den Äther. Das Lösungsmittel wird mit einem Fraktionieraufsatz bei 30—40° i. V. abdestilliert.

Der Adipinaldehyd wird durch Destillation i. V. aus einem kleineren Kolben mit Fraktionierkolonne gewonnen. Man erhält 7—9 g. Der reine Adipinaldehyd siedet bei 92—94°/12 mm, wird in Eiskochsalzmischung fest und schmilzt dann bei —8° bis —7°. Um ihn vor Autoxydation zu schützen, wird er unter Stickstoff oder C02 eingeschmolzen verwahrt. Beim Umgehen mit Ozoniden ist eine Schutzbrille zu tragen, da besonders die Ozonide von Körpern mit niederem Molekulargewicht oft explosiv sind. Sehr gefährlich ist ζ. B. B e n z o l t r i o z o n i d . Als L ö s u n g s m i t t e l zur Ozonisation organischer Substanzen eignen sich: H e x a n , C h l o r o f o r m , T e t r a c h l o r k o h l e n s t o f f , Ä t h y l c h l o Tid, E i s e s s i g und E s s i g e s t e r . I n den K o h l e n w a s s e r s t o f f e n und C h l o r v e r b i n d u n g e n sind viele Ozonide schwerlöslich und scheiden sich daher während der Ozonisation aus. 1 Zur Dichtung der Schliffe beim Arbeiten mit Ozon verwendet man nicht Fett, sondern an der Luft zerflossenes Phosphorpentoxyd oder Graphit.

Furfurol

337

XII. Naturstoffe 1. F u r f u r o l 1

300 g Kleie werden in einem 3-Liter-Kolben mit der Mischung von 150 ccm konzentrierter Schwefelsäure und 800 com Wasser verrührt. Man destilliert etwa 900 ccm Flüssigkeit ab, neutralisiert das Destillat mit Soda und sättigt es mit 250 g Kochsalz. Aus dieser Lösung werden wieder 300 ccm abdestilliert, die man nach dem Sättigen mit Kochsalz mit Äther extrahiert. Nach dem Trocknen wird der Äther verdampft und das Furfurol destilliert. Siedep. 162°. Ausbeute 5—7 g. Die P e n t o s e n verlieren beim Kochen mit Mineralsäuren 3 Molekeln Wasser und gehen in F u r f u r o l über: CHOH—CHOH HC I I - I I HOCHj CHOHCHO HC

CH II C-CHO

HC II HC

\ OH OH /

CH II C-CHO

\ υo /

Die beiden wichtigsten natürlichen Pentosen, 1 - A r a b i n o s e und d - X y l o s e , finden sich in der Natur als polymere Anhydride, sog. P e n t o s a n e , und zwar das „ A r a b a n " als Hauptbestandteil vieler Pflanzengummis (Kirschgummi, Gummi arabicum, Kleiegummi), das X y l a n im Holz. Durch Hydrolyse entstehen aus diesen Pentapolyosen zuerst die einfachen Pentosen, die dann durch genügend starke Säuren in Furfurol umgewandelt werden. So bildet sich auch bei der Verzuckerung von Holz (Cellulose) durch verdünnte Säuren dieser Aldehyd als Nebenprodukt. Das Furfurol zeigt als „tertiärer" Aldehyd große Ähnlichkeit mit Benzaldehyd und ist wie dieser der Acyloinreaktion (Furoin) und der Perkinschen Synthese zugänglich. Auch mit Ammoniak reagiert es gleichartig (S. 189).

Versuche: Man läßt Furfurol mit der 5-fachen Menge wäßrigen Ammoniaks kurze Zeit stehen ; die nach 3 Stunden vollständig ausgeschiedene Substanz schmilzt nach dem Umkristallisieren aus Alkohol bei 117°. Sie hat die dem Hydrobenzamid analoge Struktur. Mit essigsaurem Phenylhydrazin gibt schon eine verdünnte wäßrige Lösung von Furfurol fast sofort einen Niederschlag des Phenylhydrazons. Man reinigt die abgesaugte und getrocknete Substanz, indem man sie in wenig Äther löst und durch vorsichtigen Zusatz von Petroläther zur Kristallisation bringt. Schmelzp. 97—98°. Methode der quantitativen Bestimmung von Furfurol. Furfurol gibt zwei charakteristische F a r b r e a k t i o n e n , die zu seinem qualitativen Nachweis dienen. Mit P h l o r o g l u c i n und S a l z s ä u r e (1 Teil konz., 1 Teil Wasser) entsteht beim Kochen ein dunkelgrüner Niederschlag, mit A n i l i n a c e t a t lösung tritt schon in der Kälte Rotfärbung auf.

Man führe diese beiden Nachweisreaktionen aus. 1

22

S t e n h o u s e , A.35, 302 (1841); F o w n e s , A.54, 52 (1845). G a t t e r m a n n , Praxis, des organ. Chemikers. 36.Aufl.

Naturstoffe

338

Die Reaktion mit Anilin-Salzen ist gleichzeitig von Zincke und D i e c k m a n n 1905 aufgeklärt worden. Es wird dabei der Furanring „aminolytisch" aufgespalten und daneben aus dem Aldehyd das Anil gebildet. CH—CH

CH H

H

CH=CH-

C—CHO

HjC.NH

OH

O

Die F a r b s t o f f e sind Salze des a - O x y - g l u t a c o n d i a l d e h y d - d i a n i l s obiger Formel; statt H 6 C e N H C H = C H — kann ebensogut H 6 C 6 -N=CH—CH 2 — formuliert werden; dann werden die Beziehungen zur G l u t a c o n s ä u r e HOOC-CH 2 CH:CHCOOH bzw. ihrem Aldehyd deutlicher. In der Hitze spalten die farbigen Salze eine Mol. Anilin ab und gehen in quartäre /?-Oxy-pyridiniumsalze über:

H κν HC



CjHJHN—HC

COH

I



CH

H-/

II

.oh ι

+ c,h6nh2

Vw/' ClW

CeH6

Yersuch 1 : 2 com Anilin werden mit 1 com konzentrierter Salzsäure versetzt und mit Alkohol auf 10 ccm aufgefüllt. Man gibt dazu die Lösung von 1 ccm Furfurol in 8 ccm Alkohol und erwärmt kurze Zeit. Beim Erkalten scheidet sich in feinen Nadeln der violette Farbstoff ab, der abgesaugt und mit wenig Alkohol und Äther nachgewaschen wird. 2. d-Glucose aus Rohrzucker 2 Die Mischung von 750 ccm Sprit, 30 ccm rauchender Salzsäure (D. 1,19) und 30 ccm Wasser wird auf 45—50° erwärmt. Bei dieser Temperatur trägt man unter stetem Umschütteln portionsweise 250 g reinen, fein gepulverten Rohrzucker („Staubzucker") ein, der vollständig in Lösung gehen muß. Beim Erkalten scheidet sich die gebildete d-Glucose — die d-Fructose bleibt gelöst — als zähes Harz ab, in das man nun einige dg wasserfreier Glucose einimpft. Häufiges Reiben mit dem Glasstab befördert die Kristallisation, die immerhin mehrtägiges Stehen erfordert. Dann ist die Abscheidung zu einem fast farblosen, fein kristallinen Pulver geworden, das man an der Pumpe absaugt und alsbald wieder in 20—25 ccm heißem Wasser löst; in der Wärme fügt man absol. Alkohol bis zur Trübung hinzu (120—150 ccm) und läßt unter Umrühren und 1

S t e n h o u s e , A. 156, 199 (1870). » S o x h l e t , J. pr.21, 245 (1880).

Spaltung von Rohrzucker durch Saccharase (Invertin)

339

Animpfen erkalten. Vor dem Absaugen bleibt die Kristallisation über Nacht stehen und wird dann abgesaugt, mit Alkohol gewaschen und im Vakuumexsiccator scharf getrocknet. Ausbeute 50—60 g. Schmelzp. 146°. 3. Spaltung von Rohrzucker durch Saccharase (Invertin) a) B e r e i t u n g der E n z y m l ö s u n g 1 . 50 g Preßhefe werden in einem kleinen Filtrierstutzen mit Hilfe eines dicken Glasstabs mit 5 ccm Toluol bei 30° so lange verrührt, bis die Masse ganz dünnflüssig geworden ist, etwa % Stunden. Der dünne Brei, der auf diese Weise infolge Autolyse der Hefezellen entstanden ist, wird, mit 50 ccm Wasser von 30° verdünnt, eine Stunde lang bei dieser Temperatur gehalten. Dann füllt man in einem 250 ccm-Erlenmeyerkolben mit Wasser auf 150 ccm auf, schüttelt mit etwas Kieselgur kräftig durch, saugt auf mittlerer Nutsche unter schwachem Unterdruck rasch ab, und wäscht nochmals mit 50 ccm Wasser von 30°. Das Filtrat, das zwar etwas Invertin, in der Hauptsache aber andere Inhaltsstoffe der Hefezelle enthält, die durch diese Maßnahme beseitigt werden sollen, wird verworfen. Den Filterrückstand schlämmt man mit 50 ccm Wasser gut auf, fügt einige Tropfen Toluol hinzu und läßt diesen Ansatz zur F r e i l e g u n g des E n z y m s 15 Stunden lang bei ungefähr 30° stehen. Hierauf wird der dünne Brei zur Beseitigung von unwirksamem Eiw eiß unter tüchtigem Umrühren mit so viel η/^-Essigsäure versetzt, bis (mit einer Probe) Methylrot eben umschlägt (pH = 4), dann wird wie oben filtriert, wenn nötig nach Durchschütteln mit wenig Kieselgur. Das Filtrat wird mit verdünntem Ammoniak gegen Lackmus neutral gemacht und ist so, durch etwas Toluol geschützt, mehrere Tage unverändert haltbar. b) Die I n v e r s i o n . In einem 250-ccm-Meßkolben löst man 40 g Rohrzucker in 200 ccm Wasser, fügt 25 ccm 10-proz. NaH2POi-Lösung zu und erwärmt in einem geräumigen Wasserbad (oder Thermostaten) auf 30°. Jetzt setzt man 10 ccm der nach a) bereiteten Enzymlösung hinzu und bestimmt die Zeit, zu der die Pipette ausgelaufen ist, füllt sofort den Inhalt des Meßkolbens mit Wasser von 30° bis zur Marke auf, schüttelt um und entnimmt, die Zeit wie kurz zuvor bestimmend, die erste Probe von 25 ccm zur Drehwertsmessung. Die Probe läßt man jeweils in 5 ccm 2 n-Sodalösung einlaufen, um die Enzymwirkung anzuhalten und gleichzeitig die „Mutarotation" (S. 346) zu beschleunigen. Nach Schütteln mit wenig Tierkohle wird durch ein trockenes Filter gegossen und die klare Lösung im 2 dm-Rohr polarimetriert. Jeweils 3 Ablesungen, davon Mittelwert. Aus der bei 30° weiter reagierenden Stammlösung entnimmt man während der 1. Stunde nach Versuchsbeginn alle 20, während der 2. Stunde alle 30 Minuten eine Probe zur Polarimetrierung. Innerhalb 1

23*

W i l l s t ä t t e r , Schneider und B a m a n n , H. 147, 264 (1925).

340

Naturstoffe

dieser Reaktionsdauer wird die Schwelle der Inversion, die durch den Nullwert der Drehung gegeben ist, meist überschritten. Dies bedeutet einen Spaltungsgrad von rund 75 % des eingesetzten Rohrzuckers. Wenn man auf mm-Papier die Drehwerte auf der Ordinate gegen die Zeit (Abscisse) aufträgt, so erhält man durch Verbindung der beobachteten Werte eine in ihrem zeitlichen Verlauf flacher werdende, l o g a r i t h m i s c h e K u r v e , die die Ordnung der untersuchten Reaktion als m o n o m o l e k u l a r andeutet. Aus ihrem Schnittpunkt mit der Geraden, die der Drehung 0° entspricht, kann man die „Nulldrehungszeit" ablesen, die ein gewisses Maß f ü r die Wirksamkeit der bereiteten Enzymlösung gibt. Der Verlauf der Kurve läßt bereits erkennen, daß das logarithmische Zeitgesetz nicht streng gewahrt ist. Trägt man nämlich 1 f 3 des Anfangsdrehwerts, der durch den Schnittpunkt der Kurve mit der Ordinate gegeben ist, unterhalb der Nulldrehung auf der Ordinate auf, so läßt sich die Zeit, in der der Endwert der Inversion erreicht wird, graphisch ermitteln. Man prüfe nun, ob K o n s t a n z d e r H a l b w e r t s z e i t besteht, indem man die Zeit, in der die Drehung um die Hälfte zurückgegangen ist, auf der Kurve abliest und dann ermittelt, ob in den folgenden gleich großen Zeitabschnitten die Drehung jeweils wieder um den halben Betrag zurückgeht. Da die Drehungsabnahme direkt proportional geht mit der Inversion des Rohrzuckers, so dient sie direkt als Maß der Reaktionsgeschwindigkeit. Man setze die gemessenen Drehwertsänderungen und die dazu gehörige Zeit in die nachstehende Gleichung f ü r Reaktionen erster Ordnung ein und berechne jeweils die Konstante k. =

log [oit!

o c , ] — log [at, — · A' + 'Β . Die Bruchstücke besitzen eine unvollständige Elektronenschale, sind infolgedessen recht energiereich; das ungepaarte Elektron ist das Kennzeichen des radikalischen Zustandes. 25*

388

Einführung in die Elektronentheorie d. organ. Verbindungen usw.

Neben dieser Radikal-Dissoziation bietet die einseitige Beanspruchung des bindenden Elektronenpaares eine zweite Möglichkeit : A : Β • A:(—) + B(+>. Die zur Entkoppelung des Elektronenpaares erforderliche Energie wird dabei gespart, es bedarf aber eines Energieaufwandes zur Trennung der elektrischen Ladungen: Ionenreaktion! In Lösungsmitteln, die eine hohe Dielektrizitätskonstante besitzen und Ionen zu solvatisieren vermögen (polare Lösungsmittel), genießt allgemein der Ionenmechanismus einen gewissen Vorzug. Diese prinzipiellen Möglichkeiten eines Verlaufs über Ionen oder Radikale bestehen auch für Additions-, Substitutions- und Abspaltungsreaktionen. Die experimentelle Sicherstellung von Reaktionen, die über kurzlebige ionische Zwischenstufen verlaufen, auch wenn die Reaktionsteilnehmer keinerlei Ionenbindung enthalten, verdankt M e e r w e i n („KryptoIonen") entscheidende Beiträge 1 ; den innermolekularen Umlagerungen in der Campherreihe kam hier historisch eine besondere Rolle zu. Wenn man bei einer Reaktion eine Beschleunigung durch polare Lösungsmittel sowie durch katalytische Mengen von Säuren, Alkalien, Metallhalogeniden u. dgl. feststellt, liegt darin ein untrügliches Kriterium für einen polaren Mechanismus. Die üblichen Methoden des Nachweises und der Charakterisierung elektrisch geladener Teilchen in Lösung wie Leitfähigkeitsmessung und Überführungsversuch versagen hier völlig. Die Ionen der Kohlenstoffverbindungen treten meist entweder gar nicht wirklich frei auf oder entziehen sich durch ihre Kurzlebigkeit dem Nachweis. Um im Rahmen dieses Abrisses einen Einblick in die Vorstellungswelt der modernen Theorien über Reaktionsmechanismen zu vermitteln, sei als Beispiel die Substitution am gesättigten wie am aromatischen Kohlenstoffatom herausgegriffen. Die heute allgemein übliche Klassifizierung der Substitutionsvorgänge geht auf R o b i n s o n und I n g o l d zurück; die Schule des letzteren hat mit reaktionskinetischen Untersuchungen wesentlich zur Klärung des recht verwickelten Problems beigetragen. Maßgebend ist danach die Herkunft der Bindungselektronen, die die Bindung des neuen Substituenten an das Zentralatom vermitteln. Y + R—X

> Y—R + X

sei das allgemeine Schema der Substitution am aliphatischen Kohlenstoffatom, wobei R einen beliebigen Kohlenstoffrest, X und Y den alten und den neuen Substituenten bedeuten. Bringt der Substituent Y das bindende Elektronenpaar mit, dann beansprucht er eine Oktettlücke am Kohlenstoff; letztere wird dadurch geschaffen, daß X unter Mitnahme der Bindungselektronen austritt. Diesen Typus bezeichnet man als „ n u c l e o p h i l e " Substitution, Y als nucleophiles Reagens. Sucht Y dagegen an dem Elektronenpaar anteilig zu werden, das der frühere Substituent X zurückgelassen hat, so redet man von einem „ e l e k t r o p h i l e n " Reagens, bzw. einer elektrophilen Substitution. Die dritte Möglichkeit, bei der 1

A. 455, 227 (1927).

Reaktionsmech anismeii

389

Y über eine ungerade Elektronenzahl verfügt, ein Elektron zur neuen Bindung beisteuert, X natürlich auch bei seinem Austritt ein Einzelelektron des Bindungsdubletts zurückläßt, kennzeichnet die radik a l i s c h e Substitution. Bei der Mehrzahl der Substitutionsvorgänge erfolgen Austritt des alten und Eintritt des neuen Substituenten nicht nacheinander, sondern gleichzeitig. Am Elementarakt, der die Reaktionsgeschwindigkeit bestimmt, durch die Annäherung des neuen Substituenten eingeleitet, sind also beide Reaktionsteilnehmer beteiligt: Die Reaktion ist „bimolekular". Die Geschwindigkeit ist proportional der Zahl der Stöße von Y mit R—X, damit proportional dem Produkt von deren Konzentrationen. Nahezu jede chemische Reaktion erfordert in der Primärphase eine Energiezufuhr. Die Höhe dieser Energieschwelle, der sog. Aktivierungsenergie, ist maßgebend für den Geschwindigkeitsablauf einer Reaktion. Es ließ sich nun auch rechnerisch dartun, daß ein Substitutionsvorgang mit der vorübergehenden Bildung eines Dreierkomplexes Y - - - R - - - X eine weit geringere Energieschwelle zu überwinden hat als etwa mit einer vorhergehenden Dissoziation der alten Bindung R — X (Polanyi). Bei einem solchen Vorgang ist also keine Bindung von voller normaler Stärke zu lösen. Als günstigster Reaktionsweg in räumlicher Hinsicht (kleinste Aktivierungsenergie) ergibt sich der, bei dem sich der neue Substituent der Molekel von der Gegenseite zum alten her nähert, wie es etwa am Beispiel einer nucleophilen Substitution, der alkalischen Verseifung des Methyljodids, illustriert sei: H _(-) H\ /Η _ Η HO ¿ J HO I + H-7C—-J HO—C¿-H + |J| / \ ~ Ή/ H H J Die Annäherung des neuen und die Entfernung des alten Substituenten ist dabei am Tetraedermodell von einer Spreizung und einem Umklappen der drei restlichen Bindungen des zentralen Kohlenstoffatoms begleitet, dem Umschlagen eines Regenschirms im Sturm vergleichbar. Denkt man sich an die Stelle der drei Wasserstoffatome der Methylgruppe drei verschiedene Substituenten R 1 ; R 2 und R 3 , dann ergibt sich, daß der Substitutionsvorgang mit einer konfigurativen Umkehr am Asymmetrie Zentrum verbunden ist (Formulieren! Am Tetraedermodell studieren!). Im Einklang mit dieser Voraussage hat sich gezeigt, daß die bimolekulare nucleophile Substitution (S N 2 nach I n g o l d ) , soweit sie dem einfachen Schema entspricht, stets von „ W a l d e n - U m k e h r " (Lehrbücher!) begleitet ist (Meisenheimer). Im Gegensatz zur alkalischen Verseifung der Methylhalogenide ist die des Λ-Phenyl-äthylchlorids C6H6—-CHC1—CH3 von der Konzentration der Hydroxylionen unabhängig. Hier ist die Reaktionsgeschwindigkeit nur der Konzentration des Halogenids proportional, die Reaktion ist „monomolekular". Die Förderung der Reaktion durch polare Lösungs-

390

Einführung in die Elektronentheorie d. organ. Verbindungen usw.

mittel legt den Gedanken nahe, daß hier eine Ionendissoziation nach dem Schema R—X >• R(+> X(—> die langsamste Reaktionsstufe darstellt, der eine schnelle Vereinigung des organischen Kations mit dem nucleophilen Reagens Y folgt. Vorbild für diese Annahme bietet die schon lange bekannte elektrolytische Dissoziation des Triphenylchlormethans in hochpolaren Lösungsmitteln (Waiden). Neuere Untersuchungen zum Feinmechanismus dieser monomolekularen nucleophilen Substitution, die bei phenylsubstituierten und tert. aliphatischen Halogeniden vorherrschend ist, haben allerdings ergeben, daß das Alkylkation („Carboniumion") niemals frei auftritt. Die Bezeichnung „Solvolyse." ( H a m m e t t ) für diesen komplizierten Reaktionstyp deutet die aktive Beteiligung des Lösungsmittels an. Über den sterischen Ablauf dieses Substitutionstyps läßt sich keine exakte Voraussage machen; optisch aktive Substanzen pflegen dabei teilweise racemisiert zu werden. Elektrophile Substitutionen am gesättigten Kohlenstoffatom sind ziemlich selten, stellen jedoch das Hauptkontingent der Substitutionen ungesättigter und aromatischer Verbindungen. Die Deuterierung organischer Verbindungen, d. i. der Austausch beweglichen Wasserstoffs gegen Deuterium, sowie die Decarboxylierung mögen hier als Beispiel genügen. Sehr häufig finden sich im Reaktionsgeschehen mehrere Elementarakte hinter- oder nebeneinander geschaltet. Als Beispiel sei etwa die Reaktion von Alkyljodid in wäßrig-alkoholischer Lösung mit Silbernitrat erwähnt, bei der das organisch gebundene Jod als Silberjodid niedergeschlagen wird. Der erste Schritt besteht in der kovalenten Vereinigung des Silberions mit dem Jod, bei der, vom Jod aus betrachtet, eine elektrophile Substitution vorliegt gemäß (I). Das Silberion beansprucht nämlich ein freies Elektronenpaar des Jods ; der alte Substituent, hier der AlkylAg(+) + J—R —• Hi + R(+) + H 2 0 — • H

Ag—J + R (I) R—OH + H(+) (II)

rest, tritt unter Zurücklassung der Bindungselektronen als Kation aus. Dieses Kation tritt gar nicht frei auf, sondern reagiert momentan mit Wasser unter Alkoholbildung weiter nach (II). Vom Alkylrest aus handelt es sich um eine nucleophile Substitution, eine durch das Silberion geförderte Solvolyse. Verfolgt man schließlich das Schicksal der Wassermolekel, so ist unschwer zu erkennen, daß der Austausch eines H ( + ) gegen R(+> dem Schema der elektrophilen Substitution entspricht. Radikalische Substitutionen liegen etwa in der Photochlorierung von Kohlenwasserstoffen vor. Unter der Einwirkung des Lichtes wird zunächst eine Chlormolekel in zwei Atome gespalten (1). Diese Chloratome, CL¡ 2 Cl' (1) Cr + H—R —• Cl—H + R· (2) R· + CI—Cl —» Cl—R + Cl' (3)

Reaktionsmechanismen

391

die ein ungepaartes Elektron, das Kennzeichen des Radikals enthalten, entreißen dem organischen Substrat Wasserstoff. Das verbleibende Alkylradikal spaltet, richtiger substituiert eine Chlormolekel nach (3). Das gebildete Chloratom geht wieder in das zweistufige Reaktionsschema ein, das sich kettenartig wiederholt, bis das Chloratom in einer Kettenabbruchs-Reaktion anderweitig verbraucht wird. Auch bei der Radikalsubstitution gibt es neben dem bimolekularen einen monomolekularen Typus. Der zum Triphenyljodmethan führenden Reaktion von Hexaphenyläthan mit Jod geht die Dissoziation des Äthans in freie Radikale als geschwindigkeitsbestimmende Stufe voraus. Der modernen Theorie der a r o m a t i s c h e n S u b s t i t u t i o n sei einer der klassischen Deutungsversuche vorangestellt, da auf diese Weise Gemeinsames und Trennendes alter und neuer Theorien beleuchtet wird. Nach T h i e l e reagieren Olefine und aromatische Verbindungen grundsätzlich gleichartig. Der Bromaddition des Äthylens wird die des Benzols zur Seite gestellt. Da in diesem hypothetischen Benzol-dibromid die „aromatische Natur", bestehend im cyclischen Ausgleich der Partialvalenzen, aufgehoben ist, strebt das System nach dessen rascher Rückgewinnung, die mit der Abspaltung von BromWasserstoff erzielt wird.

+ HBr

Daß im Falle des Anthracens und Phenanthrens unter bestimmten Bedingungen 9,10-Dibromide erhalten werden können, die unter HBrAbgabe in die Substitutionsprodukte übergehen, kann als starke Stütze dieser Theorie betrachtet werden. Wenn man von der Schwierigkeit, die Aktivität des Bromierungskatalysators näher zu detaillieren, absieht, ergibt sich für die Theorie an entscheidender Stelle eine Schwäche. Die Hydrierungswärmen haben gelehrt, daß das Benzol um 36 kcal energieärmer ist, als es die Doppelbindungsschreibweise wiedergibt (S. 383). Da im Benzoldibromid als einem Cyclohexadien-Derivat von der hohen Mesomerie-Energie des Benzols nur noch knapp 5% erhalten geblieben sind, müßte also die Benzolmolekel bei einer solchen Addition aus der Energiemulde von S. 383 herausgehoben werden. Nur sehr energiereiche und aktive Reagentien sind in der Lage, zusätzlich zur normalen Aktivierungswärme einer Addition an eine Doppelbindung auch noch die hohe Resonanzenergie des Benzolkerns aufzubringen. So vermögen Ozon, Diazoessigester, aber auch die durch Licht angeregte Brommolekel (gegen 60 kcal /Mol energiereicher als der Grundzustand) das Benzol zur Reaktion in der Doppelbindungsformel zu zwingen. Bei dieser Photohalogenierung darf man evtl. das Benzoldibromid bzw. -dichlorid als

392

Einführung in die Elektronentheorie d. organ. Verbindungen usw.

Zwischenstufe vermuten, durch die schnelle Absättigung mit Halogen in die stabilen Endprodukte Hexachlor- bzw. Hexabrom-cyclohexan übergehend. Der nichtangeregten Halogenmolekel ist dagegen die Fähigkeit, den Primärschritt zu leisten, abzusprechen. Zu einem neuen Ansatz verhilft uns eben die vielbetonte Analogie von Olefinen und aromatischen Verbindungen. Für die Halogenaddition sah das klassische Bild unter Lösung der Halogenbindung die gleichzeitige Anlagerung zweier Halogenatome an die olefinische Doppelbindung vor. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die Bromatome, wenn sich die Brommolekel der Ebene der Doppelbindung von einer Seite nähert, in räumlicher Nachbarschaft an den ungesättigten Kohlenstoffatomen verankern müssen, wie es das Bild der cis-Addition wiedergibt. Aus Maleinsäure sollte so die meeo-Dibrombernsteinsäure (optisch inaktiv wegen Symmetrieebene) entstehen, während aus der stereoisomeren Fumarsäure die der d,l-Weinsäure entsprechende racemische Dibrombernsteinsäure zu erwarten war. Das Experiment Br H H—C—C-—COOH wnnp/ \-Rr H00C

Br

Br ns

H\c=CC(OH)—C(Br)C(OCH3)—C(Br)C=C< + Br—Br XR„ R,/

R/

>c

c/

+ _ (—) + IBrl

R, Br ι 1/Ει > R2—c—c< x R, I Br (OH) Danach nimmt die Doppelbindung zunächst ein positives Bromteilchen auf, wobei eine Dreiring-Formulierung des primären Kations günstig erscheint (weiter unten wird eine andere gewählt). Bei Annäherung eines Brom-anions oder auch eines Hydroxylions von der Gegenseite — so verlangt es die bimolekulare nucleophile Substitution — entsteht das

Reaktionsmechanismen

39$

Produkt der trans-Addition. Es muß allerdings hinzugefügt werden, daß die Bromaddition der Olefine im unpolaren Lösungsmittel oder in der Gasphase vorwiegend einem radikalischen Chemismus folgt. Die Übertragung eines solchen Stufenmechanismus auf die aromatische Substitution erscheint um so näherliegend, als analoge bromhaltige Kationen in der Reihe des 1,1-Diphenyl-äthylens als Zwischenprodukte der Substitution isoliert werden konnten 1 . Addition und Substitution stimmen in der ersten Reaktionsstufe überein, wie wieder die Bromierung als Beispiel zeigt; im ersten Fall wird sekundär ein Anion angelagert, im zweiten ein Proton abgespalten. Br Br R

\¿_C

r /

Br

/ H

H

, Addition +Br(-)

E

\olc/

b /

H

Substitution a

\H

—H+

R

\

c = c

/

B r

b /

Auch die Benzolbromierung wird von der Anlagerung eines Bromkations eingeleitet. Dieses Teilchen tritt allerdings nie frei auf. Der Halogenierungskatalysator Eisenbromid hat die Tendenz, seine Koordinationslücke mit einem B r - unter Bildung des komplexen Ions (FeBr 4 )~ zu schließen. Das FeBr 3 vermag nun eine Brommolekel derart zu polarisieren, daß das benachbarte Br negativiert wird, das entferntere mit einer kleinen positiven Ladung in Erscheinung tritt. Zwischen einer solchen aktivierten Brommolekel und dem Benzol kommt es zu einer Wechselwirkung, die dem Übergang eines Bromkations entspricht. H Br

H Br

C+>/\

H Br

Br

+ H

In diesem primären Addukt läßt sich die positive Ladung — es liegt ein Elektronensextett vor — nicht lokalisieren. Die angegebenen Möglichkeiten sind mesomere Grenzformeln. Die in diesem Übergangszustand auftretende Mesomerie-Energie vermag nun die Molekel weitgehend für den Verlust an aromatischer Resonanz zu entschädigen, die Schwelle der Aktivierungsenergie überwindbar zu machen ( I n g o l d , W h e l a n d ) . Mit dem Austritt eines Protons wird der aromatische Zustand wiederhergestellt. M e e r w e i n (1925) war wohl der erste, der solche Kationen als Übergangszustand der Kernsubstitution annahm. Das Bromteilchen tritt mit Elektronensextett, also als elektrophiles Agens, in das Benzol ein. Dem gleichen Schema einer elektrophilen Substitution gehorchen auch die Nitrierung, Sulfurierung sowie die Acylierung und Alkylierung (nach F r i e d e l - C r a f t s ) des Benzolkerns. Kurz sei noch auf die Orientierungsregeln der Zweitsubstitution eingegangen, zu deren Klärung zwei Substituenteneffekte, ein induktiver und ein me1

P f e i f f e r und Wizinger, A. 461, 132 (1928).

394

Einführung in die Elektronentheorie d. organ. Verbindungen usw.

« omerer, ausreichen. Vorhandene Substituenten erster Ordnung (Halogen, Alkyl, —OH, —OR, —NH¡¡, —NR 2 , —NH—CO—R u. a.) lenken die elektrophile Substitution in die o- und p-Stellung; solche, die den Zweitsubstituenten nach meta dirigieren, nennt man Substituenten zweiter 0 Ordnung (—N0 2 , — S 0 3 H , —CHO, —COOH, —CO—R, —CN, —NR S u. a.). Es handelt sich hier lediglich um Phänomene der Reaktionsgeschwindigkeit; charakteristisch ist nämlich bei der genannten Substituentenlenkung, daß ein Substituent erster Ordnung meist die Zweitsubstitution erleichtert, ein solcher zweiter Ordnung sie stets im Vergleich zum Benzol erschwert. Durch induktiven Effekt (ein elektrostatischer Effekt, der Polarität der Bindung des Substituenten an den Kern entspringend) begünstigt oder erschwert ein Substituent das Auftreten der positiven Ladung an seinem Kernkohlenstoffatom im Übergangszustand, erniedrigt oder erhöht damit die Aktivierungsenergie der Zweitsubstitution. Wesentlich bestimmender noch ist der mesomere Substituenteneffekt. Halogen, Hydroxylund Aminogruppe sowie ihre funktionellen Derivate vermögen ein freies Elektronenpaar in die Mesomerie einzubeziehen(S. 386), damit im Übergangszustand der Zweitsubstitution die positive Ladung zu übernehmen. So enthält der Übergangszustand für die p-Bromierung des Phenols neben den „Carbonium-Strukturen", die die positive Ladung auf dem Kohlenstoff tragen, auch eine „Oxonium-Struktur" mit dreibindigem Sauerstoff: OH 1

IÖ"—Η I

I

Ι O—H I

IÖ"—Η

ΙΟ—H II

OH I

/ \ / \ /\ / \ I H Br H Br H Br H Br Br Da die Oxoniumstruktur über eine zusätzliche Bindung verfügt — alle Atome besitzen Elektronenoktetts — ist sie besonders energiearm und senkt durch ihre Beteiligung am mesomeren Übergangszustand dessen Energieniveau erheblich. Wie für die p-, so existiert auch für die o-Substitution eine analoge Oxoniumstruktur, nicht aber für. die m-Bromierung. Der außerordentliche Vorzug der o, p-Bromierung des Phenols entspringt also der Verringerung der Aktivierungsenergie durch Einbeziehung der Oxoniumstruktur in den Übergangszustand. Es gibt eine Reihe von elektrophilen Reagentien, die mit Benzol selbst nicht reagieren, sondern zur Reaktion der Anwesenheit von Substituenten mit starkem mesomeren Effekt bedürfen. Hierher gehören die salpetrige Säure oder das Benzoldiazonium-ion bzw. die undiss. Diazoverbindung, die bevorzugt aromatische Amine und Phenole substit xiieren (Nitrosierung, Azokupplung) :

Reaktionsmechanismen

395

Als weiteres Beispiel sei die Bromierung des Nitrobenzols gewählt. Die Nitrogruppe, wie die meisten Substituenten zweiter Ordnung, entfaltet einen mesomeren Effekt entgegengesetzter Richtung, vermag ein Elektronenpaar aus dem Kern herauszuziehen. Am Grundzustand des Nitrobenzols sind Grenzformeln der Typen I und I I beteiligt: o ( ->

' W 1

o

Λ II

Π υ

II

III

H Br

Die polaren Strukturen geben auch hier Anlaß zu einer Extra-mesomerieenergie. Da der eintretende elektrophile Substituent ein freies Elektronenpaar am Kohlenstoff benötigt, fördert der mesomere Effekt die Substitution hier nicht; ja, die bei der ο,ρ-Substitution auftretende Struktur I I I ist wegen der ungünstigen Ladungsverteilung energiereicher (induktiver Effekt), vermindert also die Mesomerieenergie des Übergangszustandes, vereitelt die o,p-Substitution; lediglich die m-Substitution wird „geduldet". Zur nucleophilen Substitution, bei der der eintretende Substituent das freie Elektronenpaar mitbringt, besitzt das Benzol wenig Neigung. Substituenten zweiter Ordnimg begünstigen mit ihrem mesomeren Effekt die Bildung des Ubergangszustandes derartig, daß die nucleophile Substitution möglich wird. So wird Nitrobenzol in der Alkalischmelze, also unter dem Angriff des Hydroxylions, in o- und p-Nitrophenol übergeführt. Wie die Grenzformeln des Übergangszustandes zeigen, vermögen (

N0 2 I I

NO-, I

. j\0H < '

» [.

j\OH „

NO,, l / \ / H |\0H „ II

->0 x (+)/0 ( -> II I I j\OH

Λ-)

nur die o- und p-Stellung von dieser Förderung der nucleophilen Substitution zu profitieren. Zu den nucleophilen Substitutionen gehört auch

396

Verschiedenes

die alkalische Verseifung von kerngebundenem Halogen, der die Halogenbenzole nicht (bzw. nur unter extremen Bedingungen), wohl dagegen o- und p-Nitrochlorbenzol, auch o-Chlorbenzoesäure usf. zugänglich sind. Da der mesomere Effekt der Substituenten erster und zweiter Ordnung entgegengesetzte Richtung zeigt, ist es wohl verständlich, daß die Orientierungsregeln für die elektrophile und nucleophile Substitution einander reziprok sind. Wer sich über den Rahmen dieses knappen Abrisses hinaus mit den modernen Theorien der organischen Chemie zu befassen wünscht, findet Vertiefung und Erweiterung in folgenden Schriften: B. E i s t e r t , Chemismus und Konstitution, 1948; W. H ü c k e l , Theoretische Grundlagen der organischen Chemie, 7. Aufl. 1954; L. P a u l i n g , The Nature of the Chemical Bond, 2. Aufl. 1948; G. W . W h e l a n d , The Theory of Resonance, 1944; M. J. S. D e w a r , Electronic Theory of Organic Chemistry, 1949. C. K . I n g o l d , Structure and Mechanism in Organic Chemistry, 1953. P. Verschiedenes Kurze Anleitung zur Benutzung der organisch-chemischen Literatur Die zahlreichen Kohlenstoffverbindungen — es gibt ihrer mehr als 450000 — sind in der chemischen Sammelliteratur so wohl geordnet, daß es nur geringe Mühe macht, sich über irgendeine Substanz zu unterrichten. Da der Praktikant recht bald, spätestens aber bei Ausführung der Literaturpräparate, in der Handhabung der Bibliothek Beseheid wissen sollte, geben wir hier einige Richtlinien zur Erlernung dieser Fertigkeit. Alle durch ihre physikalischen Konstanten und durch Analyse genügend charakterisierten Verbindungen sind in dem Riesenwerk des „ B e i l s t e i n " in systematischer Anordnung zusammengestellt. Die I V . Auflage besteht aus dem Hauptwerk, das in 31 Bänden die Literatur bis zum Jahr 1910 umfaßt. Der Inhalt des I . Ergänzungswerkes reicht bis zum Jahr 1920 und verteilt sich auf 27 Bände. Vom I I . Ergänzungswerk, das die Literatur bis 1930 berücksichtigt, liegen jetzt 24 Bände vor. Jeder Band des „Beilstein" enthält ein eigenes Register; die einzelnen Register sind in einem Generalregister für Hauptwerk und I. Ergänzungswerk zusammengefaßt. Außerdem kann man sich über Existenz und Art eines nur nach der Zusammensetzung bekannten Stoffes durch das dem Generalregister angeschlossene F o r m e l r e g i s t e r unterrichten, in dem auf Hauptwerkund I . Ergänzungswerk verwiesen wird. Die Verbindungen sind darin eingeteilt nach der Anzahl der C-Atome in der Molekel, in numerischer Reihenfolge von Cj ab aufwärts. In den einzelnen Gruppen kommen zuerst diejenigen Abkömmlinge, die außer C nur ein weiteres Element enthalten, und zwar in der Reihenfolge H ,

Kurze Anleitung zur Benützung der organisch-chemischen Literatur

397

Ο, N, Halogen, S, P, As; dann die mit 2, 3 und mehr andersartigen Elementen, wobei die Rangordnung die gleiche bleibt. Will man sich beispielsweise über eine Verbindung C g H,0 2 Cl unterrichten, so hat man die Reihe C8 aufzuschlagen. Die nähere Bezeichnung in den oberen Ecken der Seiten führt zur Gruppe 8 I I I , d. h. zu der Liste der organischen Verbindungen, die neben 8 C-Atomen noch 3 andere Elemente enthalten. Die Anordnung der bekannten Verbindungen C8 I I I nach steigender Anzahl der Begleit-Elemente (H und 0) erlaubt dann leicht, die, die wir suchen, aufzufinden. Die Registrierung der seit 1922 beschriebenen organischen Verbindungen nach dem bisherigen System hat das C h e m i s c h e Z e n t r a l b l a t t übernommen. Die Generalregister von 1922—1924, 1925—1929, 1930—1934 und von 1935—1939 setzen das ordnende Werk fort. Die Hinweise beziehen sich hier auf die Referate im Chem. Zentralblatt selbst. Jeder Jahrgang des Chem. Zentralblatts von 1922 ab enthält auch ein Formelregister über die gesamte Literatur des betr. Jahres, über die dieses großartig angelegte Werk referiert hat. Diese Formelregister werden zu jeweils fünf Jahrgängen zu Generalregistern zusammengezogen und dienen im einzelnen dem Nachschlagedienst über den Bereich des jeweiligen letzten Generalregisters hinaus. Für die Jahre 1920 und 1921 findet man ein Formelregister im V. Band des Literaturregisters für organische Chemie von R. S t e l z n e r . Die Information über die Literatur des Zeitraums nach 1939 ist leider recht schwierig. Das Zentralblatt — bedauerlicherweise fehlen noch eine Reihe Registerbände — referiert hier nur die deutsche Literatur vollständig. Die fremdsprachige findet sich wohl nur in den C h e m i c a l A b s t r a c t s , dem amerikan. Dokumentationswerk, einigermaßen lückenlos erfaßt. G e w i s s e n h a f t e s L i t e r a t u r s t u d i u m ist für den Organiker unerläßlich. Nach kurzer Übung wird die Mühe des Nachschlagens unerheblich und der Gewinn einer ausgiebigen Literaturkenntnis ist ein ganz außerordentlicher. Sie bewahrt den Praktikanten davor, sich bei der Darstellung eines Stoffes mit unbrauchbaren Methoden abzuplagen, weil er eine gute in der Dunkelheit einer nicht aufgeschlagenen Stelle des Systems hat liegen lassen. Der Gefahr, bereits bekannte Verbindungen neu zu entdecken, wird ebenfalls nur durch lückenloses Durchsuchen der angegebenen Registerkette vorgebeugt. Beim Literaturstudium muß man sich darüber klar sein, daß die letzten Quellen zur Information in den O r i g i n a l a b h a n d l u n g e n liegen, zu denen die Literaturangaben hinweisen. M a n g e w ö h n e s i c h d a r a n , i n a l l e n F ä l l e n zu j e n e n Q u e l l e n v o r z u d r i n g e n u n d s t e t s d i e u r s p r ü n g l i c h e n A r b e i t e n zu l e s e n (und zu exzerpieren), u n d begnüge sich nie m i t der r e f e r i e r e n d e n L i t e r a t u r allein. Diese Mahnung gilt auch für die erschöpfende Nutzbarmachung der Hinweise, die sich auf das Chem. Zentralblatt beziehen. Auch von seinen

398

Verschiedenes

Referaten aus h a t man die Originalarbeit einzusehen, deren Publikationsstelle jeweils a m Ende des Referats verzeichnet steht. Ein treffliches Nachschlagewerk f ü r Präparate von technischem Interesse bildet das zehnbändige alphabetisch angeordnete Werk von F . IJ11m a n n : E n z y k l o p ä d i e d e r t e c h n i s c h e n C h e m i e , das zur Zeit in neuer Auflage erscheint. Das im Text mehrfach angeführte Werk „Organic Syntheses" (Verlag J . Wiley, New York), von dem bereits 33 Bände vorliegen, bringt sehr sorgfältig ausgearbeitete PräparateVorschriften aus den verschiedensten Gebieten der organischen Chemie. Eine systematische Beschreibung der präparativen Methoden f i n d e t sich in dem fortlaufend erscheinenden Werk „Organic Reactions" (Herausgeber R. A d a m s , Verlag J . Wiley, New York). Eine umfassende Darstellung der organisch-chemischen Arbeitsmethoden gibt das H a n d buch von H o u b e n - W e y l , von dessen Neuauflage (herausgegeben von E. M ü l l e r , Verlag G. Thieme, Stuttgart) bislang 3 Bände erschienen sind. Literaturpräparate Den Abschluß der präparativen Tätigkeit bildet notwendigerweise die Darstellung m e h r e r e r P r ä p a r a t e , zu denen die Vorschriften nicht, wie in dieser Anleitung, f ü r den Unterricht ausgearbeitet und in allen Einzelheiten wiedergegeben sind, f ü r die vielmehr der P r a k t i k a n t die geeigneten Methoden aus der Zeitschriften-Literatur sich heraussuchen muß. Dabei erlernt er — an H a n d der vorstehend gegebenen Anleitung — die Technik des Nachschlagens und die Handhabung der chemischen Bibliothek, vor allem aber soll er zeigen, daß er auch schwierigeren Aufgaben gewachsen ist. E s i s t e i n u n b e d i n g t e s G e b o t , b e i m A u f b a u einer Verbindung über mehrere Zwischenprodukte, jede einzelne S t r e c k e des Weges im R e a g e n z g l a s v e r s u c h zu p r ü f e n u n d f e s t z u l e g e n , ehe das ganze Material eingesetzt wird. Wer diese Regel nicht befolgt, wird es mit schwerem Verlust an Stoff und Zeit zu büßen haben. Bei der Auswahl der schwierigen Präparate werden häufig die Bedürfnisse und Wünsche maßgebend sein, die sich aus den wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts ergeben; daß hierbei das Interesse des Darstellers im Vordergrund stehen muß, braucht nicht betont zu werden. Wir geben nachstehend eine kleine Zusammenstellung von Verbindungen, deren Heranziehimg sich in dem gedachten Sinn als geeignet erwiesen hat. Pinakon, Pinakolin O-Methylhydroxylamin Allylalkohol Styrol Stüben Phenacylbromid

Äthylenoxyd Cholin Dithioglykolsäure Oxalylchlorid Nitroharnstoff Nitramid

Orthoameisensäureester Fumarsäure Glutarsäure Pimelinsäure Cyanamid β -Phenyläthylalkohol

Literaturpräparate Brenztraubensäure Oxalessigsäure Dioxyweinsäure Dioxy-maleinsäure Acetondicarbonester Muconsäure Cadaverin Triphenylamin Fulminursäure Azodicarbonester p-Dinitrobenzol 2,4-Dinitrofluorbenzol Aldol Crotonaldehyd Phenylacetaldehyd Benzildioxime Phenylalanin Methyl-cyclohexenon p-Diketo-cyclohexan Diacetyl Acetonylaceton Antipyrin Kohlensuboxyd Cumarin Allozimtsäure Xanthon Anthranol Di-biphenylenäthylen yÖ-Nitronaphthalin Diphenylketen Dioxyphenylalanin Violursäure Veronal Phenylnitramin m-Toluidin m-Nitrophenol p-Nitrophenylhydrazin

Fuchson Trichinoyl und Hexaoxybenzol o-Benzochinon Chinol Oxyhydrochinon Tetraphenyl-xylylen Dimethylaminobenzaldehyd Phenanthrenchinon Biphenylen-äthylen Diphenyl-hydrazin Triphenylhydrazin und Hexapbenyl-tetrazan Tolan Quecksilberdiphenyl Dimethylpyron 1,5-Dibrompentan Diphenylstickstoffoxyd TMoindigo Thioindigoscharlach Isatin nach S a n d m e y e r Thymolphthalein Dimethylpyrrol Mellithsäure Methylimidazol aus Glucose χ- und /?-Methylglucosid d,¿-Campher aus Pinen Cystin Eiweißhydrolyse nach E. F i s c h e r - D a k i n Glutaminsäure Glyeylglycin Suprarenin Mannose Diacetonglucose

399Dulcit aus Galaktose Sylvan aus Furfurol Guanin Xanthin Harnsäure, synth. Camphersäure Camphoronsäure o-Esdragol aus Phenylallyläther Ionon Vanillin aus Isoeugenol Tartrazin Auramin Tetraphenylblei Bortriphenyl Phoron Ninhydrin CMoriminokohlensäureester Diphenyl-diazomethan Phenylacetylen Piperidin Piperylen Cyclopentanoncarbonsäureester Pikrolonsäure Amylen aus Aceton Xylose Glyoxal Furfuralkohol und Z i m t alkohol nach M e e r wein Glutathion Luminol Tryptophan aus Gramiii,

400

Tabelle zur Berechnung der Stickstoffbestimmungen A

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